Language of document : ECLI:EU:C:2013:181

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 21. März 2013(1)

Rechtssache C‑241/11

Europäische Kommission

gegen

Tschechische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Nichtumsetzung der Richtlinie 2003/41/EG – Tätigkeiten und Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung – Nichtdurchführung des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑343/08 – Art. 260 AEUV – Pauschalbetrag – Frist für die Durchführung des Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird“






I –    Einleitung

1.        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, der Gerichtshof möge feststellen, dass die Tschechische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, indem sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus der Durchführung des Urteils vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik(2), betreffend die teilweise Nichtumsetzung der Richtlinie 2003/41/EG über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung(3) ergeben. Die Kommission beantragt außerdem, der Gerichtshof möge gegen die Tschechische Republik einen Pauschalbetrag in Höhe von 3 364 395,20 Euro verhängen.

2.        Der Gerichtshof steht somit vor einer wichtigen und sowohl in den nationalen Rechtsordnungen als auch im Unionsrecht, insbesondere im Bereich des Wettbewerbs, häufig anzutreffenden Aufgabe, nämlich der Bemessung der Sanktion.

3.        Die Besonderheit der vorliegenden Rechtssache liegt darin, dass der Verstoß, der in dem nach Art. 258 AEUV ergangenen Urteil des Gerichtshofs, d. h. in dem oben angeführten Urteil Kommission/Tschechische Republik, festgestellt wurde, mangels Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (im Folgenden: EBA) mit Standort im nationalen Hoheitsgebiet in der tschechischen Rechtsordnung eine sehr geringe praktische Auswirkung hatte.

4.        Hierbei erinnere ich daran, dass die Kommission im Bereich der finanziellen Sanktionen im Sinne von Art. 260 AEUV eine Reihe von Mitteilungen(4) veröffentlicht hat, die die Praxis der Verhängung dieser Sanktionen vereinheitlichen und gleichzeitig zur Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten beitragen sollen. Der Gerichtshof ist jedoch nicht an die von der Kommission in diesen Mitteilungen formulierten Vorschläge gebunden(5).

5.        Aus diesen Mitteilungen geht u. a. hervor, dass nach Ansicht der Kommission jede Verletzung des Unionsrechts und insbesondere die Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs schwer wiegt. Ein solcher Ansatz ist meines Erachtens rein rhetorisch, da er jegliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion und jegliche dem Einzelfall angepasste Sanktionszumessung ungeachtet der für gewöhnlich geltenden Strafgrundsätze auszuschließen scheint.

6.        Im Gegensatz zu den nationalen Rechtsordnungen, die die Verstöße häufig je nach Strafandrohung klassifizieren, kennt zwar das Unionsrecht eine solche Unterscheidung nicht. Den nationalen Rechtsordnungen und dem Unionsrecht ist jedoch gemeinsam, dass der Unrechtsgrad berücksichtigt wird, der als das Überschreiten einer Norm, das mit einer gewissen Willensintensität oder einem gewissen Fahrlässigkeitsgrad erfolgt, verstanden wird(6).

7.        Somit lässt sich in dem nach Art. 260 AEUV für die Zwecke der Verhängung eines Pauschalbetrags vorgesehenen System der Charakter des Verstoßes vor allem anhand der Schwere bestimmen.

8.        Daher könnte der Gerichtshof, um sicherzustellen, dass die ins Auge gefasste Sanktion dem begangenen Verstoß entspricht, bei Verletzungen des Unionsrechts unterscheiden und sie nach leichten, mittleren und schweren Verletzungen differenzieren. Da das Unrecht nicht nur vom äußeren Verhalten des Handelnden und den Folgen der Handlung abhängt, sondern auch mit Umständen im Zusammenhang steht, die an die Person des Handelnden anknüpfen, insbesondere mit seinen Absichten, müssen zudem bei der Bemessung des Pauschalbetrags zum einen mildernde Umstände, wie etwa eine loyale Zusammenarbeit, und zum anderen erschwerende Umstände, wie etwa ein wiederholter Verstoß des betroffenen Mitgliedstaats, berücksichtigt werden.

9.        Letztlich gehört die Abwägung all dieser Einzelheiten zur Ausübung der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung, über die der Gerichtshof bei der Verhängung der in Art. 260 AEUV vorgesehenen finanziellen Sanktionen verfügt.

II – Zur einschlägigen Regelung des Unionsrechts

10.      Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde das Vorverfahren, das nach Art. 260 AEUV bei Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs zur Anwendung kommt, durch den Wegfall des Erfordernisses einer mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission verkürzt. Wie sich aus dem Wortlaut dieses Artikels ergibt, ist die Kommission nur verpflichtet, ein Aufforderungsschreiben an den betroffenen Mitgliedstaat zu richten, bevor sie den Gerichtshof anruft.

11.      Die Richtlinie 2003/41, deren teilweise Nichtumsetzung eine Vertragsverletzung der Tschechischen Republik darstellte, hat zum Gegenstand, Regeln über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von EBA aufzustellen. Die EBA sind Einrichtungen, die sich damit befassen, auf der Grundlage von individuell oder kollektiv zwischen den Arbeitgebern und ihrem Personal oder dessen Vertretungsorganisationen geschlossenen Vereinbarungen bzw. Verträgen an die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit geknüpfte Altersversorgungsdienstleistungen zu erbringen. Die Richtlinie 2003/41 soll dabei einen europaweiten Binnenmarkt für die betriebliche Altersversorgung schaffen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip bleiben die Mitgliedstaaten jedoch uneingeschränkt für die Organisation ihrer Altersversorgungssysteme und die Rollenverteilung zwischen den drei „Säulen“ des Altersversorgungssystems verantwortlich, so dass sie insbesondere im Rahmen der zweiten Säule dafür zuständig sind, die Rolle und die Aufgaben der verschiedenen Arten von EBA festzulegen.

12.      Zur Verwirklichung der angestrebten Ziele werden den Mitgliedstaaten mit der Richtlinie 2003/41 verschiedene Verpflichtungen in Bezug auf die EBA mit Standort in ihrem Hoheitsgebiet auferlegt, insbesondere die rechtliche Trennung zwischen Trägerunternehmen und EBA (Art. 8), die Erfüllung der Betriebsvoraussetzungen (Art. 9), ihre Kontrolle (Art. 13) und die Bildung von versicherungstechnischen Rückstellungen (Art. 15 bis 18). Überdies sieht Art. 20 Abs. 1 dieser Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten es den Unternehmen mit Standort in ihrem Hoheitsgebiet gestatten müssen, Träger von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen EBA zu sein, und dass sie es gestatten müssen, dass in ihrem Hoheitsgebiet zugelassene EBA von Unternehmen mit Standort in anderen Mitgliedstaaten betrieben werden. Art. 20 Abs. 2 bis 4 legt dabei die Regeln für die Kontrolle der grenzüberschreitenden Tätigkeiten der EBA fest.

13.      Nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2003/41 hatten die Mitgliedstaaten die Vorschriften zu erlassen, die erforderlich sind, um ihr spätestens ab dem 23. September 2005 nachzukommen.

III – Das Urteil Kommission/Tschechische Republik (C‑343/08)

14.      In seinem oben angeführten Urteil Kommission/Tschechische Republik hat der Gerichtshof entschieden, dass die Tschechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2003/41 verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um den Art. 8, 9, 13, 15 bis 18 und 20 Abs. 2 bis 4 dieser Richtlinie nachzukommen.

15.      Auf das Vorbringen der Tschechischen Republik, wonach das Fehlen von EBA in diesem Mitgliedstaat die Nichtumsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2003/41 rechtfertige, entgegnete der Gerichtshof in den Randnrn. 37 bis 52 seines Urteils, dass es nach der Rechtsprechung, sofern kein geografischer Grund gegeben ist, der die Umsetzung der in Rede stehenden Bestimmungen gegenstandslos machen würde, darauf ankommt, ob, falls sich die Tschechische Republik dafür entscheiden würde, ihr nationales Altersversorgungssystem durch ein betriebliches Altersversorgungssystem der zweiten Säule zu ergänzen, alle Rechtssubjekte in diesem Mitgliedstaat wie die anderen Rechtssubjekte in der Europäischen Union wissen, welche Rechte und Pflichten sie haben.

16.      Hingegen hat der Gerichtshof in den Randnrn. 53 bis 62 seines Urteils entschieden, dass die Umsetzung der in Rede stehenden Bestimmungen die Tschechische Republik keineswegs verpflichtet, ihr nationales Altersversorgungssystem zu ändern. Insbesondere kann die Richtlinie 2003/41 nach Ansicht des Gerichtshofs nicht dahin ausgelegt werden, dass sie einen Mitgliedstaat, der die Niederlassung von EBA in seinem Hoheitsgebiet wegen des Fehlens einer zweiten Säule verbietet, dazu verpflichtet, dieses Verbot aufzuheben.

IV – Das Vorverfahren, die Klage beim Gerichtshof in der Rechtssache C‑241/11 und die im Laufe des vorliegenden Verfahrens eingetretenen Entwicklungen

17.      Mit Schreiben vom 19. Februar 2010 forderte die Kommission die Tschechische Republik auf, ihr die Maßnahmen, die die tschechische Regierung zu erlassen gedenke, um dem Urteil Kommission/Tschechische Republik nachzukommen, und den entsprechenden genauen Zeitplan mitzuteilen. Dieser Mitgliedstaat antwortete darauf, dass die erforderlichen Maßnahmen spätestens im Juni 2012 erlassen würden. Der Finanzminister der Tschechischen Republik teilte der Kommission mit Schreiben vom 17. Juni 2010 mit, dass die Entscheidung hinsichtlich der Art der Umsetzung der Richtlinie 2003/41 durch die aus den Parlamentswahlen vom 28. und 29. Mai 2010 hervorgegangene Regierung getroffen werde. Später kündigte er mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 an, dass der Regierung in Kürze ein Arbeitsdokument zur Umsetzung dieser Richtlinie vorgelegt werde.

18.      Die Kommission richtete am 29. Oktober 2010 ein Aufforderungsschreiben an die Tschechische Republik, mit dem sie diese aufforderte, binnen zwei Monaten ab Erhalt dieses Schreibens Stellung zu beziehen. Auf Ersuchen der Tschechischen Republik erklärte sich die Kommission einverstanden, diese Frist bis zum 28. Januar 2011 zu verlängern.

19.      Als Antwort auf dieses Aufforderungsschreiben führte die Tschechische Republik aus, dass ein Gesetzesvorschlag vorbereitet werde, der der Regierung im ersten Quartal 2011 und dem Parlament im April 2011 vorgelegt werde, so dass er im dritten Quartal in Kraft treten werde.

20.      Am 19. Mai 2011 hat die Kommission die vorliegende Klage eingereicht, mit der sie beantragt,

–      festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um dem Urteil Kommission/Tschechische Republik nachzukommen, sowie

–      gegen ihn ein Zwangsgeld in Höhe von 22 364,16 Euro für jeden Tag des Verzugs beim Erlass der Maßnahmen, die sich aus der Durchführung dieses Urteils ergeben, zu verhängen, und zwar vom Tag des Erlasses des Urteils in der vorliegenden Rechtssache an bis zu dem Tag, an dem diese Durchführungsmaßnahmen ergriffen werden, und

–      gegen ihn ferner einen Pauschalbetrag in Höhe von 5 644,80 Euro für jeden Tag des Verzugs beim Erlass dieser Maßnahmen zu verhängen, und zwar vom Tag des Erlasses des fraglichen Urteils an bis zum Tag des Erlasses des Urteils in der vorliegenden Rechtssache oder bis zu dem Tag, an dem die Durchführungsmaßnahmen ergriffen werden.

21.      Am 2. September 2011 hat die Tschechische Republik die Kommission von der Veröffentlichung und dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 260/2011(7) (im Folgenden: Gesetz Nr. 260/11) am 31. August 2011 in Kenntnis gesetzt, das nach den Angaben dieses Mitgliedstaats die vollständige Durchführung des oben angeführten Urteils Kommission/Tschechische Republik sicherstellt. Nach Prüfung des Inhalts des Gesetzes Nr. 260/11 hat die Kommission dem Gerichtshof in ihrer Erwiderung mitgeteilt, sie sei der Ansicht, dass die Tschechische Republik ihre Rechtsvorschriften mit dem Urteil Kommission/Tschechische Republik in Einklang gebracht habe. Demzufolge hat die Kommission ihren Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds zurückgenommen. Sie erhält ihre Klage jedoch in Bezug auf die Zahlung eines Pauschalbetrags aufrecht.

V –    Zur Klage und zum Vorbringen der Parteien

A –    Zum Vorliegen der Vertragsverletzung

22.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung nach Art. 260 AEUV der Zeitpunkt maßgebend ist, an dem die Frist ablief, die in dem nach Art. 260 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV ergangenen Aufforderungsschreiben gesetzt wurde(8).

23.      Die Tschechische Republik stellt zwar nicht das Vorliegen der vorgeworfenen Vertragsverletzung in Frage, sondern nur die Schwere des Verstoßes, so wie sie sich aus der Auslegung der Kommission ergibt, doch ändert dies nichts daran, dass die Tschechische Republik bei Ablauf der im Aufforderungsschreiben der Kommission gesetzten Frist, die verlängert worden war, nicht alle Maßnahmen ergriffen hatte, die erforderlich sind, um den Verpflichtungen aus dem oben angeführten Urteil Kommission/Tschechische Republik zur Gänze nachzukommen. Daher ist festzustellen, dass die Tschechische Republik ihre Verpflichtung aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verletzt hat.

B –    Zum Antrag auf Verhängung eines Pauschalbetrags

24.      Da die Maßnahmen, die für die Durchführung des Urteils Kommission/Tschechische Republik erforderlich sind, im Laufe des vorliegenden Verfahrens erlassen worden sind, ist der Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds nach der Rechtsprechung gegenstandslos geworden(9).

25.      Die Kommission hat indessen ihren Antrag auf Verhängung eines im Einklang mit der oben erwähnten Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2005 berechneten Pauschalbetrags aufrechterhalten. Daraus geht hervor, dass der Pauschalbetrag dem Ergebnis der Multiplikation eines Tagessatzes mit der Anzahl der Tage, an denen die Zuwiderhandlung nicht abgestellt ist, entspricht. Der Tagessatz ergibt sich seinerseits aus der Multiplikation eines einheitlichen Grundbetrags(10) mit einem Koeffizienten für die Schwere des Verstoßes (auf einer Skala zwischen 1 und 20) und mit einem Faktor n, der das Bruttoinlandsprodukt des Mitgliedstaats und die Zahl seiner Stimmen im Rat der Europäischen Union widerspiegelt.

26.      Die Kommission betont, dass jeder Mitgliedstaat verpflichtet sei, die Richtlinie 2003/41 vollständig umzusetzen, auch wenn die Nichtumsetzung im vorliegenden Fall wegen des Fehlens einer zweiten Säule innerhalb des tschechischen Altersversorgungssystems in der Praxis keine konkrete Auswirkung gehabt habe. Beim Erlass der Richtlinie 2003/41 sei der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen, dass alle Mitgliedstaaten die Bedingungen festgelegt hätten, die für die Tätigkeiten der EBA in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet erforderlich seien. Außerdem sind nach Ansicht der Kommission sowohl die von der Richtlinie 2003/41 betroffenen Vorschriften als auch der Inhalt des Urteils Kommission/Tschechische Republik klar formuliert und lassen keinen Raum für Zweifel an ihren Durchführungsmodalitäten.

27.      Was die Einzelheiten der Berechnung des Pauschalbetrags betrifft, so schlägt die Kommission vor, den Schwerekoeffizienten 8 heranzuziehen, da die Vorschriften der Richtlinie 2003/41 ihrer Ansicht nach wesentlich für die Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen durch EBA sind und da ohne ihre vollständige Umsetzung in die innerstaatliche Rechtsordnung die Voraussetzungen für das Funktionieren eines Binnenmarkts für betriebliche Altersversorgung nicht geschaffen werden. Die Kommission hebt hervor, dass die Nichtumsetzung eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit darstelle, die bei Vorschriften hinsichtlich der Aufsichts- und Überwachungsregeln, die ein hohes Maß an Sicherheit für die zukünftigen Rentner gewährleisten sollten, umso schwerer wiege.

28.      Im Übrigen entgegnet die Kommission auf das Vorbringen der Tschechischen Republik, die Richtlinie 2003/41 sei innerhalb der gesetzten Frist teilweise umgesetzt worden, dass dieser Umstand nichts an der Lage ändere. Denn die teilweise Umsetzung betreffe nur die EBA, die grenzüberschreitende Dienstleistungen in der Tschechischen Republik erbrächten. Daraus habe sich somit nicht ableiten lassen, welche Bedingungen beim Betrieb von der Kontrolle der tschechischen Behörden unterliegenden EBA gälten und welche Aufsichtsregeln auf diese Einrichtungen Anwendung fänden.

29.      Die Tschechische Republik bestreitet ihrerseits hauptsächlich die Schwere der Fortdauer des im Urteil Kommission/Tschechische Republik festgestellten Verstoßes, die sehr gering, ja sogar inexistent sei. Dieser Mitgliedstaat meint, gegen ihn dürfe kein Pauschalbetrag verhängt werden oder dieser Pauschalbetrag müsse im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles erheblich herabgesetzt werden.

30.      Zum einen trägt die Tschechische Republik vor, dass die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Schwere des Verstoßes auf einer falschen Prämisse beruhe, da die Kommission diese Frage mit jener der Verletzung des Unionsrechts verwechsle. Zum anderen weist die Tschechische Republik darauf hin, dass für die Beurteilung des Schweregrads eines Verstoßes die Folgen des Verstoßes für die privaten und öffentlichen Interessen, die Dringlichkeit, den betroffenen Mitgliedstaat dazu zu bringen, seinen Verpflichtungen nachzukommen, die Bedeutung der Rechtsregel, deren Verletzung festgestellt worden sei, und die Haltung des betroffenen Staates zu berücksichtigen seien.

VI – Allgemeine Würdigung

A –    Zum Charakter des Pauschalbetrags

31.      Nach der Rechtsprechung, insbesondere nach dem Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich(11), erfüllen die beiden in Art. 260 Abs. 2 AEUV vorgesehenen finanziellen Sanktionen nicht dieselbe Funktion. Während nämlich die Verhängung eines Zwangsgelds geeignet erscheint, einen Mitgliedstaat zu veranlassen, einen gerügten Verstoß so schnell wie möglich abzustellen, beruht die Verhängung eines Pauschalbetrags mehr auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen(12).

32.      Der Pauschalbetrag stellt somit eine Sanktion im engen Wortsinn dar. Im Gegensatz zum Zwangsgeld, das im Wesentlichen Zwangscharakter hat, hat der Pauschalbetrag die Funktion, die Untätigkeit des betroffenen Mitgliedstaats in der Vergangenheit zu bestrafen.

33.      So hat der Gerichtshof den Pauschalbetrag dadurch abgegrenzt, dass er seinen abschreckenden Charakter und seine Funktion der Verhinderung einer künftigen Wiederholung von Verstößen hervorhebt(13). Dass seine Verhängung droht, kann nach Ansicht der Kommission den Mitgliedstaat insbesondere dazu veranlassen, das ursprüngliche Urteil, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt werde, möglichst bald und insbesondere vor einer zweiten Anrufung des Gerichtshofs durchzuführen(14).

34.      Im Übrigen bedeutet der Strafcharakter des Pauschalbetrags, dass dieser eine Ausgleichsfunktion hat, die dem Grundsatz entspricht, dass jeder Verstoß mit einer angemessenen Sanktion geahndet werden muss, um den Rechtsstaat wiederherzustellen.

35.      Da nämlich der Verstoß eine Handlung ist, die die bestehende Rechtsordnung missachtet, stellt die Sanktion eine gerechte Reaktion auf diese Handlung dar. Damit jedoch die Reaktion im richtigen Ausmaß erfolgt, muss meines Erachtens der verhängte Pauschalbetrag bei Verstößen, deren Schwere offensichtlich besonders gering ist, so niedrig wie möglich bleiben.

36.      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in Ausübung seines Ermessens den Pauschalbetrag so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis sowohl zum festgestellten Verstoß als auch zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats steht(15). Die Verhängung eines Pauschalbetrags muss in jedem Einzelfall von der Gesamtheit der maßgebenden Aspekte abhängig gemacht werden, die sich sowohl auf die Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung als auch auf die Haltung beziehen, die der Mitgliedstaat eingenommen hat(16).

37.      Der abschreckende Charakter des Pauschalbetrags wurde insbesondere im oben angeführten Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, verstärkt, in dem der Gerichtshof entschieden hat, trotz der vollständigen Durchführung des ursprünglichen Urteils vor Ende des nach Art. 260 AEUV (ex Art. 228 EG) eingeleiteten Verfahrens die Zahlung eines Pauschalbetrags zu verhängen. Der Gerichtshof hat demnach – unter Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine automatische Sanktion handelt – sein Ermessen in Bezug auf die Notwendigkeit der Verhängung eines Pauschalbetrags im Hinblick auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls bestätigt.

B –    Zur Rolle der Mitteilungen der Kommission über die Anwendung von Art. 260 AEUV

38.      Es steht fest, dass die Leitlinien zur Anwendung von Art. 260 AEUV, wie sie in den oben genannten Mitteilungen der Kommission enthalten sind, dazu beitragen, die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten(17).

39.      Denn im Gegensatz zu den nationalen Rechtsordnungen, in denen es meist Sache des Gesetzgebers, der Vertreter der Staatsanwaltschaft oder möglicherweise der Berufungs‑ oder Höchstgerichte ist, die Regeln oder eine Praxis in Bezug auf die Sanktionsbemessung festzulegen, ist es im Geltungsbereich von Art. 260 AEUV die Kommission, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen Referenzrahmen zu veröffentlichen.

40.      Wie Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer bin ich der Ansicht, dass diese Mitteilungen, obwohl es sich nicht um Rechtsvorschriften im eigentlichen Sinn handelt, das Organ binden, von dem sie ausgehen, zumindest insofern, als es nur unter angemessener Begründung ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von ihnen abweichen kann(18).

41.      Im Übrigen merke ich an, dass die Kommission in den anderen Bereichen des Unionsrechts, und insbesondere im Wettbewerbsrecht, dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie diese von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung ihres Ermessens beschränkt(19). Daher ist die Kommission durch die von ihr erlassenen Mitteilungen gebunden, soweit sie nicht von den Vorschriften des Vertrags abweichen(20).

42.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitteilungen der Kommission über die Anwendung von Art. 260 AEUV ein Instrument darstellen, das für den Gerichtshof unerlässlich ist, um eine gerechte und kohärente Praxis verfolgen zu können, und das zur Vorhersehbarkeit der Entscheidungen beiträgt. Die Mitteilungen tragen nämlich zur Entwicklung einer methodischen und stringenten Herangehensweise im Bereich der Verhängung von finanziellen Sanktionen durch den Gerichtshof bei. Die Vorschläge der Kommission dienen hauptsächlich dazu, es dem Gerichtshof zu ermöglichen, von einer Sanktionskategorie auszugehen, die dem Charakter des gerügten Verstoßes entspricht. Sie stellen also für den Gerichtshof einen der Orientierung dienenden Ausgangspunkt für die Gesamtbeurteilung des gerügten Verstoßes und einen Mechanismus dar, der sicherstellt, dass die Sanktionsbemessung nicht willkürlich oder subjektiv wird, ungeachtet der Tatsache, dass sie nie mathematische Objektivität erreicht.

43.      Ich weise gleichwohl darauf hin, dass die oben erwähnten Mitteilungen dem Gerichtshof nur als analytischer Rahmen und methodischer Anhaltspunkt dienen können. Daher ist der Gerichtshof bei der Ausübung seines Ermessens insbesondere von der Verpflichtung entbunden, die Einzelheiten der Berechnung des von ihm gegen den betroffenen Mitgliedstaat verhängten Pauschalbetrags darzulegen.

VII – Zur Methode der Verhängung eines Pauschalbetrags

A –    Anwendung des Schwerekriteriums in der Praxis der Kommission

44.      Nach ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2005(21) stützt sich die Kommission für die Berechnung der Höhe des Pauschalbetrags auf drei Kriterien, nämlich die Schwere des Verstoßes, die Dauer des Verstoßes und die Zahlungsfähigkeit des Mitgliedstaats. Die Hauptschwierigkeit bei der Anwendung dieser Kriterien scheint mir in der Gefahr der Überschneidung insbesondere zwischen den Kriterien der Schwere und der Dauer zu liegen. Denn die zeitliche Ausdehnung des Verstoßes stellt zwar einen objektiven Parameter dar, kann aber vernünftigerweise auch dazu beitragen, die Schwere des gerügten Verstoßes zu verschärfen.

45.      Auch wenn ich zugestehe, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen gerügten Verstößen gibt, beobachte ich dennoch, dass die Anwendung des Schwerekoeffizienten durch die Kommission im Hinblick auf die Verhängung finanzieller Sanktionen durch eine gewisse Inkohärenz gekennzeichnet ist(22).

46.      Erstaunlicherweise stellt man nämlich in Bezug auf Zwangsgeld in einer der bisher komplexesten Rechtssachen zur Anwendung der finanziellen Sanktionen auf eine allgemeine und strukturelle Vertragsverletzungssituation fest, dass die Kommission den Schwerekoeffizienten 10 vorgeschlagen hat. In einer späteren Rechtssache hingegen, die ausschließlich einen Gesetzgebungsverstoß betraf, wurde der Schwerekoeffizient bei 11 festgelegt(23). Ferner hatte die Kommission in der einzigen Rechtssache, in der die Vertragsverletzung mangels Nachweisen nicht festgestellt werden konnte, den Schwerekoeffizienten 14 vorgeschlagen(24). Schließlich ist die Kommission so weit gegangen, in einer Rechtssache betreffend die Nichtumsetzung einer Richtlinie nur den Koeffizienten 1 vorzuschlagen(25).

47.      Was insbesondere Anträge auf Verhängung eines Pauschalbetrags in Rechtssachen hinsichtlich der Nichtumsetzung von Richtlinien anbelangt, so hat die Kommission die Koeffizienten 11(26) und 12(27) vorgeschlagen. In Rechtssachen betreffend die Nichtrückforderung von staatlichen Beihilfen, die durch einen hohen Komplexitätsgrad gekennzeichnet sind, variierte der vorgeschlagene Koeffizient dagegen zwischen 5(28), 8(29) und 12(30).

48.      Zum Vergleich und zur Erinnerung weise ich darauf hin, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Schwere des Verstoßes so bewertet hat, dass sie die Anwendung eines Koeffizienten von 8 auf einer Skala von 20 rechtfertigen soll.

B –    Analyse der Schwere des Verstoßes für die Zwecke der Verhängung eines Pauschalbetrags

49.      Zunächst weise ich darauf hin, dass ein nach Art. 260 Abs. 2 AEUV ergangenes Urteil, mit dem finanzielle Sanktionen verhängt werden, im Gegensatz zu einem nach Art. 258 AEUV ergangenen Feststellungsurteil, das einen objektiven Stand des Unionsrechts widerspiegelt(31), ein subjektives Element aufweist, da es eine Beurteilung der Schuld eines Mitgliedstaats impliziert. Überdies hat dieses zweite Urteil konstitutive Wirkung, wenn der Gerichtshof entscheidet, diese Sanktionen zu verhängen.

50.      Meines Erachtens umfasst die Beurteilung der Schwere eines Verstoßes, der in der Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs besteht, zum einen subjektive Gesichtspunkte, die insbesondere die Schuld des Mitgliedstaats betreffen, und zum anderen die Bestimmung der Schwere, die sich auf mit dem Ausmaß des Verstoßes und seinen Folgen zusammenhängende objektive Umstände stützt.

1.      Zur subjektiven Dimension der Schwere des Verstoßes

51.      In subjektiver Hinsicht stellt sich für die Zwecke der Bemessung des Pauschalbetrags die Frage, ob der Mitgliedstaat ab Erlass des ersten Vertragsverletzungsurteils in gutem Glauben gehandelt hat. Dies wird im Verhältnis zu den von dem Mitgliedstaat zur Durchführung des nach Art. 258 AEUV ergangenen Urteils erlassenen Maßnahmen beurteilt.

52.      Hierbei zählt zu den einschlägigen Analyseparametern die Beurteilung der Sorgfalt und der loyalen Zusammenarbeit eines Mitgliedstaats. So könnte der Gerichtshof ermitteln, ob die fragliche Nichtdurchführung von einem absichtlichen oder bloß von einem nachlässigen Verhalten herrührt, und gegebenenfalls den Grad der Nachlässigkeit bestimmen. Es erscheint mir wesentlich, dass ein loyaler Mitgliedstaat nicht zur Zahlung eines Pauschalbetrags in der Höhe verurteilt wird, die bei einem Mitgliedstaat zum Tragen kam, der nicht im Geringsten guten Willen gezeigt hat.

53.      Was konkret die Haltung der Tschechischen Republik im vorliegenden Fall betrifft, so geht aus der Akte hervor, dass dieser Mitgliedstaat das oben angeführte Urteil Kommission/Tschechische Republik vollständig durchgeführt hat, indem er 19 Monate nach Erlass dieses Urteils, d. h. sechs Monate nach Erhebung der vorliegenden Klage vor dem Gerichtshof, Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2003/41 erlassen hat.

54.      Die Tschechische Republik rechtfertigt ihren Verzug mit der internen Lage, nämlich einem Regierungswechsel nach den Parlamentswahlen, mit der Debatte über die Reform des nationalen Sozialversicherungssystems sowie mit der wirtschaftlichen Instabilität im Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise.

55.      Zwar kann sich nach ständiger Rechtsprechung ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen(32).

56.      Doch steht es dem Gerichtshof angesichts des Grundsatzes impossibilium nulla obligatio est frei, bei seiner Beurteilung der Schwere des Verstoßes zwecks etwaiger Verhängung finanzieller Sanktionen die tatsächlichen Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die ein Mitgliedstaat während des Prozesses der Durchführung eines Urteils nach Art. 258 AEUV haben kann(33). Denn im Unterschied zu einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV kann der Ansatz, der auf einer verschuldensunabhängigen Haftung beruht, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 260 AEUV nicht angewandt werden.

57.      In ihren Schriftsätzen weist die Tschechische Republik darauf hin, dass sie das Durchführungsverfahren ab dem auf den Erlass des Urteils folgenden Monat in Gang gesetzt habe, dass sie außerdem die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit der Kommission eingehalten habe, indem sie immer minutiös auf ihre Forderungen eingegangen sei. Überdies macht die Tschechische Republik geltend, dass die Richtlinie 2003/41 teilweise bereits innerhalb einer gesetzten Frist und damit sogar vor Erlass des ersten Urteils des Gerichtshofs umgesetzt worden sei(34). Außerdem sei die vollständige Umsetzung im Laufe des vorliegenden Verfahrens abgeschlossen worden.

58.      Dabei scheint mir gesichert, dass die Tschechische Republik im Rahmen des Schriftwechsels tatsächlich loyale Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Kommission an den Tag gelegt hat.

59.      Überdies scheint mir unbestreitbar, dass eine im Laufe des Verfahrens nach Art. 260 AEUV vor dem Gerichtshof erfolgte teilweise oder endgültige Umsetzung für den betroffenen Mitgliedstaat spricht. Tatsächlich berücksichtigt der Gerichtshof diesen Gesichtspunkt bei seiner Beurteilung der Schwere eines Verstoßes, ohne dass dies den Mitgliedstaat jedoch davon befreit, die Folgen seines Verstoßes in Form der Zahlung eines Pauschalbetrags zu tragen(35).

60.      Dennoch erkenne ich in der Haltung der Tschechischen Republik einen erschwerenden Faktor, der sich aus einer bestimmten Nachlässigkeit sowie fehlender Kohärenz im Bereich der nationalen Verfahren ergibt, was die Durchführung des Urteils des Gerichtshofs ungebührlich verzögert hat. Ab dem Zeitpunkt des Erlasses des oben angeführten Urteils Kommission/Tschechische Republik stand nämlich der Umfang der zur Durchführung dieses Urteils zu bewältigenden Gesetzgebungsarbeiten klar fest. Die Intensität der dafür zu mobilisierenden Anstrengungen ließ aber offensichtlich zu wünschen übrig, auch wenn man den politischen Kontext von Parlamentswahlen berücksichtigt.

61.      Letztlich kann der Gerichtshof meines Erachtens angesichts einer so stark nachlässigen Haltung nicht umhin, der Tschechischen Republik die Zahlung eines Pauschalbetrags aufzuerlegen.

2.      Zur objektiven Dimension der Schwere des Verstoßes

62.      Der objektive Aspekt des Schwereparameters ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs hauptsächlich unter Hinweis auf den Charakter des Verstoßes definiert worden. Zu den maßgebenden Faktoren zählen hierbei die Dauer des Fortbestands der Vertragsverletzung seit dem Erlass des sie feststellenden Urteils sowie die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen(36). Überdies fällt auf, dass der Gerichtshof häufig die von der Kommission vorgeschlagene Höhe des Pauschalbetrags herabsetzt(37).

63.      Auch wenn sich die Parameter der Dauer und der Schwere zugegebenermaßen überschneiden, möchte ich die vorliegende Untersuchung auf den objektiven Aspekt der Schwere des behaupteten Verstoßes konzentrieren, bevor ich später die Problematik der verstrichenen Zeit behandle.

64.      Was die Auswirkung der fraglichen Nichtumsetzung auf die öffentlichen und privaten Interessen anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2003/41 der Einführung eines Binnenmarkts für die betriebliche Altersversorgung dient, in dessen Rahmen die EBA in den Genuss des freien Dienstleistungsverkehrs und der Anlagefreiheit gelangen müssen(38).

65.      Vorweg möchte ich betonen, dass der im vorliegenden Fall der Tschechischen Republik von der Kommission vorgeworfene Verstoß meines Erachtens eine geringere Schwere als jene aufweist, die sich aus der Auslegung der Kommission ergibt. Denn mir scheint, dass der Tschechischen Republik mildernde Umstände zugutezuhalten sind.

66.      So hat zum einen die Nichtumsetzung der betreffenden Bestimmungen, da die Richtlinie 2003/41 entsprechend dem Urteil des Gerichtshofs dem Mitgliedstaat weder die Schaffung einer zweiten Säule noch die Aufhebung des Verbots der Niederlassung von EBA in seinem Hoheitsgebiet auferlegt, beinahe keine tatsächliche Auswirkung. Da nämlich eine Umsetzung zum Hauptziel hätte, eventuell von den Tätigkeiten der EBA berührte Rechtssubjekte zu informieren, kann die fehlende Umsetzung in die tschechische Rechtsordnung, wo die zweite Säule des nationalen Altersversorgungssystems fehlt, nicht als besonders schwerwiegend angesehen werden. Daher bleibt die Auswirkung des vorgeworfenen Verstoßes auf die öffentlichen und privaten Interessen sehr begrenzt.

67.      Zum anderen war die sehr weite Auslegung der Richtlinie 2003/41, wie sie von der Kommission im Rahmen der ersten Vertragsverletzungsklage vertreten wurde, angesichts der spezifischen Situation in der Tschechischen Republik tatsächlich geeignet, für Verwirrung zu sorgen(39). Daher wäre die Tschechische Republik, auch wenn sie besondere Sorgfalt an den Tag gelegt hätte, jedenfalls während der gesamten Dauer des ersten Vertragsverletzungsverfahrens nicht in der Lage gewesen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um den vorgeworfenen Verstoß abzustellen.

68.      Auch wenn die zu erlassenden nationalen Maßnahmen ohne konkrete Anwendung geblieben wären, hätte dieser Zustand dennoch nur bis zur Schaffung einer zweiten Säule im nationalen Altersversorgungssystem durch den nationalen Gesetzgeber angedauert. Hierbei ist zu erwähnen, dass der Gesetzgeber in einem derartigen Fall den so festgelegten rechtlichen Rahmen innerhalb der Grenzen, die sich aus der Richtlinie 2003/41 ergeben, hätte ändern können.

C –    Analyse der Dauer des Verstoßes zwecks Verhängung eines Pauschalbetrags

69.      Bei dem vorliegenden Verfahren stehen zwei Aspekte hinsichtlich der Berücksichtigung der verstrichenen Zeit im Vordergrund. Zum einen muss dafür die für die Durchführung des Urteils Kommission/Tschechische Republik erforderliche Dauer beurteilt werden. Zum anderen betrifft es die Frage der Raschheit, mit der die Kommission das Verfahren nach Art. 260 AEUV eingeleitet hat.

70.      Was zunächst den ersten Aspekt betrifft, liegt es meines Erachtens klar auf der Hand, dass das Kriterium der Dauer des Verstoßes im Kontext der Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs völlig in der Hand des betroffenen Mitgliedstaats liegt. Dieser kann entweder entscheiden, die Durchführung zu einem von ihm für zweckmäßig erachteten Zeitpunkt in Angriff zu nehmen, oder, falls die Zweifel hinsichtlich des Umfangs seiner Verpflichtungen bestehen bleiben, eine Auslegung des nach Art. 258 AEUV ergangenen Urteils gemäß Art. 43 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 158 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragen(40).

71.      Aus diesem Grund trägt die Dauer dazu bei, die objektive Schwere des Verstoßes, der in einer Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht, zu verschärfen, und kann somit als Anhaltspunkt innerhalb des analytischen Rahmens für die Bemessung der Sanktion, d. h. im vorliegenden Fall des Pauschalbetrags, herangezogen werden.

72.      In ihren Schriftsätzen trägt die Tschechische Republik vor, dass sie die Abstellung des vom Gerichtshof in seinem Urteil festgestellten Verstoßes unverzüglich in Angriff genommen habe. Überdies relativiert dieser Mitgliedstaat die Dringlichkeit des Erlasses der Maßnahmen, die sich aus der Durchführung des Urteils Kommission/Tschechische Republik ergeben, da die Umsetzung somit nur bezweckt habe, die potenziell im Fall einer etwaigen Entscheidung, die zweite Säule im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik einzuführen, betroffenen Rechtssubjekte ausreichend zu informieren.

73.      Die Kommission wiederholt ihrerseits, dass die Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils so rasch wie möglich abgeschlossen werden müsse. Im vorliegenden Fall sei das Gesetz Nr. 260/11 erst 19 Monate nach Erlass des Urteils Kommission/Tschechische Republik verabschiedet worden. Außerdem seien zwölf Monate zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des Urteils Kommission/Tschechische Republik und dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist verstrichen, die in dem nach dem Verfahren des Art. 260 AEUV versandten Aufforderungsschreiben gesetzt worden sei. Schließlich hätten fünf Jahre und vier Monate zwischen diesem Zeitpunkt und dem in Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2003/41 für deren Umsetzung festgelegten Zeitpunkt gelegen.

74.      Hierzu weise ich darauf hin, dass der Parameter der verschuldensunabhängigen Haftung eines Mitgliedstaats, auf den die Klage nach Art. 258 AEUV gestützt ist, im Kontext des Verfahrens zur Verhängung von finanziellen Sanktionen nach Art. 260 AEUV nicht zur Anwendung kommen kann.

75.      Zwar fordert die Rechtsprechung, dass die Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen wird(41), was voraussetzt, dass der Mitgliedstaat die Schritte zur Durchführung eines Urteils so rasch wie möglich nach seinem Erlass unternimmt. Es unterliegt indessen keinem Zweifel, dass die vollständige Durchführung in Abhängigkeit von den nationalen politischen und administrativen Besonderheiten und je nach Komplexitätsgrad des festgestellten Verstoßes erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird. Bei der Festsetzung eines Pauschalbetrags müssen somit solche Umstände berücksichtigt werden.

76.      Außerdem gewährleistet das bloße Inangriffnehmen der Durchführung offenkundig noch keine wirksame und vollständige Durchführung, wenn der Mitgliedstaat nicht unmittelbar ein Interesse daran hat. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass Mitgliedstaaten eine Übergangsmaßnahme erlassen und sie der Kommission mitteilen, um ihre Prüfung des Stands der Umsetzung hinauszuzögern, ohne jedoch eine abschließende Durchführung des Urteils des Gerichtshofs ins Auge zu fassen(42). Die Festsetzung eines Pauschalbetrags muss auch dergestalt sein, dass die Mitgliedstaaten von solchen Verzögerungstaktiken abgehalten werden.

77.      Im vorliegenden Fall erscheint es mir unter Berücksichtigung der Eindeutigkeit des vorgeworfenen Verstoßes nicht rechtfertigbar, dass dieser, gerechnet ab dem Erlass des Urteils vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik, 19 Monate lang fortgedauert hat.

78.      Zum zweiten Aspekt, nämlich der Raschheit, mit der die Kommission ein Verfahren nach Art. 260 AEUV einleiten müsse, geht aus der Akte hervor, dass die Kommission die erste Aufforderung zur Mitteilung des Stands der Umsetzung des Urteils Kommission/Tschechische Republik einen Monat nach Erlass dieses Urteils versandte, bevor sie neun Monate später das Aufforderungsschreiben schickte. Der Zeitraum zwischen dem Datum des Urteils und dem Ablauf der in dem Aufforderungsschreiben gesetzten Frist beträgt fast ein Jahr.

79.      Dabei ist von Interesse, dass die Praxis der Kommission – außer bei sehr komplexen Verstößen – durch eine fortschreitende Verkürzung der Frist gekennzeichnet ist, die sie dem Mitgliedstaat zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des ersten Vertragsverletzungsurteils und dem Ablauf der früher in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und jetzt im Aufforderungsschreiben gesetzten Frist gewährt. So betrug diese Frist in den ersten nach dem früheren Art. 228 EG eingeleiteten Verfahren zweieinhalb Jahre(43), viereinhalb Jahre(44), ja sogar neun Jahre(45). In den jüngsten Rechtssachen schwankt die Frist zwischen einem und zwei Jahren(46).

80.      Wenn die Kommission eine zu großzügige Frist einräumt, kann sich das auf die Berechnung des Pauschalbetrags auswirken. Denn der Ablauf sowohl des Vorverfahrens als auch des Verfahrens vor dem Gerichtshof trägt dazu bei, den Pauschalbetrag zu erhöhen, insbesondere dann, wenn das erste Urteil im Zeitpunkt des Erlasses des zweiten, nach Art. 260 AEUV ergangenen Urteils nicht vollständig durchgeführt worden sein sollte(47).

81.      Daher halte ich, auch wenn anzuerkennen ist, dass die Kommission das erste Schreiben relativ früh versandt hat, die in dem Aufforderungsschreiben genannte Frist, wonach der Tschechischen Republik ein Jahr zur Verfügung stand, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, angesichts des Umfangs der gesetzlichen Änderungen, die erforderlich waren, um den gerügten Verstoß abzustellen, nicht für unangemessen. Diese Frist bewegt sich überdies im Rahmen der oben beschriebenen Praxis der Kommission.

82.      Hilfsweise weise ich darauf hin, dass die Kommission in ihren Erklärungen auszuführen scheint, dass der Gerichtshof für die Zwecke der Verhängung einer Sanktion nach Art. 260 AEUV auch die Dauer des Verstoßes ab Ablauf der First für die Umsetzung der Richtlinie 2003/41 berücksichtigen müsse. Ein solcher Ansatz ist jedoch verfehlt. Auf jeden Fall hat eine solche Berechnung seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Bezug auf die nach Art. 260 Abs. 3 AEUV erhobenen Klagen betreffend Verstöße durch Nichtmitteilung der Umsetzungsmaßnahmen bei der ersten Vertragsverletzungsklage zu erfolgen(48).

83.      Schließlich spricht meines Erachtens die durch den Vertrag von Lissabon in Art. 260 AEUV dahin gehend vorgenommene Änderung, dass die Etappe der mit Gründen versehenen Stellungnahme gestrichen wurde, um die Phase des Vorverfahrens zu straffen, dafür, dass ein Mitgliedstaat mehr Disziplin hinsichtlich der Frist für die Durchführung des Urteils an den Tag legen muss.

VIII – Zur Höhe des im vorliegenden Fall zu verhängenden Pauschalbetrags

84.      In ihrer Klageschrift beantragt die Kommission, der Gerichtshof möge gegen die Tschechische Republik einen Pauschalbetrag von 3 364 395,20 Euro verhängen. Diese Höhe ergibt sich aus der Multiplikation des Tagessatzes von 5 644,80 Euro mit der Anzahl der Tage der Zuwiderhandlung, d. h. 594 Tage ab Erlass des Urteils Kommission/Tschechische Republik, d. h. ab dem 14. Januar 2010, bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorschriften, die die Umsetzung der Richtlinie 2003/41 darstellen, d. h. bis zum 31. August 2011. Der von der Kommission vorgeschlagene Tagessatz ergibt sich aus der Multiplikation eines einheitlichen Grundbetrags in Höhe von 210 Euro mit dem Schwerekoeffizienten 8 und einem Faktor „n“ für die Tschechische Republik, der 3,36 beträgt(49).

85.      Bevor ich auf die zur Orientierung vorgenommene Berechnung der Höhe des Pauschalbetrags eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass sich der Gerichtshof auf die Bedenken der Mitgliedstaaten hin dafür ausgesprochen hat, die Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaats so zu berücksichtigen, wie sie sich im Hinblick auf die letzten Wirtschaftsdaten darstellt, die ihm zur Beurteilung vorgelegt wurden.(50) Daher berücksichtigt er die jüngste Entwicklung der Inflation und des Bruttoinlandsprodukts des betreffenden Mitgliedstaats, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt(51).

86.      In zeitlicher Hinsicht ist eine solche Anpassung der Wirtschaftsdaten, bei der als Anknüpfungspunkt der Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts der Rechtssache durch den Gerichtshof gilt, als Ausfluss der oben genannten Grundsätze zu sehen, wonach die Festsetzung des Pauschalbetrags den Umständen angepasst und in angemessenem Verhältnis sowohl zum festgestellten Verstoß als auch zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats stehen muss(52).

87.      Da die Verfahrensparteien die einschlägigen Wirtschaftsdaten nicht aktualisiert haben, ist auf die letzte Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2012 über die Aktualisierung der Daten zur Berechnung der finanziellen Sanktionen zu verweisen(53). Daraus geht insbesondere hervor, dass die Höhe des Mindestpauschalbetrags für die Tschechische Republik erhöht wurde und derzeit 1 768 000 Euro beträgt. Im Übrigen bleibt der einheitliche Grundbetrag für den Pauschalbetrag bei 210 Euro, aber der Faktor „n“ wurde für die Tschechische Republik auf 3,34 festgesetzt.

88.      Was schließlich die Berechnung des in der vorliegenden Rechtssache festzulegenden Betrags anbelangt, lege ich dem Gerichtshof zunächst nahe, einen niedrigeren Schwerekoeffizienten als den von der Kommission vorgeschlagenen, nämlich 8, heranzuziehen

89.      Hier erscheint mir zum einen im Hinblick auf die nachlässige Haltung der tschechischen Behörden, zum anderen aber angesichts der Tatsache, dass die Nichtdurchführung des Urteils, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wurde, beinahe keine tatsächliche Auswirkung hatte, ein Koeffizient von 1 bis 2 angebrachter.

90.      Hierzu merke ich an, dass der Schwerekoeffizient 1 bereits einmal von der Kommission vorgeschlagen wurde, wenn auch im Rahmen eines Antrags auf Verhängung von Zwangsgeld. Der Gerichtshof gab diesem Antrag statt, der als geeignet erachtet wurde, um den Schweregrad der zum Zeitpunkt der Sachverhaltsprüfung durch den Gerichtshof fortbestehenden Zuwiderhandlung angemessen widerzuspiegeln, und legte letztendlich dem betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung des Zwangsgelds auf(54).

91.      Somit würde sich bei Heranziehung der oben genannten aktualisierten Daten und des Schwerekoeffizienten 1 die Höhe des Tagessatzes auf 701,40 Euro belaufen, nämlich 210 Euro multipliziert mit dem Faktor „n“ von 3,34. Die Multiplikation mit einer Anzahl von 594 Zuwiderhandlungstagen würde einen zu verhängenden Pauschalbetrag in Höhe von 416 631,60 Euro ergeben. Bei Heranziehung des Schwerekoeffizienten 2 hingegen würde die Höhe des Tagessatzes 1 402,80 Euro betragen. Multipliziert mit der Anzahl der Zuwiderhandlungstage ergäbe das einen Pauschalbetrag in Höhe von 833 263,20 Euro.

92.      Würde sich der Gerichtshof für so niedrige Koeffizienten entscheiden, sähe er sich jedoch mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass der so vorgeschlagene Pauschalbetrag niedriger wäre als der Mindestbetrag in Höhe von 1 768 000 Euro, der von der Kommission in ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2005 in der durch die oben genannte jüngste Mitteilung aus dem Jahr 2012 aktualisierten Fassung für die Tschechische Republik berechnet wurde.

93.      Nach Ansicht der Kommission ist nämlich in dem Fall, dass der auf der Grundlage eines Tagessatzes berechnete Betrag niedriger ist als der Mindestpauschalbetrag, grundsätzlich letzterer Betrag zu verhängen. Dieser feste Mindestbetrag trage dem Grundsatz Rechnung, dass jede fortdauernde Missachtung eines Urteils des Gerichtshofs durch einen Mitgliedstaat in einer Rechtsgemeinschaft schon an sich einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip darstelle, der mit einer echten Sanktion geahndet werden müsse. Darüber hinaus werde mit dem festen Mindestbetrag vermieden, dass rein symbolische Beträge ohne jeden abschreckenden Charakter genannt würden, die die Autorität der Urteile des Gerichtshofs eher schwächen als stärken würden(55).

94.      Hierbei merke ich an, dass der Vorschlag eines Mindestpauschalbetrags entsprechend dem Ansatz der Kommission dazu führt, die Heranziehung der niedrigeren Koeffizienten in den meisten Fällen außer jenen mit sehr lang andauernden Verstößen auszuschließen. Überdies scheint mir der strikte Grundsatz eines Mindestpauschalbetrags auch über das hinauszugehen, was erforderlich ist, um die Verhängung von rein symbolischen Beträgen zu vermeiden, wobei klar ist, dass die unvorhergesehene Einbuße einer Summe, die von einem budgetären Standpunkt aus als „nutzlos“ angesehen werden kann, auf die Mitgliedstaaten sicher abschreckend wirkt.

95.      Da die Mitteilung der Kommission, worauf ich bereits hingewiesen habe, für den Gerichtshof nur einen analytischen Bezugsrahmen darstellt, kann der Gerichtshof seine zutreffende Beurteilung im allgemeinen Kontext des gerügten Verstoßes auf eine methodische Vorgehensweise stützen und gleichzeitig die Kriterien aus der Mitteilung der Kommission anwenden.

96.      Daher schlage ich dem Gerichtshof im Licht sämtlicher Einzelheiten des vorliegenden Verfahrens und zur Sicherstellung der Abschreckungs- und Straffunktion des Pauschalbetrags vor, gegen die Tschechische Republik einen Pauschalbetrag in Höhe von 1 Mio. Euro zu verhängen.

IX – Ergebnis

97.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        festzustellen, dass die Tschechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 AEUV verstoßen hat, dass sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um dem Urteil vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik (C‑343/08), nachzukommen;

–        die Tschechische Republik zu verurteilen, an die Europäische Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union“ einen Pauschalbetrag in Höhe von 1 Mio. Euro zu zahlen;

–        der Tschechischen Republik die Kosten aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 –     C‑343/08, Slg. 2010, I‑275.


3 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (ABl. L 235, S. 10).


4 – Vgl. u. a. Mitteilung über die Anwendung von Artikel 171 EG-Vertrag (ABl. 1996, C 242, S. 6), Verfahren für die Berechnung des Zwangsgeldes nach Artikel 171 EG-Vertrag (ABl. 1997, C 63, S. 2), Mitteilung SEK(2005) 1658 vom 12. Dezember 2005 über die Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag (ABl. 2007, C 126, S. 12) in der durch die Mitteilung SEK(2010) 923 vom 20. Juli 2010 („Anwendung von Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Aktualisierung der Daten zur Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“) aktualisierten Fassung.


5 –      Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland (C‑387/97, Slg. 2000, I‑5047, Randnrn. 86 und 89).


6 – Vgl. zum Strafrecht Darbellay, J., Théorie générale de l’illicéité, S. 124.


7 – Tschechisches Amtsblatt vom 31. August 2001, Band 92.


8 –      Vgl. Urteile vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (C‑610/10, Randnr. 67), vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑279/11, Randnr. 19) und Kommission/Irland (C‑374/11, Randnr. 19).


9 – Vgl. Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich (C‑121/07, Slg. 2008, I‑9159, Randnrn. 26 bis 28).


10 – Vgl. die Mitteilung der Kommission C(2012) 6106 endgültig („Aktualisierung der Daten zur Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“), mit der der einheitliche Grundbetrag auf 210 Euro festgesetzt wird.


11 –      C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263.


12 –      Vgl. ebd., Randnr. 81.


13 –      Urteile vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland (C‑369/07, Slg. 2009, I‑5703, Randnr. 145), vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (Randnr. 142), und vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑374/11, Randnr. 48).


14 –      Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich (Randnr. 33).


15 – Urteile vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland (Randnr. 146), und vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (Randnr. 143).


16 – Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (Randnr. 141).


17 – Vgl. Urteile vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, Slg. 2008, I‑1, Randnr. 34), vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland (Randnr. 112), und vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (Randnr. 116).


18 –      Nrn. 12 und 100 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Griechenland (C‑387/97, Urteil vom 4. Juli 2000).


19 –      Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 211 bis 213).


20 – Vgl., unter vielen anderen, Urteil vom 2. Dezember 2010, Holland Malt/Kommission (C‑464/09 P, Slg. 2010, I‑12443, Randnr. 47).


21 – Mitteilung SEK(2005) 1658.


22 – Zur Analyse der Anwendung des Schwerekoeffizienten vgl. u. a. Kilbey, I., „The interpretation of Article 260 TFEU (ex 228 EC)“, European Law Review, 2010, Band 35, Nr. 3, S. 370. Zur Analyse insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtsvorschriften des Unionsrechts vgl. van Rijn, T., „Non-exécution des arrêts de la Cour de justice par les États membres“, Cahier de droit européen, 2008, Nrn. 1 und 2, S. 105 f.


23 –      Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal.


24 –      Urteil vom 18. Juli 2006, Kommission/Italien (C‑119/04, Slg. 2006, I‑6885).


25 –      Urteil vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich (C‑177/04, Slg. 2006, I‑2461).


26 –      Urteil vom 4. Juni 2009, Kommission/Griechenland (C‑109/08, Slg. 2009, I‑4657).


27 –      Urteil vom 31. März 2011, Kommission/Griechenland (C‑407/09, Slg. 2011, I‑2467).


28 – Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien.


29 –      Urteil vom 17. November 2011, Kommission/Italien (C‑496/09, Slg. 2011, I-11483).


30 – Urteil vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland.


31 –      Vgl. Urteil vom 10. Mai 2012, Kommission/Estland (C‑39/10, Randnr. 63).


32 – Vgl., unter vielen anderen, das unlängst ergangene Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑374/11, Randnr. 39). Vgl. auch Urteil vom 31. März 2011, Kommission/Griechenland.


33 –      Vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑374/11, Randnr. 40).


34 – Die Tschechische Republik betont, dass die Richtlinie 2003/41 teilweise, nämlich hinsichtlich jenes Teils, der sich auf die den EBA eingeräumte Möglichkeit beziehe, ihre Dienstleistungen im nationalen Hoheitsgebiet in Form von grenzüberschreitenden Leistungen zu erbringen, bereits umgesetzt gewesen sei, bevor die Kommission das Verfahren nach Art. 260 AEUV eröffnet habe.


35 –      Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich (Randnrn. 60 und 84). Zu Beispielen für die Berücksichtigung der von den nationalen Behörden unternommenen Anstrengungen vgl. Urteile vom 31. März 2011, Kommission/Griechenland (Randnr. 36), und vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑374/11, Randnrn. 40 und 41).


36 –      Urteile vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich (Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑374/11, Randnr. 51).


37 – So hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 9. Dezember 2009, Kommission/Frankreich, erging, angesichts des Erlasses von Maßnahmen zur Sicherstellung der unverzüglichen Durchführung des Urteils und angesichts der Beachtung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit den Betrag um ca. 43 Mio. auf 10 Mio. Euro herabgesetzt. In der Rechtssache Kommission/Griechenland (Urteil vom 4. Juni 2009, C‑568/07, Slg. 2009, I‑4505) wurde der Pauschalbetrag vom Gerichtshof von 5 auf 1 Mio. Euro mit der Begründung herabgesetzt, dass die Vertragsverletzung teilweise noch vor Erlass des ersten Vertragsverletzungsurteils abgestellt worden sei. In der Rechtssache, in der das Urteil vom 7. Juli 2009, Kommission/Griechenland, erging, verurteilte der Gerichtshof den Mitgliedstaat zur Zahlung eines Pauschalbetrags von 2 Mio. Euro anstelle der vorgeschlagenen Höhe von 15 Mio. Euro. Ebenso wurde der Pauschalbetrag in der Rechtssache, in der das Urteil vom 31. März 2011, Kommission/Griechenland, erging, um ein Drittel herabgesetzt und betrug schließlich 3 Mio. Euro. In der Rechtssache, in der das Urteil vom 17. November 2011, Kommission/Italien, erging, verurteilte der Gerichtshof den Mitgliedstaat zur Zahlung eines Pauschalbetrags nicht in Höhe von 68 Mio. Euro, wie von der Kommission beantragt, sondern in Höhe von 30 Mio. Euro. In der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, erging, legte der Gerichtshof, auch wenn er dabei darauf hinwies, dass die Durchführung des Urteils keine beträchtlichen Anstrengungen erfordere, die Höhe des Pauschalbetrags auf 20 Mio. Euro anstelle der von der Kommission beantragten 50 Mio. Euro fest.


38 – Urteil Kommission/Tschechische Republik (Randnrn. 43 und 44). Siehe auch die Darstellung dieser Richtlinie in den Nrn. 11 bis 13 der vorliegenden Schlussanträge.


39 – Nach Ansicht der Tschechischen Republik hat die Kommission mit ihrem Vorbringen, die Richtlinie 2003/41 lege der Tschechischen Republik die Verpflichtung auf, das Verbot der Niederlassung von EBA in ihrem Hoheitsgebiet aufzuheben, für Unsicherheit gesorgt. Der Gerichtshof hat dieses Vorbringen erst im Stadium der Verkündung des Urteils Kommission/Tschechische Republik zurückgewiesen und jegliche Zweifel hinsichtlich des Geltungsbereichs dieser Richtlinie zerstreut.


40 – Allerdings hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Frage, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um einem Vertragsverletzungsurteil nach Art. 258 AEUV nachzukommen, mit dem Gegenstand eines solchen Urteils nichts zu tun hat, so dass diese Frage nicht Gegenstand eines Antrags auf Auslegung sein kann. Vgl. hierzu Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland (C‑503/04, Slg. 2007, I‑6153, Randnr. 15), sowie Nr. 43 der Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Kommission/Frankreich (C‑177/04, Urteil vom 14. März 2006).


41 –      Urteil vom 25. November 2003, Kommission/Spanien (C‑278/01, Slg. 2003, 14141, Randnr. 27).


42 – Vgl. Urteil Kommission/Portugal.


43 – Urteil vom 25. November 2003, Kommission/Spanien.


44 – Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland.


45 – Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich.


46 – In der Rechtssache C‑119/04 betrug die Frist zwei Jahre, in der Rechtssache C‑177/04 eineinhalb Jahre, in der Rechtssache C‑503/04 ein Jahr und zwei Monate, in der Rechtssache C‑70/06 ein Jahr und elf Monate, in der Rechtssache C‑121/07 ein Jahr und acht Monate, in den Rechtssachen C‑369/07 und C‑457/07 ein Jahr und zwei Monate, in der Rechtssache C‑109/08 indessen nur neun Monate. In der Rechtssache C‑496/09 schließlich belief sich die Frist auf vier Jahre.


47 – Abzustellen ist auf den Zeitraum zwischen dem Tag des Erlasses des nach Art. 258 AEUV ergangenen ersten Vertragsverletzungsurteils und dem Tag, an dem dieses Urteil vollständig durchgeführt ist, oder, andernfalls, dem Tag des Erlasses des nach Art. 260 AEUV ergangenen Urteils.


48 – Vgl. Mitteilung der Kommission SEK(2010) 1371 („Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV“).


49 – Gemäß der Mitteilung SEK(2010) 923 zur Änderung der Mitteilung SEK(2005) 1658.


50 – Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland (C‑279/11, Randnrn. 78 und 79). Der Gerichtshof ist in diesem Punkt nicht der Kommission gefolgt, nach deren Ansicht der Faktor „n“ in der Weise herangezogen hätte werden müssen, wie er bei Anrufung des Gerichtshofs nach Art. 260 AEUV berechnet wurde.


51 – Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (Randnr. 131).


52 –      Urteil vom 4. Juni 2009, Kommission/Griechenland (C‑568/07, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


53 – Vgl. Mitteilung C(2012) 6106 endgültig.


54 – Vgl. die Rechtssache, in der das Urteil vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich, erging. Der Gerichtshof verhängte ein Zwangsgeld von 31 650 Euro pro Tag des Verzugs beim Ergreifen der für die vollständige Durchführung des ersten Urteils erforderlichen Maßnahmen, und zwar von der Verkündung des nach dem früheren Art. 228 EG ergangenen Urteils an bis zur vollständigen Durchführung des ersten Vertragsverletzungsurteils.


55 – Vgl. Mitteilung SEK(2005) 1658.