Language of document : ECLI:EU:C:2017:468

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

15. Juni 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 – Art. 3 Abs. 1 – Finanzierung aus dem Kohäsionsfonds – Vorhaben der Entwicklung eines regionalen Abfallentsorgungssystems – Unregelmäßigkeiten – Begriff ‚mehrjähriges Programm‘ – Endgültiger Abschluss des mehrjährigen Programms – Verjährungsfrist“

In der Rechtssache C‑436/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) mit Entscheidung vom 10. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 10. August 2015, in dem Verfahren

Lietuvos Respublikos aplinkos ministerijos Aplinkos projektų valdymo agentūra

gegen

„Alytaus regiono atliekų tvarkymo centrasUAB,

Beteiligte:

Lietuvos Respublikos finansų ministerija,

„Skirnuva“ UAB,

„Parama“ UAB,

„Alkesta“ UAB,

„Dzūkijos statyba“ UAB,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras (Berichterstatter), J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der litauischen Regierung, vertreten durch D. Stepanienė und D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch S. Papaioannou und S. Charitaki als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė, D. Recchia und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Januar 2017

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995, L 312, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lietuvos Respublikos aplinkos ministerijos Aplinkos projektų valdymo agentūra (Agentur für die Verwaltung von Umweltvorhaben des litauischen Umweltministeriums, im Folgenden: Verwaltungsbehörde) und dem „Alytaus regiono atliekų tvarkymo centras“ UAB (Zentrum für Abfallentsorgung der Region Alytus, Litauen, im Folgenden: begünstigtes Unternehmen) wegen Rückerstattung eines Teils der Mittel, die es aus dem Kohäsionsfonds erhalten hat, durch das begünstigte Unternehmen.

 Rechtlicher Rahmen

 Die Verordnung Nr. 2988/95

3        Im dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2988/95 heißt es:

„… Es ist … wichtig, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der [Union] zu bekämpfen.“

4        Art. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 bestimmt:

„(1)      Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen [Union] wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das [Union]srecht getroffen.

(2)      Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine [Union]sbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der [Union] oder die Haushalte, die von [der Union] verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der [Union] erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.“

5        Art. 3 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf.

Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms.

Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.

Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind die Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 ausgesetzt worden ist.“

6        Art. 4 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils

–        durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

…“

 Die Regelung über den Kohäsionsfonds

 Die Verordnung (EG) Nr. 1164/94

7        Mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates vom 16. Mai 1994 zur Errichtung des Kohäsionsfonds (ABl. 1994, L 130, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1264/1999 der Rates vom 21. Juni 1999 (ABl. 1999, L 161, S. 57), die Verordnung (EG) Nr. 1265/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 (ABl. 1999, L 161, S. 62) sowie die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1164/94) wird ein – in dieser Verordnung „Fonds“ genannter – Kohäsionsfonds geschaffen.

8        Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1164/94 sieht vor:

„Ein Finanzierungsbeitrag aus dem Fonds ist möglich bei

–        Vorhaben oder

–        technisch und finanziell voneinander unabhängigen Vorhabenphasen oder

–        mit einer deutlich erkennbaren Strategie verbundenen Gruppen von Vorhaben, die ein geschlossenes Ganzes bilden.“

9        Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1164/94 zählt die „förderungswürdigen Vorhaben“ im Rahmen des Kohäsionsfonds wie folgt auf:

„Der Fonds kann folgende Vorhaben unterstützen:

–        Umweltvorhaben, die zur Erreichung der Ziele von Artikel 130r des Vertrages [(Art. 191 AEUV)] beitragen …

…“

10      Gemäß Art. 4 der Verordnung mussten die verfügbaren Mittel für Verpflichtungen für Litauen für den Zeitraum von 2004 bis 2006 gewährt werden.

11      Art. 10 der Verordnung Nr. 1164/94 sieht folgende Regeln für die Genehmigung der Vorhaben vor:

„(1)      Die Kommission legt im Einvernehmen mit dem begünstigten Mitgliedstaat die im Rahmen des Fonds zu finanzierenden Vorhaben fest.

(3)      Die Anträge auf finanzielle Unterstützung eines Vorhabens gemäß Artikel 3 Absatz 1 sind vom begünstigten Mitgliedstaat zu stellen. Die

Vorhaben, einschließlich Gruppen zusammenhängender Vorhaben, müssen groß genug angelegt sein, um sich in nachhaltiger Weise auf den Umweltschutz … auszuwirken …

(4)      Die Anträge enthalten folgende Angaben: für die Durchführung zuständige Stelle …

(6)      Sind die Bedingungen dieses Artikels erfüllt, so entscheidet die Kommission … in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags über die Gewährung einer Unterstützung aus dem Fonds. In den Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung der Vorhaben, Vorhabenphasen oder Gruppen zusammenhängender Vorhaben werden die Höhe der finanziellen Unterstützung, der Finanzierungsplan sowie die für die Durchführung der Vorhaben notwendigen Bestimmungen und Bedingungen festgelegt.

(7)      Die wichtigsten Punkte der Kommissionsentscheidungen werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.“

12      Art. 12 („Finanzkontrolle“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1164/94 bestimmt:

„Unbeschadet der Zuständigkeit der Kommission für die Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinschaft übernehmen in erster Linie die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Finanzkontrolle der Vorhaben. Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Maßnahmen:

d)      Sie bescheinigen, dass die der Kommission vorgelegten Ausgabenerklärungen korrekt sind und gewährleisten, dass sie auf Buchführungssystemen beruhen, die sich auf überprüfbare Belege stützen.

e)      Sie beugen Unregelmäßigkeiten vor, decken sie auf, unterrichten die Kommission hierüber in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften und halten die Kommission über den Stand von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf dem Laufenden. Dabei treffen die Mitgliedstaaten und die Kommission die notwendigen Vorkehrungen, um die Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen zu wahren.

f)      Sie legen der Kommission beim Abschluss einer jeden Vorhabensstufe, eines jeden Vorhabens oder jeder Vorhabensgruppe einen Vermerk vor, der von einer in ihrer Funktion von der benannten Behörde unabhängigen Person oder Stelle erstellt worden ist. Der Vermerk enthält einen Überblick über die Ergebnisse der in den vorangegangenen Jahren durchgeführten Kontrollen sowie eine Schlussfolgerung zur Gültigkeit des Auszahlungsantrags für den Restbetrag und zur Rechtmäßigkeit und zur Ordnungsmäßigkeit der durch die endgültige Erklärung erfassten Ausgaben. Die Mitgliedstaaten fügen diesem Vermerk gegebenenfalls ihre Stellungnahme bei.

g)      Sie arbeiten mit der Kommission zusammen, um sicherzustellen, dass die Gemeinschaftsmittel nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verwendet werden.

h)      Sie fordern die infolge einer festgestellten Unregelmäßigkeit verloren gegangenen Beträge zurück und erheben gegebenenfalls Verzugszinsen.“

13      Art. 16a („Sonderbestimmungen für die Zeit nach dem Beitritt zur Europäischen Union eines neuen Mitgliedstaats, der Heranführungshilfe im Rahmen des Instruments für Strukturpolitik zur Vorbereitung auf den Beitritt [ISPA] erhält“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1164/94 sieht vor:

„Maßnahmen, die am Tag des Beitritts … Litauens … Gegenstand von Kommissionsbeschlüssen über Unterstützung gemäß der [Verordnung (EG) Nr. 1267/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über ein strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt (ABl. 1999, L 161, S. 73)] … waren und deren Durchführung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, gelten als gemäß der Verordnung der Kommission genehmigt. Sofern unter den Absätzen 2 bis 5 nicht anders angegeben, gelten für derartige Maßnahmen die Bestimmungen zur Durchführung von Maßnahmen, die gemäß dieser Verordnung genehmigt wurden.“

14      Die Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1164/94 sind in Anhang II zu dieser Verordnung (im Folgenden: Anhang II) festgelegt, auf den Art. 15 der Verordnung verweist.

15      Art. C des Anhangs II, der die Mittelbindungen betrifft, sieht vor:

„(1)      Die Mittelbindungen werden auf der Grundlage der Kommissionsentscheidungen über die Genehmigung der betreffenden Aktionen (Vorhaben, Vorhabenphase, Gruppe von Vorhaben, Studie oder Maßnahme der technischen Hilfe) vorgenommen. Sie gelten für einen Zeitraum, der sich nach der Art der betreffenden Aktion und den besonderen Bedingungen ihrer Durchführung richtet.

(4)      Die Modalitäten der Mittelbindung werden in den Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung der betreffenden Aktionen festgelegt.

…“

16      Art. D des Anhangs II sieht folgende Modalitäten für die Zahlungen für finanzielle Beteiligungen vor:

„(1)      Die Zahlungen für finanzielle Beteiligungen werden in Übereinstimmung mit den Mittelbindungen an die Behörde oder die Einrichtung geleistet, die in dem Antrag des begünstigten Mitgliedstaats zu diesem Zweck benannt worden ist. Die Zahlungen können in Form von Vorauszahlungen, Zwischenzahlungen oder Restzahlungen geleistet werden. Die Zwischenzahlungen und Restzahlungen betreffen die tatsächlich getätigten Ausgaben, die durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsunterlagen zu belegen sind.

(2)      Die Zahlungen werden nach folgenden Modalitäten geleistet:

d)      Der auf der Grundlage der bescheinigten und tatsächlich getätigten Ausgaben berechnete Restbetrag der Beteiligung wird gezahlt, wenn

–        das Vorhaben, die Vorhabenphase oder die Gruppe von Vorhaben entsprechend den Zielvorgaben abgeschlossen ist;

–        die benannte Behörde oder Einrichtung gemäß Absatz 1 innerhalb von sechs Monaten nach dem Ablauf der in der Entscheidung über die Gewährung der Beteiligung angegebenen Frist für den Abschluss der Arbeiten und der Zahlungen des Vorhabens, der Vorhabensphase oder der Gruppe von Vorhaben bei der Kommission einen Antrag auf Auszahlung stellt;

–        der Kommission der in Artikel F Absatz 4 genannte Schlussbericht vorgelegt worden ist;

–        der Mitgliedstaat der Kommission eine Bescheinigung übersendet, mit der die im Auszahlungsantrag und im Bericht enthaltenen Angaben bestätigt werden;

–        der Mitgliedstaat der Kommission die in Artikel 12 Absatz 1 genannte Erklärung übersendet;

–        alle von der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 beschlossenen Informations- und Publizitätsmaßnahmen durchgeführt worden sind.

(3)      Wenn der Schlussbericht gemäß Absatz 2 der Kommission nicht innerhalb von 18 Monaten nach der in der Entscheidung zur Gewährung der Beteiligung genannten Frist für den Abschluss der Arbeiten und der Zahlungen vorgelegt worden ist, wird der Teil der Beteiligung annulliert, der dem Restbetrag für das Vorhaben entspricht.

(5)      Die Zahlungen werden an die von den Mitgliedstaaten benannte Behörde oder Einrichtung geleistet und erfolgen in der Regel spätestens zwei Monate nach Eingang eines zulässigen Antrages[,] soweit noch Haushaltsmittel vorhanden sind.

(7)      Die Kommission legt gemeinsame Regeln für die Zuschussfähigkeit der Ausgaben fest.“

17      Art. F Abs. 4 des Anhangs II bestimmt:

„Für jedes Vorhaben wird der Kommission von der zu diesem Zweck von dem Mitgliedstaat benannten Behörde oder Einrichtung innerhalb von drei Monaten nach Ende jedes vollen Durchführungsjahres ein Lagebericht vorgelegt. Innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Vorhabens oder der Vorhabenphase wird der Kommission ein Schlussbericht vorgelegt.

…“

 Die Verordnung Nr. 1267/1999

18      Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1267/1999 sieht vor:

„Hiermit wird ein Instrument für Strukturpolitik zur Vorbereitung auf den Beitritt, nachstehend ‚ISPA‘ genannt, geschaffen.

ISPA sieht eine Unterstützung vor, um die Bewerberländer … Litauen …, nachstehend ‚begünstigte Länder‘ genannt, gemäß den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien … in Bezug auf die Umwelt[politik] auf den Beitritt zur Europäischen Union vorzubereiten.“

19      Gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1267/1999 werden die förderfähigen Maßnahmen im Rahmen von ISPA wie folgt definiert:

„(1)      Die im Rahmen von ISPA gewährte Gemeinschaftsunterstützung schließt Projekte, technisch und finanziell unabhängige Projektabschnitte, Projektgruppen oder Projektprogramme im Bereich von Umwelt …, nachstehend insgesamt als ‚Maßnahmen‘ bezeichnet, ein. …

(2)      Im Hinblick auf die in Artikel 1 genannten Ziele gewährt die Gemeinschaft im Rahmen von ISPA eine Unterstützung für:

a)      Umweltmaßnahmen, die die begünstigten Länder in die Lage versetzen, die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Umweltbereich und die Ziele der Beitrittspartnerschaften zu erfüllen;

…“

20      Art. 3 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Gemeinschaftsunterstützung im Rahmen von ISPA wird in dem Zeitraum von 2000 bis 2006 gewährt.

…“

21      Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1267/1999 erlässt die Kommission die Entscheidungen über die im Rahmen der ISPA zu finanzierenden Maßnahmen.

22      Art. 8 („Mittelbindungen und Zahlungen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1267/1999 sieht vor:

„Die Ausgaben im Rahmen von ISPA werden von der Kommission gemäß der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften auf der Grundlage der zwischen der Kommission und dem Bewerberland zu schließenden Finanzierungsvereinbarung abgewickelt.

…“

 Die Verordnung (EG) Nr. 1386/2002

23      Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1386/2002 der Kommission vom 29. Juli 2002 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates in Bezug auf die Verwaltungs- und Kontrollsysteme bei Kohäsionsfondsinterventionen und das Verfahren für die Vornahme von Finanzkorrekturen (ABl. 2002, L 201, S. 5) umfasst der Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1386/2002 Interventionen gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 1164/94, die erstmalig nach dem 1. Januar 2000 bewilligt wurden.

24      Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1386/2002 sieht vor:

„(2)      Bevor sie eine Ausgabenerklärung bescheinigt, vergewissert sich die Zahlstelle, dass folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

b)      die Ausgabenerklärung enthält nur Ausgaben,

i)      die während des in der Bewilligungsentscheidung festgesetzten Förderzeitraums tatsächlich getätigt wurden und durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsunterlagen belegt werden können“.

 Die Verordnung (EG) Nr. 16/2003

25      Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 16/2003 der Kommission vom 6. Januar 2003 mit besonderen Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates in Bezug auf die Zuschussfähigkeit der Ausgaben im Rahmen von aus dem Kohäsionsfonds kofinanzierten Maßnahmen (ABl. 2003, L 2, S. 7) enthält diese Verordnung gemeinsame Regeln für die Zuschussfähigkeit von Ausgaben, die im Rahmen von für eine Kofinanzierung durch den Kohäsionsfonds in Betracht kommenden Maßnahmen im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 1164/94 getätigt werden.

26      Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 16/2003 bestimmt:

„Die Ausgaben, die für die Zahlung des Gemeinschaftszuschusses zu berücksichtigen sind, müssen gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b) der Verordnung [Nr. 1386/2002] während des in der Kommissionsentscheidung festgesetzten Förderzeitraums tatsächlich getätigt worden sein und in direktem Zusammenhang mit dem Vorhaben stehen. Sie müssen sich auf Zahlungen beziehen, die vom betreffenden Mitgliedstaat bescheinigt und von diesem selbst oder auf dessen Rechnung bzw. – im Falle von Betreibermodellen – von dem Konzessionsinhaber, dem die für die Durchführung zuständige Stelle die Abwicklung des Vorhabens übertragen hat, tatsächlich getätigt worden und die durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsbelege nachgewiesen sind.

…“

27      Art. 8 („Ende der Zuschussfähigkeit“) der Verordnung Nr. 16/2003 sieht vor:

„Der Endtermin der Zuschussfähigkeit betrifft die Zahlungen, die von der für die Durchführung zuständigen Stelle getätigt werden.

Der Endtermin der Zuschussfähigkeit wird in der Kommissionsentscheidung festgelegt.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

28      Die Verwaltungsbehörde ist – als für die Durchführung der Vorhaben zuständige Stelle im Sinne von Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1164/94 – die litauische öffentliche Einrichtung, die als für die Feststellung und Behebung von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung finanzieller Unterstützungen der Union zuständig benannt worden ist.

29      Am 13. Dezember 2001 erließ die Kommission gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1267/1999 eine Entscheidung über die Genehmigung des Vorhabens zur „Schaffung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus“ in Litauen (im Folgenden: Vorhaben des Ausgangsverfahrens) im Rahmen von ISPA, die durch ihre Entscheidung vom 23. Dezember 2002 geändert wurde (im Folgenden: ursprüngliche Entscheidung). Am selben Tag unterzeichnete die Kommission eine Finanzierungsvereinbarung zu diesem Vorhaben gemäß Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung (im Folgenden: Finanzierungsvereinbarung). Die Republik Litauen unterzeichnete dieses Dokument am 14. März 2002. Gemäß Art. 2 der Finanzierungsvereinbarung war das Ende des Vorhabens des Ausgangsverfahrens für den 31. Dezember 2004 vorgesehen, während Art. 4 Abs. 3 der Vereinbarung als Zieldatum für die von der für die Durchführung des Vorhabens zuständigen Stelle zu leistenden Zahlungen den 31. Dezember 2006 festlegte. Innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab diesem Datum mussten die litauischen Behörden der Kommission den endgültigen Prüfungsbericht vorlegen, um die Restzahlung der Finanzierung des Vorhabens des Ausgangsverfahrens zu ermöglichen.

30      Die Verwaltungsbehörde war mit der Entwicklung des Vorhabens des Ausgangsverfahrens betraut und handelte als Vergabebehörde in Bezug auf die Beschaffungsverträge betreffend dieses Vorhaben. Am 10. November 2004 unterzeichnete die Verwaltungsbehörde mit dem begünstigten Unternehmen eine Vereinbarung zur Umsetzung des ISPA-Kohäsionsprogramms betreffend die Zuweisung ihrer jeweiligen Verpflichtungen und Verantwortung im Hinblick auf das Vorhaben des Ausgangsverfahrens. Zwischen dem 22. April 2004 und dem 6. Dezember 2006 unterzeichneten die Verwaltungsbehörde als Vergabebehörde, das begünstigte Unternehmen und bestimmte andere private Auftragnehmerinnen Beschaffungsverträge.

31      Am 27. Dezember 2004 erließ die Kommission eine Entscheidung, die die ursprüngliche Entscheidung u. a. wie folgt abänderte: „Art. 2 [der ursprünglichen Entscheidung] wird um folgenden Absatz ergänzt: ‚(5) Projektbezogene Ausgaben sind bis zum 31. Dezember 2008 zuschussfähig‘. Art. 2 der [Finanzierungsvereinbarung] wird wie folgt geändert: ‚Enddatum: 31. Dezember 2008‘“.

32      Am 17. Dezember 2009 erstellte der nationale Rechnungshof Litauens den Landesprüfungsbericht für das Vorhaben des Ausgangsverfahrens.

33      Am 28. März 2013 gab die Verwaltungsbehörde vier „Schlussfolgerungen“ bekannt, in denen bestimmte Ausgaben des Vorhabens des Ausgangsverfahrens aufgrund mehrerer Unregelmäßigkeiten für nicht zuschussfähig befunden wurden. Insbesondere stellte sie fest, das begünstigte Unternehmen habe es versäumt, den Erwerb langfristiger und kurzfristiger Vermögenswerte zu belegen. Am 29. März 2013 erließ die Behörde vier Entscheidungen, mit denen die Rückzahlung der für nicht zuschussfähig befundenen Zahlungen angeordnet wurde.

34      Das begünstigte Unternehmen hat vor dem erstinstanzlichen Gericht Klage auf Aufhebung dieser Entscheidungen erhoben. Dieser Klage wurde mit Urteil vom 14. Mai 2014 mit der Begründung stattgegeben, dass die vierjährige Verjährungsfrist für die Verfolgung gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 anwendbar sei. In dem Urteil wurde insbesondere festgestellt, dass die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2008 – gemäß der Finanzierungsvereinbarung Enddatum des Vorhabens des Ausgangsverfahrens und letzter Tag der Zuschussfähigkeit – zu laufen begonnen habe und am 31. Dezember 2012 abgelaufen sei.

35      Am 28. Mai 2014 legte die Verwaltungsbehörde beim vorlegenden Gericht gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel mit der Begründung ein, dass die Verjährungsfrist für die Verfolgung nicht abgelaufen sei.

36      Das vorlegende Gericht erließ einen Beschluss, mit dem die Parteien des Ausgangsverfahrens aufgefordert wurden, Informationen und Daten betreffend den Abschluss des Vorhabens des Ausgangsverfahrens zur Verfügung zu stellen und ihre Argumente zur Anwendung der Verordnung Nr. 2988/95 vorzubringen. Das vorlegende Gericht stellte u. a. fest, dass Sachverhaltsumstände zu klären seien, insbesondere der Zeitpunkt, zu welchem die Verwaltungsbehörde das Vorhaben des Ausgangsverfahrens als abgeschlossen betrachtet habe, der Betrag der im Rahmen dieses Vorhabens noch ausstehenden Zahlung und der für die Zahlung dieses Betrags vorgesehene Zeitpunkt sowie die Bedeutung der Begriffe „Programm“, „Maßnahme“ und „Vorhaben“, die in den im Verfahren eingereichten Schriftstücken synonym verwendet würden.

37      Auf diesen Beschluss hin reichte die Verwaltungsbehörde beim vorlegenden Gericht ein Schreiben des Finanzministeriums vom 30. April 2015 ein, in dem es hieß, dass der Kommission am 31. Mai 2013 eine Aufforderung zur Zahlung des Restbetrags der Zuschüsse für das Vorhaben des Ausgangsverfahrens durch den Kohäsionsfonds in Höhe von 826 069,28 Euro übermittelt worden sei. In dieser Aufforderung wurde der Kommission mitgeteilt, dass aufgrund von im Zusammenhang mit dem Vorhaben anhängigen Gerichtsverfahren Ausgaben in Höhe von 40 276,31 Euro, die möglicherweise nicht zuschussfähig seien, nicht von der Aufforderung abgezogen worden seien. Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 hatte das Finanzministerium der Kommission außerdem eine Aktualisierung des Landesprüfungsberichts vom 17. Dezember 2009 für das Vorhaben des Ausgangsverfahrens sowie die Abschlusserklärung für das Vorhaben vorgelegt, die beide vom 25. Juni 2014 datierten. Nach der Aufforderung an die Kommission zur Zahlung des Restbetrags der Zuschüsse für das Vorhaben des Ausgangsverfahrens hatte die Verwaltungsbehörde erneute Prüfungen hinsichtlich der im Rahmen dieses Vorhabens begangenen Unregelmäßigkeiten durchgeführt; zwei Gerichtsverfahren betreffend dieses Vorhaben waren am 30. April 2015 noch anhängig. Das Finanzministerium stellte in seinem Schreiben fest, dass ihm nicht bekannt sei, wann die Kommission die geforderten restlichen Mittel überweisen würde und wann sie das Vorhaben des Ausgangsverfahrens als abgeschlossen betrachten würde.

38      Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 brachte die Kommission das Vorhaben des Ausgangsverfahrens zum Abschluss. Sie bezifferte den Betrag der nicht förderfähigen Ausgaben mit 106 225,67 Euro, war aber der Auffassung, dass angesichts einer ausreichenden Überbuchung diese Unregelmäßigkeiten keine Auswirkung auf die Restzahlung hätten. Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass, soweit es den Haushalt der Union angehe, die Verfahren betreffend Unregelmäßigkeiten beendet werden könnten und dass der Restbetrag der Mittel aus dem Kohäsionsfonds in voller Höhe ausgezahlt werde.

39      Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Rechtsstreits angesichts der Vielfalt der in den im Ausgangsverfahren anwendbaren Unionsrechtsakten verwendeten Begriffe von der Klärung des Begriffs „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95, von der Antwort auf die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Begriffs im Ausgangsrechtsstreit erfüllt seien, und von der Methode zur Berechnung der Verjährungsfrist unter den Umständen dieses Rechtsstreits abhänge.

40      Vor diesem Hintergrund hat der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberster Verwaltungsgerichtshof von Litauen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Was stellt ein „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 dar?

2.      Fällt ein Vorhaben wie das Vorhaben „Schaffung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus“, dem mit der ursprünglichen Entscheidung ein Zuschuss gewährt wurde, unter den in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 verwendeten Begriff „mehrjähriges Programm“?

3.      Falls die zweite Frage bejaht wird: Welcher Zeitpunkt ist als Beginn der Verjährungsfrist für die Verfolgung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 zu betrachten?

 Zur ersten und zur zweiten Frage

41      Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Vorhaben wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das die Schaffung eines Abfallentsorgungssystems für eine bestimmte Region zum Gegenstand hat und dessen Durchführung über mehrere Jahre vorgesehen war und mit Mitteln der Union finanziert werden sollte, unter den Begriff „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 fällt.

42      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung Nr. 2988/95 nach ihrem Art. 1 eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Unionsrecht eingeführt wird, um, wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung ergibt, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zu bekämpfen (Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      In diesem Rahmen ist in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehen, dass – sofern nicht in den sektorbezogenen Regelungen oder nationalen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen wird – die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre beträgt und ab Begehung der Unregelmäßigkeit läuft bzw., bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten, ab dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird (Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 21).

44      In Bezug auf mehrjährige Programme bestimmt Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95, dass „die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms [läuft]“.

45      Da der Begriff „mehrjähriges Programm“ in der Verordnung Nr. 2988/95 nicht definiert wird, sind bei der Bestimmung der Bedeutung dieses Begriffs sowohl die Bedeutung der Einzelbegriffe, aus denen er sich zusammensetzt, als auch der Zusammenhang, in dem er verwendet wird, sowie die Ziele der auf ihn Bezug nehmenden Regelung zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteile vom 6. Oktober 2015, Firma Ernst Kollmer Fleischimport und ‑export, C‑59/14, EU:C:2015:660, Rn. 22, und vom 21. Dezember 2016, Interservice, C‑547/15, EU:C:2016:983, Rn. 20).

46      Was zunächst die verwendeten Einzelbegriffe betrifft, ist insoweit festzustellen, dass der Begriff „Programm“ weit gefasst ist und dass die Begriffe „Programm“ und „Vorhaben“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung synonym verwendet werden können.

47      Somit stellt der Begriff „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 einen übergreifenden Begriff dar, der sich in allen von den Politiken der Union abgedeckten Bereichen wiederfinden kann, wenn eine Verwendung von Haushaltsmitteln der Union in Rede steht.

48      Daher ist keine enge terminologische Beziehung darzutun zwischen diesem Begriff und den Begriffen, die in den unterschiedlichen Rechtsakten über die Errichtung der verschiedenen Fonds, die eine finanzielle Unterstützung gewähren, verwendet werden.

49      Was sodann den Zusammenhang, in dem dieser Begriff steht, und die Ziele der fraglichen Regelung betrifft, so ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 2988/95, wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union bekämpfen soll.

50      Zum anderen ist Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Teil einer Gesamtheit von Vorschriften, die in diesem Art. 3 Abs. 1 angesprochen werden und deren Gegenstand nach Unterabs. 1 dieser Vorschrift die Festlegung der Regeln über die Verjährung für die Verfolgung ist, die für Unregelmäßigkeiten gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung – d. h. Verstöße gegen eine Unionsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde – gelten.

51      Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass ein Vorhaben wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das die Schaffung eines Abfallentsorgungssystems für eine bestimmte Region zum Gegenstand hat und dessen Durchführung über mehrere Jahre vorgesehen war und mit Mitteln der Union finanziert werden sollte, unter den Begriff „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 fällt.

 Zur dritten Frage

52      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, wann die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 genannte Verjährungsfrist für die Verfolgung in Bezug auf Unregelmäßigkeiten im Rahmen eines „mehrjährigen Programms“ wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorhaben zu laufen beginnt.

53      Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95, dass die Verjährungsfrist für die Verfolgung ab Begehung der festgestellten Unregelmäßigkeit läuft.

54      Gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung beginnt bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird, wobei der Begriff „Beendigung der Unregelmäßigkeit“ in der genannten Bestimmung so zu verstehen ist, dass er sich auf den Tag bezieht, an dem das letzte zu derselben wiederholten Unregelmäßigkeit gehörende Geschäft beendet wird (Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 66).

55      Eine Unregelmäßigkeit ist als „andauernd“ anzusehen, wenn die Unterlassung, die dem Verstoß gegen die Unionsbestimmung zugrunde liegt, fortbesteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2004, José Martí Peix/Kommission, C‑226/03 P, EU:C:2004:768, Rn. 17). Eine „wiederholte“ Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn sie von einem Wirtschaftsteilnehmer begangen wird, der wirtschaftliche Vorteile aus einer Gesamtheit ähnlicher Geschäfte zieht, die gegen dieselbe Vorschrift des Unionsrechts verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 49).

56      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts – soweit dadurch die Effektivität des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird – festzustellen, ob die in der vorstehenden Randnummer dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen einer andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeit im Ausgangsverfahren erfüllt sind.

57      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das vorlegende Gericht sich auch fragt, welche Auswirkung die spezifische Regelung für „mehrjährige Programme“ gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 auf die Berechnung der Verjährungsfrist in der Ausgangsrechtssache hat.

58      Im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben (Urteil vom 28. April 2016, Oniors Bio, C‑233/15, EU:C:2016:305, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Folglich sind dem vorlegenden Gericht auch die Hinweise zu geben, die ihm die Feststellung erlauben, zu welchem Zeitpunkt der „endgültige Abschluss des Programms“ eintritt, bis zu dem sich gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 die Verjährungsfrist im Rahmen eines „mehrjährigen Programms“ erstreckt.

60      Hierzu ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 2988/95 keinen genauen und allgemein gültigen Zeitpunkt für den „endgültigen Abschluss des Programms“ bestimmt, da, wie die Generalanwältin in Nr. 105 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, dieser Zeitpunkt notwendigerweise je nach den verschiedenen Phasen und Prozessen, die für den Abschluss des jeweils durchgeführten mehrjährigen Programms vorgesehen sind, variieren wird.

61      Die Bestimmung des „endgültigen Abschlusses des Programms“ zum Zweck der Anwendung der speziellen Verjährungsregel für die „mehrjährigen Programme“ gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 hängt daher von den Regeln ab, die für das jeweilige mehrjährige Programm gelten.

62      Ferner ist festzustellen, dass bei der Bestimmung des „endgültigen Abschlusses des Programms“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 das Ziel der in dieser Bestimmung enthaltenen Verjährungsfrist zu berücksichtigen ist. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Verjährungsfrist erlaubt es nämlich zum einen, zu gewährleisten, dass die zuständige Behörde, solange ein Programm nicht endgültig abgeschlossen ist, noch in der Lage ist, die im Rahmen der Durchführung dieses Programms begangenen Unregelmäßigkeiten zu verfolgen, und erleichtert so den Schutz der finanziellen Interessen der Union (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Firma Ernst Kollmer Fleischimport und ‑export, C‑59/14, EU:C:2015:660, Rn. 26). Zum anderen soll sie für die Wirtschaftsteilnehmer Rechtssicherheit gewährleisten. Diese müssen nämlich bestimmen können, welche ihrer Geschäfte endgültig abgeschlossen sind und welche noch zu Verfolgungsmaßnahmen führen können (Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen, C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Im Hinblick auf dieses doppelte Ziel ist für die Bestimmung des Zeitpunkts des „endgültigen Abschlusses des Programms“, bis zu dem sich die Verjährungsfrist im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 erstreckt, auf den Zeitpunkt des Endes des betreffenden „mehrjährigen Programms“ abzustellen.

64      In Bezug auf ein Vorhaben wie das des Ausgangsverfahrens ergibt sich aber aus Art. 10 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1164/94 und Art. D Abs. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich des Anhangs II, dass die Kommissionsentscheidung über die Genehmigung eines solchen Vorhabens und die Gewährung der Unterstützung die Frist für den Abschluss der Arbeiten und die Durchführung der Zahlungen zugunsten des Vorhabens nennt.

65      Insoweit geht aus Art. D Abs. 1 und 2 Buchst. d des Anhangs II, Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1386/2002 sowie Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 der Verordnung Nr. 16/2003 hervor, dass dieselbe Entscheidung der Kommission die Frist für die Förderfähigkeit der Ausgaben für das fragliche Vorhaben festlegt, die die von der für die Durchführung dieses Vorhabens zuständigen Stelle ausgeführten Zahlungen betrifft.

66      Nach der von der Kommission festgesetzten Frist für den Abschluss der Arbeiten und die Durchführung der Zahlungen der damit zusammenhängenden zuschussfähigen Ausgaben, wie in den Rn. 64 und 65 des vorliegenden Urteils erwähnt, ist ein solches Vorhaben daher als endgültig abgeschlossen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 anzusehen, vorbehaltlich einer etwaigen Verlängerung durch eine entsprechende neue Entscheidung der Kommission.

67      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus Rn. 31 des vorliegenden Urteils, dass die Kommission mit ihrer Entscheidung vom 27. Dezember 2004 das Datum des 31. Dezember 2008 sowohl als Enddatum des Vorhabens des Ausgangsverfahrens als auch als Enddatum für die Zuschussfähigkeit der mit diesem verbundenen Ausgaben genannt hat. Das fragliche Vorhaben ist daher als am 31. Dezember 2008 im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 endgültig abgeschlossen anzusehen.

68      Hierzu ist klarzustellen, dass der „endgültige Abschluss des Programms“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 nicht notwendigerweise den Eintritt der Verjährung hinsichtlich aller etwaigen bei der Durchführung dieses Programms begangenen Unregelmäßigkeiten impliziert. Dies ist nur der Fall bei Unregelmäßigkeiten, die mehr als vier Jahre vor dem „endgültigen Abschluss des Programms“ beendet wurden, die, wenn keine Unterbrechung aus einem der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehenen Gründe eingetreten ist, mit diesem Abschluss unmittelbar verjährt sind.

69      Mit anderen Worten erlaubt die auf „mehrjährige Programme“ anwendbare Verjährungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 – wie die Kommission in ihren Erklärungen festgestellt hat – nur eine Verlängerung der Verjährungsfrist, keine Verkürzung.

70      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten:

–        Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass die Verjährungsfrist für eine im Rahmen eines „mehrjährigen Programms“ wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorhaben begangene Unregelmäßigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ab Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit läuft; bei einer „andauernden oder wiederholten“ Unregelmäßigkeit beginnt die Verjährungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird.

–        Außerdem ist ein „mehrjähriges Programm“ an dem für dieses Programm nach den für dieses Programm geltenden Regeln vorgesehenen Enddatum als „endgültig abgeschlossen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 anzusehen. Insbesondere ist ein von der Verordnung Nr. 1164/94 geregeltes mehrjähriges Programm an dem Tag als „endgültig abgeschlossen“ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, der in der Entscheidung der Kommission über die Genehmigung dieses Vorhabens als Frist für den Abschluss der Arbeiten und die Durchführung der Zahlungen der damit zusammenhängenden zuschussfähigen Ausgaben festgesetzt worden ist, vorbehaltlich einer etwaigen Verlängerung durch eine entsprechende neue Entscheidung der Kommission.

 Kosten

71      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Ein Vorhaben wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das die Schaffung eines Abfallentsorgungssystems für eine bestimmte Region zum Gegenstand hat und dessen Durchführung über mehrere Jahre vorgesehen war und mit Mitteln der Europäischen Union finanziert werden sollte, fällt unter den Begriff „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften.

2.      Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass die Verjährungsfrist für eine im Rahmen eines „mehrjährigen Programms“ wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorhaben begangene Unregelmäßigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ab Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit läuft; bei einer „andauernden oder wiederholten“ Unregelmäßigkeit beginnt die Verjährungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird.

Außerdem ist ein „mehrjähriges Programm“ an dem für dieses Programm nach den für dieses Programm geltenden Regeln vorgesehenen Enddatum als „endgültig abgeschlossen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 anzusehen. Insbesondere ist ein von der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates vom 16. Mai 1994 zur Errichtung des Kohäsionsfonds in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1264/1999 des Rates vom 21. Juni 1999, die Verordnung (EG) Nr. 1265/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 sowie die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge geänderten Fassung geregeltes mehrjähriges Programm an dem Tag als „endgültig abgeschlossen“ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, der in der Entscheidung der Kommission über die Genehmigung dieses Vorhabens als Frist für den Abschluss der Arbeiten und die Durchführung der Zahlungen der damit zusammenhängenden zuschussfähigen Ausgaben festgesetzt worden ist, vorbehaltlich einer etwaigen Verlängerung durch eine entsprechende neue Entscheidung der Kommission.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Litauisch.