Language of document : ECLI:EU:C:2012:173

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JÁN MAZÁK

vom 27. März 2012(1)

Verbundene Rechtssachen C‑553/10 P und C‑554/10 P

Europäische Kommission (C‑553/10 P),

Lagardère SCA (C‑554/10 P)

gegen

Éditions Odile Jacob SAS

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Französischsprachiges Verlagswesen – Nichtigerklärung der Entscheidung über die Zulassung von Wendel Investissement als Käufer der weiterveräußerten Vermögenswerte – Bedeutung der fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten – Sachverhaltsverfälschung – Verletzung der Begründungspflicht“






1.        Mit den vorliegenden Rechtsmitteln wenden sich die Kommission (Rechtssache C‑553/10 P) und die Lagardère SCA (Rechtssache C‑554/10 P) gegen das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Éditions Odile Jacob/Kommission(2). Die Kommission und Lagardère beantragen die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit mit ihm die Entscheidung (2004) D/203365 der Kommission vom 30. Juli 2004 (im Folgenden: Zulassungsentscheidung) über die Zulassung der Wendel Investissement SA (im Folgenden: Wendel) als Erwerber der Vermögenswerte für nichtig erklärt worden ist, die gemäß der Entscheidung 2004/422/EG der Kommission vom 7. Januar 2004 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum(3) (im Folgenden: mit Auflagen verbundene Genehmigungsentscheidung) veräußert wurden.

2.        Offenbar wurde damit zum ersten Mal eine Entscheidung der Kommission über die Zulassung eines Käufers von Vermögenswerten für nichtig erklärt, die nach Maßgabe der im Rahmen eines Zusammenschlussverfahrens abgegebenen Verpflichtungszusagen veräußert wurden. Das Gericht hat die Zulassungsentscheidung wegen einer möglicherweise fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten für nichtig erklärt. Ich möchte erstens darauf hinweisen, dass Verpflichtungszusagen, die bei einer Genehmigung von Zusammenschlüssen zur Auflage gemacht werden, ein zentrales Instrument der Entscheidungspraxis der Kommission darstellen, und zweitens, dass den zur Überwachung eingesetzten Beauftragten eine entscheidende Rolle dabei zukommt, die tatsächliche Erfüllung der Verpflichtungszusagen sicherzustellen(4).

I –    Vorgeschichte des Rechtsstreits

3.        Der recht komplizierte Sachverhalt, der den vorliegenden Rechtsmitteln zugrunde liegt, ist im Einzelnen in den Randnrn. 1 bis 47 des angefochtenen Urteils dargestellt. Ich werde an dieser Stelle nur einige wenige maßgebende Tatsachen skizzieren und ansonsten lediglich auf den genannten Abschnitt des angefochtenen Urteils verweisen, das hier nicht in aller Ausführlichkeit wiedergegeben zu werden braucht.

4.        Mit der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung vom 7. Januar 2004 genehmigte die Kommission den Zusammenschluss, in dessen Rahmen die Lagardère SCA (im Folgenden: Lagardère) vorbehaltlich der Erfüllung mehrerer Verpflichtungszusagen die Kontrolle über bestimmte Vermögenswerte der Vivendi Universal Publishing SA (im Folgenden: VUP)(5), die zu Éditis wurde, übernehmen konnte. Mit dem angemeldeten Zusammenschluss wurden die Geschäftstätigkeiten der beiden größten Unternehmen auf dem Markt für französischsprachiges Verlagswesen, nämlich Hachette und VUP, zusammengelegt. Diese beiden Unternehmen waren auch die einzigen, die auf diesem Markt zu einer autonomen Weiterentwicklung in der Lage waren, da sie neben ihrer Verlagstätigkeit auch die umfassende Verwertung (Vertrieb und Auslieferung) sowie die Herausgabe beliebter Taschenbuchreihen betrieben. Die Kommission stellte daher Probleme wegen der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auf zwölf Märkten fest. Daraufhin bot die Anmelderin, Lagardère, Abhilfemaßnahmen an: Sie verpflichtete sich zur Weiterveräußerung sämtlicher Vermögenswerte von Éditis (im Folgenden: weiterveräußerte oder weiterzuveräußernde Vermögenswerte) mit Ausnahme bestimmter Vermögenswerte.

5.        In Anhang II der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung vom 7. Januar 2004 sind die Bedingungen für die Veräußerung eines Teils der Éditis-Vermögenswerte aufgeführt. Insbesondere sind in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen die Bedingungen genannt, die im Hinblick auf den unabhängigen Käufer bzw. den von der Anmelderin gewählten Käufer erfüllt sein müssen. Die Auswahl des oder der Käufer(s) unterliegt nach Abs. 14 wiederum der Zulassung durch die Kommission. Im Zuge des von Lagardère betriebenen Verkaufs bekundete die Klägerin des ersten Rechtszugs, die Verlagsgesellschaft Éditions Odile Jacob SAS (im Folgenden: Odile Jacob), ihr Interesse an der Übernahme der von Éditis weiterzuveräußernden Vermögenswerte. Letztlich beantragte Lagardère bei der Kommission jedoch, Wendel als Käuferin dieser Vermögenswerte zuzulassen.

6.        Am 5. Februar 2004 billigte die Kommission i) A. K. als sogenannten „Hold Separate Manager“ und den am 30. Januar 2004 hierzu unterbreiteten Mandatsentwurf sowie ii) die Kanzlei S., vertreten durch ihren Präsidenten B., als Beauftragten und den am 30. Januar 2004 hierzu vorgelegten Mandatsentwurf (im Folgenden: Entscheidung über den Beauftragten). Am 9. Februar 2004 benannte Lagardère die Kanzlei S. als Beauftragten. Am 5. Juli 2004 legte die Kanzlei S. der Kommission ihren zusammenfassenden Bericht vor, in dem sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Bewerbung von Wendel den in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen von Lagardère festgelegten Zulassungskriterien entspreche. Mit der Zulassungsentscheidung vom 30. Juli 2004 ließ die Kommission Wendel als Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte gemäß Abs. 14 der Verpflichtungszusagen zu, die der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung vom 7. Januar 2004 beigefügt worden waren.

II – Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

7.        Odile Jacob erhob beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung und stützte sich auf vier Klagegründe, mit denen sie geltend machte, dass die Kommission erstens ihre Pflicht verletzt habe, die Auswahl der Käuferkandidaten für die weiterzuveräußernden Vermögenswerte zu überprüfen, zweitens Wendel auf der Grundlage des Berichts eines Beauftragten zugelassen habe, der nicht von Éditis, Lagardère und Wendel unabhängig gewesen sei, drittens gegen die ihr obliegende Begründungspflicht verstoßen habe und viertens bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Bewerbung von Wendel mit den in Abs. 10 Buchst. b der Verpflichtungszusagen von Lagardère festgelegten Kriterien für die Zulassung als Käufer der weiterzuveräußernden Vermögenswerte einen offensichtlichen Fehler begangen habe.

8.        Zum vierten Klagegrund hat das Gericht darauf hingewiesen, dass B., der Präsident der Wirtschaftsprüfungskanzlei S., am 20. Dezember 2002 in der Eigenschaft als unabhängiger Dritter zum Mitglied des Vorstands von Investima 10, der Eigentümerin der Zielvermögenswerte, ernannt worden sei(6). Außerdem habe Lagardère am 9. Februar 2004 die Kanzlei S. als Beauftragten benannt, der nach Abs. 21 Buchst. g ihrer im Anhang II der Entscheidung vom 7. Januar 2004 wiedergegebenen Verpflichtungszusagen die Aufgabe gehabt habe, „Sorge für die zufriedenstellende Erfüllung“ der Veräußerung der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zu tragen, und in dieser Eigenschaft von Lagardère eine Vergütung erhalten habe. Die Kanzlei S. sei somit als Beauftragter im Sinne von Abs. 15 der Verpflichtungszusagen von Lagardère benannt worden, und ihr Präsident habe die mit dieser Aufgabe verbundene Tätigkeit ausgeübt, obwohl er auch Mitglied des Vorstands von Investima 10 gewesen sei, die danach zu Éditis geworden sei. Darüber hinaus habe B. vom 9. Februar 2004, dem Tag der Benennung der Kanzlei S., bis zum 25. März 2004, dem Tag der Umwandlung von Éditis in eine vereinfachte Aktiengesellschaft (société par actions simplifiée, SAS), die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds von Éditis und die eines Beauftragten gleichzeitig ausgeübt.

9.        Insoweit ist das Gericht zu der Auffassung gelangt(7), dass Zweifel an der Neutralität bestünden, die B. bei der Wahrnehmung der Aufgabe als Beauftragter hätte zu erkennen geben müssen. Die Ausübung der Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds habe es B. folglich nicht erlaubt, in voller Unabhängigkeit die Befugnisse eines unabhängigen Beauftragten wahrzunehmen. Der – der Kommission vorgelegte – Bericht zur Bewertung der Bewerbung von Wendel um den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte sei somit von einem Beauftragten erstellt worden, der nicht dem Erfordernis der Unabhängigkeit gegenüber Éditis genügt habe. Zudem ergebe sich aus Randnr. 6 der Zulassungsentscheidung, dass diese insbesondere auf dem Bericht des Beauftragten beruhe und dass der Bericht entscheidenden Einfluss auf sie ausgeübt habe. Die fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten sei ein Rechtsverstoß, der die Zulassungsentscheidung rechtswidrig mache. Daher sei die betreffende Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen Klagegründe geprüft zu werden brauchten, auf die Odile Jacob ihren Nichtigkeitsantrag gestützt habe.

III – Zu den Rechtsmitteln

10.      In der Rechtssache C‑553/10 P stützt die Kommission ihr Rechtsmittel auf drei Gründe. Lagardère unterstützt die Rechtsmittelanträge der Kommission und schließt sich den hierzu vorgetragenen Ausführungen an. In der Rechtssache C‑554/10 P stützt Lagardère ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe. Auch die Kommission unterstützt im Wesentlichen die Rechtsmittelanträge von Lagardère und trägt vor, dass die insoweit vorgetragenen Ausführungen ihren eigenen in der erstgenannten Rechtssache weitgehend entsprächen. Mit Ausnahme des in der Rechtssache C‑554/10 P geltend gemachten ersten Rechtsmittelgrundes, der Rüge der Rechtswidrigkeit – auf die ich gesondert in Teil A der vorliegenden Schlussanträge eingehen werde –, entsprechen und ergänzen sich die beiden Rechtsmittel und die dafür angeführten Gründe meines Erachtens in einem Maße, dass sie (in Teil B) zusammen geprüft werden sollten.

A –    Rechtssache C‑554/10 P (erster Rechtsmittelgrund: Rüge der Rechtswidrigkeit)

11.      In der Rechtssache C‑554/10 P wirft Lagardère dem Gericht mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es sich auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung über den Beauftragten gestützt habe, um die Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung zu begründen. Nach Ansicht von Lagardère ist zu unterscheiden zwischen der die Unabhängigkeit des Beauftragten betreffenden Rüge einerseits und der Rüge bezüglich der Gültigkeit der Zulassungsentscheidung andererseits. Da Odile Jacob die Entscheidung über den Beauftragten nicht fristgerecht angefochten habe, sei es ihr verwehrt gewesen, die Entscheidung nach Erlangung der Bestandskraft anzugreifen.

12.      Lagardère rügt, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es sich zur Begründung der Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung auf die Feststellung gestützt habe, dass die Benennung des Beauftragten rechtswidrig gewesen sei, weil davon auszugehen sei, dass sich dessen Vertreter in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Éditis befunden habe, und dass diese Rechtswidrigkeit wiederum die Zulassungsentscheidung rechtswidrig mache. Nach ständiger Rechtsprechung(8) könne ein Kläger im Rahmen einer gegen eine Entscheidung gerichteten Nichtigkeitsklage nicht die Rechtswidrigkeit einer früheren Rechtshandlung gleicher Art geltend machen, deren Nichtigerklärung er unmittelbar hätte beantragen können. Andernfalls würde die mittelbare Anfechtung früherer Entscheidungen, die nicht innerhalb der Klagefrist von Art. 263 AEUV angefochten wurden, und somit die Umgehung dieser Frist ermöglicht. Die Begründung des Gerichts laufe letztlich auf eine Beanstandung der – eine eigenständige Entscheidung darstellenden – Benennung des Beauftragten über die Rüge der Rechtswidrigkeit der Zulassungsentscheidung hinaus. Das Gericht habe nicht unmittelbar die Gründe für die Zulassungsentscheidung beanstandet, sondern die Gründe für die Benennung des Beauftragten im Vorfeld der Zulassungsentscheidung.

13.      Die Entscheidung über den Beauftragten sei den Beteiligten am 15. Februar 2005 mitgeteilt worden; ab diesem Zeitpunkt habe die Entscheidung Odile Jacob beschwert und eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV dargestellt. Die Entscheidung hätte – so Lagardère – daher innerhalb der festgelegten Frist durch eine eigenständige Klage angefochten werden müssen, also unabhängig von der gegen die Zulassungsentscheidung gerichteten Klage. Deshalb sei es unzulässig, dass das Gericht die Nichtigerklärung der bestandskräftigen Zulassungsentscheidung mit der Rechtswidrigkeit der Benennung des Beauftragten begründet habe.

14.      Wendel schließt sich den Ausführungen von Lagardère in vollem Umfang an, die Kommission hingegen nicht.

15.      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auf eine ausdrückliche Frage des Gerichtshofs erklärt, sie habe sich in ihrem Streithilfeschriftsatz gegen eine förmliche Unterstützung des hier in Rede stehenden Rechtsmittelgrundes von Lagardère entschieden. Eine Voraussetzung für die Heranziehung der von Lagardère angeführten Rechtsprechung sei, dass die Klägerin des ersten Rechtszugs, Odile Jacob, ein Rechtsschutzinteresse an einer Anfechtung der Entscheidung über den Beauftragten und damit die Möglichkeit zur Erhebung einer zulässigen Klage dagegen hatte. Die Kommission sei sich nicht sicher, ob Odile Jacob tatsächlich ein solches Rechtsschutzinteresse gehabt habe, und habe sich daher entschlossen, es dem Gerichtshof zu überlassen, sich zu dieser Frage zu äußern.

16.      Meines Erachtens genügt der Hinweis, dass die Entscheidung über den Beauftragten nicht als isolierte Entscheidung zu betrachten ist, sondern als Bestandteil einer Reihe von Handlungen, die zum Erlass der Zulassungsentscheidung geführt haben, durch die Wendel als Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zugelassen wurde. Aus der Rechtsprechung(9) ergibt sich nämlich, dass bei komplexen Verfahren, die aus mehreren unabhängigen Handlungen zusammengesetzt sind, von den Betroffenen nicht verlangt werden kann, so viele Klagen zu erheben, wie das Verfahren Handlungen umfasst, die sie beschweren. Außerdem ist eine Klage, die sich ausdrücklich gegen eine Maßnahme richtet, die mit mehreren anderen eine Einheit bildet, erforderlichenfalls als gegen die anderen gerichtet anzusehen. Soweit also eine Klage formell gegen eine Handlung erhoben wird, die zu einer Mehrzahl von Handlungen gehört, die eine Einheit bilden, muss sie in dem erforderlichen Umfang auch als gegen die anderen Handlungen erhoben angesehen werden.

17.      Im Übrigen wurde die Entscheidung über den Beauftragten Odile Jacob auf deren Wunsch erst am 17. Februar 2005 mitgeteilt, während sie die Klage auf Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung, mit der Wendel als Erwerber zugelassen wurde, am 8. November 2004 erhoben hatte. Bereits mit dieser Klage hatte Odile Jacob Rügen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Billigung des Beauftragten und die Konsequenzen für die Gültigkeit der Zulassungsentscheidung vorgetragen, mit der Wendel als Erwerber zugelassen wurde. Eine ergänzende Klage wäre daher sinnlos und überflüssig gewesen, da Odile Jacob unter Zugrundelegung der Rechtsprechung(10) die Fehlerhaftigkeit der früheren Handlung (Entscheidung über den Beauftragten) jedenfalls im Wege einer Klage gegen eine spätere Handlung (Zulassungsentscheidung) geltend machen durfte, durch die sie unmittelbar betroffen und beschwert wurde.

18.      Demnach ist der erste Rechtsmittelgrund von Lagardère in der Rechtssache C‑554/10 P zurückzuweisen.

B –    Rechtssache C‑553/10 P und Rechtssache C‑554/10 P (zweiter Rechtsmittelgrund betreffend die Begründung der Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung)

1.      Rechtssache C‑553/10 P (erster Rechtsmittelgrund betreffend die Nichtprüfung der Folgen der möglicherweise fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten gegenüber Éditis für seine Aufgabe in Bezug auf Wendel) und Rechtssache C‑554/10 P (erster und vierter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes)

19.      Die Kommission mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund und Lagardère mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund (erster und vierter Teil) machen im Wesentlichen geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es nicht die Folgen der möglicherweise fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten gegenüber Éditis für seine Aufgabe in Bezug auf Wendel geprüft habe.

20.      Zunächst möchte ich hier die einschlägigen Randnummern des angefochtenen Urteils untersuchen. Das Gericht erklärt in Randnr. 94 des angefochtenen Urteils: „Da B. zu dem Zeitpunkt, als die Kanzlei S., deren Präsident er war, als Beauftragter benannt wurde, Vorstandsmitglied von Investima 10, inzwischen Éditis, war und anschließend die Aufgaben eines Vorstandsmitglieds zur selben Zeit wahrnahm wie die Aufgabe eines Beauftragten, mit der er von der Kanzlei S. betraut worden war, befand er sich in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Éditis, das geeignet war, Zweifel an der Neutralität aufkommen zu lassen, die er bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu erkennen geben musste.“

21.      In Randnr. 104 des angefochtenen Urteils gelangt das Gericht zu dem Schluss: „Die Ausübung der Tätigkeit eines Mitglieds des Leitungsorgans von Investima 10, später Éditis, in deren Interesse er sich verpflichtet hatte, im Rahmen seines Organverhältnisses nach den ‚Grundsätzen der Verwaltung [der Zielvermögenswerte] mit der Sorgfalt eines guten Familienvaters‘ zu handeln, vom 20. Dezember 2002 bis zum 25. März 2004, erlaubte es B. folglich nicht, in voller Unabhängigkeit die Befugnisse eines unabhängigen Beauftragten im Sinne von Abs. 15 der Verpflichtungszusagen von Lagardère wahrzunehmen.“

22.      In Randnr. 107 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht daher fest: „Folglich wurde der Bericht zur Bewertung der Bewerbung von Wendel um den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte, aufgrund dessen die [Zulassungsentscheidung] erlassen wurde, von einem Beauftragten erstellt, der nicht dem Erfordernis der Unabhängigkeit gegenüber Éditis genügte, das in Abs. 15 der in Anhang II der Entscheidung vom 7. Januar 2004 enthaltenen Verpflichtungszusagen von Lagardère aufgestellt worden war.“

23.      In Randnr. 108 des angefochtenen Urteils fügt das Gericht hinzu: „Was die Auswirkung des Berichts auf den Inhalt der [Zulassungsentscheidung] angeht, ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus Randnr. 5 dieser Entscheidung hervorgeht, die Kanzlei S. in ihrer Eigenschaft als Beauftragter gebeten worden war, der Kommission einen Bericht vorzulegen, in dem die Bewerbung von Wendel als Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte anhand der Zulassungskriterien beurteilt wird, die in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen von Lagardère im Anhang zur Entscheidung vom 7. Januar 2004 festgelegt sind.“

24.      Zunächst einmal meine ich, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, im Rechtsmittelverfahren die vom Gericht vorgenommene Würdigung der fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten im vorliegenden Fall zu erörtern.

25.      Des Weiteren macht Odile Jacob geltend, es sei nicht zu beanstanden, dass das Gericht die Frage, ob der Beauftragte die Aufgabe eines Mitglieds des Éditis-Vorstands unter Wahrung der Unabhängigkeit gegenüber diesem Unternehmen wahrnehmen konnte, anhand des französischen Rechts, insbesondere des französischen Handelsgesetzbuchs, geprüft habe, da es sich insoweit lediglich um die Anwendung der lex societatis und um die Ermittlung des auf eine Gesellschaft anwendbaren Rechts nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts, einschließlich u. a. der Rom-I‑Verordnung(11), gehandelt habe. Wie dem auch sei, meines Erachtens geht es im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels um die Frage, ob der Begriff „Beauftragter“ und insbesondere das Erfordernis seiner Unabhängigkeit nach innerstaatlichem Recht oder nach Unionsrecht zu beurteilen ist. Meiner Meinung nach ist die Frage eindeutig im letzteren Sinne zu beantworten, da das Erfordernis der Unabhängigkeit des Beauftragten – das in Abs. 15 der in Anhang II der Entscheidung vom 7. Januar 2004 wiedergegebenen Verpflichtungszusagen aufgestellt worden ist – in der gesamten Europäischen Union in gleicher Weise ausgelegt und beurteilt werden sollte.

26.      Ich stimme daher Wendel und der Kommission darin zu, dass sich das Gericht bei der Entscheidung über das Erfordernis der Unabhängigkeit vielmehr auf die Kriterien hätte stützen müssen, die in der Mitteilung der Kommission von 2001 über Abhilfemaßnahmen(12) sowie in den von der Kommission 2003 herausgegebenen Best Practice Guidelines: Model Texts for Divestiture Commitments and the Trustee Mandate(13) niedergelegt sind. Tatsächlich verlangen weder die Best Practice Guidelines für Verpflichtungszusagen für die Veräußerung in Fusionsfällen (vgl. Ziff. 40) noch die Model Texts selbst – also das Standard Model for Divestiture Commitments und das Standard Model for Trustee Mandates (vgl. Ziff. 17 bzw. Ziff. 20) – die Unabhängigkeit des Beauftragten gegenüber der Zielgesellschaft, hier Éditis. Schließlich geht das von der Kommission erarbeitete Standard Model for Trustee Mandates ausdrücklich davon aus, dass der Beauftragte Mitglied des Leitungsorgans des Zielunternehmens sein kann, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Aufgabe erforderlich ist. Auch den Best Practice Guidelines lässt sich eindeutig entnehmen, dass es sich bei dem Überwachungstreuhänder und dem Veräußerungstreuhänder um ein und dieselbe Person handeln kann (vgl. Ziff. 35) und dass dies nicht zuletzt wegen der beim Überwachungstreuhänder bereits vorhandenen Kenntnisse oftmals sogar sinnvoll ist.

27.      Sodann ist daran zu erinnern, dass die Kommission im ersten Rechtszug geltend gemacht hatte, das Vorbringen zur fehlenden Unabhängigkeit sei unbegründet, da Odile Jacob nicht nachgewiesen habe, dass dieser potenzielle Verstoß den Beauftragten veranlasst habe, einen Bericht zu erstellen, der nicht objektiv und daher geeignet gewesen sei, die Kommission bei ihrer Zulassungsentscheidung irrezuführen.

28.      Das Gericht hat dieses Vorbringen in Randnr. 80 des angefochtenen Urteils zur Kenntnis genommen, es aber unterlassen, in irgendeiner Weise darauf einzugehen und die Frage zu prüfen.

29.      Das Gericht hat lediglich in Randnr. 107 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Beauftragte „nicht dem Erfordernis der Unabhängigkeit gegenüber Éditis genügte“. Dabei hat es nicht untersucht, inwiefern die fehlende Unabhängigkeit geeignet war, die vom Beauftragten vorgenommene Bewertung der Qualitäten von Wendel als Erwerber der Vermögenswerte von Éditis – was Gegenstand der Zulassungsentscheidung war – zu beeinträchtigen und infolgedessen zur Erstellung eines voreingenommenen Berichts zu führen, der die Kommission hätte irreführen können.

30.      Deshalb bin ich wie die Kommission der Meinung, dass das Gericht nicht nur gegen seine Begründungspflicht verstoßen, sondern auch die Rechtsprechung missachtet hat, der zufolge die fehlende Unabhängigkeit einer Person, die mit der Bewertung eines Bewerbers beauftragt ist(14), nur dann rechtliche Bedeutung hat, wenn nachgewiesen ist, dass diese Person in ihre Bewertung ein anderes Interesse hat einfließen lassen als das der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgabe(15).

31.      Das Gericht hat somit nicht geprüft, ob sich der Umstand, dass der Beauftragte gegenüber Éditis nicht hinreichend unabhängig war, auf die inhaltliche Objektivität seines Berichts und auf die Bewertung von Wendel als Erwerber auswirken konnte. Folglich hat das Gericht die fragliche Entscheidung aufgrund eines nicht durchgreifenden Klagegrundes für nichtig erklärt.

32.      Ich meine sogar, dass selbst dann, wenn man den Nachweis der unzureichenden Unabhängigkeit des Beauftragten unterstellt, das Gericht trotzdem konkret hätte prüfen müssen, inwiefern diese fehlende Unabhängigkeit die Fähigkeit des Beauftragten beeinträchtigen konnte, die Bewerbung von Wendel anhand der in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen von Lagardère genannten Kriterien zu bewerten.

33.      Odile Jacob stellt in ihren Ausführungen im Wesentlichen auf die Definition der Begriffe Abschlussprüfer und Wirtschaftsprüfer(16) sowie auf die Empfehlung der Kommission vom 16. Mai 2002 – Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU – Grundprinzipien(17) ab.

34.      Meines Erachtens helfen diese Ausführungen Odile Jacob jedoch nicht weiter. Es genügt der Hinweis, dass diese Argumentation nicht dazu dienen kann, den fehlerhaften Ansatz des angefochtenen Urteils zu heilen. Sie ändert nichts daran, dass das Gericht gleichwohl verpflichtet war, die Konsequenzen der fehlenden Unabhängigkeit für das Mandat des Beauftragten konkret zu untersuchen.

35.      Demgegenüber ist meines Erachtens die Rechtsprechung zu den Rechtspflichten der Beamten der Union viel relevanter und erhellender: Ein beruflicher Kontakt eines Beamten mit einem Dritten stellt für sich allein genommen noch nicht die Unabhängigkeit des Beamten in Frage, und zwar selbst dann nicht, wenn dieser über eine Sache, an der der Dritte beteiligt ist, insbesondere über dessen Beurteilung, zu entscheiden hat. Die rein abstrakte Gefahr eines Interessenkonflikts auf Seiten des Beamten genügt nicht für die Feststellung einer Verletzung von Rechtspflichten, vorausgesetzt es gibt kein „konkretes Sachverhaltselement, das die Annahme rechtfertigt, dass der Beurteilende durch spezifische Handlungen die ihm obliegenden Pflichten der Unabhängigkeit und Integrität verletzt hat“(18).

36.      Wie Lagardère hervorhebt, war eine solche Beurteilung – die der konkreten Feststellung dient, ob die fehlende Unabhängigkeit geeignet war, die Fähigkeit des Beauftragten zur Bewertung der Bewerbung von Wendel zu beeinträchtigen – auch angesichts der Rechtsprechung geboten, wonach eine Entscheidung nur dann für nichtig erklärt werden kann, wenn erwiesen ist, dass sie ohne die gerügten Unregelmäßigkeiten anders ausgefallen wäre. Mit anderen Worten: Selbst wenn festgestellt wird, dass der Beauftragte nicht ordnungsgemäß benannt wurde, hätte das Gericht darlegen müssen, dass die Zulassungsentscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders ausgefallen wäre(19). So hat z. B. das Gericht im Urteil HFB u. a./Kommission(20) entschieden, dass, selbst wenn man unterstellt, dass für das Durchsickern vertraulicher Informationen, die in dem wegen Verstoß gegen Wettbewerbsvorschriften der Union eingeleiteten Verwaltungsverfahren benutzt worden waren, Dienststellen der Kommission unter Verletzung der Bestimmungen über das Berufsgeheimnis verantwortlich waren, dies jedenfalls keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung hätte, da nicht erwiesen ist, dass die Entscheidung tatsächlich nicht erlassen worden wäre oder einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn es die fraglichen Vorkommnisse nicht gegeben hätte. Es liegt auf der Hand, dass diese Regel die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ermöglicht. Wie Wendel und die Kommission ausführen, ist die Prüfung der vorstehend kursiv wiedergegebenen Voraussetzung erforderlich, da sie es erlaubt, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Beachtung der Rechts- und Verfahrensvorschriften auf der einen Seite und der Wahrung der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz auf der anderen Seite zu erzielen.

37.      So ist der Gerichtshof im Bereich staatlicher Beihilfen im Urteil Deutschland/Kommission(21) im Anschluss an die Feststellung, dass der Anspruch Deutschlands (Adressat einer Kommissionsentscheidung über die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt) auf rechtliches Gehör verletzt wurde, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rüge der Verletzung dieses Anspruchs nicht zur Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung führen konnte, da die deutsche Regierung im Verfahren vor dem Gerichtshof keine tatsächlichen oder rechtlichen Umstände hatte nennen können, die, wären sie der Regierung mitgeteilt worden, die Kommission zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätten. Im Urteil Schneider Electric/Kommission(22) hat das Gericht im Anschluss an die Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte zunächst eine eingehende Prüfung der tatsächlichen Folgen dieser Verletzung für die Entscheidung vorgenommen und ist dann erst zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entscheidung für nichtig zu erklären sei. Wie die Kommission hervorhebt, ist das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Verletzung der Verteidigungsrechte die Nichtigerklärung der Entscheidung nach sich ziehen müsse, erst gekommen, nachdem es zuvor festgestellt hatte, dass die fragliche Entscheidung anders hätte ausfallen können – insbesondere da die Klägerin Gelegenheit gehabt hätte, Vorschläge zur Vornahme von Vermögensübertragungen vorzulegen, die zu einer Genehmigung hätten führen können. Schließlich gibt es Rechtsprechung(23), wonach bei einer Nichtigkeitsklage die Rüge eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers unerheblich ist und daher die Nichtigerklärung der Entscheidung nicht rechtfertigt, wenn er unter den konkreten Umständen des jeweiligen Falles das Ergebnis nicht entscheidend hätte beeinflussen können.

38.      In Fusionsfällen gilt nach dem Urteil Honeywell International/Kommission(24) Folgendes: „Wenn … der verfügende Teil einer Entscheidung der Kommission auf mehreren Begründungspfeilern ruht, von denen jeder allein schon den verfügenden Teil tragen würde, so ist dieser Rechtsakt grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jeder dieser Pfeiler rechtswidrig ist. Ein Irrtum oder ein anderer Rechtsfehler, der nur einem der Begründungspfeiler anhaftet, genügt in diesem Fall nicht, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, da er den vom Organ beschlossenen verfügenden Teil nicht entscheidend hätte beeinflussen können … [W]enn ein Begründungspfeiler, der allein schon den verfügenden Teil eines Rechtsakts trägt, von einem Kläger mit seiner Nichtigkeitsklage nicht in Frage gestellt wird, [dann sind] dieser Begründungspfeiler und damit der auf ihn gestützte Rechtsakt als rechtmäßig und dem Kläger gegenüber bestandskräftig anzusehen … [Diese Regel gilt insbesondere für Entscheidungen auf dem Gebiet der Kontrolle von Zusammenschlüssen.]“ Schließlich hat der Gerichtshof im Urteil Falck und Acciaierie de Bolzano/Kommission(25) ausgeführt, dass „[d]ie Rechtsfehler, die die angefochtene Entscheidung und das angefochtene Urteil in dieser Hinsicht enthalten, … keine Auswirkung auf deren Rechtmäßigkeit [haben]. Auch ohne diese Rechtsfehler wäre nämlich hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt der Tenor der angefochtenen Entscheidung ebenso ausgefallen, und das Gericht hätte die Entscheidung insoweit gleichfalls bestätigen müssen. Der Rechtsmittelgrund einer rechtlich fehlerhaften Wahl des anwendbaren Beihilfenkodex greift daher nicht durch.“

39.      Anders verhält es sich beim angefochtenen Urteil. Wie Wendel vorträgt, hat das Gericht die gebotene Prüfung schlichtweg unterlassen. Es hat nicht dargelegt, dass die Verbindung zwischen Éditis und dem Vertreter des Beauftragten den Inhalt des Berichts zur Bewertung der Bewerbung von Wendel hätte beeinflussen können. Die Aufgabe des Beauftragten bestand in der Prüfung, ob Wendel ein lebens- und leistungsfähiger Markbeteiligter ist und über die wirtschaftlichen Anreize für die Aufrechterhaltung bzw. Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs verfügt. Prima facie konnte sich daher die fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten nicht auf dessen Aufgabe der Beurteilung des Bewerbers um den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte auswirken. Im Übrigen betrifft die vom Gericht vorgenommene Prüfung der fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten eindeutig nicht die Frage, ob Wendel über die für einen adäquaten Erwerber notwendigen Qualitäten verfügte.

40.      Entsprechend weist die Kommission darauf hin, dass der Beauftragte die Aufgabe hatte, objektiv zu beurteilen, ob der von Lagardère gewählte Erwerber der Vermögenswerte von Éditis, also Wendel, die Fähigkeit besaß, diese Vermögenswerte zu vermehren und deren wirksame Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Lagardère zu erhalten. Eindeutig hatte der Beauftragte daher zu diesem Zweck darauf zu achten, dass der Erwerber der Vermögenswerte von Éditis zur Wahrung der Interessen dieses Unternehmens in der Lage ist. Selbst wenn also die Verbindungen zu Éditis den Beauftragten im Rahmen seiner Aufgabe veranlasst haben sollten, den Interessen von Éditis über Gebühr Rechnung zu tragen – was das Gericht nicht als Tatsache festgestellt hat –, so bleibt es doch dabei, dass seine Aufgabe genau darin bestand, diese Interessen zu berücksichtigten und zu beurteilen, ob der Erwerber sie in Zukunft wahren würde. Die Erledigung seiner Aufgabe war im vorliegenden Fall also nicht beeinträchtigt, da im Rahmen der ihm obliegenden Berichterstattung über die Qualitäten des Erwerbers die Berücksichtigung der Interessen von Éditis gerade zu seinen Aufgaben gehörte. Etwas anderes könnte selbstverständlich gelten, wenn eine fehlende Unabhängigkeit etwa gegenüber dem Erwerber der Vermögenswerte, d. h. gegenüber Wendel, festgestellt worden wäre.

41.      In Randnr. 106 des angefochtenen Urteils scheint das Gericht diese Argumentation implizit zurückzuweisen, indem es nämlich andeutet, dass eine Voreingenommenheit zugunsten von Éditis letztlich inakzeptable Konsequenzen für die Neutralität des Beauftragten gegenüber Lagardère nach sich gezogen hätte.

42.      Ich bin (ebenso wie die Kommission) der Meinung, dass das Gericht damit abstrakt geprüft hat, ob der Beauftragte dem Erfordernis der Unabhängigkeit genügte. Man kann einen für Wendel sprechenden Bericht nicht mit der Begründung in Frage stellen, dass der Beauftragte zu negativ gegenüber Lagardère eingestellt gewesen sei, wenn Lagardère doch selbst Wendel als Erwerber ausgesucht und sich der Beauftragte in seinem Bericht für dieses Unternehmen ausgesprochen hat. Außerdem hat das Gericht in keiner Weise untersucht, inwiefern ein positiver Bericht über Wendel – in dem es heißt, man könne bei diesem Unternehmen davon ausgehen, dass es zur Vermehrung der Vermögenswerte von Éditis in der Lage sei – beeinträchtigt worden sein sollte. Mit anderen Worten: Das Gericht hat nicht untersucht, ob die fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten gegenüber Éditis dazu führte, dass der Bericht in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit von Wendel gegenüber Lagardère nicht objektiv oder nicht verlässlich war.

43.      Demnach wird in dem angefochtenen Urteil offenkundig nicht aufgezeigt, dass ein solcher möglicher Zweifel an der Unabhängigkeit des Beauftragten dessen Bewertung der Bewerbung von Wendel konkret hätte beeinflussen können.

44.      Außerdem ist zu berücksichtigen, dass – wie Lagardère hervorhebt – nach der Rechtsprechung(26) eine Entscheidung, deren Begründung in bestimmten Teilen rechtswidrig ist, nur insoweit für nichtig erklärt werden kann, als sie nicht aus anderen Gründen rechtlich hinreichend gerechtfertigt ist. Daher genügt jedenfalls die bloße Tatsache, dass der Bericht des Beauftragten entscheidenden Einfluss auf die Zulassungsentscheidung hatte, für sich allein noch nicht, um die fragliche Entscheidung für nichtig zu erklären.

45.      Darüber hinaus ist das angefochtene Urteil insofern unzureichend begründet, als darin nicht dargelegt wird, weshalb mögliche Zweifel an der Unabhängigkeit des Beauftragten auch nur den geringsten Einfluss auf die Beurteilung von Wendel anhand der in den Verpflichtungszusagen von Lagardère aufgestellten Zulassungskriterien haben sollten.

46.      Schließlich halte ich es auch für bedeutsam, dass bei Zusammenschlüssen die abschließende Entscheidung über die Zulassung eines Erwerbers der weiterveräußerten Vermögenswerte stets bei der Kommission liegt, die sich dabei nicht nur auf den Bericht des Beauftragten stützt, sondern Auskünfte von Amts wegen einholt. So verhielt es sich im vorliegenden Fall. Der Beauftragte, der hier die Aufgabe hatte, den Erwerber zu bewerten und sich dazu zu äußern, ob dieser seiner Meinung nach die in den Verpflichtungszusagen aufgeführten Voraussetzungen erfüllt, tritt nicht an die Stelle der Kommission, die das letzte Wort bei der Zulassung des Erwerbers hat. Diese Entscheidung wird von der Kommission nicht etwa an den Beauftragten „delegiert“(27).

47.      Es ist darauf hinzuweisen, dass Odile Jacob in ihrer Stellungnahme selbst davon auszugehen scheint, dass das Gericht nicht geprüft hat, ob die Zulassungsentscheidung anders ausgefallen wäre. Sie macht jedoch im Wesentlichen geltend, dass die vorstehende Argumentation fehlgehe, da die vom Gericht festgestellte Rechtswidrigkeit die Verletzung einer „wesentlichen vertraglichen Verpflichtungszusage, die durch die Entscheidung der Kommission verbindlich wurde“, betreffe und daher automatisch den gesamten Entscheidungsprozess hinsichtlich des aufgrund der Verpflichtungszusagen durchzuführenden Verkaufs hinfällig mache. Es bedürfe keines Nachweises dafür, inwiefern die fehlende Objektivität des Beauftragten sich auf die Erstellung des fraglichen Berichts ausgewirkt und damit zur Irreführung der Kommission im Rahmen ihrer Zulassungsentscheidung geführt habe, da die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift vorliege, die per se zur Nichtigkeit der Entscheidung führe. Odile Jacob zieht zur Stützung ihres Vorbringens die Rechtsprechung des Gerichts zu Prüfungsausschüssen für Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst sowie das Urteil Decoster(28) entsprechend heran.

48.      Diese Argumentation kann im vorliegenden Fall jedoch nicht durchgreifen. Um hier eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift annehmen zu können, müsste ein äußerst schwerer Verstoß gegen fundamentale Grundsätze des Unionsrechts vorliegen(29). Das Erfordernis der Unabhängigkeit des Beauftragten hat seinen Ursprung jedoch lediglich in der Verpflichtungszusage, die ein Privater im Rahmen einer bestimmten Entscheidung der Kommission gegeben hat. Selbst was das Vorliegen eines vom Beauftragten erstellten Berichts angeht, beruht die Verpflichtung zur Erstellung eines solchen Berichts ausschließlich auf dem Vertrag zwischen Lagardère und dem Beauftragten. Die Kommission trägt daher zutreffend vor, dass es bei dieser Frage nicht um einen fundamentalen Rechtsgrundsatz gehe, der auf einer höherrangigen Rechtsnorm beruhe. Das Erfordernis der Unabhängigkeit gegenüber Éditis resultiert nämlich nicht aus einer zwingenden, dem Schutz des Allgemeininteresses dienenden generellen Norm.

49.      Was sodann die Berufung von Odile Jacob auf die Rechtsprechung zu Prüfungsausschüssen für Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst angeht, so genügt der Hinweis, dass diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, da der Beauftragte mit seiner Stellungnahme lediglich eine Beratungsfunktion wahrnimmt – im Gegensatz zu den Prüfungsausschüssen, die selbst die eigentliche Entscheidung treffen. Das Vorbringen von Odile Jacob zum Urteil Decoster(30) ist nicht geeignet, das Ergebnis der vorliegenden Schlussanträge in Frage zu stellen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil sich die Funktion des Beauftragten im Entscheidungsprozess grundlegend von der Funktion einer Stelle unterscheidet, die mit der Festschreibung der technischen Spezifikationen, der Kontrolle ihrer Anwendung und der Gerätezulassung betraut ist, die von den im Bereich der Telekommunikation Waren und/oder Dienstleistungen anbietenden öffentlichen oder privaten Unternehmen unabhängig sein muss. In der Rechtssache Decoster leitete sich nämlich das Unabhängigkeitserfordernis aus dem Vertrag und einer Richtlinie der Kommission her, während dieses Erfordernis hier – wie bereits oben in Nr. 48 angemerkt – lediglich aus einer Verpflichtungszusage herrührt, die ein Privater im Rahmen einer bestimmten Entscheidung der Kommission gegeben hat. Selbst was das Vorliegen eines vom Beauftragten erstellten Berichts angeht, beruht die Verpflichtung zur Erstellung eines solchen Berichts ausschließlich auf dem Vertrag zwischen Lagardère und dem Beauftragten.

50.      Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht den unionsrechtlichen Begriff der Unabhängigkeit eines Beauftragten fehlerhaft ausgelegt hat. Das Gericht hätte die aufgrund der Verbindung zu Éditis möglicherweise fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten im Einzelfall anhand der von den Beteiligten vorgetragenen konkreten Umstände prüfen müssen. Ich stimme Lagardère darin zu, dass im vorliegenden Fall das Mandat von B. wohl in keiner Weise die Erfüllung des Auftrags des Beauftragten gefährdet hat, dem es oblag, seine Aufgaben objektiv und transparent wahrzunehmen. Das Mandat von B. auf der einen Seite, der als unabhängiger Dritter Mitglied des Vorstands des Unternehmens war, das Eigentümer der weiterzuveräußernden Vermögenswerte war, und die dem Beauftragten obliegende Aufgabe auf der anderen Seite begründeten keineswegs einen Interessenkonflikt, sondern dienten im Gegenteil beide der Unabhängigkeit von Éditis und stellten demzufolge einander ergänzende Aufgaben dar. Die vom Gericht (in Randnr. 99 des angefochtenen Urteils) angeführten Konflikte zwischen dem Beauftragten und Lagardère – in denen der Beauftragte nachdrücklich die mit den Vermögenswerten verbundenen Interessen vertrat –, sind Beleg für die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Beauftragten und den Umstand, dass er seinen allgemeinen Auftrag, für die zufriedenstellende Erfüllung der Verpflichtungszusagen von Lagardère Sorge zu tragen, ausgeführt hat.

51.      Ich finde es überraschend, dass das Gericht das Erfordernis der Unabhängigkeit, das die Kommission aufgestellt und im vorliegenden Fall aufgrund einer konkreten Betrachtungsweise für erfüllt erachtet hat(31), aufgrund einer abstrakten Betrachtungsweise anhand der Bestimmungen des französischen Handelsgesetzbuchs als nicht erfüllt angesehen hat. Auch wenn die Mitteilung der Kommission von 2008 über Abhilfemaßnahmen in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar ist, ergibt sich aus der darin enthaltenen Klarstellung doch immerhin, dass die frühere – auch im vorliegenden Fall geübte – Praxis der Kommission richtig ist, wonach die Unabhängigkeit des Beauftragten im Einzelfall anhand der von den beteiligten Unternehmen übermittelten konkreten Informationen zu beurteilen ist.

52.      Nach alledem hat das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es automatisch und abstrakt zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten die Zulassungsentscheidung „rechtswidrig macht“ (vgl. Randnr. 118 des angefochtenen Urteils). Folglich ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

2.      Rechtssache C‑553/10 P (zweiter Rechtsmittelgrund) und Rechtssache C‑554/10 P (dritter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes) betreffend einen Rechtsfehler, eine widersprüchliche Begründung und eine Sachverhaltsverfälschung durch die Feststellung des Gerichts, dass der Bericht des Beauftragten entscheidenden Einfluss auf die Zulassungsentscheidung ausgeübt habe

53.      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Kommission dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen und den Sachverhalt verfälscht zu haben, dass es festgestellt habe, dass der Bericht des Beauftragten – der laut Randnr. 107 des angefochtenen Urteils nicht dem Erfordernis der Unabhängigkeit genügte – entscheidenden Einfluss auf die Zulassungsentscheidung gehabt habe. Ähnlich rügt Lagardère mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund (dritter Teil), dass das Gericht den Sachverhalt verfälscht und das angefochtene Urteil offensichtlich mangelhaft begründet habe, indem es festgestellt habe, dass der Bericht des Beauftragten einen solchen Einfluss auf die Zulassungsentscheidung ausgeübt habe.

54.      Entgegen dem, was Odile Jacob offenbar meint, zielen diese beiden Rechtsmittelgründe nicht auf eine Überprüfung der vom Gericht vorgenommenen Tatsachenwürdigung ab. Die Kommission macht vielmehr zutreffend geltend, dass das Gericht bei der Untersuchung des entscheidenden Einflusses einen Rechtsfehler begangen habe, da es nicht dem Umstand Rechnung getragen habe, dass die Zulassungsentscheidung tatsächlich von der Kommission getroffen werde, die über die vollständigen Unterlagen und nicht nur über den Bericht des Beauftragten verfüge, und dass die Entscheidungsbefugnis bei der Kommission verbleibe. Auch Lagardère hat Recht mit ihrer Auffassung, dass dem Gericht insoweit eine Sachverhaltsverfälschung und ein Begründungsmangel vorzuwerfen seien. Daher sind beide Rechtsmittelgründe offensichtlich zulässig.

55.      Ich möchte vorab daran erinnern, dass – wie im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes der Kommission deutlich geworden ist – die Kommission zwar zur Berücksichtigung des Berichts des Beauftragten verpflichtet ist, an dessen Stellungnahme jedoch rechtlich nicht gebunden ist und gleichwohl die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen hat, um festzustellen, ob der Erwerber die Zulassungskriterien tatsächlich erfüllt. In den Best Practice Guidelines (oben in Fn. 13 angeführt, siehe Ziff. 28) heißt es, dass der Bericht des Überwachungstreuhänders lediglich „ein Element bei der Beurteilung [der Kommission]“ darstellt.

56.      Meines Erachtens widerspricht sich das Gericht, wenn es in Randnr. 109 des angefochtenen Urteils darauf hinweist, dass die Zulassungsentscheidung „insbesondere“, aber nicht „ausschließlich“ auf dem Bericht des Beauftragten beruhe, gleichzeitig aber zu dem Ergebnis kommt, dass eben dieser Bericht entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung ausgeübt habe. Damit hat das Gericht die Aufgabenverteilung zwischen der Kommission und dem Beauftragten in dem einschlägigen Verfahren verkannt. Erneut sei gesagt, dass es – entgegen dem Vorbringen von Odile Jacob – allein Sache der Kommission ist, über die Zulassung eines Kaufbewerbers zu entscheiden. Die in dem Bericht des Beauftragten enthaltene Beurteilung wird selbstverständlich bei der abschließenden Entscheidung berücksichtigt, jedoch ist die Kommission keineswegs rechtlich an die Stellungnahme des Beauftragten gebunden und ist berechtigt, die Beurteilung des Beauftragten durch ihre eigene zu ersetzen, ohne dass sich hieraus irgendwelche Rechtsfolgen ergäben.

57.      Im Übrigen kann ich nicht genug betonen, dass die Kommission zur Durchführung der erforderlichen Untersuchungen, zur Einholung von Auskünften von Amts wegen durch ihre eigenen Dienststellen und zur Anforderung von Informationen verpflichtet bleibt. Im vorliegenden Fall sind mehrere solcher Ersuchen an Lagardère und an Wendel ergangen. Die Kommission hat sich eindeutig nicht ausschließlich auf den Bericht des Beauftragten gestützt. Ich bleibe dabei, dass sie das von Rechts wegen auch gar nicht durfte. Diese Regel kam z. B. im Urteil Microsoft/Kommission(32) zur Anwendung, das Abhilfemaßnahmen und die Aufgabe des Überwachungsbeauftragten in einer Kartellsache betraf und in dem das Gericht zu Recht ausgeführt hat, dass die Kommission „die ihr durch die Verordnung Nr. 17[(33)] verliehenen Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse nicht auf einen Dritten übertragen darf“. 

58.      Im vorliegenden Fall hatte die Kommission vor dem Gericht dargetan, dass sie eine sehr detaillierte Untersuchung durchgeführt hatte – tatsächlich umfassen ihre Akten mehrere Tausend Blatt. Insoweit vermag ich auch nicht dem Vorbringen von Odile Jacob zu folgen, dem zufolge es der Kommission selbst obliege, die Beweismittel beizubringen, aus denen sich ihrer Ansicht nach ergebe, dass sie sich nicht ausschließlich auf den Bericht des Beauftragten gestützt habe, und dem zufolge die Kommission dem Gericht diese Beweismittel nicht vorgelegt habe. Insoweit genügt der Hinweis, dass sich das Gericht seinerseits gegen eine Beweisaufnahme entschieden hat, mit der es sich über die Untersuchung der Kommission hätte informieren können. Ohne eine solche Beweisaufnahme durfte das Gericht keine Feststellung darüber treffen, ob der Bericht des Beauftragten entscheidenden Einfluss hatte.

59.      Meines Erachtens lässt sich aus gewissen Ähnlichkeiten in den Formulierungen des Berichts des Beauftragten und der abschließenden Entscheidung der Kommission nicht folgern, dass der betreffende Bericht „entscheidenden Einfluss“ auf sie ausgeübt hat, wie dies in Randnr. 110 des angefochtenen Urteils nahegelegt wird. Eine Reihe von Beispielen kann nicht als Beweis gelten – insbesondere für einen Einfluss, der „entscheidend“ sein soll. Wie die Kommission hierzu vorträgt, belegt gerade der Hinweis, dass der Beauftragte bestimmte Gesichtspunkte in derselben Weise „unterstreicht“ (Randnr. 112 des angefochtenen Urteils) oder dass beide Dokumente einen bestimmten Umstand gleichlautend „ausführen“ (Randnr. 113 des angefochtenen Urteils), dass in dem Bericht des Beauftragten lediglich objektive Tatsachen und überprüfbare Gesichtspunkte aufgegriffen und letztlich keine subjektiven Beurteilungen vorgenommen werden. Jedenfalls ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen, dass die in den Randnrn. 112, 113, 114 und 116 des angefochtenen Urteils angeführten Umstände auch in der Antwort von Wendel auf ein Auskunftsverlangen vom 11. Juni 2004(34) erwähnt werden, die dem Beauftragten und der Kommission gleichermaßen zugänglich war. Schließlich genügt bezüglich Randnr. 115 des angefochtenen Urteils der Hinweis, dass die Zulassungsentscheidung keineswegs „in wesentlichen Teilen auf den Bericht [des Beauftragten] zurückgeht“ (vgl. Randnr. 111 des angefochtenen Urteils), sondern sich offenkundig lediglich an den Kriterien orientiert, die in Abs. 10 Buchst. c der Verpflichtungszusagen von Lagardère aufgeführt sind.

60.      Im Übrigen meine ich, dass das Gericht den Sachverhalt verfälscht und sein Urteil offensichtlich mangelhaft begründet hat. Der Kommission standen nämlich weitere, gegenüber dem Bericht des Beauftragten eigenständige Informationsquellen zur Verfügung, wie etwa der von Lagardère eingereichte Antrag auf Erteilung der Genehmigung, die diesem Antrag beigefügte Darstellung des Veräußerungsvorhabens, die schriftlichen Antworten von Lagardère und Wendel auf mehrere Auskunftsverlangen der Kommission, der Bericht von Secafi Alpha für die Vertreter von Éditis vom 2. Juli 2004, die von Wendel anlässlich eines Treffens mit der Kommission vorgelegten Informationen sowie der Meinungsaustausch über die Bewerbung von Wendel mit den Personalvertretungen von Éditis und bestimmten anderen Beteiligten. Wie oben dargelegt, verweist das Gericht lediglich auf eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Zulassungsentscheidung und dem Bericht des Beauftragten, ohne letztlich die in den Akten befindlichen Beweismittel, die die Kommission zur Begründung ihrer Zulassungsentscheidung tatsächlich herangezogen hat, mit dem Inhalt dieser Entscheidung zu vergleichen. In der Zulassungsentscheidung beurteilt die Kommission die Bewerbung von Wendel im Wesentlichen anhand der Kriterien, die in der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung aufgeführt sind. Da in dieser mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung ähnliche Formulierungen verwendet werden wie in der Zulassungsentscheidung und im Bericht des Beauftragten und da die mit Auflagen verbundene Genehmigungsentscheidung vor dem Bericht des Beauftragten erlassen wurde, kommt das Gericht aufgrund seiner rein formal auf die Ähnlichkeit der Formulierungen abstellenden Würdigung zu einem falschen Ergebnis.

61.      Ich bin daher der Auffassung, dass das Gericht dem Bericht des Beauftragten eine zu große, hier nicht durch den Sachverhalt gerechtfertigte Bedeutung beigemessen und generell die Funktion des Beauftragten im Zulassungsverfahren verkannt hat. Das Gericht hat dabei außer Acht gelassen, dass für die Zulassung des Erwerbers allein die Kommission zuständig ist und dass die einschlägigen Unionsvorschriften die Benennung eines Beauftragten im Rahmen von Verpflichtungszusagen nicht einmal zwingend vorschreiben(35). Tatsächlich kann es vorkommen, dass die Kommission eine Entscheidung trifft, ohne dass überhaupt jemand einbezogen wird oder ein Beauftragter einen Bericht erstellt.

62.      Die Zulassungsentscheidung der Kommission besteht wie jede Entscheidung einer Verwaltungs- oder gerichtlichen Stelle aus einem die tatsächlichen Grundlagen betreffenden und einem die rechtlichen Grundlagen betreffenden Teil. Im vorliegenden Fall muss zwischen diesen beiden Teilen unterschieden werden.

63.      Der Bericht des Beauftragten gehört stets nur den tatsächlichen Grundlagen, was u. a. daraus deutlich wird, dass der Beauftragte keine rechtliche Begründung für seine Auffassungen und Ergebnisse gibt sowie dass die Kommission in jedem Fall verpflichtet ist, eine eigene Beweisaufnahme durchzuführen, um die abschließende Entscheidung zu treffen – ganz ähnlich wie hier. Daher darf die Unabhängigkeit des Beauftragten einzig und allein anhand seines Beitrags zur Feststellung der Tatsachen beurteilt werden, die der Entscheidung der Kommission zugrunde liegen. Wenn der Beauftragte richtige und objektiv überprüfbare Tatsachenfeststellungen präsentiert, ist die Sache nicht zu beanstanden. Tut er das nicht, etwa weil er Tatsachen falsch darstellt oder falsch würdigt, haben wir es unter Umständen mit einem Fall fehlender Unabhängigkeit zu tun (ähnlich verhält es sich übrigens bei der Bestellung eines Sachverständigen, der in einer bestimmten Sache ein Gutachten abgeben soll). Es bleibt jedoch dabei, dass der die Rechtsgrundlage der Kommissionsentscheidung betreffende Teil ausschließlich der Kommission vorbehalten bleibt und dass der Beauftragte auf diesen Teil keinen Einfluss hat. Folglich kann die Kommission den Tatsachenfeststellungen im Bericht des Beauftragten entweder folgen oder aber sie durch ihre eigenen Feststellungen ersetzen. Die abschließende rechtliche Beurteilung liegt jedoch stets in der Sphäre der Kommission: Unionsrechtlich ist allein die Kommission zu einer solchen Beurteilung in einer Sache befugt (wie oben in Nr. 46 dargelegt, delegiert die Kommission diese Befugnis nicht, und wie oben in Nr. 57 gezeigt, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission dies auch gar nicht dürfte, selbst wenn sie es wollte). Andernfalls bestünde die Möglichkeit, auch den Beauftragten zu verklagen, was selbstverständlich nicht in Frage kommt.

64.      Demnach enthält die Begründung des angefochtenen Urteils Rechtsfehler, ist in sich widersprüchlich und beruht auf einer Verfälschung des Sachverhalts, da das Gericht festgestellt hat, dass der Bericht des Beauftragten entscheidenden Einfluss auf die Zulassungsentscheidung ausgeübt habe. Folglich ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

3.      Rechtssache C‑553/10 P (dritter Rechtsmittelgrund) und Rechtssache C‑554/10 P (zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes)

65.      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der zwei Teile umfasst, rügt die Kommission zum einen eine fehlerhafte Rechtsauslegung in Bezug auf die Erheblichkeit des ersten, die Gültigkeit der Zulassungsentscheidung betreffenden Klagegrundes und zum anderen eine Verletzung der Begründungspflicht in dieser Hinsicht. Lagardère macht mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund (zweiter Teil) geltend, das Gericht habe in seiner Begründung nicht dargelegt, inwiefern die Verbindungen zwischen dem Vertreter des Beauftragten und Éditis dazu hätten führen können, dass der Bericht des Beauftragten an die Kommission inhaltlich rechtswidrig sei.

66.      Aus meiner Würdigung in den vorliegenden Schlussanträgen geht hervor, dass dem Gericht dadurch ein offensichtlicher Rechtsfehler unterlaufen ist, dass es die Zulassungsentscheidung allein aufgrund der Feststellung einer fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten für nichtig erklärt hat, ohne zu prüfen, ob das Ergebnis der Entscheidung der Kommission – die Zulassung von Wendel als Erwerber – bei unterstellter Unabhängigkeit des Beauftragten hätte anders ausfallen können.

67.      Odile Jacob wendet im Wesentlichen ein, dass die fehlende Unabhängigkeit des Beauftragten nicht nur eine einfache Unregelmäßigkeit darstelle, die keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung haben könne. Ich bin der Ansicht, dass diese Argumentation fehlgeht und dass das Gericht die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs(36) missachtet hat, der zufolge eine Unregelmäßigkeit, sofern es sich nicht um die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift handelt(37), nur dann zur vollständigen oder teilweisen Nichtigerklärung der Entscheidung führt, wenn festgestellt wird, dass die Entscheidung ohne die Unregelmäßigkeit inhaltlich anders hätte ausfallen können.

68.      Insbesondere hat der Gerichtshof in dem oben genannten Urteil in den Randnrn. 103 f. ausgeführt, dass „[g]emäß Art. 231 Abs. 1 EG [jetzt Art. 264 AEUV] und Art. 224 Abs. 6 EG [jetzt Art. 254 AEUV] … das Gericht, wenn die Klage begründet ist, die angefochtene Handlung für nichtig [erklärt] … Insoweit ist festzustellen, dass allein die Tatsache, dass das Gericht einen von der klagenden Partei zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemachten Klagegrund für begründet hält, ihm nicht erlaubt, den angefochtenen Rechtsakt ohne Weiteres insgesamt für nichtig zu erklären. Eine vollständige Nichtigerklärung kann nämlich nicht erfolgen, wenn der betreffende Klagegrund, der nur einen spezifischen Aspekt des angefochtenen Rechtsakts betrifft, ganz offensichtlich allein eine teilweise Nichtigerklärung rechtfertigen kann.“

69.      Es genügt der Hinweis, dass das Gericht völlig automatisch und lakonisch erklärt, dass die Unregelmäßigkeit die Zulassungsentscheidung rechtswidrig gemacht habe. Dabei hat es weder tatsächlich geprüft, ob die Entscheidung der Kommission auf anderen Gründen als den Feststellungen im Bericht des Beauftragten beruhte, noch, ob nicht aus Beweismitteln, die der Kommission zur Kenntnis gebracht und von ihr zu den Akten genommen worden waren, folgte, dass Wendel in jedem Fall die Voraussetzungen für eine Zulassung durch die Kommission erfüllte.

70.      Tatsächlich hatte die Kommission gemäß Abs. 14 der in Anhang II der Entscheidung vom 7. Januar 2004 wiedergegebenen Verpflichtungszusagen den Käufer zuzulassen, sofern dieser die in Abs. 10 der Verpflichtungszusagen aufgeführten Bedingungen erfüllte. Es handelt sich daher um eine objektive Beurteilung, und das von der Kommission verfolgte Ziel ist dabei nicht, den besten Käufer auszuwählen, sondern lediglich zu kontrollieren, ob der vorgesehene Käufer die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt. Ich halte es in dieser Hinsicht für bezeichnend, dass die Kommission nach Erlass des angefochtenen Urteils das Verfahren wiederaufnahm und nach Vorbereitung der Entscheidung in einem neuen Verfahren inter partes und mit einem von Éditis vollkommen unabhängigen Beauftragten wiederum Wendel – und nicht Odile Jacob – als Erwerber der Vermögenswerte zuließ. Somit ist das Ergebnis selbst ohne Unregelmäßigkeit das gleiche: Die Zulassungsvoraussetzungen werden und wurden von Wendel erfüllt.

71.      Ein Beispiel für den richtigen Ansatz findet sich in einer früheren Entscheidung des Gerichts. In einer Rechtssache, die den Bereich der Fusionskontrolle betrifft, hat das Gericht insbesondere im Hinblick auf den Anhörungsbeauftragten ausgeführt, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, eine spezifische Bestimmung des fraglichen Beschlusses zu nennen, die der Anhörungsbeauftragte verletzt hätte, noch eine Bestimmung aufzuzeigen, anhand deren der Anhörungsbeauftragte, anders als er es getan habe, hätte handeln können, wenn er gewusst hätte, dass er den Beschluss anzuwenden habe(38). Darüber hinaus lässt sich vertreten, dass eine Verletzung der Verteidigungsrechte in einer Sache (z. B., wenn die Kommission Unterlagen nicht vorlegt) nicht als solche geahndet wird, sondern dass man zunächst diese Unterlagen konkret untersuchen muss. Sodann ist auf Rechtsprechung zu verweisen, aus der sich eindeutig ergibt, dass ein Kläger kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung einer Entscheidung hat, wenn nach der Aufhebung nur erneut eine Entscheidung mit dem gleichen Inhalt ergehen könnte(39). Schließlich hat das Gericht auch entschieden, dass ein Rechtsverstoß, der von einem Ausschuss bei der Beurteilung der Bewerbung eines Bewerbers begangen wird, nicht dergestalt ist, dass er per se die Rechtmäßigkeit der Ausschussentscheidung in Frage stellen kann, da „ein Bewerber kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung einer Entscheidung hat, wenn bereits sicher ist, dass sie nur bestätigt werden könnte“(40).

72.      Im vorliegenden Fall hat das Gericht nicht aufgezeigt, inwiefern der angenommene Mangel an Unabhängigkeit des Beauftragten Auswirkungen auf die von der Kommission vorgenommene rechtliche Beurteilung der Eignung von Wendel für den Erwerb der weiterzuveräußernden Vermögenswerte hatte.

73.      Ich stimme der Kommission darin zu, dass das angefochtene Urteil keinerlei Anhaltspunkte enthält, die den Schluss erlauben könnten, dass die Zulassungsentscheidung ohne die im Urteil festgestellte Unregelmäßigkeit anders hätte ausfallen können. Tatsächlich erkennt das Gericht keine Fehler oder Ungenauigkeiten in der vom Beauftragten vorgenommenen Beurteilung des Käufers, es räumt in Randnr. 109 des angefochtenen Urteils ein, dass die Entscheidung nur „insbesondere“ auf dem Bericht des Beauftragten beruhe, und es zeigt keine Folgen auf, die sich aus dem angeblichen Mangel an Unabhängigkeit für den Bericht hätten ergeben können.

74.      Zum zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der die Verletzung der Begründungspflicht betrifft, macht Odile Jacob geltend, dass es keiner Prüfung bedürfe, ob das Gericht die Frage hätte untersuchen müssen, ob die Zulassungsentscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre, wenn der Beauftragte unabhängig gewesen wäre, und dass das Gericht demzufolge sein Urteil hinreichend begründet habe.

75.      Diese Argumentation kann meines Erachtens nicht durchgreifen. Das Gericht hat sich nämlich trotz der sehr deutlichen und umfangreichen Rechtsprechung, die oben in mehreren Nummern angeführt wurde – und trotz des entsprechenden Vorbringens vor dem Gericht seitens der Kommission (Ziff. 49 bis 55 der Klagebeantwortung und Ziff. 35 der Gegenerwiderung), seitens Wendel (Ziff. 24 ihres Streithilfeschriftsatzes) und seitens Lagardère (Ziff. 19 ihres Streithilfeschriftsatzes) sowie der mündlichen Ausführungen –, nicht die Mühe gemacht, die Rechtsgrundlage und die Gründe für seine Feststellung zu erläutern, dass eine Verbindung zwischen dem Vertreter des Beauftragten und Éditis die Zulassungsentscheidung „rechtswidrig macht“ (Randnr. 118 des angefochtenen Urteils).

76.      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dem Gericht noch ein weiterer Fehler dadurch unterlaufen ist, dass es nicht allen Einwänden nachgegangen ist, die die Kommission im ersten Rechtszug gegen die Klagegründe vorgebracht hat(41). Dies gilt insbesondere für den Einwand, dass aus den gesamten der Kommission vorliegenden Beweismitteln – und nicht nur aus dem Bericht des Beauftragten – hervorgegangen sei, dass Wendel die Voraussetzungen der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung erfülle.

77.      Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass das Gericht auch seine Begründungspflicht verletzt hat. Demzufolge ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

IV – Folgen der Aufhebung des angefochtenen Urteils

78.      Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 seiner Satzung kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Meiner Ansicht nach kann der Gerichtshof den Rechtsstreit hier selbst endgültig entscheiden. Dies ist auch angesichts der Dauer des gerichtlichen Verfahrens in dieser Sache gerechtfertigt. Nach alledem sollte der Gerichtshof alle Klagegründe, die Odile Jacob vor dem Gericht gegen die Zulassungsentscheidung vorgebracht hat, zurückweisen und die von Odile Jacob im ersten Rechtszug erhobene Klage abweisen.

V –    Kosten

79.      Nach Art. 122 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Art. 69 § 2 in Verbindung mit Art. 118 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission und Lagardère beantragt haben, Odile Jacob sowohl die Kosten des Rechtsmittelverfahrens als auch die des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen, und da Odile Jacob mit ihrem Vorbringen in beiden Instanzen unterlegen ist, sind dieser die Kosten in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.

VI – Ergebnis

80.      Aus den vorstehenden Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        das Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 13. September 2010, Éditions Odile Jacob/Kommission (T‑452/04), aufzuheben, soweit mit ihm die Entscheidung (2004) D/203365 der Kommission vom 30. Juli 2004 über die Zulassung von Wendel Investissement als Erwerber der gemäß der Entscheidung 2004/422/EG der Kommission vom 7. Januar 2004 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Sache COMP/M.2978 – Lagardère/Natexis/VUP) veräußerten Vermögenswerte für nichtig erklärt worden ist;

–        die von Éditions Odile Jacob vor dem Gericht erhobene Klage abzuweisen;

–        Éditions Odile Jacob ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission und von Lagardère in beiden Rechtszügen aufzuerlegen;

–        Wendel Investissement ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Urteil vom 13. September 2010 (T‑452/04, Slg. 2010, II‑4713, im Folgenden: angefochtenes Urteil).


3 – Sache COMP/M.2978 – Lagardère/Natexis/VUP (ABl. L 125, S. 54).


4 – Vgl. z. B. Hoehn, T., „Merger remedies control – The role of the monitoring trustee in remedy cases“ (Concurrences Nr. 2 – 2007, Doctrines/Concentrations françaises: Suivi des engagements), S. 37 f. (aber auch S. 29 bis 36), und De Valois Turk, M., The EC’s revised Remedies Notice – the Trustee’s Perspective, ECLR 2009, 30(7), S. 332 bis 339. Vgl. auch Idot, L., Concentration et contrôle des engagements, Commentaires, Europe – Revue mensuelle LexisNexis Jurisclasseur – November 2010, S. 25 f.


5 – Insbesondere beschloss die Vivendi Universal SA (im Folgenden: VU), die Vermögenswerte aus dem Verlagsbereich, die ihre Tochtergesellschaft VUP in Europa besaß (im Folgenden: Zielvermögenswerte), zu veräußern. Lagardère bewarb sich um den Erwerb der fraglichen Vermögenswerte. Allerdings stellte sich heraus, dass sich der Wunsch von VU nach einem Verkauf und Erhalt des Preises in kürzester Frist nicht verwirklichen ließ, weil die Veräußerung zuvor von den zuständigen Wettbewerbsbehörden genehmigt werden musste. Lagardère bat deshalb die Natexis Banques Populaires SA (im Folgenden: NBP), über eine eigens zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft an ihre Stelle zu treten; diese sollte die Zielvermögenswerte von VUP erwerben, sie vorübergehend halten und dann an Lagardère veräußern, sobald diese die Genehmigung für diesen Erwerb erhalten würde. Sodann unterzeichnete die Investima 10 SAS (im Folgenden: Investima 10) – eine 100%ige Tochtergesellschaft der Ecrinvest 4 SA (im Folgenden: Ecrinvest 4), ihrerseits eine 100%ige Tochtergesellschaft der Segex Sarl (im Folgenden: Segex), die wiederum zu 100 % von NBP beherrscht wird – zugunsten von VUP einen Vorvertrag über den Erwerb der Zielvermögenswerte. Am selben Tag schlossen Segex und Ecrinvest 4 mit Lagardère einen Veräußerungsvertrag, mit dem Lagardère über Ecrinvest 4 ermöglicht werden sollte, die gesamten Gesellschaftsanteile an Investima 10 zu erwerben.


6 – Nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 1 des Vertrags zwischen Ecrinvest 4 und der Kanzlei S. vom 19. Dezember 2002 handelt B. im Rahmen seines Organverhältnisses im Interesse von Investima 10 und der Zielvermögenswerte und insbesondere in dem Bestreben, die Lebensfähigkeit, den wirtschaftlichen Wert und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Vermögenswerte aufrechtzuerhalten.


7 – Siehe hierzu näher unten, Nrn. 21 bis 24, in denen ich einige dieser Passagen des angefochtenen Urteils wiedergebe.


8 – Insbesondere Urteile vom 29. Juni 1995, Spanien/Kommission (C‑135/93, Slg. 1995, I‑1651), vom 16. Februar 1984, Boël und Fabrique de fer de Maubeuge/Kommission (76/83, Slg. 1984, 859), und vom 19. Oktober 1983, Usinor/Kommission (265/82, Slg. 1983, 3105).


9 – Vgl. u. a. Urteile vom 2. März 1967, Simet und Feram/Hohe Behörde (25/65 und 26/65, Slg. 1967, 42, 58), und vom 31. März 1965, Ley/Kommission (12/64 und 29/64, Slg. 1965, 148, 164).


10 – Urteile vom 7. April 1965, Alfieri/Parlament (35/64, Slg. 1965, 356, 363), und vom 14. Juli 1965, Alvino u. a./Kommission (18/64 und 19/64, Slg. 1965, 1035, 1045).


11 – Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177, S. 6).


12 – Ziff. 56 der Mitteilung der Kommission über im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2001, C 68, S. 3, im Folgenden: Mitteilung von 2001 über Abhilfemaßnahmen). Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Berichtigung im ABl. 1990, L 257, S. 13) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180, S. 1) geänderten Fassung.


13 – Veröffentlicht auf der Website der Kommission: http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/note.pdf, Ziff. 17. Vgl. auch die allgemeine Website: http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/divestiture.html.


14 – Ich sehe keinen Grund, hier zwischen natürlichen und juristischen Personen zu unterscheiden.


15 – Vgl. u. a. Urteile des Gerichts vom 11. September 2002, Willeme/Kommission (T‑89/01, Slg. 2002, I‑A‑153 und II‑803, Randnr. 72), und vom 3. Februar 2005, Mancini/Kommission (T‑137/03, Slg. 2005, I‑A‑7 und II‑27, Randnr. 36).


16 – Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) [EG] über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (ABl. L 126, S. 20), aufgehoben durch die Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG (ABl. L 157, S. 87). Odile Jacob ist der Auffassung, dass nach der Achten Richtlinie die Festlegung der Kriterien für die Unabhängigkeit dieser Personen den Mitgliedstaaten überlassen sei.


17 – ABl. L 191, S. 22. Odile Jacob führt aus, dass in dieser Empfehlung auf Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten hingewiesen werde und dass die Unabhängigkeit des Prüfers „sowohl in Bezug auf seine innere Einstellung als auch dem äußeren Erscheinen nach“ bewertet werden müsse. Im Übrigen ergebe sich aus der Empfehlung, dass das Bestehen von finanziellen, geschäftlichen, Beschäftigungs- und sonstigen Verhältnissen zwischen dem Abschlussprüfer und seinem Mandanten die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers gefährden könnte, und letztlich, dass die Annahme von Positionen in einem Führungsorgan einer Gesellschaft verboten werden sollte.


18 – Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2005, De Bry/Kommission (T‑157/04, Slg. 2005, I‑A‑199 und II‑901, Randnrn. 36 bis 38).


19 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1980, Distillers Company/Kommission (30/78, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26), vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission (209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 47), vom 21. März 1990, Belgien/Kommission („Tubemeuse“, C‑142/87, Slg. 1990, I‑959, Randnr. 48), vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission (C‑194/99 P, Slg. 2003, I‑10821, Randnr. 31), Beschluss vom 24. September 2007, Torres/HABM und Bodegas Muga (C‑405/06 P, Randnr. 29), Urteile vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission (C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 70), und vom 1. Oktober 2009, Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat (C‑141/08 P, Slg. 2009, I‑9147, Randnr. 81).


20 – Vgl. Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 (T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 370 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21 – Urteil vom 5. Oktober 2000 (C‑288/96, Slg. 2000, I‑8237, Randnrn. 101 ff.).


22 – Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2002 (T‑310/01, Slg. 2002, II‑4071, Randnrn. 457 bis 460).


23 – Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Ufex u. a./Kommission (T‑60/05, Slg. 2007, II‑3397, Randnr. 77); vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 2002, Graphischer Maschinenbau/Kommission (T‑126/99, Slg. 2002, II‑2427, Randnrn. 48 f.).


24 – Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2005 (T‑209/01, Slg. 2005, II‑5527, Randnrn. 48 bis 50). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission (T‑210/01, Slg. 2005, II‑5575, Randnrn. 42 bis 45, 48 und 734).


25 – Urteil vom 24. September 2002 (C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869, Randnr. 122).


26 – Vgl. u. a. Urteile vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM (C‑447/02 P, Slg. 2004, I‑10107, Randnrn. 46 bis 51), und vom 30. September 2003, Biret International/Rat (C‑93/02 P, Slg. 2003, I‑10497, Randnr. 60).


27 – Vgl. z. B. Mitteilung von 2001 über Abhilfemaßnahmen, oben in Fn. 12 angeführt, Ziff. 58 f.


28 – Urteil vom 27. Oktober 1993 (C‑69/91, Slg. 1993, I‑5335, Randnrn. 13, 16 und 22). Die bloße Tatsache, dass die Stelle, die mit der Festschreibung der Spezifikationen, der Kontrolle ihrer Anwendung sowie der Gerätezulassung betraut war, nicht dem in einer unionsrechtlichen Vorschrift (in diesem Fall einer Richtlinie) aufgestellten Erfordernis der Unabhängigkeit gegenüber den von den Spezifikationen potenziell profitierenden Wirtschaftsteilnehmern entsprach, genügte, damit die betreffende Stelle nicht für die Festschreibung der Spezifikationen qualifiziert war, ohne dass konkret oder im Einzelfall ein potenzielles „Interesse“ bzw. eine „Parteilichkeit“ nachgewiesen werden musste.


29 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in den Rechtssachen Kommission/ICI und Kommission/Solvay (C‑287/95 P und C‑288/95 P, Urteil vom 6. April 2000, Slg. 2000, I‑2391).


30 – Oben in Fn. 28 angeführt.


31 – Tatsächlich wird in der neuen (aus dem Jahr 2008 stammenden) Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2008, C 267, S. 1) in Ziff. 125 klargestellt, dass „die Kommission keine Personen oder Einrichtungen als Treuhänder [genehmigt], die gleichzeitig Wirtschaftsprüfer der beteiligten Unternehmen oder ihre Anlageberater bei der Veräußerung sind. Beziehungen des Treuhänders zu den beteiligten Unternehmen führen jedoch nicht zu Interessenkonflikten, wenn sie die Objektivität und Unabhängigkeit des Treuhänders bei der Erledigung seiner Aufgaben nicht beeinträchtigen. Es ist Sache der beteiligten Unternehmen, der Kommission geeignete Informationen zu übermitteln, damit diese prüfen kann, ob der Treuhänder die Anforderungen erfüllt.“


32 – Urteil des Gerichts vom 17. September 2007 (T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 1264).


33–      Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] [jetzt Art. 101 AEUV und 102 AEUV] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).


34 – Als Anhang B3 der Klagebeantwortung der Kommission im Verfahren vor dem Gericht beigefügt.


35 – Eine solche Verpflichtung bestand weder nach der Verordnung Nr. 4064/89 noch nach der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission vom 1. März 1998 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. L 61, S. 1), noch nach der Mitteilung der Kommission von 2001 über Abhilfemaßnahmen, oben in Fn. 12 angeführt. In der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 133, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1033/2008 der Kommission vom 20. Oktober 2008 (ABl. L 279, S. 3) geänderten Fassung heißt es nunmehr, dass die Verpflichtungen, die von den beteiligten Unternehmen angeboten werden, die Bestellung eines unabhängigen Treuhänders auf Kosten der beteiligten Unternehmen umfassen „können“.


36 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Kommission/Département du Loiret (C‑295/07 P, Slg. 2008, I‑9363).


37 – Wie oben in Nr. 48 dargelegt, ist dies hier – entgegen dem Vorbringen von Odile Jacob – sicherlich nicht der Fall.


38 – Urteil General Electric/Kommission, oben in Fn. 24 angeführt, Randnr. 722.


39 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 1983, Geist/Kommission (117/81, Slg. 1983, 2191, Randnr. 7), sowie Urteile des Gerichts vom 18. Dezember 1992, Díaz García/Parlament (T‑43/90, Slg. 1992, II‑2619, Randnr. 54), vom 20. September 2000, Orthmann/Kommission (T‑261/97, Slg. 2000, I‑A‑181 und II‑829, Randnrn. 33 und 35), und vom 3. Dezember 2003, Audi/HABM (TDI) (T‑16/02, Slg. 2003, II‑5167, Randnrn. 97 f.).


40 – Vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. März 2002, Martínez Alarcón/Kommission (T‑357/00, T‑361/00, T‑363/00 und T‑364/00, Slg. 2002, I‑A‑37 und II‑161, Randnrn. 91 bis 93).


41 – Vgl. Urteil vom 25. Oktober 2007, Komninou u. a./Kommission (C‑167/06 P, Randnr. 22).