Language of document :

Klage, eingereicht am 11. November 2014 – Europäische Kommission/Portugiesische Republik

(Rechtssache C-503/14)

Verfahrenssprache: Portugiesisch

Parteien

Klägerin: Europäische Kommission (Prozessbevollmächtigte: C. Braga da Cruz und W. Roels)

Beklagte: Portugiesische Republik

Anträge

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21 AEUV, 45 AEUV und 49 AEUV und den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen hat, indem sie die Regelung der Art. 10 und 38 des portugiesischen Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz) (CIRS) erlassen und beibehalten hat, nach der ein Steuerpflichtiger, der (1) Gesellschaftsanteile tauscht und seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt oder (2) Aktiva und Passiva aus einer auf einer individuellen Grundlage ausgeübten Tätigkeit im Tausch gegen Gesellschaftsanteile eines gebietsfremden Unternehmens überträgt, im ersten Fall – in Bezug auf die fraglichen Transaktionen – sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einbeziehen muss, in dem er noch als gebietsansässiger Steuerpflichtiger galt, und im zweiten Fall infolge der fraglichen Transaktion keinerlei Aufschub bei der Besteuerung erhält;

der Portugiesische Republik die Kosten aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Klagegründe:

1.    Zum einen würden gemäß Art. 10 Abs. 9 Buchst. a des CIRS, wenn der Aktionär/Anteilsinhaber nicht mehr in Portugal ansässig sei, die Wertzuwächse aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen in die zu besteuernden Einkünfte des Kalenderjahres einbezogen, in dem die Verlegung des Wohnsitzes stattgefunden habe. Der Wert der Wertzuwächse entspreche gemäß der genannten Vorschrift der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert der erhaltenen Gesellschaftsanteile und dem Veräußerungswert der alten Anteile. Behalte der Aktionär/Anteilsinhaber seinen Wohnsitz in Portugal, entspreche der Wert der erhaltenen Gesellschaftsanteile dagegen demjenigen der abgetretenen Anteile, unbeschadet der Besteuerung der Geldbeträge, die für die abgetretenen Anteilen geleistet würden. D. h., wenn der Wohnsitz in Portugal beibehalten werde, führe der Tausch von Gesellschaftsanteilen nur dann zu einer sofortigen Besteuerung der Wertzuwächse, wenn und soweit eine zusätzliche Geldzahlung erfolge. Erfolge keine solche Zahlung, würden die Wertzuwächse nur und erst dann versteuert, wenn die erhaltenen Gesellschaftsteile endgültig veräußert würden. Gemäß Art. 10 Abs. 10 des CIRS gelte diese Steuerregelung auch für die Zuteilung von Anteilen oder Aktien im Fall einer unter Art. 74 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Colectivas (Körperschaftsteuergesetz) (CIRC) fallenden Verschmelzung oder Spaltung.

2.    Zum anderen sei die Übertragung von im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit durch eine natürliche Person stehenden Aktiva und Passiva auf ein Unternehmen im Tausch gegen Gesellschaftsanteile gemäß Art. 38 Abs. 1 Buchst. a des CIRS zum Zeitpunkt der Übertragung steuerbefreit, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – die juristische Person, auf die die Aktiva und Passiva übertragen würden, ihren Sitz oder ihre tatsächliche Leitung in Portugal habe. In diesem Fall erfolge eine Besteuerung erst und nur dann, wenn diese Aktiva und Passiva von der juristischen Person, die sie erhalten habe, veräußert würden. Diese steuerliche Behandlung komme jedoch nicht zur Anwendung, wenn die juristische Person, auf die die Aktiva und Passiva übertragen würden, ihren Sitz oder ihre tatsächliche Leitung außerhalb von Portugal habe. In diesem Fall würden die Wertzuwächse sofort besteuert.

Wesentliche Argumente:

1.    Zum ersten Klagegrund macht die Kommission geltend, dass die fragliche Besteuerung die Personen benachteilige, die beschlössen, das portugiesische Hoheitsgebiet zu verlassen, da sie dazu führe, dass diese Personen anders behandelt würden als im Land verbleibende Personen. Der Vorteil des Aufschubs der Besteuerung, wenn durch den Tausch von Gesellschaftsanteilen Gewinne erzielt würden, dürfe nicht auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Steuerpflichtige in Portugal ansässig bleibe, im Gegensatz zu den Fällen, in denen der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat oder einen EWR-Staat verlege. Die insoweit durch Art. 10 des CIRS aufrechterhaltene Differenzierung sei folglich nicht mit den Art. 21 AEUV, 45 AEUV und 49 AEUV und den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens vereinbar. Außerdem sei der Schutz von Steuerforderungen, die sich aus noch nicht realisierten Erlösen ergäben, im Einklang mit dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu gewährleisten; im vorliegenden Fall gingen die portugiesischen Rechtsvorschriften über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels der Wirksamkeit der Steuerregelung erforderlich sei. Die portugiesischen Rechtsvorschriften müssten unabhängig davon, ob die natürliche Person ihren Wohnsitz in Portugal beibehalte oder nicht, dieselbe Regelung anwenden.

2.    Zum zweiten Klagegrund führt die Kommission aus, dass die in Art. 38 des CIRS vorgesehene Vergünstigung angesichts von Art. 49 AEUV und Art. 31 des EWR-Abkommens nicht auf die Fälle beschränkt werden dürfe, in denen die Gesellschaft, die die Aktiva erhalte, ihren Sitz oder ihre tatsächliche Leitung in Portugal habe. Portugal müsse unabhängig davon, ob die juristische Person, auf die die Aktiva und Passiva übertragen würden, ihren Sitz oder ihre tatsächliche Leitung im portugiesischen Hoheitsgebiet oder außerhalb dieses Gebiets habe, dieselbe Regelung anwenden. Aus den bereits in Bezug auf den ersten Klagegrund angeführten Gründen ist die Kommission der Ansicht, dass Art. 38 des CIRS über das hinausgehe, was zur Erreichung des Ziels der Gewährleistung der Wirksamkeit der Steuerregelung erforderlich sei; die Steuerpflichtigen, die mittels der Übertragung von Aktiva und Passiva ins Ausland im Tausch gegen Gesellschaftsanteile eines gebietsfremden Unternehmens von ihrem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch machten, dürften nicht zu einem früheren Zeitpunkt besteuert werden als diejenigen, die solche Transaktionen mit einem in Portugal ansässigen Unternehmen durchführten.