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Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 27. Februar 2014 (Vorabentscheidungsersuchen des Krajský soud v Plzni (Tschechische Republik) – Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním o.s. (OSA)/Léčebné lázně Mariánské lázně a.s.

(Rechtssache C-351/12)1

(Richtlinie 2001/29/EG – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Begriff ‚öffentliche Wiedergabe‘ – Wiedergabe von Werken in den Zimmern einer Kureinrichtung – Unmittelbare Wirkung der Bestimmungen der Richtlinie – Art. 56 AEUV und 102 AEUV – Richtlinie 2006/123/EG – Freier Dienstleistungsverkehr – Wettbewerb – Ausschließliches Recht zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten)

Verfahrenssprache: Tschechisch

Vorlegendes Gericht

Krajský soud v Plzni

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním o.s. (OSA)

Beklagte: Léčebné lázně Mariánské lázně a.s.

Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen – Krajský soud v Plzni – Auslegung der Art. 3 und 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10), der Art. 56, 101 und 102 AEUV sowie der Art. 14 und 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36) – Für die Rechte auf Vervielfältigung und Wiedergabe geltende Ausnahmen und Beschränkungen – Werke, die über Fernseh- und Rundfunkgeräte übertragen werden, die in den Zimmern von Patienten einer Kureinrichtung aufgestellt sind – Unmittelbare Wirkung von Richtlinienbestimmungen – Nationale Rechtsvorschriften, die einem Antragsteller das ausschließliche Recht auf die kollektive Verwertung von Urheberrechten im nationalen Hoheitsgebiet einräumen

Tenor

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die das Recht der Urheber ausschließt, es zu erlauben oder zu verbieten, dass ihre Werke von einer gewerblich tätigen Kureinrichtung durch die absichtliche Verbreitung eines Signals über Fernseh- oder Radioempfänger in den Zimmern der Patienten dieser Einrichtung wiedergegeben werden. Art. 5 Abs. 2 Buchst. e, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 5 dieser Richtlinie führt zu keiner anderen Auslegung.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass sich eine Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen nicht auf diese Bestimmung berufen kann, um die Anwendung einer gegen sie verstoßenden Regelung eines Mitgliedstaats auszuschließen. Das Gericht, bei dem ein solcher Rechtsstreit anhängig ist, hat diese Regelung jedoch so weit wie möglich anhand von Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung auszulegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von ihr verfolgten Ziel vereinbar ist.

Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sowie die Art. 56 AEUV und 102 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die die kollektive Wahrnehmung der Urheberrechte an bestimmten geschützten Werken im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats einer einzigen Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten vorbehält und dadurch Nutzer dieser Werke, wie die im Ausgangsverfahren betroffene Kureinrichtung, daran hindert, die Dienstleistungen einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Verwertungsgesellschaft in Anspruch zu nehmen.

Art. 102 AEUV ist jedoch dahin auszulegen, dass es ein Anzeichen für einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, wenn die erstgenannte Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten für die von ihr erbrachten Dienstleistungen Tarife erzwingt, die nach einem auf einheitlicher Grundlage vorgenommenen Vergleich erheblich höher sind als die in den übrigen Mitgliedstaaten angewandten Tarife, oder wenn sie überhöhte Preise ohne vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung verlangt.

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1 ABl. C 295 vom 29.9.2012.