Language of document : ECLI:EU:C:2012:697

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 8. November 2012(1)

Rechtssache C‑275/11

GfBk Gesellschaft für Börsenkommunikation mbH

gegen

Finanzamt Bayreuth

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

„Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Richtlinie 77/388 – Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 – Befreiung der Verwaltung von Sondervermögen –Richtlinie 85/611– Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) – Verwaltungsgesellschaften für Sondervermögen – Begriff ‚Verwaltung‘ – Anwendbarkeit der Befreiung auf außenstehende Verwalter – Spezifische Tätigkeit, die ein ‚im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes‘ bildet – Steuerpflicht für unerlaubte wirtschaftliche Tätigkeiten – Grundsatz der Steuerneutralität“





1.        Ist die Wertpapieranlageberatung, die ein Außenstehender für eine Gesellschaft, die Sondervermögen verwaltet, erbringt, „Verwaltung von Sondervermögen“ im Sinne der in Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/388/EWG(2) über die Umsatzsteuern vorgesehenen Befreiung? Darin besteht, zusammengefasst, die Frage, die der Bundesfinanzhof im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren stellt.

2.        Im Rahmen der Beantwortung der Frage hat der Gerichtshof Gelegenheit, auf eine Rechtsprechung einzugehen, die zwar gefestigt, aber nicht frei von Schwierigkeiten ist, und nach der die in Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/338(3) vorgesehenen Befreiungen auf die von einem außenstehenden Verwalter erbrachten Dienstleistungen anwendbar sind, „wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich sind“. Wegen der unbestimmten Begriffe, die dieses Kriterium der Rechtsprechung gebraucht, erfordert seine Anwendung auf einen Fall wie den vorliegenden besondere Anstrengungen bei seiner Auslegung.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

3.        Art. 13 Teil B der Sechsten Richtlinie sieht eine Reihe von Befreiungen von der Steuer vor, unter denen für die Zwecke dieses Verfahrens folgende hervorzuheben sind:

„… die Mitgliedstaaten [befreien] unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

d)      die folgenden Umsätze:

3.       die Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;

5.       die Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung –, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von

–        Warenpapieren,

–        Rechten oder Wertpapieren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3,

6.       die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalgesellschaften;

…“.

4.        Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in ihrer von 1999 bis 2002 geltenden Fassung definiert diese Organismen mit folgenden Worten:

„(2)       Vorbehaltlich des Artikels 2 sind im Sinne dieser Richtlinie als OGAW diejenigen Organismen anzusehen,

–        deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikobetreuung in Wertpapieren anzulegen, und

–        deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.

(3)       Diese Organismen können nach einzelstaatlichem Recht die Vertragsform (von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form des Trust (‚unit trust‘) oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft) haben.“

5.        Im Jahr 2002 wurde eine weitreichende Reform der Richtlinie 85/611 vorgenommen, durch die die Regelung der Verwaltungsgesellschaft tief greifend geändert wurde(4). Infolge dieser Reform werden in Anhang II der Begriff „Verwaltung“ von Investmentfonds und Investmentgesellschaften definiert und verschiedene Beispiele genannt. Der neue Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/611 nimmt mit folgenden Worten ausdrücklich auf die nicht erschöpfende Liste der in dem zitierten Anhang genannten Aufgaben Bezug:

„Die Tätigkeit der Verwaltung von Investmentfonds und Investmentgesellschaften schließt für die Zwecke dieser Richtlinie die Aufgaben ein, die in Anhang II in nicht erschöpfender Weise genannt sind.“

6.        Anhang II lautet:

„Aufgaben, die in die gemeinsame Portfolioverwaltung einbezogen sind

–        Anlageverwaltung.

–        Administrative Tätigkeiten:

a)       rechtliche Dienstleistungen sowie Dienstleistungen der Fondsbuchhaltung und Rechnungslegung;

b)       Kundenanfragen;

c)       Bewertung und Preisfestsetzung, einschließlich Steuererklärungen;

d)       Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften;

e)       Führung des Anlegerregisters;

f)       Gewinnausschüttung;

g)        Ausgabe und Rücknahme von Anteilen;

h)       Kontraktabrechnungen (einschließlich Versand der Zertifikate);

i)       Führung von Aufzeichnungen;

–        Vertrieb.“

7.        Im Rahmen der im Jahr 2002 vorgenommenen Reform hat der Unionsgesetzgeber in die Richtlinie 85/611 einen Art. 5g eingefügt, auf dessen Grundlage die Mitgliedstaaten den Verwaltungsgesellschaften gestatten konnten, unter bestimmten Voraussetzungen eine oder mehrere ihrer Aufgaben an Dritte zu übertragen. Nach dieser Bestimmung muss insbesondere gesichert sein, dass die Übertragung der Aufgaben die Aufsicht über die Verwaltungsgesellschaft nicht gefährdet und dass die Aufgaben ordnungsgemäß durchgeführt werden.

II – Sachverhalt

8.        Die GfBk (Gesellschaft für Börsenkommunikation mbH) ist ein deutsches Unternehmen, das die Verbreitung von Börseninformationen und Börsenempfehlungen sowie die Beratung im Hinblick auf Kapitalanlagen und deren Vertrieb zum Gegenstand hat.

9.        1999 schloss die GfBk mit einer Kapitalanlagegesellschaft (im Folgenden: KAG) einen Dienstleistungsvertrag ab. Die GfBk verpflichtete sich insbesondere, die KAG „bei der Verwaltung [eines] Fondsvermögens“ zu beraten und ihr „unter ständiger Beobachtung des Fondsvermögens Empfehlungen für den Kauf und den Verkauf von Vermögensgegenständen [zu] erteilen …“. Sie verpflichtete sich darüber hinaus, „den Grundsatz der Risikomischung, die gesetzlichen Anlagebeschränkungen … sowie die … Anlagebedingungen … zu berücksichtigen“.

10.      Aus der Akte ergibt sich, dass die Vergütung der GfBk nach einem vom Wert des Sondervermögens berechneten Prozentsatz erfolgte.

11.      In den Jahren 1999 bis 2002 übermittelte die GfBk Empfehlungen zum An- und Verkauf von Wertpapieren per Telefon, Telefax oder E-Mail an die KAG. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die GfBk keine Expertisen erstellt habe, sondern punktuelle Empfehlungen, die die KAG in ihr Order-System eingestellt und, nachdem sie überprüft habe, dass sie gegen keine gesetzlichen Vorgaben verstießen, oft innerhalb weniger Minuten umgesetzt habe.

12.      Für die Steuerjahre 1999 bis 2002 stellte die deutsche Steuerverwaltung fest, dass die von der GfBk erbrachten Dienstleistungen keine „Verwaltung von Sondervermögen“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie darstellten. Die GfBk teilt diese Auslegung nicht und hat die entsprechenden Entscheidungen angefochten. Dabei hat sie den Rechtsweg bis zum Bundesfinanzhof ausgeschöpft, der das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen vorlegt.

III – Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

13.      Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs wurde am 5. Mai 2011 in das Register der Kanzlei eingetragen; es ist in Form von drei möglichen alternativen Antworten verfasst:

Ist die Leistung eines außenstehenden Verwalters eines Sondervermögens nur dann hinreichend spezifisch und damit steuerfrei, wenn

a)       er eine Verwaltungs- und nicht nur eine Beratungstätigkeit ausübt oder wenn

b)       sich die Leistung ihrer Art nach aufgrund einer für die Steuerfreiheit nach dieser Bestimmung charakteristischen Besonderheit von anderen Leistungen unterscheidet oder wenn

c)       er aufgrund einer Aufgabenübertragung nach Art. 5g der geänderten Richtlinie 85/611 tätig ist?

14.      Die GfBk, die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, des Großherzogtums Luxemburg und der Hellenischen Republik sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

15.      In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2012 haben die GfBk, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Kommission ihre jeweiligen Standpunkte dargelegt.

IV – Prüfung der Vorlagefrage

16.      Obwohl die Frage des Bundesfinanzhofs in Form von alternativen Antworten formuliert ist, meine ich, dass sie eher im Sinne von drei Einwänden zu lesen ist, die der Anwendbarkeit der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung auf durch Dritte erbrachte Wertpapieranlageberatungs- und ‑informationsdienstleistungen entgegenstehen könnten. Der Gerichtshof wird daher ersucht, alle drei Einwände zu berücksichtigen, um die zitierte Vorschrift richtig auszulegen.

A –    Der erste Einwand: Anwendung des Begriffs „Verwaltung von Sondervermögen“ auf Wertpapieranlageberatung und ‑information durch einen Außenstehenden

17.      Mit dem ersten Einwand fragt der Bundesfinanzhof nach der Einstufung der von der GfBk erbrachten Dienstleistung, konkret nach ihrem spezifischen Charakter, um sie als „Verwaltung von Sondervermögen“ und damit als gemäß Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie befreite Dienstleistung einstufen zu können.

18.      Tatsächlich ist – und dies ist die erste Feststellung, die ich für angebracht halte – das Kriterium, das der Gerichtshof bei der Prüfung, ob eine ausgelagerte Tätigkeit unter die genannte Befreiung fällt, komplex. Ich habe bereits am Anfang dieser Schlussanträge darauf hingewiesen, dass die Schwierigkeit dieser Rechtssache in der Anwendung des von der Rechtsprechung für ausgelagerte Dienstleistungen entwickelten Kriteriums liegt, nach dem diese „ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich“ sein müssen, um von der Mehrwertsteuer befreit zu sein.

19.      Zu diesem Punkt haben alle Beteiligten Stellung genommen und unterschiedliche Antworten vorgeschlagen. Auf der einen Seite schließen es die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik und die Kommission aus, dass die von der GfBk erbrachte Beratungs- und Informationsdienstleistung hinreichend spezifisch oder eigenständig sei. Auf der anderen Seite sprechen sich die GfBk und das Großherzogtum Luxemburg dafür aus, dass die Dienstleistung spezifisch sei und ein Ganzes bilde und unter die Befreiung falle. Zugunsten der ersten Antwort wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die KAG letztendlich für die Entscheidungsfindung verantwortlich sei, einschließlich der juristischen Verantwortung. Daneben wird angeführt, dass die Empfehlungen der GfBk zum An- und Verkauf lediglich Hinweise seien und es der KAG freistehe, sie zu berücksichtigen. Die GfBk und das Großherzogtum Luxemburg berufen sich auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Abbey National(5), nach dessen Tenor bestimmte von Außenstehenden erbrachte Dienstleistungen unter die Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie fallen können.

20.      Um diese Frage beantworten zu können, ist zunächst auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs einzugehen, insbesondere auf das Urteil Abbey National, das von allen Beteiligten in diesem Vorabentscheidungsverfahren ausgiebig zitiert wurde.

1.      Das Urteil Abbey National

21.      Im Urteil Abbey National wurde über ein Vorabentscheidungsersuchen bezüglich der einer Investmentgesellschaft von einem Außenstehenden erbrachten Dienstleistungen entschieden. Diese Dienstleistungen bestanden u. a. in der Ermittlung des Betrags der Einkünfte und des Preises der Anteile oder Aktien an dem Fonds, der Bewertung des Vermögens, der Buchführung, der Vorbereitung der Erklärungen über die Verteilung der Einkünfte, der Lieferung von Angaben und Unterlagen für die regelmäßig zu veröffentlichenden Abschlüsse und die Steuer‑, insbesondere Mehrwertsteuererklärungen und Statistiken sowie der Vorbereitung der Voraussagen über die Erträge(6). In dem Urteil wurde „grundsätzlich“ bestätigt, dass diese Vielzahl von Dienstleistungen, die der Gerichtshof unter dem Begriff „administrative und buchhalterische Verwaltung“ zusammenfasste(7), in den Anwendungsbereich von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie fällt(8). 

22.      Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bediente sich der Gerichtshof verschiedener Argumente, die auch auf die vorliegende Rechtssache angewendet werden können, wie ich weiter unten zeigen werde.

23.      Zunächst wird in dem Urteil Abbey National auf das Ziel der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung eingegangen, das darin besteht, „Kleinanlegern die Geldanlage in Investmentfonds zu erleichtern“(9). Ziel der Befreiung ist mithin die Gewährleistung der steuerlichen Neutralität des Steuersystems in Bezug auf Investoren, die ihre Geldanlage in Wertpapieren unmittelbar verwalten, und solche, die sich für gemeinsame Anlagen über eine Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft entscheiden(10). 

24.      Zweitens wird in dem Urteil hervorgehoben, dass die „Verwaltung“ eines Investmentsfonds im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie nicht nur die Aufgaben der Portefeuilleverwaltung umfasst, sondern auch „die administrativen Aufgaben der Organismen für gemeinsame Anlagen selbst“(11). Für die Feststellung, welche „administrativen“ Dienstleistungen hinreichend spezifisch sind, um unter den Begriff der „Verwaltung“ im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie zu fallen, bedient sich der Gerichtshof des Anhangs II der Richtlinie 85/611. Seiner Ansicht nach sind in dem Anhang unter der Überschrift „Administrative Tätigkeiten“ die Aufgaben „aufgeführt“, die hinreichend spezifisch im Sinne der Mehrwertsteuerbefreiung sind.

25.      Drittens ist es nach dem Urteil nicht erforderlich, dass diese „Verwaltung“ ausschließlich von einem konkreten Rechtssubjekt ausgeübt wird. Der Gerichtshof hebt vielmehr ausdrücklich hervor, dass die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie „durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert wird“(12). Im Einklang mit den Feststellungen des Gerichtshofs in früheren Rechtssachen, die andere in Art. 13 Teil B Buchst. d vorgesehene Befreiungen betrafen(13), kann die „Verwaltung“ in verschiedene Dienstleistungen unterteilt werden, von denen einige ohne Weiteres auch von einem außenstehenden Verwalter erbracht werden können(14). 

26.      Schließlich wird in dem Urteil die vorhergehende Rechtsprechung zu Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie zitiert, um daran zu erinnern, dass die Leistungen eines außenstehenden Verwalters jedenfalls „ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in Nr. 6 beschriebenen Leistung erfüllt“, also der Verwaltung eines Sondervermögens.

27.      Dieses Kriterium wird im Urteil Abbey National, aber auch in anderen Entscheidungen zu den Befreiungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie nicht weiter entwickelt. Aus ihnen lassen sich jedoch anhand des Ergebnisses, zu dem der Gerichtshof im jeweiligen Fall gelangte, einige Regeln ableiten. Diese Regeln, die einen etwas präziseren Inhalt des Kriteriums der Spezifizität und Eigenständigkeit erkennen lassen, sind folgende: Die von einem Außenstehenden erbrachte Tätigkeit muss eine enge Verbindung zu der von der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft erbrachten Dienstleistung sowie einen hohen Grad an Autonomie im Hinblick auf ihren Inhalt aufweisen. Daneben muss die ausgelagerte Dienstleistung dauerhaft oder zumindest zeitlich vorhersehbar sein. Der Umstand, dass die ausgelagerte Dienstleistung zu einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Lage der die Dienstleistung empfangenden Gesellschaft führt, scheint hingegen nicht relevant zu sein.

28.      Ich wende mich nun der Frage zu, ob diese aus der bisherigen Rechtsprechung abgeleiteten Regeln im vorliegenden Fall erfüllt sind.

2.      Die Tätigkeit der Anlageberatung im Licht der Rechtsprechung

29.      Die Frage des Bundesfinanzhofs geht dahin, ob die Tätigkeit der GfBk ausgelagert werden kann und auch dann der Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie unterliegt. Insoweit ist daran zu erinnern, dass, wie soeben im Zusammenhang mit der Untersuchung des Urteils Abbey National aufgezeigt wurde, ausgelagerte Dienstleistungen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft erbracht werden, unter den Befreiungstatbestand fallen. Als Voraussetzung verlangt der Gerichtshof, dass diese Dienstleistungen „ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich sind“.

30.      Wie ich bereits in Nr. 27 dieser Schlussanträge festgestellt habe, müssen bei der Anwendung dieses Kriteriums verschiedene Charakteristika berücksichtigt werden. Ich werde nacheinander auf sie und einige Einwände der Mitgliedstaaten und der Kommission eingehen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die von der GfBk erbrachten Dienstleistungen grundsätzlich die Voraussetzungen der Spezifizität und Eigenständigkeit erfüllen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass einige tatsächliche Feststellungen Sache des vorlegenden Gerichts sind.

a)      Enge Verbindung der Dienstleistung mit der Tätigkeit des Fonds

31.      Die im Urteil Abbey National entwickelte Voraussetzung der Spezifizität und der Globalität (im Sinne eines „Großen und Ganzen“) spielt auf eine enge Verbindung zwischen der Dienstleistung und der Tätigkeit eines Investmentfonds an. Letztendlich geht es um die Individualisierung der für einen Investmentfonds typischen Leistungen, die ihn von anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten unterscheiden. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Die Ermittlung der Anteile und Aktien an dem Fonds oder eine Empfehlung zum An- oder Verkauf stellt eine für einen Investmentfonds typische Tätigkeit dar, nicht aber für ein Hochbauunternehmen. Es ist offenkundig, dass ein Bauunternehmen durch nichts daran gehindert ist, Kapitalanlagetätigkeiten auszuüben, aber es handelt sich dabei nicht um charakteristische oder typische und in diesem Sinne spezifische Tätigkeiten der Bauwirtschaft.

32.      Hingegen kann eine Dienstleistung eines EDV-Kundendiensts oder sogar, wie einige Mitgliedstaaten und die Kommission in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben haben, eines Reinigungsdiensts in gleicher Weise für eine Kapitalanlagegesellschaft oder ein Bauunternehmen erbracht werden, ohne dass behauptet werden könnte, dass es sich um eine für einen der beiden Geschäftszweige spezifische Dienstleistung handelt. Es handelt sich sozusagen um Dienstleistungen, die aus der Sicht ihres Inhalts neutral oder generisch sind, soweit sie völlig unterschiedslos für verschiedene Unternehmen erbracht werden können.

33.      Im Fall der Beratungs- und Informationsleistungen im Hinblick auf die Fondsverwaltung im engeren Sinne oder den An- und Verkauf von Aktiva scheint klar zu sein, dass es sich um eine spezifische Tätigkeit einer Kapitalanlagegesellschaft handelt. Die GfBk erteilt Empfehlungen für die Umsätze, die die KAG später ausführen kann. Dies geschieht in ihrer Eigenschaft als Kapitalanlagegesellschaft, d. h. als für die Verwaltung eines Sondervermögens Verantwortliche. Es handelt sich mithin um Dienstleistungen, die für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren besonders charakteristisch sind, deren ausschließlicher Zweck nach der Richtlinie 85/611 darin besteht, „beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung … in Wertpapieren und/oder anderen … liquiden Finanzanlagen zu investieren“(15).

34.      Der Sachverhalt, der dem Urteil Abbey National zugrunde lag, trägt andererseits dazu bei, die Spezifizität der von der GfBk ausgeübten Tätigkeit zu bestätigen. Wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis kam, dass die administrativen und buchhalterischen Tätigkeiten einen spezifischen Charakter im Sinne der in Art. 13 vorgesehenen Befreiung aufwiesen, muss dies auch für eine eng mit dem Kern der Tätigkeit eines Fonds verbundene Tätigkeit wie die Informationsverarbeitung für die Zwecke der Anlage in Wertpapieren gelten. Wenn Tätigkeiten wie die Buchführung, die Ermittlung des Betrags der Einkünfte und des Preises der Anteile oder Aktien an dem Fonds oder die Bewertung des Vermögens spezifische und eigenständige Tätigkeiten darstellen, verdient eine derart spezifische Dienstleistung wie die Beratung und Information im Hinblick auf die Verwaltung des Fonds und den An- und Verkauf von Aktiva meiner Ansicht nach erst recht diese Einstufung.

35.      Dieser Feststellung könnte, wie es die Bundesrepublik Deutschland getan hat, entgegengehalten werden, dass die Beratungs- und Informationsleistungen nicht in Anhang II der Richtlinie 85/611 aufgeführt sind. Dieses Argument kann aber nicht durchgreifen, denn in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/611 heißt es, dass der Anhang die Aufgaben „in nicht erschöpfender Weise“ nennt. Generalanwältin Kokott hat dies in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Abbey National in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, als sie feststellte, dass „die Begriffe in Anhang II der Richtlinie 85/611 nicht als Definitionen der Verwaltungsleistungen eines Investmentfonds [anzusehen sind], sondern als Beschreibung der typischen Aufgaben der Verwaltungsgesellschaft“(16). Folglich steht der Umstand, dass die von der GfBk erbrachten Dienstleistungen in dem zitierten Anhang nicht ausdrücklich genannt sind, wegen seines vornehmlich beispielhaften Charakters ihrer Subsumtion unter die Kategorie einer spezifischen Dienstleistung, die unter die Tätigkeiten der „Verwaltung“ eines Sondervermögens fällt, nicht entgegen.

b)      Autonomie der Dienstleistung gegenüber der Tätigkeit des Fonds

36.      Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der Spezifizität und der Eigenständigkeit, mit denen wir befasst sind, betreffen auch die Autonomie der Dienstleistung, d. h. die Fähigkeit, Leistungen zu erbringen, die hinreichend genug definiert sind, um von anderen Leistungen des Dienstleistungsempfängers abgrenzbar zu sein. In gewissem Maße bezieht sich diese Voraussetzung auf den bestimmenden Charakter der Dienstleistung, und es ist hierauf zurückzuführen, dass der Gerichtshof gelegentlich das Adjektiv „wesentlich“ verwendet hat, wenn er sich auf die Voraussetzung des „im Großen und Ganzen eigenständigen Ganzen“ bezogen hat(17). 

37.      Daher ist eine Dienstleistung, die ein im „im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes“ bildet, zunächst einmal eine Dienstleistung, die nicht mit anderen verwechselt werden kann, die ihr Empfänger bereits erbringt. Wenn z. B. eine Verwaltungsgesellschaft bereits Buchhaltungstätigkeiten ausübt und dies anhand der Feststellung nachgewiesen wird, dass sie über eine interne Buchhaltungsabteilung verfügt, die diese Dienstleistung vollständig abdeckt, kann eine von einem Außenstehenden erbrachte Buchhaltungstätigkeit kaum von der von dem Unternehmen bereits intern ausgeübten unterschieden werden. An dieser Feststellung wird deutlich, wie die von einem Außenstehenden erbrachte Dienstleistung an Eigenständigkeit verliert, wenn die Dienstleistungsempfängerin sie bereits selbst ausübt.

c)      Kontinuität der Dienstleistung

38.      Drittens muss die Spezifizität und Eigenständigkeit eine gewisse zeitliche Kontinuität aufweisen. Anders ausgedrückt: Es darf sich nicht um eine gelegentliche und punktuelle Leistung handeln, denn anderenfalls würde sie nicht wesentlich genug sein, um unter die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung fallen zu können. Das bedeutet nicht, dass die Dienstleistung notwendigerweise zeitlich fortlaufend erbracht werden muss, denn sonst könnten sämtliche Tätigkeiten, die nicht regelmäßig erbracht werden, von vornherein ausgeschlossen sein. Meiner Ansicht nach geht es hier darum, dass die in Rede stehende Ausgliederung einer operativen Entscheidung des Verwalters gehorcht und daher über einen gewissen Grad an Beständigkeit verfügt.

39.      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Dabei muss es den Sachverhalt dahin prüfen, ob die von der GfBk erbrachten Dienstleistungen kontinuierlich in einer Weise erbracht wurden, dass eine gewisse Vorhersehbarkeit festzustellen ist, was die Kontinuität der Dienstleistungen angeht. Wenn sich herausstellt, dass die Beratungs- und Informationsdienstleistungen ausschließlich von der GfBk oder auch von anderen Außenstehenden erbracht wurden, und zwar kontinuierlich, steht fest, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die hinreichend autonom ist, um ein „im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes“ zu bilden.

d)      Unbeachtlichkeit der Voraussetzung einer Änderung der rechtlichen und finanziellen Lage

40.      Abschließend ist auf ein Argument einzugehen, das die Bundesrepublik Deutschland und die Kommission vorgebracht haben und dem zufolge die rechtlich relevanten Entscheidungen nicht der GfBk zuzurechnen sind, sondern der Verwaltungsgesellschaft. Dies bestätige das Fehlen einer spezifischen und eigenständigen Verwaltung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie.

41.      Diesem Argument kann nicht gefolgt werden, denn es kann als vom Urteil Abbey National stillschweigend ausgeschlossen betrachtet werden. In dieser Rechtssache handelte es sich bei den in Rede stehenden Dienstleistungen – wie bereits gezeigt wurde – sämtlich um übliche und für die Verwaltung einer Verwaltungsgesellschaft charakteristische Tätigkeiten, doch stand ihrer Einstufung als spezifische und eigenständige „Verwaltung“ im Sinne des Art. 13 nichts entgegen. Dies steht mit dem Gedanken im Einklang, dass nicht zwingend eine Änderung der rechtlichen oder finanziellen Lage erfolgen muss, sondern eine substanzielle Auslagerung der „Verwaltung“.

42.      Generalanwältin Kokott stimmte insoweit dem Standpunkt von Generalanwalt Poiares Maduro nicht zu(18), und der Gerichtshof hat sich ihrer Ansicht angeschlossen. In ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Abbey National hat die Generalanwältin die Anwendbarkeit des genannten Kriteriums (das der Gerichtshof auf andere in Art. 13 Teil B Buchst. d vorgesehene Befreiungen bereits angewendet hat) ausgeschlossen und auf die allgemeinere Regelung in Nr. 6 Bezug genommen, aber auch Folgendes ausgeführt: „Würde die Befreiung auf Tätigkeiten verengt, die sich auf die Zusammensetzung des Portfolios auswirken, wäre nur ein untergeordneter Teil der Tätigkeit der Investmentfonds steuerbefreit.“(19) Ich teile diesen Standpunkt, wie wohl auch der Gerichtshof, denn das Ergebnis, zu dem er in der Rechtssache Abbey National gelangte, ließ das Kriterium der Änderung der rechtlichen und finanziellen Lage unberücksichtigt.

e)      Die enge Auslegung der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie geregelten Befreiung

43.      Abschließend möchte ich nicht versäumen, auf einen allgemeineren Einwand einzugehen, der sich sowohl aus den schriftlichen Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland als auch der Hellenischen Republik ergibt und die enge Auslegung der Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie betrifft. Dieser Einwand stützt sich auf eine ständige Rechtsprechung, nach der Mehrwertsteuerbefreiungen als Ausnahmen von einer allgemeinen Regel eng auszulegen sind.

44.      Auf diesen Einwand ist bereits Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Abbey National zutreffend eingegangen. Sie unterstrich, dass die Auslegung von Art. 13 der Sechsten Richtlinie in einigen Fällen mit einer ständigen Rechtsprechungspraxis kollidieren könne, nach der es erstrebenswert sei, dieselben Begriffe in verschiedenen Rechtsakten einheitlich auszulegen. Im konkreten Fall des Art. 13 der Sechsten Richtlinie und des Anhangs II der Richtlinie 85/611 kam die Generalanwältin, soweit sie sich auf den Begriff „Verwaltung“ beziehen, zu dem Schluss, dass das Spannungsverhältnis eher illusorisch als real ist. Sie vertrat die Ansicht, dass keine Bestimmung der Richtlinie 85/611 eine genaue Definition des Begriffs „Verwaltung eines Sondervermögens“ vorgebe. Wie bereits oben ausgeführt wurde, bezieht sich die Richtlinie nur beispielhaft auf die Liste in Anhang II, und die Gerichte haben die Möglichkeit, die Aufzählung im Licht der Ziele und der Systematik der Rechtsordnung der Union zu vervollständigen.

45.      Daher beinhaltet der Vorschlag, den ich dem Gerichtshof unterbreite, keine weite Auslegung des Begriffs „Verwaltung eines Sondervermögens“. Die Auslegung, die ich vorschlage, beschränkt sich vielmehr darauf, dem Begriff „Verwaltung“ in einem Kontext der Auslagerung von Dienstleistungen eine Bedeutung zu verleihen, und gewährleistet gleichzeitig eine einheitliche Auslegung mit anderen Rechtsakten der Union. Zu diesem Ergebnis gelangte auch der Gerichtshof im Urteil Abbey National, in dem er feststellte, dass eine Auslegung von Art. 13 der Sechsten Richtlinie in Übereinstimmung mit der Richtlinie 85/611 die bisherige Auslegung des Begriffs „Verwaltung“ bestätigt, ohne dass dies eine weite Auslegung der Voraussetzungen der Befreiung bedeutet.

f)      Zusammenfassung

46.      Angesichts der oben dargelegten Argumente und nachdem ausgeschlossen worden ist, dass die vorgeschlagene Auslegung eine weite Auslegung der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie geregelten Befreiung darstellt, bin ich der Ansicht, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass eine von einem Außenstehenden erbrachte Beratungs- und Informationsleistung im Hinblick auf die Verwaltung eines Sondervermögens sowie den An- und Verkauf von Aktiva eine spezifische und eigenständige Tätigkeit der „Verwaltung“ darstellt, sofern die Autonomie und Kontinuität der Leistung gegenüber den tatsächlich von der Leistungsempfängerin ausgeführten Tätigkeiten festgestellt werden kann; dies zu prüfen, ist Sache des nationalen Gerichts.

B –    Der zweite Einwand: Vereinbarkeit mit einem vermeintlichen Grundsatz der horizontalen Steuerneutralität

47.      Der Bundesfinanzhof fragt sodann, ob sich eine Leistung wie die von der GfBk erbrachte aufgrund einer für die Steuerfreiheit charakteristischen Besonderheit von anderen Leistungen unterscheidet. Im Vorlagebeschluss wird im Rahmen der Begründung dieser Frage letztendlich aber ein Einwand formuliert, der auf einem Argument basiert, das man als Prinzip der „horizontalen“ Steuerneutralität bezeichnen könnte. D. h. das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Sechste Richtlinie aufgrund der Tatsache, dass ein Rechtssubjekt (die Verwaltungsgesellschaft oder die Investmentgesellschaften, die die Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen) gegenüber einem anderen (Investoren, die eine direkte Investition vornehmen, obgleich unter Inanspruchnahme von Beratungsleistungen) steuerlich bevorzugt wird. Ich bin daher der Auffassung, dass der Bundesfinanzhof, wenn er sich in seiner Frage auf die „charakteristische Besonderheit“ der Leistung bezieht, den Gerichtshof auf diese vermeintliche Ungleichbehandlung hinweisen will.

48.      Bei dieser Interpretation des zweiten Teils der Vorlagefrage bin ich der Ansicht, dass im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen einen vermeintlichen Grundsatz der Steuerneutralität vorliegt. Tatsächlich besteht eines der mit der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung verfolgten Ziele gerade darin, es Kleinanlegern zu ermöglichen, ihr Kapital in Investmentfonds anzulegen. Hinter dieser Befreiung steht wiederum die Notwendigkeit, die Steuerneutralität zu gewährleisten, denn anderenfalls würden diejenigen, die von (mehrwertsteuerpflichtigen) gemeinsamen Anlageformen Gebrauch machen wollen, gegenüber Direktinvestoren (die die Leistung selbst erbringen) benachteiligt. Da gemeinsame Anlagen Kleinanlegern bzw. Anlegern, die auf einem bestimmten Markt über keine Fachkenntnisse verfügen, die Anlage erleichtern, stellt die Befreiung einen Anreiz für diese Gruppen dar, die der Gesetzgeber für unterstützungswürdig hält(20).

49.      Auf jeden Fall würde das Argument, durch die Anwendung der Befreiung auf die GfBK würden private Anleger, die deren Leistungen unmittelbar in Anspruch nehmen, zulasten von Verwaltungsgesellschaften benachteiligt, zu einer unendlichen Kette von Diskriminierungen führen. Generalanwältin Sharpston hat kürzlich in der Rechtssache Deutsche Bank ausgeführt, dass, „wenn alle Tätigkeiten, die teilweise miteinander in Wettbewerb stehen, mehrwertsteuerlich gleichbehandelt werden müssten, letztlich – da sich praktisch jede Tätigkeit in gewissem Grad mit einer anderen überschneidet – sämtliche Unterschiede in der mehrwertsteuerlichen Behandlung beseitigt [würden]. Das würde (vermutlich) zur Abschaffung sämtlicher Befreiungen führen, da der einzige Zweck des Mehrwertsteuersystems in der Besteuerung von Umsätzen besteht.“(21)

50.      In dem Urteil, das in der angeführten Rechtssache erging, hat sich der Gerichtshof insoweit auf die Schlussanträge der Generalanwältin gestützt und ergänzt, dass der Grundsatz der Steuerneutralität „keine Regel des Primärrechts [ist], die für den Umfang eines Befreiungstatbestands bestimmend sein könnte, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen anzuwenden ist“(22).

51.      Daher widerspricht die Annahme, dass die GfBK nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie befreit ist, meiner Ansicht nach nicht dem Erfordernis der Steuerneutralität im Sinne eines Erfordernisses der Nichtdiskriminierung von Steuerpflichtigen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden.

C –    Der dritte Einwand: die rechtlichen Folgen einer Aufgabenübertragung ohne Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/611

52.      Drittens und abschließend fragt der Bundesfinanzhof nach den Auswirkungen einer unerlaubten Tätigkeit auf die Einstufung der Befreiung. Wie sich aus der Akte ergibt, hatte die KAG zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tätigkeit ausgeübt wurde, keine vorherige Genehmigung erhalten, die eine Aufgabenübertragung an die GfBk zugelassen hätte. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass dieser Umstand gegen die Richtlinie 85/611 in ihrer zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Fassung verstößt. Der Gerichtshof wird gefragt, ob dieser Umstand sich in einem solchen Fall auf die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie auswirken kann.

53.      Zu diesem Punkt haben nur die Regierung der Hellenischen Republik und die Kommission ausdrücklich Stellung genommen. Während Erstere sich darauf beschränkt, sich für die Unanwendbarkeit der Befreiung auszusprechen, wenn die Überwachungserfordernisse der Richtlinie 85/611 nicht beachtet werden, verweist Letztere auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Mehrwertsteuerpflicht rechtswidriger Tätigkeiten. Auf einer Linie mit dieser Rechtsprechung kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die rechtliche Einordnung der Tätigkeit als unerlaubt oder erlaubt keinen Einfluss auf die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie haben darf.

54.      Ich schließe mich der von der Kommission vorgeschlagenen Antwort an. Aus den nachstehend dargelegten Gründen halte ich es aber nicht für erforderlich, detailliert auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Mehrwertsteuerpflicht rechtswidriger Tätigkeiten einzugehen(23). 

55.      Um auf diesen letzten Einwand eingehen zu können, muss hervorgehoben werden, dass jede Übertragung von Aufgaben eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen zwischen Rechtssubjekten mit sich bringt und zwischen ihnen ein Rechtsverhältnis begründet wird. Die Übertragung von Aufgaben beinhaltet definitionsgemäß die Befugnis des Beauftragen, auch ohne die Zustimmung des Auftraggebers bestehende Rechtslagen zu verändern oder eine neue Rechtslage zu begründen. Daraus erklärt sich, dass nach der Richtlinie vor der Übertragung eine Genehmigung durch die zuständigen Behörden erforderlich ist, wenn eine Verwaltungsgesellschaft eigene Aufgaben überträgt und die Entscheidungsbefugnis an ein anderes Rechtssubjekt delegiert, und der Beauftragte die Befugnis zur Änderung einer Rechtslage übernimmt.

56.      Allerdings befindet sich die GfBk in einer ganz anderen Situation. Nie wurden auf sie wesentliche Aufgaben übertragen, die an die Bedingungen eines zuvor erteilten Auftrags geknüpft waren. Tatsächlich besteht ihre Tätigkeit in der „Verwaltung“ eines Investmentfonds, doch ist der Begriff dieser „Verwaltung“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie eindeutig weiter und umfasst nicht unbedingt eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis und damit die Änderung von Rechtslagen. Ich bin in den Nrn. 41 f. dieser Schlussanträge auf dieses Merkmal der Tätigkeit der „Verwaltung“ bereits eingegangen und verweise auf die dort dargelegten Argumente.

57.      Daher und soweit der Begriff der „Verwaltung“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie Dienstleistungen umfasst, die nicht zu einer Änderung von Rechtslagen führen, bin ich der Ansicht, dass das Fehlen einer Genehmigung für die Aufgabenübertragung auf die GfBk keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung hat.

V –    Ergebnis

58.      Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs wie folgt zu beantworten:

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass eine von einem Außenstehenden erbrachte Beratungs- und Informationsleistung im Hinblick auf die Verwaltung eines Sondervermögens sowie den An- und Verkauf von Aktiva eine spezifische und unterscheidbare Tätigkeit der „Verwaltung“ darstellt, sofern sich feststellen lässt, dass die Leistung gegenüber den von der Leistungsempfängerin tatsächlich erbrachten Tätigkeiten eigenständig und vorhersehbar ist. Dies festzustellen, ist Sache des nationalen Gerichts.

Bei der vorgeschlagenen Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388 ist ein Erfordernis einer horizontalen Steuerneutralität nicht zu berücksichtigen.

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388 ist, soweit der Begriff „Verwaltung“ Leistungen umfasst, die nicht zu einer Änderung von Rechtslagen führen, dahin auszulegen, dass das Fehlen einer Genehmigung für die Aufgabenübertragung auf die GfBk keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung hat.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 –      Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie).


3 – Auf die vorliegende Rechtssache ist die Sechste Richtlinie zeitlich anwendbar. Die Argumente können aber ohne Weiteres auf den jetzigen Zeitpunkt erstreckt werden, denn die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), durch die die Sechste Richtlinie aufgehoben wurde, sieht in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g dieselbe Befreiung unter denselben Voraussetzungen vor.


4 – Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfache Prospekte (ABl. L 41, S. 20), und Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) hinsichtlich der Anlagen der OGAW (ABl. L 41, S. 35).


5 – Urteil des Gerichtshofs vom 4. Mai 2006 (C‑169/04, Slg. 2006, I‑4027, Randnr. 63).


6 – Vgl. Randnr. 26 des Urteils Abbey National.


7 – Urteil Abbey National, Randnr. 66.


8 – Urteil Abbey National, Randnr. 69.


9 – Urteil Abbey National, Randnr. 62.


10 – Ebd.


11 – Urteil Abbey National, Randnr. 64.


12 – Urteil Abbey National, Randnr. 66 (Hervorhebung nur hier).


13 – Vgl. die Urteile vom 5. Juni 1997, SDC (C‑2/95, Slg. 1997, I‑3017, Randnr. 66), zu Nr. 5 ([Umsätze], die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen“), vom 13. Dezember 2001, CSC Financial Services (C‑235/00, Slg. 2001, I‑10237, Randnr. 23), vom 21. Juni 2007, Ludwig (C‑453/05, Slg. 2007, I‑5083, Randnr. 36), zu Nr. 1 („Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber“), vom 28. Oktober 2010, AXA UK (C‑175/09, Slg. 2010, I‑10701, Randnr. 27), zu Nr. 3 („Umsätze − einschließlich der Vermittlung − im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren …“), vom 22. Oktober 2009, Swiss Re Germany Holding (C‑242/08, Slg 2009, I‑10099, Randnr. 45), zu Nr. 2 („Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber“) und auch zu Nr. 3, oder das Urteil vom 23. September 2011, Nordea Pankki (C‑350/10, Slg. 2011, I‑7359, Randnr. 27), zu Nr. 5.


14 – Urteil Abbey National, Randnr. 67.


15 – Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 85/611.


16 – Schlussanträge in der Rechtssache Abbey National vom 8. September 2005, Nr. 79.


17 – Ebd.


18 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 18. Mai 2004 in der Rechtssache BBl (Urteil vom 21. Oktober 2004, C‑8/03, Slg. 2004, I‑10157, Nr. 33).


19 – Nr. 66 der angeführten Schlussanträge.


20 – Ebd., Nrn. 27 f.


21 – Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 8. Mai 2012 (Urteil vom 19. Juli 2012, C‑44/11), Nr. 60.


22 – Urteil Deutsche Bank, Randnr. 45.


23 – Siehe u. a. Urteile vom 2. August 1993, Lange (C‑111/92, Slg. 1993, I‑4677, Randnr. 12), und vom 11. Juni 1998, Fischer (C‑283/95, Slg. 1998, I‑3388, Randnr. 21).