Language of document : ECLI:EU:T:2012:275

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

5. Juni 2012(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Methacrylate – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Beteiligung an einem Teil der Zuwiderhandlung – Verteidigungsrechte – Geldbußen – Begründungspflicht – Schwere der Zuwiderhandlung – Abschreckungswirkung – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens – Angemessene Verfahrensdauer“

In der Rechtssache T‑214/06

Imperial Chemical Industries Ltd, vormals Imperial Chemical Industries plc, mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst D. Anderson, QC, Rechtsanwälte H. Rosenblatt und B. Lebrun sowie W. Turner, S. Berwick und T. Soames, Solicitors, dann Rechtsanwälte R. Wesseling und C. Swaak und schließlich Rechtsanwälte R. Wesseling, C. Swaak und F. ten Have,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch V. Bottka, I. Chatzigiannis und F. Amato, dann durch V. Bottka, I. Chatzigiannis und F. Arbault und schließlich durch V. Bottka und J. Bourke als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. c der Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat), hilfsweise Herabsetzung der aufgrund dieser Bestimmung verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften u. a. fest, dass eine Reihe von Unternehmen dadurch gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen habe, dass sie während verschiedener Zeiträume zwischen dem 23. Januar 1997 und dem 12. September 2002 an einem Komplex wettbewerbswidriger Vereinbarungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie im gesamten EWR beteiligt gewesen seien (Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).

2        Der angefochtenen Entscheidung zufolge handelte es sich um eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung betreffend die folgenden drei Erzeugnisse aus Polymethyl-Methacrylat (im Folgenden: PMMA): Formmassen, Massivplatten und Platten für Sanitäranwendungen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich ferner, dass sich diese drei PMMA-Produkte sowohl physisch als auch chemisch unterscheiden und unterschiedliche Verwendung finden, wegen ihres gemeinsamen Ausgangsmaterials Methylmethacrylat (im Folgenden: MMA) jedoch als homogene Produktgruppe angesehen werden können (Randnrn. 4 bis 8 der angefochtenen Entscheidung).

3        Merkmale der Zuwiderhandlung – so die angefochtene Entscheidung – waren Preisgespräche, die Vereinbarung, Umsetzung und Überwachung von Preisabsprachen in Form von Preiserhöhungen oder zumindest der Stabilisierung der bestehenden Preise, Gespräche über die Weitergabe der Kosten der zusätzlichen Dienstleistungen an die Kunden, Austausch geschäftlich wichtiger und vertraulicher markt- und/oder unternehmensrelevanter Informationen sowie die Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften und sonstige Kontakte, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern (Art. 1 und Randnrn. 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung).

4        Die angefochtene Entscheidung war an die Degussa AG, die Röhm GmbH & Co. KG und die Para-Chemie GmbH (im Folgenden zusammen: Degussa), an die Total SA, die Elf Aquitaine SA, die Arkema SA (vormals Atofina SA), die Altuglas International SA und die Altumax Europe SAS (im Folgenden zusammen: Atofina), an die Lucite International Ltd und die Lucite International UK Ltd (im Folgenden zusammen: Lucite), an die Quinn Barlo Ltd, die Quinn Plastics NV und die Quinn Plastics GmbH (im Folgenden zusammen: Barlo) sowie an die Klägerin, die Imperial Chemical Industries Ltd (vormals Imperial Chemical Industries plc), gerichtet.

5        Die Klägerin ist die Muttergesellschaft der Imperial-Chemical-Industries-Gruppe und Hersteller von Chemiespezialitäten. Seit 1990 sind Herstellung und Vertrieb der in der angefochtenen Entscheidung genannten Erzeugnisse gruppenintern der ICI Acrylics, einer gesonderten Geschäftseinheit, jedoch ohne eigene Rechtspersönlichkeit, übertragen. Mit am 3. Oktober 1999 geschlossenem Vertrag wurden das Geschäft und die Vermögenswerte der ICI Acrylics auf die Ineos Acrylics UK Parent Co 2 Ltd und die Ineos Acrylics UK Trader Ltd, der späteren Lucite International Holdings Ltd bzw. der späteren Lucite International UK Ltd, übertragen.

6        Das der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Verfahren wurde eingeleitet, nachdem die Degussa am 20. Dezember 2002 einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) gestellt hatte.

7        Am 25. und 26. März 2003 nahm die Kommission in den Geschäftsräumen von Atofina, Barlo, Degussa und Lucite Nachprüfungen vor.

8        Am 3. April und 11. Juli 2003 reichten Atofina bzw. Lucite einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein (Randnr. 66 der angefochtenen Entscheidung).

9        Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 antwortete die Kommission auf die von Lucite gestellte Frage, ob diese mit der Klägerin Kontakt aufnehmen und ihr Zugang zu ihren Beschäftigten sowie Einsicht in ihre Unterlagen gewähren solle, damit die Klägerin ihre Verteidigung vorbereiten könne.

10      Am 29. Juli 2004 richtete die Kommission an mehrere Unternehmen, darunter die Klägerin, ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1). Es handelte sich um die erste im Rahmen der Ermittlungen gegen die Klägerin ergriffene Untersuchungsmaßnahme.

11      Am 18. Oktober 2004 reichte die Klägerin einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein. Am 11. August 2005 teilte ihr die Kommission mit, dass ihr Antrag abgelehnt worden sei.

12      Am 17. August 2005 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung betreffend MMA, PMMA-Formmassen, PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen und richtete sie u. a. an die Klägerin und an Lucite. Da der Verkauf der ICI Acrylics an Ineos (jetzt Lucite) nach Auffassung der Kommission am 1. Oktober 1999 stattgefunden hatte, ging sie vom 30. September 1999 als dem Zeitpunkt des Endes der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung aus.

13      Die Erwiderung der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte datiert vom 4. November 2005.

14      Am 15. und 16. Dezember 2005 fand eine Anhörung statt.

15      Mit Schreiben vom 10. Februar 2006 gab Lucite auf Aufforderung durch die Kommission Erläuterungen zum Zeitpunkt des Erwerbs der ICI Acrylics.

16      Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 übermittelte die Kommission das vorstehend in Randnr. 15 genannte Schreiben an die Klägerin zur Stellungnahme.

17      Die Klägerin gab ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 17. Februar 2006 ab.

18      Am 31. Mai 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung. Darin ließ sie einige Beschwerdepunkte fallen, auf die sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgestellt hatte, insbesondere die gegenüber allen betroffenen Unternehmen angenommenen Beschwerdepunkte betreffend MMA (Randnr. 93 der angefochtenen Entscheidung).

19      In Art. 1 Buchst. i der angefochtenen Entscheidung heißt es, dass die Klägerin an der oben in den Randnrn. 2 und 3 beschriebenen Zuwiderhandlung in der Zeit vom 23. Januar 1997 bis 1. November 1999 beteiligt gewesen sei.

20      Die Kommission ging insbesondere davon aus, dass die Klägerin die juristische Person sei, der zum Zeitpunkt der Geschehnisse die Geschäftsabteilung angehört habe, die die in Rede stehende Zuwiderhandlung begangen habe, nämlich ICI Acrylics. Infolgedessen stellte die Kommission fest, dass die Klägerin für die Anwendung des Art. 81 EG als Unternehmen anzusehen sei, das an dem wettbewerbswidrigen Verhalten beteiligt gewesen sei, und dass die angefochtene Entscheidung daher an sie zu richten sei (Randnrn. 288 bis 290 der angefochtenen Entscheidung).

21      Zum Ende des der Klägerin zugerechneten Zeitraums der Zuwiderhandlung führte die Kommission aus, dass sie im Hinblick auf die Erwiderung von Lucite auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als das Datum, an dem die Übertragung des Eigentums an ICI Acrylics stattgefunden habe, und damit für die Aufteilung der Haftung zwischen der Klägerin und Lucite den 2. November 1999 angenommen habe (Randnr. 291 der angefochtenen Entscheidung). Daher ging sie vom 1. November 1999 als dem Zeitpunkt des Endes der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung aus und gab an, dass diese Änderung gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Auswirkungen auf die Höhe der Geldbuße gehabt habe (Randnr. 292 der angefochtenen Entscheidung).

22      In Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung wird gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 91 406 250 Euro festgesetzt.

23      Bei der Bemessung der Geldbuße prüfte die Kommission zunächst die Schwere der Zuwiderhandlung und stellte dabei fest, dass sie wegen der Art der Zuwiderhandlung und weil diese das gesamte EWR-Gebiet erfasst habe, als ein besonders schwerer Verstoß im Sinne der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), zu gelten habe (Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung).

24      Sodann vertrat die Kommission die Ansicht, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße eine differenzierte Behandlung der Unternehmen in der Weise möglich sei, dass der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung getragen werde. Sie stellte hierzu fest, dass im vorliegenden Fall die betroffenen Unternehmen „nach ihrer jeweiligen relativen Bedeutung gemessen am mit PMMA-Produkten erzielten Umsatz, mit dem sie am Kartell beteiligt waren, [drei] Kategorien zuzuordnen [seien]“ und legte den EWR-weiten Umsatz mit diesen Produkten im Jahr 2000 zugrunde. Die Kommission stufte die Klägerin und Lucite unter Berücksichtigung des Umsatzes, den Lucite mit den drei betreffenden PMMA-Produkten im Jahr 2000 erzielt hatte (105,98 Mio. Euro) in die zweite Kategorie ein und setzte die Ausgangsbeträge ihrer Geldbußen auf 32,5 Mio. Euro fest (Randnrn. 332 bis 336 der angefochtenen Entscheidung).

25      Die Kommission wies ferner darauf hin, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße die Bandbreite der möglichen Geldbußen überdies die Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe erlaube, die in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Unter Berücksichtigung des Gesamtumsatzes der Klägerin im Jahr 2005 (8,49 Mrd. Euro) wandte die Kommission einen Multiplikator von 1,5 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin an, der sich damit auf 48,75 Mio. Euro belief.

26      Zweitens prüfte die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlung und stellte fest, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin in Anbetracht dessen, dass diese zwei Jahre und neun Monate an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, um 25 % anzuheben sei. Somit belief sich der Grundbetrag der für die Klägerin berechneten Geldbuße auf 60 937 500 Euro (Randnrn. 351 bis 354 der angefochtenen Entscheidung).

27      Drittens prüfte die Kommission das Vorliegen erschwerender oder mildernder Umstände. Für die Klägerin stellte die Kommission im Hinblick auf zwei bereits zuvor gegen diese ergangene Entscheidungen fest, dass sie mit einer Zuwiderhandlung der gleichen Art rückfällig geworden sei, und beschloss, den Grundbetrag der Geldbuße für die Klägerin um 50 % anzuheben (Randnrn. 355 bis 369 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem wies die Kommission die von der Klägerin geltend gemachten mildernden Umstände zurück. Dementsprechend wurde deren Geldbuße auf 91 406 250 Euro und damit einen Betrag festgesetzt, der den in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Schwellenwert von 10 % nicht überstieg (Randnrn. 372 bis 398 der angefochtenen Entscheidung).

28      Schließlich zog die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit heran und erinnerte daran, dass der Antrag der Klägerin nach dieser Mitteilung abgelehnt worden sei. Was die übrigen Unternehmen betrifft, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, gewährte die Kommission zum einen Degussa einen vollständigen Erlass der Geldbuße und setzte zum anderen die Geldbußen bei Atofina und Lucite herab.

29      Unter Berücksichtigung der Ablehnung des Antrags der Klägerin wurde der Endbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße somit auf 91 406 250 Euro festgesetzt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

30      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

31      Das schriftliche Verfahren ist am 11. April 2007 geschlossen worden.

32      Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Dritte Kammer) am 15. September 2011 beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen von prozessleitenden Maßnahmen aufgefordert, Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

33      Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. November 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin der Kommission und dem Gericht einige Unterlagen ausgehändigt, die das Vorbringen untermauern sollten. Gegen die Vorlage eines dieser Dokumente machte die Kommission einen Einwand geltend, und das Gericht hat beschlossen, es nicht zu den Akten zu nehmen. Die übrigen Unterlagen sind zu den Akten genommen worden, da die Kommission gegen sie keine Einwände erhoben hatte.

34      Im Übrigen hat das Gericht in der Sitzung die Kommission aufgefordert, zwei von ihr bei ihrem Vortrag angeführte Dokumente vorzulegen. Nachdem die Kommission dieser Aufforderung fristgerecht Folge geleistet hatte, hat das Gericht die Klägerin aufgefordert, zu diesen Dokumenten Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme ist fristgerecht eingereicht worden.

35      Das mündliche Verfahren ist am 15. Dezember 2011 geschlossen worden.

36      Die Klägerin beantragt,

–        Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung abzuändern und die gegen sie festgesetzte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

37      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

38      In ihrer Klageschrift stützt die Klägerin ihre Klage auf fünf Gründe. Der erste Klagegrund ist auf die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gestützt. Mit dem zweiten Klagegrund wird die fehlende Begründung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt. Der dritte Klagegrund betrifft das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen. Mit dem vierten Klagegrund wird die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt. Mit dem fünften Klagegrund wird geltend gemacht, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin außerdem einen sechsten Klagegrund vorgebracht, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird.

 Zum ersten Klagegrund, mit dem die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gerügt wird

39      Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung in Bezug auf eines der von der angefochtenen Entscheidung erfassten Erzeugnisse, nämlich die PMMA-Formmassen, nicht nachgewiesen sei.

40      Wie den in der Klageschrift gestellten Anträgen eindeutig zu entnehmen sei (siehe oben, Randnr. 36) und wie die Klägerin auch in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt habe, beantrage sie ungeachtet der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachten Argumente nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie darin für die fragliche Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werde. Der vorliegende Klagegrund werde vielmehr zur Stützung ihres Antrags geltend gemacht, der auf die Herabsetzung der in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbuße gerichtet sei. Sie ist nämlich der Meinung, dass die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen des Kartells beteiligt gewesen sei, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden müsse. Die Geldbuße sei daher so herabzusetzen, dass der Anteil widergespiegelt werde, den die PMMA-Formmassen am Gesamtwert oder -umfang der drei betroffenen Erzeugnisse ausmachten (laut Klägerin 44 % bzw. 36 %).

41      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für einen „Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie“ verantwortlich gemacht wird. Ausgelegt unter Berücksichtigung der Gründe dieser Entscheidung und insbesondere ihrer Randnrn. 2 und 222 bis 225 (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 1258 und die dort angeführte Rechtsprechung), macht diese Bestimmung die Klägerin für deren Beteiligung im fraglichen Zeitraum an einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung betreffend PMMA-Formmassen, PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen verantwortlich.

42      Aufgrund der Schwere dieser Zuwiderhandlung wurde die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße bemessen. Insbesondere Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Kommission bei der Bemessung des Ausgangsbetrags der Geldbuße der Klägerin den Umsatz berücksichtigt hat, den sie durch den Verkauf der PMMA-Produkte erzielt hatte, mit denen sie am Kartell beteiligt war, und somit nach Auffassung der Kommission aller genannten Erzeugnisse.

43      Daher ist festzustellen, dass der vorliegende Klagegrund, auch wenn die Klägerin nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt (siehe oben, Randnr. 40), angenommen er wäre begründet, zur Herabsetzung ihrer Geldbuße und ganz konkret von deren Ausgangsbetrag führen könnte. Wie die Klägerin nämlich in Erinnerung gerufen hat, ist die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt war, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 90, und vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 86). Nach der Rechtsprechung ist diese Beurteilung im Stadium der Festsetzung des spezifischen Ausgangsbetrags der Geldbuße vorzunehmen (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 2010, IMI u. a./Kommission, T‑18/05, Slg. 2010, II‑1769, Randnr. 164).

44      Die Klägerin stützt ihren Antrag im Wesentlichen darauf, dass sich die Kommission in Bezug auf die PMMA-Formmassen für den Zeitraum, während dessen die Klägerin Eigentümerin der ICI Acrylics gewesen sei, ausschließlich auf nicht untermauerte Erklärungen eines Unternehmens gestützt habe, das einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße gestellt habe, sowie darauf, dass Treffen stattgefunden hätten. Nach Ansicht der Klägerin genügen diese Anhaltspunkte nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Beweisanforderungen.

45      Lediglich die Belege betreffend ein in Randnr. 124 der angefochtenen Entscheidung angesprochenes Treffen, das am 26. Oktober 1999 stattgefunden habe, könnten gegebenenfalls diesen Anforderungen genügen, da sich die Kommission auf zwei Unternehmen stütze, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hätten, sowie auf ein zeitgleiches Dokument dieses Treffens. Diese Zusammenkunft könne aber nicht gegen sie verwendet werden, ohne ihre Verteidigungsrechte zu verletzen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der der 30. September 1999 als Zeitpunkt der Beendigung der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung angenommen worden sei (siehe Randnr. 291 der angefochtenen Entscheidung), sei dieses Treffen von der Kommission nämlich gegen einen anderen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung, nämlich Lucite, verwendet worden. Dementsprechend habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, sich sachdienlich gegen diese Zusammenkunft betreffende Behauptungen und Beweise zu verteidigen.

46      Es ist darauf hinzuweisen, dass das erwähnte Vorbringen betreffend eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin ausschließlich zu dem Zweck geltend gemacht wird, die Verwendbarkeit des Treffens vom 26. Oktober 1999 und der sich hierauf beziehenden Beweise im Rahmen der Beurteilung der Schwere der von ihr begangenen Zuwiderhandlung gegen sie zu bestreiten. Insbesondere beantragt die Klägerin nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung wegen angeblicher Verletzung ihrer Verteidigungsrechte insoweit, als darin, soweit sie betroffen ist, eine längere als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellte Dauer der Zuwiderhandlung zugrunde gelegt wird.

47      Daher kann die etwaige Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin keine Auswirkungen auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits haben, wenn sich herausstellen sollte, dass, auch abgesehen von dem Treffen vom 26. Oktober 1999, die von der Kommission zusammengetragenen Beweise zum Nachweis der Beteiligung der Klägerin an dem die PMMA-Formmassen betreffenden Teil der Zuwiderhandlung hinreichend waren.

48      Unter diesen Voraussetzungen ist es aus Gründen der Prozessökonomie angebracht, den vorliegenden Klagegrund unter Außerachtlassung des erwähnten Treffens zu prüfen.

49      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der angefochtenen Entscheidung die in Rede stehende einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung „aus einer Reihe von Maßnahmen [bestand], die als Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen bezüglich der behandelten drei Produkte eingestuft werden können und durch einen gemeinsamen Zweck sowie durch ein auf die Behinderung des Wettbewerbes gerichtetes andauerndes Vorgehen gekennzeichnet sind“ (Randnr. 222 der angefochtenen Entscheidung). Unter Berücksichtigung der in Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten gemeinsamen Merkmale der wettbewerbswidrigen Absprachen bei den drei betreffenden Produkten gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass „trotz der Tatsache, dass die drei Produkte verschiedene Merkmale aufweisen und obwohl man meinen könnte, dass sie zu verschiedenen Produktmärkten gehören, ausreichende Beziehungen zwischen den Produkten [bestanden], um zur Schlussfolgerung zu gelangen, dass sich die Hersteller [dieser Produkte] an einem gemeinsamen Plan beteiligten, der die Richtung des Marktverhaltens der Unternehmen vorgab und deren individuelles Geschäftsverhalten beschränkte“. Nach Ansicht der Kommission bestand „[d]ie Zuwiderhandlung … aus einem Komplex von Verhaltensweisen mit einem gemeinsamen Plan und einem einzigen wirtschaftlichen Ziel, nämlich die normalen Preisbewegungen auf dem EWR-Markt für alle drei PMMA-Produkte … zu verfälschen“ (Randnr. 224 der angefochtenen Entscheidung).

50      Zu den in Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung genannten „gemeinsamen Merkmalen“ zählte die Kommission u. a.:

–        „Eine Kerngruppe derselben Unternehmen [nämlich] Atofina, ICI (später Lucite) und Degussa“;

–        den Umstand, dass die drei wichtigsten europäischen Hersteller „voll integrierte Hersteller“ gewesen seien und „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachteten, so dass] die Kartellbildung bei einem Produkt automatisch die Kostenstruktur und/oder die Preise der anderen Produkte [beeinflusste]“;

–        den Umstand, dass „Gegenstand der Zusammenkünfte und Kontakte … gelegentlich auch mehr als eines der drei PMMA-Produkte [waren]“, wobei sich „[d]ie Beziehung … auch bei zahlreichen Zusammenkünften [zeigt], bei denen Fragen sowohl im Zusammenhang mit PMMA-Formmassen als auch mit PMMA-Massivplatten behandelt wurden“;

–        den Umstand, dass „[e]tliche Vertreter der an den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligten Unternehmen … für mehr als eines der in der Untersuchung berücksichtigten Produkte zuständig [waren] und wussten, oder hätten wissen müssen, dass [diese] Vereinbarungen bezüglich mehrerer Produkte bestanden“. In diesem Zusammenhang erwähnte die Kommission u. a. „Herrn [D], den stellvertretenden Geschäftsleiter Global Monomers und EAME bei ICI Acrylics, der an den Zusammenkünften betreffend die [PMMA-Formmassen und die PMMA-Massivplatten]“ beteiligt war, von denen mehrere Treffen in dem der Klägerin zuzurechnenden Zeitraum der Zuwiderhandlung stattfanden;

–        den Umstand, dass dieselben Mechanismen der Funktionsweise des Kartells auf alle drei betreffenden Produkte Anwendung fanden.

51      Was speziell das wettbewerbswidrige Verhalten in Bezug auf die PMMA-Formmassen im betreffenden Zeitraum angeht, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass, abgesehen von der Zusammenkunft vom 26. Oktober 1999 (siehe oben, Randnr. 48), die Feststellungen der Kommission auf 14 Treffen beruhen, die zwischen dem 23. Januar 1997 und dem Sommer 1999 stattfanden (vgl. Randnrn. 110 bis 123 der angefochtenen Entscheidung). Im Übrigen steht fest, dass die Anwesenheit der Klägerin nur bei zehn dieser Zusammenkünfte behauptet wird und somit nicht bei den vier in den Randnrn. 112, 114, 117 und 121 der angefochtenen Entscheidung genannten Treffen.

52      Es ist daher zu prüfen, ob die von der Kommission zusammengetragenen Beweismittel ausreichend waren, um die Teilnahme der Klägerin an diesem Teil der Zuwiderhandlung zu belegen.

53      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Beweismittel beizubringen hat, die geeignet sind, das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellenden Tatsachen in rechtlich hinreichender Weise darzutun (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58). Sie muss genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen worden ist (vgl. Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).

54      Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Die Indizien, die die Kommission in der Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Randnr. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Es ist auch zu berücksichtigen, dass die wettbewerbswidrigen Tätigkeiten heimlich ablaufen und deshalb in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnrn. 55 bis 57).

57      Weist die Kommission nach, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, so ist dies im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell. Ist die Teilnahme an solchen Sitzungen erwiesen, so obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Sitzungen geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Konkurrenten darauf hingewiesen hat, dass es an den Sitzungen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnahm (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnr. 155, Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 96, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 81).

58      Zu dem Vorbringen der Klägerin zum Wert der im Rahmen der Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegebenen Erklärungen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Rechts der Europäischen Union es der Kommission untersagt, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer beschuldigter Unternehmen zu verwenden (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 512). Den Erklärungen, die im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegeben wurden, kann daher nicht allein deshalb der Beweiswert abgesprochen werden (Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 57 und 58).

59      Ein gewisses Misstrauen gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell ist verständlich, da sie die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darstellen könnten. Gleichwohl schafft unter Berücksichtigung der inneren Logik des in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Verfahrens ein Antrag auf deren Anwendung, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Mitglieder des inkriminierten Kartells vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Unternehmens in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass es in den vollen Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit gelangt (Urteile des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnr. 70, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 58).

60      Insbesondere kann daraus, dass eine Person zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklichte, und damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori, sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind daher grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg. 2007, II‑947, Randnr. 166, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 59).

61      Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einer Absprache beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweismittel untermauert wird (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 219, vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 285, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 293).

62      Bei der Prüfung des Beweiswerts der Aussagen von Unternehmen, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt haben, berücksichtigt das Gericht insbesondere den Umfang von übereinstimmenden Indizien, die für die Richtigkeit dieser Aussagen sprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 220, und Peróxidos Orgánicos/Kommission, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 70), und das Fehlen von Indizien dafür, dass diese Unternehmen die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 62 und 295).

63      Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle im vorliegenden Fall anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung das Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T‑41/96, Slg. 2000, II‑3383, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Hat ferner das Gericht Zweifel, so muss dies gemäß der Unschuldsvermutung, die als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, gilt, dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird (Urteil Hüls/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 149 und 150).

65      Im Rahmen dieser allgemeinen Erwägungen sind nunmehr die von der Kommission im vorliegenden Fall zusammengetragenen Beweismittel zu prüfen.

66      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, was die oben in Randnr. 51 genannten zehn Zusammenkünfte betrifft, weder bestreitet, dass diese zwischen den Konkurrenten stattgefunden haben, noch, dass sie daran teilgenommen hat, und sie auch nicht behauptet, dass sie sich offen von deren Inhalt distanziert habe. Um die Verantwortlichkeit der Klägerin festzustellen, genügt daher die Prüfung, ob die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, dass diese Sitzungen in Bezug auf die PMMA-Formmassen einen offensichtlich wettbewerbswidrigen Gegenstand hatten (vgl. die oben in Randnr. 57 angeführte Rechtsprechung).

67      Es ist festzustellen, dass die Darstellung dieser Treffen hauptsächlich auf die Aussagen der von einem Geldbußenerlass begünstigten Degussa zurückgeht. Diese ordnet ihnen aber in Bezug auf die PMMA-Formmassen eindeutig einen offensichtlich wettbewerbswidrigen Inhalt zu (siehe Randnrn. 110, 111, 113, 115, 116, 118 bis 120 und 123 der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet.

68      Die Klägerin trägt demgegenüber zum einen vor, dass diese Erklärungen an sich kein hinreichender Beweis für die Zuwiderhandlung seien und sie zum anderen nicht durch weitere Beweismittel untermauert würden.

69      Wie der oben in den Randnrn. 58 bis 60 angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, kommt hierbei Erklärungen, die im Rahmen der Kronzeugenregelung abgegeben werden, besondere Bedeutung zu. Diese im Namen von Unternehmen abgegebenen Erklärungen haben einen nicht unwesentlichen Beweiswert, da sie mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sind (vgl. auch Urteil des Gerichts vom 24. März 2011, Aalberts Industries u. a./Kommission, T‑385/06, Slg. 2011, II‑1223, Randnr. 47). Aus der oben in den Randnrn. 59 und 61 angeführten Rechtsprechung geht aber auch hervor, dass die Aussagen von beschuldigten Unternehmen im Rahmen von Anträgen nach der Mitteilung über Zusammenarbeit kritisch zu betrachten sind und, sofern sie bestritten werden, im Allgemeinen ohne Untermauerung nicht als hinreichend beweiskräftig angesehen werden können.

70      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sind jedoch die Aussagen von Degussa darüber, dass im betreffenden Zeitraum wettbewerbswidrige Gespräche betreffend PMMA-Formmassen stattgefunden hätten, durch weitere Beweismittel hinreichend untermauert.

71      In erster Linie ist zu betonen, dass Degussa nicht die einzige Informationsquelle für die Kommission war. Die Schilderung des Treffens vom 11. Mai 1999 (Randnr. 122 der angefochtenen Entscheidung) beruht nämlich auf einer Aussage von Lucite. Auch wenn Degussa, die an diesem Treffen nicht teilgenommen hat, dieses bei ihrer eigenen Aussage nicht erwähnt hat, untermauert die Aussage von Lucite gleichwohl die Behauptung von Degussa zum Bestehen eines Kartells in Bezug auf die PMMA-Formmassen während des betreffenden Zeitraums und die Teilnahme der Klägerin an diesem Kartell.

72      Zweitens hat die Kommission für den größten Teil dieser Zusammenkünfte Beweismittel zusammengetragen (wie Tagesordnungsvermerke, Kostennoten), die bescheinigen, dass das Treffen stattgefunden hat oder betreffende Personen daran teilgenommen haben. Auch wenn, wie die Klägerin zu Recht vorträgt, der Umstand, dass eine Zusammenkunft der Konkurrenten stattgefunden hat, allein nicht ausreicht, um dessen wettbewerbswidrigen Charakter zu belegen, ist gleichwohl davon auszugehen, dass es sich um Anhaltspunkte handelt, die die Aussagen von Degussa in gewissem Umfang untermauern.

73      Drittens hat Lucite in seinem Antrag vom 11. Juli 2003 nach der Mitteilung über Zusammenarbeit Erklärungen abgegeben, die im Allgemeinen das Bestehen eines im Nachprüfungsbeschluss angesprochenen Kartells auch in Bezug auf die PMMA-Formmassen und die Beteiligung der Klägerin an diesem Kartell bestätigen.

74      Wohl handelt es sich zwar um allgemeine Aussagen, doch gehen sie in die gleiche Richtung wie die von Degussa. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, einschließlich der Unterlagen und des Personalbestands, von der Klägerin auf Lucite übertragen wurden, so dass deren Aussagen über die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung besonderes Gewicht zukommt.

75      Viertens hat Atofina in ihrem Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit eingeräumt, mindestens seit dem 23. Januar 1997 an einem Kartell auch in Bezug auf die PMMA-Formmassen teilgenommen zu haben. Im Übrigen haben die Gesellschaften, aus denen sich das Unternehmen Atofina zusammensetzt (Arkema, Altuglas und Altumax auf der einen sowie Total und Elf Aquitaine auf der anderen Seite), das Bestehen eines solchen Kartells im Rahmen ihrer jeweiligen Klagen gegen die angefochtene Entscheidung nicht bestritten (Rechtssachen T‑206/06 und T‑217/06).

76      Zwar ist das Treffen vom 26. Oktober 1999 die erste wettbewerbswidrige Zusammenkunft betreffend die PMMA-Formmassen, für die in einer Mitteilung von Atofina vom 10. Juni 2003 die Anwesenheit von ICI Acrylics erwähnt wird. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass Atofina in dieser Mitteilung das Bestehen wettbewerbswidriger Kontakte in Bezug auf die PMMA-Formmassen in der Zeit von 1998 bis 2001 eindeutig bestätigt. Daher untermauert auch diese Äußerung die entsprechenden Aussagen von Degussa.

77      Fünftens ist zu unterstreichen, dass der angefochtenen Entscheidung zufolge mindestens sieben der zehn untersuchten Zusammenkünfte sowohl die PMMA-Formmassen als auch die PMMA-Massivplatten betrafen (siehe Randnrn. 110, 111, 115, 116 und 118 bis 120 der angefochtenen Entscheidung) und dass die Klägerin den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Treffen in Bezug auf das zweitgenannte Erzeugnis nicht bestreitet. Es handelt sich um einen Anhaltspunkt, der gleichfalls die Glaubhaftigkeit der die Schilderung dieser wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte betreffenden Aussagen von Degussa verstärkt.

78      Sechstens nahm an einigen der oben in Randnr. 77 genannten Treffen, auch an der als zeitlichen Beginn der Zuwiderhandlung angenommenen Zusammenkunft vom 23. Januar 1997, Herr D. teil, der bei ICI Acrylics eine gehobene Position einnahm und der sowohl für die PMMA-Formmassen als auch für die PMMA-Massivplatten verantwortlich war. Da die Klägerin weder den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Treffen in Bezug auf das zweitgenannte Erzeugnis bestreitet, noch die Beurteilung der Kommission beanstandet, wonach die betroffenen Unternehmen „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachteten]“ (siehe Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung sowie oben, Randnr. 50 zweiter Gedankenstrich), handelt es sich um ein Indiz dafür, dass auch die PMMA-Formmassen im Zuge dieser Zusammenkünfte behandelt wurden.

79      In Anbetracht dieser Anhaltspunkte ist festzustellen, dass sie, zusammengenommen, ein Bündel von hinreichend übereinstimmenden Indizien bilden, um die Aussagen von Degussa zum Bestehen eines Kartells in Bezug auf die PMMA-Formmassen während des betreffenden Zeitraums und die Beteiligung der Klägerin an diesem Kartell zu untermauern.

80      Die von der Klägerin zur Bedeutung der Aussagen von Degussa vorgebrachten Argumente können an diesem Ergebnis nichts ändern.

81      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin können die Aussagen von Degussa nämlich nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil es sich um Äußerungen von Bevollmächtigten des Unternehmens im Rahmen eines Antrags auf Erlass der Geldbuße handelt (siehe insbesondere oben, Randnrn. 59 und 60). Außerdem haben sich, auch wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich einige auf die Aussagen von Degussa gestützte Beschwerdepunkte fallen lassen musste (wie insbesondere sämtliche Beschwerdepunkte betreffend MMA, das Ausgangsmaterial für die PMMA-Produktion), diese Aussagen gleichwohl als umfassend zutreffend erwiesen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Der Beweis dafür besteht u. a. darin, dass drei weitere Unternehmen, nämlich die Klägerin, Atofina und Lucite, in Bezug auf das von Degussa angesprochene Kartell Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt haben. Im Übrigen hat, mit Ausnahme der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, keines dieser Unternehmen im Rahmen seiner Klage gegen die angefochtene Entscheidung das Bestehen der Zuwiderhandlung bestritten (Rechtssachen T‑206/06, T‑217/06 und T‑216/06). Insbesondere hat die Klägerin selbst implizit die Bedeutung des Antrags von Degussa auf Erlass der Geldbuße bestätigt, da sie ihre Beteiligung am Kartell in Bezug auf die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen eingeräumt hat.

82      Da die Aussagen von Degussa hinreichend untermauert sind, kann, anders als die Klägerin meint, ihrer Auffassung, wonach der die PMMA-Formmassen betreffende Teil der Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Schwere ihrer Zuwiderhandlung zum Zweck der Bemessung der Geldbuße keine Berücksichtigung finden könne, nicht gefolgt werden.

83      Ferner trägt die Klägerin auch zu Unrecht im Wesentlichen vor, dass die Einstufung der in Rede stehenden Zuwiderhandlung als ein einziger und fortdauernder Verstoß betreffend die drei PMMA-Produkte, darunter die Formmassen (siehe oben, Randnr. 49), keine Auswirkungen auf die Prüfung des vorliegenden Klagegrundes haben könne.

84      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 81). Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission selbst dann berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen nach Maßgabe der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (vgl. Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 258 und die dort angeführte Rechtsprechung), wenn das betreffende Unternehmen nachweislich nur an einem oder mehreren Bestandteilen der Zuwiderhandlung unmittelbar mitgewirkt hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnr. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens an einer derartigen einheitlichen Vereinbarung hat die Kommission nach der Rechtsprechung zu beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und dass es bereit war, das daraus erwachsende Risiko einzugehen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 87, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 83).

86      Um die Klägerin für die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen und die Höhe der Geldbuße entsprechend festzusetzen, hätte es daher für die Kommission genügt, nachzuweisen, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch die Mitwirkung an einem PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen betreffenden Kartell auch in ein Gesamtkartell in Bezug auf drei PMMA-Produkte eingliederte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, Sigma Tecnologie/Kommission, T‑28/99, Slg. 2002, II‑1845, Randnr. 45, und Bolloré u. a./Kommission, oben in Randnr. 60 angeführt, Randnr. 209).

87      Die oben geprüften Anhaltspunkte sind hierfür aber bei Weitem ausreichend.

88      Insbesondere ist daran zu erinnern, dass sich das Bestehen wettbewerbswidriger Kontakte in Bezug auf die PMMA-Formmassen im betreffenden Zeitraum aus den Aussagen von drei Unternehmen, nämlich Degussa, Lucite und Atofina, ergibt.

89      Im Übrigen stellt die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für die während desselben Zeitraums begangene Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen nicht in Abrede. Ebenso wenig bestreitet sie das Bestehen einer einheitlichen Zuwiderhandlung als solcher. Insbesondere versucht sie, ungeachtet einiger fragmentarischer Argumente in der Erwiderung, nicht einmal, die oben in den Randnrn. 49 und 50 wiedergegebenen Argumente in Zweifel zu ziehen, die die Kommission veranlasst haben, vom Bestehen einer einzigen Zuwiderhandlung auszugehen.

90      So stellt die Klägerin u. a. nicht die Feststellungen der Kommission in Frage, wonach ihr bei den wettbewerbswidrigen (der Klägerin zufolge auf andere Erzeugnisse beschränkten) Zusammenkünften anwesender Vertreter für mehr als eines der in der Untersuchung berücksichtigten Produkte zuständig gewesen sei „und [wusste], oder [hätte] wissen müssen“, dass diese Vereinbarungen bezüglich mehrerer Produkte bestanden. Ebenso wenig beanstandet sie die Behauptung der Kommission, sie sei ein „voll [integrierter] Hersteller“ gewesen und habe „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachtet]“ (siehe oben, Randnr. 50 zweiter und vierter Gedankenstrich).

91      Aber, selbst unterstellt, die von der Kommission zusammengetragenen Anhaltspunkte genügten nicht für den Nachweis der unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an dem die PMMA-Formmassen betreffenden Teil des Kartells, sind sie zumindest für den Nachweis des Bestehens wettbewerbswidriger Kontakte hinsichtlich dieses Erzeugnisses während des betreffenden Zeitraums sowie dessen bei Weitem ausreichend, dass die einzige Zuwiderhandlung auch dieses Erzeugnis erfasste. Dies ergibt sich u. a. aus den übereinstimmenden Aussagen von drei Unternehmen, nämlich Degussa, Lucite und Atofina.

92      Diese Erwägungen genügen, um zumindest darzutun, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch die Mitwirkung an einem die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen betreffenden Kartell in ein Gesamtkartell in Bezug auf drei PMMA-Produkte eingliederte.

93      Bei dieser Fallgestaltung konnte aber ihre Verantwortlichkeit für die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zum Zweck der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung finden, so dass der auf deren Herabsetzung gerichtete Antrag auf dieser Grundlage zurückzuweisen ist.

94      Aus alledem ergibt sich schließlich, dass die behauptete Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin in Bezug auf das Treffen vom 26. Oktober 1999 keinerlei praktische Auswirkungen auf die Beurteilung des vorliegenden Klagegrundes hätte und die entsprechende Rüge der Klägerin daher als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

95      Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm zum einen der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung und zum anderen der Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung untermauert werden soll.

 Zum zweiten Klagegrund, mit dem die fehlende Begründung in der angefochtenen Entscheidung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt wird

96      Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Modalitäten für die Bestimmung des in Randnr. 336 der angefochtenen Entscheidung festgelegten Grundbetrags der Geldbuße (32,5 Mio. Euro) nicht erläutert zu haben und somit das Gericht daran zu hindern, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der „wichtigsten Bezugsgröße“ bei der Bemessung der Geldbuße zu prüfen. Die Kommission habe sich nämlich damit begnügt, anzugeben, aus welchen Gründen sie die Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend eingestuft habe, und die Unternehmen anhand ihrer relativen Größe in drei Kategorien aufzuteilen. Sie habe jedoch weder erläutert, wie sie zu den jeder einzelnen dieser Kategorien zugeordneten Beträgen gelangt sei, noch, weshalb der für die Klägerin festgelegte Betrag über den in den Leitlinien für besonders schwere Verstöße festgelegten Schwellenwert von 20 Mio. Euro weit hinausgehe. Damit habe die Kommission die ihr nach Art. 253 EG obliegende Begründungspflicht verletzt.

97      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, das die Begründungspflicht darstellt, was die Berechnung der verhängten Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 anbelangt, erfüllt sind, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (vgl. entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, C‑248/98 P, Slg. 2000, I‑9641, Randnr. 42, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 73, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 463).

98      Im vorliegenden Fall räumt die Klägerin selbst ein, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zum einen angegeben hat, aus welchen Gründen sie den Verstoß als besonders schwer eingestuft hat, und zum anderen, weshalb sie entschieden hat, die betroffenen Unternehmen in drei Kategorien aufzuteilen und jeder dieser Kategorien einen anderen Ausgangsbetrag der Geldbuße zuzuordnen.

99      Im Übrigen lässt sich anhand der Prüfung der Randnrn. 319 bis 336 der angefochtenen Entscheidung feststellen, dass die Kommission tatsächlich eine insoweit hinreichende Begründung geliefert hat. Insbesondere ist der angefochtenen Entscheidung eindeutig zu entnehmen, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße namentlich auf die Art der Zuwiderhandlung gestützt ist, die anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 320 dieser Entscheidung) dargelegt sind, der Größe des betreffenden räumlichen Marktes, also des Gebiets des EWR (siehe Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung), und der Anwendung einer differenzierten Behandlung auf diese Unternehmen ermittelt wurde, um deren wirkliche wirtschaftliche Durchsetzungskraft für eine erhebliche Schädigung des Wettbewerbs zu berücksichtigen, die aufgrund der mit dem Verkauf von PMMA-Produkten erzielten Umsätze eingeschätzt wurde, mit denen sie an dem in Rede stehenden Kartell beteiligt waren (siehe Randnrn. 332 bis 334 der angefochtenen Entscheidung). Im letztgenannten Zusammenhang hat die Kommission auch den in Volumen und Wert ausgedrückten Gesamtumfang des Marktes für PMMA-Produkte in den Jahren 2000 und 2002 erwähnt (siehe Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung). Demnach ist die Behauptung der Klägerin, die Kommission habe nicht erläutert, weshalb die Schwere der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung die Festsetzung eines solchen Grundbetrags rechtfertige, sachlich unzutreffend.

100    Soweit die Klägerin das Fehlen einer spezifischen Begründung für den Betrag von 32,5 Mio. Euro beanstandet, der den wie sie in die zweite Kategorie eingestuften Unternehmen zugeordnet worden sei, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen der Begründungspflicht die Kommission nicht zwingen, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen (Urteile Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 80, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 464). Die Kommission war daher nicht nach Art. 253 EG verpflichtet, ihre Entscheidung für den Betrag von 32,5 Mio. Euro als Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße eingehender zu begründen (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 1361).

101    Zum Vorbringen der Klägerin, wonach die oben in Randnr. 100 angeführte Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Höhe des Ausgangsbetrags der Geldbuße im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, genügt der Hinweis, dass diese Rechtsprechung auch in einer Rechtssache Anwendung gefunden hat, in der die Kommission einen noch weit höheren Ausgangsbetrag festgesetzt hatte als hier (Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 1361). Auch die Behauptung der Klägerin, der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße gehe über den für besonders schwere Verstöße festgelegten Schwellenwert von 20 Mio. Euro „weit“ hinaus, vermag an der oben in Randnr. 100 getroffenen Einschätzung nichts zu ändern. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass dieser Schwellenwert nur eine in den Leitlinien für derartige Verstöße vorgesehene Untergrenze darstellt, da diese bestimmen, dass die „voraussichtlichen Beträge“ „oberhalb von 20 Millionen [Euro]“ liegen.

102    Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Im Übrigen rechtfertigen auch die im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung.

 Zum dritten Klagegrund, betreffend das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen

103    Die Klägerin trägt vor, als aufeinanderfolgende Eigentümerinnen einer einheitlichen Gesamtheit von Vermögenswerten, die Gegenstand der Zuwiderhandlung gewesen seien, seien sie selbst und Lucite nacheinander Beteiligte an der mutmaßlichen Zuwiderhandlung gewesen und hätten daher zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen. Dementsprechend hätte der dieser „einheitlichen Schwere“ entsprechende Betrag der Geldbuße auf sie aufgeteilt werden müssen, um zu vermeiden, dass die „tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“, der nach den Leitlinien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung ausschlaggebende Maßstab, doppelt berücksichtigt werde. Die Geldbuße sei jedoch so berechnet worden, als ob die Klägerin und Lucite jeweils einen unterschiedlichen und gleichzeitigen Einfluss auf den Wettbewerb ausgeübt hätten. Diese Berechnungsmethode habe – für eine einheitliche Zuwiderhandlung – zu einer Geldbuße geführt, die allein deshalb erheblich höher gewesen sei, weil es bei einem Unternehmen einen Eigentümerwechsel gegeben habe, und nicht deshalb, weil dem Wettbewerb zusätzlicher Schaden zugefügt worden wäre oder die Klägerin irgendeinen Fehler begangen hätte. Dadurch habe Kommission gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

104    Hierzu ist zunächst das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, der vorliegende Klagegrund sei unzulässig. Er wird nämlich zur Stützung der oben in Randnr. 36 aufgeführten Anträge geltend gemacht und würde, wäre er denn begründet, zur Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße führen. Damit beanstandet die Klägerin entgegen dem Vorbringen der Kommission die Höhe ihrer eigenen Geldbuße, nicht aber die Höhe der Geldbuße, die gegen einen Dritten verhängt wurde.

105    Ferner geht aus den Schriftsätzen der Klägerin eindeutig hervor, dass der vorliegende Klagegrund, auch wenn in dessen Überschrift auf den „Grundbetrag“ der Geldbuße Bezug genommen wird, nur den „die Schwere betreffenden Teil der Geldbuße“, d. h. konkret den in Randnr. 336 der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße in Höhe von 32,5 Mio. Euro, betrifft. Zudem beanstandet die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht die oben in den Randnrn. 25 und 26 erwähnten Beurteilungen der Kommission.

106    Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission, wie die Klägerin vorträgt, verpflichtet war, diesen Ausgangsbetrag der Geldbuße auf die Klägerin und Lucite aufzuteilen.

107    Der angefochtenen Entscheidung zufolge waren die Klägerin und Lucite an der Zuwiderhandlung mit denselben Vermögenswerten beteiligt wie ICI Acrylics, die Einheit, die am 2. November 1999, also etwa in der Mitte des Zeitraums der Zuwiderhandlung, vom erstgenannten auf das zweitgenannte Unternehmen übertragen wurde. Dieses Datum stellt im Übrigen einen Zeitpunkt der „Aufteilung“ der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen der Klägerin und Lucite dar (siehe oben, Randnr. 21). Außerdem hat die Kommission im Rahmen der differenzierten Behandlung dieser beiden Unternehmen den von Lucite im Jahr 2000 erzielten eigenen Umsatz berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hat sie die Ausgangsbeträge der Geldbußen der beiden Unternehmen auf jeweils 32,5 Mio. Euro festgesetzt (siehe Randnrn. 334 und 336 der angefochtenen Entscheidung).

108    Demnach kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass die Anwendung derselben Methode für die Berechnung der Geldbuße, unterstellt ICI Acrylics hätte nicht den Eigentümer gewechselt, die Kommission veranlasst hätte, einen einzigen Ausgangsbetrag der Geldbuße in Höhe von 32,5 Mio. Euro festzusetzen, den sie diesem einzigen Unternehmen zugeordnet hätte. Folglich erscheint die Behauptung der Klägerin, die Übertragung der ICI Acrylics als solche habe sich auf den Gesamtbetrag der in der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbußen ausgewirkt, begründet.

109    Gleichwohl ist die Auffassung der Klägerin, die Kommission hätte anders vorgehen und den Ausgangsbetrag zwischen den beiden betroffenen Unternehmen aufteilen müssen, zurückzuweisen.

110    In erster Linie beruht diese Auffassung im Wesentlichen auf der Annahme, dass die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eng mit der „Auswirkung auf den Wettbewerb“ oder mit dessen „Schädigung“ verknüpft sein müsse und dass die Klägerin und Lucite als aufeinanderfolgende Eigentümerinnen der Vermögenswerte von ICI Acrylics dementsprechend zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen hätten. Die Klägerin stützt sich insoweit auf den Wortlaut der Leitlinien, wonach bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung die „tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ zu berücksichtigen sei.

111    Diese Annahme geht jedoch fehl.

112    Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis als solche bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, Slg. 2003, I‑10821, Randnr. 118, und vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, Slg. 2009, I‑7415, Randnr. 96). Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 241 und 242 und die dort angeführte Rechtsprechung), und beispielsweise Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen handelt (vgl. Urteile Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 118, sowie Prym und Prym Consumer/Kommission, Randnr. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    Außerdem hat die Klägerin die Leitlinien nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Nach deren Ziff. 1 A sind nämlich „[b]ei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes … seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“. In Anwendung dieser Kriterien werden „[d]ie Verstöße … in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße“. Hinsichtlich der besonders schweren Verstöße heißt es in den Leitlinien u. a., dass es sich „sich im Wesentlichen um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle [handelt]“ und dass die voraussichtlichen Ausgangsbeträge „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ liegen. Außerdem ermöglicht nach den Leitlinien „innerhalb der einzelnen Kategorien von Zuwiderhandlungen … die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes“.

114    Die Leitlinien stellen daher im Zusammenhang mit der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße klar auf die Art der Zuwiderhandlung als bei der Beurteilung ihrer Schwere entscheidenden Gesichtspunkt ab (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone Lorraine/Kommission, T‑73/04, Slg. 2008, II‑2661, Randnr. 91). Was die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung betrifft, sehen die Leitlinien das Kriterium der „konkreten Auswirkungen auf den Markt“ vor, das die Zuwiderhandlung als Ganzes betrifft, nicht aber die Auswirkungen des jeweiligen Verhaltens der einzelnen Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, C‑554/08 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 21 und 24), wobei klargestellt wird, dass sie nur Berücksichtigung finden, „sofern diese messbar sind“.

115    Im Übrigen ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass „es nicht möglich [gewesen sei,] die tatsächlichen Auswirkungen der [streitigen] Zuwiderhandlung … auf den EWR zu bemessen“, und sie hat daher ausgeführt, dass sie im Rahmen der Bemessung der Geldbuße nicht „auf derlei spezifisch[e] Auswirkungen [der Zuwiderhandlung auf den Markt]“ (Randnr. 321 der angefochtenen Entscheidung) Bezug genommen habe. Sie ist mithin auf der Grundlage ihrer Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 320 dieser Entscheidung) dargelegt sind, und der Größe des betreffenden räumlichen Marktes (siehe Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung) zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich im vorliegenden Fall um einen besonders schweren Verstoß handelte.

116    Diese von der Klägerin im Übrigen nicht beanstandete Vorgehensweise steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach horizontale Preisabsprachen oder Marktaufteilungen allein aufgrund ihrer Art als besonders schwere Verstöße angesehen werden können, ohne dass die Kommission namentlich konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweisen müsste (Urteile des Gerichtshofs Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 75, und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Randnr. 103).

117    Das von der Klägerin herangezogene Kriterium der „tatsächliche[n] Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ wird im vorletzten Absatz von Ziff. 1 A der Leitlinien erwähnt, in dem es heißt, dass „[b]ei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind (Kartelle), … in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen … Gruppen festgesetzten Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“. Mithin handelt es sich lediglich um ein fakultatives Kriterium, das bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, eine Anpassung des Ausgangsbetrags der Geldbuße ermöglicht, nicht aber um ein für die Bestimmung dieses Betrags ausschlaggebendes Kriterium. Im Übrigen betrifft dieses Kriterium nicht die quantitative Erfassung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Verhaltens der einzelnen an einer bestimmten Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen, sondern die Berücksichtigung möglicherweise zwischen ihnen bestehender objektiver Unterschiede wie u. a. einen erheblichen Größenunterschied bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße.

118    Folglich ließe der Eigentümerwechsel bei ICI Acrylics, selbst unterstellt, dieser Umstand hätte, wie die Klägerin behauptet, keine zusätzliche Schädigung des Wettbewerbs nach sich gezogen, nicht den Schluss zu, dass die Klägerin und Lucite zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen hätten und der Ausgangsbetrag der Geldbuße daher auf sie hätte aufgeteilt werden müssen.

119    In zweiter Linie lässt das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit einer Aufteilung des Ausgangsbetrags der Geldbuße auf sie und Lucite außer Betracht, dass die der Bestimmung dieses Betrags zugrunde liegenden Erwägungen (siehe Randnrn. 319 bis 336 der angefochtenen Entscheidung) in vollem Umfang auf sie anwendbar sind.

120    Der angefochtenen Entscheidung zufolge haben sowohl die Klägerin als auch Lucite die in Art. 1 dieser Entscheidung genannte Zuwiderhandlung begangen. Tatsächlich bestreitet die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für eine solche Zuwiderhandlung nicht (siehe oben, Randnr. 40). Ebenso wenig beanstandet sie die Beurteilung der Kommission, wonach sie „als Unternehmen im Sinne von Artikel 81 [EG]“ zu betrachten sei (Randnr. 288 der angefochtenen Entscheidung).

121    Außerdem rügt sie weder die von der Kommission in den Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung noch deren Einschätzung, dass im Rahmen der differenzierten Behandlung der von Lucite mit dem Verkauf von PMMA-Produkten im Jahr 2000 erzielte Umsatz ein angemessener Indikator für die relative Größe und wirtschaftliche Macht von ICI Acrylics auf dem maßgebenden Markt sei (Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung).

122    Unter diesen Umständen läuft das Vorbringen der Klägerin in Wirklichkeit darauf hinaus, in Bezug auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße allein deshalb eine Vorzugsbehandlung gegenüber den anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung zu fordern, weil sie die Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, übertragen hat.

123    Die von ihr begangene Zuwiderhandlung ist jedoch allein dadurch nicht weniger schwerwiegend geworden. Gegen die Klägerin wurde somit genau derselbe Ausgangsbetrag der Geldbuße festgesetzt, wie wenn sie sich, anstatt ICI Acrylics mit Wirkung vom 2. November 1999 auf Lucite zu übertragen, zum selben Zeitpunkt lediglich von der Zuwiderhandlung zurückgezogen hätte.

124    Folglich hat die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen, ungeachtet der Tatsache, dass sie mit denselben Vermögenswerten wie später Lucite an dem Kartell beteiligt war, eine Zuwiderhandlung begangen, deren Schwere die Festsetzung des von der Kommission bei ihr zugrunde gelegten Ausgangsbetrags rechtfertigte. Daher ist ihrer Auffassung, dass dieser Ausgangsbetrag auf sie und Lucite hätte aufgeteilt werden müssen, nicht zu folgen.

125    Die übrigen Argumente der Klägerin sind nicht geeignet, an diesem Ergebnis etwas zu ändern.

126    Sie macht erstens geltend, dass betreffend die Geldbuße die „Aufteilung des Maßstabs ‚Dauer‘“ auf sie und Lucite nicht hinreichend sei. Nach der Methode der Leitlinien sei es nämlich betreffend die Geldbuße der „Maßstab ‚Schwere‘“, der stärkere Auswirkungen auf den Grundbetrag der Geldbuße habe, da der Ausgangsbetrag um lediglich 10 % für jedes Jahr der Zuwiderhandlung erhöht werde. In Ermangelung einer „linearen Relation“ zwischen der Dauer der Zuwiderhandlung und dem Grundbetrag der Geldbuße seien daher, auch wenn der „Maßstab ‚Dauer‘“ auf die Klägerin und Lucite aufgeteilt worden sei, ihre Grundbeträge zusammengenommen höher als derjenige, der berechnet worden wäre, hätte ICI Acrylics denselben Eigentümer behalten.

127    Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Grundbetrag der Geldbuße der Klägerin anhand der Dauer ihrer eigenen Beteiligung an der Zuwiderhandlung bestimmt wurde (siehe oben, Randnr. 26). Somit wurde, wie die Kommission zu Recht betont, betreffend die Geldbuße der „Maßstab ‚Dauer‘“ tatsächlich auf die Klägerin und Lucite „aufgeteilt“.

128    Zwar übersteigen, wie die Klägerin vorträgt, die Ausgangsbeträge für die Klägerin und für Lucite zusammengenommen denjenigen, der berechnet worden wäre, hätte ICI Acrylics denselben Eigentümer behalten (siehe oben, Randnr. 108). Doch ist festzustellen, dass dies die einfache Folge der Anwendung der in den Leitlinien vorgesehenen Methode ist, die die Politik widerspiegeln, die die Kommission im Rahmen der Festsetzung von Geldbußen verfolgen wollte. Unter Berücksichtigung des Ermessens, über das die Kommission insoweit verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 109), durfte sie aber eine solche Relation zwischen den Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung herstellen.

129    Dass dem Kriterium der Schwere der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße höheres Gewicht zukam als dem der Dauer der Zuwiderhandlung, erlaubt es daher nicht, der Auffassung der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit – betreffend die Geldbuße – einer „Aufteilung des Maßstabs ‚Schwere‘“ auf sie und Lucite beizupflichten.

130    Im Übrigen wäre im vorliegenden Fall eine „lineare Relation“ zwischen der Dauer der Zuwiderhandlung und dem Grundbetrag der Geldbuße, also die Multiplikation des Ausgangsbetrags der Geldbuße mit der Zahl der Jahre der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, zulasten der Klägerin hergestellt worden, da sie zu einem höheren Grundbetrag als demjenigen geführt hätte, der für sie festgesetzt wurde.

131    Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, das auf die Aussage der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt ist, dass dann, „wenn das Unternehmen, das die Vermögenswerte erworben hat, den Verstoß gegen Art. 81 [EG] und/oder Art. 53 EWR-Abkommen, fortsetzt, … die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber der Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind, aufzuteilen [ist]“ (Randnr. 347 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

132    Entgegen den Ausführungen der Klägerin enthält diese Aussage keine Konkretisierung hinsichtlich der Frage – betreffend die Geldbuße – einer etwaigen Aufteilung des „Elements ‚Schwere‘“ auf sie und Lucite. Wie sich der von der Kommission verwendeten Formulierung und ihrer Platzierung in Abschnitt 5.6 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig entnehmen lässt, betrifft diese Aussage lediglich die Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber der Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, im Zusammenhang mit der Bestimmung der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dasselbe Ergebnis folgt zwingend aus dem Verweis in einer Fußnote zu Randnr. 43 der Entscheidung 89/190/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.865, PVC) (ABl. 1989, L 74, S. 1). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung eine solche Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen der Klägerin und Lucite vorgenommen hat (siehe oben, Randnr. 21).

133    Die Klägerin macht drittens geltend, die Kommission habe in ihrer früheren Entscheidungspraxis eine Methode angewandt, die darin bestanden habe, die Geldbuße entsprechend den Zeiträumen des Eigentums an einer an der Zuwiderhandlung beteiligten Einheit aufzuteilen.

134    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für die Bemessung von Geldbußen im Wettbewerbsrecht dient, da die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfügt, bei dessen Ausübung sie nicht an frühere eigene Beurteilungen gebunden ist (vgl. Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

135    Auf jeden Fall zieht die Klägerin nicht das Vorbringen der Kommission in Zweifel, wonach, anders als in der vorliegenden Rechtssache, bei den von ihr herangezogenen Entscheidungen die Übertragung einer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Tochtergesellschaft vorgelegen habe. Dabei handelt es sich um eine grundlegende Abweichung des Sachverhalts im Rahmen der Bemessung der Geldbuße, da in Ermangelung einer Rechtspersönlichkeit von ICI Acrylics gegen diese keine Geldbuße festgesetzt werden konnte. Folglich kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall keinesfalls in sachdienlicher Weise auf die Entscheidungspraxis der Kommission bei der Übertragung einer Tochtergesellschaft während des Zeitraums der Zuwiderhandlung berufen.

136    Schließlich ist festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes auch die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung erwähnt. Sie trägt insoweit jedoch keine anderen spezifischen Argumente vor als die oben geprüften, die das Vorliegen der angeblichen Verpflichtung der Kommission betreffen, wegen des Fehlens einer sich aus der Übertragung ergebenden zusätzlichen Schädigung des Wettbewerbs „das ‚Element Schwere‘ aufzuteilen“. Daher sind auch diese Argumente zurückzuweisen.

137    Demnach ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Im Übrigen rechtfertigen auch die im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt wird

138    Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, dass die Kommission bei der Festlegung der Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Klägerin verkannt habe. Mit dem zweiten Teil trägt sie hilfsweise vor, die Kommission habe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt.

 Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verkennung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Kommission gerügt wird

139    Nach Ansicht der Klägerin ist die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der hinreichenden Abschreckung um 50 % unter Verkennung ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit erfolgt. Wie sie während der Ermittlungen dargetan habe, werde diese von ihrem Umsatz, auf den die Kommission bei der Festlegung der Erhöhung abgestellt habe, nicht angemessen widergespiegelt. Das Umsatzkriterium sei für die Wirtschaftskraft eines Unternehmens zwar als „Anhaltspunkt“ oder „Näherungswert“ einschlägig, aber nicht hinreichend, wenn das betreffende Unternehmen weitere seine Wirtschaftskraft betreffende Beweise vorlege. Daher sei die fragliche Erhöhung aufzuheben.

140    Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung erklärt hat, dass in der Kategorie der sehr schwerwiegenden Zuwiderhandlungen die Bandbreite der möglichen Geldbußen die Festsetzung der Geldbußen in einer Höhe ermögliche, die „in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen“ eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Bei der Ermittlung der Größe und der Wirtschaftskraft der Klägerin hat die Kommission deren weltweiten Umsatz im Jahr 2005 berücksichtigt, dem letzten Geschäftsjahr vor dem Jahr, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde (8,49 Mrd. Euro), und beschlossen, auf ihre Geldbuße einen Multiplikationsfaktor von 1,5 anzuwenden (siehe Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung).

141    In diesem Zusammenhang führte die Kommission in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin zur Beurteilung ihrer Wirtschaftskraft anhand des Umsatzes aus, dass sie den Umsatz als vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke eines Unternehmens betrachte und dass sie im vorliegenden Fall dieses Kriterium für alle Unternehmen gleich gewichtet habe (Randnr. 347 der angefochtenen Entscheidung).

142    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Abschreckungswirkung zu den Kriterien gehört, die bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Nach ständiger Rechtsprechung sollen mit Geldbußen wegen Verstößen gegen Art. 81 EG, wie sie in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen sind, rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und diese Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer abgeschreckt werden, künftig Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts zu begehen. Daher kann die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße u. a. die Größe und die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C‑289/04 P, Slg. 2006, I‑5859, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Dass Größe und Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, findet seinen Grund in der angestrebten Wirkung auf dieses Unternehmen, da die Sanktion insbesondere im Hinblick auf dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, Slg. 2010, I‑5361, Randnr. 104). So ist entschieden worden, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden kann (Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 278).

144    Im vorliegenden Fall stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass die Kommission die Möglichkeit habe, der Größe und der Wirtschaftskraft des Unternehmens Rechnung zu tragen, um die Höhe der Geldbuße anzupassen. Sie zieht jedoch in Zweifel, dass das Kriterium des Umsatzes bei der Beurteilung ihrer eigenen Größe und ihrer Wirtschaftskraft maßgebend sei.

145    Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine – wenn auch nur annähernde und unvollständige Aussage – zu dessen Größe und Wirtschaftskraft erlaubt (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 243 und die dort angeführte Rechtsprechung). So ist bereits entschieden worden, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße in einer Höhe, die eine hinreichende Abschreckungswirkung sicherstellt, den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen kann (Urteile des Gerichtshofs Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 142 angeführt, Randnrn. 15 bis 18, und vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat, C‑266/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 120, Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 96).

146    Obwohl die Rechtsprechung ausdrücklich einräumt, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine möglicherweise „unvollständige“ und „annähernde“ Aussage zu dessen Größe und Wirtschaftskraft darstellt, bestätigt sie zugleich die Anwendung dieses Kriteriums bei der Festlegung der Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung. Diese Lösung hat den unbestreitbaren Vorteil, der Kommission im Rahmen der Bemessung der Geldbußen den Rückgriff auf ein objektives Kriterium und dessen unterschiedslose Anwendung auf alle betroffenen Unternehmen zu ermöglichen.

147    Folglich ist die Behauptung, der Umsatz eines Unternehmens spiegele dessen Wirtschaftskraft nur unvollständig oder annähernd wider, als solche nicht ausreichend, um die Erheblichkeit dieses Kriteriums bei der Festlegung der Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung zu verneinen.

148    Zwar darf, wie die Klägerin im Wesentlichen vorträgt, nicht aus dem Blick geraten, welches Ziel mit der Anwendung dieser Erhöhung verfolgt wird, nämlich die Anpassung der Geldbuße in der Weise, dass sie insbesondere im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (vgl. oben, Randnr. 143, und Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 283, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Randnr. 379).

149    Jedoch lässt sich anhand des Vorbringens der Klägerin nicht feststellen, dass ihr von der Kommission berücksichtigter Umsatz einen so irreführenden Eindruck ihrer Leistungsfähigkeit vermittelte, dass dieses Ziel im vorliegenden Fall verfehlt worden wäre.

150    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die von ihr vorgebrachten Argumente und Zahlen auf keinen konkreten Anhaltspunkt stützt, da in der Klageschrift insoweit auf keine Unterlagen Bezug genommen wird.

151    Ferner beschränkt sich die Klägerin in der Klageschrift darauf, das Vorliegen einer Verbindlichkeit aus Pensionsverpflichtungen geltend zu machen, die umfangreicher sei, als ihre Größe vermuten lasse, sowie eine auf die Finanzierung eines im Jahr 1997 erfolgten Erwerbs zurückzuführende Verschuldung, ohne jedoch substantiiert darzulegen, wodurch das Bestehen dieser Verbindlichkeiten die Erheblichkeit ihres von der Kommission berücksichtigten Umsatzes im Jahr 2005 beeinträchtigen sollte.

152    Wie die Kommission zutreffend bemerkt hat, geht es um Umstände, die mehrere Jahre betreffen und daher nicht zwangsläufig einen verlässlichen Indikator für die Wirtschaftskraft des Unternehmens zu dem Zeitpunkt darstellen, zu dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, und die darüber hinaus grundsätzlich unvermeidbare Auswirkungen auf den Umsatz des Unternehmens haben. Im Übrigen bestätigt die Klägerin selbst in der Klageschrift, dass die in Rede stehende Verschuldung „Auswirkungen auf ihre Tätigkeiten hatte“. Die Klägerin hat auch nicht das Vorbringen der Kommission in Zweifel gezogen, wonach sich die fraglichen Verbindlichkeiten zwangsläufig auf ihren Umsatz ausgewirkt hätten.

153    Zudem erläutert die Klägerin nicht, inwieweit das Kriterium des Umsatzes aufgrund der von ihr vorgetragenen Umstände ihre Leistungsfähigkeit nicht angemessen widerspiegele. Sie begnügt sich damit, schlicht und einfach die Aufhebung der von der Kommission angewandten Erhöhung zu beantragen. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin dadurch in die gleiche Lage gebracht würde wie Barlo und Lucite, bei denen keine Erhöhung zum Zweck der Abschreckung vorgenommen wurde. Der Umsatz dieser beiden Unternehmen machte im Jahr 2005 aber nur rund 4 % bzw. 13 % des Umsatzes der Klägerin aus (siehe Randnrn. 36 und 46 der angefochtenen Entscheidung). In Ermangelung überzeugender Beweise kann der Auffassung, der Umsatz der Klägerin sei hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit insoweit irreführend, nicht gefolgt werden.

154    Demnach hat die Klägerin die Beurteilung der Kommission nicht widerlegt, wonach ihr Umsatz einen „vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für [ihre] wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke“ liefere (Randnr. 347 der angefochtenen Entscheidung). Daher konnte die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin auf diesen Umsatz abstellen, um die angemessene Erhöhung festzulegen (siehe oben, u. a. Randnrn. 146 und 147).

155    Darüber hinaus ist, soweit die Klägerin vorträgt, die Kommission habe versäumt, die im Verwaltungsverfahren in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit vorgelegten Beweise zu prüfen, auch dieses Vorbringen zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich um eine bloße Behauptung der Klägerin, die durch keinen konkreten Anhaltspunkt wie z. B. die Bezeichnung der Beweise, die die Kommission ignoriert habe, untermauert wird. Zum anderen und auf jeden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission das Vorbringen der Klägerin geprüft hat, wonach anhand ihres Umsatzes ihre Leistungsfähigkeit überschätzt worden sei, und dass sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Umsatz einen vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke abgegeben habe (Randnrn. 343 und 347 der angefochtenen Entscheidung). Wenn die Kommission nicht im Einzelnen auf jedes Argument der Klägerin eingegangen ist, erlaubt dies nicht die Behauptung als solche, dass diese Argumente nicht geprüft worden seien.

156    Schließlich trägt die Klägerin noch vor, dass die Notwendigkeit der Erhöhung im vorliegenden Fall besonders deshalb einer eingehenden Begründung bedurft hätte, weil sie dargetan habe, dass keiner der tatsächlichen Urheber der Zuwiderhandlung bei ihr beschäftigt gewesen sei oder eine Position mit Verantwortung bei ihr innegehabt habe, dass keines ihrer Vorstandsmitglieder die Durchführung der Zuwiderhandlung erleichtert habe und dass die Geldbuße bereits sehr hoch gewesen sei.

157    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission in den Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße vorgenommen hat, um „in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung [sicherzustellen]“ (Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung). Diese Stufe der Bemessung der Geldbuße ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Ausgangsbetrag der Geldbuße so anzupassen, dass die Geldbuße im Hinblick auf die Gesamtmittel des Unternehmens und seine Fähigkeit, die für die Bezahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen, eine hinreichende Abschreckungswirkung entfaltet. Dementsprechend sind die Behauptungen der Klägerin, dass keiner der tatsächlichen Urheber der Zuwiderhandlung bei ihr beschäftigt gewesen sei oder eine Position mit Verantwortung bei ihr innegehabt habe und dass keines ihrer Vorstandsmitglieder die Durchführung der Zuwiderhandlung erleichtert habe, in diesem Zusammenhang unerheblich und gehen daher ins Leere.

158    Im Ergebnis ist daher das Vorbringen im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes nicht geeignet, die bei der Klägerin in den Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Erhöhung in Frage zu stellen.

159    Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll.

 Zum zweiten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gerügt wird

160    Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission, selbst angenommen, sie wäre berechtigt gewesen, eine ausschließlich auf den Umsatz gestützte Erhöhung zu Abschreckungszwecken anzuwenden, die Adressaten der angefochtenen Entscheidung gerecht und in angemessenem Verhältnis hätte behandeln müssen. Die bei der Klägerin angewandte Erhöhung sei jedoch verhältnismäßig höher als die bei Atofina angewandte und verstoße daher gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung.

161    Hierzu ist festzustellen, dass, wie die Klägerin ausführt, der von der Kommission im Fall der Klägerin berücksichtigte Umsatz (8,49 Mrd. Euro) tatsächlich um das 16-Fache geringer ist als der von Atofina (143 Mrd. Euro), während die auf die Geldbuße der Klägerin angewandte Erhöhung (50 %) nur um das Vierfache geringer ist als die bei Atofina (200 %).

162    Diese Feststellung reicht jedoch nicht aus, um den Umfang der bei der Klägerin angewandten Erhöhung im Hinblick auf die von ihr herangezogenen Grundsätze in Frage zu stellen.

163    Erstens bedeutet dieser Unterschied im Verhältnis zur Behandlung eines anderen Unternehmens nicht als solcher, dass die Erhöhung bei der Klägerin nicht in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck steht, nämlich laut Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung, die Festsetzung ihrer Geldbuße in einer Höhe, die in Anbetracht ihrer Größe und ihrer wirtschaftlichen Macht eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstellt. Im Rahmen dieses Teils des Klagegrundes trägt die Klägerin hierzu jedoch nichts vor.

164    Auf jeden Fall liefe das Vorbringen der Klägerin, soweit sie ihren Blick auf die Situation von Atofina richtet und angenommen, es wäre begründet, darauf hinaus, dass die Erhöhung bei der Klägerin lediglich eine Größenordnung von 12,5 % (16-fach geringere Erhöhung als die bei Atofina angewandte von 200 %) hätte. Unter Berücksichtigung ihrer durch ihren Umsatz im Jahr 2005 widergespiegelten Größe und Wirtschaftskraft wäre eine solche Erhöhung aber nicht ausreichend, um das verfolgte Ziel zu erreichen.

165    Zweitens, selbst unterstellt, diese Unterscheidung ließe sich als Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes betrachten, folgte daraus nicht zwangsläufig, dass die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, eine Herabsetzung der angewandten Erhöhung zu erwirken.

166    Die Kommission weist hierzu zutreffend darauf hin, dass die Klägerin versucht, die im Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission (T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnrn. 244 bis 249), entwickelte Lösung „umzukehren“. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte der Umsatz des Unternehmens Showa Denko KK (im Folgenden: SDK) um das Zweifache über dem des Unternehmens VAW Aluminium AG (im Folgenden: VAW) gelegen. Die Kommission hatte bei SDK aber eine um das Sechsfache höhere Erhöhung (150 %) angewandt als bei VAW (25 %). Bei dieser Sachlage hat das Gericht entschieden, die bei SDK angewandte Erhöhung durch eine Erhöhung um 50 %, also eine doppelt so hohe als die bei VAW angewandte, zu ersetzen.

167    Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Unternehmen wie die Klägerin zu seinen Gunsten auf eine angebliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen könnte, die sich daraus ergebe, dass die Erhöhung bei einem größeren Unternehmen, als sie es sei, nicht hinreichend hoch sei, um dem Größenunterschied zwischen diesen beiden Unternehmen Rechnung zu tragen.

168    Drittens und auf jeden Fall müsste die Angemessenheit des Umfangs der bei der Klägerin angewandten Erhöhung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls nicht nur im Verhältnis zu der bei Atofina angewandten Erhöhung, sondern auch im Verhältnis zu den bei den übrigen betroffenen Unternehmen angewandten Erhöhungen geprüft werden.

169    Insbesondere darf, wie der Rechtsprechung zu entnehmen ist, die vom Gericht im Rahmen der Prüfung dieses Teils des Klagegrundes gewählte Lösung nicht zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führen, die an der betreffenden Zuwiderhandlung beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 97, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 152).

170    In der Klageschrift bringt die Klägerin aber nichts dahin gehendes vor.

171    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in der angefochtenen Entscheidung in aufsteigender Reihenfolge folgende Erhöhungen vorgenommen wurden:

–        Bei Barlo mit einem Umsatz von 310,85 Mio. Euro (Randnr. 46 der angefochtenen Entscheidung) wurde keine Erhöhung vorgenommen;

–        bei Lucite mit einem Umsatz von etwa 1,14 Mrd. Euro (Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung) wurde keine Erhöhung vorgenommen;

–        bei drei Gesellschaften der Total-Gruppe (Arkema, Altuglas und Altumax) mit einem Umsatz von 5,71 Mrd. Euro (Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung) wurde zur Bemessung der Erhöhung wegen nur bei diesen drei Gesellschaften vorliegender erneuter Zuwiderhandlung eine „hypothetische“ Erhöhung um 25 % vorgenommen (Multiplikator 1,25) (siehe Fn. 233 der angefochtenen Entscheidung). Darüber hinaus hat das Gericht bei seiner Entscheidung über die von diesen Gesellschaften gegen die angefochtene Entscheidung erhobene Klage die gegen diese verhängte Geldbuße herabgesetzt, indem es deren Gesamthöhe auf der Grundlage einer Erhöhung um 25 % zum Zweck der Abschreckung neu berechnet hat (Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2011, Arkema France u. a./Kommission, T‑217/06, Slg. 2011, II‑2593, Randnrn. 339 und 340);

–        bei der Klägerin mit einem Umsatz im Jahr 2005 von 8,49 Mrd. Euro wurde eine Erhöhung um 50 % (Multiplikator 1,5) vorgenommen;

–        bei Degussa mit einem Umsatz von etwa 11,75 Mrd. Euro wurde eine Erhöhung um 75 % (Multiplikator 1,75) vorgenommen;

–        bei Atofina (den fünf Gesellschaften der Total-Gruppe) wurde auf der Grundlage des Umsatzes der Total SA im Jahr 2005 von 143,168 Mrd. Euro eine Erhöhung um 200 % (Multiplikator 3) vorgenommen (Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung).

172    Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich somit klar, dass bei Atofina der Sonderfall eines Unternehmens mit einem weitaus höheren Umsatz als dem aller anderen betroffenen Unternehmen gegeben ist. Gegenüber den übrigen Unternehmen war das Vorgehen der Kommission hingegen kohärent, da sie für die Unternehmen, deren Umsätze 5,71, 8,49 bzw. 11,75 Mrd. Euro betrugen, Erhöhungen um 25 %, 50 % bzw. 75 % festgelegt hatte.

173    Zwar hat sich die Kommission nicht strikt an mathematische Koeffizienten und insbesondere daran gehalten, dass der relative Unterschied hinsichtlich der (in Prozenten ausgedrückten) Erhöhung zwischen Arkema und der Klägerin (+ 100 %) größer ist als der ihres Umsatzes (+ 48 %), wobei dieser Abstand in Bezug auf die Klägerin und Degussa (+ 50 % bei der Erhöhung und + 38 % beim Umsatz) geringer ist.

174    Diese Feststellung genügt jedoch nicht, um eine Verletzung der von der Klägerin herangezogenen Grundsätze nachzuweisen. Unter Berücksichtigung des Ermessens, über das die Kommission insoweit verfügt, und des mit den fraglichen Erhöhungen verfolgten Zwecks der Abschreckung kann von ihr nämlich nicht aufgrund der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verlangt werden, dafür zu sorgen, dass in der unterschiedlichen Höhe dieser Aufschläge getreu alle Unterschiede in Bezug auf den Umsatz der betreffenden Unternehmen zum Ausdruck kommen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 122). Wie der Rechtsprechung zu entnehmen ist, ist bei der Festsetzung der Geldbuße auf einen Betrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet, zwar der Umsatz ein maßgebendes Kriterium, doch kann die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht zwangsläufig das Ergebnis eines bloßen, auf den Umsatz gestützten Rechenvorgangs sein (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 128 angeführt, Randnr. 121, und Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 120).

175    Folglich lässt sich aufgrund der Behandlung der Unternehmen, die sich hinsichtlich ihres Umsatzes in einer Lage befanden, die eher mit der der Atofina als mit der der Klägerin zu vergleichen war, keine Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit feststellen. Vielmehr wäre die Argumentation der Klägerin, soweit diese begehrt, ausschließlich im gleichen Verhältnis wie Atofina behandelt zu werden, also im Wesentlichen mit einer Erhöhung um 12,5 % (siehe oben, Randnr. 164), würde man ihr folgen, geeignet, eine Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen betroffenen Unternehmen nach sich zu ziehen.

176    In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Klägerin insbesondere den Fall von Lucite mit Stillschweigen übergeht. Es ist aber daran zu erinnern, dass die Klägerin und Lucite nacheinander mit denselben Vermögenswerten an der Zuwiderhandlung beteiligt waren und ihnen die Kommission aufgrund des gleichen Umsatzes mit PMMA-Produkten dieselben Ausgangsbeträge der Geldbuße zugewiesen hat. Somit wurden bis hierhin die Geldbußen dieser beiden Unternehmen daher in gleicher Weise berechnet, doch wurde anders als bei der Klägerin bei Lucite keine Erhöhung zum Zweck der Abschreckung vorgenommen. Da deren Umsatz jedoch um das 7,5-Fache geringer war als der der Klägerin, lässt sich nicht behaupten, dass die der Klägerin auferlegte Erhöhung um 50 % gegen die geltend gemachten Grundsätze verstieße.

177    Demnach ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll.

178    Im Übrigen rechtfertigen aus den vorgenannten Gründen auch die von der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße, soweit sie auf der Erhöhung des Ausgangsbetrags zum Zweck der Abschreckung beruht, im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Daher ist der vierte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei

179    Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil beanstandet die Klägerin, dass die Kommission sich geweigert habe, ihre Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen. Mit dem zweiten Teil trägt sie hilfsweise vor, dass die Kommission den Wert ihrer Mitwirkung zumindest außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Mitteilung hätte anerkennen müssen.

 Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes betreffend die Weigerung, die Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen

180    Dieser Teil des Klagegrundes beruht im Kern auf zwei Rügen. Zum einen wirft die Klägerin der Kommission vor, zu Unrecht davon ausgegangen zu sein, dass die von der Klägerin übermittelten Angaben keinerlei Mehrwert für die Untersuchung der Kommission erbracht hätten. Zum anderen macht sie geltend, dass die Verzögerung, die im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen auf ihrer Seite bei der Übermittlung dieser Angaben aufgetreten sei, durch das Verhalten der Kommission hervorgerufen worden sei.

–       Zur Fehlbeurteilung des Mehrwerts der im Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit enthaltenen Angaben

181    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Kommission hinsichtlich der Methode für die Berechnung von Geldbußen ein weites Ermessen zusteht; sie kann insoweit eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, zu denen auch die Kooperationsbeiträge der betroffenen Unternehmen während der von den Dienststellen der Kommission durchgeführten Untersuchungen gehören. Die Kommission verfügt bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, insoweit über ein weites Ermessen (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnrn. 81 und 88).

182    Eine Herabsetzung der Geldbuße auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit ist nur gerechtfertigt, wenn die gelieferten Informationen als Zeichen einer echten Zusammenarbeit des Unternehmens angesehen werden können, wobei das Ziel einer Herabsetzung der Geldbuße darin besteht, ein Unternehmen für einen Beitrag im Verwaltungsverfahren zu belohnen, der es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 305). Somit muss das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtern, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union festzustellen und zu verfolgen (vgl. Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 499 und die dort angeführte Rechtsprechung); außerdem muss das Verhalten ein Zeichen echter Zusammenarbeit sein (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnrn. 395 und 396).

183    Im Hinblick auf die Ratio des Abschlags kann die Kommission nicht die Nützlichkeit der vorgelegten Information unberücksichtigt lassen, die sich zwangsläufig nach dem Beweismaterial richtet, das sich bereits in ihrem Besitz befindet (Urteil des Gerichts vom 28. April 2010, Gütermann und Zwicky/Kommission, T‑456/05 und T‑457/05, Slg. 2010, II‑1443, Randnr. 221).

184    Im Übrigen ist die Kommission zwar verpflichtet, anzugeben, aus welchen Gründen sie der Ansicht ist, dass die von den Unternehmen im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit gemachten Angaben einen Beitrag darstellen, der eine Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße rechtfertigt oder auch nicht, demgegenüber haben aber die Unternehmen, die die entsprechende Entscheidung der Kommission anfechten wollen, nachzuweisen, dass diese in Ermangelung derartiger, von diesen Unternehmen freiwillig gelieferter Angaben nicht in der Lage gewesen wäre, die wesentlichen Elemente der Zuwiderhandlung zu beweisen und somit eine Entscheidung über die Festsetzung von Geldbußen zu erlassen (Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 297).

185    In ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit hat die Kommission erläutert, unter welchen Voraussetzungen Geldbußen, die andernfalls verhängt worden wären, für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können.

186    Sie hat insbesondere ausgeführt, dass Unternehmen, die die Voraussetzungen für einen Erlass der Geldbuße nicht erfüllten, eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden könne (Nr. 20 der Mitteilung über Zusammenarbeit). Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, – so Nr. 21 dieser Mitteilung – „muss das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen“.

187    Im Übrigen heißt es in Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit:

„Der Begriff ‚Mehrwert‘ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und/oder ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen. Bei ihrer Würdigung wird die Kommission im Allgemeinen schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts einen größeren Wert beimessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Ebenso werden Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, höher eingestuft als jene, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen.“

188    In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission ausgeführt, dass die Klägerin den Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit am 18. Oktober 2004 gestellt habe, nachdem bei der Kommission die Anträge auf Anwendung dieser Mitteilung von Degussa (am 20. Dezember 2002), Atofina (am 3. April 2003) und Lucite (am 11. Juli 2003) eingegangen gewesen seien (Randnr. 416 der angefochtenen Entscheidung). In Randnr. 417 der angefochtenen Entscheidung heißt es, die Kommission habe nach Maßgabe der Mitteilung über Zusammenarbeit die Einlassungen der Klägerin in der Reihenfolge ihres Eingangs dahin gehend geprüft, ob diese einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Nr. 21 dieser Mitteilung darstellten. Ausgehend von diesen Kriterien sei die Kommission davon ausgegangen, dass die von der Klägerin übermittelten Belege keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Mitteilung beinhalteten (Randnr. 417 der angefochtenen Entscheidung).

189    Die Klägerin ist in erster Linie der Ansicht, dass die Kommission ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium verwendet habe, um ihren Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße abzulehnen, da sie in Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung ausführe, dass die von der Klägerin vorgelegten Dokumente sie nicht in die Lage versetzt hätten, „die … Sachverhalte zu beweisen“. In Anwendung von Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit bestehe das zutreffende Kriterium aber darin, in welchem Ausmaß der Kommission dazu verholfen werde, den Sachverhalt zu beweisen.

190    Dieses Vorbringen ist sachlich unzutreffend und daher zurückzuweisen.

191    Wie nämlich oben in Randnr. 188 ausgeführt worden ist, geht aus den Randnrn. 416 bis 419 der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervor, dass die Kommission die maßgebende Bestimmung der Mitteilung über Zusammenarbeit, nämlich deren Nr. 21, zutreffend angewandt hat, indem sie auf das Kriterium des „erheblichen Mehrwerts“ abstellte (siehe oben, Randnr. 188). Im Übrigen hat die Kommission im Schreiben vom 11. August 2005, mit dem sie die Klägerin über die Ablehnung ihres entsprechenden Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße unterrichtete, ausgeführt, dass „die [von der Klägerin] übermittelten Belege keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Nrn. 21 und 22 der [Mitteilung über Zusammenarbeit darstellten]“; somit hat die Kommission das maßgebende Kriterium genannt.

192    In zweiter Linie macht die Klägerin geltend, dass das von ihr gelieferte Material den in den Nrn. 21 und 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit genannten Anforderungen genüge.

193    Insoweit ist daran zu erinnern, dass es in Anwendung der oben in Randnr. 184 angeführten Rechtsprechung Sache der Klägerin ist, nachzuweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist jedoch zu betonen, dass die im Rahmen der vorliegenden Rüge entwickelte Argumentation, auch wenn die Klägerin in der Klageschrift ganz allgemein und nicht belegt auf die von ihr angeblich unternommenen großen Anstrengungen zur Zusammenarbeit mit der Kommission Bezug nimmt, indem sie auf „zahlreiche Arbeitstage von Spezialisten der Informationstechnologie“ und „über eintausend Stunden der Auswertung durch externe Berater“ hinweist, die zur freiwilligen Übermittlung von „168 aus Speichersystemen und von Servern entnommen Dokumenten“ an die Kommission geführt hätten, in Wirklichkeit auf wenigen in den Randnrn. 101, 104, 115 und 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen aus der Zeit der Zuwiderhandlung beruht. Die Klägerin meint, dass diese Unterlagen die Auffassung der Kommission gestützt und ihr bei ihrer Untersuchung geholfen hätten, da diese sie in der angefochtenen Entscheidung anführe, und dass es sich um seltene aktuelle Dokumente im Rahmen dieser Untersuchung handele. Im Übrigen messe die Mitteilung über Zusammenarbeit solchen aktuellen Dokumenten einen großen Wert bei.

194    Diese Argumente können jedoch die Beurteilung der Kommission nicht in Frage stellen.

195    Was erstens die in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung angeführte interne E-Mail der Klägerin betrifft, wird darin auf eine Zustimmung zu einer Preiserhöhung im zweiten Halbjahr 1998 und zu einer Erhöhung der Preise für Gussplatten um 5 % ab 1. Januar 1999 für den Markt im Vereinigten Königreich hingewiesen (siehe Fn. 27 der angefochtenen Entscheidung). Auch die in Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen erwähnen eine Preiserhöhung im zweiten Halbjahr 1998. Wie die Kommission vorträgt, ist der angefochtenen Entscheidung jedoch zu entnehmen (siehe z. B. Randnrn. 155, 157 und 158 dieser Entscheidung), dass sie bereits vor dem Eingang dieser Unterlagen Kenntnis von Gesprächen über die Preise und von Vereinbarungen über Preiserhöhungen auf europäischer Ebene für das zweite Halbjahr 1998 hatte.

196    Zwar hat das in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung angeführte Dokument – wie die Klägerin hervorhebt – die Kommission in die Lage versetzt, darzulegen, wie die fraglichen wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte abliefen. Auch zeigen die in Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen, wie die Preiserhöhungen umgesetzt wurden. Doch handelt es sich lediglich um Informationen, die es der Kommission ermöglichten, die Preiserhöhungen, für die sie bereits über hinreichende Beweise verfügte, in ihren Zusammenhang einzuordnen.

197    Zweitens ist zu den in Randnr. 104 und in Fn. 31 der angefochtenen Entscheidung angeführten beiden internen E-Mails der Klägerin, die veranschaulichen sollten, dass die Preiserhöhungen nicht immer umgesetzt worden seien (siehe Fn. 31 der angefochtenen Entscheidung), darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie mehreren Randnummern der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist (siehe z. B. Randnrn. 110, 120, 123, 125, 128, 129, 134, 140, 143, 148, 167 und 184 dieser Entscheidung), bereits vor dem Eingang dieser Unterlagen hiervon Kenntnis hatte und über entsprechende Beweise verfügte. Der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, es handele sich um die einzigen in Abschnitt 4.2.3 der angefochtenen Entscheidung („Umsetzung und Kontrolle der Preisabsprachen“) angeführten Unterlagen aus der Zeit der Zuwiderhandlung, ist als solcher nicht geeignet, seinen erheblichen Mehrwert zu belegen.

198    Was drittens das in Randnr. 115 der angefochtenen Entscheidung angeführte Protokoll einer Zusammenkunft angeht, bestätigt dieses Dokument lediglich, dass zum angegebenen Zeitpunkt eine Zusammenkunft zwischen der Klägerin und Degussa stattgefunden hat, wobei die Informationen zum wettbewerbswidrigen Charakter dieses Treffens von Degussa geliefert worden waren. Im Übrigen trägt die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage gerade vor, dass dieses Dokument der betreffenden Zusammenkunft einen legitimen Charakter verleihe; daher kann sie nicht mit Erfolg behaupten, es sei für die Kommission von erheblichem Mehrwert gewesen.

199    Außerdem zieht die Klägerin nicht die Beurteilung der Kommission in Zweifel, wonach diese zum Zeitpunkt des Eingangs der genannten Dokumente bereits über hinreichende maßgebende Beweise seitens anderer Unternehmen verfügt habe, um den Sachverhalt nachzuweisen. Nach Ansicht der Klägerin geht es im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit jedoch nicht um die Frage, ob die Kommission bereits „hinreichende Beweise“ erhalten habe, um die Berechtigung ihrer Auffassung zu belegen, sondern darum, ob das Beweismaterial der Klägerin diese Auffassung „gestützt“ habe. Eine Auffassung, so gefestigt sie auch sein möge, könne durch ergänzendes oder besseres Beweismaterial, insbesondere durch aktuelle Dokumente, immer noch gestützt werden.

200    Diese Argumentation greift nicht durch. Sie läuft im Kern nämlich darauf hinaus, dass jedes Beweismittel, das in einer in Kartellsachen ergangenen Entscheidung angeführt wird, und erst recht ein aktuelles Dokument, so zu betrachten wäre, als hätte es einen „erheblichen Mehrwert“ im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit erbracht und als rechtfertigte es daher eine Herabsetzung der Geldbuße. Dieses Ergebnis wäre jedoch mit der oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführten Rechtsprechung nicht zu vereinbaren.

201    So ist z. B. entschieden worden, dass eine Erklärung, die nur in gewissem Maße eine Erklärung erhärtet, die der Kommission bereits vorlag, deren Aufgabe nicht erheblich erleichtert und damit nicht ausreicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit zu rechtfertigen (vgl. Urteil Gütermann und Zwicky/Kommission, oben in Randnr. 183 angeführt, Randnr. 222 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich erlaubt es der Umstand allein, dass ein Dokument für die Kommission von gewissem Nutzen ist und sie es daher in ihrer Entscheidung anführt, nicht, eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

202    Im Übrigen konzentriert die Klägerin ihre Argumentation auf den Wortlaut von Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit, wonach zu prüfen ist, in welchem „Ausmaß … die vorgelegten Beweismittel … der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen“. Aus dieser Nummer geht jedoch klar hervor, dass sie die Definition des Begriffs „Mehrwert“ enthält, während es sich bei dem in Nr. 21 dieser Mitteilung festgelegten Kriterium, das für die Beurteilung maßgebend ist, ob eine Herabsetzung der Geldbuße angezeigt ist, um den „erheblichen Mehrwert“ handelt. Die Klägerin unternimmt jedoch nicht einmal den Versuch, darzutun, wodurch die von ihr angesprochenen Unterlagen der Kommission ihre Aufgabe „erheblich“ erleichtert hätten.

203    Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die oben in Randnr. 188 dargestellte Schlussfolgerung der Kommission mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet war.

204    Mithin ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

–       Zur Verantwortlichkeit der Kommission für die Verzögerung, mit der die Klägerin im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen ihre Angaben gemacht hat

205    Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die Ursache dafür gesetzt, dass die Klägerin ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit verspätet gestellt habe.

206    In erster Linie sei die Kommission, nachdem sie alle übrigen Kartellteilnehmer über die Untersuchung informiert gehabt habe, über ein Jahr lang ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, die Klägerin hiervon in Kenntnis zu setzen.

207    Zu diesem Punkt ist festzustellen, dass die Klägerin keine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend macht, die sich aus einer angeblich verspäteten Unterrichtung über die Untersuchung ergäbe. Sie trägt im Kern vielmehr vor, dass ihre Chancen gemindert worden seien, eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu erwirken.

208    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die erste im Rahmen der Ermittlungen gegen die Klägerin ergriffene Untersuchungsmaßnahme, nämlich ein Auskunftsverlangen, vom 29. Juli 2004 datiert (siehe oben, Randnr. 10). Degussa hat ihren Antrag auf Geldbußenerlass aber am 20. Dezember 2002 eingereicht und die übrigen betroffenen Unternehmen (Atofina, Barlo und Lucite) wurden zwangsläufig am 25. März 2003 von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt, als die Nachprüfungen in ihren Geschäftsräumen begannen (siehe oben, Randnr. 7). Im Übrigen stellten am 3. April und 11. Juli 2003 Atofina und Lucite ihre jeweiligen Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit, denen stattgegeben wurde (siehe oben, Randnrn. 8 und 28).

209    Damit unterscheidet sich die Lage der Klägerin von der aller übrigen Adressaten der angefochtenen Entscheidung, die eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit beantragen konnten, da bei ihr eine erste Untersuchungsmaßnahme 16 Monate später als bei diesen Unternehmen ergriffen wurde. Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht (siehe z. B. oben, Randnr. 183), kann der Zeitpunkt der Einreichung eines Antrags nach dieser Mitteilung aber für die Aussichten auf eine Herabsetzung der Geldbuße ausschlaggebend sein.

210    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Erwägung jedoch nicht geeignet, die Beurteilung der Nützlichkeit ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu widerlegen und zu einer Herabsetzung der Geldbuße aufgrund dieser Zusammenarbeit zu führen.

211    Zum einen führt die Klägerin keine Rechtsvorschrift an, die eine Verpflichtung der Kommission begründete, sie in diesem Stadium speziell über die Ermittlungen zu unterrichten oder Untersuchungsmaßnahmen gegen sie zu ergreifen, um ihr insbesondere zu ermöglichen, rechtzeitig einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu stellen.

212    Zudem hat die Klägerin in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt, dass es ihr zum einen wie jedem anderen betroffenen Unternehmen möglich gewesen wäre, zum gewünschten Zeitpunkt einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu stellen, und dass zum anderen der Akteninhalt zeige, dass sie lange vor der ersten gegen sie ergriffenen Untersuchungsmaßnahme hätte wissen können, dass in der Methacrylat-Industrie eine Untersuchung im Gang war (siehe auch nachstehend Randnrn. 216 und 217).

213    Im Übrigen ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass den Art. 11 und 14 der bis zum 30. April 2004 gültigen Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) und den Art. 18 bis 20 der seit diesem Zeitpunkt geltenden Verordnung Nr. 1/2003 klar zu entnehmen ist, dass die Kommission Untersuchungsmaßnahmen wie Auskunftsverlangen oder Nachprüfungen ergreifen „kann“. Wie diese vorträgt, ist sie nach keiner Bestimmung verpflichtet, solche Maßnahmen zeitgleich gegenüber allen betroffenen Unternehmen zu ergreifen.

214    Ferner hat die Kommission im vorliegenden Fall auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt, dass sie seit dem Eingang eines Schreibens von Lucite vom 7. April 2003, also kurz nach den Nachprüfungen vom 25. März 2003, über die mögliche Verwicklung der Klägerin in diese Sache auf dem Laufenden gewesen sei. Sie hat jedoch angegeben, dass sie es für die unmittelbaren Erfordernisse der Untersuchung nicht für notwendig gehalten habe, zu diesem Zeitpunkt Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen. Da nämlich die Geschäftseinheit, die die Zuwiderhandlung begangen habe, die ICI Acrylics, auf Lucite übertragen gewesen sei, sei die Kommission davon ausgegangen, dass in diesem Stadium das letztgenannte Unternehmen am ehesten in der Lage gewesen sei, Fragen zum Kartell zu beantworten, da es Zugang zu den betreffenden Unterlagen und Beschäftigten gehabt habe.

215    Da diese Beurteilung von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht beanstandet worden ist, zeigt sich somit, dass die Entscheidung, vor dem 29. Juli 2004 keine Untersuchungsmaßnahmen gegenüber der Klägerin zu ergreifen, auf objektive Gesichtspunkte gestützt war.

216    Zum anderen und auf jeden Fall hat die Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts zwei Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die fragliche Untersuchung von der Kommission am 14. April 2003 und von Lucite am 17. Juni 2003, also vor Einreichung des Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von Lucite am 11. Juli 2003 und lange vor Einreichung des Antrags der Klägerin zu diesem Zweck am 18. Oktober 2004, öffentlich bekannt gemacht worden war.

217    Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die verspätete Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit auf das Verhalten der Kommission zurückzuführen sei. Im Übrigen hat sie in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts im Hinblick auf die genannten Dokumente eingeräumt, dass sie hätte wissen können, dass eine Untersuchung im Gang war. Sie hat daher erklärt, dass ihre gegenüber der Kommission erhobenen Rügen sich fortan eher auf die Art und Weise bezögen, in der diese sich bei ihren Kontakten zu Lucite verhalten habe (siehe nachstehend, Randnrn. 219 ff.).

218    Folglich ist das Vorbringen zur angeblich verspäteten Unterrichtung über die Untersuchung zurückzuweisen.

219    Die Klägerin wirft der Kommission in zweiter Linie vor, Lucite mitgeteilt zu haben, dass sie von den Ermittlungen keine Kenntnis gehabt habe, und Lucite davon abgeraten zu haben, sie darüber zu unterrichten.

220    Ferner hat die Klägerin in der Sitzung vorgetragen, dass die Art und Weise, wie sich die Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite, insbesondere in ihrem Schreiben an dieses Unternehmen vom 8. Mai 2003, verhalten habe, einen Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung darstelle. Die Kommission habe Lucite nämlich mitgeteilt, dass die Klägerin noch keinen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt habe und habe daher die im Hinblick auf die Anwendung dieser Mitteilung zwischen den betroffenen Unternehmen bestehende Gleichheit aufgehoben. Gestützt auf die vom Gericht im Urteil Hoechst/Kommission (oben, in Randnr. 148 angeführt) getroffene Entscheidung beantragt die Klägerin daher eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Verletzung der genannten Grundsätze.

221    Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihren Schriftsätzen nicht ausdrücklich die Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung im vorliegenden Zusammenhang geltend gemacht hat. Jedoch hat sie ausführlich die Art und Weise beanstandet, wie die Kommission sich bei ihren Kontakten zu Lucite verhalten habe, und u. a. ausgeführt, dass das Verhalten der Kommission der Grund dafür gewesen sei, dass sie „nicht in gleicher Weise wie die übrigen Kartellteilnehmer über die Untersuchung unterrichtet worden“ sei und dass sich die Kommission „zu [ihren] Lasten in das Geschehen eingemischt“ habe. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Vorbringen in der Sitzung die Erweiterung eines bereits in der Klageschrift angeführten Klagegrundes darstellt, das mit diesem in engem Zusammenhang steht, so dass es – wie die Klägerin in der Sitzung vertreten hat – nach Art. 48 der Verfahrensordnung des Gerichts für zulässig zu erklären ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichtshofs vom 13. November 2001, Dürbeck/Kommission, C‑430/00 P, Slg. 2001, I‑8547, Randnr. 17, Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnrn. 278 und 279, und Urteil des Gerichts vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, Slg. 2002, II‑2085, Randnr. 156). Im Übrigen hat die insoweit zur Stellungnahme aufgeforderte Kommission keinen Einwand gegen die Zulässigkeit dieses Vorbringens erhoben.

222    Nach ständiger Rechtsprechung hat ferner in den Fällen, in denen den Unionsorganen ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, die Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, eine umso grundlegendere Bedeutung. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14, und des Gerichts vom 24. Januar 1992, La Cinq/Kommission, T‑44/90, Slg. 1992, II‑1, Randnr. 86). Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (vgl. in diesem Sinne Urteile Volkswagen/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 269, und Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 129).

223    Was den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft, so darf die Kommission bei der Beurteilung der Kooperation der Unternehmen diesen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts nicht außer Acht lassen, der nach ständiger Rechtsprechung verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224    Daher ist das Verhalten der Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite anhand dieser Grundsätze zu prüfen.

225    Das Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt beruht auf einem Austausch von Mitteilungen zwischen der Kommission und Lucite während des Verwaltungsverfahrens.

226    So unterrichtete zunächst Lucite die Kommission mit Schreiben vom 7. April 2003, also kurz nach den Nachprüfungen vom 25. März 2003 und vor Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit darüber, dass die Klägerin während des überwiegenden Teils des im Nachprüfungsbeschluss vom 17. März 2003 bezeichneten Zeitraums Eigentümerin des „business under investigation“ gewesen sei, und führte aus, dass ihre etwaige eigene Verantwortlichkeit lediglich den Zeitraum von Oktober 1999 an betreffen könne. Anschließend stellte Lucite die Frage, „ob die Kommission Kontakte zur ICI plc hergestellt [habe] oder [beabsichtige], im Rahmen ihrer Untersuchung dies zu tun“. Sie stellte klar, dass sie „anderenfalls die Kommission zu einer Aussage darüber [auffordere], ob sie auch nur den geringsten Einwand dagegen [habe], dass [sie] Kontakt zur ICI PLC [aufnehme] und ihr zu gegebener Zeit Zugang zu ihren Beschäftigten und zu den ICI Acrylics betreffenden Unterlagen [gebe], um ihr die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen“.

227    Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 antwortete der mit der Sache betraute Referatsleiter wie folgt:

„… ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir zu der Frage, ob Lucite in dieser Sache Kontakt zur ICI plc aufnimmt, nicht Stellung nehmen. Ich darf Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass in dieser Sache bereits ein bedingter Geldbußenerlass gewährt wurde und dementsprechend andere verfahrensbeteiligte Unternehmen die Anwendung der Kronzeugenregelung nur noch nach der [Mitteilung über Zusammenarbeit] beantragen können. Darüber hinaus kann die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden. Ein entsprechender gemeinsamer Antrag von zwei oder drei Unternehmen ist daher nicht möglich …“

228    Nach Ansicht der Klägerin hat das genannte Schreiben der Kommission Lucite davon in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin keine Kenntnis von den Ermittlungen gehabt habe. Sie trägt weiter vor, dass Lucite geglaubt habe, in dem Schreiben und dem nachfolgenden mündlichen Meinungsaustausch eine Warnung der Kommission vor einer Kontaktaufnahme mit der Klägerin erkennen zu können.

229    Zur Stützung dieser Auslegung verweist die Klägerin auch auf spätere Schreiben von Lucite aus der Zeit nach der Einreichung des von dieser gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit am 11. Juli 2003 gestellten Antrags und nachdem die Klägerin durch das Auskunftsverlangen vom 29. Juli 2004 von der Kommission förmlich über die Untersuchung unterrichtet worden war (siehe oben, Randnr. 10).

230    So führte der Anwalt von Lucite in einer E-Mail vom 12. August 2004 an die Klägerin u. a. aus: „Wie ich bei unserem Gespräch erwähnt habe, gab es im Laufe der Untersuchung Äußerungen, aus denen hervorgeht, dass die Kommission es nicht begrüßen würde, wenn Lucite die Angelegenheit mit ICI erörterte.“

231    Die Klägerin stützt sich weiter auf eine E-Mail des Anwalts von Lucite vom 3. September 2004 an den mit der Sache betrauten Verwaltungsrat der Kommission, in der er ausführte, dass „ICI Lucite um bestimmte Dokumente sowie um ihren Beistand ersucht [habe], wozu Lucite vertraglich nicht verpflichtet [gewesen sei]“. Lucite erklärte weiter, dass sie „insbesondere im Blick auf [ihren] auf Herabsetzung der Geldbuße gerichteten Antrag … ohne die schriftliche Bestätigung des Standpunkts der Kommission [zögere], diesen Ersuchen nachzukommen“, was „teilweise auf den Eindruck zurückzuführen [sei], den [sie] aufgrund der Telefongespräche und früheren Kontakte mit der Kommission in dem Sinne gewonnen [habe], dass diese keinen Kontakt zu ICI aufgenommen und nicht gewünscht [habe], dass [sie selbst] dies [tue] (obwohl die Kommission in ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 förmlich geäußert hat, dass sie zu dieser Frage nicht Stellung nehme).“

232    In einem Schreiben vom 7. September 2004 an Lucite führte die Kommission aus, sie habe keine Einwände dagegen, dass Lucite der Klägerin Zugang zu ihren Beschäftigten und ihren Unterlagen gebe. Zugleich bestritt sie nachdrücklich, Lucite irgendeine Anweisung hinsichtlich der Kontakte zur Klägerin gegeben zu haben.

233    Auf dieses letztgenannte Schreiben rief Lucite in einem Schreiben vom 7. September 2004 an die Kommission schließlich zunächst den Inhalt des Schreibens der Kommission vom 8. Mai 2003 in Erinnerung und führte anschließend folgendes aus:

„In Telefongesprächen und beim Austausch schriftlicher Mitteilungen mit der Kommission (den wir im Detail aufführen können, falls erforderlich), ist Lucite klar geworden, dass die Kommission sich entschieden hatte, bisher keinen Kontakt zu ICI aufzunehmen.

Aufgrund dieser Umstände und im Geist einer umfassenden und fortgesetzten Zusammenarbeit im Rahmen der Untersuchung der Kommission nach der Mitteilung [über Zusammenarbeit] ist Lucite zu dem – unserer Meinung nach gewollten – Ergebnis gelangt, dass die Kommission eine Kontaktaufnahme von Lucite mit der ICI plc im Rahmen der in Rede stehenden Untersuchung nicht begrüßt hätte, obwohl die Kommission, wie Sie in Ihrem heutigen Schreiben hervorheben, in dieser Frage keine förmliche ‚Anweisung‘ erteilt hat.“

234    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin (siehe oben, Randnr. 220) lässt der genannte Austausch und insbesondere das Schreiben der Kommission vom 8. Mai 2003 nicht die Feststellung zu, dass die Kommission unter Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung oder der Gleichbehandlung gehandelt hätte.

235    Insbesondere geht aus diesem Austausch, wie die Kommission zutreffend vorträgt, klar hervor, dass sie Lucite keine förmliche Anweisung darüber erteilt hat, ob in Bezug auf die Untersuchung eine Kontaktaufnahme mit der Klägerin angebracht sei. Im Schreiben vom 8. Mai 2003 hat sie nämlich ausdrücklich bestätigt, dass sie zu dieser Frage nicht Stellung nehme. Im Übrigen räumt Lucite in ihren Schreiben ausdrücklich ein, dass die Kommission keine solche Anweisung erteilt habe, und sie verweist lediglich auf ihren „Eindruck“, dass die Kommission „eine Kontaktaufnahme von [ihr] mit der [Klägerin] … nicht begrüßt hätte“.

236    Auch der allgemeine Hinweis von Lucite auf Telefongespräche und weitere Kontakte mit der Kommission (siehe oben, Randnrn. 231 und 233) reicht unter Berücksichtigung des Bestreitens der Kommission (siehe oben, Randnr. 232) und in Ermangelung weiterer Beweismittel nicht für den Nachweis aus, dass ihr solche Anweisungen tatsächlich erteilt worden wären.

237    Außerdem hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin Lucite nicht mitgeteilt, ob sie in Bezug auf die Untersuchung bereits Kontakt zur Klägerin aufgenommen oder ob die Klägerin bereits einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt habe.

238    Zwar konnte das Schreiben vom 8. Mai 2003 seinem Wortlaut nach von Lucite vernünftigerweise dahin verstanden werden, dass es nicht in ihrem Interesse gelegen habe, in Bezug auf die Untersuchung Kontakt zur Klägerin aufzunehmen, um ihr Zugang zu ihren Beschäftigten und die ICI Acrylics betreffenden Unterlagen zu verschaffen, mit dem Ziel, ihr die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen. Die Kommission hat sich nämlich nicht auf die Aussage beschränkt, dass sie zu dieser Frage „nicht Stellung [nehme]“, sondern sie hat ihr Schreiben im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die Voraussetzungen fortgesetzt, unter denen Lucite eine Herabsetzung der Geldbuße in Anspruch nehmen konnte, dabei aber betont, dass die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden könne. Auf dieser Grundlage konnte Lucite auch davon ausgehen, dass die Klägerin in diesem Stadium nicht über die Untersuchung auf dem Laufenden war und keinen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt hatte.

239    Im Übrigen bestätigen die späteren Schreiben von Lucite (siehe oben, Randnrn. 230, 231 und 233) eindeutig, dass sie den Standpunkt der Kommission, wie er in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 zum Ausdruck kommt, tatsächlich so verstanden hatte.

240    Diese Erwägungen lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass die von der Klägerin herangezogenen Grundsätze verletzt wären.

241    Die Klägerin zieht nämlich nicht die Beurteilung der Kommission in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 in Zweifel, wonach die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden könne und ein gemeinsamer Antrag zweier Unternehmen auf Anwendung dieser Regelung daher nicht möglich sei. Mithin ist festzustellen, dass die Kommission in diesem Schreiben Lucite lediglich auf die Modalitäten der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit hingewiesen hat.

242    Angesichts des Wortlauts dieser Mitteilung musste sich Lucite aber selbst fragen, ob die Kontaktaufnahme zur Klägerin gegebenenfalls einen negativen Einfluss auf ihre Chancen haben konnte, eine Herabsetzung der Geldbuße zu erwirken. Dies geht im Übrigen aus ihrem Schreiben vom 7. April 2003 (siehe oben, Randnr. 220) hervor, in dem sie gerade um den Standpunkt der Kommission zu dieser Frage bat. Auch in Anbetracht der der Mitteilung über Zusammenarbeit innewohnenden Logik, die jedem Unternehmen einen Anreiz bietet, früher als die anderen betroffenen Unternehmen mit der Kommission zusammenzuarbeiten, musste Lucite ihre Strategie im Rahmen der Untersuchung prüfen und jedenfalls davon ausgehen, dass es sich bei der Klägerin um ihren potenziellen Konkurrenten im „Wettlauf“ um die Anwendung der Kronzeugenregelung handelte.

243    Unter diesen Umständen lässt sich nicht vertreten, dass sich die Kommission durch die genannten Kontakte zu Lucite „zu Lasten der [Klägerin] in das Geschehen eingemischt“ hätte, wie diese vorträgt. Lucite durfte nämlich im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit vernünftigerweise Kenntnis von den ihr übermittelten Informationen haben.

244    Daher ist die Entscheidung von Lucite, in Bezug auf die Untersuchung keinen Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen, als Ergebnis der selbst angestellten Betrachtung ihres Eigeninteresses im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit anzusehen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Entscheidung von Lucite nur dann hätte anders ausfallen können, wenn die Kommission ihr die Kontaktaufnahme mit der Klägerin ausdrücklich erlaubt und ihr garantiert hätte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Chancen im Bereich der Zusammenarbeit haben würde. Die Klägerin behauptet jedoch nicht, dass im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung oder auch auf die Mitteilung über Zusammenarbeit die Kommission verpflichtet gewesen wäre, Lucite derartige Zusicherungen zu geben.

245    Somit unterscheidet sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall eindeutig von dem in der Rechtssache, in der das von der Klägerin herangezogene Urteil Hoechst/Kommission (oben in Randnr. 148 angeführt) ergangen ist, in dem sich die Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung aus Vorschlägen ergab, die das betreffende Unternehmen im Rahmen der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit offen diskriminierten (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 136). Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist nicht erwiesen, dass im vorliegenden Fall eine solche Situation gegeben war.

246    Somit ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem eine Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung gerügt wird, zurückzuweisen.

247    Außerdem kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf das Verhalten der Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite berufen, um die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf sie in der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen.

248    Zum einen beruht nämlich die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf einer Bewertung der objektiven Nützlichkeit der übermittelten Beweise für die Aufdeckung und Feststellung der Zuwiderhandlung, und zum anderen soll sie den Kartellteilnehmern einen Anreiz bieten, freiwillig mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Die Kommission kann jedoch weder für das begrenzte Ausmaß der Mitwirkung der Klägerin noch für die dabei aufgetretene Verzögerung verantwortlich gemacht werden. Diese Umstände sind vielmehr der Klägerin selbst zuzurechnen, wie sich aus der Akte und gegebenenfalls der objektiven Lage ergibt, in der sie sich aufgrund der Übertragung von ICI Acrylics auf Lucite befand. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall einräumt, dass sie zumindest seit dem 14. April 2003 über die Untersuchung auf dem Laufenden hätte sein können (siehe oben, Randnrn. 212, 216 und 217).

249    Im Übrigen ist nicht erwiesen, dass die angefochtene Entscheidung insoweit einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn die Kommission sich in ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 einfach darauf beschränkt hätte, zu der von Lucite gestellten Anfrage nicht Stellung zu nehmen. Insbesondere zieht die Klägerin nicht die Beurteilung der Kommission in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 in Zweifel, wonach ein entsprechender gemeinsamer Antrag von ihr und Lucite keinesfalls möglich sei.

250    Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll.

 Zum zweiten Teil des Klagegrundes betreffend die Weigerung, den Wert der Mitwirkung der Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit anzuerkennen

251    Hilfsweise macht die Klägerin einen Anspruch auf Herabsetzung der Geldbuße außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit aufgrund ihrer umfangreichen freiwilligen Zusammenarbeit im Zuge der Untersuchung geltend. Sie meint, dass ihre Mitwirkung effektiv und sachdienlich gewesen sei, da sie Informationen geliefert habe, die über das hinausgegangen seien, was die Kommission in Anwendung von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gefordert habe, wie u. a. in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin angeführte belastende Punkte betreffend PMMA-Massivplatten.

252    Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Kommission in Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien einen mildernden Umstand betreffend die aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehen hat.

253    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnr. 392 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sie anhand der genannten Bestimmung geprüft habe, ob die Mitwirkung eines der betroffenen Unternehmen sie in die Lage versetzt habe, die Zuwiderhandlung leichter nachzuweisen. In Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung hat sie ausgeführt, dass in Anbetracht des sehr begrenzten Umfangs und des sehr begrenzten Wertes der Mitwirkung und der Tatsache, dass abgesehen von dieser begrenzten Mitwirkung, Sachverhalte sogar noch bestritten worden seien, keine sonstigen Umstände gegeben seien, die eine Ermäßigung der Geldbußen außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen würden, und dass diese Ermäßigung in geheimen Kartellsachen ohnehin nur in sehr außergewöhnlichen Fällen gewährt werden könnte.

254    Zu diesem letztgenannten Punkt führte die Kommission ihre Entscheidung K(2005) 4012 endg. vom 20. Oktober 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak – Italien) an, in der sie den einem Unternehmen gewährten bedingten Erlass der Geldbuße mit der Begründung entzogen hatte, dass dieses in der Folgezeit gegen seine ihm nach der Mitteilung über Zusammenarbeit obliegende Verpflichtung zur Mitwirkung verstoßen habe. Gleichwohl hatte die Kommission diesem Unternehmen eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände im Sinne der Leitlinien gewährt, um dem von diesem geleisteten wesentlichen Beitrag zu ihren Ermittlungen Rechnung zu tragen.

255    Im Übrigen führte die Kommission in Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung speziell in Bezug auf die Klägerin auch aus, dass für diese eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund einer Mitwirkung außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht in Betracht komme.

256    In erster Linie hält die Klägerin die Beurteilung der Kommission insoweit für fehlerhaft, als diese die Möglichkeit einer Herabsetzung der Geldbuße außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit auf „außergewöhnliche Fälle“ beschränkt habe (Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung).

257    Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

258    Die Anwendung von Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien kann nämlich nicht zur Folge haben, dass der Mitteilung über Zusammenarbeit ihre praktische Wirksamkeit entzogen wird. Dieser Mitteilung ist aber eindeutig zu entnehmen, dass diese den Rahmen festlegt, der es erlaubt, Unternehmen, die Mitglieder von geheimen Kartellen, die die Union beeinträchtigen, sind oder waren, für ihre Mitwirkung bei der Untersuchung der Kommission zu belohnen. Folglich können die Unternehmen grundsätzlich eine Geldbußenermäßigung für ihre Zusammenarbeit nur erhalten, wenn sie die Voraussetzungen nach dieser Mitteilung erfüllen.

259    Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die Klägerin tatsächlich einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hat und ihre Mitwirkung in deren Anwendungsbereich fiel, jedoch für nicht hinreichend befunden wurde, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher deutlich von der Rechtssache, in der das von der Klägerin herangezogene Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597), ergangen ist. In jener Rechtssache hatte das betreffende Unternehmen der Kommission nämlich Informationen zu Handlungen geliefert, deretwegen es auf keinen Fall eine Geldbuße hätte entrichten müssen und die daher nach Ansicht des Gerichts nicht in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit fielen. Unter diesen Umständen hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass dieses Unternehmen gleichwohl eine Herabsetzung der Geldbuße nach Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien im Hinblick insbesondere darauf verdient habe, dass seine Mitwirkung die Kommission in die Lage versetzt habe, eine längere Dauer der Zuwiderhandlung festzustellen (Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnrn. 294 bis 298, 306 und 311). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat das Gericht in diesem Urteil daher nicht zugelassen, dass die Mitwirkung eines Unternehmens selbst dann belohnt werden kann, wenn sie das Kriterium des erheblichen Mehrwerts im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht erfüllt.

260    Weiter ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach eine Herabsetzung der Geldbuße allein aufgrund dessen gerechtfertigt sei, dass ein Unternehmen Informationen liefere, die – wie insbesondere belastende Punkte – über diejenigen hinausgingen, deren Übermittlung die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 fordern dürfe.

261    Zwar ist entschieden worden, dass die Mitwirkung eines Unternehmens an der Untersuchung dann kein Recht auf eine Herabsetzung der Geldbuße verleiht, wenn diese Mitwirkung nicht über das hinausgegangen ist, wozu das Unternehmen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 verpflichtet war (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnrn. 341 und 342, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 451). Jedoch trifft nicht zwangsläufig das Gegenteil zu. Selbst belastende Punkte können nämlich insbesondere im Verhältnis zu früheren Beiträgen anderer Unternehmen von eingeschränktem Nutzen für die Kommission sein. Die Nützlichkeit einer Information stellt jedoch im Rahmen der Beurteilung des Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit mit der Kommission das ausschlaggebende Kriterium dar (vgl. die oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführte Rechtsprechung).

262    Folglich ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien nur in außergewöhnlichen Fällen anzuwenden sei.

263    In zweiter Linie macht die Klägerin geltend, dass das Kriterium des „außergewöhnlichen Falles“ vorliegend jedenfalls erfüllt sei. Obwohl sie ICI Acrylics fünf Jahre vor Einleitung der Untersuchung verkauft habe, ihr keine der in Rede stehenden Tatsachen bekannt gewesen sei, sie bis zu einem fortgeschrittenen Stadium von den Ermittlungen ausgeschlossen und „ohne berechtigten Grund“ im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit benachteiligt worden sei, habe sie erhebliche Anstrengungen unternommen, um aktuelle Dokumente vorzulegen, die anschließend in der angefochtenen Entscheidung angeführt worden seien.

264    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Klägerin, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht die Beurteilung der Kommission widerlegt hat, wonach von insgesamt 168 ihr von der Klägerin übermittelten Dokumenten einige sich auf Hintergrundinformationen z. B. zu gewissen Aspekten der Umsetzung des Kartells beschränkt hätten, unter Berücksichtigung der der Kommission bereits vorliegenden Informationen aber keines von ihnen sie in die Lage versetzt habe, die Sachverhalte zu beweisen (Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung).

265    Bei der Antwort auf die Frage, ob die Umstände des Einzelfalls so „außergewöhnlich“ sind, dass sie eine Herabsetzung der Geldbuße außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen, dürfen nämlich die Qualität und die objektive Nützlichkeit der für die Untersuchung übermittelten Informationen nicht außer Acht gelassen werden (vgl. in diesem Sinne die oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführte Rechtsprechung).

266    Aus dem Vorstehenden geht jedoch hervor, dass die Nützlichkeit der von der Klägerin übermittelten Informationen sehr begrenzt war, da sie die Kommission insbesondere nicht in die Lage versetzt haben, das Bestehen, den Umfang oder die Dauer der Zuwiderhandlung zu beweisen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnrn. 302 und 311).

267    Demnach können die von der Klägerin geltend gemachten und oben in Randnr. 263 wiedergegebenen Gesichtspunkte eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission nicht rechtfertigen. Im Übrigen trägt die Klägerin zu Unrecht vor, dass die verspätete Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit dem Verhalten der Kommission zugerechnet werden könne (siehe oben, Randnrn. 212, 216 und 217).

268    Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, wonach die Kommission durch die Weigerung, ihren Kooperationsbeitrag zu berücksichtigen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, da sie die Klägerin genauso behandelt habe, wie die Kartellteilnehmer, die nicht mitgewirkt hätten, obwohl diese sich nicht in der gleichen Lage befunden hätten.

269    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Kooperationsbeiträge der Unternehmen nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz außer Acht lassen darf (Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnr. 308 und die dort angeführte Rechtsprechung).

270    Dieser Grundsatz verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat, C‑227/04 P, Slg. 2007, I‑6767, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

271    Die Klägerin hat im vorliegenden Fall keine Verletzung dieses Grundsatzes nachgewiesen.

272    Zum einen zieht sie nicht die Behauptung der Kommission in Zweifel, wonach diese sie genauso behandelt habe wie alle anderen Kartellteilnehmer, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hätten, indem sie die von jedem Einzelnen von ihnen vorgelegten Beweise ausgewertet habe.

273    Zum anderen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie sich in einer anderen Lage befunden hätte als Barlo, also der einzige Adressat der angefochtenen Entscheidung, der keinen solchen Antrag gestellt hatte, und bei dem wie bei ihr die Geldbuße nicht aufgrund von Zusammenarbeit mit der Kommission herabgesetzt worden war. Aus der Akte geht vielmehr hervor, dass die Klägerin wie Barlo keine Informationen geliefert hatte, deren Nützlichkeit eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte. Daher ist festzustellen, dass sie sich im Hinblick auf das mit der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes begehrten Herabsetzung der Geldbuße verfolgte Ziel in einer mit der von Barlo vergleichbaren Situation befand und aufgrund dessen gleichbehandelt wurde.

274    Im Übrigen und für alle Fälle geht aus dem Urteil des Gerichts vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T‑208/06, Slg. 2011, II‑7953, Randnr. 274), hervor, dass Barlo gleichfalls in gewissem Umfang mit der Kommission zusammengearbeitet hat, ohne dass diese Mitwirkung eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte.

275    Folglich ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll.

276    Im Übrigen rechtfertigen aus den vorgenannten Gründen die von der Klägerin im Rahmen des fünften Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung.

277    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Zum sechsten, in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung vorgebrachten Klagegrund, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird

278    Nach Ansicht der Klägerin geht die Dauer des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens, zusammengenommen, über die angemessene Frist hinaus und verletze sie in ihren insbesondere in Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerten Grundrechten. Die erste im Rahmen der vorliegenden Rechtssache gegen sie ergriffene Maßnahme datiere nämlich vom 29. Juli 2004, und am Tag der mündlichen Verhandlung, dem 8. November 2011, warte sie noch immer auf ein Urteil des Gerichts.

279    Ferner beanstandet die Klägerin speziell die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht einschließlich der Zeit zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens und dem Beschluss zur Eröffnung des mündlichen Verfahrens. Ihr seien keine Umstände bekannt, die diese Dauer rechtfertigen könnten.

280    Gestützt auf das Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) sowie auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen C‑109/10 P (Solvay/Kommission, Slg. 2011, I‑10329) und C‑110/10 P (Solvay/Kommission, Slg. 2011, I‑10439, Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011), vertritt sie daher die Meinung, dass die überlange Verfahrensdauer zur Herabsetzung der in der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße führen müsse.

281    Die Kommission trägt vor, es seien Umstände gegeben, die die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten. Sie betont jedenfalls, dass der vorliegende Klagegrund nicht gegen die angefochtene Entscheidung gerichtet werden könne und dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht als überlang angesehen werden könne. Darüber hinaus mangele es dem Vorbringen der Klägerin an Klarheit.

282    Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten jede Person ein Recht darauf hat, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

283    Als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts gilt dieses Recht auch im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission. Dieses Recht ist im Übrigen auch in Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bestätigt worden, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes betrifft (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, Slg. 2009, I‑6155, Randnrn. 178 und 179 und die dort angeführte Rechtsprechung).

284    Außerdem ist der Grundsatz der angemessenen Frist nach ständiger Rechtsprechung auch im Rahmen von Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik vor der Kommission anwendbar (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er ist als solcher in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestätigt worden, wonach jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

285    Art. 41 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten somit zwei Ausprägungen ein und desselben verfahrensrechtlichen Grundsatzes, nämlich dass die Rechtsunterworfenen eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist erwarten dürfen.

286    Im vorliegenden Fall macht die Klägerin zwar eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend, behauptet aber nicht, dass die Dauer des Verfahrens irgendeinen Einfluss auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung gehabt hätte oder dass sie die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits beeinträchtigen könnte. Sie behauptet insbesondere nicht, dass sich diese Dauer in irgendeiner Weise auf ihre Möglichkeiten zur Verteidigung, sei es im Verwaltungsverfahren, sei es im gerichtlichen Verfahren, ausgewirkt hätte. Sie beantragt auch nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung aufgrund des angeblichen Verstoßes.

287    Die Klägerin ersucht vielmehr das Gericht, die überlange Verfahrensdauer im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu berücksichtigen und die Geldbuße aus diesem Grund herabzusetzen, wie es der Gerichtshof im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) getan habe.

288    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtssache, in der das Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) ergangen ist, auf das sich die Klägerin beruft, ein gegen ein Urteil des Gerichts gerichtetes Rechtsmittel betraf, in dem das Gericht aufgrund der ihm zu diesem Zweck zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gegen den Kläger eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften verhängt hatte; die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung kann dem Gerichtshof selbst zukommen, wenn er ein solches Urteil des Gerichts aufhebt und über die Klage entscheidet (Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, Slg. 2008, I‑6513, Randnr. 206).

289    Im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 33) hat der Gerichtshof an das Recht des Klägers auf einen fairen Prozess innerhalb angemessener Frist und insbesondere darauf, dass über die sachliche Begründetheit der ihm von der Kommission vorgeworfenen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und der deswegen gegen ihn festgesetzten Geldbuße entschieden wird, erinnert (Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 207).

290    Nach der Feststellung, dass das Gericht in jener Rechtssache eine solche angemessene Frist überschritten hatte, hat der Gerichtshof entschieden, dass aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf, dass gegen einen solchen Verfahrensfehler ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss, durch eine auf die Frage der Festsetzung der Höhe der Geldbuße beschränkte Aufhebung oder Abänderung des Urteils des Gerichts die Gewährung des erforderlichen angemessenen Ausgleichs in diesem Fall möglich war (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 47, 48 und 141, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 208).

291    Diese Lösung ist im vorliegenden Fall entsprechend anwendbar.

292    Das Gericht verfügt hier nämlich nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 in Anwendung von Art. 261 AEUV über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, und es ist im Übrigen mit einem entsprechenden Antrag der Klägerin befasst.

293    Wie bereits entschieden worden ist, ermächtigt diese Befugnis das Gericht, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und z. B. die Höhe der Geldbuße anders festzusetzen (Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 692; Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 86, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 577).

294    Wäre im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist, gegebenenfalls auch wegen der Dauer des Verfahrens vor dem Gericht, festzustellen, wäre dieses in der Lage, durch eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klägerin zur Zahlung eines Betrags zu verurteilen, von dem ein angemessener Ausgleich wegen überlanger Dauer des Verfahrens gegebenenfalls abgezogen werden könnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 210).

295    Eine solche Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist insbesondere aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf geboten, dass gegen einen solchen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 48).

296    Daher ist das Gericht im vorliegenden Fall für die Entscheidung über den ausdrücklichen Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Geldbuße wegen überlanger Verfahrensdauer auch insoweit zuständig, als er die Dauer des Verfahren vor ihm selbst betrifft (vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen C‑109/10 P, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 280 angeführt, Nrn. 243 und 275, und C‑110/10 P, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 280 angeführt, Nrn. 86 und 118).

297    Im Übrigen ist hervorzuheben, dass der vorliegende Klagegrund die Gesamtdauer des die Klägerin betreffenden Verfahrens zum Gegenstand hat, d. h. des Verwaltungsverfahrens in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren. Unter diesen Umständen kann dieser Klagegrund, auch wenn er erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, auch insoweit nicht wegen Verspätung als unzulässig betrachtet werden, als er die Dauer des Verwaltungsverfahrens betrifft. Die Gesamtverfahrensdauer stellt nämlich eine neue Tatsache dar, die nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung das Vorbringen dieses Angriffsmittels im Laufe des Verfahrens rechtfertigt.

298    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die von der Klägerin beanstandete Verfahrensdauer vom 29. Juli 2004, dem Zeitpunkt der ersten im Rahmen der von der Kommission durchgeführten Ermittlungen gegen die Klägerin gerichteten Untersuchungsmaßnahme, bis zum 8. November 2011, dem Tag der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache, erstreckt. Sie beträgt daher etwa sieben Jahre und vier Monate.

299    Die Angemessenheit dieser Frist ist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Betroffenen und der zuständigen Behörden zu beurteilen (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 29, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 212).

300    Diese von der Klägerin beanstandete Gesamtdauer besteht aus zwei klar unterschiedenen Phasen, nämlich dem Verwaltungsverfahren vor der Kommission und dem Verfahren vor dem Gericht.

301    Was erstens das Verwaltungsverfahren betrifft, hat die Klägerin nicht erläutert, weshalb dessen Dauer als solche als überlang angesehen werden könnte.

302    Jedenfalls ist bei dieser Dauer, was die Klägerin betrifft (etwa ein Jahr und zehn Monate zwischen dem 29. Juli 2004 und dem 31. Mai 2006, dem Tag, an dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde), unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht von einer Überlänge auszugehen. Insoweit genügt der Hinweis, dass es sich um eine Untersuchung handelte, die eine große Zahl von Unternehmen betraf und die die Prüfung zahlreicher Sach- und Rechtsfragen erforderte. Im Übrigen lässt die Darstellung des Verfahrens durch die Kommission in den Randnrn. 79 bis 93 der angefochtenen Entscheidung keine ungerechtfertigten Zeiten der Untätigkeit erkennen.

303    Zweitens ist die Dauer des gerichtlichen Verfahrens anhand der im vorliegenden Fall maßgebenden Umstände zu prüfen (siehe oben, Randnr. 299).

304    Zu den für sie in dieser Rechtssache auf dem Spiel stehenden Interessen hat die Klägerin nichts vorgetragen.

305    Jedenfalls hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt, soweit sie darin für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG verantwortlich gemacht wird. Sie hat somit keine Entscheidung darüber beantragt, ob die von der Kommission gegen sie erhobenen Anschuldigungen zutreffen, und daher betrifft die Rechtssache nicht die Frage, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt oder nicht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 30 und 33, und Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 283 angeführt, Randnr. 186).

306    Das einzige Interesse, das in der vorliegenden Rechtssache für die Klägerin auf dem Spiel stehen könnte, betrifft somit die mit der angefochtenen Entscheidung gegen die festgesetzte Geldbuße. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, was die Beurteilung zulässt, welche Bedeutung dieses Interesse für sie hat.

307    Auch wenn im Übrigen die Klägerin in ihren Anträgen die Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung begehrt (siehe oben, Randnr. 36), ist festzustellen, dass die zur Stützung der vorliegenden Klage vorgebrachten Gründe, selbst unterstellt, sie griffen durch, nicht geeignet gewesen wären, schlicht und einfach zur Aufhebung der Geldbuße zu führen, sondern lediglich zu deren Herabsetzung.

308    Es ist daher nicht erwiesen, dass in der vorliegenden Rechtssache für die Klägerin ein erhebliches Interesse auf dem Spiel steht.

309    Was das Verhalten der Klägerin betrifft, so hat dieses nicht nennenswert zur Dauer des Verfahrens beigetragen.

310    Zum Verhalten der zuständigen Stellen und zur Komplexität der Rechtssache ist festzustellen, dass die von der Klägerin beanstandete Dauer des Zeitraums zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens am 11. April 2007 und dem Tag der Eröffnung des mündlichen Verfahrens am 15. September 2011 (etwa vier Jahre und fünf Monate) erheblich ist.

311    Diese Dauer ist jedoch durch die Umstände und die Komplexität der Rechtssache zu erklären.

312    So ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass 14 Gesellschaften, die fünf Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts bildeten, durch einen Komplex wettbewerbswidriger Vereinbarungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie gegen Art. 81 EG verstoßen hätten (siehe oben, Randnrn. 1 bis 4). Die von der Klägerin erhobene Klage ist eine von fünf Klagen gegen die angefochtene Entscheidung, die in zwei verschiedenen Verfahrenssprachen erhoben worden sind.

313    Diese Klagen haben eine erhebliche Zahl von Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, die eine eingehende Prüfung durch das Gericht erforderlich gemacht haben, was u. a. darin zum Ausdruck gekommen ist, dass in diesen Rechtssachen jeweils verfahrensleitende Maßnahmen erlassen worden sind und in einer dieser Rechtssachen das mündliche Verfahren wiedereröffnet worden ist.

314    Darüber hinaus hat der durch den Gegenstand dieser Klagen bedingte Sachzusammenhang ihre teilweise parallele Prüfung erforderlich gemacht. Mit Ausnahme eines engeren Sachzusammenhangs zwischen zwei dieser Klagen (Rechtssachen T‑206/06 und T‑217/06) haben diese Klagen gleichwohl jeweils unterschiedliche Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, so dass die Synergie-Effekte begrenzt waren. Das Gericht hat daher fünf Urteile erlassen, von denen das vorliegende das letzte aus dieser Reihe ist; bei den übrigen handelt es sich um die Urteile vom 7. Juni 2011, Total und Elf Aquitaine/Kommission (T‑206/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), Arkema France u. a./Kommission, oben in Randnr. 171 angeführt, vom 15. September 2011, Lucite International und Lucite International UK/Kommission (T‑216/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), und vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T‑208/06, Slg. 2011, II‑7953).

315    Außerdem hat die eingehende Prüfung der Rechtssache durch das Gericht trotz der Sprachenregelung, die sich aus der Verfahrensordnung ergibt, namentlich die Verkündung des vorliegenden Urteils innerhalb relativ kurzer Zeit nach Abschluss des mündlichen Verfahrens am 15. Dezember 2011 ermöglicht.

316    Somit belief sich die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens auf fünf Jahre und neun Monate.

317    In Ermangelung jeglichen Vorbringens der Klägerin zu den für sie in der Rechtssache auf dem Spiel stehenden Interessen und unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 305 bis 308 dargelegten Erwägungen, aus denen sich ergibt, dass die Rechtssache weder ihrer Art noch ihrer Bedeutung für die Klägerin nach einer besonderen Beschleunigung bedurfte, ist diese Dauer unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht geeignet, die beantragte Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen.

318    Diese Feststellung gilt erst recht für die Gesamtdauer des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens, das Gegenstand des vorliegenden Klagegrundes ist (siehe oben, Randnrn. 297 und 298), die bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der oben geprüften Umstände nicht als übermäßig lang angesehen werden kann.

319    Daher sind der vorliegende Klagegrund sowie die Klage insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

320    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Imperial Chemical Industries Ltd trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juni 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund, mit dem die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gerügt wird

Zum zweiten Klagegrund, mit dem die fehlende Begründung in der angefochtenen Entscheidung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt wird

Zum dritten Klagegrund, betreffend das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen

Zum vierten Klagegrund, mit dem die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt wird

Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verkennung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Kommission gerügt wird

Zum zweiten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gerügt wird

Zum fünften Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei

Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes betreffend die Weigerung, die Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen

– Zur Fehlbeurteilung des Mehrwerts der im Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit enthaltenen Angaben

– Zur Verantwortlichkeit der Kommission für die Verzögerung, mit der die Klägerin im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen ihre Angaben gemacht hat

Zum zweiten Teil des Klagegrundes betreffend die Weigerung, den Wert der Mitwirkung der Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit anzuerkennen

Zum sechsten, in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung vorgebrachten Klagegrund, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.