Language of document : ECLI:EU:C:2012:778

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

6. Dezember 2012(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Art. 81 EG und 53 des EWR‑Abkommens – Belgischer Markt für internationale Umzugsdienste – Kartell, das aus drei Einzelvereinbarungen besteht – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Fehlender Nachweis der Kenntnis eines an einer Einzelvereinbarung Beteiligten von den übrigen Einzelvereinbarungen – Teilweise oder vollständige Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission – Art. 263 AEUV und 264 AEUV“

In der Rechtssache C‑441/11 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. August 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet, S. Noë und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei:

Verhuizingen Coppens NV mit Sitz in Boutsersem (Belgien), Prozessbevollmächtigte J. Stuyck und I. Buelens, advocaten,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.‑C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. Mai 2012

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Juni 2011, Verhuizingen Coppens/Kommission (T‑210/08, Slg. 2011, II‑3713, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Art. 1 Buchst. i und 2 Buchst. k der Entscheidung C(2008) 926 endg. der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) (im Folgenden: streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

2        Aus den Randnrn. 3 bis 7 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass nach den Feststellungen der Kommission in der streitigen Entscheidung deren Adressaten, darunter die Verhuizingen Coppens NV (im Folgenden: Coppens), an einem Kartell im Sektor für internationale Umzugsdienste in Belgien beteiligt waren, wobei sie mindestens von 1984 bis 2003 Preise festsetzten, Kunden untereinander aufteilten und das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipulierten, oder für dieses Kartell haftbar gemacht wurden und dadurch eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG begingen.

3        Nach den Randnrn. 8 f. des angefochtenen Urteils erstreckten sich zum einen die von der Zuwiderhandlung betroffenen Dienstleistungen auf Umzüge aus oder nach Belgien sowohl von natürlichen Personen als auch von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Da die fraglichen internationalen Umzugsunternehmen alle ihren Sitz in Belgien hätten und das Kartell in Belgien tätig gewesen sei, sei Belgien als das geografische Zentrum des Kartells angesehen worden. Zum anderen schätzte die Kommission die mit diesen internationalen Umzugsdiensten erzielten kumulierten Umsätze der Kartellteilnehmer für 2002 auf 41 Mio. Euro und setzte den kumulierten Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf etwa 50 % des betroffenen Sektors fest.

4        Nach Randnr. 10 des angefochtenen Urteils führte die Kommission in der streitigen Entscheidung aus, dass das Kartell u. a. darauf gerichtet gewesen sei, erhöhte Preise zu etablieren und aufrechtzuerhalten und den Markt untereinander aufzuteilen, und dass es verschiedene Formen angenommen habe, nämlich Preisvereinbarungen, Vereinbarungen über die Marktaufteilung mittels eines Systems fiktiver Kostenvoranschläge, der sogenannten „Schutzangebote“ (im Folgenden: Vereinbarung über Schutzangebote), und Vereinbarungen über ein System von Abstandszahlungen für abgelehnte oder unterlassene Angebote, der sogenannten „Provisionen“ (im Folgenden: Vereinbarung über Provisionen).

5        Aus Randnr. 11 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass nach den Ausführungen der Kommission in der streitigen Entscheidung das Kartell von 1984 bis Anfang der 90er Jahre insbesondere auf der Grundlage von schriftlichen Vereinbarungen über die Festsetzung von Preisen funktionierte und die Provisionspraxis und die Schutzangebote parallel dazu eingeführt wurden. Den im angefochtenen Urteil dargelegten Ausführungen in der streitigen Entscheidung zufolge war die Provisionspraxis als eine mittelbare Festsetzung der Preise für internationale Umzugsdienste in Belgien anzusehen, da sich die Kartellmitglieder gegenseitig Rechnungen über die Provisionen für die abgelehnten oder nicht abgegebenen Angebote ausgestellt, dabei fiktive Leistungen aufgeführt und im Übrigen den Kunden den Betrag dieser Provisionen in Rechnung gestellt hätten.

6        Zu den Schutzangeboten ergibt sich aus den Randnrn. 12 f. des angefochtenen Urteils, dass nach den Ausführungen der Kommission in der streitigen Entscheidung das am Auftrag interessierte Unternehmen durch diese Schutzangebote erreichen wollte, dass der für den Umzug zahlende Kunde mehrere Angebote erhielt. Hierzu teilte dieses Unternehmen seinen Wettbewerbern den Gesamtpreis mit, den sie für den geplanten Umzug in Rechnung stellen sollten und der über dem seines eigenen Angebots lag. Es handelte sich somit um fiktive Angebote von Unternehmen, die nicht die Absicht hatten, den Umzug durchzuführen. Nach Auffassung der Kommission stellte diese Praxis eine Manipulation des Verfahrens zur Einreichung von Angeboten dar, die dazu führte, dass der für den Umzug geforderte Preis höher als in einem Umfeld mit funktionierendem Wettbewerb war.

7        Nach Randnr. 14 des angefochtenen Urteils stellte die Kommission in der streitigen Entscheidung fest, dass solche Absprachen bis 2003 getroffen worden seien und dass diese komplexen Tätigkeiten dasselbe Ziel gehabt hätten, nämlich, die Preise festzusetzen und den Markt aufzuteilen und damit den Wettbewerb zu verfälschen.

8        In Anbetracht dieser Umstände erließ die Kommission die streitige Entscheidung, in deren Art. 1 es heißt:

„Die folgenden Unternehmen haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 53 Absatz 1 [des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3)] verstoßen, indem sie während der nachstehenden Zeiträume unmittelbar und mittelbar Preise für Auslandsumzüge von und nach Belgien festsetzten, den Markt teilweise untereinander aufteilten und das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipulierten:

i)      [Coppens] vom 13. Oktober 1992 bis 29. Juli 2003;

…“

9        Die Kommission verhängte deshalb in Art. 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung gegen Coppens eine Geldbuße in Höhe von 104 000 Euro, die anhand der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien) dargestellten Methode berechnet war.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

10      Mit Klageschrift, die am 4. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Coppens Klage auf Nichtigerklärung der Art. 1 und 2 der streitigen Entscheidung, soweit sie sie betreffen, und, hilfsweise, auf Ermäßigung der gegen sie verhängten Geldbuße auf höchstens 10 % ihres Umsatzes auf dem Markt für internationale Umzugsdienste.

11      Coppens stützte ihre Klage auf zwei Hauptklagegründe, nämlich einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [81 EG] und [82 EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), sowie auf einen Hilfsklagegrund, der auf die Aufhebung oder Ermäßigung der gegen sie verhängten Geldbuße gerichtet war.

12      Der erste Klagegrund bestand aus drei Teilen. Mit ihm bestritt Coppens erstens, sich an einem komplexen Kartell beteiligt zu haben, zweitens erhob sie Einwände in Bezug auf die Dauer des Kartells, und drittens warf sie der Kommission vor, das relative Gewicht ihrer Beteiligung nicht gewürdigt zu haben. Im Rahmen des ersten Teils wies Coppens insbesondere darauf hin, dass ihr nur die Erstellung von Schutzangeboten zur Last gelegt werde, und machte im Übrigen geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass sie Kenntnis von der Vereinbarung über Provisionen gehabt habe. Die Kommission habe daher zu Unrecht ihre Beteiligung an diesem komplexen Kartell bejaht. Außerdem machte Coppens geltend, dass die Vereinbarung über Schutzangebote keinen wettbewerbsbeschränkenden Zweck oder Effekt gehabt habe.

13      Die Kommission hielt es für unerheblich, ob der Wettbewerb durch Scheinangebote oder Provisionen verfälscht werde. Denn in beiden Fällen handele es sich um eine Wettbewerbsverzerrung, die im Allgemeinen für den Kunden eine Preiserhöhung zur Folge habe, so dass die verschiedenen Formen des Kartells als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG angesehen werden könnten.

14      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht dem ersten Teil des ersten von Coppens geltend gemachten Klagegrundes stattgegeben. Es hat in den Randnrn. 28 bis 32 des angefochtenen Urteils ausgeführt:

„28      Hinsichtlich des ersten Teils des Klagegrundes steht fest, dass sich die aktive Beteiligung [von Coppens] am Kartell auf die Erstellung von Schutzangeboten beschränkt hat (vgl. die Erwägungsgründe 173 und 296 der [streitigen] Entscheidung). Nach den Feststellungen der Kommission ist Coppens nämlich das einzige Unternehmen, das nicht an den Provisionsvereinbarungen beteiligt war.

29      [Coppens] bestreitet jedoch, an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben. Hierzu ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, nach der ein Unternehmen, das sich an einer vielgestaltigen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch eigene Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, für die ganze Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein kann, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnrn. 87 und 203). Um ein Unternehmen für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zur Verantwortung zu ziehen, ist also die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung erforderlich.

30      Die bloße Tatsache, dass eine Vereinbarung, an der ein Unternehmen teilgenommen hat, und ein Gesamtkartell den gleichen Gegenstand haben, genügt nicht, um diesem Unternehmen die Beteiligung am Gesamtkartell zur Last zu legen. Nur dann nämlich, wenn das Unternehmen, als es an dieser Vereinbarung teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in das Gesamtkartell eingliederte, kann seine Teilnahme an der betreffenden Vereinbarung Ausdruck seines Beitritts zum Gesamtkartell sein (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Sigma Tecnologie/Kommission, T‑28/99, Slg. 2002, II‑1845, Randnr. 45).

31      Die Kommission hat jedoch nicht dargetan, dass [Coppens], als sie an der Schutzangebotsvereinbarung teilnahm, von den wettbewerbswidrigen Aktivitäten der anderen Unternehmen betreffend die Provisionen wusste oder diese vernünftigerweise vorhersehen konnte. Die Kommission räumt nämlich ausdrücklich ein, dass die [streitige] Entscheidung hinsichtlich der Kenntnis [von Coppens] von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer nicht auf konkreten Beweisen beruhe. Sie macht geltend, dass [Coppens] nicht bestreite, von der Provisionsvereinbarung gewusst und einen Hinweis darauf unterlassen zu haben, inwieweit sie über das Verhalten der anderen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung informiert gewesen sei. Jedoch ist [Coppens] keineswegs verpflichtet, von sich aus darzulegen, inwieweit sie über das Verhalten der anderen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung informiert war, da die Beweislast bei der Kommission liegt. Diese muss zunächst den Beweis für eine Tatsache vorlegen, bevor [Coppens] diese bestreiten kann. Im Übrigen hat [Coppens] in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt, dass sie von den Provisionsvereinbarungen nicht gewusst habe. Demnach hat die Kommission ihrer Beweislast nicht genügt.

32      Unter diesen Umständen durfte die Kommission nicht von der Beteiligung [von Coppens] an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ausgehen.“

15      Zu der Frage, welche Konsequenzen aus dieser Schlussfolgerung zu ziehen sind, hat das Gericht in den Randnrn. 33 bis 35 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass es unerheblich sei, dass der einheitliche und fortgesetzte Charakter der Zuwiderhandlung nicht im verfügenden Teil der streitigen Entscheidung erwähnt sei, und u. a. ausgeführt, der verfügende Teil eines Rechtsakts sei untrennbar mit seiner Begründung verbunden und in der Begründung der streitigen Entscheidung sei klar angegeben, dass die Kommission Coppens für ihre Beteiligung an einer solchen Zuwiderhandlung zur Verantwortung ziehe.

16      Das Gericht hat daraus in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils folgenden Schluss gezogen:

„Daher sind, obwohl die Beteiligung an einem Schutzangebots-System an sich eine mit Geldbuße bewehrte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG darstellen kann, Art. 1 Buchst. i und Art. 2 Buchst. k der [streitigen] Entscheidung entsprechend dem Antrag [von Coppens] für nichtig zu erklären.“

17      Infolgedessen hat das Gericht in Randnr. 37 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die weiteren Teile des ersten von Coppens geltend gemachten Klagegrundes und die weiteren von ihr angeführten Klagegründe nicht mehr zu prüfen seien, und die Art. 1 Buchst. i und 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung für nichtig erklärt.

 Anträge der Parteien

18      Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die Nichtigkeitsklage abzuweisen oder – hilfsweise – nur Art. 1 Buchst. i der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit Coppens für die Vereinbarung über die Provisionen verantwortlich gemacht wird;

–        die Höhe der Geldbuße auf einen angemessen Betrag festzusetzen und

–        Coppens die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und den Teil der Kosten des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen, den der Gerichtshof für angemessen erachtet.

19      Coppens beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        hilfsweise, falls der Gerichtshof das angefochtene Urteil ganz oder teilweise aufheben sollte, die von der Kommission gegen sie verhängte Geldbuße so herabzusetzen, dass sie 10 % ihres Umsatzes auf dem betroffenen Markt entspricht, sowie

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

20      Die Kommission rügt mit ihrem Rechtsmittel, dass das Gericht gegen die Art. 263 AEUV und 264 AEUV sowie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe.

 Vorbringen der Parteien

21      Die Kommission stützt ihren Rechtsmittelgrund im Wesentlichen darauf, dass das Gericht angesichts der von ihm in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils herangezogenen Begründung die streitige Entscheidung, soweit sie Coppens betreffe, zu Unrecht nicht nur teilweise für nichtig erklärt habe. In der vorliegenden Rechtssache sei nämlich nur der Umstand, dass dieses Unternehmen Kenntnis von der Vereinbarung über Provisionen gehabt habe oder hätte haben müssen, unbewiesen geblieben. Nach ständiger Rechtsprechung sei die teilweise Nichtigerklärung einer Entscheidung möglich, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt werde, vom Rest der Entscheidung trennen ließen, was im vorliegenden Fall zutreffe. Es sei unverhältnismäßig, dass das Gericht eine Entscheidung insgesamt für nichtig erkläre, wenn nur ein Teil der Zuwiderhandlung nicht nachweisbar sei.

22      In der streitigen Entscheidung sei Coppens für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen worden, die in dem in Rede stehenden Zeitraum aus zwei Teilen bestanden habe, nämlich der Vereinbarung über Provisionen und der Vereinbarung über Schutzangebote. Somit hätte das Gericht die genannte Entscheidung, was dieses Unternehmen betreffe, nur dann insgesamt für nichtig erklären dürfen, wenn es zusätzlich zu dem fehlenden Nachweis dafür, dass es von den wettbewerbswidrigen Aktivitäten der anderen Unternehmen in Bezug auf die Provisionen gewusst habe oder diese vernünftigerweise hätte vorhersehen können, hätte feststellen können, dass die Kommission auch keinen Nachweis für die Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote erbracht habe. Dass diese Beteiligung nachgewiesen sei und für sich allein eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG darstelle, stehe jedoch außer Zweifel und sei vom Gericht im Übrigen anerkannt worden.

23      Das angefochtene Urteil widerspreche daher der Rechtsprechung, nach der das Gericht nicht auf eine vollständige Nichtigerklärung erkennen könne, wenn der von ihm als begründet erachtete Klagegrund ganz offensichtlich nur eine teilweise Nichtigerklärung rechtfertigen könne; in dieser Rechtsprechung komme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck.

24      Zudem sei es nicht mit einer geordneten Rechtspflege und der wirksamen Durchsetzung der Wettbewerbsregeln zu vereinbaren, wenn Entscheidungen über Kartelle wegen des fehlenden Nachweises eines Teils der Zuwiderhandlung vollständig für nichtig erklärt würden, da dies, um zu vermeiden, dass der nachgewiesene Teil der Zuwiderhandlung ungeahndet bleibe, eine Wiederholung von Verfahren notwendig machen würde. Im Übrigen sei nicht sicher, ob die Wiederholung solcher Verfahren mit dem Grundsatz ne bis in idem vereinbar wäre.

25      Schließlich trägt die Kommission vor, der Gerichtshof sei in der Lage, den Rechtsstreit endgültig zu entscheiden. Der maßgebliche Sachverhalt stehe fest, da Coppens vor dem Gericht ihre 67 Beteiligungen an der Durchführung der Vereinbarung über Schutzangebote, wie sie in der streitigen Entscheidung festgestellt und belegt worden seien, nicht in Abrede gestellt habe. Die Kommission fügt insoweit hinzu, dass sowohl der Gegenstand als auch die Auswirkungen dieser Vereinbarung wettbewerbswidrig seien, und räumt ein, dass es für die Jahre 1994 und 1995 keinen Nachweis für die Beteiligung von Coppens an der Durchführung dieser Vereinbarung gebe und dass die Geldbuße ermäßigt werden könnte, wenn Coppens nur für diese Vereinbarung zur Verantwortung gezogen werden könne.

26      Nach Ansicht von Coppens ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Erstens ließen sich von der streitigen Entscheidung keine Teile im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs trennen. Da die Kommission in dieser Entscheidung das Bestehen eines komplexen Kartells festgestellt habe, das eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG darstelle, habe sich das Gericht gezwungenermaßen zu der Beteiligung von Coppens an einem solchen Kartell äußern müssen. Daher habe es entschieden, dass die bloße Tatsache, dass eine Vereinbarung, an der ein Unternehmen teilgenommen habe, und ein Gesamtkartell den gleichen Gegenstand hätten, nicht genüge, um diesem Unternehmen die Beteiligung am Gesamtkartell zur Last zu legen. Es sei keine Rede von einem „Teil einer Zuwiderhandlung“.

27      Zweitens könne nach der genannten Rechtsprechung eine Entscheidung nur dann teilweise für nichtig erklärt werden, wenn eine solche teilweise Nichtigerklärung den Wesensgehalt dieser Entscheidung nicht verändern würde. Im vorliegenden Fall sei es vor dem Gericht um die Qualifizierung der Coppens vorgeworfenen Zuwiderhandlung, d. h. den Wesensgehalt der streitigen Entscheidung gegenüber Coppens, gegangen. Die vollständige Nichtigerklärung dieser Entscheidung, soweit sie Coppens betreffe, sei die Folge des fehlenden Nachweises für die Beteiligung dieses Unternehmens an allen wesentlichen Elementen, die die Feststellung ermöglichten, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorgelegen habe.

28      Jedenfalls habe sich das Gericht nicht auf eine teilweise Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung beschränken können. Eine bloße Änderung des Betrags der Geldbuße hätte für den Rechtsschutz von Coppens nicht ausgereicht. In einem solchen Fall wäre sie nämlich wegen aller Teile einer Zuwiderhandlung zur Rechenschaft gezogen worden, obwohl nur einer dieser Teile als ihr gegenüber tatsächlich nachgewiesen gelte.

29      Drittens widerspreche zum einen die vollständige Nichtigerklärung im angefochtenen Urteil nicht der Rechtsprechung, die sich aus dem Urteil vom 11. Dezember 2008, Kommission/Département du Loiret (C‑295/07 P, Slg. 2008, I‑9363), ergebe. Der Klagegrund, dem hier stattgegeben worden sei, habe sich gegen den gemeinsamen Nenner der streitigen Entscheidung gerichtet, nämlich den Vorwurf des komplexen Kartells. Die vollständige Nichtigerklärung dieser Entscheidung gehe daher nicht über den geltend gemachten Klagegrund hinaus. Zum anderen sei dem auf eine geordnete Rechtspflege und die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsregeln gestützten Vorbringen nicht zu folgen. Nach dem Legalitätsgrundsatz könne ein Unternehmen nur dann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn nachgewiesen sei, dass es die ihm vorgeworfene Zuwiderhandlung begangen habe. Da die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung ein komplexes Kartell sei, d. h. eine Zuwiderhandlung, die aus mehreren Teilen bestehe, von denen jeder für die Feststellung der Zuwiderhandlung wesentlich sei, habe das Gericht zu Recht entschieden, dass die Kommission die Beteiligung von Coppens an den verschiedenen wesentlichen Teilen dieser Zuwiderhandlung nicht hinreichend nachgewiesen habe, so dass eine Beteiligung dieses Unternehmens an dem komplexen Kartell nicht habe bejaht werden können.

30      Hilfsweise beantragt Coppens, die Geldbuße aufzuheben oder zumindest auf einen Betrag zu ermäßigen, der 10 % ihres Umsatzes auf dem Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien nicht übersteige. Höchst hilfsweise beantragt Coppens für den Fall, dass der Gerichtshof das angefochtene Urteil aufheben und die streitige Entscheidung, soweit sie sie betreffe, nicht für nichtig erklären sollte, die gegen sie festgesetzte Geldbuße in Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung herabzusetzen. Coppens stützt diese Anträge auf zwei Gründe.

31      Zum einen macht Coppens geltend, dass der Grundbetrag der Geldbuße fehlerhaft festgesetzt worden sei, da die Kommission nicht zwischen den Kartellbeteiligten unterschieden habe, obwohl sie verpflichtet gewesen wäre, deren jeweilige Rollen im Kartell zu berücksichtigen. So sei die von ihr begangene Zuwiderhandlung weniger schwerwiegend als die ihr von der Kommission zur Last gelegte, insbesondere wenn man berücksichtige, dass ihre Rolle und Mitwirkung an dem in Rede stehenden Kartell begrenzt gewesen seien, dass ihr Marktanteil nur 0,04 % des relevanten Marktes betragen habe und dass ihr Gesamtumsatz weit unter dem der anderen an der Zuwiderhandlung Beteiligten liege. Die Kommission hätte daher in ihrem Fall als Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbuße nicht wie bei allen anderen Beteiligten einen Prozentsatz von 17 % des Umsatzes festsetzen dürfen. Zudem habe Coppens dargetan, dass ihr höchstens eine Zuwiderhandlungsdauer von sieben Jahren und nicht von zehn Jahren und neun Monaten zur Last gelegt werden könne. Überdies sei der Grundbetrag der Geldbuße gemäß den Nrn. 27 bis 35 der Leitlinien zu ermäßigen gewesen. Insbesondere habe sie Beweise dafür beigebracht, dass sie zur Zahlung nicht imstande sei und eine akute Konkursgefahr bestehe.

32      Zum anderen sei bei der Festsetzung der Geldbuße offensichtlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen worden, da die Geldbuße 10 % ihres Gesamtumsatzes betrage und nahezu 200 % des berücksichtigten Umsatzes ausmache. Die Kommission hätte nach der Rechtsprechung den Umstand berücksichtigen müssen, dass sie mit der vom Kartell betroffenen Tätigkeit lediglich einen Umsatz von etwa 3,2 % ihres Gesamtumsatzes erzielt habe.

33      Schließlich beantragt Coppens, der Kommission gegebenenfalls gemäß Art. 69 § 3 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, nunmehr Art. 139, die Kosten aufzuerlegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

34      Das Gericht ist nach der Feststellung in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils, dass die Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote an sich eine mit Geldbuße bewehrte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG darstellen könne, gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt, dass Art. 1 Buchst. i und Art. 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären seien. Mit ihrem Rechtsmittel wendet sich die Kommission dagegen, dass das Gericht diese Entscheidung, was Coppens betrifft, vollständig für nichtig erklärt hat.

35      Gemäß den Art. 254 Abs. 6 AEUV und 264 Abs. 1 AEUV erklärt das Gericht, wenn eine nach Art. 263 AEUV erhobene Klage begründet ist, die angefochtene Handlung für nichtig.

36      Wie die Generalanwältin in Nr. 25 ihrer Schlussanträge vorgetragen hat, ist Art. 264 Abs. 1 AEUV jedoch dahin auszulegen, dass die mit einer Nichtigkeitsklage angefochtene Handlung nur für nichtig erklärt wird, soweit die Klage begründet ist.

37      Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass dem Gericht die Tatsache allein, dass es einen von der klagenden Partei zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemachten Klagegrund für begründet hält, nicht erlaubt, den angefochtenen Rechtsakt ohne Weiteres insgesamt für nichtig zu erklären. Eine vollständige Nichtigerklärung kann nämlich nicht erfolgen, wenn der betreffende Klagegrund, der nur einen spezifischen Aspekt des angefochtenen Rechtsakts betrifft, ganz offensichtlich nur eine teilweise Nichtigerklärung rechtfertigen kann (Urteil Kommission/Département du Loiret, Randnr. 104).

38      Die teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts ist jedoch nur möglich, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt dieses Aktes verändert würde, was anhand eines objektiven und nicht eines subjektiven, vom politischen Willen des Organs, das den fraglichen Rechtsakt erlassen hat, abhängigen Kriteriums zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2005, Frankreich/Parlament und Rat, C‑244/03, Slg. 2005, I‑4021, Randnrn. 12 bis 14, sowie Kommission/Département du Loiret, Randnrn. 105 f.).

39      Folglich hätte das Gericht im vorliegenden Fall die streitige Entscheidung, soweit sie Coppens betrifft, nur dann gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV vollständig für nichtig erklären dürfen, wenn ihre teilweise Nichtigerklärung ihren Wesensgehalt verändert hätte, was zu prüfen ist.

40      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 der streitigen Entscheidung Coppens und weitere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen haben, indem sie vom 13. Oktober 1992 bis 29. Juli 2003 unmittelbar und mittelbar Preise für Auslandsumzüge von und nach Belgien festsetzten, den Markt teilweise untereinander aufteilten und das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipulierten. Das Gericht hat jedoch zum einen in Randnr. 35 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission Coppens für ihre Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zur Verantwortung ziehe, und es zum anderen in den Randnrn. 28 und 36 dieses Urteils nicht ausgeschlossen, dass die Vereinbarung über Schutzangebote, für die Coppens ihre Beteiligung nicht in Abrede gestellt hatte, an sich eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG darstellen könne.

41      Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 81, sowie vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 258).

42      Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann somit für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 87 und 203, sowie Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 83).

43      Es ist somit möglich, dass sich ein Unternehmen an dem gesamten wettbewerbswidrigen Verhalten, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat; dann ist die Kommission berechtigt, es für dieses gesamte Verhalten und damit für die Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen. Es ist auch möglich, dass sich ein Unternehmen nur an einem Teil des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat, aber von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall ist die Kommission ebenfalls berechtigt, dieses Unternehmen für das gesamte wettbewerbswidrige Verhalten, das eine solche Zuwiderhandlung bildet, und damit für diese Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen.

44      Hat sich ein Unternehmen dagegen an einer oder mehreren wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilden, unmittelbar beteiligt, ist aber nicht nachgewiesen, dass es durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung sämtlicher von den anderen Kartellbeteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die genannten Kartellbeteiligten in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, so ist die Kommission lediglich berechtigt, dieses Unternehmen für die Verhaltensweisen, an denen es sich unmittelbar beteiligt hat, und die Verhaltensweisen zur Verantwortung zu ziehen, die die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen wie der von ihm verfolgten Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten und für die nachgewiesen ist, dass es von ihnen wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

45      Dies darf jedoch nicht zu einer Entlastung dieses Unternehmens von seiner Verantwortlichkeit für die Verhaltensweisen führen, an denen seine Beteiligung feststeht und für die es tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt hat oder dass es, soweit es beteiligt war, eine untergeordnete Rolle gespielt hat, ist nämlich für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant, da diese Gesichtspunkte nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 90, sowie Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 86).

46      Eine solche Aufteilung einer Entscheidung der Kommission, in der ein Gesamtkartell als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft wird, kommt jedoch nur in Betracht, wenn das genannte Unternehmen im Verwaltungsverfahren in die Lage versetzt wurde, zu erkennen, dass ihm auch jede der Verhaltensweisen, aus denen sie besteht, vorgeworfen wird, und es sich mithin in diesem Punkt verteidigen konnte, und wenn die Entscheidung insoweit hinreichend klar ist.

47      Sind die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich folglich für den Unionsrichter, wenn er feststellt, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an einer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, aus denen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung besteht, von den anderen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele an den Tag legten, wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, daraus als einzige Konsequenz, dass dieses Unternehmen nicht für diese anderen Verhaltensweisen und damit die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung insgesamt zur Verantwortung gezogen werden kann und dass die angefochtene Entscheidung nur insoweit als unbegründet anzusehen ist.

48      Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 10 bis 12 des angefochtenen Urteils hervor, dass nach den Ausführungen der Kommission in der streitigen Entscheidung das fragliche Kartell drei Formen annahm, nämlich eine Preisvereinbarung, eine Vereinbarung über Schutzangebote und eine Vereinbarung über Provisionen, und dass die letztgenannte Vereinbarung nach Auffassung der Kommission als eine mittelbare Festsetzung der Preise für internationale Umzugsdienste in Belgien anzusehen war, während die Vereinbarung über Schutzangebote eine Manipulation des Verfahrens zur Einreichung von Angeboten darstellte, so dass in allen Angeboten absichtlich höhere Preise als in einem Umfeld mit funktionierendem Wettbewerb angegeben wurden. Zudem hat das Gericht in Randnr. 28 des angefochtenen Urteils hervorgehoben, dass sich nach der streitigen Entscheidung die aktive Beteiligung von Coppens am Kartell auf die Vereinbarung über Schutzangebote beschränkte und nicht auf die Vereinbarung über Provisionen erstreckte.

49      Ferner geht aus den Akten des Verfahrens vor dem Gericht und aus Randnr. 25 des angefochtenen Urteils hervor, dass Coppens zum einen in die Lage versetzt wurde, zu erkennen, dass sie für die in Rede stehende einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen wird, und auch, dass ihr ihre Beteiligung an der Vereinbarung über Schutzangebote als solche vorgeworfen wird, so dass sie sich in diesem Punkt verteidigen konnte, und dass zum anderen die streitige Entscheidung insoweit hinreichend klar ist.

50      Da im Übrigen die Feststellung durch den Unionsrichter, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an einer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilden, von dem übrigen wettbewerbswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, nach der in Randnr. 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht zu einer Entlastung dieses Unternehmens von seiner Verantwortlichkeit für den Teil des Verhaltens führen darf, in Bezug auf den seine Beteiligung erwiesen ist und für den feststeht, dass es zur Verantwortung gezogen werden kann, muss sich der Unionsrichter auf die teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beschränken.

51      Da nämlich der Gegenstand einer Entscheidung der Kommission, in der festgestellt wird, dass sich ein Unternehmen unter Verstoß gegen Art. 81 EG an einem Kartell beteiligt hat, in der Feststellung eines oder mehrerer Bestandteile eines solchen Verstoßes besteht, kann eine solche teilweise Nichtigerklärung den Wesensgehalt einer derartigen Entscheidung nicht verändern.

52      Das Gericht hat daher in seinem Urteil einen Rechtsfehler begangen, als es die streitige Entscheidung vollständig für nichtig erklärt hat, obwohl es weder die Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote noch deren Wettbewerbswidrigkeit in Frage gestellt hatte.

53      Da infolgedessen das Gericht unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache gegebenenfalls berechtigt gewesen wäre, die streitige Entscheidung, was Coppens betrifft, lediglich teilweise für nichtig zu erklären, kann dieses Unternehmen schließlich, um die vollständige Nichtigerklärung dieser Entscheidung durch das Gericht zu rechtfertigen, nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihm durch eine bloße Herabsetzung der ihm auferlegten Geldbuße kein ausreichender Rechtsschutz zuteil geworden wäre.

54      Nach alledem hat das Gericht, indem es die streitige Entscheidung, was Coppens betrifft, vollständig für nichtig erklärt hat, obwohl es die Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote und die Tatsache, dass diese an sich einen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellen kann, nicht in Frage gestellt hat, gegen Art. 264 Abs. 1 AEUV verstoßen. Da der Rechtsmittelgrund der Kommission somit begründet ist, ist dem Rechtsmittel stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben.

 Zur Klage vor dem Gericht

55      Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall.

56      Wie aus den Randnrn. 11 f. des vorliegenden Urteils hervorgeht, hat Coppens vor dem Gericht zwei Hauptklagegründe vorgetragen, nämlich einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie einen Hilfsklagegrund, der auf die Aufhebung oder Ermäßigung der gegen sie verhängten Geldbuße gerichtet war. Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen, mit denen Coppens bestreitet, sich an einem komplexen Kartell beteiligt zu haben, Einwände in Bezug auf die Dauer ihrer Beteiligung am Kartell erhebt und der Kommission vorwirft, das relative Gewicht ihrer Beteiligung nicht gewürdigt zu haben.

 Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes

57      Coppens macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass sie sich an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt habe. Die Kommission habe nicht bewiesen, dass sie von der Vereinbarung über Provisionen gewusst habe. Zudem sei die Vereinbarung über Schutzangebote weder in ihrem Zweck noch in ihrer Wirkung wettbewerbsbeschränkend gewesen und habe jedenfalls den Markt nur geringfügig beeinträchtigt; sie habe sich an ihr auch nur in sehr beschränktem Umfang beteiligt.

58      Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet.

59      Zunächst ist festzustellen, dass Coppens im Wesentlichen bestreitet, dass die Kommission sie für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zur Verantwortung ziehen könne, da ihre Beteiligung an einer der beiden Vereinbarungen, aus denen sich diese Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall zusammensetze, nicht im Einklang mit den Anforderungen der Rechtsprechung nachgewiesen sei.

60      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Randnr. 42 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Kommission, um die Beteiligung eines Unternehmens an der Durchführung einer einheitlichen Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen hat, dass dieses Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

61      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, für die Coppens von der Kommission zur Verantwortung gezogen wurde, in dem Zeitraum, für den diesem Unternehmen die Beteiligung am fraglichen Kartell vorgeworfen wird, aus zwei Vereinbarungen bestand. Dabei handelt es sich zum einen um die Vereinbarung über Schutzangebote, deren Durchführung in den Erwägungsgründen 229 bis 278 und deren Wettbewerbswidrigkeit insbesondere in den Erwägungsgründen 358 bis 364 der streitigen Entscheidung dargestellt werden. Zum anderen handelt es sich um die Vereinbarung über Provisionen, deren Durchführung in den Erwägungsgründen 161 bis 228 und deren Wettbewerbswidrigkeit insbesondere in den Erwägungsgründen 351 bis 357 der streitigen Entscheidung dargestellt werden.

62      Was die Vereinbarung über Schutzangebote angeht, bestreitet Coppens nicht, daran beteiligt gewesen zu sein. Anders als Coppens meint, kann zudem nicht angenommen werden, dass der Zweck und die Wirkungen dieser Vereinbarung nicht wettbewerbswidrig gewesen seien. Unternehmen, die solche Angebote abgeben, verzichten nämlich darauf, mit dem Umzugsunternehmen, das sie anfordert, in Wettbewerb zu treten. Zudem weiß das letztgenannte Unternehmen, wenn es seine Wettbewerber zu solchen Angeboten auffordert, dass sein Angebot nicht mit wettbewerbsfähigeren Angeboten konkurriert. Das Unternehmen, das den Umzug durchführt, ist somit in der Lage, einen höheren Preis zu fordern als in einem Umfeld mit funktionierendem Wettbewerb, was zulasten der Verbraucher geht.

63      Da sich überdies nach dem 89. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung der gemeinsame Marktanteil der am Kartell beteiligten Unternehmen, was Coppens nicht bestreitet, auf etwa 50 % des belgischen Marktes für internationale Umzugsdienste belief, kann auch nicht angenommen werden, dass die Auswirkungen dieser Vereinbarung den betreffenden Markt nur geringfügig beeinträchtigt hätten und die Vereinbarung somit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG hätte erfasst werden können (Urteile vom 9. Juli 1969, Völk, 5/69, Slg. 1969, 295, Randnr. 7, sowie vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, Slg. 2006, I‑11125, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Zu dem Argument, die Beteiligung von Coppens an dieser Vereinbarung sei begrenzt gewesen, genügt der Hinweis, dass es nach dem Wortlaut von Art. 81 Abs. 1 EG für die Anwendung des dort vorgesehenen Verbots lediglich darauf ankommt, ob die Vereinbarung, an der ein Unternehmen neben anderen Unternehmen beteiligt war, eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte oder bewirkte und ob sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet war. Folglich ist die Frage, ob durch die individuelle Beteiligung eines Unternehmens an einer solchen Vereinbarung für sich allein betrachtet angesichts der schwachen Stellung des Unternehmens auf dem betreffenden Markt der Wettbewerb eingeschränkt oder der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden konnte, für die Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung unerheblich.

65      Nach alledem war die Kommission berechtigt, Coppens wegen ihrer gegen Art. 81 EG verstoßenden Beteiligung an der Vereinbarung über Schutzangebote zur Verantwortung zu ziehen.

66      Dagegen ist zu der Vereinbarung über Provisionen festzustellen, dass nach den Ausführungen der Kommission im 296. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung Coppens mit den anderen am fraglichen Kartell beteiligten Unternehmen keine Provisionen vereinbart hatte. Die Kommission hätte Coppens somit nur dann für die Vereinbarung über Provisionen zur Verantwortung ziehen dürfen, wenn sie bewiesen hätte, dass dieses Unternehmen durch seine Beteiligung an der Vereinbarung über Schutzangebote zur Erreichung der von allen anderen Kartellbeteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und dass es wusste oder vernünftigerweise vorhersehen konnte, dass diese die Vereinbarung über Provisionen durchführten, und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. Die Kommission hat jedoch in ihren Schriftsätzen ausgeführt, eine solche Kenntnis von Coppens könne vermutet werden, insbesondere weil diese nicht leugne, über die Vereinbarung über Provisionen informiert worden zu sein. Zudem räumt die Kommission ausdrücklich ein, dass die streitige Entscheidung insoweit nicht auf konkreten Beweisen beruhe.

67      Folglich hat die Kommission den einschlägigen Beweislasterfordernissen nicht genügt und damit nicht nachgewiesen, dass Coppens bei ihrer Beteiligung an der Vereinbarung über Schutzangebote von der von den anderen am Kartell beteiligten Unternehmen durchgeführten Vereinbarung über Provisionen wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte. Unter diesen Umständen war die Kommission nicht berechtigt, Coppens für die letztgenannte Vereinbarung zur Verantwortung zu ziehen und sie für das gesamte Verhalten, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, haftbar zu machen. Insofern ist der erste Teil des ersten Klagegrundes von Coppens damit begründet.

 Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes

68      Coppens macht geltend, ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung in den Jahren 1994 und 1995 sei nicht nachgewiesen. Die Kommission habe somit im 547. Erwägungsgrund und in Art. 1 Buchst. i der streitigen Entscheidung zu Unrecht festgestellt, dass ihre Beteiligung an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung zehn Jahre und neun Monate gedauert habe.

69      Die Kommission räumt das Fehlen eines Nachweises für die Beteiligung von Coppens an der Durchführung der Vereinbarung über Schutzangebote in diesen beiden Jahren ein. Dies habe jedoch auf die Dauer der Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung keinen Einfluss, weil aus dem Fehlen eines Nachweises für die Durchführung einer Vereinbarung durch ein Unternehmen während eines bestimmten Zeitraums nicht geschlossen werden könne, dass es in diesem Zeitraum keine Zuwiderhandlung begangen habe.

70      Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Verhaltensweise oder Vereinbarung in den meisten Fällen aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 57, sowie vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnr. 94).

71      Derartige Indizien und Koinzidenzen können, insgesamt beurteilt, nicht nur Aufschluss über das Bestehen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen oder Vereinbarungen geben, sondern auch über die Dauer eines fortgesetzten wettbewerbswidrigen Verhaltens und den Zeitraum der Anwendung einer unter Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln getroffenen Vereinbarung (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, Randnrn. 95 f.).

72      Zum Fehlen eines Nachweises für das Vorliegen einer Vereinbarung während bestimmter Zeiträume oder zumindest für ihre Durchführung durch ein Unternehmen während eines bestimmten Zeitraums ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn ein solcher Beweis für bestimmte Zeiträume nicht erbracht wurde, davon ausgegangen werden kann, dass die Zuwiderhandlung während eines längeren Gesamtzeitraums fortbestand, sofern eine solche Feststellung auf objektiven und übereinstimmenden Indizien beruht. Im Rahmen einer Zuwiderhandlung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, bleibt die Tatsache, dass sich das Kartell während verschiedener Zeitabschnitte manifestiert, die durch mehr oder weniger lange Zwischenräume voneinander getrennt sein können, ohne Einfluss auf den Bestand dieses Kartells, sofern mit den verschiedenen Maßnahmen, die Teil dieser Zuwiderhandlung sind, im Rahmen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung das gleiche Ziel verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, Randnrn. 97 f.).

73      Wie sich aus der Rechtsprechung weiter ergibt, führt die stillschweigende Billigung einer rechtswidrigen Initiative, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren oder sie bei den Verwaltungsbehörden anzuzeigen, dazu, dass die Fortsetzung der Zuwiderhandlung begünstigt und ihre Entdeckung verhindert wird. Diese Komplizenschaft stellt eine passive Form der Beteiligung an der Zuwiderhandlung dar und ist geeignet, die Verantwortlichkeit des betreffenden Unternehmens auszulösen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 84).

74      Zudem kann ein Unternehmen seine Verantwortlichkeit nicht unter Berufung darauf von sich weisen, dass es sich nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt habe oder dass, soweit es sich beteiligt habe, sein Anteil an der Durchführung begrenzt gewesen sei, da diese Umstände nicht geeignet sind, seine Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung in Frage zu stellen. Diese Umstände sind nämlich nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 86).

75      Im vorliegenden Fall räumt die Kommission zwar ein, für die Jahre 1994 und 1995 keinen Beweis für die aktive Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote beigebracht zu haben, doch durfte sie unter Berücksichtigung zum einen des Fehlens eines Anhaltspunkts dafür, dass sich Coppens in diesem Zeitraum offen vom Inhalt dieser Vereinbarung distanziert hätte, indem sie u. a. ihre Absicht, sich nicht mehr daran zu beteiligen, ihren Wettbewerbern schriftlich mitgeteilt hätte, und zum anderen der zahlreichen Belege für die aktive Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung nach diesem Zeitraum, die insbesondere im 280. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung wiedergegeben sind und denen Coppens nicht widersprochen hat, davon ausgehen, dass dieses Unternehmen für seine ununterbrochene Beteiligung an der Vereinbarung während des gesamten Zeitraums vom 13. Oktober 1992 bis 29. Juli 2003 zur Verantwortung gezogen werden konnte.

76      Der zweite Teil des ersten Klagegrundes von Coppens ist somit zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes

77      Zu dem Vorbringen, die Kommission habe das relative Gewicht der Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote nicht gewürdigt, genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen, das, wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, allenfalls für die Beurteilung der Höhe der gegen das Unternehmen festgesetzten Geldbuße eine Rolle spielen kann, nach der in Randnr. 74 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unerheblich und damit als ins Leere gehend zurückzuweisen ist, sofern mit ihm, wie im vorliegenden Fall, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG in Abrede gestellt werden soll.

78      Aus alledem ergibt sich, dass, da der erste Teil des ersten Klagegrundes teilweise begründet ist, weil die Kommission über die Vereinbarung über Schutzangebote hinaus die Verantwortlichkeit von Coppens für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen hat, Art. 1 Buchst. i der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären ist – ohne dass die übrigen von Coppens vorgetragenen Klagegründe geprüft zu werden brauchten –, soweit sich die Kommission darin nicht auf die Feststellung der Beteiligung von Coppens an der Vereinbarung über Schutzangebote vom 13. Oktober 1992 bis 29. Juli 2003 beschränkt, sondern sie auch für die Vereinbarung über Provisionen zur Verantwortung zieht und sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung haftbar macht.

 Zur Geldbuße

79      Schließlich ist erstens festzustellen, dass der Gerichtshof wegen der Aufhebung des angefochtenen Urteils und aufgrund von Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne von Art. 261 AEUV verfügt (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 218).

80      Zweitens ist es zwar Sache des Gerichtshofs, im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in diesem Bereich selbst die Umstände des Einzelfalls und die Art der fraglichen Zuwiderhandlung zu beurteilen, um die Höhe der Geldbuße festzusetzen (Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 111), doch darf die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Festsetzung der Höhe der verhängten Geldbußen nicht zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führen, die an einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren. Folglich können die den Leitlinien zu entnehmenden Orientierungen im Allgemeinen den Unionsgerichten bei der Ausübung dieser Befugnis eine Richtschnur geben, da diese Leitlinien von der Kommission zur Berechnung der Höhe der Geldbußen angewandt wurden, die gegen die anderen mit einer Sanktion belegten Unternehmen in der Entscheidung verhängt wurden, über die die Unionsgerichte zu erkennen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnrn. 97 f., sowie vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 337).

81      Drittens ist gemäß Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Zudem darf gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen 10 % seines im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

82      Daher gelangt der Gerichtshof angesichts aller Umstände des vorliegenden Falles – in dem sich der von Coppens im Jahr 2002 auf dem belgischen Markt für internationale Umzugsdienste erzielte Umsatz auf 58 338 Euro belief, in dem die Vereinbarung über Schutzangebote, an der sich Coppens beteiligte, zwar geeignet war, den Wettbewerb erheblich zu verfälschen und die Preise für die betroffenen Dienstleistungen zulasten der Verbraucher zu erhöhen, und als horizontale Preis- und Marktaufteilungsabsprache eingestuft werden kann und damit ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gehört, aber nicht als Teil des Gesamtplans angesehen werden konnte, dem nach den Angaben in der streitigen Entscheidung die anderen Teilnehmer an dem in Rede stehenden Kartell folgten, in dem 67 von der Kommission nachgewiesene und unbestritten gebliebene Fälle der Beteiligung von Coppens an der genannten Vereinbarung dokumentiert sind, in dem Coppens, auch wenn ihre Rolle bei der fraglichen Vereinbarung in den Jahren 1994 und 1995 als begrenzt eingestuft werden kann, für einen Zeitraum von zehn Jahren und neun Monaten als Beteiligte an dieser Vereinbarung angesehen werden kann und in dem sich schließlich der Gesamtumsatz von Coppens im Jahr 2006 auf 1 046 318 Euro belief – zu dem Ergebnis, dass der Betrag der in Art. 2 Buchst. k der streitigen Entscheidung gegen Coppens festgesetzten Geldbuße auf 35 000 Euro herabzusetzen ist.

 Kosten

83      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

84      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Für den Fall, dass jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, bestimmt Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

85      Im vorliegenden Fall ist Coppens im Rechtsmittelverfahren unterlegen, und die Kommission ist im ersten Rechtszug teilweise unterlegen. Der Gerichtshof ist jedoch angesichts der Umstände des vorliegenden Falles der Auffassung, dass der Kommission neben ihren eigenen Kosten in beiden Rechtszügen zwei Drittel der Kosten von Coppens in beiden Rechtszügen aufzuerlegen sind. Coppens hat ein Drittel ihrer in beiden Rechtszügen entstandenen eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Juni 2011, Verhuizingen Coppens/Kommission (T‑210/08), wird aufgehoben.

2.      Art. 1 Buchst. i der Entscheidung C(2008) 926 endg. der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) wird für nichtig erklärt, soweit sich die Europäische Kommission darin nicht auf die Feststellung der Beteiligung der Verhuizingen Coppens NV an der Vereinbarung über ein System fiktiver Kostenvoranschläge, der sogenannten „Schutzangebote“, vom 13. Oktober 1992 bis 29. Juli 2003 beschränkt, sondern sie auch für die Vereinbarung über ein System von Abstandszahlungen für abgelehnte oder unterlassene Angebote, der sogenannten „Provisionen“, zur Verantwortung zieht und sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung haftbar macht.

3.      Die in Art. 2 Buchst. k der Entscheidung C(2008) 926 endg. gegen die Verhuizingen Coppens NV verhängte Geldbuße wird auf 35 000 Euro festgesetzt.

4.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren zwei Drittel der Kosten, die Coppens in diesen beiden Rechtszügen entstanden sind.

5.      Coppens trägt ein Drittel ihrer eigenen im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.