Language of document : ECLI:EU:C:2013:781

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO Cruz Villalón

vom 26. November 2013(1)

Rechtssache C‑314/12

UPC Telekabel Wien GmbH

gegen

Constantin Film Verleih GmbH

und

Wega Filmproduktionsgesellschaft mbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Informationsgesellschaft – Rechte des geistigen Eigentums – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG – Art. 16 der Charta der Grundrechte – Maßnahmen gegen eine massiv das Urheberrecht verletzende Website – Anordnung gegen einen Internet Access Provider als Vermittler, dessen Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden – Anordnung der Sperre einer das Urheberrecht verletzenden Website“





1.        Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Schutz des Urheberrechts im Internet weiterzuentwickeln(2). Dabei geht es neben dem Inhalt und dem Verfahren zum Erlass einer Anordnung gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG(3) um die Frage, ob überhaupt eine Anordnung gegen einen Internetzugangsdienst („internet service provider“, im Folgenden: Provider) ergehen kann, der nicht dem Betreiber einer massiv das Urheberrecht verletzenden Website, sondern nur auf diese Website zugreifenden Nutzern einen Internetzugang gewährt.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

2.        Der 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 lautet:

„Insbesondere in der digitalen Technik können die Dienste von Vermittlern immer stärker von Dritten für Rechtsverstöße genutzt werden. Oftmals sind diese Vermittler selbst am besten in der Lage, diesen Verstößen ein Ende zu setzen. Daher sollten die Rechtsinhaber ‒ unbeschadet anderer zur Verfügung stehender Sanktionen und Rechtsbehelfe ‒ die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler zu beantragen, der die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk oder einen anderen Schutzgegenstand in einem Netz überträgt. Diese Möglichkeit sollte auch dann bestehen, wenn die Handlungen des Vermittlers nach Artikel 5 freigestellt sind. Die Bedingungen und Modalitäten für eine derartige gerichtliche Anordnung sollten im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden.“

3.        Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.“

4.        Art. 15 der Richtlinie 2000/31/EG(4) sieht unter dem Titel „Keine allgemeine Überwachungspflicht“ vor:

„(1)  Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

(2)       Die Mitgliedstaaten können Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft dazu verpflichten, die zuständigen Behörden unverzüglich über mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen der Nutzer ihres Dienstes zu unterrichten, oder dazu verpflichten, den zuständigen Behörden auf Verlangen Informationen zu übermitteln, anhand deren die Nutzer ihres Dienstes, mit denen sie Vereinbarungen über die Speicherung geschlossen haben, ermittelt werden können.“

5.        Art. 3 der Richtlinie 2004/48(5) bestimmt Folgendes:

„(1)  Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.

(2)      Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“

B –    Nationales Recht

6.        Das österreichische Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, im Folgenden: UrhG)(6) sieht in § 81 UrhG Folgendes vor:

„(1)       Wer in einem auf dieses Gesetz gegründeten Ausschließungsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, kann auf Unterlassung klagen. Der Inhaber eines Unternehmens kann hierauf auch dann geklagt werden, wenn eine solche Verletzung im Betrieb seines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen worden ist oder droht; § 81 Abs. 1a gilt sinngemäß.

(1a)       Bedient sich derjenige, der eine solche Verletzung begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann auch dieser auf Unterlassung nach Abs. 1 geklagt werden. Wenn, bei diesem die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit nach den §§ 13 bis 17 ECG vorliegen, kann er jedoch erst nach Abmahnung geklagt werden.“

7.        § 13 des E-Commerce-Gesetzes (ECG)(7) behandelt den Ausschluss der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern bei Durchleitung. § 13 Abs. 1 lautet:

„Ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, ist für die übermittelten Informationen nicht verantwortlich, sofern er

1.       die Übermittlung nicht veranlasst,

2.       den Empfänger der übermittelten Informationen nicht auswählt und

3.       die übermittelten Informationen weder auswählt noch verändert.“

8.        § 355 Abs. 1 der Exekutionsordnung(8) lautet:

„Die Exekution gegen den zur Unterlassung einer Handlung oder zur Duldung der Vornahme einer Handlung Verpflichteten geschieht dadurch, dass wegen eines jeden Zuwiderhandelns nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels auf Antrag vom Exekutionsgericht anlässlich der Bewilligung der Exekution eine Geldstrafe verhängt wird. Wegen eines jeden weiteren Zuwiderhandelns hat das Exekutionsgericht auf Antrag eine weitere Geldstrafe oder eine Haft bis zur Gesamtdauer eines Jahres zu verhängen. …“

II – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

9.        Die unter der Domain kino.to betriebene Website ermöglichte Nutzern in großem Umfang den Abruf urheberrechtlich geschützter Filme. Dabei konnten die Filme entweder per Streaming angesehen oder heruntergeladen werden. Ersteres impliziert die Erstellung einer flüchtigen Vervielfältigung auf dem Endgerät, Letzteres eine dauerhafte Vervielfältigung, in der Regel zum privaten Gebrauch.

10.      Unter den auf der Website öffentlich zugänglich gemachten Filmen waren Werke, deren Rechte den Klägerinnen des Ausgansverfahrens zustehen, der Constantin Film Verleih GmbH und der Wega Filmproduktionsgesellschaft mbH (im Folgenden zusammen: Klägerinnen). Die Klägerinnen hatten keine Zustimmung hierzu erteilt.

11.      Die UPC Telekabel Wien GmbH (im Folgenden: Beklagte) ist ein großer österreichischer Provider. Sie steht in keiner Rechtsbeziehung zu den Betreibern der Website kino.to und stellte ihnen weder einen Internetzugang noch Speicherplatz zur Verfügung. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass einzelne Kunden der Beklagten das Angebot von kino.to genutzt haben.

12.      Die Klägerinnen forderten die Beklagte außergerichtlich zur Sperrung der Website kino.to auf. Nachdem diese der Aufforderung nicht nachkam, beantragten die Klägerinnen beim Handelsgericht Wien den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte, mit der dieser die Vermittlung des Zugangs ihrer Kunden zur Website kino.to verboten werden sollte, wenn den Kunden auf dieser Website ganz oder ausschnittweise bestimmte Filme der Klägerinnen zur Verfügung gestellt werden. Der Hauptantrag wurde in weiteren, als „Eventualbegehren“ bezeichneten und den Hauptantrag nicht einschränkenden Anträgen durch Beispiele für bestimmte Sperrmaßnahmen konkretisiert (DNS Sperre der Domain, Blockade der jeweils aktuellen IP-Adresse der Website, diese allenfalls erst nach deren Bekanntgabe durch die Klägerinnen).

13.      Die Klägerinnen stützten ihren Antrag auf § 81 Abs. 1a UrhG und begründeten ihn damit, dass die Beklagte rechtswidrig zur Verfügung gestellte Inhalte vermittele. Die Vermittlung des Zugangs sei zu verbieten. Konkrete Maßnahmen seien erst im Exekutionsverfahren zu prüfen. Die Beklagte hingegen argumentiert, dass sie mit den Betreibern der Website kino.to in keiner Beziehung stehe und nur ihren Kunden, die nicht rechtswidrig handelten, den Zugang zum Internet vermittele. Darüber hinaus sei eine allgemeine Zugangssperre zu einer Website weder möglich noch zumutbar. Die angeregten konkreten Maßnahmen hingegen seien unverhältnismäßig.

14.      Mit Beschluss vom 13. Mai 2011 untersagte das Handelsgericht Wien der Beklagten, ihren Kunden Zugang zu kino.to zu vermitteln, wenn die von den Klägerinnen genannten Filme dort zur Verfügung gestellt würden, insbesondere durch DNS-Sperre der Domain und Blockieren der aktuellen sowie zukünftig von der Beklagten nachgewiesenen IP-Adressen. Es sah es dabei als erwiesen an, dass diese beiden Maßnahmen ohne erheblichen Aufwand getroffen, aber sehr leicht umgangen werden könnten. Trotzdem stellten sie die effektivsten Methoden zur Zugangshinderung dar. Nicht erwiesen sei, dass kino.to ihre IP-Adresse mit Servern teile, die unbedenkliche Inhalte anböten. Beide Parteien legten Rekurs gegen den Beschluss ein.

15.      Im Juni 2011 stellte die Website kino.to nach Tätigwerden der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegen ihren Betreiber ihren Betrieb ein.

16.      Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht änderte die Verfügung des erstinstanzlichen Gerichts mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 dahin ab, dass es die Vermittlung des Zugangs zu kino.to ohne Nennung konkreter zu ergreifenden Maßnahmen untersagte. § 81 Abs. 1a UrhG setze Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 um und sei unionsrechtskonform im Sinne des 59. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2001/29 auszulegen. Die Beklagte ermögliche ihren Kunden den Zugriff auf rechtswidrig zugänglich gemachte Inhalte und sei damit eine Vermittlerin im Sinne des Gesetzes, unabhängig davon, ob ihre Kunden selbst rechtswidrig handelten. Der Beklagten sei der Eingriff in das geistige Eigentum der Klägerinnen generell, ohne Nennung bestimmter Maßnahmen, zu verbieten. Ihr werde durch die Verfügung die Erzielung eines Erfolgs (namentlich die Verhinderung des Eingriffs in das Recht des geistigen Eigentums) aufgegeben. Die Wahl der Mittel zur Erzielung dieses Erfolgs obliege der Beklagten, die alles ihr Mögliche und Zumutbare unternehmen müsse. Ob eine bestimmte zur Vermeidung des Eingriffs angemahnte Maßnahme unverhältnismäßig sei, wie die Beklagte behaupte, sei erst im sogenannten Exekutionsverfahren zu überprüfen, in dem die Frage geprüft werde, ob alle zumutbaren Maßnahmen getroffen wurden oder eine Verletzung der Verfügung im Raum stehe.

17.      Die Beklagte wendet sich per Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung an den Obersten Gerichtshof und strebt die Abweisung aller Anträge der Klägerinnen an.

III – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      Der Oberste Gerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht (Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29), die Dienste der Access-Provider jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen?

2.      Wenn Frage 1 verneint wird: Sind eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29) und eine flüchtige und begleitende Vervielfältigung (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29) nur dann zulässig, wenn die Vorlage der Vervielfältigung rechtmäßig vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde?

3.      Wenn Frage 1 oder Frage 2 bejaht wird und daher gegen den Access-Provider des Nutzers gerichtliche Anordnungen nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 zu erlassen sind: Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider ganz allgemein (also ohne Anordnung konkreter Maßnahmen) zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, solange dort ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, wenn der Access-Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er ohnehin alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat?

4.      Wenn Frage 3 verneint wird: Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider bestimmte Maßnahmen aufzutragen, um seinen Kunden den Zugang zu einer Website mit einem rechtswidrig zugänglich gemachten Inhalt zu erschweren, wenn diese Maßnahmen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern, aber auch ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden können?

19.      Die Klägerinnen, die Beklagte, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

20.      In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2013 äußerten sich die Klägerinnen, die Beklagte, die Republik Österreich und die Kommission.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Vorüberlegungen und technischer Hintergrund

21.      Wenige Erfindungen haben unsere Gewohnheiten und unseren Medienkonsum so gründlich verändert wie jene des Internets. Das in der uns bekannten Form noch keine 30 Jahre alte Netzwerk(9) ermöglicht Kommunikation und Datenaustausch weltweit. Die neuen Kommunikationsformen sind uns innerhalb kürzester Zeit zu einer solchen Selbstverständlichkeit geworden, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Meinungsfreiheit den durch das Internet gewährten Zugang zu Informationen für wesentlich in einer demokratischen Gesellschaft hält(10).

22.      Die neuen Technologien bieten jedoch auch die Möglichkeit für Missbrauch. In besonderem Maß gilt dies für die Verletzung des Urheberrechts im Internet. Selten geht es dabei um so flagrante Fälle wie den vorliegenden. Nach Angaben der Klägerinnen wurden auf der täglich von zeitweise über 4 Millionen Nutzern abgerufenen Website kino.to über 130 000 Filmwerke ohne Zustimmung der Rechteinhaber zum Streaming oder Download angeboten. Die Betreiber der Website profitierten von ihrem Angebot mit Werbeeinnahmen von jährlich mehreren Millionen Euro, bevor die Website nach durch einen Informanten ausgelösten Untersuchungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden im Juni 2011 geschlossen werden konnte. Keiner der Beteiligten hält die Inhalte der Website für rechtmäßig, vielmehr wurden ihre Betreiber in der Bundesrepublik Deutschland bereits strafrechtlich wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke belangt(11).

23.      Die Rechteinhaber wehren sich gegen solche massiv das Urheberrecht verletzende Websites. Deren Hintermänner und die ihnen Zugang zum Internet gewährenden Provider agieren jedoch häufig im außereuropäischen Ausland oder verbergen ihre Identität. Die Rechteinhaber versuchen deswegen ihr Ziel dadurch zu erreichen, dass sie Verfügungen gegen Provider beantragen, um diese zur Sperrung des rechtsverletzenden Angebots zu zwingen. Die Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit solcher Sperrungsverfügungen gegen Provider wird in vielen Mitgliedstaaten lebhaft geführt(12).

24.      Zur Komplexität der Diskussion trägt die Tatsache bei, dass Sperrungen von Websites durch Provider technisch nicht unproblematisch sind(13). Das vorlegende Gericht nennt insofern insbesondere die Möglichkeit einer IP-Blockade und einer DNS-Sperre.

25.      IP-Adressen sind numerische Adressen, die den im Internet vernetzten Geräten zugeteilt werden, um so ihre Kommunikation untereinander zu ermöglichen(14). Im Fall einer Blockade durch einen Provider werden Anfragen an die gesperrte IP-Adresse von Diensten dieses Providers nicht mehr weitergeleitet. DNS (Domain Name System)-Sperren hingegen betreffen Domain-Namen, die von Nutzern anstatt der unhandlichen IP-Adressen verwendet werden. DNS-Server, die von jedem Provider betrieben werden, „übersetzen“ Domain-Namen in IP-Adressen. Bei einer DNS-Sperre wird diese Übersetzung verhindert. Neben diesen beiden Methoden zur Sperrung einer Website kann auch der gesamte Internetverkehr eines Providers über einen Proxy Server geleitet und gefiltert werden. Alle diese Methoden lassen sich jedoch umgehen(15). Nutzer können die rechtsverletzende Website nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auch ohne besondere technische Kenntnisse leicht erreichen. Die Betreiber der rechtsverletzenden Website können diese auch unter einer anderen Adresse verfügbar machen.

26.      Der EU-Gesetzgeber hat mit der Richtlinie 2001/29 besondere Regelungen für den Schutz des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft geschaffen. Neben einer Harmonisierung der Rechte des Urhebers wie des Vervielfältigungsrechts (Art. 2), des Rechts der öffentlichen Wiedergabe von Werken und der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände (Art. 3) und des Verbreitungsrechts (Art. 4) sowie der Ausnahmen und Beschränkungen (Art. 5) sieht die Richtlinie auch vor, dass Mitgliedstaaten bei der Verletzung der Rechte und Pflichten der Richtlinie angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vorsehen müssen, insbesondere auch die Möglichkeit für den Rechteinhaber, gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen zu können, „deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden“ (Art. 8, insbesondere Art. 8 Abs. 3). Auch die Richtlinie 2004/48 verpflichtet Mitgliedstaaten, faire, gerechte, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorzusehen (Art. 3), darunter auch gerichtliche Anordnungen (Art. 11).

27.      Gleichzeitig hat der Gesetzgeber jedoch auch auf die besondere Bedeutung der Infrastruktur des Internets reagiert und mit den Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31 Regelungen über die Verantwortlichkeit von Vermittlern im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs geschaffen, die laut dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 weder von dieser noch, laut deren Art. 2 Abs. 3 Buchst. a, von der Richtlinie 2004/48 berührt werden. Trotz dieser Bestimmungen müssen Provider in der Praxis je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Vorgaben im Umgang mit ihnen bekannten rechtsverletzenden Inhalten beachten(16).

28.      Schließlich stellt die Sperrung von Websites einen Grundrechtseingriff dar und muss auch unter diesem Aspekt geprüft werden.

B –    Zulässigkeit

29.      Auf den ersten Blick könnte man an der Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens zweifeln. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens streben nämlich eine einstweilige Verfügung an, mit der der Beklagten verboten werden soll, den Zugang zu einer Website zu vermitteln, die bereits seit Juni 2011 nicht mehr erreichbar ist. Man mag insofern an einem Rechtsschutzbedürfnis zweifeln.

30.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist jedoch zulässig. Insofern ist daran zu erinnern, dass das vorlegende Gericht gemäß Art. 267 AEUV eine Frage über die Auslegung des Unionsrechts stellen kann, insofern es eine Entscheidung hierüber für den Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es grundsätzlich dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung und die Erheblichkeit der von ihm dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen(17).

31.      Der Gerichtshof weicht von diesem Grundsatz nur ab, wenn die Auslegung des Unionsrechts „offensichtlich“(18) für die anhängige Rechtssache bedeutungslos ist, die gestellten Fragen rein hypothetischer Natur(19) sind oder gar der vorliegende Rechtsstreit künstlich geschaffen(20) ist.

32.      Nach Angabe des vorlegenden Gerichts hat dieses jedoch sein Urteil aufgrund der Sachlage im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zu treffen, also zu einem Zeitpunkt, als die streitgegenständliche Website noch zugänglich war. Insofern liegt ein echter Rechtsstreit vor, für den die vorgelegten Fragen unzweifelhaft von Relevanz sind.

C –    Erste Vorlagefrage

33.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass der Provider des Abrufenden eines Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 verletzenden Werks als Vermittler angesehen werden kann, dessen Dienste von dem das Urheberrecht Verletzenden „genutzt“ werden.

34.      Sollte dies der Fall sein, kann nämlich eine Anordnung gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 auch gegen den Provider des abrufenden Internetnutzers und nicht nur gegen jenen der verletzenden Website erlassen werden. Zur Begründung der Zulässigkeit einer solchen Anordnung gegen diesen Provider kommen theoretisch zwei Argumentationsweisen in Betracht, die den Hintergrund der ersten beiden Vorlagefragen des vorlegenden Gerichts bilden. Erstens, dies ist der Sinn der ersten Vorlagefrage, könnte argumentiert werden, dass eine Verfügung gegen den Provider des Abrufenden zulässig ist, da es sich bei ihm um einen Vermittler handelt, dessen Dienste von den Betreibern rechtsverletzender Websites zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden. Zweitens, vor diesem Hintergrund stellt das vorlegende Gericht die zweite Vorlagefrage, könnte eine solche Verfügung aber auch damit begründet werden, dass die auf die rechtsverletzende Website Zugriff nehmenden Kunden des Providers selbst rechtswidrig handeln und damit die Dienste des Providers zur Verletzung des Urheberrechts durch die eigenen Kunden genutzt werden, was wiederum den Anwendungsbereich der Norm eröffnet.

35.      Die Klägerinnen, Italien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und die Kommission vertreten die Ansicht, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers ein geschütztes Werk im Internet zugänglich macht, die Dienste des Providers der auf das Werk zugreifenden Person nutzt. Auch das vorlegende Gericht neigt dieser Ansicht zu. Nur die Beklagte vertritt eine andere Auffassung.

36.      Auch ich bin der Ansicht, dass der Provider des Nutzers als Vermittler, dessen Dienste von einem Dritten zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden, anzusehen ist. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Zusammenhang und Sinn und Zweck der Norm. Bevor ich diese analysiere, soll die bisherige Rechtsprechung dargestellt werden.

1.      Bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs

37.      Die vorliegende Rechtssache ist nicht die erste Gelegenheit, bei der sich der Gerichtshof zur Rolle eines Providers als Vermittler, dessen „Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts … genutzt werden“, im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 auseinandersetzen muss.

38.      In der Rechtssache LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten erkannte der Gerichtshof für Recht, dass „ein Access-Provider, der den Nutzern nur den Zugang zum Internet verschafft, ohne weitere Dienste wie insbesondere E-Mail, FTP oder File-Sharing anzubieten oder eine rechtliche oder faktische Kontrolle über den genutzten Dienst auszuüben, ‚Vermittler‘ im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 ist“(21).

39.      Der Gerichtshof begründete dies damit, dass der Provider dem Kunden einen Dienst bereitstellt, der von einem Dritten zur Urheberrechtsverletzung genutzt werden kann. Auch aus dem 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 folge dies, da der Provider durch die Gewährung des Internetzugangs eine Rechtsverletzung ermögliche. Schließlich folge das Ergebnis auch aus dem Ziel der Richtlinie, das namentlich in einem effektiven Schutz des Urheberrechts bestehe(22). Im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache hatte die Rechtssache sogenannte „File-Sharing-Systeme“ zum Gegenstand, bei denen die Nutzer des Providers selbst ebenfalls das Urheberrecht verletzende Werke im Internet anbieten.

40.      Die in der Rechtssache LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten vorgenommene Auslegung des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 wurde im Urteil in der Rechtssache Scarlet Extended bestätigt. Dort stellte der Gerichtshof zudem fest, dass nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48 die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler, wie z. B. Provider, beantragen können, die nicht nur bereits begangene Verletzungen beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen sollen(23).

41.      Auch Betreiber von Plattformen für soziale Netzwerke im Internet fallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter den Begriff des Vermittlers im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29(24).

42.      Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen, dass die Rechtsprechung bereits geklärt hat, dass Provider grundsätzlich als „Vermittler …, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts … genutzt werden“ im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 und damit als Adressat der in der Bestimmung erwähnten Anordnung in Betracht kommen. Ungeklärt bleibt bislang jedoch, wie das vorlegende Gericht zutreffend darlegt, ob Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 auch eine Anordnung gegen einen Provider vorsieht, wenn dieser nicht dem das Urheberrecht Verletzenden selbst, sondern nur den Abrufenden des rechtsverletzenden Angebots einen Internetzugang gewährt hat, ob also (in den Worten der Bestimmung) der das Urheberrecht verletzende Anbieter die Dienste des Providers der abrufenden Nutzer zur Verletzung des Urheberrechts nutzt.

2.      Auslegung der Bestimmung

a)      Wortlaut

43.      Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein solcher Provider nicht als Adressat einer Anordnung gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 in Betracht komme, da er mangels vertraglicher Beziehung mit dem das Urheberrecht Verletzenden keine Einwirkungsmöglichkeit auf diesen habe und die Rechtsverletzung durch öffentliches Zugänglichmachen des Werks ohne sein Zutun begangen werde. Die Dienste des Providers würden damit nicht im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 „von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts … genutzt“. Eine so weite Auslegung der Wendung „genutzt werden“ würde schließlich auch Stromanbieter, Paketdienste und andere erfassen.

44.      Diese Auffassung überzeugt mich nicht. Wie bereits mehrfach wiederholt, muss gemäß Art. 8 Abs. 3 eine Anordnung gegen Vermittler beantragt werden können, „deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts … genutzt werden“. Die Norm verlangt demnach nicht explizit nach einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Vermittler und der Person, die das Urheberrecht verletzt(25).

45.      Fraglich ist allerdings, ob die Dienste des Providers des eine rechtsverletzende Information Abrufenden auch von dem zur Verletzung des Urheberrechts „genutzt“ werden, der diese Information öffentlich zugänglich gemacht und damit Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 verletzt hat.

46.      Hier äußern das vorlegende Gericht und die Beklagte Zweifel, da der Tatbestand des Art. 3 der Richtlinie 2001/29 bereits erfüllt sei, sobald der Betreiber der urheberrechtsverletzenden Website die Seite über seinen Provider im Internet zugänglich gemacht habe.

47.      Es trifft sicherlich zu, dass eine Website mit ihrer Freischaltung über den Provider des Betreibers der Website bereits im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 „in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ wurde, „dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich“ ist. Allerdings wird dieser Zugang an die Mitglieder der Öffentlichkeit primär durch deren eigene Provider vermittelt. Man mag nun zwar einen bestimmten Provider wegdenken, ohne dass die Website dadurch nicht mehr zugänglich wäre, aber als Kollektiv sind die Provider der Internetnutzer notwendig, um im Internet von einer „öffentlichen Zugänglichmachung“ zu reden(26). Das vorlegende Gericht merkt insofern zutreffend an, dass die Zugänglichmachung erst mit der Zugriffsmöglichkeit durch die Internetnutzer faktisch relevant wird.

48.      Dies bedeutet jedoch, dass dem Wortlaut der Norm nach auch die Dienste des Providers des Internetnutzers von dem Rechteverletzenden zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden(27), unabhängig davon, ob der Rechteverletzende selbst in einem Vertragsverhältnis mit dem Provider steht.

b)      Zusammenhang

49.      Auch der Kontext der Norm spricht für dieses Auslegungsergebnis.

50.      In diesem Zusammenhang ist zunächst auf den 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 hinzuweisen, nach dem „die Dienste von Vermittlern immer stärker von Dritten für Rechtsverstöße genutzt werden. Oftmals sind diese Vermittler selbst am besten in der Lage, diesen Verstößen ein Ende zu setzen. Daher sollten die Rechtsinhaber – unbeschadet anderer zur Verfügung stehender Sanktionen und Rechtsbehelfe – die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler zu beantragen, der die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk oder einen anderen Schutzgegenstand in einem Netz überträgt.

51.      Der Erwägungsgrund verdeutlicht, dass Vermittler von der Richtlinie 2001/29 vor allem deswegen als bestmögliche Adressaten von Maßnahmen zum Abstellen von Urheberrechtsverletzungen angesehen werden, weil sie die Daten „in einem Netz“ übertragen. Der Wortlaut verdeutlicht, dass es dabei nicht unbedingt um die erstmalige Übermittlung der Daten in ein Netz geht, sondern auch um die weitere Übertragung in dem Netz. Deutlicher noch kommt dies in den englischen und spanischen Fassungen der Richtlinie zum Ausdruck: „who carries a third party’s infringement of a protected work … in a network“ bzw. „que transmita por la red la infracción contra la obra … cometida por un tercero“. Damit sind aber die Provider der abrufenden Nutzer ebenfalls als mögliche Adressaten der Anordnung erfasst.

52.      Die Haftungsregeln für Vermittler, die in der Richtlinie 2000/31 aufgestellt wurden, stehen dem Erlass einer Verfügung nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 gegen Provider nicht grundsätzlich im Wege. Zwar enthält Art. 12 dieser Richtlinie besondere Regeln hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Vermittlern für die reine Durchleitung von Informationen. Nach Abs. 3 der Vorschrift lassen diese allerdings ausdrücklich die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde vom Diensteanbieter die Abstellung der Rechtsverletzung verlangt.

53.      Die Möglichkeit des Erlasses einer Verfügung an einen Provider wird auch von der Richtlinie 2004/48 getragen, die in Art. 11 Satz 3 ebenfalls Anordnungen gegen Mittelspersonen vorsieht, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.

54.      Auch eine systematische Auslegung spricht demnach dafür, dass Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 Provider als mögliche Adressaten einer Anordnung auch dann erfasst, wenn sie nicht Provider des Rechteverletzenden, sondern Provider der das Urheberrecht verletzende Websites Abrufenden sind.

c)      Sinn und Zweck

55.      Endlich spricht auch der Sinn und Zweck der Regelung für eine Auslegung des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dahin, dass der Rechteverletzende die Dienste des Providers des Abrufenden nutzt.

56.      Eine solche Auslegung entspricht der Intention des Gesetzgebers, ein hohes Schutzniveau des Urheberrechts zu gewährleisten(28). Nach dem Willen des Gesetzgebers ist eine „rigorose und wirksame“ Regelung zum Schutz des Urheberrechts notwendig, um das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren(29).

57.      Die Richtlinie 2001/29 soll dieses hohe Schutzniveau gerade angesichts der Herausforderungen der Informationsgesellschaft gewährleisten(30). Wie aus dem 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 hervorgeht, sah der Gesetzgeber angesichts der technischen Entwicklungen den Vermittler der Information oft als am besten geeignet an, gegen rechtsverletzende Informationen vorzugehen. Der Beispielfall einer im außereuropäischen Ausland von einem Provider online gestellten Website illustriert, warum der Vermittler vom Gesetzgeber in einer solchen Schlüsselstellung gesehen wird: In einem solchen Fall sind die Website und ihre Betreiber oft nicht belangbar. Der Vermittler verbleibt als geeigneter Ansatzpunkt.

58.      Es ist offensichtlich, dass der nicht mit dem das Urheberrecht Verletzenden vertraglich verbundene Vermittler keinesfalls bedingungslos für die Abstellung der Rechtsverletzung verantwortlich gemacht werden kann. Im Rahmen meiner Vorschläge hinsichtlich der Antworten auf die dritte und die vierte Vorlagefrage werde ich einige Ausführungen zu diesbezüglich zu beachtenden Bedingungen machen.

59.      Auf die erste Vorlagefrage ist somit zu antworten, dass Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht und damit Rechte aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 verletzt, die Dienste der Provider jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen. Da ich damit die erste Vorlagefrage bejahe, werde ich direkt zur dritten Vorlagefrage Stellung nehmen.

D –    Dritte Vorlagefrage

60.      Die dritte Vorlagefrage zeichnet sich schon von ihrer Formulierung her durch ihre Komplexität aus. Sie verbindet zwei Elemente. So fragt das vorlegende Gericht zunächst, ob es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Grundrechten, vereinbar ist, einem Provider im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 ganz allgemein gerichtlich zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, auf der ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden. Das vorlegende Gericht bezeichnet die so formulierte gerichtliche Verfügung als „Erfolgsverbot“, womit gemeint ist, dass der Adressat der Verfügung einen bestimmten Erfolg (nämlich den Zugriff auf die Website) verhindern muss, ohne dass die hierfür vom Adressat der Verfügung zu ergreifenden Maßnahmen genannt werden(31).

61.      Diese Frage stellt sich aber, dies ist das zweite Element der Frage, in einer besonderen prozessrechtlichen Einkleidung. Der Provider kann nämlich Beugestrafen wegen Verletzung des „Erfolgsverbots“ durch den Nachweis abwenden, dass er alle zumutbaren Maßnahmen zu dessen Erfüllung ergriffen hat. Hintergrund dieses Elements sind die besonderen nationalen Regeln zum Erlass und zur Vollstreckung einer Anordnung wie der hier vom vorlegenden Gericht beschriebenen.

62.      Im Folgenden soll zunächst die Position der Beteiligten dargestellt werden, sodann bietet es sich zum besseren Verständnis an, die nationalen Regeln kurz und vereinfachend darzustellen. Schließlich folgt die rechtliche Beurteilung der Frage.

1.      Die Ansichten der Beteiligten

63.      Die Beteiligten haben zu der Vorlagefrage unterschiedliche Positionen vertreten.

64.      Italien, die Niederlande und das Vereinigte Königreich betrachten es im Wesentlichen als Aufgabe der nationalen Gerichte, die Art der gerichtlichen Anordnung im konkreten Fall unter Berücksichtigung bestimmter Anforderungen, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und eines gerechten Ausgleichs zwischen den Rechten der Betroffenen, zu prüfen. Italien und die Niederlande behandeln die dritte und die vierte Vorlagefrage gemeinsam.

65.      Die Klägerinnen und die Republik Österreich sind der Auffassung, ein Erfolgsverbot sei auch in der konkreten prozessualen Ausgestaltung mit dem Unionsrecht vereinbar. Die Klägerinnen begründen dies mit dem Interesse an einem wirksamen Rechtsbehelf gegen Urheberrechtsverletzung und dem technikneutralen Ansatz der Rechtsprechung. Das Verfahren sei nicht zu beanstanden, da die nationalen Gerichte im Rahmen des Erlasses der Sperrungsverfügung die Verhältnismäßigkeit geprüft hätten, nämlich die Frage, ob die streitgegenständliche Website ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht habe. Der Provider müsse die Ungewissheit bezüglich der zu treffenden Maßnahmen wegen der eklatanten Rechtsverletzungen und der angestrebten Technikoffenheit dulden. Berechtigte Interessen des Providers würden im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt. Auch Österreich betrachtet das Verfahren im Interesse des effektiven Rechtsschutzes bei massiven Urheberrechtsverletzungen als zulässig, zumal der Provider in einer besseren Lage als der Rechteinhaber sei, die richtige Sperrmaßnahme zu wählen.

66.      Die Beklagte und die Kommission verneinen die Zulässigkeit eines Erfolgsverbots in der beschriebenen prozessrechtlichen Ausgestaltung. Nach Auffassung der Beklagten erfüllt ein allgemeines Erfolgsverbot nicht die von der Rechtsprechung im Rahmen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 aufgestellten Anforderungen. Der Provider stehe in keiner vertraglichen Beziehung zum Rechteverletzenden. Das Erfolgsverbot würde ihm in unzumutbarer Weise die Beurteilung der Frage aufbürden, welche Sperrmaßnahmen zumutbar seien, wobei falsche Einschätzungen mit Haftungsrisiken hinsichtlich des Erfolgsverbots oder den Kunden gegenüber verbunden seien. Die Kommission sieht einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darin, dass das nationale Gericht mangels Kenntnis des Umfangs der notwendigen Maßnahmen keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen könne. Die Möglichkeit der Abwendung von Beugestrafen ersetze nicht die korrekte Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei Erlass der Anordnung.

2.      Das österreichische Recht

67.      Zum besseren Verständnis insbesondere der prozessualen Einkleidung der vom vorlegenden Gericht gestellten Vorlagefrage erscheinen mir einige Ausführungen zum österreichischen Recht angebracht(32).

68.      Zum Schutz absoluter Rechte, also von Rechten, die vom Berechtigten gegenüber jedermann durchgesetzt werden können(33), sieht das österreichische Recht prinzipiell die Möglichkeit des Erlasses eines Erfolgsverbots vor. Nach dem Vorbringen der Beklagten wird ein solches Erfolgsverbot regelmäßig gegen den unmittelbar in ein absolutes Recht Eingreifenden verhängt. Es verpflichtet den Adressaten, zu verhindern, dass ein bestimmter Erfolg eintritt. Welche Mittel er zur Verhinderung des Erfolgs einsetzt, ist dabei dem Adressaten selbst überlassen. Ob eine vollständige Verhinderung des Erfolgs überhaupt möglich ist und ob die dafür erforderlichen Maßnahmen die Grundrechte der Beteiligten angemessen berücksichtigen, wird vor Erlass des Erfolgsverbots nicht geprüft(34).

69.      Tritt nun der zu verhindernde Erfolg ein (das heißt im vorliegenden Fall: erlangt ein Nutzer Zugriff auf die Website), liegt ein Verstoß gegen das Erfolgsverbot vor und es kann (im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens) eine Beugestrafe gegen den Adressaten des Erfolgsverbots beantragt werden(35). Der betreibende Gläubiger trägt insoweit nach dem Vortrag der Republik Österreich die Beweislast für den Verstoß. Erst jetzt, im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens, kann der Adressat des Erfolgsverbots klageweise geltend machen, dass er alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um dem Erfolgsverbot nachzukommen, und so eine Beugestrafe abwehren.

70.      Auf den ersten Blick erscheint es vorteilhaft, das Erfolgsverbot und die prozessualen Besonderheiten getrennt auf ihre Konformität mit dem Europarecht zu prüfen. Allerdings bietet das hier in Frage stehende Erfolgsverbot nachträglich im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit, eine Beugestrafe abzuwehren. Es stellt insofern (trotz der für den Provider sehr nachteilig ausgestalteten prozessrechtlichen Besonderheiten) eine mildere Maßnahme als ein reines Erfolgsverbot dar. Unter Vernachlässigung der sonstigen prozessualen Besonderheiten werde ich im Folgenden, wie auch vom vorlegenden Gericht formuliert, das Erfolgsverbot mit späterer Abwendungsmöglichkeit auf seine europarechtliche Zulässigkeit prüfen.

3.      Rechtliche Beurteilung

71.      Meines Erachtens erfüllt ein Erfolgsverbot ohne Angabe der zu treffenden Maßnahmen, das an einen Provider ergeht, der nicht mit dem Rechteverletzenden vertraglich verbunden ist, nicht die von der Rechtsprechung im Rahmen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 aufgestellten Anforderungen. Die Möglichkeit der Geltendmachung der Unzumutbarkeit der zur Erfüllung des Verbots möglichen Maßnahmen im später erfolgenden Vollstreckungsverfahren bewahrt ein solches Erfolgsverbot nicht vor dem Verdikt der Unionsrechtswidrigkeit.

72.      Grundsätzlich sind die Bedingungen und Modalitäten für von den Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 vorzusehende Anordnungen ebenso wie die zu erfüllenden Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren Gegenstand des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten. Dies ergibt sich aus dem 59. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 und in ähnlicher Form aus dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48(36).

73.      Allerdings können die Mitgliedstaaten die Anordnungen nicht gänzlich nach ihrem freien Ermessen ausgestalten. Vielmehr sind sowohl bei Erlass nationaler Normen als auch bei deren Anwendung durch die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung die Beschränkungen zu beachten, die sich aus den Richtlinien 2001/29 und 2004/48 sowie aus Rechtsquellen ergeben, auf die diese Richtlinien Bezug nehmen(37). Stets zu berücksichtigen sind die Grundrechte gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie Art. 6 EUV.

74.      Im Folgenden werde ich auf drei dieser Beschränkungen des Ermessens der Mitgliedstaaten eingehen und sie in der Reihenfolge prüfen, die in der angeführten Rechtsprechung angewandt wurde: die Auslegung der Richtlinie im Sinne einer effektiven Verfolgung ihrer Ziele, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 sowie die Grundrechte. An Letzteren scheitert die hier zu prüfende Maßnahme.

a)      Effektiver Schutz des Urheberrechts

75.      Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2001/29 so ausgelegt werden muss, dass das mit ihr angestrebte Ziel, also ein effektiver rechtlicher Schutz des Urheberrechts (Art. 1 Abs. 1), erreicht werden kann(38). So müssen Sanktionen laut Art. 8 Abs. 1 „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein(39). Zudem müssen gemäß Art. 3 der Richtlinie 2004/48 Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums fair, gerecht, wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein, keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist. Hieraus ergibt sich u. a., dass, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, Mitgliedstaaten nicht nur Maßnahmen vorsehen müssen, die zur Beendigung bereits begangener Verletzungen, sondern auch zur Vorbeugung gegen erneute Verletzungen beitragen(40).

76.      Andererseits und wie schon durch die Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit, Fairness und Gerechtigkeit angedeutet, müssen die Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Rechten und Interessen der Beteiligten herstellen, wie der Gerichtshof dies beginnend mit der Rechtssache Promusicae wiederholt festgestellt hat(41).

b)      Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31

77.      Weiter ist Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 zu beachten, nach dem Mitgliedstaaten Diensteanbietern keine allgemeine Verpflichtung auferlegen dürfen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Diese Bestimmung bleibt gemäß dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 und Art. 2 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 (Art. 15 Abs. 1) von den genannten Richtlinien unberührt(42).

78.      Eine solche unzulässige Maßnahme würde es darstellen, wenn das Gericht dem Provider aufgegeben hätte, aktiv nach möglichen Kopien der verletzenden Seite unter anderen Domain-Namen zu forschen oder alle in seinem Netzwerk übertragenen Daten daraufhin zu filtern, ob sie Übertragungen konkreter geschützter Filmwerke darstellen, und solche Übertragungen zu blockieren. Eine solche Maßnahme steht im vorliegenden Fall jedoch nicht im Raum. Das vorlegende Gericht hat vielmehr über die Sperre einer konkreten Website zu entscheiden. Die Maßnahme verstößt damit nicht gegen Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31.

c)      Grundrechte

79.      Die zu prüfende Maßnahme verstößt jedoch gegen die grundrechtlichen Anforderungen, die gemäß der Rechtsprechung(43) an Anordnungen gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 zu stellen sind. Insoweit ist die Maßnahme weder „fair und gerecht“ noch „verhältnismäßig“ im Sinne des Art. 3 der Richtlinie 2004/48.

80.      Die Grundrechte, nunmehr gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV in der Charta gleichrangig mit den Verträgen garantiert, gelten für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Die Mitgliedstaaten sind demnach bei Erlass von Verordnungen gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 zur Beachtung der in der Charta garantierten Grundrechte verpflichtet. Insbesondere müssen auch die nationalen Gerichte diese Rechte beachten(44).

81.      Dabei ist im vorliegenden Fall auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass eine Anordnung gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 dem Schutz des Urheberrechts dient. Der Schutz des geistigen Eigentums wird grundrechtlich von Art. 17 Abs. 2 der Charta gewährleistet(45). Laut der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Recht jedoch nicht schrankenlos und sein Schutz damit bedingungslos gewährleistet. Vielmehr ist der Schutz des Grundrechts auf Eigentum, zu dem auch das geistige Eigentum gehört, gegen den Schutz anderer Grundrechte abzuwägen, um so im Rahmen der zum Schutz der Inhaber von Urheberrechten erlassenen Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesem Schutz und dem Schutz der Grundrechte von Personen, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, sicherzustellen(46).

82.      Auf der Seite des Providers, gegen den eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie erlassen wird, ist zunächst eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit (Art. 11 der Charta) zu prüfen. In der Sache geht es zwar um Meinungsäußerungen und Information der Kunden der Provider, der Provider kann sich jedoch auf dieses Grundrecht dank seiner Funktion, Meinungsäußerungen seiner Kunden zu veröffentlichen und ihnen Informationen zu vermitteln, berufen(47). Dabei ist sicherzustellen, dass die Sperrmaßnahme tatsächlich verletzendes Material trifft und keine Gefahr besteht, den Zugang zu rechtmäßigem Material zu sperren(48).

83.      Weiter ist nach der Rechtsprechung insbesondere die unternehmerische Freiheit des Providers zu berücksichtigen, die durch Art. 16 der Charta geschützt wird(49).

84.      Dabei ist nach der Rechtsprechung ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz dieser auf Seiten des Providers geltend zu machenden Rechte und dem Recht des geistigen Eigentums herzustellen(50).

85.      Von einem solchen Gleichgewicht lässt sich bei einem Erfolgsverbot ohne Angabe der zu treffenden Maßnahmen, das an einen Provider ergeht, nicht sprechen.

86.      Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, kommt eine Reihe von Maßnahmen zur Sperrung einer Website, also zur möglichen Erfüllung des Erfolgsverbots, in Betracht. Unter diesen befinden sich ausgesprochen komplexe Methoden, wie die Umleitung des Internetverkehrs über einen Proxy Server, aber auch weniger schwer durchzuführende Maßnahmen. Die Maßnahmen divergieren damit signifikant hinsichtlich der Intensität ihres Eingriffs in die Grundrechte des Providers. Es ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass eine völlige Erfüllung des Erfolgsverbots rein faktisch unmöglich ist.

87.      Wie ich bereits festgestellt habe, geht es aber im vorliegenden Fall nicht um ein reines Erfolgsverbot, sondern um ein Erfolgsverbot, bei dem der Adressat des Verbots im späteren Vollstreckungsverfahren klageweise geltend machen kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um dem Erfolgsverbot nachzukommen. Es lässt sich fragen, ob diese nachgelagerte Verteidigungsmöglichkeit des Adressaten des Erfolgsverbots das nötige Gleichgewicht herstellt.

88.      Dies ist nicht der Fall. Schon logisch scheidet eine solche „Wiederherstellung“ des nötigen Gleichgewichts aus. Das Gleichgewicht der Grundrechte ist nach der Rechtsprechung beim Erlass der Anordnung zu beachten. Bei dieser wird es hier ausdrücklich nicht beachtet, sondern viele grundrechtlich relevante Erwägungen werden erst später geprüft. Dies verstößt gegen das Gebot zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Rechten der Beteiligten im Rahmen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29.

89.      Auch eine Betrachtung der Lage des Providers zeigt, dass durch diese prozessuale Möglichkeit kein Gleichgewicht der Grundrechte hergestellt wird. Der Provider muss den Erlass einer Anordnung gegen sich erdulden, aus der nicht hervorgeht, welche Maßnahmen er vorzunehmen hat. Entscheidet er sich im Interesse der Informationsfreiheit seiner Kunden für eine wenig intensive Sperrmaßnahme, muss er eine Beugestrafe im Vollstreckungsverfahren fürchten. Entscheidet er sich für eine intensivere Sperrmaßnahme, muss er eine Auseinandersetzung mit seinen Kunden fürchten. Der Verweis auf eine mögliche Verteidigungsmöglichkeit im Vollstreckungsverfahren ändert nichts am Dilemma des Providers. Zwar kann der Urheber mit Recht auf die Gefahr der massiven Verletzung seiner Rechte durch die Website verweisen. Allerdings hat der Provider in Fällen wie dem vorliegenden keine Verbindung mit den Betreibern der das Urheberrecht verletzenden Website und hat selbst das Urheberrecht nicht verletzt. Insofern lässt sich bei der zu prüfenden Maßnahme nicht von einem angemessenen Gleichgewicht zwischen den Rechten der Beteiligten reden.

90.      Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass es mit der im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten nicht vereinbar ist, einem Provider ganz allgemein und ohne Anordnung konkreter Maßnahmen zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten, das Urheberrecht verletzenden Website zu ermöglichen. Dies gilt auch, wenn der Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen zur Erfüllung des Verbots getroffen hat.

E –    Vierte Vorlagefrage

91.      Nachdem das vorlegende Gericht sich in der dritten Vorlagefrage mit der Zulässigkeit eines allgemeinen Erfolgsverbots beschäftigt hat, behandelt seine vierte Frage konkrete Sperrmaßnahmen. Das Gericht fragt, ob die Anordnung konkreter Maßnahmen an einen Provider zur Erschwerung des Zugangs von Kunden zu einer Website mit rechtswidrig zugänglich gemachten Inhalten einer Abwägung der Grundrechte standhält, insbesondere wenn die Maßnahmen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern und zudem ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden können. Dabei geht es dem vorlegenden Gericht nur um die Vorgabe von Leitlinien für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit konkreter Sperrmaßnahmen, da der Sachverhalt in dieser Hinsicht noch nicht abschließend aufgeklärt ist.

92.      Nur die Beklagte ist der Auffassung, dass auch die Anordnung konkreter Sperrmaßnahmen unter den genannten Umständen nicht mit den Grundrechten der Beteiligten vereinbar ist. Die Klägerinnen, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Kommission halten eine solche konkrete Sperrmaßnahme nicht für prinzipiell ausgeschlossen und machen zum Teil detaillierte Angaben hinsichtlich der von nationalen Gerichten zu befolgenden Leitlinien.

93.      Auch ich bin der Auffassung, dass eine konkrete Sperrverfügung unter den angegebenen Umständen nicht ausgeschlossen ist.

94.      Wie bereits dargestellt, hat der Gerichtshof detaillierte Vorgaben zur Prüfung des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 aufgestellt. Eine der von nationalen Behörden und Gerichten zu beachtenden Vorgaben ist, dass diese ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Rechts am geistigen Eigentum, den die Inhaber von Urheberrechten genießen, und dem Schutz der grundrechtlichen Positionen des Providers herstellen müssen. Letzterer kann sich nach dem oben Gesagten insbesondere auf die unternehmerische Freiheit der Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 16 der Charta sowie auf die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Art. 11 der Charta) berufen. Nach Letzterer darf insbesondere keine geschützte Information von einer Zugangssperre erfasst werden. Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Kosten der vom Provider zu treffenden konkreten Sperrmaßnahmen und die Möglichkeit, Sperren zu umgehen. Das vorlegende Gericht zielt damit ausdrücklich auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ab. Die genannten Erwägungen sind bei der Prüfung beider Grundrechte von Relevanz. Zudem verlangt auch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48, dass Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verhältnismäßig sein müssen. Zur Vermeidung von Wiederholungen beschränke ich meine Darstellung im Folgenden auf Art. 16 der Charta, zumal das vorlegende Gericht keine auf die Meinungsäußerung und Informationsfreiheit bezogene Frage vorgelegt hat.

95.      Der Gerichtshof hat in den Rechtssachen Scarlet Extended und Sabam die Anordnung an einen Provider, ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes und allein auf seine Kosten betriebenes Filtersystem zur Überwachung von Daten in seinem Netzwerk einzurichten, als qualifizierte Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Providers eingeordnet(51). Eine konkrete Sperrmaßnahme, die mit nicht unbeträchtlichem Aufwand verbunden ist, mag zwar eine weniger intensive Beeinträchtigung darstellen, sie bezweckt und bewirkt aber doch eine Einschränkung des Rechts und stellt damit einen Eingriff in den Schutzbereich(52) des Rechts dar(53).

96.      Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die unternehmerische Freiheit jedoch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen und – auch angesichts des Wortlauts des Art. 16 der Charta – Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen, die „im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können“(54).

97.      Zu beachten sind dabei die Anforderungen des Art. 52 Abs. 1 der Charta, nach denen u. a. der Gesetzesvorbehalt und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigen sind. Zum Gesetzesvorbehalt habe ich mich bereits ausführlich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Scarlet Extended geäußert(55). Angesichts der Formulierung der vorgelegten Frage halte ich es für angebracht, meine Ausführungen in der vorliegenden Rechtssache auf die Verhältnismäßigkeit zu beschränken.

98.      Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen von Mitgliedstaaten ergriffene Maßnahmen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit „nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastendende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.“(56) In der Sache entspricht dies der Regelung des Art. 52 Abs. 1 der Charta, nach dem Einschränkungen erforderlich sein müssen und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen müssen.

1.      Geeignetheit

99.      Die in Frage stehenden Anordnungen verfolgen mit dem Schutz des Urheberrechts und damit der „Rechte anderer“ im Sinne des Art. 52 Abs. 1 der Charta zweifelsohne ein zulässiges Ziel. Fraglich ist jedoch, ob sie zur Förderung des Ziels geeignet sind, also einen Beitrag zur Erreichung des Ziels(57) leisten. Zweifel hieran gründen darauf, dass Sperrmaßnahmen nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts „ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden können“. So können einerseits die Internetnutzer ohne größere Schwierigkeiten die Sperrmaßnahme umgehen, andererseits können die Betreiber der das Urheberrecht verletzenden Website die Seite in identischer Form unter einer anderen IP-Adresse und anderem Domain-Namen anbieten.

100. Meines Erachtens reichen diese Erwägungen jedoch nicht aus, um jede konkrete Sperrmaßnahme als ungeeignet hinzustellen. Dies betrifft zunächst die Umgehungsmöglichkeiten durch Nutzer. Zwar mögen potenziell viele Nutzer in der Lage sein, eine Sperrung zu umgehen. Hieraus folgt jedoch keinesfalls, dass jeder dieser Nutzer sie auch umgehen wird. Nutzer, die im Rahmen einer Sperrung einer Website von der Rechtswidrigkeit der Seite erfahren, können durchaus auf einen Zugang zu der Website verzichten. Bei jedem Nutzer den Willen zu vermuten, trotz einer Sperrung Zugang zu einer Website zu erlangen, würde meiner Ansicht nach bedeuten, dass man bei jedem Nutzer unzulässig den Willen zur Förderung eines Rechtsbruchs annimmt. Schließlich ist anzumerken, dass zwar nicht wenige Nutzer zur Umgehung einer Sperrung in der Lage sein mögen, aber bei Weitem nicht alle.

101. Auch die Möglichkeit, dass der Betreiber die Seite in identischer Form unter einer anderen IP-Adresse und anderem Domain-Namen anbietet, schließt nicht grundsätzlich die Geeignetheit von Sperrmaßnahmen aus. Zunächst können auch hier Nutzer, durch die Sperrmaßnahme auf die Rechtswidrigkeit der Inhalte aufmerksam gemacht, auf den Besuch der Seite verzichten. Sodann müssen Nutzer auf Suchmaschinen zurückgreifen, um die Seite zu finden. Bei wiederholten Sperrmaßnahmen wird auch eine Suche über Suchmaschinen schwerer fallen.

102. Nach alledem ist eine Sperrverfügung unter Nennung der konkret zur Sperrung zu ergreifenden Maßnahme nicht generell ungeeignet, das Ziel des Schutzes der Rechte des Urhebers zu fördern.

2.      Erforderlichkeit und Angemessenheit

103. Weiter müsste die angeordnete Maßnahme erforderlich sein, d. h. sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels notwendig ist(58), wobei von mehreren geeigneten Maßnahmen die am wenigsten belastende zu wählen ist(59). Schließlich müssen die von der Maßnahme verursachten Nachteile in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen(60).

104. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, diese Erfordernisse hinsichtlich der im konkreten Fall vorgesehenen Maßnahme zu prüfen. Sowohl angesichts der Aufgabenverteilung der Gerichte im Kooperationsverhältnis des Gerichtshofs mit den Gerichten der Mitgliedstaaten als auch angesichts der in der vorliegenden Rechtssache nicht vollständig abgeschlossenen Klärung des Sachverhalts und der fehlenden Angaben hinsichtlich der konkreten Maßnahme ist es weder angebracht noch möglich, an dieser Stelle eine vollständige Prüfung der Erforderlichkeit und Angemessenheit durchzuführen. Vielmehr können dem nationalen Gericht nur einige Erwägungen an die Hand gegeben werden. Dabei stellen diese keinesfalls eine abschließende Liste der abzuwägenden Gesichtspunkte dar. Vielmehr muss das nationale Gericht eine vollständige Abwägung aller relevanten Umstände des konkreten Falls vornehmen.

105. Zunächst ist dabei festzustellen, dass die Möglichkeit der Umgehung einer angeordneten Sperrverfügung nicht grundsätzlich jeder Sperrverfügung im Wege steht. Die Gründe hierfür habe ich bereits unter dem Gliederungspunkt der Geeignetheit angeführt. Die quantitative Einschätzung des vorhersehbaren Erfolgs der Sperrmaßnahme ist ein in die Abwägung einzubringender Gesichtspunkt.

106. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind weiter Komplexität, Kosten und Dauer der Maßnahme in die Abwägung mit einzubeziehen(61). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine einmalige Sperrmaßnahme gegen die Beklagte handeln wird. Vielmehr muss das abwägende Gericht davon ausgehen, dass es sich um einen Testfall handeln kann und in Zukunft zahlreiche ähnliche Fälle gegen jeden Provider vor den nationalen Gerichten behandelt werden können, so dass es zu zahlreichen ähnlichen Sperrverfügungen kommen kann. Sollte sich eine konkrete Maßnahme insoweit angesichts ihrer Komplexität, Kosten und Dauer als unverhältnismäßig erweisen, ist zu erwägen, ob durch eine teilweise oder vollständige Übernahme der Kostenlast durch den Rechteinhaber die Verhältnismäßigkeit hergestellt werden kann.

107. Auf Seite der Klägerinnen ist zu berücksichtigen, dass der Rechteinhaber nicht gegenüber einer massiv seine Rechte verletzenden Website schutzlos gestellt werden darf. Andererseits ist jedoch in Fällen wie dem vorliegenden zu beachten, dass der Provider nicht in einem Vertragsverhältnis zu dem Betreiber der das Urheberrecht verletzenden Website steht. In Folge dieses besonderen Sachverhalts ist zwar eine Inanspruchnahme des Providers nicht völlig ausgeschlossen, der Urheber muss jedoch vorrangig, insoweit dies möglich ist, unmittelbar die Betreiber der rechtswidrigen Website oder deren Provider in Anspruch nehmen.

108. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Art. 16 der Charta die Geschäftstätigkeit schützt. Eine Sperrverfügung ist insofern auf jeden Fall nicht verhältnismäßig, wenn sie die unternehmerische Betätigung eines Providers als solche in Frage stellt, also die geschäftliche Tätigkeit, Internetzugänge zur Verfügung zu stellen. Ein Provider kann sich insoweit auch auf die gesellschaftliche Bedeutung seiner Tätigkeit berufen: Wie ich bereits in meinen einleitenden Erwägungen festgestellt habe, gilt heute der durch das Internet gewährte Zugang zu Informationen als wesentlich in einer demokratischen Gesellschaft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) hat insoweit festgestellt, dass eine rechtsvergleichende Studie in 20 Mitgliedstaaten des Europarats zeigt, dass das Recht auf Internetzugang theoretisch von der verfassungsrechtlichen Garantie der Meinungs- und Informationsfreiheit erfasst wird(62). Das Internet spielt nach Ansicht des EGMR eine wesentliche Rolle für den Zugang und die Verbreitung von Informationen(63).

109. Nach alledem ist auf die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass eine gegen einen Provider gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 verhängte konkrete Sperrmaßnahme bezüglich einer konkreten Website nicht allein deswegen prinzipiell unverhältnismäßig ist, weil sie einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordert, aber ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden kann. Es ist Sache der nationalen Gerichte, im konkreten Fall unter Einbeziehung aller relevanten Umstände eine Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten vorzunehmen und so ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Grundrechten sicherzustellen.

V –    Ergebnis

110. Aus den oben genannten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Obersten Gerichtshof vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.      Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht und damit Rechte aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 verletzt, die Dienste der Provider jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen.

2.      Es ist mit der im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten nicht vereinbar, einem Provider ganz allgemein und ohne Anordnung konkreter Maßnahmen zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten, das Urheberrecht verletzenden Website zu ermöglichen. Dies gilt auch, wenn der Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen zur Erfüllung des Verbots getroffen hat.

3.      Eine gegen einen Provider gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 verhängte konkrete Sperrmaßnahme bezüglich einer konkreten Website ist nicht allein deswegen prinzipiell unverhältnismäßig, weil sie einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordert, aber ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden kann. Es ist Sache der nationalen Gerichte, im konkreten Fall unter Einbeziehung aller relevanten Umstände eine Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten vorzunehmen und so ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Grundrechten sicherzustellen.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2‒ Urteile vom 16. Februar 2012, Sabam (C‑360/10), und vom 24. November 2011, Scarlet Extended (C‑70/10, Slg. 2011, I‑11959).


3‒ Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).


4‒ Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178, S. 1).


5‒ Richtlinie 2004/48 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45).


6‒ BGBl. Nr. 111/1936.


7‒ BGBl. I Nr. 152/2001.


8‒ RGBl. Nr. 79/1896.


9‒ Zur Geschichte des Internets Naughton, J., A Brief History of the Future, Phoenix, London, 2. Aufl., 2000.


10‒ Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, UN Doc. A/66/290 vom 10. August 2011, Randnr. 87.


11‒Vgl. das Urteil des LG Leipzig vom 11. April 2012, 11 KLs 390 Js.


12‒ Heidinger, R., Die zivilrechtliche Inanspruchnahme von Access-Providern auf Sperre urheberrechtsverletzender Webseiten, ÖBl 2011, 153; Maaßen, S. und Schoene, V., Sperrungsverfügung gegen Access-Provider wegen Urheberrechtsverletzung?, GRUR-Prax 2011, 394; Stadler, T., Sperrungsverfügung gegen Access-Provider, MMR 2002, 343; Kulk, S., Filtering for copyright enforcement in Europe after the Sabam cases, EIPR 2012, 791; Barrio Andrés, M., Luces y sombras del procedimiento para el cierre de páginas web, La Ley 48/2012; Castets-Renard, C., Le renouveau de la responsabilité délictuelle des intermédiaires de l’internet, Recueil Dalloz 2012, 827.


13‒ Die technische Analyse der Sperrungsverfügung bleibt dem vorlegenden Gericht vorbehalten. Siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Scarlet Extended, Urteil vom 24. November 2011 (C‑70/10, Slg. 2011, I‑11959, Nr. 50). Die technischen Gegebenheiten des Internets beeinflussen allerdings direkt dessen rechtliche Strukturen. Lessig, L., Code, version 2.0, Basic Books, New York, 2006.


14‒ Im Detail Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Promusicae, Urteil vom 29. Januar 2008 (C‑275/06, Slg. 2008, I‑271, Nrn. 30 und 31).


15‒ Die einzelnen Filtermethoden werden im Beschluss des erstinstanzlichen Handelsgerichts Wien ausführlich beschrieben. Vgl. auch Ofcom, „Site Blocking“ to reduce online copyright infringement, 27. Mai 2010.


16‒ KOM(2011) 942 endgültig vom 11.1.2012, S. 14 und 15.


17‒ Urteile vom 29. November 1978, Redmond (83/78, Slg. 1978, 2347, Randnr. 25), und vom 30. November 1995, Esso Española (C‑134/94, Slg. 1995, I‑4223, Randnr. 9).


18‒ Urteil vom 16. Juni 1981, Salonia (126/80, Slg. 1981, 1563, Randnr. 6).


19‒ Urteil vom 16. Juli 1992, Meilicke (C‑83/91, Slg. 1992, I‑4871, Randnrn. 31 bis 34).


20‒ Urteil vom 11. März 1980, Foglia (104/79, Slg. 1980, 745, Randnrn. 10 und 11).


21‒ Beschluss vom 19. Februar 2009, LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten (C‑557/07, Slg. 2009, I‑1227, Randnr. 46).


22‒ Beschluss LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten (oben in Fn. 21 angeführt, Randnrn. 43 bis 45).


23‒ Urteil Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 30 und 31). Vgl. auch Urteil vom 12. Juli 2011, L'Oréal u. a. (C‑324/09, Slg. 2011, I‑6011, Randnr. 131).


24‒ Urteil Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 28). Vgl. zu Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48 Urteil L’Oréal u. a. (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 144).


25‒ Zu erwähnen ist, dass die Kommission in ihrem Bericht zur Anwendung der Richtlinie 2004/48 feststellt, dass Mittelspersonen ohne direktes Vertragsverhältnis oder direkte Verbindung zum Rechteverletzenden in den Anwendungsbereich einbezogen sind. (KOM(2010) 779 endgültig vom 22. Dezember 2010, S. 6).


26‒ Siehe auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Football Dataco u. a., Urteil vom 18. Oktober 2012 (C‑173/11, Nr. 58) zum Begriff der öffentlichen Verfügbarmachung im Rahmen des Begriffs der Weiterverwendung der Richtlinie 96/9/EG.


27‒ So auch Urteil des High Court of Justice, Chancery Division vom 28. Juli 2011, Twentieth Century Fox v. British Telecommunications [2011] EWHC 1981 (Ch), Randnr. 113, bestätigt im Urteil des High Court of Justice, Chancery Division vom 28. Februar 2013, EMI Records v. British Sky Broadcasting [2013] EWHC 379 (Ch), Randnr. 82.


28‒ Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29.


29‒ 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29.


30‒ Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29.


31‒ Vgl. Klicka, T., in Angst, P. (Hrsg.), Kommentar zur Exekutionsordnung, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien, 2. Aufl. 2008, § 355, Randnr. 4.


32‒ Die Beschreibung des nationalen Rechts beruht, soweit nicht anders kenntlich gemacht, auf der Darstellung des vorlegenden Gerichts und den dieser nicht widersprechenden Darlegungen der Beteiligten.


33‒ Hierzu gehören in Österreich dingliche Rechte, Persönlichkeitsrechte und Immaterialgüterrechte. Holzammer, R., und Roth, M., Einführung in das Bürgerliche Recht mit IPR, Springer, Wien, 5. Aufl. 2000, S. 29.


34‒ Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass das Gericht bei Erlass des Erfolgsverbots zumindest geprüft habe, ob der Zugang zu legalen Informationen in spürbarer Weise durch die Sperre betroffen sein könne. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung finde insofern bereits bei der Entscheidung über die Zugangssperre oder in mehreren Schritten oder doppelt auch im Vollstreckungsverfahren statt. Nach den für den Gerichtshof maßgeblichen Angaben des vorlegenden Gerichts wird jedoch zumindest die Geeignetheit und Zumutbarkeit der dem Antragsgegner zur Erfüllung des Erfolgsverbots zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht geprüft.


35‒ Die Vollstreckung des Erfolgsverbots erfolgt gemäß § 355 der Exekutionsordnung.


36‒ Urteile Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 32) und Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 30). Selbiges gilt für Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48, Urteil L’Oréal u. a. (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 135). Vgl. auch den 45. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31, nach dem „die Möglichkeit von Anordnungen unterschiedlicher Art“ gegen Vermittler unberührt bleibt, insbesondere auch die Möglichkeit der Anordnung der Entfernung oder der Sperrung des Zugangs zu rechtswidrigen Informationen.


37‒ Urteile Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 33) und L’Oréal u. a. (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 138).


38‒ Beschluss LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten (oben in Fn. 21 angeführt, Randnr. 45) und Urteil L’Oréal u. a. (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 136).


39‒ Vgl. den 58. Erwägungsgrund der Richtlinie.


40‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 29), Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 31) und L’Oréal u. a. (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 144) (bezüglich Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48).


41‒ Urteile vom 29. Januar 2008, Promusicae (C‑275/06, Slg. 2008, I‑271, Randnrn. 65 bis 70), und L’Oréal u. a. (oben in Fn. 23 angeführt, Randnr. 143).


42‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 32 und 36 bis 38) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 36).


43‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 39) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 41).


44‒ Vgl. Urteil Promusicae (oben in Fn. 41 angeführt, Randnr. 68).


45‒ Vgl. auch Urteil vom 12. September 2006, Laserdisken (C‑479/04, Slg. 2006, I‑8089, Randnr. 65).


46‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 41 bis 43) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 43 bis 45).


47‒ Vgl. EGMR, Urteil Öztürk gegen Türkei vom 28. September 1999, Beschwerde Nr. 22479/93, Slg. 1999-VI, § 49.


48‒ Vgl. zu dem möglichen Kollateralschaden einer Sperrmaßnahme EGMR, Urteil Yildirim gegen Türkei vom 18. Dezember 2012, Beschwerde Nr. 3111/10.


49‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 44) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 46). Zu weiteren Grundrechten, die im Rahmen von Sperrverfügungen relevant werden können verweise ich auf meine Schlussanträge in der Rechtssache Scarlet Extended, Urteil vom 24. November 2011 (C‑70/10, Slg. 2011, I‑11959, Nrn. 69 bis 86).


50‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 43 und 44) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnrn. 45 und 46).


51‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 46) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 48).


52‒ Zur Reichweite des Rechts aus Art. 16 der Charta habe ich eingehend in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Alemo-Herron u. a., Urteil vom 18. Juli 2013 (C‑426/11, Nrn. 48 bis 58), Stellung genommen. Vgl. auch Oliver, P., „What Purpose Does Article 16 of the Charter Serve“, in: Bernitz, U,. u. a. (Hrsg.), General Principles of EU Law and European Private Law, Wolters Kluwer, Alphen aan den Rijn, 2013, S. 281; Jarass, H., Die Gewährleistung der unternehmerischen Freiheit in der Grundrechtecharta, EuGRZ 2011, 360.


53‒ Vgl. Art. 52 Abs. 1 der Charta, Urteile vom 28. Oktober 1992, Ter Voort (C‑219/91, Slg. 1992, I‑5485, Randnr. 37), und vom 28. April 1998, Metronome Musik (C‑200/96, Slg. 1998, I‑1953, Randnr. 28).


54‒ Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, Randnrn. 45 und 46), siehe auch Urteile vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, Slg. 2004, I‑7789, Randnrn. 51 und 52), und vom 6. September 2012, Deutsches Weintor (C‑544/10, Randnr. 54).


55‒ Schlussanträge in der Rechtssache Scarlet Extended (oben in Fn. 13 angeführt).


56‒ Urteile vom 21. Juli 2011, Azienda Agro-Zootecnica Franchini und Eolica di Altamura (C‑2/10, Slg. 2011, I‑6561, Randnr. 73), vom 15. Juni 2006, Dokter u. a. (C‑28/05, Slg. 2006, I‑5431, Randnr. 72), und vom 14. Dezember 2004, Arnold André (C‑434/02, Slg. 2004, I‑11825, Randnr. 45).


57‒ Jarass, H., Charta der Grundrechte der Europäischen Union, C. H. Beck, München, 2. Aufl. 2013, Art. 52, Randnr. 37.


58‒ Urteil vom 20. April 2010, Federutility u. a. (C‑265/08, Slg. 2010, I‑3377, Randnr. 36).


59‒ Urteil vom 29. Oktober 1998, Zaninotto (C‑375/96, Slg. 1998, I‑6629, Randnr. 63).


60‒ Urteil Zaninotto (oben in Fn. 59 angeführt, Randnr. 63).


61‒ Urteile Sabam (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 46) und Scarlet Extended (oben in Fn. 2 angeführt, Randnr. 48).


62‒ EGMR, Urteil Yildirim gegen Türkei vom 18. Dezember 2012, Beschwerde Nr. 3111/10, § 31.


63‒ EGMR, Urteil Yildirim gegen Türkei vom 18. Dezember 2012, Beschwerde Nr. 3111/10, § 48; EGMR, Urteil Times Newspapers Ltd. gegen das Vereinigte Königreich vom 10. März 2009, Beschwerde Nr. 3002/03 und 23676/03, § 27.