Language of document : ECLI:EU:C:2013:239

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

16. April 2013(*)

„Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Art. 45 AEUV – Im niederländischen Sprachgebiet des Königreichs Belgien niedergelassene Gesellschaft – Verpflichtung, die Arbeitsverträge in niederländischer Sprache abzufassen – Arbeitsvertrag mit grenzüberschreitendem Charakter – Beschränkung – Unverhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑202/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Arbeidsrechtbank te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 18. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2011, in dem Verfahren

Anton Las

gegen

PSA Antwerp NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz und J. Malenovský sowie der Richter U. Lõhmus, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader und des Richters D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Las, vertreten durch C. Delporte, advocaat,

–        der PSA Antwerp NV, vertreten durch C. Engels und M. Holvoet, advocaten,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stuyck, advocaat,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch S. Vodina und G. Karipsiades als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und G. Rozet als Bevollmächtigte,

–        der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis sowie M. Moustakali und F. Simonetti als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Juli 2012

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Las und seinem ehemaligen Arbeitgeber, der PSA Antwerp NV (im Folgenden: PSA Antwerp), wegen verschiedener von ihr nach der Kündigung gezahlter Abfindungen.

 Rechtlicher Rahmen

 Belgisches Recht

3        In Art. 4 der Belgischen Verfassung heißt es:

„Belgien umfasst vier Sprachgebiete: das deutsche Sprachgebiet, das französische Sprachgebiet, das niederländische Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt.

Jede Gemeinde des Königreichs gehört einem dieser Sprachgebiete an.

…“

4        Das Decreet tot regeling van het gebruik van de talen voor de sociale betrekkingen tussen de werkgevers en de werknemers, alsmede van de voor de wet en de verordeningen voogeschreven akten en bescheiden van de ondernemingen (Dekret zur Regelung des Gebrauchs der Sprachen für die sozialen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und die durch Gesetz und Verordnung vorgeschriebenen Maßnahmen und Bescheide der Unternehmen, im Folgenden: Dekret über den Sprachgebrauch) vom 19. Juli 1973 (Belgisch Staatsblad, 6. September 1973, S. 10089) wurde auf der Grundlage von Art. 129 § 1 Nr. 3 der Belgischen Verfassung erlassen, wonach „die Parlamente der Französischen und der Flämischen Gemeinschaft …, jedes für seinen Bereich, durch Dekret und unter Ausschluss des föderalen Gesetzgebers den Gebrauch der Sprachen für … die sozialen Beziehungen zwischen den Arbeitgebern und ihrem Personal sowie die durch Gesetz und Verordnungen vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Unternehmen [regeln]“.

5        Art. 1 dieses Dekrets bestimmt:

„Das vorliegende Dekret ist auf natürliche und juristische Personen anwendbar, die einen Betriebssitz im niederländischen Sprachgebiet haben. Es regelt den Gebrauch der Sprachen im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie in den durch die Gesetze und Verordnungen vorgeschriebenen Handlungen und Dokumenten der Unternehmen.

…“

6        Art. 2 dieses Dekrets bestimmt, dass „die für die sozialen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und für die gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Unternehmen zu gebrauchende Sprache … das Niederländische [ist]“.

7        Art. 5 dieses Dekrets lautet:

„Alle gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Arbeitgeber … und alle Dokumente, die für ihr Personal bestimmt sind, werden in niederländischer Sprache abgefasst.

Wenn die Zusammensetzung des Personals dies rechtfertigt und auf einstimmigen Antrag der Arbeitnehmervertreter des Betriebsrats, oder, bei Fehlen eines Betriebsrats, auf einstimmigen Antrag der Gewerkschaftsvertretung, oder, sofern beide Einrichtungen nicht vorhanden sind, auf Antrag eines Vertreters einer repräsentativen gewerkschaftlichen Organisation hat der Arbeitgeber jedoch den für das Personal bestimmten Bekanntmachungen, Mitteilungen, Handlungen, Bescheinigungen und Formularen eine Übersetzung in eine oder mehrere Sprachen beizufügen.

…“

8        Art. 10 des Dekrets sieht Folgendes vor:

„Handlungen und Dokumente, die gegen die Bestimmungen dieses Dekrets verstoßen, sind nichtig. Die Nichtigkeit wird durch das Gericht von Amts wegen festgestellt.

Die Nichtigerklärung darf keinen Nachteil für den Arbeitnehmer herbeiführen und lässt die Rechte Dritter unberührt. Der Arbeitgeber haftet für den Schaden, der dem Arbeitnehmer oder Dritten durch seine nichtigen Dokumente oder Handlungen entsteht.

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9        Aufgrund eines in englischer Sprache abgefassten „Letter of Employment“ vom 10. Juli 2004 (im Folgenden: Arbeitsvertrag) wurde Herr Las, ein niederländischer Staatsbürger mit Wohnsitz in den Niederlanden, von PSA Antwerp, einer Gesellschaft mit Sitz in Antwerpen (Belgien), die aber zu einem multinationalen Konzern gehört, der Hafenterminals betreibt und seinen Sitz in Singapur hat, unbefristet als „Chief Financial Officer“ eingestellt. In diesem Arbeitsvertrag war vorgesehen, dass Herr Las seine Arbeitsleistung in Belgien erbringt, auch wenn einige Arbeitsleistungen von den Niederlanden aus erbracht wurden.

10      Mit einem Schreiben in englischer Sprache vom 7. September 2009 wurde Herrn Las mit sofortiger Wirkung gekündigt. Gemäß Art. 8 des Arbeitsvertrags zahlte PSA Antwerp Herrn Las eine Kündigungsabfindung in Höhe von drei Monatsgehältern sowie eine ergänzende Abfindung in Höhe von sechs Monatsgehältern.

11      Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 machte der Rechtsanwalt von Herrn Las gegenüber PSA Antwerp geltend, dass der Arbeitsvertrag und insbesondere dessen Art. 8, der die Herrn Las geschuldeten Abfindungen betraf, nicht in niederländischer Sprache abgefasst und daher gemäß der Sanktion des Art. 10 des Dekrets über den Sprachgebrauch nichtig seien, da es sich bei PSA Antwerp um ein Unternehmen mit Betriebssitz im niederländischen Sprachgebiet des Königreichs Belgien handele. Daher seien die Parteien nicht an den Wortlaut von Art. 8 des Arbeitsvertrags gebunden. Herr Las habe gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber einen Anspruch auf eine wesentlich höhere Abfindung.

12      Da PSA Antwerp und Herr Las keine Einigung über diesen Punkt erzielen konnten, erhob Herr Las am 23. Dezember 2009 Klage bei der Arbeidsrechtbank te Antwerpen und beantragte die Festsetzung der ihm zustehenden Abfindungen durch dieses Gericht.

13      Zur Begründung seines Antrags wiederholt Herr Las das Argument, dass Art. 8 seines Arbeitsvertrags wegen eines Verstoßes gegen das Dekret über den Sprachgebrauch nichtig sei. PSA Antwerp macht geltend, dass das vorlegende Gericht das genannte Dekret nicht anwenden dürfe, da der Arbeitsvertrag eine Person betreffe, die von ihrem Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer Gebrauch mache. Die Anwendung dieses Dekrets stelle eine Beschränkung dieser Grundfreiheit dar, die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs gerechtfertigt sei. PSA Antwerp führt weiter aus, dass der Arbeitsvertrag eingehalten werden müsse, da er dem in einer beiden Parteien verständlichen Sprache – nämlich Englisch – ausgedrückten Willen der Parteien entspreche, zumal der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft, der den Vertrag unterzeichnet habe, singapurischer Staatsangehöriger und der niederländischen Sprache nicht mächtig sei.

14      Weiter geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Arbeidsrechtbank te Antwerpen Zweifel am Vorliegen eines im Allgemeininteresse liegenden Grundes an der Abfassung des Arbeitsvertrags in niederländischer Sprache in einer grenzüberschreitenden Situation hat, in der die Parteien – vorliegend ein niederländischsprachiger Arbeitnehmer und ein nicht niederländischsprachiger Arbeitgeber – aufgrund der Bedeutung der zu besetzenden Stelle offensichtlich beschlossen haben, einen Arbeitsvertrag in einer für beide Parteien verständlichen Sprache abzufassen.

15      Unter diesen Umständen hat die Arbeidsrechtbank te Antwerpen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstößt das Dekret über den Sprachgebrauch gegen Art. 45 AEUV über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union, soweit es ein im niederländischen Sprachgebiet belegenes Unternehmen unter Androhung der Nichtigkeit verpflichtet, bei der Einstellung eines Arbeitnehmers in ein Arbeitsverhältnis mit internationalem Charakter alle Dokumente, die sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen, in niederländischer Sprache abzufassen?

 Zur Vorlagefrage

16      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung einer föderalen Einheit eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die jeden Arbeitgeber mit Betriebssitz im Hoheitsgebiet dieser Einheit unter Androhung der vom Gericht von Amts wegen festzustellenden Nichtigkeit dazu verpflichtet, Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Charakter ausschließlich in der Amtssprache dieser föderalen Einheit abzufassen.

17      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Arbeitsvertrag unstreitig unter Art. 45 AEUV fällt, da er zwischen einem in den Niederlanden wohnenden Niederländer und einer im Königreich Belgien niedergelassenen Gesellschaft geschlossen wurde.

18      Außerdem können sich entgegen den Ausführungen des Klägers im Ausgangsverfahren nicht nur die Arbeitnehmer selbst auf Art. 45 AEUV berufen, sondern auch deren Arbeitgeber. Das Recht der Arbeitnehmer, bei Einstellung und Beschäftigung nicht diskriminiert zu werden, kann nämlich nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn die Arbeitgeber ein entsprechendes Recht darauf haben, Arbeitnehmer nach Maßgabe der Bestimmungen über die Freizügigkeit einzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Januar 2007, ITC, C‑208/05, Slg. 2007, I‑181, Randnr. 23, und vom 13. Dezember 2012, Caves Krier Frères, C‑379/11, Randnr. 28).

19      In Bezug auf das Vorliegen einer Beschränkung ist daran zu erinnern, dass sämtliche Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen (Urteil vom 8. November 2012, Radziejewski, C‑461/11, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Folglich stehen diese Bestimmungen und insbesondere Art. 45 AEUV jeder Maßnahme entgegen, die, auch wenn sie ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gilt, geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteil vom 10. März 2011, Casteels, C‑379/09, Slg. 2011, I‑1379, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten und den Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung hervor, dass bei der Abfassung von Arbeitsverträgen mit grenzüberschreitendem Charakter, die von Arbeitgebern mit Betriebssitz im niederländischen Sprachgebiet des Königreichs Belgien geschlossen werden, nur die niederländische Fassung verbindlich ist.

22      Eine solche Regelung ist geeignet, abschreckende Wirkung auf nicht niederländischsprachige Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus anderen Mitgliedstaaten zu haben und stellt somit eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.

23      In Bezug auf die Rechtfertigung einer solchen Beschränkung können nach gefestigter Rechtsprechung nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, nur dann zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, Slg. 2008, I‑1683, Randnr. 55).

24      Hierzu führt die belgische Regierung aus, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Rechtsvorschrift dem dreifachen Erfordernis Rechnung trüge, erstens den Gebrauch einer ihrer Amtssprachen zu fördern, zweitens den Schutz der Arbeitnehmer dadurch zu gewährleisten, dass sie von sozialversicherungsrelevanten Dokumenten in ihrer Muttersprache Kenntnis nehmen könnten und den wirksamen Schutz der Arbeitnehmervertretungen und der Verwaltungs- und Justizbehörden, die über diese Dokumente entschieden, genössen, sowie drittens die Wirksamkeit der Kontrollen und der Überwachung durch die Gewerbeaufsicht sicherzustellen.

25      Zum ersten von der belgischen Regierung genannten Ziel ist festzustellen, dass es das Unionsrecht einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, eine Politik zum Schutz und zur Förderung seiner Amtssprache(n) zu betreiben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. November 1989, Groener, C‑379/87, Slg. 1989, 3967, Randnr. 19, und vom 12. Mai 2011, Runevič-Vardyn und Wardyn, C‑391/09, Slg. 2011, I‑3787, Randnr. 85).

26      Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 EUV und Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wahrt die Union den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Nach Art. 4 Abs. 2 EUV achtet die Union auch die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, zu der auch der Schutz von deren Amtssprache(n) gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil Runevič‑Vardyn und Wardyn, Randnr. 86).

27      Somit stellt das Ziel, den Gebrauch der niederländischen Sprache, die eine der Amtssprachen des Königreichs Belgien ist, zu fördern, ein berechtigtes Interesse dar, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung der nach Art. 45 AEUV bestehenden Verpflichtungen zu rechtfertigen.

28      In Bezug auf das zweite und das dritte der von der belgischen Regierung angeführten Ziele, nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und die Erleichterung entsprechender Kontrollen seitens der Verwaltung, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass diese zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die die Beschränkung einer vom Vertrag anerkannten Freiheit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland, C‑490/04, Slg. 2007, I‑6095, Randnrn. 70 und 71, sowie vom 7. Oktober 2010, dos Santos Palhota u. a., C‑515/08, Slg. 2010, I‑9133, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche muss jedoch in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen stehen, um den Anforderungen des Unionsrechts zu entsprechen.

30      Im vorliegenden Fall geht aus dieser Regelung hervor, dass der Verstoß gegen die Pflicht, einen zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber mit Betriebssitz im niederländischen Sprachgebiet des Königreichs Belgien geschlossenen Arbeitsvertrag in niederländischer Sprache abzufassen, zur vom Gericht von Amts wegen festzustellenden Nichtigkeit dieses Vertrags führt, soweit die Feststellung der Nichtigkeit keinen Nachteil für den Arbeitnehmer herbeiführt und die Rechte Dritter unberührt lässt.

31      Die Parteien eines Arbeitsvertrags mit grenzüberschreitendem Charakter beherrschen jedoch nicht zwangsläufig die Amtssprache des betreffenden Mitgliedstaats. In einem solchen Fall ist es für eine freie Einigung zwischen den Parteien in Kenntnis der Sachlage erforderlich, dass sie ihren Vertrag in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Mitgliedstaats schließen dürfen.

32      Im Übrigen würde eine Regelung eines Mitgliedstaats, die für Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Charakter nicht nur die Verwendung von dessen Amtssprache vorschriebe, sondern darüber hinaus auch eine verbindliche Fassung solcher Verträge in einer anderen allen Vertragsparteien geläufigen Sprache zuließe, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer weniger beeinträchtigen als die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung und wäre dennoch geeignet, die Erreichung der mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung verfolgten Ziele zu gewährleisten.

33      Nach alledem ist davon auszugehen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche über das hinausgeht, was zur Erreichung der in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils genannten Ziele unbedingt erforderlich ist, und daher nicht als angemessen angesehen werden kann.

34      Unter diesen Umständen ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass er der Regelung einer föderalen Einheit eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die jeden Arbeitgeber mit Betriebssitz im Hoheitsgebiet dieser Einheit unter Androhung der vom Gericht von Amts wegen festzustellenden Nichtigkeit dazu verpflichtet, Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Charakter ausschließlich in der Amtssprache dieser föderalen Einheit abzufassen.

 Kosten

35      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung einer föderalen Einheit eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die jeden Arbeitgeber mit Betriebssitz im Hoheitsgebiet dieser Einheit unter Androhung der vom Gericht von Amts wegen festzustellenden Nichtigkeit dazu verpflichtet, Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Charakter ausschließlich in der Amtssprache dieser föderalen Einheit abzufassen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.