SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
Juliane Kokott
vom 4. September 2008(1)
Rechtssache C‑222/07
Unión de Televisiones Comerciales Asociadas (UTECA)
(Vorabentscheidungsersuchen des spanischen Tribunal Supremo)
„Richtlinie 89/552/EWG ‚Fernsehen ohne Grenzen‘ – Europäische Werke – Verpflichtung der Fernsehveranstalter zur Vorfinanzierung von europäischen Spiel- und Fernsehfilmen – Sprachenquote – Mindestharmonisierung – Grundfreiheiten des EG-Vertrags – Wettbewerb – Staatliche Beihilfen – Begriff der staatlichen Beihilfe (Art. 87 Abs. 1 EG)“
I – Einleitung
1. Dürfen Fernsehveranstalter in einem nationalen Gesetz dazu verpflichtet werden, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen für die Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden, deren Originalsprache zudem eine der Amtssprachen des betreffenden Mitgliedstaats sein muss? Diese Frage steht im Mittelpunkt des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens, mit dem der spanische Tribunal Supremo(2) den Gerichtshof befasst.
2. Im Ausgangsrechtsstreit wehrt sich die Unión de Televisiones Comerciales Asociadas (UTECA), eine Vereinigung kommerzieller Fernsehsender in Spanien, gegen die im spanischen Recht vorgesehene Pflicht für Fernsehveranstalter, mit 5 % ihrer jährlichen Einkünfte zur Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme beizutragen, wobei 60 % dieser Finanzierung Werken vorbehalten ist, deren Originalsprache eine der Amtssprachen Spaniens ist(3).
3. Der Gerichtshof ist aufgerufen, zu entscheiden, ob eine solche nationale Regelung mit den Bestimmungen der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“, mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags und mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar ist.
4. Dass die Antwort auf diese Frage von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Kulturpolitik zahlreicher Mitgliedstaaten wie auch der Gemeinschaft insgesamt ist und überdies erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat, muss nicht eigens betont werden. Schon die rege Beteiligung einer ganzen Reihe von nationalen Regierungen am Verfahren vor dem Gerichtshof zeigt, welches Interesse diesem Fall entgegengebracht wird.
II – Rechtlicher Rahmen
A – Gemeinschaftsrecht
5. Den gemeinschaftsrechtlichen Rahmen dieses Falls bildet, neben diversen Bestimmungen des EG-Vertrags, die Richtlinie 89/552/EWG(4) – auch Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ genannt – in ihrer durch die Richtlinie 97/36/EG(5) geänderten Fassung(6).
6. Zu den allgemeinen Bestimmungen in Kapitel II der Richtlinie 89/552 gehört Art. 3 Abs. 1, der wie folgt lautet:
„Die Mitgliedstaaten können Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen nachzukommen.“
7. In Kapitel III der Richtlinie 89/552, das mit „Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen“ überschrieben ist, finden sich u. a. die Art. 4, 5 und 6.
8. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass die Fernsehveranstalter den Hauptanteil ihrer Sendezeit … der Sendung von europäischen Werken im Sinne des Artikels 6 vorbehalten. Dieser Anteil soll unter Berücksichtigung der Verantwortung der Rundfunkveranstalter gegenüber ihrem Publikum in den Bereichen Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung schrittweise anhand geeigneter Kriterien erreicht werden.“
9. Art. 5 der Richtlinie 89/552 enthält folgende Regelung:
„Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass Fernsehveranstalter mindestens 10 v. H. ihrer Sendezeit … oder alternativ nach Wahl des Mitgliedstaats mindestens 10 v. H. ihrer Haushaltsmittel für die Programmgestaltung der Sendung europäischer Werke von Herstellern vorbehalten, die von den Fernsehveranstaltern unabhängig sind. Dieser Anteil soll unter Berücksichtigung der Verantwortung der Fernsehveranstalter gegenüber ihrem Publikum in den Bereichen Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung schrittweise anhand geeigneter Kriterien erreicht werden; dazu muss ein angemessener Anteil neueren Werken vorbehalten bleiben, d. h. Werken, die innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach ihrer Herstellung ausgestrahlt werden.“
10. Art. 6 der Richtlinie 89/552 nimmt folgende Begriffsbestimmung vor:
„(1) Unter ‚europäischen Werken‘ im Sinne dieses Kapitels sind zu verstehen:
a) Werke aus den Mitgliedstaaten;
…
(2) Werke im Sinne des Absatzes 1 Buchstaben a) und b) sind Werke, die im Wesentlichen in Zusammenarbeit mit in einem oder mehreren der in Absatz 1 Buchstaben a) und b) genannten Staaten ansässigen Autoren und Arbeitnehmern geschaffen wurden und eine der drei folgenden Voraussetzungen erfüllen:
a) Sie sind von einem oder mehreren in einem bzw. mehreren dieser Staaten ansässigen Hersteller(n) geschaffen worden;
b) ihre Herstellung wird von einem oder mehreren in einem bzw. mehreren dieser Staaten ansässigen Hersteller(n) überwacht und tatsächlich kontrolliert;
c) der Beitrag von Koproduzenten aus diesen Staaten zu den Gesamtproduktionskosten beträgt mehr als die Hälfte, und die Koproduktion wird nicht von einem bzw. mehreren ausserhalb dieser Staaten ansässigen Hersteller/(n) kontrolliert.
…“
11. Im 13., 19., 22., 23. und 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 89/552 finden sich überdies die folgenden erläuternden Aussagen:
„[13] Diese Richtlinie regelt das notwendige Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr zu verwirklichen. Sie berührt daher nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer Untergliederung für die Organisation – einschließlich der gesetzlichen oder behördlichen Zulassungen oder der Besteuerung – und die Finanzierung der Sendungen sowie die Programminhalte. Eigenständige kulturelle Entwicklungen in den Mitgliedstaaten und die Bewahrung der kulturellen Vielfalt in der Gemeinschaft bleiben deshalb wie bisher möglich.
[19] Mindestanforderungen für alle öffentlichen oder privaten Fernsehprogramme in der Gemeinschaft im Hinblick auf europäische audiovisuelle Produktionen sind ein Mittel zur Förderung der Herstellung, der unabhängigen Hersteller und der Verbreitung in den vorgenannten Industrien und ergänzen andere Instrumente, die bereits vorgeschlagen wurden oder noch vorgeschlagen werden, um dasselbe Ziel zu fördern.
…
[22] Es ist wichtig, zur Verwirklichung dieser Ziele nach angemessenen und in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehenden Instrumenten und Verfahren zu suchen, um geeignete Maßnahmen zur Förderung der Tätigkeit und der Entwicklung der Produktion europäischer audiovisueller Werke und insbesondere in den Mitgliedstaaten mit niedriger Produktionskapazität oder begrenztem Sprachraum zu ergreifen.
[23] Einzelstaatliche Bestimmungen über die Unterstützung der Entwicklung der europäischen Produktion können angewandt werden, sofern sie dem Gemeinschaftsrecht entsprechen.
…
[26] Um eine aktive Politik zugunsten einer bestimmten Sprache zu ermöglichen, muss es den Mitgliedstaaten freistehen, ausführlichere oder strengere Bestimmungen festzulegen, die insbesondere an Sprachkriterien ausgerichtet sind, sofern diese Bestimmungen mit den Gemeinschaftsbestimmungen vereinbar sind und insbesondere nicht für die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten gelten.“
12. Ergänzend ist ferner auf den 44. und 45. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/36 hinzuweisen, die wie folgt lauten:
„(44) Das in der Richtlinie 89/552/EWG und in der vorliegenden Richtlinie gewählte Konzept dient einer grundlegenden Harmonisierung, die notwendig und hinreichend ist, um den freien Empfang von Fernsehsendungen in der Gemeinschaft sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten können für Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den durch diese Richtlinie koordinierten Bereichen vorsehen, unter anderem Bestimmungen zur Realisierung sprachenpolitischer Ziele, zum Schutz der Interessen der Allgemeinheit in Bezug auf den Informations-, Bildungs-, Kultur- und Unterhaltungsauftrag des Fernsehens, zur Wahrung der Informations- und Medienvielfalt und zum Schutz des Wettbewerbs im Hinblick auf die Verhinderung des Missbrauchs beherrschender Stellungen und/oder der Schaffung oder des Ausbaus beherrschender Stellungen durch Zusammenschlüsse, Absprachen, Übernahmen oder ähnliche Maßnahmen. Derartige Bestimmungen müssen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein.
(45) Das Ziel der Unterstützung der audiovisuellen Produktion in Europa kann innerhalb der Mitgliedstaaten im Rahmen der Organisation ihrer Fernsehdienste auch dadurch angestrebt werden, dass für bestimmte Fernsehveranstalter ein öffentlich-rechtlicher Auftrag festgeschrieben wird, einschließlich der Verpflichtung, einen wesentlichen Beitrag zu den Investitionen in europäische Produktionen zu leisten.“
B – Internationales Recht
13. Im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) wurde am 20. Oktober 2005 in Paris das Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen(7) angenommen, an dem neben der Europäischen Gemeinschaft auch die meisten ihrer Mitgliedstaaten(8) beteiligt sind. Das UNESCO-Übereinkommen trat am 18. März 2007 in Kraft.
14. In der Präambel des UNESCO-Übereinkommens wird u. a. bekräftigt, dass die kulturelle Vielfalt „ein bestimmendes Merkmal der Menschheit ist“(9) sowie „ein gemeinsames Erbe der Menschheit darstellt und zum Nutzen aller geachtet und erhalten werden soll“(10). Gewürdigt wird überdies die „Bedeutung der kulturellen Vielfalt für die volle Verwirklichung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in anderen allgemein anerkannten Übereinkünften verkündeten Menschenrechte und Grundfreiheiten“(11). Die Präambel hebt ferner hervor, „dass die Sprachenvielfalt ein grundlegender Bestandteil der kulturellen Vielfalt ist“(12).
15. Zu den Zielen des UNESCO-Übereinkommens gehört es ausweislich seines Art. 1,
„a) die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern;
…
h) das souveräne Recht der Staaten zu bekräftigen, die Politik und die Maßnahmen beizubehalten, zu beschließen und umzusetzen, die sie für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet für angemessen erachten;
…“
16. Als einen seiner leitenden Grundsätze beschreibt Art. 2 Nr. 2 des UNESCO-Übereinkommens wie folgt den Grundsatz der Souveränität:
„Die Staaten haben nach der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht, Maßnahmen und eine Politik zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet zu beschließen.“
17. In Art. 5 Abs. 1 des UNESCO-Übereinkommens bekräftigen die Vertragsparteien
„… in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsätzen des Völkerrechts und den allgemein anerkannten Menschenrechtsübereinkünften ihr souveränes Recht, ihre Kulturpolitik zu formulieren und umzusetzen sowie Maßnahmen zu beschließen, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern …“
18. Art. 6 des UNESCO-Übereinkommens lautet auszugsweise wie folgt:
„(1) Im Rahmen ihrer Kulturpolitik und kulturpolitischen Maßnahmen … kann jede Vertragspartei Maßnahmen, die auf den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen innerhalb ihres Hoheitsgebiets abzielen, beschließen.
(2) Derartige Maßnahmen können Folgendes umfassen:
a) Regelungen, die darauf abzielen, die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern;
b) Maßnahmen, durch die in geeigneter Weise für innerstaatliche kulturelle Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen im Rahmen der insgesamt im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates verfügbaren kulturellen Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen Möglichkeiten hinsichtlich ihrer Schaffung, ihrer Herstellung, ihrer Verbreitung, ihres Vertriebs und ihres Genusses geschaffen werden, einschließlich Bestimmungen bezüglich der bei diesen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen verwendeten Sprache;
…“
19. In seinem Art. 20 regelt das UNESCO-Übereinkommen sein Verhältnis zu „anderen Verträgen“ wie folgt:
„(1) Die Vertragsparteien erkennen an, dass sie ihre Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen und allen anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind, nach Treu und Glauben zu erfüllen haben. Ohne dieses Übereinkommen anderen Verträgen unterzuordnen,
a) fördern sie daher die wechselseitige Unterstützung zwischen diesem Übereinkommen und anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind;
b) berücksichtigen die Vertragsparteien bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge, deren Vertragsparteien sie sind, oder bei Eingehen anderer internationaler Verpflichtungen die einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens.
(2) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als verändere es die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus anderen Verträgen, deren Vertragsparteien sie sind.“
C – Nationales Recht
20. Zu den spanischen Rechtsvorschriften über das Fernsehen und das Kino gehört das Gesetz Nr. 25/1994 vom 12. Juli 1994(13), mit dem die Richtlinie 89/552 in spanisches Recht umgesetzt wurde. Art. 5 dieses Gesetzes trägt die Überschrift „Europäische Werke“ und ist mehrfach geändert worden. Maßgeblich für den vorliegenden Fall ist diese Vorschrift in ihrer durch das Gesetz Nr. 22/1999 vom 7. Juni 1999(14) und die zweite Zusatzbestimmung des Gesetzes Nr. 15/2001 vom 9. Juli 2001(15) geänderten Fassung.
21. In dieser Fassung lautet Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/1994 wie folgt:
„Fernsehveranstalter haben 51 % ihrer jährlichen Sendezeit der Ausstrahlung von europäischen audiovisuellen Werken vorzubehalten.
Fernsehveranstalter, die die verlegerische Verantwortung für Fernsehkanäle tragen, deren Programm Spielfilme aus aktueller Produktion umfasst, d. h., deren Alter weniger als sieben Jahre seit ihrer Herstellung beträgt, haben mindestens 5 % ihrer im vorhergehenden Geschäftsjahr nach ihrem Betriebsergebnis erzielten Einkünfte der Vorabfinanzierung der Produktion von europäischen Spiel- und Kurzfilmen sowie Fernsehfilmen zuzuführen, einschließlich in den in Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Förderung und Verbreitung der Filmkunst und des audiovisuellen Sektors geregelten Fällen. 60 % dieser Finanzierung sind für Produktionen zu verwenden, deren Originalsprache eine der Amtssprachen in Spanien ist.
In diesem Sinne sind Fernsehfilme audiovisuelle Werke mit ähnlichen Merkmalen wie Spielfilme, d. h. abgeschlossene einheitliche Werke mit einer Dauer von mehr als 60 Minuten mit der Besonderheit, dass ihre kommerzielle Nutzung nicht die Darbietung in Kinos umfasst; Betriebseinkünfte sind die sich aus dem geprüften Betriebergebnis ergebenden Einkünfte aus dem die Verpflichtung begründenden Programm und Betrieb des Fernsehkanals oder der Fernsehkanäle.
Die Regierung kann nach Anhörung aller beteiligten Sektoren durch Rechtsverordnung die Dauer festlegen, die erforderlich ist, um ein audiovisuelles Werk als Fernsehfilm einzustufen.“
22. Mit Königlichem Dekret Nr. 1652/2004 vom 9. Juli 2004 wurde die „Verordnung zur Regelung von Pflichtabgaben für die Vorfinanzierung von europäischen und spanischen Spiel-, Kurz- und Fernsehfilmen“ gebilligt(16). Sie enthält Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften in Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/1994 über die Finanzierung europäischer Spielfilmproduktionen, wobei sie insbesondere die Berechnung des Umsatzes der Fernsehanbieter und die Berechnung der Quote für den Erwerb europäischer Spielfilmproduktionen regelt. Gemäß Art. 7 Abs. 1 jener Verordnung können im Hinblick auf die Verpflichtung zur Vorfinanzierung alle Ausgaben Berücksichtigung finden, die einem Fernsehveranstalter für seine eigene Produktion, für Produktionsaufträge, für Koproduktionen und für den Erwerb von Übertragungsrechten audiovisueller Werke entstanden sind.
23. Was das Verfahrensrecht anbelangt, enthält der Vorlagebeschluss folgende ergänzenden Informationen: In Spanien sind juristische Personen des Privatrechts, deren Interessen durch eine Verordnung mit allgemeinen Bestimmungen berührt werden, zur Anfechtung derselben legitimiert und können deren Nichtigerklärung beantragen. Wurden solche allgemeinen Bestimmungen durch den Ministerrat erlassen, so ist für ihre richterliche Beurteilung die Kammer für Verwaltungsstreitsachen des Tribunal Supremo in einziger Instanz zuständig; ihr obliegt die Rechtmäßigkeitskontrolle der Regierungsakte.
III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren
24. Am 16. September 2004 hat UTECA vor dem spanischen Tribunal Supremo (im Folgenden auch: vorlegendes Gericht) eine Klage gegen das Königliche Dekret Nr. 1652/2004 erhoben und dessen Nichtigerklärung beantragt.
25. Die Klage zielt darauf ab, dass sowohl das angefochtene Königliche Dekret als auch die Rechtsnormen, auf die dieses Dekret gestützt ist, nicht angewendet werden, weil sie nach Auffassung von UTECA verschiedene Bestimmungen der spanischen Verfassung verletzen und gemeinschaftsrechtswidrig sind.
26. Gegen das Begehren UTECAs wenden sich sowohl die spanische Staatsverwaltung(17) als auch die Federación de Asociaciones de Productores Audiovisuales Españoles (FAPAE), eine privatrechtliche Vereinigung spanischer Produzenten im audiovisuellen Bereich, und die Entidad de Gestión de Derechos de los Productores Audiovisuales (EGEDA), eine Verwertungsgesellschaft für die Rechte der Hersteller audiovisueller Werke.
IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof
27. Mit Beschluss vom 18. April 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2007, hat der Tribunal Supremo sein Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Erlaubt Art. 3 der Richtlinie 89/552 in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG den Mitgliedstaaten, Fernsehveranstaltern die Verpflichtung aufzuerlegen, einen Vomhundertsatz ihres Betriebsergebnisses für die Vorfinanzierung von europäischen Spiel- und Fernsehfilmen zu verwenden?
b) Sollte die vorstehende Frage bejaht werden: Ist eine nationale Vorschrift, die neben der Verpflichtung zur Vorfinanzierung 60 % dieser Pflichtfinanzierung Werken in spanischer Originalsprache vorbehält, mit dieser Richtlinie und mit Art. 12 EG in Verbindung mit den Einzelvorschriften, auf die dieser Bezug nimmt, vereinbar?
c) Handelt es sich bei der durch eine nationale Vorschrift den Fernsehveranstaltern auferlegte Verpflichtung, einen Vomhundertsatz ihres Betriebsergebnisses für die Vorfinanzierung von Spielfilmen zu verwenden, wovon 60 % spezifisch für Werke in spanischer Originalsprache verwendet werden muss, die mehrheitlich von der spanischen Filmindustrie produziert werden, um eine staatliche Beihilfe zugunsten dieser Industrie im Sinne von Art. 87 EG?
28. Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben UTECA, FAPAE, EGEDA, die Regierungen Griechenlands, Spaniens und Frankreichs, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sowie die EFTA-Überwachungsbehörde schriftliche und mündliche Erklärungen abgegeben. Ferner haben die Regierungen Belgiens, Italiens, Österreichs und Polens schriftlich Stellung genommen.
V – Würdigung
A – Zur ersten Frage: Vereinbarkeit einer Verpflichtung zur Vorfinanzierung europäischer Werke mit der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“
29. Mit seiner ersten Frage ersucht der Tribunal Supremo den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 89/552. Im Wesentlichen soll geklärt werden, ob ein Mitgliedstaat Fernsehveranstaltern – über die Quotenregelung der Art. 4 und 5 jener Richtlinie hinaus – die Verpflichtung auferlegen darf, jährlich einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einkünfte für die Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden. Mit anderen Worten gilt es den Regelungsspielraum zu ermitteln, der den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ in Bezug auf die Finanzierung bzw. Vorfinanzierung europäischer Werke verbleibt.
1. Vorbemerkung
30. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 können die Mitgliedstaaten Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen nachzukommen.
31. In dieser Vorschrift kommt zum Ausdruck, dass die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ keine vollständige Harmonisierung der auf Fernsehveranstalter anwendbaren Rechtsvorschriften vornimmt, sondern lediglich Mindestnormen für die von ihnen ausgestrahlten Fernsehsendungen vorsieht(18).
32. Dabei wäre es allerdings ein Missverständnis, anzunehmen, dass die Mitgliedstaaten nur im Anwendungsbereich der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ strengere oder ausführlichere Bestimmungen für Fernsehveranstalter vorsehen dürfen. Zwar mag dies der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 mit seiner Bezugnahme auf die von der Richtlinie „erfassten Bereiche“ nahe legen. In Wahrheit dient aber diese Formulierung lediglich der Klarstellung, dass die Mitgliedstaaten sogar in den durch die Richtlinie geregelten Bereichen über die vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgegebenen Mindeststandards hinausgehen dürfen. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass nationale Regelungen mit Auswirkungen auf die Tätigkeit von Fernsehveranstaltern auch in anderen, von der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ überhaupt nicht erfassten Bereichen erlaubt sind(19).
33. Für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist es deshalb unerheblich, ob eine nationale Regelung wie die spanische, in der Bestimmungen über die Vorfinanzierung bestimmter europäischer Filme enthalten sind, einen von der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ erfassten Bereich betrifft oder aber sich gänzlich außerhalb ihres Anwendungsbereichs bewegt. Denn jedenfalls steht fest, dass es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, über die in der Richtlinie enthaltenen Mindeststandards hinauszugehen.
34. Allerdings dürfen die von den Mitgliedstaaten erlassenen „strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen“ nicht gegen Inhalt und Ziele der Richtlinie sowie gegen das sonstige Gemeinschaftsrecht verstoßen(20). Diesen möglichen Grenzen des Regelungsspielraums der Mitgliedstaaten sind die folgenden Ausführungen gewidmet.
2. Kein generelles Verbot einer nationalen Vorfinanzierungsregelung
35. Die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ macht den Mitgliedstaaten keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Finanzierung bzw. der Vorfinanzierung europäischer Werke(21).
36. Umgekehrt verbietet es die Richtlinie den Mitgliedstaaten aber auch nicht, zu dieser Thematik Regelungen in ihr innerstaatliches Recht aufzunehmen. Aus dem Schweigen der Richtlinie darf nämlich nicht gefolgert werden, dass der Erlass derartiger Regelungen den Mitgliedstaaten verwehrt wäre. Ganz im Gegenteil lässt die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ ausweislich ihrer Präambel die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Finanzierung der Sendungen sowie die Programminhalte unberührt(22).
37. Anders als UTECA und die polnische Regierung meinen, erschöpft sich folglich der Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 nicht darin, Quoten für die Ausstrahlung europäischer Werke im Fernsehen zu erlassen und diese mehr oder weniger streng bzw. ausführlich in ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht auszugestalten. Bei der Förderung der Verbreitung und Herstellung europäischer Werke sind sie nämlich nicht auf das in Art. 4 und 5 der Richtlinie 89/552 vorgesehene Instrumentarium beschränkt.
38. Vielmehr umfasst das Konzept der „strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen“, die die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 erlassen dürfen, ein denkbar weites Spektrum möglicher innerstaatlicher Maßnahmen. Dies hat der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst anlässlich der im Jahr 1997 erfolgten Änderung der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ klargestellt und im 44. Erwägungsgrund der Änderungsrichtlinie 97/36 die unterschiedlichsten Regelungsgegenstände angesprochen, wobei die Formulierung „unter anderem“ deutlich macht, dass es sich um keine abschließende Aufzählung handelt(23). Im 45. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/36 ist sogar ausdrücklich von Beiträgen zu „Investitionen in europäische Produktionen“ die Rede.
39. Insgesamt lässt sich also der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ kein generelles Verbot einer nationalen Vorfinanzierungsregelung wie der spanischen entnehmen(24).
3. Kein Verbot der Einbeziehung privater Fernsehveranstalter in eine nationale Vorfinanzierungsregelung
40. Nach Auffassung von UTECA erlaubt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 den Mitgliedstaaten die Einführung strengerer Vorschriften lediglich in Bezug auf bestimmte Fernsehveranstalter, für die sie einen öffentlich-rechtlichen Auftrag festgeschrieben haben. Die Vorschrift sei im Zusammenhang mit dem Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten zu sehen(25).
41. Diese Meinung teile ich nicht. Ganz allgemein ist der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ eine Unterscheidung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen oder mit öffentlich-rechtlichen Aufträgen betrauten Fernsehveranstaltern fremd. Speziell im Wortlaut des hier zu erörternden Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 finden sich für eine solche Unterscheidung keinerlei Anhaltspunkte.
42. Zwar hat der Gemeinschaftsgesetzgeber anlässlich der Änderung der Richtlinie im Jahr 1997 klargestellt, dass bestimmte Fernsehveranstalter einem öffentlich-rechtlichen Auftrag unterliegen können, der die Verpflichtung umfassen kann, Investitionsbeiträge zu europäischen Produktionen zu leisten(26).
43. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass überhaupt nur Fernsehveranstalter mit einem solchen öffentlich-rechtlichen Auftrag gesetzlich zur Vorfinanzierung europäischer Werke herangezogen werden dürfen. Vielmehr können sich die Mitgliedstaaten auch dazu entschließen, alle ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter gesetzlich zu einer solchen Vorfinanzierung zu verpflichten, um auf diese Weise zu einer möglichst wirksamen Erfüllung der Quotenregelung für die Verbreitung europäischer Werke (vgl. Art. 4 und 5 der Richtlinie 89/552) beizutragen(27).
44. Insgesamt lässt sich also der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ kein Verbot der Einbeziehung privater Fernsehveranstalter in eine nationale Vorfinanzierungsregelung wie die spanische entnehmen.
4. Keine entgegenstehenden Ziele der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“
45. Was die Ziele der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ anbelangt, so zeigt ein Blick auf deren Präambel, dass dem Gemeinschaftsgesetzgeber die Förderung der Herstellung von europäischen Fernsehprogrammen und von europäischen audiovisuellen Werken ein besonderes Anliegen war(28). Dies spiegelt sich auch in Kapitel III der Richtlinie wider, welches ausweislich seiner Überschrift nicht nur die Förderung der Verbreitung von Fernsehprogrammen zum Gegenstand hat, sondern auch die Förderung ihrer Herstellung.
46. Eine innerstaatliche Regelung, nach der Fernsehveranstalter verpflichtet sind, zur Vorfinanzierung bestimmter europäischer Spiel- und Fernsehfilme beizutragen, fördert die Herstellung europäischer Fernsehprogramme und audiovisueller Werke und steht demzufolge im Einklang mit der Zielsetzung der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“(29). Sie ist im Übrigen auch durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten gerechtfertigt(30).
47. Überdies wäre die Verwirklichung der in Art. 4 und 5 der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ festgelegten Mindestquoten für die Verbreitung europäischer Werke im Fernsehen illusorisch, wenn europäische Werke mangels angemessener Finanzierung gar nicht in ausreichender Anzahl hergestellt werden könnten. Ergreifen Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierung europäischer Produktionen, so leisten sie indirekt auch einen Beitrag zur Verwirklichung der besagten Quotenregelung.
48. Folglich steht das spezifische Ziel der Richtlinie, neben der Verbreitung europäischer Werke im Fernsehen auch deren Herstellung zu fördern, einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegen, mit der Fernsehveranstalter zur Vorfinanzierung bestimmter europäischer Filme verpflichtet werden(31).
49. Ebenso wenig steht eine solche Vorfinanzierungsregelung mit dem Hauptziel der Richtlinie in Konflikt, die freie Ausstrahlung von Fernsehsendungen in Europa sicherzustellen(32).
50. Ganz allgemein wird durch die Anwendung strengerer innerstaatlicher Vorschriften nicht notwendigerweise das Ziel der Richtlinie beeinträchtigt, die freie Ausstrahlung von Fernsehsendungen sicherzustellen(33).
51. Speziell im vorliegenden Fall ist eine Beeinträchtigung dieses Ziels umso weniger zu befürchten, als ausländische Fernsehveranstalter, deren Sendungen in Spanien ausgestrahlt werden sollen, der dort geltenden Vorfinanzierungsregelung ohnehin nicht unterliegen.
52. Was die in Spanien niedergelassenen Fernsehveranstalter betrifft, so sind sie zwar zur Vorfinanzierung europäischer Werke verpflichtet, daraus folgt jedoch kein direkter Eingriff in ihre Programmgestaltung. Vielmehr dient die im spanischen Recht aufgestellte Verpflichtung zur Vorfinanzierung lediglich der wirksameren Erfüllung der in den Art. 4 und 5 der Richtlinie 89/552 vorgesehenen Quotenregelung für die Verbreitung europäischer Werke, der alle in der Gemeinschaft niedergelassenen Fernsehveranstalter unterliegen.
53. Allenfalls könnte man die Verpflichtung zur Vorfinanzierung wegen ihrer Auswirkungen auf das Budget des jeweiligen Fernsehveranstalters als mittelbaren Eingriff in seine Programmgestaltung ansehen. Da aber die Verpflichtung zur Vorfinanzierung mit 5 % der Einkünfte nur einen vergleichsweise geringen Anteil des Gesamtbudgets eines Fernsehveranstalters betrifft, erscheinen ihre Wirkungen als zu unbedeutend und zufällig(34), als dass sie seine Programmgestaltungsfreiheit ernsthaft beeinträchtigen und damit die freie Ausstrahlung der von ihm ausgewählten Fernsehsendungen im Sinne der Richtlinie behindern könnten.
54. Insgesamt stehen deshalb die Ziele der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ einer innerstaatlichen Regelung wie der spanischen nicht entgegen, mit der Fernsehveranstalter zur Vorfinanzierung bestimmter europäischer Filme verpflichtet werden.
5. Sonstiges
55. Der Vollständigkeit halber wende ich mich abschließend noch zwei spezifischen Problemen zu, die der Tribunal Supremo im Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage aufgeworfen hat und die bei ihm Zweifel an der Vereinbarkeit einer Vorfinanzierungsregelung wie der spanischen mit der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ nähren.
a) Dürfen bestimmte Kategorien europäischer Werke aus einer innerstaatlichen Vorfinanzierungsregelung ausgenommen werden?
56. Zunächst hat der Tribunal Supremo in seinem Vorlagebeschluss besonders hervorgehoben, dass die den spanischen Fernsehveranstaltern auferlegte Pflicht zur Vorfinanzierung sich nicht auf alle europäischen Werke im Sinne von Art. 6 der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ erstreckt, sondern nur auf bestimmte, namentlich Spiel- und Fernsehfilme, deren Dauer 60 Minuten übersteigt und die nicht aus mehreren Folgen bestehen.
57. Wie bereits erörtert(35), sieht die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ keinerlei Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vor, die Finanzierung bzw. die Vorfinanzierung europäischer Werke in ihrem innerstaatlichen Recht zu regeln. Dementsprechend enthält sie auch keine Vorgaben, welche europäischen Werke gegebenenfalls Gegenstand einer solchen nationalen Vorfinanzierungsregelung sein dürfen oder müssen. Die Mitgliedstaaten sind also grundsätzlich frei, zu entscheiden, wie sie ihre Vorfinanzierungsregelung im Einzelnen ausgestalten wollen und welche Werke von der verpflichtenden Vorfinanzierung profitieren sollen.
58. Gemeinschaftsrechtliche Schranken können sich hier allenfalls aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung ergeben, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört(36) und von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zu beachten ist(37). Da die im spanischen Recht vorgesehene Vorfinanzierungsregelung, wie bereits erwähnt, der Förderung der Herstellung europäischer Werke dient, berührt sie den Anwendungsbereich der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“(38).
59. Der Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist(39).
60. Zweifelsohne nimmt die spanische Vorfinanzierungsregelung eine Ungleichbehandlung vor zwischen Spiel- und Fernsehfilmen von mehr als 60 Minuten Dauer und anderen Werken, einschließlich Fernsehserien. Ob es sich dabei aber um vergleichbare oder unterschiedliche Sachverhalte handelt und ob gegebenenfalls eine objektive Rechtfertigung für die Vorfinanzierungsregelung vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, für deren Bewertung überdies dem nationalen Gesetzgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist(40).
61. Die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ hebt etwa die Notwendigkeit der Förderung unabhängiger Produzenten hervor(41). Ferner kann es sachgerecht sein, diejenigen Werke von einer Vorfinanzierungsregelung profitieren zu lassen, die vergleichsweise hohe Produktionskosten verursachen und deren Herstellung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Beide Gesichtspunkte können zu der Schlussfolgerung führen, dass Spiel- und Fernsehfilme von mehr als 60 Minuten Dauer mit den übrigen Werken, insbesondere Fernsehserien, nicht vergleichbar sind oder dass ihre Ungleichbehandlung jedenfalls objektiv gerechtfertigt ist.
62. Eine abschließende Beurteilung ist jedoch auf der Grundlage der wenigen dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht möglich. Ohnehin ist es allein Sache des vorlegenden Gerichts, den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits zu würdigen und das Gemeinschaftsrecht auf ihn anzuwenden(42).
b) Dürfen Fernsehveranstalter mit nur minimalem Spielfilmangebot aus aktueller Produktion zur Vorfinanzierung europäischer Werke verpflichtet werden?
63. Des Weiteren hat der Tribunal Supremo in seinem Vorlagebeschluss darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Vorfinanzierung jedem Fernsehveranstalter auferlegt werde, der Kinospielfilme aus aktueller Produktion(43) in sein Programm aufnimmt, selbst wenn sein Spielfilmangebot minimal oder innerhalb seiner Programmgestaltung kaum relevant ist.
64. Wie soeben ausgeführt(44), sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, zu entscheiden, wie sie eine innerstaatliche Vorfinanzierungsregelung im Einzelnen ausgestalten wollen. Damit dürfen sie auch festlegen, welche Fernsehveranstalter der Verpflichtung zur Vorfinanzierung unterliegen sollen.
65. Gemeinschaftsrechtliche Schranken können sich hier allenfalls aus dem bereits erwähnten Grundsatz der Gleichbehandlung(45) ergeben, ferner aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit(46).
66. Was zunächst den Grundsatz der Gleichbehandlung anbelangt, so zieht die streitige spanische Regelung, soweit ersichtlich, alle Fernsehveranstalter in gleicher Weise zur Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme heran. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob die Lage der Fernsehveranstalter mit minimalem Spielfilmangebot und die Lage anderer Fernsehveranstalter tatsächlich vergleichbar sind. Ist dies nicht der Fall, so wird zu prüfen sein, ob ihre Gleichbehandlung im Hinblick auf die Vorfinanzierungsregelung dennoch objektiv gerechtfertigt sein kann. Auch diesbezüglich wird man dem nationalen Gesetzgeber einen gewissen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen(47).
67. Was sodann den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, so verlangt dieser, dass die erlassenen Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und ferner die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen(48). Im Lichte dieser Erwägungen wird das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen haben, ob sich die Pflicht zur Vorfinanzierung europäischer Werke für Fernsehveranstalter mit minimalem Spielfilmangebot als übermäßige Belastung erweisen kann, obgleich sie mit 5 % der Einkünfte nur einen vergleichsweise geringen Anteil des Gesamtbudgets des jeweiligen Fernsehveranstalters betrifft.
68. All dies kann aufgrund der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht abschließend beurteilt werden. Ohnehin ist es aber, wie bereits erwähnt(49), allein Sache des vorlegenden Gerichts, den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits zu würdigen und das Gemeinschaftsrecht auf ihn anzuwenden.
6. Zwischenergebnis
69. Zusammenfassend bleibt festzuhalten:
Die Richtlinie 89/552 im Allgemeinen und ihr Art. 3 im Besonderen stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der Fernsehveranstalter verpflichtet werden, jährlich einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einkünfte für die Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden. Eine solche nationale Regelung muss mit dem sonstigen Gemeinschaftsrecht vereinbar sein.
B – Zur zweiten Frage: Beurteilung einer Verpflichtung zur Vorfinanzierung europäischer Werke in bestimmten Sprachen im Hinblick auf die Grundfreiheiten
70. Wird die erste Frage in dem von mir vorgeschlagenen Sinne beantwortet, so bedarf auch die zweite Frage der Erörterung. Mit ihr möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Mitgliedstaat Fernsehveranstaltern gesetzlich vorschreiben darf, 60 % der verpflichtenden jährlichen Vorfinanzierung für europäische Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden, deren Originalsprache in diesem Mitgliedstaat als Amtssprache anerkannt ist(50).
1. Vorbemerkung
71. Ihrem Wortlaut nach ist die zweite Vorlagefrage der Auslegung der Richtlinie 89/552 und des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots gewidmet.
72. Zur Richtlinie 89/552 habe ich bereits im Rahmen der ersten Vorlagefrage ausgeführt(51), dass sie keine Vorgaben für innerstaatliche Regelungen über die Finanzierung bzw. Vorfinanzierung von Filmen enthält. Allerdings müssen solche Regelungen mit dem sonstigen Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, vereinbar sein(52). Nur unter diesem Blickwinkel werde ich also im Folgenden die zweite Vorlagefrage erörtern.
73. Soweit sich die zweite Frage auf das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 12 EG bezieht, ist ferner daran zu erinnern, dass jene Vorschrift als eigenständige Grundlage nur auf Fallgestaltungen angewandt werden kann, für die der EG-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht(53). Da der vorliegende Fall aber, wie sogleich zu zeigen sein wird, mehrere Grundfreiheiten des EG-Vertrags betrifft, bedarf Art. 12 EG hier keiner Erörterung.
2. Die einschlägigen Grundfreiheiten und ihre Beschränkung
74. Die spanische Vorfinanzierungsregelung schreibt den Fernsehveranstaltern vor, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen für die Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden, deren Originalsprache eine der in Spanien anerkannten Amtssprachen ist.
75. Theoretisch könnten zwar solche Filme in allen Mitgliedstaaten hergestellt werden. In der Praxis handelt es sich jedoch, wie das vorlegende Gericht feststellt, mehrheitlich um in Spanien produzierte Filme(54). Um nämlich einen Film in einer der Amtssprachen Spaniens als Originalsprache drehen zu können, müssen sowohl die Schauspieler als auch der Regisseur, die Kameraleute, die Assistenten und etwaige Statisten über eine hinreichende Kenntnis eben dieser Sprache verfügen. Im Normalfall werden ihre jeweiligen Sprachkenntnisse – jedenfalls bei den Schauspielern – so gut sein müssen, dass sie denen eines Muttersprachlers gleichkommen(55). Solche Voraussetzungen sind innerhalb der Gemeinschaft ganz überwiegend in Spanien bzw. bei Spaniern anzutreffen.
76. Angesichts dessen ist man versucht, die Auswirkungen der spanischen Vorfinanzierungsregelung speziell unter dem Blickwinkel der mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu prüfen, wie dies auch die Ausführungen des Tribunal Supremo und einiger Verfahrensbeteiligter nahelegen. Eine solche Betrachtungsweise würde jedoch dazu verleiten, den Blick nur auf eine besonders offensichtliche Auswirkung der spanischen Regelung zu verengen, nämlich darauf, dass Fernsehveranstalter in bestimmtem Umfang zu Investitionen in inländische Filmprojekte bewegt und zugleich von Investitionen in ausländische Filmprojekte abgehalten werden. Hingegen müsste der Begriff der mittelbaren Diskriminierung sehr weit ausgelegt werden, um auch alle anderen Auswirkungen der spanischen Regelung umfassend zu würdigen, insbesondere ihre Auswirkungen auf die Freizügigkeit von Personen, die in Europa Filme herstellen oder an den Dreharbeiten zu Filmen mitwirken.
77. Deshalb sollten die Auswirkungen der spanischen Regelung insgesamt unter dem Blickwinkel der Beschränkung von Grundfreiheiten geprüft werden, und zwar Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG und 50 EG), der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG), des freien Kapitalverkehrs (Art. 56 Abs. 1 EG) und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 EG). Bekanntlich enthalten alle diese Grundfreiheiten sowohl ein Diskriminierungsverbot als auch ein Beschränkungsverbot(56). Die Grenze zwischen mittelbaren Diskriminierungen und Beschränkungen ist fließend. Bisweilen wird die mittelbare Diskriminierung ohnehin nur als Sonderfall der Beschränkung der jeweiligen Grundfreiheit angesehen(57). Dafür spricht nicht zuletzt, dass bereits der Wortlaut von drei der vier betroffenen Grundfreiheiten sich gar nicht am Begriff der Diskriminierung, sondern vielmehr an dem der Beschränkung orientiert (Art. 43 EG, 49 EG und 56 Abs. 1 EG). Auch wird die Rechtfertigung von Beschränkungen und mittelbaren Diskriminierungen in der Rechtsprechung im Wesentlichen nach den gleichen Kriterien beurteilt(58).
a) Der freie Dienstleistungsverkehr (Art. 49 EG, 50 EG)
78. Der freie Dienstleistungsverkehr (Art. 49 EG, 50 EG) ist zunächst insoweit berührt, als spanische Fernsehveranstalter Übertragungsrechte für Filme von Produzenten aus anderen Mitgliedstaaten erwerben möchten(59). In dem Maße, in dem die spanische Vorfinanzierungsregelung die dortigen Fernsehveranstalter dazu verpflichtet, Filme in einer der Amtssprachen Spaniens zu finanzieren, wird es nämlich für diese Fernsehveranstalter weniger attraktiv, Übertragungsrechte für Filme in anderen Originalsprachen zu erwerben; denn ein solcher Erwerb von Übertragungsrechten für anderssprachige Filme würde nicht im Rahmen der Verpflichtung zur Vorfinanzierung berücksichtigt. Dies wirkt sich überwiegend zulasten von Filmen ausländischer Produzenten aus. Gleichzeitig wird es für ausländische Produzenten weniger attraktiv, die Übertragungsrechte für ihre Filme in Spanien zu vermarkten, weil deren Originalsprache regelmäßig nicht eine der in Spanien anerkannten Amtssprachen ist.
79. Darüber hinaus ist der freie Dienstleistungsverkehr, wie die Kommission zutreffend angemerkt hat, auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt berührt: Soweit die Schauspieler, Regisseure und die sonstigen an den Dreharbeiten für einen Film beteiligten Personen nicht den Status von Arbeitnehmern haben, erbringen sie für den Filmproduzenten Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 EG. Aufgrund der spanischen Vorfinanzierungsregelung besteht nun für spanische Filmproduzenten ein Anreiz, Filme vorwiegend in den dort anerkannten Amtssprachen zu drehen. Dementsprechend wird es für spanische Produzenten weniger attraktiv, für die Dreharbeiten zu ihren Filmen ausländische Schauspieler, Regisseure und sonstiges Personal zu engagieren, weil dieser Personenkreis im Regelfall die Amtssprachen Spaniens weniger gut beherrscht als dies Inländer tun. Gleichzeitig wird es für diesen Personenkreis schwieriger, spanischen Filmproduzenten ihre Dienste für die Dreharbeiten an einem Film anzubieten.
80. Unter all diesen Gesichtspunkten wirkt sich eine Vorfinanzierungsregelung wie die spanische somit als Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs aus.
b) Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG)
81. Auch auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) kann sich eine Vorfinanzierungsregelung wie die spanische in zweierlei Hinsicht auswirken.
82. Zum einen kann es für spanische Fernsehveranstalter weniger attraktiv werden, Filmproduktionsgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten zu übernehmen oder – etwa im Hinblick auf Koproduktionen – maßgebliche Beteiligungen an ihnen zu erwerben(60). Sofern nämlich diese ausländischen Filmproduzenten keine Filme drehen, deren Originalsprache eine der in Spanien anerkannten Amtssprachen ist, kann ihre Tätigkeit nicht im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtungen spanischer Fernsehveranstalter nach der dortigen Vorfinanzierungsregelung Berücksichtigung finden(61).
83. Zum anderen kann es für ausländische Filmproduzenten und Regisseure weniger attraktiv werden, sich in Spanien niederzulassen oder dort Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen. Werden nämlich ihre Filme in anderen Sprachen als den Amtssprachen Spaniens gedreht, so können sie nicht in den Genuss der dortigen Vorfinanzierungsregelung kommen.
84. Unter beiden Gesichtspunkten wirkt sich eine Vorfinanzierungsregelung wie die spanische somit als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus.
c) Der freie Kapitalverkehr (Art. 56 Abs. 1 EG)
85. Soweit Fernsehveranstalter ausländischen Filmproduktionsgesellschaften lediglich Kapital zur Verfügung stellen – etwa im Hinblick auf Koproduktionen –, oder aber schlicht Anteile an ihnen erwerben, ohne bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensleitung zu erlangen(62), ist der freie Kapitalverkehr (Art. 56 Abs. 1 EG) betroffen.
86. Eine Vorfinanzierungsregelung wie die spanische kann spanischen Fernsehgesellschaften die genannten Investitionen in ausländische Unternehmen weniger attraktiv machen. Sofern nämlich diese ausländischen Filmproduzenten keine Filme drehen, deren Originalsprache eine der in Spanien anerkannten Amtssprachen ist, kann ihre Tätigkeit nicht im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Fernsehveranstalter gemäß der spanischen Vorfinanzierungsregelung Berücksichtigung finden. Damit liegt eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor(63).
d) Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 EG)
87. Haben Schauspieler, Regisseure und die sonstigen an den Dreharbeiten für einen Film beteiligten Personen den Status von Angestellten des Filmproduzenten, die bei ihm ihre Leistungen abhängig und gegen Entgelt erbringen, so sind sie Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG. Für sie gilt das oben zum freien Dienstleistungsverkehr Gesagte(64) entsprechend: Die Vorfinanzierungsregelung schafft für spanische Filmproduzenten den Anreiz, Filme vorwiegend in den dort anerkannten Amtssprachen zu drehen. Dementsprechend wird es für spanische Produzenten weniger attraktiv, ausländische Arbeitnehmer einzustellen, weil diese im Regelfall die Amtssprachen Spaniens weniger gut beherrschen als Inländer. Im Gegenzug wird es für Ausländer schwieriger, sich auf Stellenangebote bei spanischen Filmproduzenten zu bewerben. Auf diese Weise werden ausländische Arbeitnehmer in ihrer Freizügigkeit behindert.
3. Rechtfertigung
88. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(65) kann eine Maßnahme, die zur Beschränkung einer durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheit führt, nur gerechtfertigt sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss die Beschränkung außerdem geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
89. Vereinfacht gesagt muss also die Beschränkung der Grundfreiheit einem legitimen Ziel dienen und einer Verhältnismäßigkeitsprüfung(66) standhalten.
a) Legitimes Ziel
90. Mit der spanischen Vorfinanzierungsregelung soll die Herstellung europäischer Filme gefördert werden, deren Originalsprache eine der in Spanien anerkannten Amtssprachen ist.
91. Dass es sich dabei um ein anerkennenswertes Ziel handelt, folgt nicht zuletzt aus der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ selbst. Denn ausweislich ihrer Präambel muss es den Mitgliedstaaten frei stehen, ausführlichere oder strengere Bestimmungen festzulegen, „die insbesondere an Sprachkriterien ausgerichtet sind“, und dies, „um eine aktive Politik zugunsten einer bestimmten Sprache zu ermöglichen“(67). Anlässlich der Änderung der Richtlinie im Jahr 1997 hat der Gemeinschaftsgesetzgeber ein weiteres Mal hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten „zur Realisierung sprachenpolitischer Ziele“ strengere oder ausführlichere Bestimmungen vorsehen dürfen(68).
92. Diese Aufgeschlossenheit der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ für die Förderung bestimmter Sprachen steht in engem Zusammenhang mit dem Bestreben, eigenständige kulturelle Entwicklungen in den Mitgliedstaaten auch weiterhin zu ermöglichen – auch und gerade in Mitgliedstaaten mit niedriger Produktionskapazität oder begrenztem Sprachraum – und so die kulturelle Vielfalt in der Gemeinschaft zu bewahren(69).
93. Mit dem Vertrag von Maastricht(70) erfuhr dieses Anliegen eine starke Aufwertung und findet nunmehr auch im Primärrecht seinen Niederschlag. So leistet die Gemeinschaft einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes (Art. 151 Abs. 1 EG). Sie unterstützt die Tätigkeit der Mitgliedstaaten, u. a. bei der Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker und im Bereich des künstlerischen und literarischen Schaffens im audiovisuellen Bereich (Art. 151 Abs. 2 EG). Die Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen stellt eine Querschnittsaufgabe der Gemeinschaft für ihre gesamte Tätigkeit dar (Art. 151 Abs. 4 EG), also auch für ihre Gesetzgebung im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen; sie ist letztlich Ausdruck des Respekts der Europäischen Union vor der nationalen Identität ihrer Mitgliedstaaten (Art. 6 Abs. 3 EU).
94. Für die Europäische Union ist die Wahrung und Förderung von Vielfalt im kulturellen Bereich auch deshalb so bedeutsam, weil es nicht zuletzt diese Vielfalt ist, die für Europa und die europäische Kultur so charakteristisch ist. Dementsprechend gehört die Idee „Einheit in Vielfalt“ zu den Fundamenten der Europäischen Union(71), und Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(72) legt fest, dass die Union die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen achtet.
95. Die Bedeutung kultureller Vielfalt wurde auch auf internationaler Ebene durch das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen unterstrichen(73). Nicht zuletzt hebt das UNESCO-Übereinkommen hervor, dass die Sprachenvielfalt ein grundlegender Bestandteil der kulturellen Vielfalt ist(74).
96. Im selben Sinne sieht die Europäische Kommission die Achtung der Sprachenvielfalt als einen Grundwert der Europäischen Union an(75). Erst kürzlich hat auch der Rat der Europäischen Union zur Wahrung der sprachlichen Vielfalt in Europa aufgerufen(76).
97. Die kulturelle Dimension von Sprache beschränkt sich keineswegs nur auf den literarischen Bereich. Auch und gerade im audiovisuellen Bereich ist sie von entscheidender Bedeutung für die Bewahrung und Entfaltung von Kulturen sowie für die angemessene Verbreitung von Kenntnissen über sie. Würden audiovisuelle Werke wie Kino- und Fernsehfilme – etwa aus Gründen der Wirtschaftlichkeit – nur noch in einer einzigen oder in einigen wenigen weltweit besonders verbreiteten Sprachen hergestellt, so ginge dies zwangsläufig mit einem Verlust an kultureller Vielfalt einher. Denn die spätere Synchronisierung eines Films in andere Sprachen mag zwar seine Verständlichkeit für ein breiteres Publikum erleichtern, sie ändert aber nichts an dem kulturellen Hintergrund und den Wertvorstellungen, auf denen der Film fußt und die durch ihn verbreitet werden.
98. Dementsprechend unterstreicht etwa das UNESCO-Übereinkommen das souveräne Recht der Staaten, Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu ergreifen, auch im Bereich der kulturellen Dienstleistungen(77). Ausdrücklich gesteht das Übereinkommen den Vertragsstaaten zu, Bestimmungen bezüglich der bei solchen Dienstleistungen verwendeten Sprache zu erlassen(78).
99. Die Gemeinschaft und diejenigen Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten des UNESCO-Übereinkommens sind, haben sich verpflichtet, jenes Übereinkommen bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge zu berücksichtigen, also auch bei der Auslegung und Anwendung des EG-Vertrags(79).
100. Dass eine solche Berücksichtigung im Rahmen des EG-Vertrags durchaus möglich ist, zeigt ein Blick auf die langjährige Rechtsprechung des Gerichtshofs. Danach sind „bestimmte, mit der Förderung der Kultur zusammenhängende Ziele“ als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt(80), so etwa die Erhaltung des historischen und künstlerischen Erbes(81) sowie das allgemeine Interesse an der Aufwertung historischer Reichtümer und an der bestmöglichen Verbreitung von Kenntnissen über das künstlerische und kulturelle Erbe eines Landes(82).
101. Für den vorliegenden Fall ist außerdem besonders hervorzuheben, dass der Gerichtshof die Förderung des Films(83), die Schaffung und Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens(84) sowie die Sicherstellung einer bestimmten Programmqualität im Rundfunk(85) als Rechtfertigungsgründe für die Beschränkung von Grundfreiheiten akzeptiert hat. Ferner hat er das Recht der Mitgliedstaaten zur Förderung ihrer Nationalsprachen und Amtssprachen grundsätzlich anerkannt(86).
102. Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung, dass der spanische Gesetzgeber ein legitimes Ziel verfolgt, wenn er im Rahmen seiner Maßnahmen zur Unterstützung der Herstellung europäischer Werke besonders diejenigen Spiel- und Fernsehfilme gefördert wissen will, deren Originalsprache eine der in Spanien anerkannten Amtssprachen ist.
b) Verhältnismäßigkeit
103. Zu prüfen bleibt, ob die spanische Vorfinanzierungsregelung ihr legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt. Nach der Rechtsprechung muss die Fernsehveranstaltern auferlegte Verpflichtung geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(87).
104. Zweifelsohne ist eine Pflicht für Fernsehveranstalter, jährlich mit einem bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen zur Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme in einer der Amtssprachen Spaniens beizutragen, geeignet, die jeweilige Sprache und mit ihr auch die Kultur Spaniens und seiner Landesteile zu bewahren sowie ihre Entfaltung und ihre Verbreitung über das Kino und das Fernsehen zu fördern(88).
105. Ich füge hinzu, dass durch solche Maßnahmen zur Bewahrung und Förderung der Sprache und der Kultur eines Mitgliedstaats oder einer Region der Europäischen Union immer auch ein Beitrag zur Förderung der europäischen Kultur in ihrer Gesamtheit geleistet wird.
106. Einer etwas eingehenderen Erörterung bedarf hingegen, ob die spanische Regelung in ihrer konkreten Ausgestaltung zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist oder aber über das Erforderliche hinausgeht.
107. Nach Auffassung der Kommission ist die spanische Regelung zu allgemein und zu unbestimmt. So bemängelt die Kommission das Fehlen objektiver und nachprüfbarer Kriterien, mit deren Hilfe sichergestellt werden kann, dass nur Spiel- und Fernsehfilme von der Vorfinanzierungsregelung erfasst werden, die als „kulturelle Produkte“ eingestuft werden können.
108. Zugegebenermaßen hat der Gerichtshof schon einmal, in der Rechtssache Distribuidores Cinematográficos, einer spanischen Regelung aus dem Bereich der Filmförderung die Rechtfertigung versagt, u. a. mit dem Argument, sie fördere „[inländische] Filme ohne Rücksicht auf ihren Inhalt oder ihre Qualität“(89). Im selben Sinne hatte Generalanwalt Van Gerven seinerzeit das Fehlen jeglicher „Qualitätskontrolle“ in der damaligen spanischen Regelung vermisst(90).
109. Meines Erachtens sollte aber das Urteil Distribuidores Cinematográficos nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden.
110. Der vorliegende Fall scheint mir nicht vollständig mit der Rechtssache Distribuidores Cinematográficos vergleichbar zu sein. Damals stand nämlich eine Regelung im Streit, die mit ihrer Bezugnahme auf „spanische Filme“ allein an den Mitgliedstaat anknüpfte, in dem ein Film hergestellt wurde. Demgegenüber existiert im vorliegenden Fall ein sprachliches Kriterium als Anknüpfungspunkt. Diesem sprachlichen Kriterium kann sein kultureller Bezug nicht von vornherein abgesprochen werden, bedenkt man die bereits erwähnte Bedeutung von Sprache für die Bewahrung und Entfaltung von Kulturen sowie für die angemessene Verbreitung von Kenntnissen über Kulturen(91). Anders als in der Rechtssache Distribuidores Cinematográficos kann somit die hier streitige spanische Vorfinanzierungsregelung nicht von vornherein als protektionistische, allein aus wirtschaftlichen Gründen erlassene Maßnahme abgetan werden.
111. Ganz unabhängig von der Vergleichbarkeit des vorliegenden Falls mit der Rechtssache Distribuidores Cinematográficos sollten darüber hinaus die negativen Folgen einer – über das Kriterium der Sprache hinausgehenden – Inhalts- und Qualitätskontrolle im Bereich der Kultur und der Medien bedacht werden.
112. Der Begriff der Kultur ist in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft denkbar weit. Entsprechend zahlreich sind die Ausdrucksformen von Kultur, auch im audiovisuellen Bereich. Abgesehen von einigen wenigen, hier nicht streitigen Extremfällen(92) erscheint es mir praktisch unmöglich, objektive und vor allem gerechte Kriterien dafür aufzustellen, was Kultur ist, und noch viel weniger, was förderungswürdige „kulturelle Produkte“ sein sollen. Jeder derartige Versuch birgt zwangsläufig die Gefahr, in klassischen Denkmustern verhaftet zu bleiben und vor allem die Dynamik neuerer kultureller Strömungen sowie die kulturelle Aktivität gesellschaftlicher Minderheiten zu vernachlässigen.
113. Selbst wenn man es wagen wollte, objektive Kriterien dafür aufzustellen, ob ein Spiel- oder Fernsehfilm als „kulturelles Produkt“(93) oder als „Qualitätsfilm“(94) angesehen werden kann, dürfte die praktische Umsetzung dieser Kriterien zu erheblichem bürokratischem Aufwand führen. Um ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zu gewährleisten, könnte es notwendig werden, dass letztlich ein vom Staat eingesetztes Expertengremium oder eine vom Staat betraute Einrichtung begutachtet, ob Filmvorhaben für die Vorfinanzierung durch die Fernsehveranstalter in Frage kommen oder nicht. Damit könnte bei den betroffenen Produzenten und Künstlern der Eindruck entstehen, dass ihre Filmvorhaben einer staatlichen Vorzensur unterzogen werden.
114. All dies schließt zwar nicht aus, dass ein Mitgliedstaat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums(95) den Versuch unternimmt, seine Filmförderung an inhaltlichen Kriterien oder an Qualitätskriterien auszurichten. Indes folgt aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere aus den Grundfreiheiten, nach meinem Verständnis keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, sich bei der Förderung von Kultur notwendigerweise auf inhaltliche Kriterien oder Qualitätskriterien zu stützen.
115. Im selben Sinne bleibt es zwar der Kommission unbenommen, in Ausübung ihres weiten Ermessens(96) bei der Genehmigung staatlicher Beihilfen zur Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes (Art. 87 Abs. 3 Buchst. d EG) eine restriktive Haltung einzunehmen und nur Maßnahmen zu genehmigen, die ein näher definiertes „kulturelles Produkt“ zum Gegenstand haben(97). Eine solche Genehmigungspraxis der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen präjudiziert jedoch nicht die Auslegung der übrigen Bestimmungen des EG-Vertrags, insbesondere der Grundfreiheiten. Nichts hindert die Mitgliedstaaten daran, außerhalb des Bereichs der staatlichen Beihilfen auf zusätzliche inhaltliche oder qualitative Kriterien zu verzichten und eine möglichst breit angelegte Förderung der Kultur zu betreiben.
116. Die Rechtfertigung einer Vorfinanzierungsregelung wie der spanischen setzt somit aus Sicht des Gemeinschaftsrechts nicht zwingend voraus, dass ihr Anwendungsbereich anhand objektiver und nachprüfbarer Kriterien auf Spiel- und Fernsehfilme beschränkt wird, die als „kulturelle Produkte“ oder „Qualitätsfilme“ besonders förderungswürdig erscheinen.
117. Abschließend sei noch bemerkt, dass finanzielle Belastungen, wie sie den Fernsehveranstaltern im Rahmen der spanischen Vorfinanzierungsregelung auferlegt werden, nach den uns vorliegenden Informationen nicht völlig außer Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Der Prozentsatz ihrer jährlichen Einnahmen, den die spanischen Fernsehveranstalter für die Vorfinanzierung von Filmen in einer der Amtssprachen Spaniens aufwenden müssen, erscheint mit 3 %(98) als vergleichsweise moderat. Überdies verlangt die spanische Regelung von den Fernsehveranstaltern nicht, ausschließlich Filme in den Amtssprachen Spaniens vorzufinanzieren. Vielmehr belässt sie ihnen mit einer Quotierung von 60 : 40 einen nicht unerheblichen Spielraum für Investitionen in europäische Filmvorhaben in anderen Sprachen. Nach Angaben einiger Verfahrensbeteiligter in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bleibt es den Fernsehveranstaltern außerdem möglich, in Koproduktionen zu investieren, deren Endprodukt mehrere gleichberechtigte Originalsprachen hat(99).
118. Vor diesem Hintergrund komme ich zu dem Schluss, dass eine Vorfinanzierungsregelung wie die spanische geeignet ist, das von ihr verfolgte sprachen- und kulturpolitische Ziel zu erreichen, und auch nicht über dasjenige hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Sie stellt sich ferner nicht als unverhältnismäßige Belastung für die Fernsehveranstalter dar.
4. Zwischenergebnis
119. Zusammenfassend gilt also:
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags hindern einen Mitgliedstaat nicht, Fernsehveranstaltern gesetzlich vorzuschreiben, 60 % der verpflichtenden jährlichen Vorfinanzierung für europäische Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden, deren Originalsprache in diesem Mitgliedstaat als Amtssprache anerkannt ist.
C – Zur dritten Frage: Begriff der staatlichen Beihilfe
120. Mit seiner dritten Frage begehrt der Tribunal Supremo Auskunft über den Begriff der staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG. Im Wesentlichen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es eine Beihilfe darstellt, wenn ein Mitgliedstaat Fernsehveranstalter gesetzlich dazu verpflichtet, jährlich einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einkünfte zur Vorfinanzierung von europäischen Spiel- und Fernsehfilmen aufzuwenden, deren Originalsprache in diesem Mitgliedstaat als Amtssprache anerkannt ist. Hintergrund dieser Frage ist die Annahme des Tribunal Supremo, dass die nach dem Gesetz Nr. 25/1994(100) vorfinanzierten Filme mehrheitlich von der spanischen Filmindustrie produziert werden(101).
121. Abgesehen von UTECA gehen alle Verfahrensbeteiligten davon aus, dass hier keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG vorliegt. Dem schließe ich mich an.
122. Die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags setzt voraus, dass jedes der vier kumulativen Kriterien erfüllt ist, auf denen Art. 87 Abs. 1 EG aufbaut(102). Dabei handelt es sich um die Finanzierung der Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln (erstes Kriterium), das Vorliegen eines Vorteils für ein Unternehmen (zweites Kriterium), die Selektivität der Maßnahme (drittes Kriterium) und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten mit daraus resultierender Verfälschung des Wettbewerbs (viertes Kriterium)(103).
123. Besonderes Augenmerk verdient im vorliegenden Fall das erste Kriterium, d. h. die Finanzierung durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln.
124. Nach ständiger Rechtsprechung macht es für die Qualifikation als Beihilfe zwar grundsätzlich keinen Unterschied, ob ein Vorteil unmittelbar vom Staat oder aber von öffentlichen oder privaten Einrichtungen gewährt wird, die vom Staat zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder mit ihr beauftragt wurden; denn ansonsten könnten die Art. 87 EG und 88 EG allein dadurch umgangen werden, dass unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird(104).
125. Ein Vorteil kann jedoch nur dann als Beihilfe qualifiziert werden, wenn er zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln finanziert wird und zum anderen dem Staat zuzurechnen ist(105).
126. Anders als UTECA meint, hat daran auch die jüngere Rechtsprechung, insbesondere die Urteile GEMO, Pearle, Forum 187 und Laboratoires Boiron, nichts geändert. Im Urteil Pearle etwa verneinte der Gerichtshof das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG gerade deshalb, weil es an einer Finanzierung aus staatlichen Mitteln fehlte(106). In der Rechtssache GEMO wurden bestimmte Leistungen aus dem Aufkommen einer von staatlichen Stellen erhobenen und verwalteten Abgabe gewährt, so dass ihre Finanzierung aus staatlichen Mitteln außer Zweifel stand und keiner näheren Erörterung bedurfte(107). Ähnlich verhielt es sich in den Fällen Forum 187 und Laboratoires Boiron, die Vergünstigungen in Form der Befreiung von staatlichen Abgaben zum Gegenstand hatten(108); dort kam es zwar zu keiner Geldzahlung des Staates, aber immerhin zu einem konkreten Verzicht des Staates auf Einnahmen.
127. Im vorliegenden Fall ist der neu gefasste Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/1994, aus dem sich die Verpflichtung der spanischen Fernsehveranstalter zur Vorfinanzierung von Filmen ergibt, zweifelsohne eine staatliche Maßnahme des Königreichs Spanien. Etwaige Vorteile, welche die Filmproduzenten aus dieser Regelung ziehen, können also durchaus dem spanischen Staat zugerechnet werden(109).
128. Zu einer Übertragung staatlicher Mittel an die Filmproduzenten kommt es allerdings im Rahmen dieser Regelung weder unmittelbar noch mittelbar. Zwar setzt eine solche Übertragung staatlicher Mittel nicht zwingend eine Geldzahlung aus dem Vermögen des Staates voraus(110). Doch zumindest müssten die zur Vorfinanzierung von Filmen verwendeten Gelder vor ihrer Auszahlung an die jeweiligen Filmproduzenten dem Staat zur Verfügung stehen(111) oder sonst zu einer irgendwie gearteten finanziellen Belastung für den Staat führen(112). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
129. Erstens werden für die Vorfinanzierung von Filmen nach der streitigen Regelung allein die Finanzmittel der jeweiligen Fernsehveranstalter aufgewendet, gleichviel, ob es sich um Filme aus deren eigener Produktion oder aber um Filme aus fremder Produktion handelt. Über diese Finanzmittel hat der spanische Staat, soweit ersichtlich, keinerlei Kontrolle, ebenso wenig hat er Einfluss auf ihre tatsächliche Verwendung; es kann also nicht angenommen werden, diese Mittel stünden zu seiner Verfügung.
130. Zweitens bringt das System der Vorfinanzierung von Filmen für den spanischen Staat auch keinerlei finanzielle Belastung mit sich. Insbesondere folgt eine solche Belastung des Staates nicht schon allein aus dem Umstand, dass Fernsehunternehmen wegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Vorfinanzierung europäischer Filme möglicherweise weniger Gewinn machen und sich deshalb die Steuereinnahmen des spanischen Staates verringern(113). Der Kausalzusammenhang zwischen der Vorfinanzierung von Filmen und etwaigen Steuermindereinnahmen ist nämlich zu ungewiss und zu indirekt, als dass man von der Gewährung eines Vorteils an die Filmproduzenten auf Kosten des Staates sprechen könnte. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von Fällen, in denen ein vom Staat gewährter Vorteil in konkreten Steuererleichterungen oder ‑befreiungen für bestimmte Unternehmen besteht, so dass Steuermindereinnahmen des Staates hinreichend vorhersehbar und mit dem gewährten Vorteil deckungsgleich sind(114).
131. Mit dem System der Vorfinanzierung von Filmen verpflichtet der spanische Staat lediglich bestimmte Unternehmen – die Fernsehveranstalter – per Gesetz, einen Teil ihrer Finanzmittel für einen bestimmten Zweck einzusetzen, nämlich für die Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme in bestimmten Sprachen. Der damit verbundene staatliche Eingriff in die Privatautonomie der Fernsehveranstalter mag zwar bestimmten Filmproduzenten wirtschaftliche Vorteile bringen; diese Vorteile werden jedoch nicht aus staatlichen Mitteln finanziert, sondern allein aus den Mitteln der jeweiligen Fernsehveranstalter(115).
132. Dem steht nicht entgegen, dass unter den spanischen Fernsehveranstaltern, die zur Vorfinanzierung von Filmen verpflichtet sind, neben einigen privaten Unternehmen auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind(116). Zwar können die von öffentlichen Unternehmen oder von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen verwalteten Mittel im Einzelfall als staatliche Mittel anzusehen sein(117). Dies ist jedoch nicht stets und nicht automatisch der Fall(118), sondern nur dann, wenn ihre Mittel ständig unter staatlicher Kontrolle stehen und somit den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung stehen(119).
133. Öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen genießen in den meisten Fällen eine besondere Autonomie gegenüber dem Staat, die sie nicht nur bei ihrer Programmgestaltung, sondern auch in Bezug auf ihre Ausgaben vor staatlichen Interventionen schützt. Sofern eine solche Autonomie gegenüber dem Staat auch den spanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstaltern zukommt – dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts –, sollten deren Finanzmittel schon gar nicht als staatliche Mittel im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG angesehen werden(120).
134. Selbst wenn aber das vorlegende Gericht zu dem Schluss kommen sollte, dass die spanischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich ihrer Ausgaben vom Staat beeinflusst werden könnten, ist zu bedenken, dass jedenfalls die hier in Frage stehenden, zur Vorfinanzierung von Filmen getätigten Ausgaben nicht auf eine spezifische staatliche Einflussnahme gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zurückgehen, was auf eine versteckte Beihilfe schließen lassen könnte. Sie beruhen vielmehr auf einer allgemeinen gesetzlichen Regelung, deren Anwendungsbereich sich keineswegs nur auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten beschränkt, sondern auch eine nicht unwesentliche Anzahl privater Fernsehveranstalter umfasst.
135. Der neu gefasste Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 25/1994 trifft keinerlei Unterscheidung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Fersehveranstaltern. Damit ist diese Bestimmung vergleichbar mit anderen allgemeinen staatlichen Regelungen, die ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel – beispielsweise den Gesundheitsschutz, den Umweltschutz oder die Sicherheit im Straßenverkehr – verfolgen und denen sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen unterworfen sind.
136. So stellt etwa eine gesetzliche Vorschrift, dass Motorradfahrer einen Helm tragen müssen, für sich genommen noch keine Beihilferegelung zugunsten der Unternehmen dar, die solche Helme herstellen und vertreiben, mag auch ein Teil der Helme vom Staat für seine Polizisten angeschafft werden. Selbst wenn ein Mitgliedstaat das Tragen von Helmen inländischer Hersteller vorschreiben würde, wäre dies kein beihilferechtliches Problem, sondern vielmehr im Rahmen der Grundfreiheiten des Binnenmarkts zu lösen, insbesondere im Lichte der Bestimmungen über den freien Warenverkehr.
137. Ebenso verhält es sich mit einer Regelung wie der hier in Frage stehenden Verpflichtung spanischer Fernsehveranstalter, im öffentlichen Interesse mit einem Teil ihrer Ressourcen zur Vorfinanzierung europäischer Filme beizutragen. Der Umstand allein, dass Rechtsunterworfene aufgrund einer gesetzlichen Regelung bestimmte Ausgaben tätigen müssen und Dritte davon profitieren, macht aus einer solchen Regelung noch keine staatlich finanzierte Beihilferegelung im Sinne der Art. 87 EG und 88 EG. Die gemeinschaftsrechtlichen Auswirkungen einer solchen Regelung sind vielmehr im Rahmen der Grundfreiheiten des Binnenmarkts zu würdigen(121).
138. Insgesamt ist somit festzuhalten, dass eine Vorfinanzierungsregelung wie die spanische keine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellt.
VI – Ergebnis
139. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Fragen des spanischen Tribunal Supremo zu antworten:
1) Die Richtlinie 89/552/EWG im Allgemeinen und ihr Art. 3 im Besonderen stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, mit der Fernsehveranstalter verpflichtet werden, jährlich einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einkünfte für die Vorfinanzierung europäischer Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden. Eine solche nationale Regelung muss mit dem sonstigen Gemeinschaftsrecht vereinbar sein.
2) Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags hindern einen Mitgliedstaat nicht, Fernsehveranstaltern gesetzlich vorzuschreiben, 60 % der unter Nr. 1 genannten jährlichen Vorfinanzierung für europäische Spiel- und Fernsehfilme aufzuwenden, deren Originalsprache in diesem Mitgliedstaat als Amtssprache anerkannt ist.
3) Eine Regelung wie die unter Nr. 1 und Nr. 2 beschriebene stellt auch keine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG dar.