Language of document : ECLI:EU:C:2018:181

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

14. März 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2001/83/EG – Humanarzneimittel – Art. 28 und 29 – Dezentralisiertes Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels – Art. 10 – Generikum – Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels – Befugnis der zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten, den Zeitpunkt des Beginns der Schutzfrist festzulegen – Befugnis der Gerichte der betroffenen Mitgliedstaaten, die Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Schutzfrist zu überprüfen – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47“

In der Rechtssache C‑557/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2016, in dem Verfahren auf Betreiben von

Astellas Pharma GmbH,

Beteiligte:

Helm AG,

Lääkealan turvallisuus- ja kehittämiskeskus (Fimea),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Astellas Pharma GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt B. Sträter, M. I. Manley, Solicitor, und M. Segercrantz, asianajaja,

–        der Helm AG, vertreten durch Rechtsanwalt P. von Czettritz und K. Nyblin, asianajaja,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und J. Van Holm als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,

–        von Irland, vertreten durch M. Browne, L. Williams, E. Creedon und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von S. Kingston, Barrister,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch D. Robertson, J. Kraehling und G. Brown als Bevollmächtigte im Beistand von G. Peretz, Barrister,

–        des Königreichs Norwegen, vertreten durch K. B. Moen, E. Sawkins Eikeland und I. S. Jansen als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und M. Huttunen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Dezember 2017

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67, berichtigt im ABl. 2009, L 87, S. 174, und ABl. 2011, L 276, S. 63) in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 299, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83) sowie Art. 10 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens auf Betreiben der Astellas Pharma GmbH wegen der Entscheidung der Lääkealan turvallisuus- ja kehittämiskeskus (Zentrale Stelle für die Sicherheit und Entwicklung von Arzneimitteln, Finnland) (im Folgenden: Fimea), die Genehmigung für das Inverkehrbringen des von der Helm AG produzierten Generikums Alkybend zu erteilen.

 Rechtlicher Rahmen

3        Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 beschreibt diese als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des freien Verkehrs mit Arzneimitteln.

4        Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur [ABl. 2004, L 136, S. 1]) in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel (und zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung [EG] Nr. 726/2004 [ABl. 2006, L 378, S. 1]) und der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 (des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung [EG] Nr. 726/2004 [ABl. 2007, L 324, S. 121]) erteilt wurde.

Ist für ein Arzneimittel eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Unterabsatz 1 erteilt worden, so müssen auch alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen gemäß Unterabsatz 1 genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden. Alle diese Genehmigungen für das Inverkehrbringen werden insbesondere für den Zweck der Anwendung des Artikels 10 Absatz 1 als Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen angesehen.“

5        Art. 8 Abs. 3 Buchst. i dieser Richtlinie sieht vor, dass dem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen Ergebnisse von pharmazeutischen (physikalisch-chemischen, biologischen oder mikrobiologischen) Versuchen, vorklinischen (toxikologischen und pharmakologischen) Versuchen und klinischen Versuchen beizufügen sind.

6        Art. 10 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Artikel 6 seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft genehmigt ist oder wurde.

Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung genehmigt wurde, wird erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht.

Der in Unterabsatz 2 vorgesehene Zeitraum von zehn Jahren wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.

(2)      Im Sinne dieses Artikels bedeutet

a)      ‚Referenzarzneimittel‘ ein gemäß Artikel 6 in Übereinstimmung mit Artikel 8 genehmigtes Arzneimittel;

b)      ‚Generikum‘ ein Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. …

(5)      Zusätzlich zu den Bestimmungen des Absatzes 1 wird, wenn es sich um einen Antrag für eine neue Indikation eines bereits gut etablierten Wirkstoffs handelt, eine nicht kumulierbare Ausschließlichkeitsfrist von einem Jahr für die Daten gewährt, sofern bedeutende vorklinische oder klinische Studien im Zusammenhang mit der neuen Indikation durchgeführt wurden.

…“

7        Art. 19 Nr. 1 der Richtlinie 2001/83 sieht vor, dass bei der Prüfung des gemäß Art. 8 und den Art. 10, 10a, 10b und 10c gestellten Antrags die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats die Übereinstimmung der eingereichten Angaben und Unterlagen mit diesen Artikeln zu prüfen und festzustellen hat, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen gegeben sind.

8        Gemäß Art. 26 Abs. 2 dieser Richtlinie wird die Genehmigung für das Inverkehrbringen versagt, wenn Angaben oder Unterlagen zur Stützung des Antrags nicht Art. 8, 10, 10a, 10b und 10c entsprechen.

9        Art. 28 dieser Richtlinie über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren bestimmt:

„(1)      Im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in mehr als einem Mitgliedstaat reicht der Antragsteller einen auf einem identischen Dossier beruhenden Antrag in diesen Mitgliedstaaten ein. Das Dossier enthält die in den Artikeln 8, 10, 10a, 10b, 10c und 11 genannten Informationen und Unterlagen. Die vorgelegten Unterlagen umfassen eine Liste der Mitgliedstaaten, auf die sich der Antrag bezieht.

Der Antragsteller ersucht einen Mitgliedstaat, als ‚Referenzmitgliedstaat‘ zu fungieren und einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel gemäß den Absätzen 2 und 3 zu erstellen.

(2)      Liegt für das Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, so erkennen die betroffenen Mitgliedstaaten die von dem Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen an. Zu diesem Zweck ersucht der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen den Referenzmitgliedstaat, entweder einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel zu erstellen oder, falls erforderlich, einen bereits bestehenden Beurteilungsbericht zu aktualisieren. Der Referenzmitgliedstaat erstellt oder aktualisiert den Beurteilungsbericht innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags. Der Beurteilungsbericht und die gebilligte Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sowie die Etikettierung und Packungsbeilage werden den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller übermittelt.

(3)      Liegt zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels vor, so ersucht der Antragsteller den Referenzmitgliedstaat, einen Entwurf des Beurteilungsberichts, einen Entwurf der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und einen Entwurf der Etikettierung und der Packungsbeilage zu erstellen. Der Referenzmitgliedstaat arbeitet die Entwürfe dieser Unterlagen innerhalb von 120 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags aus und übermittelt sie den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller.

(4)      Innerhalb von 90 Tagen nach Eingang der in den Absätzen 2 und 3 genannten Unterlagen billigen die betroffenen Mitgliedstaaten den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sowie die Etikettierung und die Packungsbeilage und setzen den Referenzmitgliedstaat davon in Kenntnis. Der Referenzmitgliedstaat stellt das Einverständnis aller Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller.

(5)      Jeder Mitgliedstaat, in dem ein Antrag gemäß Absatz 1 gestellt wurde, trifft innerhalb von 30 Tagen nach Feststellung des Einverständnisses eine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Beurteilungsbericht, der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, der Etikettierung und der Packungsbeilage in ihrer genehmigten Form.“

10      In Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Kann ein Mitgliedstaat aus Gründen einer potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit innerhalb der in Artikel 28 Absatz 4 genannten Frist den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage nicht genehmigen, so übermittelt er dem Referenzmitgliedstaat, den übrigen betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller eine ausführliche Begründung. Die Punkte, über die unterschiedliche Auffassungen bestehen, sind der Koordinierungsgruppe unverzüglich mitzuteilen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Am 19. Juli 2005 erteilte das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: deutsches Bundesinstitut) der Astellas Pharma nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften für die Indikationen Nicht-Hodgkin-Lymphom (NHL) und Multiples Myelom (MM) eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Ribomustin, das den Wirkstoff Bendamustin enthält.

12      Nach Abschluss des dezentralisierten Verfahrens gemäß Art. 28 der Richtlinie 2001/83, für das die Bundesrepublik Deutschland der Referenzmitgliedstaat war, erteilte die Französische Republik als erster Mitgliedstaat Astellas Pharma am 15. Juli 2010 für die Indikationen NHL, MM und chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels namens Levact, dessen Wirkstoff ebenfalls Bendamustin ist.

13      Am 7. November 2012 beantragte Helm im Wege eines dezentralisierten Verfahrens, in dem das Königreich Dänemark der Referenzmitgliedstaat sowie das Königreich Norwegen und die Republik Finnland die betroffenen Mitgliedstaaten waren, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Alkybend. In ihrem Antrag gab Helm an, dass, obwohl Alkybend ein Generikum, das den Wirkstoff Bendamustinhydrochlorid enthalte, und Levact das Referenzarzneimittel sei, für die Feststellung der Unterlagenschutzfrist dennoch Ribomustin als Referenzarzneimittel zu betrachten sei.

14      Im Anschluss an dieses Verfahren, das am 17. Januar 2014 abgeschlossen wurde, erteilte die Fimea am 28. März 2014 Helm im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Beurteilungsberichts der zuständigen dänischen Behörde die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Alkybend. Diesem Bericht zufolge war die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Levact als Teil der Genehmigung für Ribomustin im Jahr 2005 anzusehen und Ribomustin als Referenzarzneimittel für die Feststellung der Dauer der Unterlagenschutzfrist zu betrachten.

15      Astellas Pharma erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland), die mit der Begründung abgewiesen wurde, dass sie die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen am 19. Juli 2005 erhalten habe und dass die Fimea am 28. März 2014 Helm zu Recht eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Alkybend habe erteilen können, da die Unterlagenschutzfrist für Levact wegen der Anwendung von Übergangsvorschriften sechs Jahre betragen habe.

16      Da Astellas Pharma der Ansicht war, dass die Unterlagenschutzfrist nicht am 19. Juli 2005, sondern am 15. Juli 2010, dem Zeitpunkt der Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen von Levact, begonnen habe, beantragte sie beim vorlegenden Gericht, dem Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland), die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Entscheidung der Fimea.

17      Astellas Pharma macht zur Stützung dieses Antrags insbesondere geltend, dass die Entscheidung des deutschen Bundesinstituts vom 19. Juli 2005 nicht mit der Richtlinie 2001/83 vereinbar und nie in Bestandskraft erwachsen sei, was eine der beantragten Indikationen für Ribomustin anbelange, die von diesem Institut abgelehnt worden sei. Astellas Pharma macht darüber hinaus geltend, dass der Erhalt der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Levact auch für die vom deutschen Bundesinstitut genehmigten Indikationen für Ribomustin weitere umfangreiche Studien vorausgesetzt habe.

18      Das vorlegende Gericht weist zum einen darauf hin, dass Astellas Pharma nicht Partei des dezentralisierten Verfahrens für die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Alkybend und daher auch nicht Partei des Verfahrens bei der Fimea gewesen sei, so dass sie während des dezentralisierten Verfahrens auch nicht ihre Unterlagen habe schützen können. In diesem Zusammenhang weist es darauf hin, es habe bereits entschieden, dass der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels das Recht habe, gegen die Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums einen Rechtsbehelf einzulegen, wenn geltend gemacht werde, dass diese Genehmigung für das Inverkehrbringen den Unterlagenschutz des Referenzarzneimittels, insbesondere wegen der fehlerhaften Festlegung des Zeitpunkts des Beginns dieses Schutzes beeinträchtige. Seiner Auffassung nach entspricht diese Lösung dem Urteil vom 23. Oktober 2014, Olainfarm (C‑104/13, EU:C:2014:2316).

19      Zum anderen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass aus Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 und aus dem Urteil vom 16. Oktober 2008, Synthon (C‑452/06, EU:C:2008:565), hervorgehe, dass ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt worden sei, die Bewertungen, die die Behörden des Referenzmitgliedstaats im Verfahren zur Beurteilung des Arzneimittels vorgenommen hätten, nicht aus einem anderen Grund als dem einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit in Frage stellen könne. In gleicher Weise sind seiner Ansicht nach die Möglichkeiten eines Mitgliedstaats, der an einem dezentralisierten Verfahren teilnimmt, einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu widersprechen, auf den Fall beschränkt, in dem das Referenzarzneimittel als Gefahr für die öffentliche Gesundheit betrachtet wird.

20      Wenn in Anbetracht dessen und nach der einstimmigen Annahme der Schlussfolgerungen des im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens erstellten Beurteilungsberichts die Fimea nicht befugt wäre, selbständig den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist zu beurteilen, stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, wie ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz für Astellas Pharma in Finnland gewährleistet werden kann. Für den Fall, dass die Ansicht vertreten werden sollte, dass ein Gericht eines von diesem Verfahren betroffenen Mitgliedstaats über eine den Unterlagenschutz eines Referenzarzneimittels betreffende Rüge entscheiden darf, stellt sich dem vorlegenden Gericht auch die Frage, ob dieses Gericht in diesem Rahmen die Befugnis hat, die Vereinbarkeit der Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen, die dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde, mit der Richtlinie 2001/83 zu beurteilen.

21      Unter diesen Umständen hat der Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 28 Abs. 5 und Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde des von einem dezentralen Verfahren zur Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums betroffenen Mitgliedstaats bei der Erteilung der nationalen Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie über keine selbständige Befugnis verfügt, den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels festzustellen?

2.      Falls die erste Frage dahin zu beantworten ist, dass die zuständige Behörde des Mitgliedstaats über keine selbständige Befugnis verfügt, bei der Erteilung der nationalen Genehmigung für das Inverkehrbringen den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels zu prüfen:

–        Muss ein Gericht dieses Mitgliedstaats dennoch auf den Rechtsbehelf des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels hin den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist prüfen, oder gilt für das Gericht die gleiche Beschränkung wie für die Behörde des Mitgliedstaats?

–        Wie wird beim fraglichen mitgliedstaatlichen Gericht in diesem Fall das Recht des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gemäß Art. 47 der Charta und Art. 10 der Richtlinie 2001/83 in Bezug auf den Unterlagenschutz gewahrt?

–        Umfasst das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz die Verpflichtung des einzelstaatlichen Gerichts, zu prüfen, ob die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im Einklang mit den Vorschriften der Richtlinie 2001/83 ergangen ist?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

22      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 28 und Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums die zuständige Behörde eines von diesem Verfahren betroffenen Mitgliedstaats bei dem Erlass ihrer Entscheidung gemäß Art. 28 Abs. 5 dieser Richtlinie über das Inverkehrbringen dieses Generikums in diesem Mitgliedstaat selbst den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels festlegen darf.

23      Hierzu ist festzustellen, dass das in Art. 28 der Richtlinie 2001/83 vorgesehene dezentralisierte Verfahren mehrere Phasen umfasst. Zunächst sieht Abs. 1 dieses Artikels vor, dass der Antragsteller im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in mehr als einem Mitgliedstaat einen auf einem identischen Dossier beruhenden Antrag in diesen Mitgliedstaaten einreicht. Das Dossier enthält die nach Maßgabe dieser Richtlinie erforderlichen Unterlagen und Angaben sowie die Liste der betroffenen Mitgliedstaaten. Der Antragsteller ersucht einen dieser Mitgliedstaaten, als Referenzmitgliedstaat zu fungieren und einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel, einen Entwurf der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und einen Entwurf der Etikettierung und der Packungsbeilage zu erstellen. Gemäß Art. 3 und 4 dieses Artikels arbeitet der Referenzmitgliedstaat dann die Entwürfe dieser Unterlagen innerhalb von 120 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags aus und übermittelt sie den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller. Innerhalb von 90 Tagen nach Eingang dieser Unterlagen billigen die betroffenen Mitgliedstaaten den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sowie die Etikettierung und die Packungsbeilage und setzen den Referenzmitgliedstaat davon in Kenntnis. Der Referenzmitgliedstaat stellt das Einverständnis aller Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller. Schließlich trifft nach Art. 28 Abs. 5 jeder Mitgliedstaat, in dem ein Antrag gestellt wurde, dann innerhalb von 30 Tagen nach Feststellung des Einverständnisses eine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Beurteilungsbericht, der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, der Etikettierung und der Packungsbeilage in ihrer genehmigten Form.

24      Kann ein Mitgliedstaat aus Gründen einer potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit innerhalb der in Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen 90-Tage-Frist den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage nicht genehmigen, sieht Art. 29 dieser Richtlinie zudem ein Streitbeilegungsverfahren vor.

25      Wie der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, geht aus diesen Bestimmungen hervor, dass die betroffenen Mitgliedstaaten an dem Verfahren teilnehmen, das mit der Feststellung des Einverständnisses aller Mitgliedstaaten, in denen der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wurde, durch den Referenzmitgliedstaat endet, und dass nach dieser Feststellung die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten verpflichtet sind, über die Genehmigung für das Inverkehrbringen in Übereinstimmung mit dem Beurteilungsbericht für das betreffende Arzneimittel zu entscheiden.

26      Ist also einmal dieses Einverständnis aller festgestellt worden, haben die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten bei Erlass ihrer Entscheidung über das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels auf ihrem Hoheitsgebiet nicht mehr die Möglichkeit, das Ergebnis dieses Verfahrens in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass sie im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 28 Abs. 5 der Richtlinie 2001/83 stünde, würde eine Auslegung, die diese Möglichkeit eröffnen würde, dem dezentralisierten Verfahren jeden Sinn nehmen und insbesondere die Verwirklichung des im 14. Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziels des freien Verkehrs mit Arzneimitteln gefährden (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Oktober 2008, Synthon, C‑452/06, EU:C:2008:565, Rn. 32).

27      Was die Frage anbelangt, ob das Verfahren, das mit der Feststellung des Einverständnisses aller endet und an dem alle Mitgliedstaaten, in denen der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wurde, beteiligt sind, eine Überprüfung des Ablaufs der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels umfasst, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 den Antragsteller verpflichtet, allen diesen Mitgliedstaaten zur Stützung seines Antrags ein Dossier zu übermitteln, das insbesondere die in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Unterlagen und Angaben umfasst. Art. 10 Abs. 1 erster Gedankenstrich stellt den Antragsteller davon frei, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Art. 6 dieser Richtlinie seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Europäischen Union genehmigt ist oder wurde. Somit sind die Unterlagen des Referenzarzneimittels zugunsten des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels während dieses Zeitraums geschützt und stehen also nicht zur Verfügung, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums zu begründen.

28      Zum anderen ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des gemäß Art. 10 gestellten Antrags die Übereinstimmung des eingereichten Dossiers mit diesem Artikel zu prüfen und festzustellen hat, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen gegeben sind. Diese ist gemäß Art. 26 Abs. 2 dieser Richtlinie zu versagen, wenn die Angaben und Unterlagen zur Stützung dieses Antrags nicht den Bestimmungen des Art. 10 entsprechen.

29      Daraus folgt, dass der Ablauf der Unterlagenschutzfrist für das Referenzarzneimittel eine Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums ist und dass im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens für die Genehmigung für das Inverkehrbringen die Einhaltung dieser Bedingung von allen daran teilnehmenden Mitgliedstaaten zu überprüfen ist. Daher obliegt es diesen Mitgliedstaaten, ab dem Einreichen des Antrags und in jedem Fall vor der Feststellung des Einverständnisses aller, diesem Antrag zu widersprechen, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.

30      In Anbetracht der Systematik der Richtlinie 2001/83 muss daher ein Mitgliedstaat in dem speziellen Fall, dass zwischen den Mitgliedstaaten, die am dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums teilnehmen, unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Einhaltung dieser Voraussetzungen bestehen, den Beurteilungsbericht dieses Arzneimittels ablehnen können, wenn er der Ansicht ist, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Demnach kann ein Mitgliedstaat im Fall von Meinungsverschiedenheiten über die Einhaltung der Voraussetzung des Ablaufs der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels den Beurteilungsbericht über das Generikum ablehnen.

31      Folglich umfasst das Verfahren, das mit der Feststellung des Einverständnisses aller endet und an dem alle Mitgliedstaaten, in denen der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wurde, beteiligt sind, eine Prüfung des Ablaufs der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels, so dass die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten nach der Feststellung dieses Einverständnisses nicht erneut eine solche Prüfung durchführen können.

32      Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 28 und Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums die zuständige Behörde eines von diesem Verfahren betroffenen Mitgliedstaats bei dem Erlass ihrer Entscheidung gemäß Art. 28 Abs. 5 dieser Richtlinie über das Inverkehrbringen dieses Generikums in diesem Mitgliedstaat nicht selbst den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels festlegen darf.

 Zur zweiten Frage

33      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 der Richtlinie 2001/83 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, das mit einem Rechtsbehelf des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats über die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums in diesem Mitgliedstaat befasst ist, befugt ist, die Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels zu prüfen und festzustellen, ob die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat mit dieser Richtlinie vereinbar war.

34      Hierzu hat der Gerichtshof in Rn. 37 des Urteils vom 23. Oktober 2014, Olainfarm (C‑104/13, EU:C:2014:2316), bereits dargelegt, dass Art. 10 der Richtlinie 2001/83 die Voraussetzungen festlegt, unter denen es der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels tolerieren muss, dass sich der Hersteller eines anderen Arzneimittels, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses anderen Arzneimittels zu erhalten, auf die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche beziehen kann, die in dem Dossier zum Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des ersten Arzneimittels enthalten sind, statt selbst solche Versuche durchzuführen, und dass sich daraus ergibt, dass Art. 10 der Richtlinie dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des ersten Arzneimittels entsprechend das Recht verleiht, die Beachtung der Rechte zu verlangen, die sich ihn betreffend aus diesen Voraussetzungen ergeben.

35      So hat der Gerichtshof in Rn. 38 des Urteils vom 23. Oktober 2014, Olainfarm (C‑104/13, EU:C:2014:2316), festgestellt, dass der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums berechtigt ist, zu verlangen, dass dieses Arzneimittel gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 nicht vor Ablauf von acht Jahren ab der Erteilung dieser Genehmigung für das Inverkehrbringen als Referenzarzneimittel verwendet wird, um die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels eines anderen Herstellers zu erhalten, oder dass ein Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen auf der Grundlage dieses Artikels genehmigt wurde, nicht vor Ablauf des Zeitraums von zehn Jahren, der gegebenenfalls auf elf Jahre verlängert wird, nach Erteilung dieser Genehmigung in den Verkehr gebracht wird.

36      Dementsprechend hat der Gerichtshof in den Rn. 39 und 40 des Urteils vom 23. Oktober 2014, Olainfarm (C‑104/13, EU:C:2014:2316), entschieden, dass dem Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels, das im Rahmen eines auf der Grundlage des Art. 10 der Richtlinie 2001/83 eingereichten Antrags auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen als Referenzarzneimittel verwendet wird, nach dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 47 der Charta das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz hinsichtlich der Beachtung dieser Rechte zuzuerkennen ist und er daher das Recht hat, gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde, mit der eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums erteilt wurde, einen Rechtsbehelf einzulegen, soweit es darum geht, gerichtlichen Schutz eines Rechts zu erlangen, das Art. 10 der Richtlinie 2001/83 diesem Inhaber zuerkennt.

37      Daraus folgt, dass der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels das Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde, mit der die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums erteilt wurde, hat, um die Wahrung des Unterlagenschutzes des Referenzarzneimittels zu erreichen, der sich aus Art. 10 der Richtlinie 2001/83 ergibt, und dass er dazu die Festlegung des Beginns der Unterlagenschutzfrist im Rahmen dieses Rechtsbehelfs anfechten können muss.

38      In dem in Art. 28 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen dezentralisierten Verfahren erlässt, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, jeder Mitgliedstaat, in dem ein Antrag gestellt wurde, gemäß Art. 28 Abs. 5 dieser Richtlinie zum Abschluss des Verfahrens, das mit der Feststellung des Einverständnisses aller Mitgliedstaaten endet, eine Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums. Die genannte Richtlinie sieht während dieses Verfahrens, an dem der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht teilnimmt, keinen Erlass anderer Rechtsakte vor, gegen die dieser einen Rechtsbehelf einlegen könnte und auch kein gerichtliches Verfahren, das es ihm gestatten würde, diese Rechte vor dem Erlass einer Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen der zuständigen Behörde eines dieser Mitgliedstaaten geltend zu machen.

39      Daraus folgt, dass der wirksame gerichtliche Rechtsschutz, über den der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im Hinblick auf den Unterlagenschutz dieses Arzneimittels verfügt, nur dann gewährleistet werden kann, wenn dieser Inhaber diese Rechte vor einem Gericht des Mitgliedstaats geltend machen kann, dessen zuständige Behörde eine Entscheidung über die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums getroffen hat, und wenn er insbesondere vor diesem einen Fehler bei der Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Unterlagenschutzfrist geltend machen kann, den diese Entscheidung angeblich enthält.

40      Jedoch bedeutet dieses Erfordernis des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht, dass der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels vor diesem Gericht die Vereinbarkeit der Entscheidungen über die Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels in anderen Mitgliedstaaten mit der Richtlinie 2001/83 in Frage stellen kann. Dieser Inhaber verfügt nämlich über ein Klagerecht gegen diese anderen Entscheidungen vor den Gerichten, denen die Rechtmäßigkeitskontrolle der Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörden im jeweiligen Mitgliedstaat obliegt, das er innerhalb der vorgeschriebenen Fristen ausüben kann oder ausüben konnte.

41      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 10 der Richtlinie 2001/83 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, das mit einem Rechtsbehelf des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats über die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums in diesem Mitgliedstaat befasst ist, befugt ist, die Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels zu prüfen. Dieses Gericht ist hingegen nicht befugt, festzustellen, ob die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels mit dieser Richtlinie vereinbar war.

 Kosten

42      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 28 und Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums die zuständige Behörde eines von diesem Verfahren betroffenen Mitgliedstaats bei dem Erlass ihrer Entscheidung gemäß Art. 28 Abs. 5 dieser Richtlinie über das Inverkehrbringen dieses Generikums in diesem Mitgliedstaat nicht selbst den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels festlegen darf.

2.      Art. 10 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, das mit einem Rechtsbehelf des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats über die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums in diesem Mitgliedstaat befasst ist, befugt ist, die Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels zu prüfen. Dieses Gericht ist hingegen nicht befugt, festzustellen, ob die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels mit dieser Richtlinie vereinbar war.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Finnisch.