Language of document : ECLI:EU:T:2004:282

Arrêt du Tribunal

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
30. September 2004(1)

„Wettbewerb – Dienstleistungsfreiheit – Anti-Doping-Regelung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – Rein sportliches Regelwerk“

In der Rechtssache T-313/02

David Meca-Medina, wohnhaft in Barcelona (Spanien),

Igor Majcen, wohnhaft in Ljubljana (Slovenien),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.-L. Dupont,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch O. Beynet und A. Bouquet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 1. August 2002, mit der die Beschwerde der Kläger gegen das Internationale Olympische Komitee auf Feststellung der Unvereinbarkeit bestimmter von diesem erlassener und vom Internationalen Schwimmverband (FINA) durchgeführter Vorschriften und bestimmter Dopingkontrollpraktiken mit den Gemeinschaftsregelungen über den Wettbewerb und die Dienstleistungsfreiheit (Sache COMP/38158, Meca-Medina und Majcen/IOC) zurückgewiesen wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)



unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin V. Tiili und des Richters M. Vilaras,

Kanzler : J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2004,

folgendes



Urteil




Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt

1
Das Internationale Olympische Komitee (im Folgenden: IOC) ist die höchste Instanz der Olympischen Bewegung, in der verschiedene internationale Sportverbände, darunter der Internationale Schwimmverband (im Folgenden: FINA), zusammengefasst sind.

2
Die FINA führt mit ihren Doping Control Rules (zur fraglichen Zeit geltende Dopingkontrollregeln, im Folgenden: DC) den Anti-Doping-Code der Olympischen Bewegung auf dem Gebiet des Schwimmens durch. Regel 1.2a DC definiert das Doping als einen Verstoß, bei dem eine verbotene Substanz im Gewebe oder in der Körperflüssigkeit eines Sportlers gefunden wird. Diese Definition entspricht der von Artikel 2 Absatz 2 des genannten Anti-Doping-Codes, wonach als Doping das Vorhandensein einer verbotenen Substanz im Körper eines Athleten oder deren Verwendung oder die Verwendung einer verbotenen Methode bezeichnet wird.

3
Das Nandrolon und seine Metaboliten Norandrosteron (NA) und Noretiocholanolon (NE) (im Folgenden insgesamt Nandrolon genannt) sind verbotene Anabolika. In der Praxis der 27 beim IOC und der FINA akkreditierten Labore und zur Berücksichtigung einer möglichen körpereigenen und mithin nicht vorwerfbaren Nandrolonproduktion wird allerdings das Vorhandensein dieser Substanz im Körper männlicher Athleten nur jenseits eines Schwellenwerts von zwei Nanogramm (ng) pro Milliliter (ml) Urin als Doping bezeichnet.

4
Beim erstmaligen Dopingverstoß mit einem Anabolikum verlangt die Regel 9.2a DC, dass der Athlet mindestens für vier Jahre gesperrt wird; jedoch kann diese Sanktion nach dem letzten Satz der Regel 9.2 DC und den Regeln 9.3 und 9.10 DC gemildert werden, wenn der Athlet beweist, dass er die verbotene Substanz nicht wissentlich eingenommen hat oder dass diese Substanz ohne Sorgfaltsverletzung seinerseits in seinen Körper gelangt ist.

5
Die Sanktionen werden vom Doping Panel (Doping-Ausschuss) der FINA verhängt, dessen Entscheidungen nach Regel 8.9 DC vor dem Sportschiedsgericht (im Folgenden: TAS) angefochten werden können. Das TAS mit Sitz in Lausanne wird von einer vom IOC unabhängigen Organisation, der Internationalen Schiedsgerichtskammer für Sportfragen (im Folgenden: CIAS), finanziert und verwaltet.

6
Die Schiedssprüche des TAS können Gegenstand eines Rechtsbehelfs beim Schweizer Bundesgerichtshof sein, der zuständigen Gerichtsbarkeit für die Überprüfung internationaler Schiedssprüche, die in der Schweiz ergangen sind.

7
Die Kläger sind Berufssportler in der Disziplin des Langstreckenschwimmens, dem Gegenstück zum Marathon auf dem Gebiet des Wassersports.

8
Bei einer am 31. Januar 1999 durchgeführten Dopingkontrolle während der Weltmeisterschaft in dieser Disziplin in Salvador de Bahia (Brasilien), bei der die Kläger den ersten und den zweiten Platz belegten, fiel ihr Nandrolontest positiv aus. Bei Herrn D. Meca‑Medina wurde ein Wert von 9,7 ng/ml und bei Herrn I. Majcen ein Wert von 3,9 ng/ml festgestellt.

9
Am 8. August 1999 wurden die Kläger vom Doping-Ausschuss der FINA für vier Jahre gesperrt.

10
Die Entscheidung über die Sperre wurde von den Klägern vor dem TAS angefochten und von diesem mit Schiedsspruch vom 29. Februar 2000 bestätigt.

11
Im Januar 2000 zeigten wissenschaftliche Versuche, dass Nandrolonmetaboliten bei Verzehr bestimmter Nahrungsmittel wie dem Fleisch unkastrierter Keiler endogen vom menschlichen Organismus in einer Größenordnung erzeugt werden können, die die zulässige Toleranzschwelle übersteigt.

12
Angesichts dieser Entwicklung einigten sich die FINA und die Kläger mit Schiedsvereinbarung vom 20. April 2000, die Sache dem TAS zwecks neuerlicher Prüfung vorzulegen.

13
Mit Schiedsspruch vom 23. Mai 2003 reduzierte das TAS die Sperre der Kläger auf zwei Jahre.

14
Gegen diesen Schiedsspruch legten die Kläger keinen Rechtsbehelf beim Schweizer Bundesgerichtshof ein.

15
Mit Schreiben vom 30. Mai 2001 reichten die Kläger nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 vom 6. Februar 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) bei der Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie einen Verstoß gegen Artikel 81 EG und/oder 82 EG rügten.

16
Mit ihrer Beschwerde stellten die Kläger die Vereinbarkeit bestimmter vom IOC erlassener und von der FINA durchgeführter Vorschriften sowie bestimmter Dopingkontrollpraktiken mit den Gemeinschaftsregelungen über den Wettbewerb und die Dienstleistungsfreiheit in Frage. Zunächst sei die Festlegung der Toleranzschwelle bei 2 ng/ml eine zwischen dem IOC und den 27 bei diesem akkreditierten Laboren abgestimmte Verhaltensweise. Wissenschaftlich sei dieser Schwellenwert schlecht begründet und könne zum Ausschluss unschuldiger oder bloß nachlässiger Athleten führen. Im Fall der Kläger könnten die festgestellten Überschreitungen der Toleranzschwelle vom Verzehr eines Gerichts herrühren, das das Fleisch nicht kastrierter Keiler enthalten habe. Schließlich werde der wettbewerbswidrige Charakter dieser Schwelle dadurch verstärkt, dass das IOC ein System objektiver Verantwortlichkeit eingeführt habe und dass mit der schiedsrichterlichen Entscheidung von Streitfällen im Bereich des Sports betraute Instanzen (TAS und CIAS) geschaffen worden seien, die gegenüber dem IOC nicht hinlänglich unabhängig seien.

17
Der Beschwerde zufolge führt die Anwendung dieser Regeln (im Folgenden unterschiedslos: streitige Anti-Doping-Regeln oder streitige Anti‑Doping‑Regelung) zu einer Verletzung der wirtschaftlichen Freiheiten der Athleten, die insbesondere durch Artikel 49 EG garantiert seien, und in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu einer Verletzung der Rechte, auf die sich die Athleten nach Artikel 81 EG und 82 EG berufen könnten.

18
Mit Schreiben vom 8. März 2002 teilte die Kommission den Klägern gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18) unter Angabe von Gründen mit, dass sie der Beschwerde nicht stattgeben wolle.

19
Mit Schreiben vom 11. April 2002 sandten die Kläger der Kommission ihre Erwiderung auf das Schreiben vom 8. März 2002.

20
Mit Entscheidung vom 1. August 2002 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Kommission die Beschwerde der Beklagten zurück, nachdem sie die streitige Anti-Doping-Regelung nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien analysiert hatte und zu dem Schluss gelangt war, dass diese Regelung nicht unter das Verbot der Artikel 81 EG und 82 EG falle (Randnrn. 33 bis 70 der angefochtenen Entscheidung).


Verfahren und Anträge der Parteien

21
Die Kläger haben mit am 11. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

22
Mit besonderem Schriftsatz vom selben Tag haben sie einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren nach Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt. Dieser Antrag, dem die Kommission mit ihrer am 25. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme entgegengetreten ist, ist vom Gericht zurückgewiesen worden.

23
Mit am 24. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Republik Finnland beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 25. Februar 2003 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts diese Streithilfe zugelassen. Die Streithelferin hat ihren Streithilfeschriftsatz am 7. April 2003 eingereicht.

24
Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

25
Die Kläger und die Beklagte sind zur mündlichen Verhandlung vom 21. April 2004 erschienen und haben mündlich verhandelt sowie die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet. Die Streithelferin ist nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

26
Die Kläger beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

27
Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen und

den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28
Die Republik Finnland beantragt, die Klage abzuweisen.


Rechtliche Würdigung

Vorbringen der Parteien

29
Die Kläger stützen ihre Klage auf drei Klagegründe.

30
Der Kommission sei – so der erste Klagegrund – in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie die Auffassung vertreten habe, das IOC sei kein Unternehmen im Sinne der Gemeinschaftsrechtsprechung.

31
Ihr sei – so der zweite Klagegrund – in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie die Ansicht vertreten habe, dass die aus der streitigen Anti-Doping-Regelung folgende Beschränkung der Freiheit der Athleten deshalb keine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 81 EG sei, weil sie untrennbar mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf der Sportwettbewerbe verbunden sei und nicht über das hinausgehe, was zur Verwirklichung des Zieles der Dopingbekämpfung erforderlich sei. Die Kommission habe die im Urteil des Gerichtshofes vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C‑309/99 (Wouters u. a., Slg. 2002, I‑1577, im Folgenden: Urteil Wouters) aufgestellten Kriterien fehlerhaft angewandt.

32
Der Kommission sei – so der dritte Klagegrund – in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie in Randnummer 71 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt habe: „Die Beschwerde enthält keinen Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen Artikel 49 EG durch einen Mitgliedstaat oder einen assoziierten Staat. Denn nichts weist auf die Verantwortlichkeit einer Behörde eines Mitgliedstaats für den Erlass von Rechtsakten hin, die dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit widersprechen könnten.“

33
Die Kommission trägt zunächst vor, dass die Klage offensichtlich unbegründet sei, weil sie wegen künstlich aus dem Wettbewerbsrecht hergeleiteter Gründe eine sportliche Sanktion und Kriterien der Dopingbekämpfung in Frage stelle; sie rechtfertigt sodann im Rahmen der Widerlegung der drei Nichtigkeitsgründe die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Analyse. Die Kommission macht zum einen geltend, in Randnummer 37 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen zu haben, dass das IOC als Unternehmen bezeichnet werden könne, und fügt hinzu, dass im Rahmen der Olympischen Bewegung das IOC als Verband nationaler und internationaler Unternehmensvereinigungen bezeichnet werden könne. Zum anderen habe sie in den Randnummern 55, 70 und 72 der angefochtenen Entscheidung zu Recht geschlussfolgert, dass die streitigen Anti-Doping-Regeln nicht unter das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 EG und 82 EG fielen, und habe nicht gegen die im Urteil Wouters aufgestellten Kriterien verstoßen. Schließlich habe sie zu Recht die Beschwerde zurückgewiesen, soweit diese einen Verstoß gegen Artikel 49 EG betreffe, weil die Beschwerde keine Hinweise auf einen derartigen Verstoß durch einen Mitgliedstaat oder einen assoziierten Staat enthalte (Randnr. 71 der angefochtenen Entscheidung).

34
Die Republik Finnland macht geltend, dass der Sport unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden könne: Zum einen gebe es die sportliche Betätigung im eigentlichen Sinn, die eine gesellschaftliche, vereinsbezogene und kulturelle Rolle spiele, und zum anderen eine wirtschaftliche Tätigkeit, die auf dem Sport aufbaue. Der Gerichtshof habe bestätigt, dass der Sport nur insoweit unter das Gemeinschaftsrecht falle, als er zum Wirtschaftsleben im Sinne von Artikel 2 EG gehöre (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1974 in der Rechtssache 36/74, Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405 [im Folgenden: Urteil Walrave], Randnr. 8, vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑415/93, Bosman, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 73, und vom 11. April 2000 in den Rechtssachen C‑51/96 und C‑191/97, Deliège, Slg. 2000, I‑2549, Randnr. 41). Die sportliche Betätigung im eigentlichen Sinn und die mit ihr untrennbar verbundenen Regeln, zu denen die Anti-Doping-Regeln zählten, lägen außerhalb des Geltungsbereichs des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft. Die Zulassung der vorliegenden Klage durch das Gericht schwäche das internationale System der Dopingbekämpfung und damit die Werte, nach deren Förderung der organisierte Sport strebe.

Würdigung durch das Gericht

35
Die vorliegende Klage, die auf die Nichtigerklärung der Zurückweisung einer Beschwerde in einem Verfahren nach den Artikeln 81 EG und 82 EG abzielt, wirft im Wesentlichen die Frage auf, ob eine Anti-Doping-Regelung unter Berufung auf Artikel 49 EG, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit bezieht, beanstandet werden kann und welche Folgerungen hieraus eventuell im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu ziehen sind.

36
Zur Beantwortung dieser Frage, von der die Entscheidung über die Klage abhängt, und um auf die Klagegründe und das Vorbringen der Parteien einzugehen, ist es erforderlich, die Natur und den Inhalt der streitigen Anti-Doping-Regelung im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu der Frage zu bestimmen, inwieweit die Vorschriften des EG-Vertrags über die wirtschaftlichen Freiheiten – insbesondere die auf dem Gebiet der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Dienstleistungsfreiheit und des Wettbewerbs – auf sportliche Regelwerke anwendbar sind.

Zur Anwendung der Vorschriften des EG-Vertrags über die wirtschaftlichen Freiheiten auf sportliche Regelwerke

37
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes fällt nach den Zielen der Gemeinschaft die Ausübung des Sports nur insoweit unter das Gemeinschaftsrecht, als er zum Wirtschaftsleben im Sinne von Artikel 2 EG gehört (Urteile des Gerichtshofes Walrave, Randnr. 4, vom 14. Juli 1976 in der Rechtssache 13/76, Donà, Slg. 1976, 1333, Randnr. 12, Bosman, Randnr. 73, Deliège, Randnr. 41, und vom 13. April 2000 in der Rechtssache C‑176/96, Lehtonen und Castors Braine, Slg. 2000, I‑2681 [im Folgenden: Urteil Lehtonen], Randnr. 32). Ferner hat der Gerichtshof anerkannt, dass in der Gemeinschaft der sportlichen Betätigung eine beträchtliche gesellschaftliche Bedeutung zukommt (Urteile Bosman, Randnr. 106, und Deliège, Randnr. 41).

38
Diese Rechtsprechung findet im Übrigen ihre Bestätigung in der Erklärung Nummer 29 zum Sport, die der Schlussakte der Konferenz, in der der Text des Vertrages von Amsterdam festgelegt wurde, als Anhang beigefügt ist und die die gesellschaftliche Bedeutung des Sports unterstreicht und an die Gremien der Europäischen Union appelliert, u. a. die Besonderheiten des Amateursports besonders zu berücksichtigen. Diese Erklärung steht mit der genannten Rechtsprechung insbesondere insoweit im Einklang, als sie Situationen betrifft, in denen die Ausübung eines Sports zum Wirtschaftsleben gehört (Urteil Deliège, Randnr. 42).

39
Hat die sportliche Betätigung den Charakter einer entgeltlichen Arbeits- oder Dienstleistung, so gelten für sie, je nach Lage des Einzelfalls, die Artikel 39 EG ff. oder 49 EG ff. (Urteile Walrave, Randnr. 5, Donà, Randnrn. 12 und 13, und Bosman, Randnr. 73).

40
Nach Auffassung des Gerichtshofes finden somit die in diesen Bestimmungen des Vertrages enthaltenen Verbote auf die auf dem Gebiet des Sports aufgestellten Regeln Anwendung, die den wirtschaftlichen Aspekt betreffen, den die sportliche Betätigung aufweisen kann. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass solche Regeln, die die Zahlung von Entschädigungen beim Transfer von Berufssportlern von einem Verein zum anderen vorsehen (Transferklauseln), die die Anzahl der Berufssportler mit der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats begrenzen, die diese Vereine bei Spielen aufstellen können (Regeln über die Zusammensetzung der Vereinsmannschaften), oder die unterschiedliche Transferstichtage für Spieler aus anderen Mitgliedstaaten ohne objektive, nur den Sport als solchen oder Unterschiede zwischen der Lage der Spieler betreffende Gründe festlegen (Klauseln über Transferstichtage), in den Geltungsbereich dieser Bestimmungen des Vertrages fallen und den von diesen aufgestellten Verboten unterliegen (vgl. jeweils Urteile Bosman, Randnrn. 114 und 137, Lehtonen, Randnr. 60, und Urteil des Gerichtshofes vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C‑438/00, Deutscher Handballbund, Slg. 2003, I‑413 [im Folgenden: Urteil Kolpak], Randnrn. 56 bis 58).

41
Jedoch betreffen die Verbote, die diese Bestimmungen des Vertrages aufstellen, keine rein sportlichen Regeln, d. h. Regeln, die Fragen betreffen, die allein von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben (Urteil Walrave, Randnr. 8). Diese Regelungen, die sich auf den spezifischen Charakter und Rahmen von Sportveranstaltungen beziehen, sind nämlich mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf des sportlichen Wettkampfs untrennbar verbunden und können nicht als Beschränkung der Gemeinschaftsregelung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit angesehen werden. In diesem Rahmen ist entschieden worden, dass die Regeln über die Aufstellung von Nationalmannschaften (Urteile Walrave, Randnr. 8, und Donà, Randnr. 14) oder die von den Sportverbänden vorgenommene Mitgliederauswahl für die Teilnahme an hochrangigen internationalen Wettkämpfen (Urteil Deliège, Randnr. 64) rein sportliche Regeln sind und somit ihrer Natur nach nicht in den Geltungsbereich der Artikel 39 EG und 49 EG fallen. Zu diesen Regeln zählen auch die „Spielregeln“ im engen Sinn wie z. B. diejenigen, die die Dauer der Spiele oder die Anzahl der Spieler auf dem Spielfeld festlegen, weil der Sport nur im Rahmen bestimmter Regeln bestehen und ausgeübt werden kann. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs der genannten Bestimmungen des Vertrages darf jedoch nicht weiter gehen, als ihr Zweck dies erfordert (Urteile Walrave, Randnr. 9, Donà, Randnr. 15, Bosman, Randnrn. 76 und 127, Deliège, Randnr. 43, und Lehtonen, Randnr. 34).

42
Der Gerichtshof musste sich in den genannten Urteilen nicht dazu äußern, ob die fraglichen sportlichen Regeln den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Vertrages unterworfen sind (vgl. hierzu Urteile Bosman, Randnr. 138, Deliège, Randnrn. 36 bis 40, und Lehtonen, Randnr. 28). Gleichwohl gelten die von der Rechtsprechung zu der Frage entwickelten Grundsätze, inwieweit die Gemeinschaftsbestimmungen auf dem Gebiet der Freizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit auf sportliche Regelwerke Anwendung finden, auch für die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Vertrages. Denn die Tatsache, dass ein rein sportliches Regelwerk nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun hat, weswegen es nach Ansicht des Gerichtshofes nicht in den Geltungsbereich der Artikel 39 EG und 49 EG fällt, bedeutet auch, dass es nichts mit wirtschaftlichen Wettbewerbsbeziehungen zu tun hat, so dass es auch nicht in den Geltungsbereich der Artikel 81 EG und 82 EG fällt. Demgegenüber fällt eine Regelung, die, obwohl im Bereich des Sports erlassen, nicht rein sportlicher Natur ist, sondern den wirtschaftlichen Aspekt betrifft, den die sportliche Betätigung haben kann, sowohl in den Geltungsbereich der Artikel 39 EG und 49 EG als auch in den der Artikel 81 EG und 82 EG und kann gegebenenfalls einen Eingriff in die von diesen Bestimmungen garantierten Freiheiten darstellen (vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache Bosman, Slg. 1995, I‑4930, Nrn. 253 bis 286, insbesondere Nrn. 262, 277 und 278, des Generalanwalts Cosmas in der Rechtssache Deliège, Slg. 2000, I‑2553, Nrn. 103 bis 112, und des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Lehtonen, Slg. 2000, I‑2685, Nrn. 110 und 115) und Gegenstand eines Verfahrens nach Artikel 81 EG und 82 EG sein.

43
Im Licht dieser Erwägungen ist die Natur der Anti-Doping-Regelung und im vorliegenden Fall der streitigen Anti-Doping-Regeln zu bestimmen.

Zur Rechtsnatur der streitigen Anti-Doping-Regeln

44
Auch wenn der Hochleistungssport in weitem Umfang eine wirtschaftliche Tätigkeit geworden ist, so verfolgt doch die Dopingbekämpfung keinen wirtschaftlichen Zweck. Die Dopingbekämpfung zielt nämlich erstens darauf ab, den Sportsgeist (Fairplay) zu bewahren, ohne den der Sport, ob er nun auf Amateur‑ oder Profiebene betrieben wird, kein Sport mehr ist. Dieses rein gesellschaftliche Ziel rechtfertigt schon für sich allein die Dopingbekämpfung. Zweitens zielt dieser Kampf, soweit die Dopingsubstanzen negative physiologische Wirkungen haben, darauf ab, die Gesundheit der Athleten zu bewahren. Somit gehört das Dopingverbot als besonderer Ausdruck des Gebots des Fairplay zur obersten Regel sportlichen Spiels.

45
Außerdem ist zu betonen, dass das Sporttreiben seinem Wesen nach eine unentgeltliche, nichtwirtschaftliche Betätigung ist, auch wenn ihr der Athlet im Rahmen einer beruflichen sportlichen Tätigkeit nachgeht. Mit anderen Worten gelten das Dopingverbot und die Anti-Doping-Regelung ausschließlich, und zwar auch dann, wenn der Sportler ein Berufssportler ist, einer nichtwirtschaftlichen Dimension dieser sportlichen Betätigung, die deren Wesensgehalt ausmacht.

46
Diese Erwägungen finden Widerhall im Plan für den Beitrag der Gemeinschaft zur Dopingbekämpfung vom 1. Dezember 1999 (KOM/1999/643 endg.), nach dem Doping „für den Widerspruch des Sports und der Werte [steht], die er verkörpert“, im Arbeitsdokument der Kommission vom 29. September 1998 mit dem Titel „Entwicklung und Perspektiven der Gemeinschaftsaktion im Bereich Sport“, das zum Ausdruck bringt, dass „der Sport … wichtige gesellschaftliche Werte wie Fairplay, Solidariät, fairer Wettbewerb und Teamgeist [vermittelt]“ und im Bericht der Kommission an den Europäischen Rat im Hinblick auf die Erhaltung der derzeitigen Sportstrukturen und die Wahrung der sozialen Funktion des Sports im Gemeinschaftsrahmen vom 10. Dezember 1999 (KOM/1999/644 endg., auch „Helsinki-Bericht“ genannt), nach dem „[z]u den sportbezogenen Regelungen … in erster Linie die ‚Spielregeln‘ [zählen]“ und „Ziel dieser Regelungen … nicht die Verfälschung des Wettbewerbs [ist]“.

47
In Anbetracht des oben Ausgeführten ist festzustellen, dass sich das Dopingverbot auf rein sportliche Erwägungen gründet und daher mit wirtschaftlichen Erwägungen nichts zu tun hat. Aus dieser Feststellung folgt im Licht der Rechtsprechung und der Erwägungen, die oben in den Randnummern 37 bis 42 wiedergegeben sind, dass die Regeln zur Dopingbekämpfung ebenso wenig wie die vom Gerichtshof in den Urteilen Walrave, Donà und Deliège untersuchten Regelungen in den Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrages über die wirtschaftlichen Freiheiten, insbesondere der Artikel 49 EG, 81 EG und 82 EG, fallen. Denn die Anti-Doping-Regeln sind mit dem Sport als solchem eng verknüpft.

48
Im vorliegenden Fall ist das Gericht der Auffassung, dass diese Schlussfolgerung auch für die streitige Anti-Doping-Regelung gelten muss.

49
Zum einen nämlich steht nach Lage der Akten fest, dass die streitige Anti-Doping-Regelung keinen diskriminierenden Zweck verfolgt. Die Kläger haben insbesondere in keiner Weise vorgetragen, dass die oben in Randnummer 3 genannte Toleranzschwelle selektiv auf bestimmte Athleten oder Gruppen von Athleten angewandt worden sei, um sie von Wettkämpfen auszuschließen. Im Fall einer derartigen Diskriminierung entfiele offenkundig für die betreffende Regelung die vom Gerichtshof bei rein sportlichen Regelwerken (Urteil Walrave, Randnr. 9) anerkannte Beschränkung des Geltungsbereichs der Vertragsbestimmungen über die wirtschaftlichen Freiheiten. Diese Beschränkung ginge dann nämlich weiter, als ihr Zweck es erfordert, der in der Erhaltung des „edlen Wettstreit[s] oder … [der] anderen Ideale … des Sports“ liegt (Schlussanträge von Generalanwalt Cosmas zum Urteil Deliège, Nrn. 50 und 74). Eine solche Regelung fiele also nicht aus dem Geltungsbereich der Vertragsbestimmungen über die wirtschaftlichen Freiheiten heraus, und diese könnten verletzt sein; es wäre Sache der Kommission, eine solche Verletzung festzustellen und im Rahmen eines Verfahrens nach den Artikeln 81 EG und 82 EG zu ahnden, wenn die fragliche Regelung gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstieße.

50
Zum anderen ist das Gericht der Auffassung, dass die Argumente, mit denen die Kläger unter zwei verschiedenen Aspekten versuchen, die rein sportliche Natur der streitigen Anti-Doping-Regelung in Frage zu stellen, nicht durchdringen können.

51
Unter einem ersten Aspekt tragen die Kläger vor, dass die streitige Anti-Doping-Regelung in ihre wirtschaftlichen Freiheiten eingreife, weil sie wirtschaftliche Auswirkungen auf die Kläger habe.

52
Dieses Argument, das auf die These hinausläuft, dass eine Regelung nicht rein sportlich sein könne, wenn sie wirtschaftliche Auswirkungen habe, steht zur Rechtsprechung des Gerichtshofes im Widerspruch.

53
Gerade insoweit nämlich, als erstens ein sportliches Regelwerk wirtschaftliche Auswirkungen auf Berufssportler hat und zweitens dieses Regelwerk von manchen dieser Sportler für überzogen gehalten wird, kommt es zum Rechtsstreit und stellt sich die Frage, ob eine Regelung rein sportlichen Charakter hat (so bei den Regelungen, die Anlass zu den Urteilen Walrave, Deliège und Donà gaben) oder ob sie die sportliche Betätigung in ihrer wirtschaftlichen Dimension erfasst (so bei den Regelungen, die Anlass zu den Urteilen Bosman, Lehtonen und Kolpak gaben).

54
Die Kläger haben des Weiteren unter dem ersten Aspekt insbesondere in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die streitige Anti-Doping-Regelung überzogen sei und deshalb die im Vertrag garantierten wirtschaftlichen Freiheiten der Athleten verletze. Mit anderen Worten habe diese im Übrigen nichtdiskriminierende Regelung, soweit sie überzogen sei – und eben deswegen –, ihren Charakter als Anti-Doping-Regelung und mithin als ein rein sportliches Regelwerk verloren.

55
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Es steht nämlich fest, dass die streitigen Regeln ihrer Natur nach Anti-Doping-Bestimmungen sind. Sie verfolgen insbesondere kein diskriminierendes Ziel. Somit würde selbst dann, wenn diese Regeln überzogen sein sollten, daraus nicht folgen, dass sie ihr Wesen als rein sportliche Regeln einbüßen und ihre Rechtmäßigkeit von einer Beurteilung nach den wirtschaftlichen Kriterien des Wettbewerbsrechts abhängt, weil sie nicht weiter gehen, als ihr Zweck dies erfordert, der in der Bekämpfung des Dopings und dem Erhalt des Sportsgeistes liegt. Die Kläger räumen im Übrigen selbst ein, dass die Verfolgung dieses Zieles legitim ist.

56
Unter einem zweiten Aspekt bringen die Kläger in ihrer Klageschrift vor, dass der streitigen Anti-Doping-Regelung nicht nur altruistische Gesundheitserwägungen zugrunde lägen, sondern auch dem IOC eigene wirtschaftliche Erwägungen und insbesondere die im Grundsatz legitime Sorge, das wirtschaftliche Potential der Olympischen Spiele nicht durch mit dem Doping verbundene Skandale geschmälert zu sehen. Soweit dieses Vorbringen dahin geht, dass die streitige Anti-Doping-Regelung kein rein sportliches Regelwerk sei, ist es zurückzuweisen.

57
Die Tatsache nämlich, dass das IOC die – nach dem klägerischen Vorbringen legitime – Sorge gehabt haben mag, bei der Festlegung der streitigen Anti-Doping-Regelung das wirtschaftliche Potential der Olympischen Spiele zu wahren, führt als solche noch nicht dazu, dieser Regelung ihre rein sportliche Natur zu nehmen.

58
Selbst wenn bewiesen wäre – was nicht der Fall ist –, dass das IOC ausschließlich nach seinen wirtschaftlichen Interessen gehandelt hätte, spräche alles dafür, dass es als Toleranzschwelle den wissenschaftlich am besten begründeten Wert zugrunde gelegt hätte. Denn es ist davon auszugehen, dass das wirtschaftliche Interesse des IOC darin besteht, die wissenschaftlich exakteste Anti-Doping-Regelung zu haben, um einen sportlichen Wettkampf und somit ein Medieninteresse auf Höchstniveau sicherzustellen und zugleich Skandale zu vermeiden, die der systematische Ausschluss unschuldiger Athleten auslösen könnte.

59
Folglich ist die Argumentation der Kläger, dass die Festsetzung einer ihrer Ansicht nach zu niedrigen Toleranzschwelle mit den wirtschaftlichen Interessen des IOC im Einklang stehe, weder schlüssig noch überzeugend und muss verworfen werden.

60
Hinsichtlich der angefochtenen Entscheidung ist das Gericht der Auffassung, dass die in deren Randnummer 72 von der Kommission gezogene Schlussfolgerung, wonach „die fraglichen Regeln und Praktiken nicht unter das Verbot der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] fallen“, zutrifft.

61
Zu dieser Schlussfolgerung gelangte die Kommission, nachdem sie in Randnummer 40 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hatte, dass zur Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen Anti-Doping-Regeln mit Artikel 81 EG zu prüfen sei, ob sie im rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang ihrer Durchführung die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckten oder bewirkten, und festgestellt hatte, dass die Beschränkung des Wettbewerbs nicht Gegenstand dieser Regelungen sei. Es handele sich um nur zur Bekämpfung des Dopings bestimmte Instrumente, deren einziger Zweck darin liege, zu gewährleisten, dass diejenigen Athleten namhaft gemacht und mit Sanktionen belegt würden, deren Verhalten gegen die ihnen obliegenden Verpflichtungen hinsichtlich der Verwendung verbotener Sustanzen und verbotener Methoden verstoße (Randnr. 41 der angefochtenen Entscheidung). In Bezug auf die Auswirkungen auf den Wettbewerb war die Kommission der Auffassung, dass die streitigen Anti-Doping-Regeln zur Folge haben könnten, die Handlungsfreiheit der Athleten einzuschränken, dass eine solche Einschränkung aber nicht notwendigerweise eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 81 EG sei, weil sie mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf der Sportwettbewerbe untrennbar verbunden sein könne (Randnr. 42 der angefochtenen Entscheidung). Auf der Grundlage einer auf das Urteil Wouters gestützten Analyse gelangt die Kommission sodann in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die streitigen Anti-Doping-Regeln eng mit der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ablaufs der Sportwettbewerbe verknüpft seien, dass sie zur wirksamen Bekämpfung des Dopings notwendig seien und dass die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Athleten nicht über das hinausgehe, was zur Verwirklichung dieses Zieles erforderliche sei. Somit fielen die Regeln nicht unter das Verbot des Artikels 81 EG (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung).

62
In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts klargestellt, dass die angefochtene Entscheidung auf den oben in den Randnummern 37 und 41 genannten Urteilen Walrave, Donà und Deliège und somit auf der rein sportlichen Natur der streitigen Anti-Doping-Regelung beruhe. Sie hat hinzugefügt, dass sie die streitige Anti-Doping-Regelung, obwohl sie rein sportlicher Natur sei, nur „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ am Maßstab des Wettbewerbsrechts und nach der im Urteil Wouters entwickelten Methode geprüft habe. Die Kommission habe sich insbesondere versichern wollen, dass die streitige Anti-Doping-Regelung nicht diskriminierend sei.

63
Hinsichtlich dieses letzten Punktes erinnert das Gericht daran, dass in der Beschwerde keineswegs vorgetragen worden war, die streitige Anti-Doping-Regelung sei diskriminierend. Es stand vielmehr fest, dass sie auf alle Athleten Anwendung fand. Diese unstreitige Tatsache liegt der angefochtenen Entscheidung im Übrigen zugrunde und wird in deren Randnummer 50 nur erwähnt.

64
Hinsichtlich der allgemeineren Frage, ob die streitige Anti-Doping-Regelung von der Kommission – nach deren eigenen Worten – hilfsweise oder vorsorglich am Maßstab des Wettbewerbsrechts zu prüfen war, ist das Gericht der Auffassung, dass eine solche Prüfung tatsächlich nicht notwendig war, weil es sich um ein rein sportliches Regelwerk handelt und die Urteile Walrave, Donà und Deliège zu berücksichtigen sind.

65
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich der vorliegende Fall von der Rechtssache unterscheidet, in der das Urteil Wouters erging. Denn die in der Rechtssache Wouters in Rede stehende Regelung betraf ein Marktverhalten – die Bildung von Kooperationen zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern – und fand auf eine ihrem Wesen nach wirtschaftliche, nämlich anwaltliche Tätigkeit Anwendung. Die im vorliegenden Fall fragliche Regelung betrifft hingegen ein Verhalten – Doping –, das nicht mit einem Marktverhalten gleichgesetzt werden kann, ohne das Wesen des Sports zu entstellen, und findet auf eine Tätigkeit – das Sporttreiben – Anwendung, die ihrem Wesen nach, wie oben in Randnummer 45 dargelegt, nichts mit wirtschaftlichen Erwägungen zu tun hat.

66
Gleichwohl ist das Gericht der Auffassung, dass die Bezugnahme auf die Prüfungsmethode des Urteils Wouters jedenfalls nicht das Ergebnis in Frage stellen kann, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gelangt ist und wonach die streitige Anti-Doping-Regelung nicht in den Geltungsbereich der Artikel 81 EG und 82 EG fällt, weil dieses Ergebnis letztlich auf der Erwägung beruht, dass die streitige Anti-Doping-Regelung ein rein sportliches Regelwerk ist.

67
Die rein sportliche Natur der Regelung führt dazu, dass die Beanstandung der streitigen Anti-Doping-Regelung durch die Kläger den Regeln des Sports unterliegt und in die Zuständigkeit der mit der Beilegung sportlicher Streitigkeiten betrauten Stellen fällt. Hierbei erinnert das Gericht daran, dass den Klägern Rechtsbehelfe offenstanden, die sie nur teilweise eingelegt haben. Denn sie haben darauf verzichtet, den Schiedsspruch des TAS vom 23. Mai 2003 beim Schweizer Bundesgerichtshof anzufechten.

68
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen stellt das Gericht fest, dass die drei Nichtigkeitsgründe, die die Kläger zur Begründung ihrer Klage vorgebracht haben, nicht geeignet sind, zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu führen. Denn die beiden ersten Klagegründe, mit denen offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Einordnung des IOC als Unternehmen und bei der Anwendung der Kriterien des Urteils Wouters geltend gemacht werden, beruhen auf der unzutreffenden Prämisse, dass die streitige Anti-Doping-Regelung dem Wettbewerbsrecht unterliegt. Der dritte Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Anwendung von Artikel 49 EG geltend gemacht wird, beruht auf der unzutreffenden Prämisse, dass die streitige Anti-Doping-Regelung unter diese Bestimmung falle. Diese Klagegründe sind daher ohne weitere Prüfung zurückzuweisen.

69
Folglich ist die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne dass es notwendig wäre, dem Antrag der Kläger auf Anhörung zweier wissenschaftlicher Sachverständiger als Zeugen stattzugeben.


Kosten

70
Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, tragen nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.
Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Kläger tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

3.
Die Republik Finnland trägt ihre eigenen Kosten.

Legal

Tiili

Vilaras

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. September 2004.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

H. Legal


1
Verfahrenssprache: Französisch.