Language of document : ECLI:EU:C:2007:728

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA TRSTENJAK

vom 29. November 20071(1)

Rechtssache C‑16/06 P

Les Éditions Albert René SARL

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)

„Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Wortmarke ‚MOBILIX‘ – Widerspruch der Inhaberin der nationalen Wortmarke und der Gemeinschaftswortmarke ‚OBELIX‘ – Reformatio in peius – Sogenannte ‚Neutralisierungstheorie‘ – Änderung des Streitgegenstands – Unterlagen, die der beim Gericht eingereichten Klageschrift als neue Beweismittel beigefügt wurden“





I –    Einleitung

1.        Die Rechtsmittelführerin, die Les Éditions Albert René SARL, beantragt die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Dritte Kammer) vom 27. Oktober 2005, Éditions Albert René/HABM – Orange (MOBILIX) (T‑336/03, Slg. 2005, II‑4667, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 14. Juli 2003 (R 559/2002‑4, im Folgenden: streitige Entscheidung) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen ihr und der Orange A/S (im Folgenden: Orange) abgewiesen hat, das den Widerspruch der Rechtsmittelführerin als Inhaberin der älteren Marke „OBELIX“ gegen die Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke „MOBILIX“ betraf. Die Widerspruchsabteilung hatte den Widerspruch der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, die Vierte Beschwerdekammer hatte ihrer Beschwerde teilweise stattgegeben.

2.        Die Rechtsmittelführerin vertritt hauptsächlich die Auffassung, dass das Gericht mit seinem Urteil den Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verkannt und bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen den Waren und Dienstleistungen von zwei ähnlichen Marken die sogenannte „Neutralisierungstheorie“ mechanisch angewandt habe.

II – Rechtlicher Rahmen

3.        Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke(2), der die relativen Eintragungshindernisse regelt, bestimmt:

„(1)      Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

a)      wenn sie mit der älteren Marke identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet worden ist, mit den Waren oder Dienstleistungen identisch sind, für die die ältere Marke Schutz genießt;

b)      wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2)      Als ‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 gelten:

a)      Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören:

i)      Gemeinschaftsmarken;

ii)      in einem Mitgliedstaat oder, soweit Belgien, Luxemburg und die Niederlande betroffen sind, beim BENELUX-Markenamt eingetragene Marken;

iii)  mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registrierte Marken;

b)      Anmeldungen von Marken nach Buchstabe a), vorbehaltlich ihrer Eintragung;

c)      Marken, die am Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, gegebenenfalls am Tag der für die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke in Anspruch genommenen Priorität, in einem Mitgliedstaat im Sinne des Artikels 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft notorisch bekannt sind.

(5)      Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke im Sinne des Absatzes 2 ist die angemeldete Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit der älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der Gemeinschaft bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.“

4.        Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94 betrifft die Prüfung des Sachverhalts von Amts wegen. Die Bestimmung lautet:

„(1)      In dem Verfahren vor dem Amt ermittelt das Amt den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.

(2)      Das Amt braucht Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.

5.        Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts(3) bestimmt:

„§ 1      Die in Artikel 21 der Satzung des Gerichtshofes bezeichnete Klageschrift muss enthalten:

a)       Namen und Wohnsitz des Klägers;

b)       die Bezeichnung des Beklagten;

c)       den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe;

d)      die Anträge des Klägers;

e)       gegebenenfalls die Bezeichnung der Beweismittel.

§ 2      In der Klageschrift ist ferner für die Zwecke des Verfahrens eine Zustellungsanschrift am Ort des Gerichtssitzes anzugeben. Hierbei ist eine Person zu benennen, die ermächtigt ist und sich bereit erklärt hat, die Zustellungen entgegenzunehmen.

Zusätzlich zu oder statt der in Absatz 1 genannten Zustellungsanschrift kann in der Klageschrift angegeben werden, dass sich der Anwalt oder Bevollmächtigte damit einverstanden erklärt, dass Zustellungen an ihn mittels Fernkopierer oder sonstiger technischer Kommunikationsmittel erfolgen.

Entspricht die Klageschrift nicht den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2, so erfolgen bis zur Behebung dieses Mangels alle Zustellungen an die betreffende Partei für die Zwecke des Verfahrens auf dem Postweg durch Einschreiben an den Bevollmächtigten oder Anwalt der Partei. Abweichend von Artikel 100 § 1 gilt in diesem Fall die Zustellung mit der Aufgabe des Einschreibens zur Post am Ort des Gerichtssitzes als bewirkt.

§ 3      Der Anwalt, der als Beistand oder Vertreter einer Partei auftritt, hat bei der Kanzlei eine Bescheinigung zu hinterlegen, aus der hervorgeht, dass er berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des EWR-Abkommens aufzutreten.

§ 4      Mit der Klageschrift sind gegebenenfalls die in Artikel 21 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Unterlagen einzureichen.

§ 5      Juristische Personen des Privatrechts haben mit der Klageschrift ferner

a)      ihre Satzung oder einen neueren Auszug aus dem Handelsregister oder einen neueren Auszug aus dem Vereinsregister oder einen anderen Nachweis ihrer Rechtspersönlichkeit einzureichen;

b)      den Nachweis vorzulegen, dass die Prozessvollmacht ihres Anwalts von einem hierzu Berechtigten ordnungsgemäß ausgestellt ist.

§ 5a      Wird gemäß Artikel 238 EG-Vertrag oder Artikel 153 EAG-Vertrag eine Klage aufgrund einer Schiedsklausel erhoben, die in einem von der Gemeinschaft oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag enthalten ist, so ist mit der Klageschrift eine Ausfertigung des diese Klausel enthaltenden Vertrags einzureichen.

§ 6      Entspricht die Klageschrift nicht den §§ 3 bis 5, so setzt der Kanzler dem Kläger eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels oder zur Beibringung der vorgeschriebenen Unterlagen. Kommt der Kläger dieser Aufforderung vor Ablauf der Frist nicht nach, so entscheidet das Gericht, ob die Nichtbeachtung dieser Formvorschriften die Unzulässigkeit der Klage zur Folge hat.“

6.        Art. 48 der Verfahrensordnung des Gerichts bestimmt:

„§ 1      Die Parteien können in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen. Sie haben die Verspätung zu begründen.

§ 2      Im Übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

Macht eine Partei im Laufe des Verfahrens derartige Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend, so kann der Präsident auch nach Ablauf der gewöhnlichen Verfahrensfristen auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts der Gegenpartei eine Frist zur Stellungnahme setzen.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorbringens bleibt dem Endurteil vorbehalten.“

7.        Nach Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts können die Schriftsätze der Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern.

III – Sachverhalt

8.        Am 7. November 1997 meldete Orange nach der Verordnung Nr. 40/94 in geänderter Fassung beim HABM das Wortzeichen MOBILIX als Gemeinschaftsmarke an.

9.        Die Anmeldemarke soll für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 37, 38 und 42 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in geänderter und revidierter Fassung eingetragen werden:

–        „Telekommunikationsapparate, -instrumente und -anlagen, einschließlich solcher für Fernsprechapparate, Telefone, Mobiltelefone, einschließlich Antennen, Strahler und Parabolantennen, Akkumulatoren und Batterien, Transformatoren und Konverter, Kodierer und Dekodierer, kodierte Karten und kodierbare Karten, Telefonkarten, Signal- und Unterrichtsapparate und ‑instrumente, elektronische Telefonbücher, Teile und Zubehör für die vorstehend genannten Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind“, in Klasse 9;

–        „Telefonkarten“ in Klasse 16;

–        „telefonischer Antwortdienst für zeitweilig abwesende Teilnehmer, Beratung und Unterstützung in Bezug auf Geschäftsführung und Organisation, Beratung und Unterstützung in Verbindung mit der Überwachung von Geschäftsabläufen“ in Klasse 35;

–        „Installation und Reparatur von Telefonen, Bau, Reparatur, Installation“ in Klasse 37;

–        „Telekommunikation, einschließlich Telekommunikationsinformationen, Kommunikation über Telefon und Fernschreiber, Kommunikation über Computerbildschirm und Mobiltelefon, Übertragung über Fernkopierer, Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, einschließlich Kabelfernsehen und Übertragung über das Internet, Nachrichtenübermittlung, Leasing von Nachrichtensendegeräten, Leasing von Telekommunikationsapparaten, einschließlich Telefonapparaten“ in Klasse 38;

–        „wissenschaftliche und industrielle Forschung, Konstruktion, einschließlich Projektierung von Anlagen und Telekommunikationsanlagen, insbesondere für Fernsprechsysteme, sowie Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, Entwicklung, Pflege und Aktualisierung von Software, Leasing von Computern und Computerprogrammen“ in Klasse 42.

10.      Gegen die Anmeldung erhob die Rechtsmittelführerin einen Widerspruch, den sie auf folgende ältere Rechte am Wort „Obelix“ stützte:

–        die ältere eingetragene Gemeinschaftsmarke Nr. 16 154 mit dem Anmeldetag des 1. April 1996 für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 28, 35, 41 und 42, soweit im vorliegenden Verfahren relevant:

–        „elektrotechnische und elektronische, fotografische, Film-, optische, Unterrichtsapparate und -instrumente (mit Ausnahme von Projektionsapparaten), soweit in Klasse 9 enthalten, elektronische Spielapparate mit und ohne Bildschirm, Computer, Programmmodule und auf Datenträger aufgezeichnete Computerprogramme, insbesondere Videospiele“ in Klasse 9;

–        „Papier, Pappe (Karton); Papierwaren und Pappwaren, Druckschriften (soweit in Klasse 16 enthalten), Zeitungen und Zeitschriften, Bücher; Buchbinderartikel, nämlich Buchbindegarn, -leinen und andere Stoffe zum Buchbinden; Fotografien; Schreibwaren, Klebstoffe (für Papier- und Schreibwaren); Künstlerbedarfsartikel, nämlich Zeichen-, Mal- und Modellierwaren; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel) und Büromaschinen (soweit in Klasse 16 enthalten); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke“ in Klasse 16;

–        „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel (soweit in Klasse 28 enthalten); Christbaumschmuck“ in Klasse 28;

–        „Marketing und Werbung“ in Klasse 35;

–        „Filmvorführungen, Filmproduktionen, Filmvermietung; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern und Zeitschriften; Erziehung und Unterhaltung; Organisation und Durchführung von Messen und Ausstellungen; Volksbelustigungen, Betrieb eines Vergnügungsparks, Produktion von Live-Veranstaltungen, von Musik- und Sprechdarbietungen; Schaustellung von Nachbauten und Vorführungen kulturhistorischen und völkerkundlichen Charakters“ in Klasse 41;

–        „Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Fotografieren; Übersetzungen; Verwaltung und Verwertung von Urheberrechten; Verwertung gewerblicher Schutzrechte“ in Klasse 42;

–        die notorische Bekanntheit dieser älteren Marke in allen Mitgliedstaaten(4).

11.      Zur Begründung des Widerspruchs machte die Rechtsmittelführerin geltend, es bestehe Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und 2 der Verordnung Nr. 40/94.

12.      Mit Entscheidung vom 30. Mai 2002 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück und ließ die Anmeldung zum weiteren Eintragungsverfahren zu. Zur Begründung führte die Widerspruchsabteilung zunächst aus, dass die Bekanntheit der älteren Marke nicht hinreichend dargetan sei, und gelangte weiter zu dem Ergebnis, dass die Marken insgesamt einander nicht ähnlich seien. Zwar bestehe eine gewisse klangliche Ähnlichkeit, jedoch werde diese durch das Erscheinungsbild der Marken und insbesondere ihre sehr unterschiedlichen Aussagegehalte neutralisiert, nämlich den Hinweis auf tragbare Telefone im Fall von MOBILIX und die Anspielung auf Obelisken im Fall von OBELIX.

13.      Auf die Beschwerde der Rechtsmittelführerin vom 1. Juli 2002 erließ die Vierte Beschwerdekammer am 14. Juli 2003 die streitige Entscheidung, mit der sie die Entscheidung der Widerspruchsabteilung teilweise aufhob. Die Beschwerdekammer stellte zunächst klar, dass der Widerspruch als ausschließlich auf Verwechslungsgefahr gestützt anzusehen sei. Zwischen den Marken sei eine gewisse Ähnlichkeit erkennbar. Was den Vergleich der Waren und Dienstleistungen angehe, so seien die in der Anmeldung beanspruchten „Signal- und Unterrichtsapparate und -instrumente“ und die von der älteren eingetragenen Marke erfassten „optischen und Unterrichtsapparate und ‑instrumente“ in Klasse 9 einander ähnlich. Gleiches gelte für die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen „Beratung und Unterstützung in Bezug auf Geschäftsführung und Organisation, Beratung und Unterstützung in Verbindung mit der Überwachung von Geschäftsabläufen“ in Klasse 35 und die von der älteren eingetragenen Marke erfassten Dienstleistungen „Marketing und Werbung“ derselben Klasse. In Anbetracht des Ähnlichkeitsgrads der in Frage stehenden Zeichen und der genannten Waren und Dienstleistungen bestehe insoweit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen Verwechslungsgefahr. Demgemäß hat die Beschwerdekammer die Gemeinschaftsmarkenanmeldung für die Waren „Signal- und Unterrichtsapparate und -instrumente“ und die Dienstleistungen „Beratung und Unterstützung in Bezug auf Geschäftsführung und Organisation, Beratung und Unterstützung in Verbindung mit der Überwachung von Geschäftsabläufen“ zurückgewiesen und sie für die übrigen Waren und Dienstleistungen zur Eintragung zugelassen.

IV – Das Verfahren vor dem Gericht und das mit dem Rechtsmittel angefochtene Urteil

14.      Mit bei der Kanzlei des Gerichts am 1. Oktober 2003 eingegangener Klageschrift beantragte die Rechtsmittelführerin, die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 14. Juli 2003 aufzuheben. Sie stützte sich hierfür auf drei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und 2 der Verordnung Nr. 40/94, zweitens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 und drittens eine Verletzung von Art. 74 der Verordnung rügte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht beantragte die Rechtsmittelführerin hilfsweise, die Sache an die Vierte Beschwerdekammer zurückzuverweisen, damit sie die Bekanntheit ihrer Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 nachweisen könne.

15.      Das Gericht hat in seinem Urteil zunächst die Zulässigkeit von fünf der Klageschrift beigefügten Dokumenten geprüft, die die Rechtsmittelführerin zum Nachweis der Bekanntheit des Zeichens OBELIX erstmals vor dem Gericht vorgelegt hatte. Unter Hinweis darauf, dass diese Dokumente nicht im Verfahren vor dem HABM eingereicht worden seien, hat das Gericht, das sich insoweit auf Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 bezog, sie für unzulässig erklärt, da ihre Zulassung Art. 135 § 4 seiner Verfahrensordnung zuwiderliefe (Randnrn. 15 und 16 des angefochtenen Urteils). Das Gericht hat in diesem Zusammenhang an die Eigenschaften des Verfahrens der Aufhebungsklage erinnert, in dem die Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, mit dem der Richter befasst worden sei, nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen sei.

16.      Das Gericht hat sodann den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 für unzulässig erklärt. Es hat darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsmittelführerin auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmung zu keinem Zeitpunkt vor der Beschwerdekammer berufen habe und dass diese daher die Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht geprüft habe. Erstens jedoch sei nach Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94 im Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse die Prüfung des HABM auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt. Zweitens sei die Klage vor dem Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM im Sinne von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 gerichtet, und daher sei diese Kontrolle anhand der Rechtsfragen vorzunehmen, mit denen die Beschwerdekammer befasst worden sei. Drittens könnten nach Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts „[die] Schriftsätze der Parteien … den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern“ (Randnrn. 19 bis 25 des angefochtenen Urteils).

17.      Schließlich hat das Gericht nach Art. 44 § 1 seiner Verfahrensordnung den erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag für unzulässig erklärt (Randnrn. 28 und 29 des angefochtenen Urteils).

18.      Das Gericht hat sodann die Klagegründe in der Sache geprüft. Zu dem Klagegrund einer Verletzung von Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94, dem zufolge die Beschwerdekammer, da dieser Punkt von der anderen Beteiligten im Verfahren nicht bestritten worden sei, grundsätzlich von der Bekanntheit der Widerspruchsmarke OBELIX hätte ausgehen müssen, hat das Gericht in den Randnrn. 34 und 35 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94 nicht dahin ausgelegt werden könne, dass das HABM Umstände, gegen die der andere Beteiligte keine Einwände erhoben habe, als bewiesen behandeln müsse. Im vorliegenden Fall seien weder die Widerspruchsabteilung noch die Beschwerdekammer zu der Ansicht gelangt, dass die Rechtsmittelführerin die von ihr geltend gemachte rechtliche Beurteilung, d. h. die Bekanntheit des nicht eingetragenen Zeichens und die erhöhte Kennzeichnungskraft des eingetragenen Zeichens, durch Tatsachen und Beweismittel hinreichend untermauert habe. Demgemäß hat das Gericht diesen Klagegrund in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils für unbegründet erklärt.

19.      Hinsichtlich des Klagegrundes, der auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 gestützt war, hat das Gericht zunächst die Ähnlichkeit der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen geprüft. Es hat in diesem Zusammenhang das Argument der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, wonach die von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren der Klassen 9 und 16 durch das weiter gefasste Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der älteren eingetragenen Marke eingeschlossen seien. Dazu hat das Gericht in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die bloße Tatsache, dass ein Produkt als Einzelteil, Zubehör oder Komponente einer anderen Ware verwendet werden könne, allein nicht als Beweis dafür genügen könne, dass die solche Komponenten enthaltenden Endprodukte ähnlich seien, da insbesondere ihre Art, ihre Verwendungszwecke und ihre Abnehmerkreise ohne Weiteres verschieden sein könnten. In den Randnrn. 62 und 63 des angefochtenen Urteils hat das Gericht sodann dargelegt:

„62      Im Übrigen lässt sich dem Wortlaut des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der älteren eingetragenen Marke für die Klasse 9 entnehmen, dass die für die Marke beanspruchten Bereiche Fotografie, Kino, Optikwaren, Unterricht und Videospiele sind. Dieses Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ist mit dem der Anmeldung zu vergleichen, aus dem klar hervorgeht, dass die Anmeldung fast ausschließlich den Bereich der Telekommunikation in allen ihren Formen betrifft. So fallen Telekommunikationsgeräte in die Kategorie der ‚Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild‘ der Klasseneinteilung (Klasse 9) … Diese Überschrift der Klasseneinteilung (‚Telekommunikation‘) wurde jedoch für die ältere Marke nicht beansprucht, woraus folgt, dass Telekommunikationsgeräte nicht erfasst werden sollten. Die Klägerin ließ ihre Marke für zahlreiche Klassen eintragen, erwähnte im Warenverzeichnis aber nicht die ‚Telekommunikation‘ und ließ die Klasse 38 sogar ganz aus. Die Klasse 38 betrifft aber gerade die Dienstleistungen der ‚Telekommunikation‘.

63      Insoweit hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass die ältere eingetragene Marke zwar ‚elektrotechnische und elektronische Apparate und Instrumente‘ erfasst, sich aber die Klägerin auf diese weite Formulierung nicht als Argument dafür berufen kann, dass hohe Ähnlichkeit oder gar Identität mit den von der Anmeldung erfassten Waren bestehe, obwohl sie leicht speziellen Schutz für Telekommunikationsapparate und ‑instrumente hätte erlangen können.“

20.      Das Gericht bestätigte die von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass zwischen den in der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 37 und 42 und den von der älteren eingetragenen Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 42 keine Ähnlichkeit bestehe (Randnr. 67), und stellte sodann fest:

„68      Ebenfalls fehlerfrei ist die Beschwerdekammer zweitens zu dem Ergebnis gelangt, dass die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen der Klasse 38 … hinreichende Unterschiede zu den von der älteren eingetragenen Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 41 … aufweisen, die sich aus ihrer technischen Natur, den für ihre Erbringung erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten und den Bedürfnissen der Verbraucher, die sie befriedigen sollen, ergeben. Diese in der Anmeldung genannten Dienstleistungen der Klasse 38 weisen daher allenfalls eine schwache Ähnlichkeit mit den von der älteren eingetragenen Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 41 auf.

69      Weiterhin ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, dass alle von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen in der einen oder anderen Weise mit den von der älteren Marke geschützten ‚Computern‘ und ‚Computerprogrammen‘ (Klasse 9) in Verbindung gebracht werden könnten. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, gibt es in der heutigen hochtechnisierten Gesellschaft nahezu keine elektronischen oder digitalen Anlagen oder Geräte, die ohne Computer verschiedener Art funktionieren. In allen Fällen eine Ähnlichkeit zu bejahen, in denen die ältere Marke Computer erfasst und die für die Anmeldemarke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen den Einsatz von Computern einschließen können, liefe eindeutig auf eine Überdehnung des Schutzbereichs hinaus, den der Gesetzgeber dem Inhaber einer Marke gewährt. Eine solche Auffassung bewirkte eine Situation, in der durch die Eintragung einer Marke für Computerprogramme oder Computer praktisch jede Eintragung einer jüngeren Marke ausgeschlossen werden könnte, für die elektronische oder digitale Verfahren oder Dienstleistungen gleich welcher Art beansprucht werden, die den Einsatz von Computerprogrammen oder Computern einschließen. Eine solche Sperrwirkung ist jedenfalls im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, da die Anmeldung ausschließlich auf die Telekommunikation in ihren verschiedenen Formen gerichtet ist, während im Rahmen der älteren Eintragung auf keine Tätigkeit dieses Bereichs Bezug genommen wurde. Wie die Beschwerdekammer im Übrigen zu Recht festgestellt hat, war die Klägerin durch nichts daran gehindert, ihre Marke auch für die Telekommunikation eintragen zu lassen.“

21.      Schließlich hat das Gericht in Randnr. 70 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen einander nicht ähnlich“ seien, jedoch mit einer Ausnahme: So bestehe Ähnlichkeit der in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen „Leasing von Computern und Computerprogrammen“ (Klasse 42) mit den Waren „Computer“ und „auf Datenträger aufgezeichnete Computerprogramme“ der Rechtsmittelführerin (Klasse 9), da diese Dienstleistungen und Waren einander ergänzten.

22.      Zum Vergleich der Zeichen hat das Gericht zunächst festgestellt, dass die Beschwerdekammer die in Frage stehenden Zeichen in der streitigen Entscheidung als ähnlich angesehen habe (Randnr. 74 des angefochtenen Urteils), und die Zeichen sodann einem visuellen, klanglichen und begrifflichen Vergleich unterzogen (Randnrn. 75 bis 81 des angefochtenen Urteils).

23.      Dazu hat das Gericht insbesondere ausgeführt, dass die Zeichen, obgleich ihnen die Buchstabenkombination „OB“ und die Endung „LIX“ gemeinsam seien, eine Anzahl von deutlichen bildlichen Unterschieden aufwiesen, so die den beiden Buchstaben „OB“ jeweils nachfolgenden Buchstaben, nämlich „E“ im einen und „I“ im anderen Fall, den jeweiligen Wortanfang („M“ im Fall der Anmeldung und „O“ im Fall der älteren Marke) und ihre Länge. Nach dem Hinweis, dass sich die Aufmerksamkeit des Verbrauchers normalerweise auf den Anfang eines Wortes richte, hat das Gericht im Ergebnis festgestellt, dass „die Zeichen einander bildlich nicht oder allenfalls nur ganz schwach ähnlich“ seien (Randnrn. 75 und 76 des angefochtenen Urteils).

24.      Der klangliche Vergleich der Zeichen hat das Gericht zu der Feststellung geführt, dass sie eine gewisse klangliche Ähnlichkeit aufwiesen (Randnrn. 77 und 78). Zum begrifflichen Vergleich hat das Gericht ausgeführt, dass das Wort „OBELIX“, auch wenn es als Wortmarke eingetragen worden sei, vom Verkehr ohne Weiteres mit der populären Cartoonfigur in Verbindung gebracht werde, was eine begriffliche Verwechslung mit mehr oder weniger verwandten Wörtern beim Publikum sehr unwahrscheinlich mache (Randnr. 79 des angefochtenen Urteils). Da das Wortzeichen OBELIX in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung habe, so dass diese sie ohne Weiteres erfassen könnten, seien die begrifflichen Unterschiede zwischen den in Frage stehenden Zeichen geeignet, ihre klangliche und etwaige bildliche Ähnlichkeit zu neutralisieren (Randnrn. 80 und 81 des angefochtenen Urteils).

25.      Zur Verwechslungsgefahr hat das Gericht unter Bezugnahme auf das Urteil vom 22. Oktober 2003, Éditions Albert René/HABM – Trucco (STARIX) (T‑311/01, Slg. 2003, II‑4625), festgestellt, dass „die zwischen den Zeichen bestehenden Unterschiede ausreichen, um in der Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, da eine Verwechslungsgefahr kumulativ einen genügend hohen Ähnlichkeitsgrad der Marken und einen genügend hohen Ähnlichkeitsgrad der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen voraussetzen würde“ (Randnr. 82 des angefochtenen Urteils). Das Gericht hat weiter ausgeführt:

„83       Unter diesen Umständen sind die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke durch die Beschwerdekammer und das Vorbringen der Klägerin zur Bekanntheit dieser Marke auf die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 im vorliegenden Fall ohne Einfluss (vgl. in diesem Sinne Urteil Starix, … Randnr. 60).

84      Eine Verwechslungsgefahr setzt nämlich Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen sowie der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen voraus, wobei die Bekanntheit einer Marke ein Gesichtspunkt ist, der bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen ist, ob die Ähnlichkeit zwischen den Zeichen oder zwischen den Waren und Dienstleistungen ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen (in diesem Sinne Urteil Canon, … Randnrn. 22 und 24). Da jedoch im vorliegenden Fall die einander gegenüberstehenden Zeichen unter bildlichem, klanglichem und begrifflichem Aspekt nicht als identisch oder ähnlich angesehen werden können, lässt der Umstand, dass die ältere Marke weithin bekannt oder eine in der Europäischen Union bekannte Marke ist, die Gesamtwürdigung der Verwechslungsgefahr unberührt (vgl. in diesem Sinne Urteil Starix, … Randnr. 61).

85      Schließlich ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, wonach es wegen der Endung ‚ix‘ durchaus naheliegend sei, dass sich der Ausdruck ‚Mobilix‘ nahtlos in die Markenfamilie der ‚Asterix‘-Figuren einfüge und als Ableitung von ‚Obelix‘ verstanden werde. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Klägerin keinerlei Recht zur ausschließlichen Benutzung der Endung ‚ix‘ geltend machen kann.

86      Demnach liegt eines der zwingenden Tatbestandsmerkmale des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht vor. Daher besteht zwischen der Anmeldemarke und der älteren Marke keine Verwechslungsgefahr.“

26.      Das Gericht hat daher die von der Rechtsmittelführerin erhobene Klage abgewiesen.

27.      Die Rechtsmittelführerin hat am 13. Januar 2006 gegen das Urteil des Gerichts Rechtsmittel eingelegt.

28.      Hierzu ist ferner festzustellen, dass das Rechtsmittel, obgleich es zulässig ist, wegen seiner Länge nicht den in Nr. 44 der Praktischen Anweisungen für Klagen und Rechtsmittel gegebenen Empfehlungen folgt(5).

29.      In der Sitzung vom 25. Oktober 2007 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

V –    Prüfung des Rechtsmittels

30.      Die Rechtsmittelführerin macht sechs Rechtsmittelgründe geltend. Sie rügt erstens, dass mit dem angefochtenen Urteil gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen worden sei und darin über die Ähnlichkeit der Marken entschieden worden sei, obgleich diese nicht zum Streitgegenstand vor dem Gericht gehört habe. Dadurch sei der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verletzt worden. Zweitens macht die Rechtsmittelführerin einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und die Ähnlichkeit der Marken geltend. Drittens beanstandet die Rechtsmittelführerin einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94. Viertens rügt sie einen Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und gegen Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts. Fünftens wirft sie dem Gericht vor, dadurch gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und die Art. 44, 48 und 135 § 4 seiner Verfahrensordnung verstoßen zu haben, dass es ihren Antrag auf Zurückverweisung der Sache an die Beschwerdekammer für unzulässig erklärt habe. Der sechste Rechtsmittelgrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 wegen Nichtzulassung bestimmter Unterlagen.

A –    Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsatz des Verbots der reformatio in peius

1.               Vorbringen der Parteien

31.      Die Rechtsmittelführerin trägt vor, das Gericht habe mit seinem Urteil Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und die allgemeinen Grundsätze des gemeinschaftlichen Verwaltungs- und Verfahrensrechts verkannt, da es entgegen der streitigen Entscheidung festgestellt habe, dass die kollidierenden Marken OBELIX und MOBILIX nicht ähnlich seien. Damit habe es zu ihrem Nachteil über eine Frage entschieden, die nicht in ordnungsgemäßer Form in das Verfahren eingeführt worden sei, und so die Kompetenzen überschritten, die ihm für die Kontrolle der Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM in einem Fall wie dem vorliegenden verliehen seien.

32.      Die Frage, ob die Marken ähnlich seien, sei nämlich in keiner Weise Gegenstand der beim Gericht erhobenen Klage gewesen und habe daher nicht zum Streitgegenstand vor dem Gericht gehören können. Dennoch habe das Gericht, obgleich die Frage nach der Ähnlichkeit der Marken von keinem Verfahrensbeteiligten im ersten Rechtszug nach den dafür geltenden Voraussetzungen aufgeworfen worden sei, über diesen Punkt zum Nachteil der Rechtsmittelführerin entschieden und damit in Wirklichkeit den Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verkannt.

33.      Das HABM, das auf das Urteil Canon (Urteil vom 29. September 1998, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17 und Tenor) verweist, hält den ersten Rechtsmittelgrund für offensichtlich unbegründet. Es macht geltend, dass das Gericht die Ähnlichkeit der in Frage stehenden Zeichen habe überprüfen müssen. Die Rechtsmittelführerin habe in ihrer Klageschrift beim Gericht die von der Beschwerdekammer zur Verwechslungsgefahr getroffenen Feststellungen angegriffen. Da die Zeichenähnlichkeit ein Element dieser Feststellungen sei, habe das Gericht dieses notwendig prüfen müssen, um die Rechtmäßigkeit der von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellungen zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zu kontrollieren und dessen fehlerfreie Anwendung sicherzustellen.

34.      Überdies habe das Gericht die Entscheidung der Beschwerdekammer nicht abgeändert. Das Verbot der reformatio in peius hindere jedoch eine höhere Instanz daran, über die Anträge desjenigen, der bei ihr einen Rechtsbehelf eingelegt habe, hinauszugehen und ihn in eine ungünstigere Lage als die zu versetzen, in der er sich ohne Einlegung des Rechtsbehelfs befände. Im vorliegenden Fall habe das Gericht die Entscheidung, mit der die Beschwerdekammer dem Widerspruch teilweise stattgegeben habe, nicht abgeändert. Die Rechtsmittelführerin sei somit nicht in eine ungünstigere Lage als die versetzt worden, in der sie sich vor der Erhebung ihrer Klage beim Gericht befunden habe.

2.      Würdigung

35.      Nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz des Verbots der reformatio in peius darf das für die Entscheidung über einen Rechtsbehelf, z. B. eine Berufung, zuständige höhere Gericht die angefochtene Entscheidung eines unteren Gerichts nicht zum Nachteil des Rechtsbehelfsführers verschärfen, wenn nur dieser einen Rechtsbehelf eingelegt hat(6).

36.      Aus dem Grundsatz des Verbots der reformatio in peius ergibt sich ferner, dass der schlechteste Ausgang des Rechtsmittelverfahrens für den Rechtsmittelwerber die Abweisung des Rechtsbehelfs und die bloße Bestätigung der Vorentscheidung sein kann(7).

37.      Es ist festzustellen, dass dies im Fall der Rechtsmittelführerin zutrifft. Nach dem angefochtenen Urteil befindet sie sich in der gleichen Lage wie vor der Erhebung ihrer Klage beim Gericht. Insofern lässt sich schwerlich von einer reformatio in peius sprechen.

38.      Das Verbot der reformatio in peius vor dem Gemeinschaftsrichter wird jedoch durch dessen Pflicht begrenzt, bestimmte rechtliche Voraussetzungen von Amts wegen zu prüfen („moyens d’ordre public“)(8). Ein Klagegrund der Rechtswidrigkeit oder des Ermessensmissbrauchs („moyen de légalité interne“) kann vor dem Gemeinschaftsrichter nur auf Antrag des Klägers geprüft werden, während ein „moyen d’ordre public“ vom Richter von Amts wegen geprüft werden kann und muss(9).

39.      Es ist hervorzuheben, dass im Rahmen der vor dem Gemeinschaftsrichter geltend gemachten Klagegründe(10) der Begriff des „ordre public“ (öffentliche Ordnung) „den Gegenständen vorbehalten bleibt, die wegen ihrer Bedeutung für das allgemeine Wohl nicht zur Verfügung der Parteien oder des Gerichts stehen und als prius zu untersuchen sind, auch wenn sie nicht in die Verhandlung eingeführt worden sind“(11).

40.      Die Rechtsmittelführerin wirft dem Gericht vor, dass es im angefochtenen Urteil die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beschwerdekammer von Amts wegen unter dem Gesichtspunkt der Ähnlichkeit geprüft habe, obgleich sie zu diesem Punkt keine Rüge erhoben habe. Darin liege eine reformatio in peius, da das Gericht einen Klagegrund geprüft habe, den sie im Rahmen ihrer Klage nicht erhoben habe.

41.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelführerin nicht die Rechtmäßigkeit der Feststellungen in Frage stellte, die die Beschwerdekammer zur Frage der Ähnlichkeit der Zeichen OBELIX und MOBILIX und der von diesen beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen getroffen hatte. Der von der Rechtsmittelführerin beim Gericht eingereichten Klageschrift, insbesondere ihren Gliederungspunkten 2.3 ff. ist indessen zu entnehmen, dass die Rechtsmittelführerin im Rahmen ihrer Klage beim Gericht die Frage der Ähnlichkeit der Zeichen OBELIX und MOBILIX und der durch diese beiden Marken geschützten Waren und Dienstleistungen sowie der Verwechslungsgefahr aufwarf. So formulierte sie im Rahmen ihres als „moyen de légalité interne“ einzustufenden Klagegrundes des Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 Argumente zur Ähnlichkeit der vorgenannten Marken und Zeichen. Sie machte vor dem Gericht im Rahmen dieses Klagegrundes – unter Weiterführung der Rüge, es seien die Verkehrsbekanntheit und die hochgradige Kennzeichnungskraft der Marke OBELIX verkannt worden – geltend, dass zwischen den beiden Zeichen OBELIX und MOBILIX eine erhebliche begriffliche und klangliche Ähnlichkeit bestehe(12). Sie trug ebenfalls vor, dass wegen der Wechselbeziehung zwischen der Warenähnlichkeit, der Zeichenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Marke OBELIX in begrifflicher Hinsicht Verwechslungsgefahr bestehe(13). Sie bezog damit die Frage der Ähnlichkeit der Zeichen OBELIX und MOBILIX in den Streitgegenstand ein.

42.      Der Streitgegenstand, wie ihn die Rechtsmittelführerin auf der Grundlage von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 festlegte, umfasste auch die Frage der Ähnlichkeit der beiden Zeichen OBELIX und MOBILIX. Folglich kann es die Rechtsmittelführerin dem Gericht nicht zum Vorwurf machen, dass es im Rahmen seiner Prüfung der Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Faktoren über die Frage der Ähnlichkeit der beiden Zeichen OBELIX und MOBILIX entschieden hat.

43.      Das Gericht hat weder gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 noch gegen den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verstoßen.

44.      Der Rechtsmittelgrund kann nicht durchgreifen.

B –    Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und auf die Ähnlichkeit der Marken

1.      Vorbringen der Parteien

45.      Mit diesem Rechtsmittelgrund, der eine beträchtliche Länge aufweist und in zwei Teile untergliedert ist, rügt die Rechtsmittelführerin einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und auf die Ähnlichkeit der Marken.

46.      Im Rahmen des ersten Teils beanstandet die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe. Sie legt dem Gericht vor allem zur Last, dass es für die Beurteilung, ob die jeweiligen Waren und Dienstleistungen ähnlich seien, einen verfehlten rechtlichen Maßstab angewandt habe. Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 durch seine Feststellung verstoßen habe, dass die streitigen Marken nicht ähnlich seien.

47.      Im Rahmen des ersten Teils des Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, dass der Vergleich im Hinblick auf die Ähnlichkeit unter der Annahme hätte vorgenommen werden müssen, dass die kollidierenden Marken identisch seien und dass die ältere Marke OBELIX über hochgradige Kennzeichnungskraft verfüge oder eine bekannte Marke sei. Richtigerweise sei von folgendem rechtlichen Maßstab auszugehen: Die Waren (und Dienstleistungen) seien ähnlich, wenn das Publikum dann, wenn sie auf dem Markt unter identischen Marken dargeboten würden und die ältere Marke eine sehr hohe Kennzeichnungskraft aufweise und große Bekanntheit genieße, glauben könnte, dass sie aus demselben oder aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten.

48.      Zweitens stellt die Rechtsmittelführerin die Stimmigkeit und die Grundlage der konkreten Feststellungen des Gerichts zur Warenähnlichkeit in Frage. Sie rügt, dass das Gericht das Warenverzeichnis offensichtlich unrichtig beurteilt und es verfälscht habe. Die vom Gericht in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils aufgestellte Behauptung, wonach „sich dem Wortlaut des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der älteren eingetragenen Marke für die Klasse 9 entnehmen [lasse], dass die für die Marke beanspruchten Bereiche Fotografie, Kino, Optikwaren, Unterricht und Videospiele sind“, sei unzutreffend und stehe in Widerspruch zu dem Warenverzeichnis wie auch zu den Ausführungen des Gerichts selbst in Randnr. 63. Auch die in derselben Randnr. 62 des angefochtenen Urteils aufgestellte Behauptung, dass der von der Marke MOBILIX erfasste Bereich fast ausschließlich der Bereich der Telekommunikation in allen ihren Formen sei, stehe in Widerspruch zu dem Warenverzeichnis, das ohne eine Beschränkung auf die Telekommunikation auch „Akkumulatoren und Batterien“, „Transformatoren und Konverter“, „Kodierer und Dekodierer“, „kodierte Karten“ und „kodierbare Karten“ umfasse.

49.      Hinsichtlich des Vergleichs der Dienstleistungen der Marke MOBILIX in den Klassen 35, 37, 38 und 42 mit den von der Marke OBELIX erfassten Waren macht die Rechtsmittelführerin eine Unstimmigkeit zwischen den in Randnr. 68 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen (denen zufolge „[die] in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen der Klasse 38 … allenfalls eine schwache Ähnlichkeit mit den von der älteren eingetragenen Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 41 auf[weisen]“) und dem in Randnr. 70 des Urteils erreichten Ergebnis, wonach die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien, geltend und wendet sich gegen die Beurteilung, mit der das Gericht ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, dass alle von der Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen mit den von der älteren Marke geschützten „Computern“ und „Computerprogrammen“ (Klasse 9) in Verbindung gebracht werden könnten (Randnr. 69 des angefochtenen Urteils).

50.      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht mit seiner Feststellung, dass die streitigen Marken unähnlich seien, gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe. Dieser Teil wird hilfsweise im Verhältnis zum ersten Rechtsmittelgrund geltend gemacht. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin hat das Gericht nicht den richtigen rechtlichen Maßstab für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken angelegt. Hinsichtlich der visuellen Ähnlichkeit habe das Gericht willkürlich die Unterschiede zwischen den Marken hervorgehoben, obgleich nach den allgemeinen Grundsätzen des Markenrechts die den Marken gemeinsamen Elemente gewöhnlich bedeutsamer seien als die sie unterscheidenden Elemente. Die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit ebenso wie der begrifflichen Ähnlichkeit werde durch keine der dem Gericht unterbreiteten Tatsachen gestützt. In Bezug auf die begriffliche Ähnlichkeit wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die vom Gericht in Randnr. 79 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, dass „[d]ie Bezeichnung einer populären Figur … ihre begriffliche Verwechslung mit mehr oder weniger verwandten Wörtern beim Publikum sehr unwahrscheinlich [macht]“. Diese Erwägung des Gerichts sei fehlerhaft, weil nach den im Markenrecht allgemein anerkannten Grundsätzen die Verwechslungsgefahr umso höher sei, je größer die notorische Bekanntheit einer älteren Marke oder ihre Kennzeichnungskraft sei.

51.      Die Rechtsmittelführerin beanstandet ferner, dass das Gericht in den Randnrn. 80 bis 82 des angefochtenen Urteils die sogenannte „Neutralisierungstheorie“ angewandt habe. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin ist diese Theorie nur im Stadium der endgültigen Beurteilung der Verwechslungsgefahr anwendbar, nicht aber dann, wenn die einander gegenüberstehenden Marken visuell oder klanglich oder aber visuell und klanglich ähnlich seien. Der richtigerweise zugrunde zu legende rechtliche Maßstab sei folgender: Zwei Marken seien ähnlich (und die entscheidende Stelle müsse folglich, wenn sie die Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen festgestellt habe, in die Prüfung der Verwechslungsgefahr eintreten), wenn eine (gewisse oder hochgradige oder vollständige) visuelle Ähnlichkeit bestehe (was auch einen bestimmten Grad von klanglicher Ähnlichkeit impliziere) oder wenn eine (gewisse oder hochgradige oder vollständige) klangliche Ähnlichkeit bestehe, und zwar unabhängig davon, ob begriffliche Ähnlichkeit gegeben sei. Ebenso seien zwei Marken einander ähnlich, wenn sie, selbst bei fehlenden visuellen oder klanglichen Ähnlichkeiten, begrifflich identisch oder ähnlich seien.

52.      Schließlich habe das Gericht ihr Vorbringen missverstanden, soweit es in Randnr. 85 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass sie ein Recht zur ausschließlichen Benutzung der Endung „ix“ geltend gemacht habe, obgleich sie in Wirklichkeit vorgetragen habe, dass sie Inhaberin einer Familie von Marken sei, die ähnlich gebildet worden seien wie MOBILIX, nämlich durch Verwendung eines beschreibenden Teils, der den Beruf oder die Tätigkeit einer Person wiedergebe, und seine Kombination mit der Endsilbe „ix“. Die Anspielung auf „mobil“ bewirke daher keinen größeren Abstand von der Markenfamilie, sondern steigere sogar die Verwechslungsgefahr, da das Bestehen einer Markenfamilie im Allgemeinen – selbst bei fehlender klanglicher und visueller Ähnlichkeit – als ein gesonderter Grund für Verwechslungsgefahr angesehen werde.

53.      Das HABM trägt vor, dass unter den zahlreichen Argumenten, die die Rechtsmittelführerin vortrage, die einzige Rechtsfrage dahin gehe, ob das Gericht in Randnr. 81 des angefochtenen Urteils rechtmäßig zu der Feststellung habe gelangen können, dass die begrifflichen Unterschiede zwischen den Zeichen geeignet seien, die bestehenden klanglichen und visuellen Ähnlichkeiten zu neutralisieren. Das Gericht habe jedoch ordnungsgemäß die Gesamtheit der Gesichtspunkte geprüft, die nach gefestigter Rechtsprechung für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehen seien. Nach ständiger Rechtsprechung impliziere diese umfassende Beurteilung, dass die begrifflichen und visuellen Unterschiede zwischen zwei Zeichen deren klangliche Ähnlichkeiten neutralisieren könnten, wenn zumindest eines der Zeichen in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung habe, so dass diese Verkehrskreise sie ohne Weiteres erfassen könnten. Die Frage, ob eine derartige „Neutralisierung“ in der Wahrnehmung des relevanten Verbrauchers tatsächlich stattfinde, sei eine Frage der Würdigung der relevanten Tatsachen. Das Ergebnis dieser Würdigung sei eine Feststellung tatsächlicher Art, die sich der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels entziehe.

54.      Zu dem Argument, dass das Gericht die Bekanntheit der Marke OBELIX im Rahmen des Vergleichs der Waren und Dienstleistungen sowie der in Frage stehenden Zeichen hätte berücksichtigen müssen, führt das HABM aus, dass die Rechtsmittelführerin zwei Aspekte vermenge, nämlich die Bekanntheit der berühmten Cartoonfigur Obelix und die potenzielle Bekanntheit der Marke OBELIX. Es gebe weder einen Rechtsgrundsatz noch einen Präzedenzfall, wonach eine berühmte Figur aus der Literatur automatisch als eine bekannte Marke anzusehen sei. Es hänge alles von den Umständen des Einzelfalls ab, und die Rechtsmittelführerin habe im Rahmen des Verfahrens vor dem HABM niemals Belege dafür vorgebracht, dass tatsächlich eine allmähliche Umwandlung einer berühmten Figur in eine bekannte Marke stattgefunden habe. Deshalb habe das Gericht mit seiner Ablehnung, die Bekanntheit des Namens Obelix, der eine berühmte Cartoonfigur bezeichne, für die Abgrenzung des Schutzbereichs der älteren Marke zu berücksichtigen, fehlerfrei die Regel angewandt, wonach sich die zuständige Behörde in einem relative Eintragungshindernisse betreffenden Widerspruchsverfahren auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zu beschränken habe.

55.      Die Rechtsmittelführerin, die den vom Gericht aufgestellten Grundsätzen zustimme, aber seinen Schlussfolgerungen entgegentrete, greife hierdurch die vom Gericht vorgenommenen Beurteilungen tatsächlicher Art an, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht überprüfen könne.

56.      Zu dem Vorbringen, dass das Gericht die Tatsachen oder die Beweismittel verfälscht habe, führt das HABM aus, dass das Gericht das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ordnungsgemäß wiedergegeben und eine vergleichende Prüfung vorgenommen habe, die es auf Kriterien wie die Art des Herstellers oder die Vertriebsweise der Waren gestützt habe. Der zweite Rechtsmittelgrund sei daher als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen.

2.      Würdigung

57.      Wie sich aus den Art. 225 EG und 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ergibt, ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge(14).

58.      Für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ist, selbst wenn eine Identität mit einer Marke besteht, deren Kennzeichnungskraft besonders ausgeprägt ist, ferner der Beweis zu erbringen, dass eine Ähnlichkeit zwischen den gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Nach dieser Bestimmung setzt eine Verwechslungsgefahr nämlich eine Identität oder eine Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen voraus.

59.      Eine Verwechslungsgefahr setzt eine Identität oder eine Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen voraus. Deshalb ist, selbst wenn eine Identität mit einer Marke besteht, deren Kennzeichnungskraft besonders ausgeprägt ist, ferner der Beweis zu erbringen, dass eine Ähnlichkeit zwischen den gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht(15).

60.      Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, wonach das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es einen verfehlten rechtlichen Maßstab oder gar keinen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt habe, sondern sich einer bloßen Argumentation bedient habe, die widersprüchliche Aussagen enthalte, nicht begründet.

61.      Aus der Prüfung der Randnrn. 60 bis 71 des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass das Gericht, nachdem es die verschiedenen Faktoren, die das Verhältnis zwischen den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen, eingehend geprüft hatte, rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gelangen konnte, dass die von der Marke MOBILIX erfassten Waren und Dienstleistungen den mit dem Zeichen OBELIX gekennzeichneten Dienstleistungen nicht ähnlich seien.

62.      Soweit die Rechtsmittelführerin geltend macht, dass ein offensichtlicher Widerspruch zwischen den Ausführungen des Gerichts in den Randnrn. 62 und 63 des angefochtenen Urteils bestehe und dass Randnr. 63 Unrichtigkeiten enthalte, zielt ihr Vorbringen im Wesentlichen darauf ab, die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen in Frage zu stellen und läuft in Wirklichkeit auf das Begehren hinaus, dass der Gerichtshof seine eigene Würdigung der Tatsachen an die Stelle der vom Gericht in den Randnrn. 62 und 63 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Würdigung setzt. Dieses Vorbringen der Rechtsmittelführerin ist daher als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

63.      Aus den gleichen Gründen ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zurückzuweisen, dass das Gericht die Waren der Klassen 9 und 16 fehlerhaft beurteilt habe. In Anbetracht der vom Gericht vorgenommenen Prüfung gilt der gleiche Schluss für die Rüge, dass das Gericht die Waren und Dienstleistungen nur mechanisch geprüft und dabei zum einen das zwischen ihnen bestehende wirtschaftliche Verhältnis und zum anderen insbesondere die Frage unberücksichtigt gelassen habe, ob das relevante Publikum den Waren und Dienstleistungen dieselbe betriebliche Herkunft zuordnen würde, wenn sie unter einer identischen Marke angeboten würden.

64.      In diesem Zusammenhang ist auch die Rüge zurückzuweisen, die sich auf die Frage bezieht, ob das Gericht in Randnr. 81 seines Urteils(16) feststellen durfte, dass die begrifflichen Unterschiede zwischen den in Frage stehenden Zeichen geeignet seien, ihre klangliche und etwaige bildliche Ähnlichkeit zu neutralisieren. Insoweit ist zum einen festzustellen, dass das Gericht in den Randnrn. 72 und 74 bis 80 die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien fehlerfrei angewandt hat. Zum anderen ist der Randnr. 79 des angefochtenen Urteils, die sich auf die Wörter MOBILIX und OBELIX bezieht, auch zu entnehmen, dass das Gericht darin bestimmte Feststellungen tatsächlicher Art getroffen hat und dass die Rechtsmittelführerin die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung anzugreifen sucht und in Wirklichkeit begehrt, dass der Gerichtshof seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der vom Gericht vorgenommenen setzt.

65.      Nach alledem ist der Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

C –    Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94, weil es das Gericht abgelehnt habe, die Marke OBELIX als eine notorisch bekannte Marke mit hochgradiger Kennzeichnungskraft anzuerkennen

1.      Vorbringen der Parteien

66.      Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin hat das Gericht dadurch gegen Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen, dass es es abgelehnt habe, die Marke OBELIX als eine notorisch bekannte Marke und als eine Marke mit hochgradiger Kennzeichnungskraft anzuerkennen. Das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass das HABM, da es hierzu nach Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 verpflichtet sei, die Tatsachen und Beweismittel geprüft, sie aber für unzureichend erachtet habe, um die notorische Bekanntheit des nicht eingetragenen Zeichens und die erhöhte Kennzeichnungskraft des eingetragenen Zeichens zu belegen. Da sich Orange am Verfahren vor der Beschwerdekammer tatsächlich beteiligt, das Vorbringen der Rechtsmittelführerin aber weder bestritten noch in anderer Weise in Frage gestellt habe, erschiene es abwegig, von Letzterer die Beibringung sämtlicher Beweise zu verlangen, da keine Regel oder kein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts eine Partei zu der Erbringung von Beweisen für ein Vorbringen verpflichte, das zwischen den Parteien nicht streitig sei. Denn die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer hätten die notorische Bekanntheit des Zeichens OBELIX ausdrücklich anerkannt. Die Beschwerdekammer hätte hieraus den Schluss ziehen müssen, dass die Marke OBELIX hochgradig kennzeichnungskräftig und notorisch bekannt sei. Da überdies allgemein bekannte Tatsachen nicht bewiesen werden müssten, müsse der gleiche Grundsatz für berühmte Marken gelten.

67.      Das HABM meint, dass der dritte Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen sei. Dass die Tatsachengrundlage für die Prüfung durch die Beschwerdekammer durch Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94 beschränkt werde, hindere die Beschwerdekammer nicht daran, außer den von den Beteiligten des Widerspruchsverfahrens vorgetragenen Tatsachen auch allgemein bekannte Tatsachen zu berücksichtigen. Was indessen im vorliegenden Fall als allgemein bekannt angesehen werden könne, sei die Tatsache, dass Obelix der Name einer Cartoonfigur sei. Diese Feststellung lasse sich aber als solche nicht auf die Marke OBELIX beziehen, da es keinen Präzedenzfall gebe, wonach berühmte Figuren der Literatur als bekannte Marken anzusehen seien.

68.      Auch wenn man davon ausginge, dass die Frage der Bekanntheit der Marke OBELIX zwischen den Parteien nicht streitig sei, wäre doch das Gericht durch einen solchen Befund nicht gebunden, sondern verpflichtet, zu prüfen, ob die Beschwerdekammer mit ihrer in der streitigen Entscheidung getroffenen Feststellung, dass die Marken nicht ähnlich seien, nicht gegen die Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe. In einem Inter-Partes-Verfahren vor dem HABM gelte kein Grundsatz, wonach von dem anderen Beteiligten nicht bestrittene Tatsachen als bewiesen zu behandeln wären.

2.      Würdigung

69.      Es ist zunächst festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin die von der Beschwerdekammer und im angefochtenen Urteil vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Bekanntheit als rechtswidrig und fehlerhaft rügt.

70.      Wie oben in Randnr. 57 in Erinnerung gebracht, ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge.

71.      Beanstandet ein Rechtsmittelführer hingegen die Auslegung oder die Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht, so können die im ersten Rechtszug geprüften Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen(17).

72.      Hinsichtlich der Begründetheit des dritten Rechtsmittelgrundes ist daran zu erinnern, dass nach Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 das HABM in einem Verfahren den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt; soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt. Insoweit ist hervorzuheben, dass ein Antragsteller, der sich auf allgemein bekannte Tatsachen bezieht, die Richtigkeit der von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellungen tatsächlicher Art zu der Bekanntheit vor dem Gericht beanstanden kann.

73.      Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob bestimmte Tatsachen, darunter die Bekanntheit des Zeichens OBELIX, auf die die Beschwerdekammer des HABM ihre Entscheidung gestützt hat, allgemein bekannt sind oder nicht, gehört jedoch zur Würdigung der Tatsachen, die, außer bei deren Verfälschung, nicht der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt(18). Im vorliegenden Fall ist indessen keine Verfälschung ersichtlich.

74.      Daher stellt es keinen Rechtsfehler dar, dass das Gericht in den Randnrn. 32 bis 36 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die rechtliche Beurteilung der Bekanntheit und der Kennzeichnungskraft des Zeichens OBELIX nicht hinreichend durch Tatsachen und Beweismittel untermauert worden sei.

75.      Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

D –    Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts durch Zurückweisung des Antrags, die streitige Entscheidung wegen der unterlassenen Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 aufzuheben

1.      Vorbringen der Parteien

76.      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe dadurch gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts verstoßen, dass es ihren beim Gericht gestellten Antrag zurückgewiesen habe, die streitige Entscheidung deshalb aufzuheben, weil die Beschwerdekammer Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht angewandt habe. Das Gericht habe rechtsfehlerhaft den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens unzutreffend ausgelegt und außerdem unberücksichtigt gelassen, dass die Beschwerdekammer sich nicht auf eine Prüfung der bei ihr vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel hätte beschränken dürfen, sondern ihre Prüfung auf die erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen hätte erstrecken müssen, selbst wenn diese Frage in der Beschwerdebegründung nicht ausdrücklich angesprochen worden sei.

77.      Die Rechtsmittelführerin führt dazu aus, dass, obschon ihr Vorbringen vor der Beschwerdekammer Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 in den Mittelpunkt gestellt habe, eine verständige Lektüre der im Widerspruchsverfahren und im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen hätte ersichtlich werden lassen, dass sie durchgehend ihre Inhaberschaft an der Marke OBELIX geltend gemacht habe, die gleichzeitig als eingetragene Gemeinschaftsmarke, als notorisch bekannte Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 und als eine berühmte Marke geschützt sei. Sie habe stets vorgetragen, dass eine notorisch bekannte Marke, die unter Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 falle, auch eine bekannte Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 sei.

78.      Die von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass die Rechtsmittelführerin ihre Beschwerde ausdrücklich auf Fragen in Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 beschränkt habe, sei unzutreffend, was sie vor dem Gericht auch gerügt habe. Sie habe vor dem Gericht auch das Verhältnis zwischen den Abs. 2 und 5 des Art. 8 der Verordnung Nr. 40/94 thematisiert, um darzutun, dass die durch diese Bestimmungen jeweils geschützten Marken heute die gleiche Konnotation hätten. Das Gericht habe dieses Vorbringen jedoch in dem angefochtenen Urteil nicht in der Sache geprüft, indem es den Antrag für unzulässig erklärt habe.

79.      Das HABM hält diesen Rechtsmittelgrund für offensichtlich unbegründet. Es führt dazu aus, dass die Rechtsmittelführerin in dem Widerspruchsformblatt durch das Ankreuzen der beiden entsprechenden Kästchen ihren Widerspruch auf zwei Gründe – Verwechslungsgefahr mit einer älteren Marke sowie unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke – gestützt habe, als sie die Unterlagen zur Stützung ihres Widerspruchs eingereicht habe. Die Rechtsmittelführerin habe sich auf den letztgenannten Widerspruchsgrund des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 jedoch nicht berufen. Trotz dieser mangelnden Substantiierung habe die Widerspruchsabteilung des HABM diese Bestimmung mit dem Hinweis aufgegriffen, eine Prüfung der Begründetheit des Widerspruchs nach Art. 8 Abs. 5 sei nicht erforderlich, da die Zeichen nicht ähnlich seien. Bei der Erhebung ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung habe die Rechtsmittelführerin die Beschwerdekammer nicht um Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 ersucht und auch in ihrer Beschwerdebegründung diese Bestimmung nicht erwähnt. Demnach und angesichts des Umstands, dass die Rechtsmittelführerin die ältere Marke, deren Kennzeichnungskraft oder Bekanntheit durch die Gemeinschaftsmarkenanmeldung angeblich beeinträchtigt werde, niemals identifiziert habe, sei die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Widerspruchsverfahren eingereichten Unterlagen darauf gerichtet gewesen seien, die Bekanntheit der als eines der beiden älteren Rechte geltend gemachten nicht eingetragenen Marke oder möglicherweise die erhöhte Kennzeichnungskraft der eingetragenen Marke zu beweisen, nicht aber deren Bekanntheit im Sinne von Art. 8 Abs. 5. Folglich habe die Beschwerdekammer über die Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht entschieden.

80.      Anstatt aber zu rügen, dass die Beschwerdekammer durch die unterlassene Prüfung von Art. 8 Abs. 5 den Art. 74 der Verordnung Nr. 40/94 verletzt habe, habe die Rechtsmittelführerin in ihrer sodann beim Gericht eingereichten Klageschrift geltend gemacht, dass die Beschwerdekammer Art. 8 Abs. 5 verletzt habe. Da die Beschwerdekammer indessen diese Bestimmung nicht geprüft habe, habe das Gericht im Licht von Art. 135 § 4 seiner Verfahrensordnung zu Recht entschieden, dass der von der Rechtsmittelführerin beim Gericht gestellte Antrag, über die Anwendung dieser Bestimmung zu entscheiden, unzulässig sei.

2.      Würdigung durch die Generalanwältin

81.      Es ist zunächst festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin im Rahmen ihres Widerspruchs und ihres bei der Beschwerdekammer eingelegten vorgerichtlichen Rechtsbehelfs keine Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 beantragt hat. Der streitigen Entscheidung(19) und den Schriftsätzen der Parteien im vorliegenden Rechtsmittelverfahren sowie dem angefochtenen Urteil und dem Sitzungsbericht des Gerichts lässt sich nämlich entnehmen, dass das Angriffsmittel eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 erstmals vor dem Gericht geltend gemacht wurde.

82.      Es ist zu beachten, dass es, wie die Rechtsmittelführerin hervorhebt(20), verhältnismäßig schwierig ist, eine Unterscheidung zwischen notorisch bekannten Marken und bekannten Marken im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 zu treffen. Denn es besteht eine Ähnlichkeit zwischen Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 40/94 einerseits und Art. 8 Abs. 5 andererseits. Indessen lässt sich aus einer Bezugnahme auf die Berühmtheit und notorische Bekanntheit im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 nicht auch eine Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung herleiten, der die Fallkonstellation betrifft, in der die Waren und Dienstleistungen zweier Marken, von denen eine in der Gemeinschaft bekannt ist, einander nicht ähnlich sind. Durch eine Auslegung in dem Sinne, dass Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 lediglich eine Fortsetzung der Art. 8 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 der Verordnung bilde und diese Bestimmungen daher zusammen zu prüfen seien, obgleich Art. 8 Abs. 5 vor den Stellen des HABM nicht geltend gemacht wurde, würde der Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 5 verkannt. Denn unter dem Gesichtspunkt einer systematischen Auslegung ergibt sich sowohl aus dem inneren als auch aus dem äußeren System des Art. 8 der Verordnung Nr. 40/94, dass in dessen Abs. 1, 2 und 5 unterschiedliche Kriterien niedergelegt sind. Das äußere System – d. h. der Aufbau des Textes – lässt klar erkennen, dass die Abs. 1, 2 und 5 des Art. 8 der Verordnung gesonderte Absätze bilden. Nach dem inneren System – d. h. nach dem inhaltlichen Aufbau des Textes – werden mit diesen Absätzen verschiedene Ziele verfolgt(21).

83.      Nach diesem Gesichtspunkt kann die Rechtsmittelführerin, da sie es versäumt hat, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Widerspruchsabteilung und der Beschwerdekammer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 anzugreifen, ihr eigenes Unterlassen nicht durch die Geltendmachung ähnlicher Bestimmungen heilen.

84.      Im Übrigen ist im Rahmen einer Klage auf Aufhebung einer Entscheidung, mit der der Gemeinschaftsrichter befasst worden ist, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts an dem Sachverhalt und der Rechtslage zu messen, die zur Zeit des Erlasses des Rechtsakts bestanden(22). Gleiches gilt im Rahmen einer Rechtsstreitigkeit nach Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Klage gemäß diesem Artikel nämlich auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM im Sinne von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 gerichtet. Denn soweit es in Art. 63 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 heißt, dass das Gericht „die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern [kann]“, ist dieser Abs. 3 im Licht des Abs. 2, wonach „[d]ie Klage … wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsform oder wegen Ermessensmissbrauchs [zulässig ist]“, und im Rahmen der Art. 229 EG und 230 EG zu sehen. Das Gericht hat die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Beschwerdekammer daher anhand der Rechtsfragen zu kontrollieren, mit denen die Beschwerdekammer befasst wurde(23). Es steht jedoch fest, dass Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht zu den Rechtsfragen gehörte, mit denen die Beschwerdekammer befasst wurde.

85.      Die Rechtsmittelführerin konnte daher keine Entscheidung des Gerichts über das vorliegende Angriffsmittel erwirken, mit dem eine etwaige Verletzung von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und der Verfahrensordnung des Gerichts durch die Zurückweisung des Antrags, die streitige Entscheidung wegen der unterlassenen Anwendung von Art. 8 Abs. 5 aufzuheben, geltend gemacht wird und das nicht in der Phase des Verwaltungsverfahrens vor dem HABM geltend gemacht worden war.

86.      Indem es den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 als unzulässig zurückwies, hat das Gericht nicht Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und Art. 135 § 4 seiner Verfahrensordnung dadurch verletzt, dass es den Antrag zurückwies, die streitige Entscheidung des HABM aufzuheben, weil darin Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht angewandt wurde. Der Rechtsmittelgrund ist daher unbegründet.

E –    Zum fünften Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und die Art. 44, 48 und 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts durch die Zurückweisung des Antrags, die Sache an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen, als unzulässig

1.      Vorbringen der Parteien

87.      Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin verstößt das Urteil des Gerichts deshalb gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und die Art. 44, 48 und 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts, weil darin der von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag, die Sache an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen, um der Rechtsmittelführerin den Nachweis der Bekanntheit der Marke OBELIX zu ermöglichen, als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht hatte die Rechtsmittelführerin beantragt, für den Fall, dass das Gericht entweder dem Hauptantrag, wonach die Beschwerdekammer gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe, stattgeben oder selbst über die Rüge eines Verstoßes gegen diese Bestimmung entscheiden würde, die Sache in jedem Fall an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen, um der Rechtsmittelführerin Gelegenheit zu geben, dieses Vorbringen vor der Beschwerdekammer nachzuweisen.

88.      Die Rechtsmittelführerin macht insoweit erstens geltend, dass der Antrag auf Zurückverweisung der Sache an die Beschwerdekammer, um ihr die Untermauerung ihres Vorbringens zu Art. 8 Abs. 5 durch Beweise zu ermöglichen, kein „neuer“ Antrag sei, sondern lediglich ein Hilfsantrag zu dem auf Art. 8 Abs. 5 gestützten Hauptantrag. Dieser Hilfsantrag bleibe notwendig hinter dem Hauptantrag zurück und bilde damit keinen „neuen“ Antrag im Sinne des angefochtenen Urteils. Zweitens erscheine das Gericht von einem Begriff des „Streitgegenstands“ im Sinne von Art. 135 § 4 seiner Verfahrensordnung auszugehen, wonach dieser jedes Mal eine Änderung erfahre, wenn dem ursprünglichen Antrag ein weiterer „Antrag“ angefügt werde, gleichviel, welcher Art dieser sei oder in welchem Kontext er stehe. Der vor der Beschwerdekammer verhandelte Streitgegenstand habe in der Frage bestanden, ob die Marke MOBILIX für einen Teil der Waren oder für alle Waren, für die sie angemeldet worden sei, als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden könne, da die Rechtsmittelführerin auf der Grundlage ihrer Marke OBELIX Widerspruch erhoben habe. Sie haben diesen Streitgegenstand keineswegs geändert, und der Hauptantrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beschwerdekammer habe notwendig alle damit zusammenhängenden Anträge umfasst.

89.      Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts untersage weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Präzisierung eines Hauptantrags durch Hilfsanträge in einem Stadium des Verfahrens nach der Einreichung der Klageschrift. Auch Art. 48 der Verfahrensordnung des Gerichts enthalte kein solches Verbot.

90.      Das HABM erachtet diesen Rechtsmittelgrund für offensichtlich unbegründet. Der Hilfsantrag sei überdies auf einen neuen Klagegrund gestützt worden, wonach die Beschwerdekammer dadurch gegen Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen haben solle, dass sie nicht über die Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 entschieden habe. Der Hilfsantrag sei von der Rechtsmittelführerin auch erst gestellt worden, nachdem sie erkannt habe, dass ihr Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 5 unzulässig gewesen sei. Da der Hilfsantrag erst in der mündlichen Verhandlung gestellt worden sei, habe ihn das Gericht zu Recht nach den Art. 44 und 48 seiner Verfahrensordnung für unzulässig erklärt.

2.      Würdigung

91.      Wie auch oben in den Nrn. 57 und 70 in Erinnerung gebracht, ist, was etwaige Verfahrensfehler angeht, nach Art. 225 Abs. 1 EG und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Nach der letztgenannten Bestimmung kann das Rechtsmittel auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden(24). Der Gerichtshof kann somit nachprüfen, ob es vor dem Gericht zu Verfahrensfehlern gekommen ist, durch die die Interessen der Rechtsmittelführerin beeinträchtigt werden, und er muss sich vergewissern, dass die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden sind(25).

92.      Die Anträge, auf die in Art. 38 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts Bezug genommen wird, bringen das Rechtsschutzbegehren zum Ausdruck(26) und enthalten den Entscheidungstenor, den der Antragsteller vom Gemeinschaftsrichter erwirken möchte(27). Sie bilden folglich einen Teil des Streitgegenstands und sind in der Antragsschrift zu formulieren.

93.      Wenn der Gemeinschaftsrichter auch die Zulässigkeit von hilfsweise (eventualiter) gestellten Anträgen für den Fall anerkennt(28), dass die in der verfahrenseinleitenden Schrift enthaltenen (principaliter gestellten) Hauptanträge zurückgewiesen werden, scheint die Lage eine andere zu sein, wenn Hilfsanträge erst im Laufe des Verfahrens oder gar in der mündlichen Verhandlung gestellt werden. Denn solche Anträge, obgleich sie hilfsweise gestellt werden, sind neue Anträge, die den Streitgegenstand ändern, weil sie ein Begehren zum Ausdruck bringen, das erst nach Ablauf der Ausschlussfrist für die Erhebung einer Klage vorgebracht wird und bei Zurückweisung des Hauptantrags geprüft werden müsste.

94.      Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt es Art. 42 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs einem Kläger, den Antrag aus dem das Verfahren einleitenden Schriftsatz ausnahmsweise auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu stützen. Sie erlaubt es dem Kläger hingegen keineswegs, neue Anträge zu stellen(29). Ebenso lassen die entsprechenden Bestimmungen des Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts unter bestimmten Umständen das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens zu. Diese Bestimmungen dürfen aber auf keinen Fall so ausgelegt werden, dass sie den klagenden Parteien die Möglichkeit einräumen, den Gemeinschaftsrichter mit neuen Anträgen zu befassen und damit den Streitgegenstand zu ändern(30).

95.      Allerdings ist eine Umformulierung der ursprünglichen Anträge unter der Voraussetzung zulässig, dass sie die Anträge in der verfahrenseinleitenden Schrift nur präzisiert oder dass die umformulierten Anträge hinter den ursprünglichen Anträgen zurückbleiben(31).

96.      Es ist somit zu prüfen, ob der von der Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht gestellte Hilfsantrag eine Umformulierung der bestehenden Anträge bildet oder einen neuen Antrag.

97.      Mit ihrem Hilfsantrag begehrte die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen, dass das Gericht durch die Zurückverweisung der Sache an die Beschwerdekammer, damit sie die Bekanntheit ihrer Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nachweisen könne, dem HABM die Anweisung erteilt, ihr Vorbringen in der Sache zu prüfen. Der Hilfsantrag zielt nicht, wie die Rechtsmittelführerin behauptet, auf eine Präzisierung der sich aus der Aufhebung ergebenden Folgen, sondern auf die Erteilung einer Anordnung an das HABM. Nach Art. 63 Abs. 6 der Verordnung Nr. 40/94 hat das Amt jedoch die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gemeinschaftsrichters ergeben. Das Gericht kann dem HABM somit keine Anordnungen erteilen. Dieses hat die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Gerichts zu ziehen(32).

98.      Es ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mithin als Hilfsantrag einen neuen Antrag stellte, mit dem sie die Erteilung einer Anordnung an das HABM begehrte. Sie versuchte daher, den Streitgegenstand zu ändern.

99.      Das Gericht konnte diesen in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag rechtsfehlerfrei als einen neuen und damit unzulässigen Antrag zurückweisen.

100. Der Rechtsmittelgrund kann nicht durchgreifen.

F –    Zum sechsten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts durch Nichtzulassung bestimmter Unterlagen

1.      Vorbringen der Parteien

101. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin hat das Gericht mit seinem Urteil dadurch gegen Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 und Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts verstoßen, dass es bestimmte erstmals beim Gericht vorgebrachte Unterlagen für unzulässig erklärte. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass die Verfahrensordnung kein Verbot der Einreichung von Beweismitteln beim Gericht enthalte.

102. Die Rechtsmittelführerin wendet sich gegen die vom Gericht vorgenommene Auslegung des Begriffs des Streitgegenstands im Sinne von Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung. Die von ihr vorgebrachten Tatsachen zur Untermauerung ihres Vorbringens seien nicht Teil des „Streitgegenstands“, sondern Beweismittel in dem Verfahren. Sie habe beim Gericht nur deshalb neue Beweismittel eingereicht, weil die Beschwerdekammer als letzte Instanz des Verwaltungsverfahrens die Beweismittel für unzureichend erachtet habe, um das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu belegen.

103. Dass es das Gericht ablehne, bei ihm vorgebrachte Beweismittel zu berücksichtigen, sei auch nicht mit seiner Rolle als die erste gerichtliche Instanz, die die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des HABM kontrolliere, vereinbar.

104. Das HABM verweist darauf, dass die Rolle des Gerichts in der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammer bestehe und nicht in der Prüfung, ob es zu dem Zeitpunkt, zu dem es über eine Klage gegen eine Entscheidung einer Beschwerdekammer des HABM entscheide, rechtmäßig eine neue Entscheidung mit dem gleichen Tenor wie die angefochtene Entscheidung erlassen könne. Demgemäß könne dem HABM kein rechtswidriges Handeln auf der Grundlage von Tatsachen angelastet werden, die ihm nicht vorgetragen worden seien. Vorbringen tatsächlicher Art beim Gericht, das nicht zuvor bei den Stellen des HABM eingeführt worden sei, sei daher unberücksichtigt zu lassen.

2.      Würdigung

105. Wie oben in den Nrn. 57, 70 und 91 ausgeführt, ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge.

106. Es ist auch daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren weder für die Feststellung der Tatsachen zuständig noch grundsätzlich befugt ist, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht diese Feststellung gestützt hat. Sofern die Beweise nämlich ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden sind, ist es allein Sache des Gerichts, den Beweiswert der ihm vorgelegten Beweismittel zu würdigen. Diese Würdigung ist daher, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt(33).

107. Obgleich die Rechtsmittelführerin die Frage aufwirft, ob dadurch, dass die als Beweismittel angebotenen fünf Schriftstücke für unzulässig erklärt wurden, die Verfahrensordnung des Gerichts verletzt wurde, handelt es sich in Wirklichkeit um einen Rechtsmittelgrund, mit dem eine Verfälschung von Beweismitteln geltend gemacht wird.

108. Im vorliegenden Fall sind jedoch keine Verfälschung von Beweismitteln und kein Verstoß gegen die Verfahrensordnung des Gerichts ersichtlich.

109. Selbst wenn die fünf Schriftstücke, die die Rechtsmittelführerin beim Gericht einreichte, geeignet wären, die Bekanntheit des Zeichens OBELIX zu belegen, wurden sie doch dem HABM nicht in dem der streitigen Entscheidung vorangegangenen Verfahren vorgelegt und dort nicht rechtzeitig, d. h. vor Erlass der streitigen Entscheidung, erörtert. Denn im Rahmen einer Klage auf Aufhebung einer Entscheidung, mit der der Gemeinschaftsrichter befasst worden ist, ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts an dem Sachverhalt und der Rechtslage zu messen, die zur Zeit des Erlasses des Rechtsakts bestanden(34).

110. Mit der Bezugnahme auf Art. 135 § 4 seiner Verfahrensordnung in Randnr. 16 des angefochtenen Urteils wollte das Gericht die Natur des Verfahrens einer Aufhebungsklage hervorheben. Es ist jedoch unstreitig, dass die fünf Schriftstücke beim HABM nicht eingereicht wurden. Um berücksichtigt zu werden, hätten sie jedoch im Verwaltungsverfahren vor dem HABM eingereicht werden müssen.

111. Der sechste Rechtsmittelgrund geht daher ins Leere.

112. Das Rechtsmittel ist daher insgesamt zurückzuweisen.

VI – Kosten

113. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Werden gemäß meinem Vorschlag alle Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, sind ihr folglich die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

VII – Ergebnis

114. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      das Rechtsmittel zurückzuweisen und

2.      der Les Éditions Albert René SARL die Kosten aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. 1994, L 11, S. 1.


3 – ABl. 1991, L 136, S. 1, mit Berichtigungen im ABl. 1991, L 193, S. 44, und L 317, S. 34.


4 – Vgl. Randnr. 5 des angefochtenen Urteils.


5 – ABl. 2004, L 361, S. 15.


6 – Fasching, W., Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Wien 1990, S. 883, Rosenberg, L./Schwab, K.‑H./Gottwald, P., Zivilprozessrecht, 16. Aufl., München 2004, S. 983, sowie Rechberger, W./Simotta, D.‑A., Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Wien 2003, S. 454 f.


7 – Rechberger, W./Simotta, D.‑A., a. a. O., S. 455. In der Literatur wird hervorgehoben, dass eine Abänderung zugunsten des Rechtsbehelfsgegners nur möglich ist, wenn auch dieser gegen dieselbe Entscheidung vor demselben Gericht Rechtsbehelf eingelegt hat.


8 – Fasching, W., Zivilprozeßrecht, S. 884.


9 – Zur Definition des Begriffs der „moyens d’ordre public“ im Gemeinschaftsrecht vgl. Lenaerts, K./Arts, D./Maselis, I./Bray, R., Procedural Law of the European Union, 2. Aufl., London 2006, S. 288 f., Sladič, J., „Die Begründung der Rechtsakte des Sekundärrechts der EG in der Rechtsprechung des EuGH und des EuG“, Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht Nr. 46 (2005), S. 127, und Castillo de la Torre, F., „Le relevé d’office par la juridiction communautaire“, Cahiers de droit européen Nr. 3‑4/2005, S. 395 (421).


10 – Es ist festzustellen, dass der beispielsweise für das französische und belgische Recht typische Begriff der „moyens“ (Klagegründe) recht genau dem Begriff der „actio“ im römischen Recht entspricht. Die Verwendung dieses Systems vor dem Gemeinschaftsrichter und die Unterteilung in „moyens d’ordre public“ und in „moyens de légalité interne“ werden in der Lehre von früheren Richtern des Gerichtshofs zu Recht kritisiert. So weist der frühere deutsche Richter Ulrich Everling darauf hin, dass Prozessbeteiligte aus nichtromanischen Ländern oft Schwierigkeiten hätten, sich in diesem System zurechtzufinden, da es den einheitlichen Prozessstoff in Teile zerlege (Everling, U., „Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Mitgliedstaaten“, Die Ordnung der Freiheit: Festschrift für Christian Starck zum siebzigsten Geburtstag, 2007, S. 542).


11 – Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 11. Februar 2003 in der Rechtssache Buzzi Unicem/Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑267, Randnr. 217).


12 – Sitzungsbericht in der Rechtssache T‑336/03, Randnrn. 31 bis 33.


13 – Ebd., Randnrn. 34 und 35.


14 – Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2005, BioID/HABM (C‑37/03 P, Slg. 2005, I‑7975, Randnr. 43).


15 – Beschluss vom 9. März 2007, Alecansan/HABM (C‑196/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).


16 – Diese Randnummer lautet: „Die begrifflichen Unterschiede zwischen den in Frage stehenden Zeichen sind daher geeignet, ihre klangliche und etwaige bildliche Ähnlichkeit zu neutralisieren.“


17 – Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2006, Storck/HABM (C‑25/05 P, Slg. 2006, I‑5719, Randnr. 48).


18 – Ebd., Randnr. 53.


19 – Randnr. 7 der streitigen Entscheidung.


20 – Randnr. 143 der Rechtsmittelschrift.


21 – Zu den Begriffen des inneren und äußeren Systems vgl. Heck, P., „Das Problem der Rechtsgewinnung“, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, Berlin und Zürich 1968, S. 188 f.


22 – Urteil des Gerichts vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission (15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnr. 7). In dieser Rechtssache bestritt die Französische Republik die Rechtmäßigkeit bestimmter Entscheidungen über von ihr vorgelegte Rechnungsabschlüsse für vom EAGFL finanzierte Ausgaben in den Haushaltsjahren 1971 und 1972, wofür sie sich auf eine nach dem Erlass der Entscheidungen vorgenommene Behebung der festgestellten Mängel berief.


23 – Urteil des Gerichts vom 31. Mai 2005, Solo Italia/HABM – Nuova Sala (PARMITALIA) (T‑373/03, Slg. 2005, II‑1881, Randnr. 25).


24 – Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission (C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 18).


25 – Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juni 2000, TEAM/Kommission (C‑13/99 P, Slg. 2000, I‑4671, Randnr. 36).


26 – Rideau, J./Picod, F., Code des procédures juridictionnelles de l’Union européenne, 2. Aufl., Paris 2002, S. 592.


27 – Lenaerts, K./Arts, D./Maselis, I./Bray, R., a. a. O., S. 553.


28 – Rideau, J./Picod, F., Code des procédures juridictionnelles de l’Union européenne, S. 592. Vgl. zu den Hilfsanträgen aus der Lehre Rosenberg, L./Schwab, K.‑H./Gottwald, P., Zivilprozessrecht, 16. Aufl., München 2004, S. 649.


29 – Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1979, GEMA/Kommission (125/78, Slg. 1979, 3173, Randnr. 26).


30 – Urteil des Gerichts vom 18. September 1992, Asia Motor France u. a./Kommission (T‑28/90, Slg. 1992, II‑2285, Randnr. 43).


31 – Urteile des Gerichts vom 21. Oktober 1998, Vicente-Nufiez/Kommission (T‑100/96, Slg. ÖD 1998, I‑A-591 und II‑1779, Randnr. 51), und vom 2. Juni 2005, Strohm/Kommission (T‑177/03, Slg. ÖD 2005, I‑A-147 und II‑651, Randnr. 21).


32 – Urteile des Gerichts vom 31. Januar 2001, Mitsubishi HiTec Paper Bielefeld/HABM (Giroform) (T‑331/99, Slg. 2001, II‑433, Randnr. 33), vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM (EUROCOOL) (T‑34/00, Slg. 2002, II‑683, Randnr. 12), und vom 3. Juli 2003, Alejandro/HABM – Anheuser-Busch (BUDMEN) (T‑129/0l, Slg. 2003, II‑225l, Randnr. 22), sowie Beschluss des Gerichts vom 6. September 2006, Hensotherm/HABM (T‑366/04, Slg. 2006, II‑65, Randnr. 17).


33 – Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission (C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg. 2007, I‑729, Randnr. 38).


34 – Urteil Frankreich/Kommission (oben in Fn. 22 angeführt, Randnr. 7).