Language of document : ECLI:EU:C:2013:243

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

18. April 2013(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verkehr – Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft – Richtlinie 91/440/EWG – Art. 6 Abs. 3 und Anhang II – Richtlinie 2001/14/EG – Art. 14 Abs. 2 – Keine rechtliche Unabhängigkeit des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur – Art. 11 – Fehlen einer leistungsabhängigen Entgeltregelung – Unvollständige Umsetzung“

In der Rechtssache C‑625/10

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 29. Dezember 2010,

Europäische Kommission, vertreten durch J.‑P. Keppenne und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, M. Perrot und S. Menez als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und J.‑J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2012

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 (ABl. L 75, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/440) und aus Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl. L 315, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14) verstoßen hat, dass sie

–        nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Stelle, die mit der Ausübung einer wesentlichen Funktion nach Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 betraut ist, von dem Unternehmen unabhängig ist, das die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringt,

–        keine leistungsabhängige Entgeltregelung gemäß Art. 11 der Richtlinie 2001/14 erlassen hat und

–        kein System von Anreizen wie das in Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 vorgesehene eingeführt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

2        Im Jahr 2001 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union drei Richtlinien, um den Eisenbahnverkehr durch eine schrittweise Öffnung für den Wettbewerb auf europäischer Ebene neu zu beleben, nämlich die Richtlinie 2001/12, die Richtlinie 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen (ABl. L 75, S. 26) und die Richtlinie 2001/14 (im Folgenden zusammen: erstes Eisenbahnpaket).

 Richtlinie 91/440

3        Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/440 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Funktionen nach Anhang II, die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Ungeachtet der Organisationsstrukturen ist der Nachweis zu erbringen, dass dieses Ziel erreicht worden ist.“

4        Anhang II dieser Richtlinie enthält das Verzeichnis der wesentlichen Funktionen im Sinne ihres Art. 6 Abs. 3:

„– Vorarbeiten und Entscheidungen über die Zulassung von Eisenbahnunternehmen, einschließlich der Gewährung einzelner Genehmigungen;

– Entscheidungen über die Trassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen;

– Entscheidungen über die Wegeentgelte;

– Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen zur Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen für die Allgemeinheit“.

 Richtlinie 2001/14

5        Die Erwägungsgründe 11 und 40 der Richtlinie 2001/14 lauten:

„(11) Bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollte allen Unternehmen ein gleicher und nichtdiskriminierender Zugang geboten werden und so weit wie möglich angestrebt werden, den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten gerecht und in nichtdiskriminierender Weise zu entsprechen.

(40)      Der Fahrweg stellt ein natürliches Monopol dar. Es ist deshalb erforderlich, den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Kostensenkung und zur effizienten Verwaltung ihrer Fahrwege zu geben.“

6        Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Der Betreiber der Infrastruktur erstellt und veröffentlicht nach Konsultationen mit den Beteiligten Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die gegen Zahlung einer Gebühr, die nicht höher sein darf als die Kosten für die Veröffentlichung dieser Unterlagen, erhältlich sind.“

7        Art. 6 der genannten Richtlinie lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten legen die Bedingungen fest, gegebenenfalls einschließlich der Leistung von Vorauszahlungen, um sicherzustellen, dass sich die Einnahmen eines Betreibers der Infrastruktur aus Wegeentgelten, dem Gewinn aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten und der staatlichen Finanzierung einerseits und die Fahrwegausgaben andererseits unter normalen geschäftlichen Umständen und über einen angemessenen Zeitraum zumindest ausgleichen.

Unbeschadet des etwaigen langfristigen Ziels, dass die Infrastrukturkosten bei allen Verkehrsträgern durch deren Nutzer auf der Grundlage eines gerechten und nichtdiskriminierenden Wettbewerbs der Verkehrsträger gedeckt werden, wenn der Eisenbahnverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern konkurrenzfähig ist, kann ein Mitgliedstaat im Rahmen der Entgeltregelungen der Artikel 7 und 8 von einem Betreiber der Infrastruktur verlangen, seine Einnahmen und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen.

(2)      Den Betreibern der Infrastruktur sind unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben.

(3)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Absatz 2 entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber der Infrastruktur, die eine Laufzeit von mindestens drei Jahren hat und die staatliche Finanzierung regelt, oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in deren Rahmen angemessene Befugnisse vorgesehen sind, umgesetzt wird.

(4)      Besteht eine vertragliche Vereinbarung, so werden die Vertragsbedingungen und die Modalitäten der Zahlungen, mit denen dem Betreiber der Infrastruktur Mittel zur Verfügung gestellt werden, für die gesamte Vertragslaufzeit im Voraus vereinbart.

(5)      Es wird ein Verfahren zur Aufteilung der Kosten festgelegt. Die Mitgliedstaaten können die vorherige Genehmigung verlangen. Dieses Verfahren sollte von Zeit zu Zeit nach den bewährten internationalen Verfahren aktualisiert werden.“

8        Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

„Unbeschadet der Absätze 4 und 5 und des Artikels 8 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.“

9        Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Um eine volle Deckung der dem Betreiber der Infrastruktur entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit insbesondere des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen.

Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.“

10      Art. 11 der genannten Richtlinie lautet:

„(1)      Die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung müssen durch leistungsabhängige Bestandteile den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten. Dies kann Strafen für Störungen des Netzbetriebs, eine Entschädigung für von Störungen betroffene Unternehmen und eine Bonusregelung für Leistungen, die das geplante Leistungsniveau übersteigen, umfassen.

(2)      Die Grundsätze der leistungsabhängigen Entgeltregelung gelten für das gesamte Netz.“

11      Art. 14 Abs. 1 und 2 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können eine Rahmenregelung für die Zuweisung von Fahrwegkapazität schaffen, sofern dabei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 der Richtlinie [91/440] gewahrt wird. Es werden spezifische Regeln für die Zuweisung von Fahrwegkapazität festgelegt. Der Betreiber der Infrastruktur führt die Verfahren zur Zuweisung von Fahrwegkapazität durch. Insbesondere gewährleistet der Betreiber der Infrastruktur, dass die Fahrwegkapazität auf gerechte und nichtdiskriminierende Weise unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zugewiesen wird.

(2)      Ist der Betreiber der Infrastruktur rechtlich, organisatorisch oder in seinen Entscheidungen nicht von Eisenbahnunternehmen unabhängig, so werden die in Absatz 1 genannten und in diesem Kapitel im [W]eiteren dargelegten Aufgaben von einer entgelterhebenden Stelle wahrgenommen, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnunternehmen unabhängig ist.“

 Französisches Recht

12      Die Loi n° 97‑135 du 13 février 1997 portant création de l’établissement public „Réseau ferré de France“ en vue du renouveau du transport ferroviaire (JORF vom 15. Februar 1997, S. 2592) (Gesetz Nr. 97-135 vom 13. Februar 1997 über die Errichtung des Staatsbetriebs „Eisenbahnnetz Frankreichs“ zur Erneuerung des Schienenverkehrs) in ihrer auf den Sachverhalt anwendbaren, zuletzt durch die Loi n° 2009-1503, du 8 décembre 2009, relative à l’organisation et à la régulation des transports ferroviaires et portant diverses dispositions relatives au transport (JORF vom 9. Dezember 2009, S. 21226) (Gesetz Nr. 2009‑1503 vom 8. Dezember 2009 über die Organisation und die Regelung des Schienenverkehrs und mit verschiedenen Bestimmungen über die Beförderung, im Folgenden: Gesetz Nr. 97-135) geänderten Fassung, sieht vor, dass die französische Eisenbahninfrastruktur von Réseau ferré de France (im Folgenden: RFF) betrieben wird.

13      Art. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt:

„In Anbetracht der Sicherheitsanforderungen und des Erfordernisses der kontinuierlichen Erbringung der Gemeinwohldienstleistungen werden der Verkehrsbetrieb und die Verkehrsführung auf dem nationalen Schienennetz sowie der Betrieb und die Wartung der technischen und der Sicherungsanlagen dieses Netzes durch die Société nationale des chemins de fer français [französische Eisenbahngesellschaft, im Folgenden: SNCF] im Auftrag von [RFF] und nach den von [RFF] vorgegebenen Zielen und Betriebsgrundsätzen sichergestellt. Die SNCF erhält hierfür von RFF eine Vergütung. …“

14      Art. 17 Abs. 1 des Décret n° 2003‑194 du 7 mars 2003 relatif à l’utilisation du réseau ferré national (Dekret Nr. 2003‑194 vom 7. März 2003 über die Nutzung des nationalen Schienennetzes) (JORF vom 8. März 2003, S. 4063) sieht die Erstellung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 (im Folgenden: Nutzungsbedingungen) wie folgt vor:

„[RFF] arbeitet Nutzungsbedingungen für das nationale Schienennetz aus, die alle für die Ausübung der in Titel I genannten Zugangsrechte zum nationalen Schienennetz erforderlichen Angaben enthalten. …“

15      Art. 18 dieses Dekrets sieht vor:

„Aufgabe von [RFF] ist es, gemäß den in den Art. 18 bis 27 des vorliegenden Dekrets festgelegten Modalitäten Fahrwegkapazitäten des nationalen Schienennetzes auf den Fahrwegen zuzuweisen, die von ihm verwaltet werden oder deren Betreiber nach den Art. 1‑1 und 1‑2 des [Gesetzes Nr. 97-135] einen Partnerschaftsvertrag geschlossen haben. …“

16      Art. 21 dieses Dekrets wurde durch das Dekret Nr. 2011/891 vom 26. Juli 2011 (JORF Nr. 173 vom 28. Juli 2011, S. 12885) geändert. In Anbetracht des Datums des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist findet auf den vorliegenden Fall gleichwohl die vor dieser Änderung geltende Fassung des genannten Artikels Anwendung. Darin heißt es:

„Anträge auf Zuweisung von Trassen sind unter den Voraussetzungen und nach den Modalitäten der Nutzungsbedingungen für das Schienennetz oder, wenn ein Rahmenvertrag besteht, nach dessen Bestimmungen an [RFF] zu richten.

[RFF] überträgt die für die Bearbeitung der Anträge auf Zuweisung von Trassen erforderlichen Studien der technischen Machbarkeit an die [SNCF], die in seinem Auftrag für den Verkehrsbetrieb und die Verkehrsführung auf dem nationalen Schienennetz zuständig ist. Für diese Studien wird vom Antragsteller eine Vergütung in Höhe der Kosten gezahlt, die unmittelbar aufgrund der Durchführung der Studie anfallen.

Die [SNCF] ergreift unter der Aufsicht von [RFF] die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die funktionelle Unabhängigkeit der Dienststelle sicherzustellen, die die technischen Berichte erstellt, damit jegliche Ungleichbehandlung bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben ausgeschlossen werden kann. Diese Dienststelle behandelt die ihr für die Zwecke dieser Berichte mitgeteilten Geschäftsdaten vertraulich.

…“

17      Die Nutzungsbedingungen für das nationale Schienennetz für 2011 und 2012 sehen u. a. in Art. 6.4 („Leistungsabhängige Entgeltregelung der Eisenbahnunternehmen“) vor:

„Im Rahmen von Art. 11 der obengenannten Richtlinie [2001/14] findet die leistungsabhängige Entgeltregelung, die [RFF] eingeführt hat, um die Leistungen des Schienennetzes zu verbessern und den Eisenbahnunternehmen eine hochwertige Dienstleistung zu erbringen, ihren Ausdruck in speziellen Entgelten für die Bestellung von Güterverkehrstrassen mit einer Gesamtlänge über 300 km und einer Geschwindigkeit von 70 km/h oder mehr, Aufenthalte nicht mitgerechnet, die auf Antrag des Trassenbestellers bewilligt werden.

[RFF] ist bereit, mit jedem Eisenbahnunternehmen, das dies möchte, eine Vereinbarung vom Typ ‚Leistungsregelung‘ auszuhandeln; hierbei wird den gemeinsamen Vorschriften Rechnung getragen, die in den europäischen Fachverbänden festgelegt sind und deren Grundprinzipien auf das gesamte Netz anwendbar wären.“

18      Am 3. November 2008 wurde zwischen dem französischen Staat und RFF ein Leistungsvertrag für die Jahre 2008 bis 2012 geschlossen.

19      Den Nutzungsbedingungen sind die allgemeinen Bedingungen beigefügt, die auf den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur des nationalen Schienennetzes und auf den Vertrag über die Zuweisung von Trassen im nationalen Schienennetz anwendbar sind (im Folgenden: allgemeine Bedingungen von RFF). Diese enthalten einen Art. 18 („Haftung bei Unfällen oder Schäden“), in dem festgelegt ist, in welchem Umfang das Eisenbahnunternehmen und RFF bei Unfällen oder Schäden jeweils haften, und einen Art. 20 („Schadensersatzrechtliche Folgen der Sperrung von Trassen durch RFF“), in dem es um die nachteiligen Folgen der Sperrung von Tagestrassen geht, die den Eisenbahnunternehmen von RFF zugewiesen wurden.

20      In Art. 24 III der Loi n° 82‑1153 du 30 décembre 1982 d’orientation des transports intérieurs (Gesetz Nr. 82‑1153 vom 30. Dezember 1982 zur Ordnung des Binnenverkehrs) (JORF vom 31. Dezember 1982, S. 4004) in der durch das Gesetz Nr. 2009‑1503 geänderten Fassung heißt es:

„Innerhalb der [SNCF] nimmt ab dem 1. Januar 2010 eine spezialisierte Dienststelle im Auftrag von [RFF] und nach den von ihm vorgegebenen Zielen und Betriebsgrundsätzen die in Art. 1 des Gesetzes Nr. 97‑135 … genannten Aufgaben des Verkehrsbetriebs und der Verkehrsführung auf dem nationalen Schienennetz unter Bedingungen wahr, die die Unabhängigkeit der so wahrgenommenen wesentlichen Funktionen sicherstellen und einen freien und fairen Wettbewerb ohne Diskriminierung gewährleisten.

Die Dienststelle für den Verkehrsbetrieb und die Verkehrsführung verfügt über ein eigenes Budget, dessen Finanzierung durch [RFF] im Rahmen einer vom Direktor dieser Dienststelle mitunterzeichneten Vereinbarung mit der [SNCF] sichergestellt wird. In dieser Vereinbarung sind gemäß Art. 1 des Gesetzes Nr. 97-135 … die Bedingungen und das Entgelt für die Ausübung der von der Dienststelle wahrgenommenen Aufgaben geregelt, insbesondere hinsichtlich der für die Bearbeitung der Anträge auf Zuweisung von Trassen erforderlichen Studien der technischen Machbarkeit und des Verkehrsmanagements.

…“

 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

21      Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 forderte die Kommission die Französische Republik auf, ihren Verpflichtungen aus den Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets nachzukommen. Mit Schreiben vom 9. September 2008 und vom 14. Juli 2009 antwortete die Französische Republik auf das Mahnschreiben.

22      Mit Schreiben vom 9. Oktober 2009 übermittelte die Kommission der Französischen Republik eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie darauf hinwies, dass die zur Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 sowie Art. 4 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 erlassenen Maßnahmen hinsichtlich der Unabhängigkeit der wesentlichen Funktionen unzulänglich seien. Des Weiteren warf sie der Französischen Republik in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vor, nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben, um ihren in Art. 4 Abs. 1, Art. 11 und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 sowie in Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 genannten Verpflichtungen im Bereich der Erhebung von Entgelten für den Zugang zu den Eisenbahninfrastrukturen nachzukommen. Auch habe die Französische Republik gegen die den Mitgliedstaaten nach Art. 30 Abs. 1 und 3 bis 5 der Richtlinie 2001/14 obliegenden Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Regulierungsstelle verstoßen. Daher forderte die Kommission die Französische Republik auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

23      Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 beantwortete die Französische Republik die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und teilte dieser mit, dass sie das Gesetz Nr. 2009‑1503 erlassen und verkündet habe. Ferner wies sie darauf hin, dass sie die Rügen der Kommission für unbegründet halte. Am 30. Juli 2010 übermittelte die Französische Republik der Kommission verschiedene ergänzende Informationen zur Umsetzung des ersten Eisenbahnpakets.

24      Da die Antwort der Französischen Republik sie nicht zufriedenstellte, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben. Weil sich der nationale rechtliche Rahmen seit der Übermittlung der mit Gründen versehenen Stellungnahme jedoch weiterentwickelt hat, hat sie den Umfang der vorliegenden Vertragsverletzungsklage auf Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 sowie Art. 14 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 bis 5 und Art. 11 der Richtlinie 2001/14 beschränkt.

25      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 30. Juni 2011 ist das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Französischen Republik zugelassen worden.

 Zur Klage

 Zur ersten Rüge: Unabhängigkeit bei der Zuweisung von Eisenbahntrassen

 Vorbringen der Parteien

26      Die Kommission macht geltend, dass einer Eisenbahnverkehrsleistungen erbringenden Stelle oder einer innerhalb derselben eingerichteten Verwaltungsdirektion gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 keine wesentlichen Funktionen bei der Trassenzuweisung übertragen werden dürften, da es sich bei der Trassenzuweisung um eine in Anhang II dieser Richtlinie bezeichnete wesentliche Funktion zur Gewährleistung eines gerechten und nichtdiskriminierenden Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur handele, auf die das Unabhängigkeitsgebot Anwendung finde. Außerdem müsse die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 durch eine unabhängige Zuweisungsstelle erfolgen.

27      Auch wenn der Betreiber der Infrastruktur RFF eine von der SNCF, die die Eisenbahndienstleistungen erbringe, unabhängige Stelle sei, bleibe die SNCF doch mit bestimmten wesentlichen Funktionen der Trassenzuweisung befasst. Diese wesentlichen Funktionen seien zwar einer spezialisierten Dienststelle innerhalb der SNCF, nämlich der Direction des Circulations Ferroviaires (Direktion für Eisenbahnverkehr, im Folgenden: DCF) übertragen, aber diese sei rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen nicht von der SNCF unabhängig.

28      Mit den ihr übertragenen Aufgaben habe die DCF an der Ausübung der in Anhang II der Richtlinie 91/440 angeführten wesentlichen Funktionen teil. Die SNCF sei so mit erheblichen Teilen des Kapazitätszuweisungsprozesses im Sinne des Anhangs II der Richtlinie 91/440 betraut, etwa mit den Studien der technischen Machbarkeit oder der kurzfristigen Trassenzuweisung. Selbst wenn RFF für die Zuweisung einzelner Zugtrassen zuständig sei, seien die von der SNCF durchzuführenden Studien Teil der wesentlichen Funktionen. Diese Funktionen gehörten zu den in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 aufgeführten Aufgaben und müssten daher von einer unabhängigen Stelle ausgeführt werden.

29      Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 seien zusammen zu sehen und ergänzten sich gegenseitig. Das in Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 allgemein formulierte Gebot der Unabhängigkeit bei der Ausübung wesentlicher Funktionen werde in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 für die Trassenzuweisung präzisiert und näher ausgeführt.

30      Die Richtlinie 2001/14 sehe nicht vor, dass ein Eisenbahnunternehmen wesentliche Funktionen unter der „Aufsicht“ einer in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht sowie in ihren Entscheidungen unabhängigen Stelle ausüben könne, sondern dass diese Funktionen von einer solchen unabhängigen Stelle „wahrgenommen“ werden müssten.

31      Ziel von Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 sei es, dass die Trassenzuteilung nicht in die Zuständigkeit der Eisenbahnunternehmen falle, damit deren gerechte und nichtdiskriminierende Behandlung gewährleistet sei.

32      Zur rechtlichen Unabhängigkeit der DCF meint die Kommission, dass es sich bei der DCF um eine spezialisierte Dienststelle der SNCF handele, die damit nicht im Sinne des Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 unabhängig sei, da sie in die SNCF eingegliedert sei und keine von dieser getrennte Rechtspersönlichkeit besitze.

33      Übertrage der Betreiber einer Eisenbahninfrastruktur – hier RFF – wesentliche Funktionen auf eine andere Stelle – wie hier die DCF –, müsse diese andere Stelle zudem dieselben Unabhängigkeitsanforderungen erfüllen wie der Infrastrukturbetreiber. Somit „folge“ das Unabhängigkeitsgebot der Ausübung wesentlicher Funktionen. Anderenfalls verlöre es jede praktische Wirksamkeit.

34      Die Unabhängigkeit der DCF in organisatorischer Hinsicht und in ihren Entscheidungen sei nicht hinreichend gewährleistet. Die Erfüllung der Unabhängigkeitsverpflichtungen müsse nämlich von einer unabhängigen Behörde überwacht werden; diese Aufgabe könnte im vorliegenden Fall von der Autorité de régulation des activités ferroviaires (Eisenbahn-Regulierungsbehörde) wahrgenommen werden. Zudem stehe Eisenbahnunternehmen, die mit der SNCF im Wettbewerb stünden, bei Verstößen gegen das Unabhängigkeitsgebot keine Beschwerdemöglichkeit offen, ferner erteile die Autorité de régulation des activités ferroviaires ihre Zustimmung nicht zur Ernennung des Direktors der DCF, sondern nur zu dessen Abberufung, weiter werde der Wechsel von Mitarbeitern der DCF zu anderen Dienststellen der SNCF nicht ausreichend kontrolliert, und schließlich sei noch nicht gewährleistet, dass die DCF über eigene Mitarbeiter, getrennte Räumlichkeiten und ein geschütztes Informationssystem verfüge.

35      Schließlich meint die Kommission in ihrer Erwiderung, dass der in Aussicht genommene Erlass eines neuen Dekrets durch die Französische Republik – inzwischen erlassen als das Dekret Nr. 2011‑891 vom 26. Juli 2011 über eine Dienststelle für den Verkehrsbetrieb und die Verkehrsführung und mit verschiedenen Bestimmungen auf dem Gebiet der Eisenbahn (JORF vom 28. Juli 2011, S. 12885) – zwar eine Verbesserung gegenüber der aktuellen Situation darstelle, aber auch dieses neue Dekret die DCF weder in organisatorischer Hinsicht noch in ihren Entscheidungen und eindeutig nicht in rechtlicher Hinsicht mit einer hinreichenden Unabhängigkeit ausstatte.

36      Die französische Regierung macht geltend, dass die Unabhängigkeit der DCF sichergestellt sei, da die ihr übertragenen wesentlichen Funktionen von RFF überwacht würden. Die DCF sei an der Ausübung wesentlicher Funktionen beteiligt, leite sie aber nicht, da RFF für die Trassenzuteilung allein zuständig sei. So bestimme RFF das Verfahren und die Vorgehensweise zur Behandlung der Anträge, die er an die DCF weiterleite, und lege die Prioritätsregeln fest. Dass die kurzfristige Trassenzuweisung von der DCF vorgenommen werde, sei durch die Eilbedürftigkeit gerechtfertigt, und jedenfalls richte sie sich nach der Reihenfolge des Eingangs der Anträge. Das Gebot der rechtlichen Unabhängigkeit setze im Übrigen nicht voraus, dass die DCF über eine von der SNCF getrennte Rechtspersönlichkeit verfüge.

37      Auch werde die Situation Frankreichs nicht von Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 erfasst, da diese Vorschrift nur für den Fall gelte, dass der Betreiber der Infrastruktur nicht unabhängig sei. Der Betreiber der Infrastruktur, also RFF, sei jedoch unabhängig, so dass dieser Artikel auf die Tätigkeiten der DCF keine Anwendung finde.

38      Die DCF sei zwar integraler Bestandteil einer juristischen Person, die selbst ein Eisenbahntransportunternehmen sei, aber funktionell unabhängig. Daher könne sie, obwohl sie in die SNCF eingegliedert sei, nicht als eine Stelle angesehen werden, die im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 Eisenbahnverkehrsleistungen erbringe.

39      Die französische Regierung weist auch das Vorbringen der Kommission zur fehlenden Unabhängigkeit der DCF in organisatorischer Hinsicht und in ihren Entscheidungen zurück, insbesondere hinsichtlich der Ernennung ihres Direktors, des Wechsels des Direktors und der Bediensteten zu anderen Dienststellen der SNCF und der Gewährleistung, dass die DCF über getrennte Räumlichkeiten, eine eigene Rechtspersönlichkeit und ein geschütztes Informationssystem verfüge.

40      In ihrer Gegenerwiderung macht die französische Regierung geltend, die Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 sei vollständig abgeschlossen, seit das Dekret Nr. 2011‑891 auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 2009‑1503 erlassen worden sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

41      Mit ihrer ersten Rüge wirft die Kommission der Französischen Republik vor, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 in Verbindung mit deren Anhang II verstoßen zu haben, da in Frankreich zwar der Schienennetzbetreiber RFF eine von der SNCF, die Eisenbahndienstleistungen erbringe, unabhängige Stelle sei, die SNCF aber mit bestimmten wesentlichen Funktionen der Trassenzuweisung befasst bleibe, da die Durchführung von Studien der technischen Machbarkeit, die für die Bearbeitung der Anträge auf Zuweisung von Trassen und die kurzfristige Trassenzuweisung erforderlich seien, an eine spezialisierte Dienststelle innerhalb der SNCF, nämlich die DCF, übertragen worden sei, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen nicht unabhängig von der SNCF sei.

42      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Französische Republik geltend macht, die Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 sei seit dem Erlass des Dekrets Nr. 2011-891 vollständig abgeschlossen.

43      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung jedoch anhand der Situation des Mitgliedstaats, wie sie sich bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist darstellte, zu beurteilen und können die später eingetretenen Änderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (vgl. u. a. Urteile vom 27. September 2007, Kommission/Frankreich, C‑9/07, Randnr. 8, und vom 18. November 2010, Kommission/Spanien, C‑48/10, Randnr. 30).

44      Daher kann der Gerichtshof das Dekret Nr. 2011-891, das nach Ablauf der von der Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 gesetzten Frist erlassen wurde, im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Vertragsverletzungsklage nicht berücksichtigen.

45      In materiell-rechtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 91/440 die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs eingeleitet wurde, um den Eisenbahnunternehmen einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur zu garantieren. Um einen solchen Zugang zu gewährleisten, ist in Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/440 festgelegt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um sicherzustellen, dass die in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführten wesentlichen Funktionen an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen, und dass ungeachtet der Organisationsstrukturen der Nachweis zu erbringen ist, dass dieses Ziel erreicht worden ist.

46      Nach Anhang II der Richtlinie 91/440 sind wesentliche Funktionen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie Vorarbeiten und Entscheidungen über die Zulassung von Eisenbahnunternehmen, Entscheidungen über die Trassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen, Entscheidungen über die Wegeentgelte und die Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen zur Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen für die Allgemeinheit.

47      Aus dieser Aufzählung ergibt sich, dass einem Eisenbahnunternehmen nicht die Durchführung von im Vorfeld der Entscheidung vorzunehmenden Studien der technischen Machbarkeit, die für die Bearbeitung der Anträge auf Zuweisung von Trassen und die kurzfristige Trassenzuweisung erforderlich sind, übertragen werden kann, da diese Studien zur Bestimmung und Beurteilung der Verfügbarkeit der Trassen gehören und die kurzfristige Trassenzuweisung eine Zuweisung von einzelnen Zugtrassen nach Anhang II der Richtlinie 2001/14 darstellt, so dass diese Funktionen daher an eine unabhängige Stelle zu übertragen sind.

48      Nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 müssen nämlich die mit Zuweisungsfunktionen beauftragten Stellen rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Transportunternehmen unabhängig sein.

49      Insoweit kann nicht dem Argument der Französischen Republik gefolgt werden, wonach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 keine Anwendung finde, da es einen unabhängigen Infrastrukturbetreiber gebe, nämlich RFF, der für die wesentlichen Funktionen der Fahrwegzuweisung und der Zuweisung einzelner Trassen zuständig sei. Entgegen diesem Vorbringen muss die Unabhängigkeit, die der Betreiber der Infrastruktur nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 aufweisen muss, auch dann geprüft werden, wenn dieser Betreiber von den Eisenbahnunternehmen unabhängig ist, sofern wesentliche Funktionen einem Eisenbahnunternehmen zugewiesen bleiben. Daher unterliegt die DCF, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, weiterhin den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14, die nicht voneinander getrennt werden können. Anderenfalls könnten die Mitgliedstaaten die Vorschriften dieser Richtlinien umgehen, indem sie einen Infrastrukturbetreiber einsetzen, der zwar unabhängig ist, aber wesentliche Funktionen einem Eisenbahnunternehmen überträgt, was dem im elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14 genannten Ziel zuwiderliefe, allen Eisenbahnunternehmen gerechte und nichtdiskriminierende Bedingungen des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten.

50      Im vorliegenden Fall steht die DCF zwar unter der Aufsicht des unabhängigen Infrastrukturbetreibers RFF, übt jedoch nach Art. 24 des Gesetzes Nr. 82-1153 in der durch das Gesetz Nr. 2009-1503 geänderten Fassung und Art. 21 des Dekrets Nr. 2003-194 wesentliche Funktionen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 aus und ist in das Eisenbahnunternehmen SNCF eingegliedert. Um Zuweisungsaufgaben wahrnehmen zu können, müsste sie indes auch rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von der SNCF unabhängig sein.

51      So müsste die DCF in rechtlicher Hinsicht über eine von der Rechtspersönlichkeit der SNCF getrennte Rechtspersönlichkeit verfügen sowie über Organe und Eigenmittel, die ebenfalls von denen der SNCF getrennt sind.

52      Es ist jedoch festzustellen, dass in Frankreich die DCF nicht über eine von der SNCF getrennte Rechtspersönlichkeit verfügt, was von der Französischen Republik nicht bestritten wird. Somit besteht zwischen der DCF und der SNCF nicht die in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 vorgeschriebene rechtliche Unabhängigkeit.

53      Da das Kriterium der rechtlichen Unabhängigkeit nicht erfüllt ist, brauchen die Kriterien der organisatorischen Unabhängigkeit und der Unabhängigkeit in den Entscheidungen nicht geprüft zu werden, denn diese drei Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein, und der Umstand, dass die DCF eines von ihnen nicht erfüllt, reicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440 und gegen Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 festzustellen.

54      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der ersten Rüge, die die Kommission zur Stützung ihrer Klage geltend macht, stattzugeben ist.

 Zur zweiten Rüge: Entgelt für den Zugang zur Infrastruktur

 Vorbringen der Parteien

55      Mit dem ersten Teil der zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass die Französische Republik insoweit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 2001/14 verstoßen habe, als die französischen Rechtsvorschriften derzeit keine diesem Artikel entsprechende leistungsabhängige Entgeltregelung enthielten. Die von der Französischen Republik angeführten Maßnahmen stellten keine solche Regelung dar.

56      Art. 6.4 der Nutzungsbedingungen, der spezielle Entgelte für die Bestellung von Güterverkehrstrassen mit einer Gesamtlänge über 300 km und einer Geschwindigkeit von über 70 km/h vorsehe, könne nämlich keine leistungsabhängige Entgeltregelung im Sinne des Art. 11 der Richtlinie 2001/14 darstellen, da er weder für die Nutzer noch für den Betreiber Verpflichtungen und/oder Anreize zur Verbesserung der Leistungen enthalte.

57      Ebenso wenig erfüllten die beiden anderen von den französischen Behörden angeführten Dokumente – die allgemeinen Bedingungen für die Verträge über die Nutzung der Infrastruktur und der Leistungsvertrag – die in Art. 11 der Richtlinie 2001/14 vorgesehenen Verpflichtungen.

58      Mit dem zweiten Teil der zweiten Rüge macht die Kommission zudem geltend, dass die Französische Republik dadurch, dass sie kein Anreizsystem nach Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/14 eingeführt habe, gegen ihre Verpflichtungen aus diesen Vorschriften verstoßen habe.

59      Zu den Maßnahmen, die Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten geben sollen, führt die Kommission aus, dass die von den französischen Behörden ergriffenen Maßnahmen nicht von einem System begleitet seien, das dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur genügend Anreize zur Erreichung dieser ihm zugewiesenen Ziele biete.

60      Hinsichtlich der Senkung der Entgelte für den Zugang zur Infrastruktur enthalte der Leistungsvertrag keine Zielvorgaben.

61      Die französische Regierung macht geltend, der Leistungsvertrag definiere als Ziele die Modernisierung der Infrastruktur und Modalitäten zur Entwicklung eines neuen kommerziellen Schienennetzangebots, um dessen Qualität, Leistungen und Sicherheit zu verbessern. Dieser Vertrag enthalte also Bestimmungen, durch die der Betreiber der Infrastruktur veranlasst werde, Störungen zu minimieren und die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes zu steigern.

62      Zudem enthielten die allgemeinen Bedingungen für die Verträge über die Nutzung der Infrastruktur, da sie Ersatzansprüche für den Fall der Nichterfüllung vorsähen, Bestimmungen, die sowohl den Eisenbahnunternehmen als auch dem Betreiber der Infrastruktur Anreize böten, Störungen zu minimieren und die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes zu steigern.

63      Zu den Maßnahmen, die Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten geben sollen, tragen die französischen Behörden vor, sie hätten ein Bonussystem für die Beschäftigten eingeführt, das unmittelbar mit der Senkung dieser Kosten verbunden sei, so dass insoweit Anreize geschaffen worden seien.

64      In Bezug auf die Senkung der Entgelte für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur ist die französische Regierung der Auffassung, dass die Senkung der Gebühren für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur keine absolute Zielvorgabe der Richtlinie 2001/14 darstellen könne.

65      Die spanische Regierung ist der Ansicht, dass die Richtlinie 2001/14 keine Kriterien für die Einführung einer leistungsabhängigen Entgeltregelung definiere oder vorsehe, sondern lediglich auf das Ziel dieser Regelung verweise.

66      So habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass die französische Entgeltregelung für die Infrastruktur keinen Anreiz schaffe, Störungen zu minimieren und die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes zu steigern. Der Verweis auf die geltenden Bestimmungen und die Auslegung von Teilen bestimmter Verträge oder bestimmter Vorschriften reichten nämlich für diesen Nachweis nicht aus, da diese Vorschriften in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssten.

67      In Bezug auf die Maßnahmen zur Senkung der Zugangsentgelte führt die spanische Regierung aus, dass diese Entgelte im Hinblick auf die Errichtung eines modernen und wettbewerbsorientierten europäischen Schienennetzes erzielt würden, wie es dem Ziel der Richtlinie 2001/14 entspreche, das derzeit noch nicht erreicht sei. Daher sei es nicht sinnvoll, diese Entgelte zu senken, ohne zuvor das Schienennetz zu modernisieren und gleichzeitig die Instandhaltungskosten zu senken. Dadurch sei ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen von vornherein ausgeschlossen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

68      Mit dem ersten Teil der zweiten Rüge wirft die Kommission der Französischen Republik im Wesentlichen vor, in ihren innerstaatlichen Vorschriften keine leistungsabhängige Entgeltregelung eingeführt zu haben, wie sie in Art. 11 der Richtlinie 2001/14 vorgesehen sei.

69      Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 müssen die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur durch leistungsabhängige Bestandteile Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Verbesserung der Leistung des Schienennetzes bieten. Dies kann Sanktionen, Entschädigungen und eine Bonusregelung umfassen.

70      Daraus folgt zum einen, dass die Mitgliedstaaten in die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung leistungsabhängige Bestandteile aufnehmen müssen, die sowohl den Eisenbahnunternehmen als auch dem Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten sollen. Was zum anderen die Art der Anreize betrifft, die von den Mitgliedstaaten eingeführt werden können, so behalten diese die Freiheit der Wahl der konkreten Maßnahmen, die Teil der genannten Regelung werden, solange diese Maßnahmen ein kohärentes und transparentes Ganzes bilden, das als „leistungsabhängige Bestandteile“ eingestuft werden kann (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013, Kommission/Spanien, C‑483/10, , Randnr. 64).

71      Bei der Prüfung, ob dieser erste Teil der zweiten Rüge begründet ist, ist daher zu untersuchen, ob die Maßnahmen, die die französischen Rechtsvorschriften insoweit enthalten, den Anforderungen von Art. 11 der Richtlinie 2001/14 entsprechen.

72      Zu Art. 6.4 der Nutzungsbedingungen ist festzustellen, dass diese Bestimmung lediglich eine besondere Regelung für das Entgelt vorsieht, das für die Bestellung von Güterverkehrstrassen gilt, deren Gesamtlänge mehr als 300 km und deren Geschwindigkeit mehr als 70 km/h beträgt, wobei diese Regelung kein kohärentes und transparentes Ganzes bildet, das als „leistungsabhängige Entgeltregelung“ im Sinne des Art. 11 der Richtlinie 2001/14 eingestuft werden kann. Wie in Randnr. 70 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verlangt dieser Artikel nämlich, dass die Mitgliedstaaten tatsächlich leistungsabhängige Bestandteile in die Entgeltregelung aufnehmen.

73      Was die allgemeinen Bedingungen von RFF betrifft, enthalten sie Bestimmungen über die Entschädigung des Betreibers der Infrastruktur bei einer auf das Verschulden des Eisenbahnunternehmens zurückzuführenden Nichtbenutzung einer Trasse und über die Entschädigung des Eisenbahnunternehmens nach der vom Betreiber verursachten Schließung von Trassen. Dies stellt keine leistungsabhängige Entgeltregelung dar, denn Art. 18 dieser allgemeinen Bedingungen enthält bloße Haftungsklauseln für den Fall von Schäden, und Art. 20 dieser allgemeinen Bedingungen regelt nur die schadensersatzrechtlichen Folgen für den Fall der Schließung von Trassen durch RFF.

74      Was schließlich die versuchsweise Einrichtung eines im Leistungsvertrag vorgesehenen speziellen leistungsabhängigen Mechanismus angeht, ist festzustellen, dass dieser Mechanismus ausschließlich zulasten von RFF geht. Somit stellt der Leistungsvertrag keine leistungsabhängige Entgeltregelung dar, die nicht nur dem Betreiber der Infrastruktur, sondern auch den Eisenbahnunternehmen Anreize bietet. Zudem gelten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 die Grundsätze der leistungsabhängigen Entgeltregelung für das gesamte Netz. Die Bestimmungen des Leistungsvertrags finden jedoch nur auf das Güterverkehrsnetz Anwendung.

75      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass dem ersten Teil der zweiten Rüge, die die Kommission zur Stützung ihrer Klage erhoben hat, stattzugeben ist.

76      Mit dem zweiten Teil der zweiten Rüge wirft die Kommission der Französischen Republik im Wesentlichen vor, keine Mechanismen vorgesehen zu haben, die dem Betreiber der Infrastruktur Anreize geben, die mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten zu begrenzen und die Entgelte für den Zugang zur Infrastruktur zu senken.

77      Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 müssen die Mitgliedstaaten die Bedingungen festlegen, um sicherzustellen, dass sich die Einnahmen eines Betreibers der Infrastruktur aus Wegeentgelten, dem Gewinn aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten und der staatlichen Finanzierung einerseits und die Fahrwegausgaben andererseits unter normalen geschäftlichen Umständen und über einen angemessenen Zeitraum zumindest ausgleichen. Den Betreibern der Infrastruktur sind nach Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben.

78      Insoweit sieht Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 vor, dass die sich aus Art. 6 Abs. 2 ergebende Verpflichtung entweder durch eine mehrjährige, die staatliche Finanzierung regelnde vertragliche Vereinbarung zwischen dem Betreiber der Infrastruktur und der zuständigen Behörde oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in deren Rahmen angemessene Befugnisse vorgesehen sind, umgesetzt werden muss. Es steht somit den Mitgliedstaaten frei, die Anreize im Rahmen eines mehrjährigen Vertrags oder durch aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu setzen.

79      Im vorliegenden Fall wurde am 6. Juni 2009 zwischen dem Präsidenten und den Personalvertretern von RFF im Rahmen der Umsetzung des Leistungsvertrags eine Erfolgsbeteiligung vereinbart. Eine derartige Vereinbarung stellt einen Anreizmechanismus dar, der mit der in Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 vorgesehenen mehrjährigen vertraglichen Vereinbarung gleichzustellen ist.

80      In der Vereinbarung über die Erfolgsbeteiligung wird nämlich ein Bonus für die Mitarbeiter eingeführt, der geeignet ist, dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur Anreize zur Senkung der Kosten zu geben, da diese Vereinbarung als Kriterium für eine Erfolgsbeteiligung sämtlicher Mitarbeiter von RFF u. a. die Verringerung der Kosten einer Arbeitseinheit für die vollständige Erneuerung eines Gleiskilometers vorsieht. Die Beobachtung dieser Kosten erlaubt es nämlich, ein Kriterium aufzustellen, das für die Entwicklung des Einheitspreises für die Erneuerung der Eisenbahninfrastruktur repräsentativ ist und mit dem, wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, für die Mitarbeiter ein Bonussystem eingeführt wird, das in unmittelbarem Zusammenhang mit der Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten steht. Zudem wird der Bonus, der nach der Erfolgsbeteiligungsvereinbarung damit verbunden ist, nur ausgezahlt, wenn die festgestellten Kosten mit den Zielen des Leistungsvertrags im Einklang stehen.

81      Somit bieten diese Maßnahmen dem Betreiber der Infrastruktur einen Anreiz, die Kosten für die Fahrwegbereitstellung zu senken und mittelbar die Entgelte für den Zugang zur Infrastruktur herabzusetzen.

82      Zum Argument der Kommission, wonach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 von den Mitgliedstaaten verlange, Anreize zur Senkung der Zugangsentgelte unabhängig von den Anreizen zur Kostensenkung vorzusehen, ist festzustellen, dass der Fahrweg nach dem 40. Erwägungsgrund der Richtlinie ein natürliches Monopol darstellt und es deshalb erforderlich ist, den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Kostensenkung und zur effizienten Verwaltung ihrer Fahrwege zu geben. Dieser Erwägungsgrund erwähnt aber nicht die Entgelte, sondern lediglich die Kosten (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013, Kommission/Deutschland, C‑556/10, Randnr. 106).

83      Zwar sieht Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 vor, dass Anreize zur Senkung der Kosten und der Zugangsentgelte geschaffen werden müssen. Er sieht aber keineswegs vor, dass diese Maßnahmen unabhängig voneinander getroffen werden müssten (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 107).

84      Schlösse man sich dem Standpunkt der Kommission an, liefe dies nämlich darauf hinaus, eine Verpflichtung eines Mitgliedstaats anzuerkennen, dem Betreiber der Infrastruktur Anreize dafür zu bieten, über eine Senkung der Entgelte einen Teil der durch eine Steigerung seiner Effizienz erzielten Überschüsse an die Nutzer des Netzes weiterzugeben, obwohl er womöglich nicht in der Lage wäre, sämtliche Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur zu erheben. Diese Auslegung würde den Mitgliedstaat im Gegenzug zu dieser Überwälzung dazu verpflichten, die Infrastruktur zu finanzieren. Eine solche Auslegung stünde im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/14, nach dem ein Mitgliedstaat im Rahmen der Entgeltregelungen der Art. 7 und 8 der Richtlinie vom Betreiber der Infrastruktur verlangen kann, seine Einnahmen und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 108).

85      Daher ist davon auszugehen, dass der Verpflichtung, dem Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Senkung der Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur und der Zugangsentgelte zu geben, im vorliegenden Fall durch die Maßnahmen Genüge getan worden ist, die darauf abzielen, die Kosten für die Bereitstellung dieser Infrastruktur zu senken, weil sich diese Maßnahmen, wie in den Randnrn. 79 bis 81 des vorliegenden Urteils ausgeführt, auch auf die Senkung der Entgelte auswirken.

86      Überdies ist festzustellen, dass Anreize zur Senkung der Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur nur zu einer Absenkung der Höhe der Zugangsentgelte führen können, gleichviel ob diese auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 oder auf der Grundlage ihres Art. 8 Abs. 1 festgesetzt werden.

87      Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der zweite Teil der zweiten Rüge der Kommission, der sich auf die Anreize zur Kostensenkung bezieht, zurückzuweisen ist.

88      Nach alledem hat die Französische Republik dadurch, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um zu gewährleisten, dass die Stelle, der die Wahrnehmung der in Anhang II der Richtlinie 91/440 aufgezählten wesentlichen Funktionen übertragen wird, gemäß Art. 6 Abs. 3 und Anhang II dieser Richtlinie sowie Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 von dem Unternehmen unabhängig ist, das die Eisenbahnverkehrsdienstleistungen erbringt, und dadurch, dass sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um Art. 11 der Richtlinie 2001/14 nachzukommen, gegen die Verpflichtungen verstoßen, die ihr nach diesen Vorschriften obliegen.

89      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 Kosten

90      Für den Fall, dass jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, bestimmt Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Da die Kommission und die Französische Republik jeweils teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, sind ihnen jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

91      Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Dadurch, dass die Französische Republik nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um zu gewährleisten, dass die Stelle, der die Wahrnehmung der in Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 geänderten Fassung aufgezählten wesentlichen Funktionen übertragen wird, gemäß Art. 6 Abs. 3 und Anhang II dieser Richtlinie sowie Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 geänderten Fassung von dem Unternehmen unabhängig ist, das die Eisenbahnverkehrsdienstleistungen erbringt, und dadurch, dass sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um Art. 11 der Richtlinie 2001/14 nachzukommen, hat sie gegen die Verpflichtungen verstoßen, die ihr nach diesen Vorschriften obliegen.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

4.      Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.