Language of document : ECLI:EU:C:2004:712

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 11. November 2004(1)



Rechtssache C-105/03



Strafverfahren

gegen

Maria Pupino


Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Firenze (Ufficio del giudice per le indagini preliminari)


„Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Opferschutz – Vernehmung minderjähriger Zeugen“






I – Einleitung

1.       Der Gerichtshof ist in diesem Verfahren aufgerufen, erstmalig einen Rahmenbeschluss auf der Grundlage von Artikel 31 und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU auszulegen, nämlich den Rahmenbeschluss 2001/220/JI des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (im Folgenden: Rahmenbeschluss) (2) . Das Tribunale von Florenz möchte wissen, ob nach diesem Rahmenbeschluss in einem Strafverfahren wegen Körperverletzung zum Schaden von fünfjährigen Kindern diese Kinder im Wege der Beweissicherung außerhalb der Hauptverhandlung als Zeugen zu vernehmen sind, obwohl das italienische Strafprozessrecht ein solches Verfahren für die einschlägigen Delikte nicht vorsieht.

II – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

2.       Für die Auslegung des Rahmenbeschlusses ist der Unionsvertrag in der Fassung des Vertrags von Amsterdam maßgeblich, da der Rahmenbeschluss verabschiedet wurde, bevor der Vertrag von Nizza in Kraft trat. Die Regelungswirkung von Rahmenbeschlüssen ergibt sich aus Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU:

„… Rahmenbeschlüsse sind für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Sie sind nicht unmittelbar wirksam;“

3.       Die Anwendung des Vorabentscheidungsverfahrens auf Rechtsakte nach Titel VI des Unionsvertrages ergibt sich aus Artikel 35 EU. Italien hat auf dieser Grundlage eine Erklärung abgegeben, die alle italienischen Gerichte zur Vorlage berechtigt.

4.       Der Rahmenbeschluss enthält verschiedene Bestimmungen, die für die Stellung von Kindern als Opfer und Zeugen in Strafverfahren von Bedeutung sein können.

5.       Artikel 2 hat allgemein die Achtung und Anerkennung von Opfern zum Gegenstand:

„(1)
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Strafrechtssystemen Opfern tatsächlich und angemessen Rechnung getragen wird. Sie bemühen sich weiterhin nach Kräften, um zu gewährleisten, dass das Opfer während des Verfahrens mit der gebührenden Achtung seiner persönlichen Würde behandelt wird, und erkennen die Rechte und berechtigten Interessen des Opfers insbesondere im Rahmen des Strafverfahrens an.

(2)
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass besonders gefährdete Opfer eine ihrer Situation am besten entsprechende spezifische Behandlung erfahren.“

6.       Artikel 3 spricht das Opfer als Zeugen an:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass das Opfer im Verfahren gehört werden und Beweismaterial liefern kann.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die gebotenen Maßnahmen, damit ihre Behörden Opfer nur in dem für das Strafverfahren erforderlichen Umfang befragen.“

7.       Die Mitgliedstaaten sollen besondere Verfahren der Zeugenaussage nach Maßgabe von Artikel 8 Absatz 4 entwickeln:

„(4)
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Opfern, insbesondere den am meisten gefährdeten, die vor den Folgen ihrer Zeugenaussage in der öffentlichen Gerichtsverhandlung geschützt werden müssen, im Wege gerichtlicher Entscheidungen gestattet werden kann, unter Einsatz geeigneter Mittel, die mit den Grundprinzipien ihrer jeweiligen Rechtsordnung vereinbar sind, unter Bedingungen auszusagen, unter denen dieses Ziel erreicht werden kann.“

B – Italienisches Recht

8.       Nach Angaben des vorlegenden Gerichts soll im italienischen Strafprozessrecht die Hauptverhandlung den Kern des Verfahrens bilden. Daher müsse die Beweisaufnahme grundsätzlich auf Initiative der Beteiligten und in einem zwischen ihnen kontradiktorisch geführten Verfahren in der Verhandlung unter unmittelbarer Aufsicht des Richters stattfinden. Man habe jedoch auch das Institut der Beweissicherung eingeführt, das die vorgezogene Erhebung von Beweisen ermögliche, die naturgemäß nicht bis zur Hauptverhandlung verschoben werden können. Sie könne von der Anklage oder der Verteidigung gleichermaßen beantragt werden. Über den Antrag entscheide der Untersuchungsrichter, der, falls er dem Antrag stattgebe, dann unmittelbar die Beweisaufnahme im kontradiktorischen Verfahren mit den Beteiligten anordne. Im Wege der Beweissicherung erhobenen Beweisen komme die gleiche volle Beweiskraft zu wie denjenigen, die in der Hauptverhandlung erhoben würden.

9.       Der Gesetzgeber habe die Fälle speziell und abschließend aufgeführt, in denen dieses Verfahrensinstrument zugelassen werden könne, sei es durch die Angabe der Arten von Beweisen, die im Wege der Beweissicherung erhoben werden können, sei es durch die Angabe der Besonderheiten von Sachverhalten, die einen Rückgriff auf die vorgezogene Beweiserhebung rechtfertigen.

10.     In Artikel 392 Absatz 1 des Codice di procedura penale (Strafprozessordnung, im Folgenden: CPP) sei u. a. vorgesehen, dass eine Zeugenaussage im Wege der Beweissicherung erfolgen könne, wenn ein stichhaltiger Grund für die Annahme vorliege, dass der Zeuge wegen Krankheit oder anderweitiger schwerwiegender Verhinderung in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden könne oder wenn aufgrund konkreter und spezifischer Anhaltspunkte ein stichhaltiger Grund für die Annahme vorliege, dass der Zeuge Gewalt oder Drohungen ausgesetzt sei, oder ihm Geld oder andere Vorteile angeboten oder versprochen würden, damit er nicht oder falsch aussage. Aufgrund nachfolgender Gesetzesänderungen könne das Gericht die Beweissicherung in Bezug auf die Zeugenvernehmung einer Person unter 16 Jahren anordnen, auch wenn keiner der bereits benannten Gründe vorliegt, soweit es um Sexualstraftaten oder um Straftaten mit sexuellem Hintergrund gehe.

11.     Gemäß Artikel 398 Absatz 5a CPP könne das Gericht besondere Formen der Erhebung und Protokollierung des Beweises wählen, wenn es um Sexualstraftaten oder um Straftaten mit sexuellem Hintergrund gehe und die Zeugenaussage einer Person unter 16 Jahren im Wege der Beweissicherung zu erfolgen habe, falls die Situation des Minderjährigen es erforderlich mache und angezeigt erscheinen ließe. Diese besonderen Formen bestünden in der Möglichkeit, die Verhandlung an einem anderen Ort als dem Gericht stattfinden zu lassen, insbesondere in Spezialeinrichtungen oder auch am Wohnort des Minderjährigen. Darüber hinaus müssten die Zeugenaussagen vollständig mit Mitteln der akustischen oder audiovisuellen Wiedergabe dokumentiert werden.

III – Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

12.     Das vorlegende Gericht ist mit einem Strafverfahren gegen eine Kindergärtnerin, Frau Pupino, befasst, der vorgeworfen wird, in den Monaten Januar und Februar 2001 ihr anvertraute Kinder missbräuchlich gezüchtigt und verletzt zu haben.

13.     Die Staatsanwaltschaft hat im August 2001 beantragt, im Wege der Beweissicherung acht im Jahr 1996 geborene Kinder zu vernehmen, die Zeugen und Opfer der verfahrensgegenständlichen Taten seien. Sie hat ausgeführt, dass dieser Beweis wegen des geringen Alters der Zeugen und der sich daraus ergebenden unausweichlichen Veränderung ihrer psychologischen Situation wie auch eines möglichen „Verdrängungsprozesses“ in der Hauptverhandlung nicht wiederholt werden könne. Sie hat darüber hinaus beantragt, die Beweisaufnahme unter geschützten Bedingungen stattfinden zu lassen, d. h., dass die Verhandlung in einer Spezialeinrichtung unter Bedingungen erfolge, die die Würde, das Geheimhaltungsbedürfnis und die Seelenruhe der Kinder schütze, eventuell auch unter Einsatz einer kinderpsychologischen Fachkraft wegen der Feingefühl erfordernden Ereignisse und ihres Gewichts sowie wegen der Schwierigkeit, infolge ihres geringen Alters Zugang zu den zu befragenden Personen zu finden.

14.     Die Verteidigung widersprach diesem Antrag, da diese Form der Beweiserhebung für die fraglichen Delikte nicht vorgesehen sei.

15.     Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft in Anwendung der oben genannten Bestimmungen des italienischen Strafverfahrensrechts abzulehnen wäre, da die Beweissicherung als ein Instrument der gegenüber der Hauptverhandlung vorgezogenen Beweisaufnahme ein Verfahrensmechanismus von absolutem Ausnahmecharakter sei, der in anderen als den gesetzlich ausdrücklich festgelegten Fällen nicht angewandt werden könne.

16.     Es meint jedoch, die Beschränkung der Anwendung des Verfahrens der besonderen Beweissicherung durch das italienische Recht verletze Artikel 2, 3 und 8 des Rahmenbeschlusses. Eine minderjährige Person sei immer ein „besonders gefährdetes Opfer“ im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses. Daher müssten unabhängig von der jeweiligen Straftat zu ihrem Schutz besondere Modalitäten der Zeugenvernehmung zur Anwendung kommen. Aus Artikel 3 des Rahmenbeschlusses folgert das vorlegende Gericht, dass Wiederholungen von Vernehmungen des Opfers wegen der psychologischen Belastung tendenziell zu vermeiden seien. Wegen der besonderen Gefährdung minderjähriger Opfer müsse daher von der Grundregel abgewichen werden, dass nur den Aussagen in der Hauptverhandlung Beweiskraft zukomme. Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses entnimmt es den Grundsatz, dass ein Gericht immer über die Befugnis verfügen müsse, von der öffentlichen Verhandlung abzusehen, wenn sie für das Opfer als Zeugen nachteilige Auswirkungen haben könne.

17.     Da das vorlegende Gericht die Möglichkeiten einer Auslegung des italienischen Rechts im Licht des Rahmenbeschlusses prüfen möchte, ersucht es den Gerichtshof darum, festzustellen, ob seine vorgeschlagene Auslegung von Artikel 2, Artikel 3 und Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses zutreffend ist.

IV – Rechtliche Würdigung

A – Zur Vorlageberechtigung

18.     Wie alle Beteiligten anerkennen, ist das vorlegende Gericht grundsätzlich berechtigt, den Gerichtshof mit Fragen zu Rahmenbeschlüssen zu befassen, da Italien die in Artikel 35 Absatz 3 Buchstabe b EU vorgesehene Option ausgeübt hat, allen nationalen Gerichten diese Kompetenz einzuräumen.

B – Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

19.     Die französische und die italienische Regierung sowie implizit wohl auch die schwedische Regierung rügen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, da eine Beantwortung durch den Gerichtshof keine Bedeutung für das Ausgangsverfahren haben könne. Nach Auffassung der Kommission verpflichtet der Rahmenbeschluss jedoch zur konformen Auslegung des nationalen Rechts, so dass eine Auslegung des Rahmenbeschlusses durch den Gerichtshof im Rahmen des Ausgangsverfahrens zu berücksichtigen wäre.

1.     Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit

20.     Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache des nationalen Gerichts, das den Rechtsstreit zu entscheiden hat, im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen. (3) Allerdings hat der Gerichtshof auch festgestellt, dass es ihm in Ausnahmefällen obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wird. Unzulässig sind danach u. a. Vorabentscheidungsersuchen, die offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen. (4) Diese Rechtsprechung wurde zwar im Zusammenhang mit Artikel 234 EG entwickelt, doch ist kein Grund ersichtlich, sie nicht auf das Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 35 EU zu übertragen.

21.     Die Einwände gegen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens beruhen im Kern auf der Meinung, dass eine Antwort des Gerichtshofes keine Bedeutung für den Ausgangsrechtsstreit haben könne. Im vorliegenden Fall kann das Vorabentscheidungsersuchen aber jedenfalls dann für den Ausgangsrechtsstreit von Bedeutung sein, wenn die Artikel 2, 3 und 8 des Rahmenbeschlusses grundsätzlich bei der Auslegung der einschlägigen italienischen Vorschriften eine Rolle spielen. (5) Das Vorabentscheidungsersuchen ist folglich zulässig, wenn innerstaatliches Recht rahmenbeschlusskonform auszulegen ist oder auch nur so ausgelegt werden kann (dazu im Folgenden Abschnitt 2) und die Möglichkeit einer konformen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des italienischen Strafprozessrechts nicht von vornherein ausgeschlossen ist (dazu im Folgenden Abschnitt 3).

2.     Zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung

22.     Nach Auffassung der Regierungen Griechenlands, Portugals und der Kommission verpflichten auch Rahmenbeschlüsse zur konformen Auslegung innerstaatlichen Rechts. Demgegenüber wendet die schwedische Regierung ein, Titel VI des Unionsvertrages begründe nur eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Rechtsakte nach Artikel 34 EU seien daher rein völkerrechtlicher Natur und könnten keine unionsrechtliche Verpflichtung zur konformen Auslegung durch innerstaatliche Gerichte begründen. Auch die Regierungen Italiens und Großbritanniens haben in der mündlichen Verhandlung entsprechende Bedenken vorgetragen.

23.     Die aus der ständigen Rechtsprechung folgenden Grundlagen der konformen Auslegung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Artikel 249 Absatz 3 und Artikel 10 EG sowie jede einzelne Richtlinie verpflichten die Mitgliedstaaten, d. h. alle Träger öffentlicher Gewalt einschließlich der Gerichte, das in dieser Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, indem sie alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art treffen. Daraus folgt, dass ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts – gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt – dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten muss, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise nachzukommen. (6)

24.     Alle diese Voraussetzungen sind in hinreichender Weise auch für den Rahmenbeschluss gegeben. Obwohl Artikel 10 EG keine wortlautgleiche Entsprechung im Unionsrecht findet, sind die Mitgliedstaaten doch zur Unionstreue verpflichtet. Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU entspricht – soweit hier von Bedeutung – Artikel 249 Absatz 3 EG und daher erwachsen auch aus dem Rahmenbeschluss selber Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die die konforme Auslegung einschließen.

Dazu im Einzelnen:

a)     Zur Unionstreue

25.     Die Regierungen Italiens und Großbritanniens betonen, dass im Unionsrecht eine Artikel 10 EG entsprechende Bestimmung fehle. Wie im Gemeinschaftsrecht schulden sich Mitgliedstaaten und Institutionen jedoch auch im Unionsrecht gegenseitige Treue.

26.     Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Bestimmungen des Unionsvertrags. In Artikel 1 EU ist das Ziel des Unionsvertrages niedergelegt, eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas zu schaffen, auf der die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Völkern kohärent und solidarisch gestaltet werden. Dieses Ziel ist nicht zu erreichen, wenn die Mitgliedstaaten und Institutionen der Union nicht loyal und rechtstreu zusammenarbeiten. Auch ist die loyale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Institutionen zentraler Gegenstand des Titels VI des Unionsvertrags, was sich im Titel – Bestimmungen über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – und in fast allen Artikeln wieder findet.

27.     Vor diesem Hintergrund sind in Artikel 10 EG Selbstverständlichkeiten niedergelegt – nämlich dass Pflichten zu erfüllen und schädliche Maßnahmen zu unterlassen sind. Dies gilt auch im Unionsrecht, ohne einer ausdrücklichen Erwähnung zu bedürfen.

b)     Zu Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU

28.     Darüber hinaus sind unionsrechtliche Rahmenbeschlüsse in ihrer Struktur der Richtlinie des Gemeinschaftsrechts weitgehend identisch. Gemäß Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU sind sie für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Eine unmittelbare Anwendung wird zwar ausdrücklich ausgeschlossen, doch zumindest die Verbindlichkeit hinsichtlich des Zieles entspricht wörtlich Artikel 249 Absatz 3 EG, den der Gerichtshof – neben anderen Gründen – zum Anlass genommen hat, die Lehre von der richtlinienkonformen Anwendung zu entwickeln.

29.     Der Einwand der schwedischen Regierung läuft jedoch darauf hinaus, dass Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU trotz dieser ähnlichen Formulierung nicht zu Artikel 249 Absatz 3 EG vergleichbaren Rechtswirkungen führe. Insofern trifft zu, dass der Gerichtshof insbesondere im Zusammenhang mit dem Europäischen Wirtschaftsraum festgestellt hat, die wörtliche Übereinstimmung der Bestimmungen eines Abkommens mit den entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen bedeute nicht, dass beide notwendigerweise gleich auszulegen sind. Ein völkerrechtlicher Vertrag sei nämlich – auch im Licht von Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 – nicht nur nach seinem Wortlaut, sondern auch unter Berücksichtigung seiner Ziele auszulegen. (7)

30.     Wie der EG-Vertrag (8) oder das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum ist auch der Vertrag über die Europäische Union ein Vertrag völkerrechtlichen Ursprungs. Vom EG-Vertrag unterscheidet er sich durch die geringere Integrationsdichte, vom EWR-Abkommen vor allem in der Finalität.

31.     Die geringere Integrationsdichte des Unionsvertrags zeigt sich in der Definition des Rahmenbeschlusses, die eine unmittelbare Anwendung ausschließt. Auch die Kompetenzen des Gerichtshofes nach Artikel 35 EU sind gegenüber dem Gemeinschaftsrecht reduziert. Seine inhaltliche Prüfungskompetenz wird in Absatz 5 ausdrücklich ausgeschlossen, soweit die Gültigkeit oder Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen der Polizei oder anderer Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaats oder der Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit in Frage stehen. Das Vorabentscheidungsverfahren ist nur bei einem ausdrücklichen „opt-in“ des betreffenden Mitgliedstaats eröffnet und die Kommission kann kein Vertragsverletzungsverfahren betreiben. Darüber hinaus setzen Entscheidungen des Rates nicht notwendigerweise einen Vorschlag der Kommission voraus, sondern können auch auf Initiative von Mitgliedstaaten ergehen. Der Rat entscheidet nach Artikel 34 Absatz 2 EU nicht mit Mehrheit, sondern grundsätzlich einstimmig. Schließlich ist das Parlament nach Artikel 39 EU nur in Form der Anhörung beteiligt.

32.     Anders als das EWR-Abkommen, das nur auf die Anwendung einer Freihandels- und Wettbewerbsregelung in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien gerichtet ist, (9) aber keine Übertragung von Souveränitätsrechten auf die mit ihm eingesetzten zwischenstaatlichen Organe vorsieht (10) , stellt der Unionsvertrag jedoch nach Artikel 1 Absatz 2 eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar. Zu diesem Zweck ergänzt er die Tätigkeiten der Gemeinschaft um weitere Politiken und Formen der Zusammenarbeit. Der Begriff Politiken indiziert, dass der Unionsvertrag entgegen der Auffassung der schwedischen Regierung nicht nur die zwischenstaatliche Zusammenarbeit beinhaltet, sondern auch die gemeinsame Ausübung von Souveränität durch die Union. Artikel 3 Absatz 1 EU verpflichtet die Union im Übrigen dazu, den gemeinschaftlichen Besitzstand zu wahren und weiter zu entwickeln. (11)

33.     Die in der Formulierung der „immer engeren Zusammenarbeit“ angelegte zunehmende Integration zeigt sich auch an der Entwicklung des Unionsvertrages, der nach seiner Schaffung mit dem Vertrag von Maastricht durch die Verträge von Amsterdam und Nizza immer stärker an die Strukturen des Gemeinschaftsrechts herangeführt wurde und durch den Verfassungsvertrag voll mit dem Gemeinschaftsrecht fusioniert werden soll.

34.     Folglich ist der Rahmenbeschluss nach seiner Definition der Richtlinie stark angenähert und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU wie Artikel 249 Absatz 3 EG auszulegen, soweit diese Bestimmungen inhaltlich übereinstimmen.

35.     In der mündlichen Verhandlung wandte allerdings die Regierung Großbritanniens ein, in Bezug auf Rechtsakte nach Artikel 34 EU bestehe anders als im Gemeinschaftsrecht (12) kein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe gewährleistet. Diese Rechtsakte könnten nur dann im Wege des Vorabentscheidungsersuchens auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, wenn der entsprechende Mitgliedstaat nach Artikel 35 Absatz 2 EU die Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Vorabentscheidung anerkannt hat. Auch existiere für den Einzelnen keine Möglichkeit der Direktklage. Die italienische Regierung vertrat einen ähnlichen Standpunkt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die konforme Auslegung nicht dazu führt, neue Regelungen einzuführen, sondern voraussetzt, dass bereits Regelungen bestehen, die – im Rahmen des nach innerstaatlichem Recht Zulässigen – einer dem Rahmenbeschluss entsprechenden Auslegung zugänglich sind. Rechtsschutz wäre folglich gegenüber den gegebenenfalls konform auszulegenden innerstaatlichen Bestimmungen zu suchen.

c)     Zwischenergebnis

36.     Zusammengefasst folgt aus Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU und dem Prinzip der Unionstreue, dass jeder Rahmenbeschluss innerstaatliche Gerichte verpflichtet, ihre Auslegung nationalen Rechts – gleich, ob es sich um vor oder nach dem Rahmbeschluss erlassene Vorschriften handelt – soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses auszurichten, um das mit dem Rahmenbeschluss verfolgte Ziel zu erreichen.

37.     Selbst wenn der schwedischen Regierung hinsichtlich der Zuordnung des Rahmenbeschlusses zum Völkerrecht zu folgen wäre, so würde auch dann eine Auslegung des innerstaatlichen Rechts in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss zumindest nahe liegen. Der Rahmenbeschluss wäre nämlich auch als Rechtsakt des Völkerrechts für die Mitgliedstaaten verbindlich. Daher wäre – wie die britische Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – auch bei einer rein völkerrechtlichen Natur des Rahmenbeschlusses davon auszugehen, dass alle Stellen der Mitgliedstaaten – einschließlich der Gerichte – ihr Verhalten an dieser Verpflichtung ausrichten. Allerdings hat die britische Regierung zugleich darauf hingewiesen, dass diese Form der konformen Auslegung nicht den Vorrang des Gemeinschaftsrecht für sich in Anspruch nehmen kann und daher möglicherweise – nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts – gegenüber anderen Formen der Auslegung zurücktreten muss. Dies würde jedoch nicht ausschließen, dass eine Antwort des Gerichtshofes bei der Auslegung des innerstaatlichen Umsetzungsrechts von Nutzen ist.

3.     Zur Möglichkeit einer konformen Auslegung im Ausgangsverfahren

38.     Die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens setzt allerdings auch bei Verpflichtung zur konformen Auslegung voraus, dass diese Verpflichtung im konkreten Ausgangsverfahren nicht deswegen offensichtlich ohne jede Bedeutung ist, weil eine rahmenbeschlusskonforme Auslegung unmöglich wäre.

39.     Insofern wenden die italienische und die französische Regierung ein, dass im vorliegenden Fall das vom vorlegenden Gericht angestrebte Resultat wegen entgegenstehender Vorschriften des italienischen Rechts nicht erreichbar sei. Diesem Einwand ist zuzugeben, dass die konforme Auslegung nur möglich ist, soweit das innerstaatliche Recht die Möglichkeit einer entsprechenden Auslegung eröffnet. Dies kommt in dem Vorbehalt „soweit wie möglich“ zum Ausdruck, den der Gerichtshof verwendet. (13) Die Ziele der unionsrechtlichen Bestimmung beanspruchen zwar gegenüber allen anderen Methoden der Auslegung Vorrang, doch können sie nicht zu einem Ergebnis führen, das nach nationalem Recht im Wege der Auslegung nicht zu erreichen wäre. (14) Inwieweit das nationale Recht letztendlich entsprechenden Raum lässt, können nur innerstaatliche Gerichte beurteilen. (15)

40.     Vorliegend ist es jedoch nicht offensichtlich, dass eine rahmenbeschlusskonforme Auslegung unmöglich und somit eine Antwort des Gerichtshofes für das nationale Gericht ohne jede Bedeutung wäre. Die italienische Regierung selbst verweist auf mögliche Rechtsgrundlagen einer besonders geschützten Vernehmung minderjähriger Opfer während der Hauptverhandlung (16) , die das vorlegende Gericht nicht gesehen habe. Im Hinblick auf die Beweissicherung erscheint es auch nicht ausgeschlossen, den Begriff der „anderweitigen schwerwiegenden Verhinderung“ in Artikel 392 Absatz 1 CCP so auszulegen, dass er die Verschlechterung des Erinnerungsvermögens und die psychische Belastung von Kindern durch eine Vernehmung zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung als Hindernis einschließt, und somit die Beweissicherung auf eine andere Rechtsgrundlage als den Artikel 392 Absatz 1a CCP zu stützen. Im Übrigen geht auch das vorlegende Gericht trotz der von ihm unterstellten Verletzung des Rahmenbeschlusses von der Möglichkeit einer konformen Auslegung aus. Obwohl das Vorabentscheidungsersuchen insofern Widersprüche aufweist, ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofes, diese Bewertung in Frage zu stellen.

41.     Entgegen der Auffassung der französischen, der griechischen und der niederländischen Regierung unterliegt die Verpflichtung zur konformen Auslegung im Rahmen des Strafprozessrechts auch keinen besonderen unionsrechtlichen Einschränkungen, welche die Erheblichkeit des Vorabentscheidungsersuchens ausschließen würden. Zwar ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen (nullum crimen, nulla poena sine lege [scripta]) (17) zu berücksichtigen. (18) Dieser gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Er ist auch in Artikel 7 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), in Artikel 15 Absatz 1 Satz 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (19) sowie in Artikel 49 Absatz 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert. Es handelt sich um eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit im materiellen Strafrecht.

42.     Vorliegend ist jedoch gar nicht das materielle Strafrecht betroffen, sondern das Strafverfahrensrecht. Es geht also nicht darum, strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen oder zu verschärfen, sondern um das Erkenntnisverfahren. Deshalb gilt nicht der Grundsatz nulla poena sine lege, sondern der Grundsatz des fairen Verfahrens, der im Folgenden noch näher auszuführen ist.

43.     Einer konformen Auslegung steht auch nicht entgegen, dass die zu untersuchenden Vorfälle zeitlich vor Verabschiedung des Rahmenbeschlusses stattfanden. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Verfahrensvorschriften nämlich im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind. (20)

44.     Folglich ist im vorliegenden Fall eine Auslegung des italienischen Rechts in Übereinstimmung mit dem Rahmenbeschluss nicht offensichtlich ausgeschlossen. Das Vorabentscheidungsersuchen ist also zulässig.

C – Zur Auslegung des Rahmenbeschlusses

45.     Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 2, 3 und 8 des Rahmenbeschlusses eine Pflicht begründen, acht fünfjährige Kinder im Wege der Beweissicherung in kindgerechter Weise als Zeugen für die mutmaßlichen körperlichen Misshandlungen zu vernehmen, deren Opfer sie wurden. Nach seiner Auffassung ist zu befürchten, dass einerseits aufgrund der psychologischen Entwicklung der Kinder ihr Erinnerungsvermögen bezüglich der Tat schlechter wird und dass andererseits eine Aussage während einer (späteren) Hauptverhandlung nachteilige psychologische Folgen für die Kinder haben könnte.

46.     Grundlage einer solchen Verpflichtung könnten Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 und Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses sein. Nach Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses sollen besonders gefährdete Opfer eine ihrer Situation am besten entsprechende spezifische Behandlung erfahren. Artikel 8 Absatz 4 konkretisiert diese Verpflichtung. Er verlangt, dass Opfern, insbesondere den am meisten gefährdeten, die vor den Folgen ihrer Zeugenaussage in der öffentlichen Gerichtsverhandlung geschützt werden müssen, im Wege gerichtlicher Entscheidungen gestattet werden kann, unter Einsatz geeigneter Mittel, die mit den Grundprinzipien ihrer jeweiligen Rechtsordnung vereinbar sind, unter Bedingungen auszusagen, unter denen dieses Ziel erreicht werden kann. Nach Artikel 3 gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass das Opfer im Verfahren gehört werden und Beweismaterial liefern kann. Die Mitgliedstaaten ergreifen danach insbesondere die gebotenen Maßnahmen, damit ihre Behörden Opfer nur in dem für das Strafverfahren erforderlichen Umfang befragen.

47.     Im Folgenden ist daher zunächst zu prüfen, ob die hier betroffenen Kinder als besonders gefährdete Opfer anzusehen sind. Gegebenenfalls ist anschließend zu untersuchen, ob die angestrebte Beweissicherung eine ihrer Situation am besten entsprechende Behandlung wäre, die insbesondere ihre wirksame Verfahrensbeteiligung als Zeugen gewährleistet.

1.     Zur Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses

48.     Obwohl das vorlegende Gericht diesbezüglich keine Frage aufgeworfen hat, ist vor einer Auslegung der genannten Bestimmungen eine Bemerkung dazu geboten, ob sie überhaupt auf die gewählte Ermächtigungsgrundlage gestützt werden durften. Gerade bei Rechtsakten nach Artikel 34 EU ist besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf Zweifel an der Rechtmäßigkeit geboten, zumal – wie die britische Regierung betonte – in Bezug auf diese Rechtsakte die Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt sind. (21) Zwar trägt ein Rechtsakt die Vermutung der Rechtmäßigkeit in sich und entfaltet daher Rechtswirkungen, solange er nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden ist. Allerdings findet dieser Grundsatz keine Anwendung bei Rechtsakten, die mit einem Fehler behaftet sind, dessen Schwere so offensichtlich ist, dass er nicht geduldet werden kann. Derartige Rechtsakte sind als inexistent zu betrachten. (22) Daher müsste der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit auszulegender Bestimmungen in einem Vorabentscheidungsverfahren jedenfalls dann von Amts wegen prüfen, wenn sich schwerwiegende Zweifel aufdrängen. Eine Auslegung ist nämlich nur dann sinnvoll, wenn die auszulegenden Bestimmungen wirksam sind.

49.     Auf den ersten Blick könnte man daran zweifeln, dass die Artikel 31 EU und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU eine hinreichende Rechtsgrundlage für die auszulegenden Bestimmungen darstellen. Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b definiert nur den Rahmenbeschluss als zulässige Handlungsform. Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich der Substanz der hier auszulegenden Bestimmungen kann daher nur Artikel 31 EU sein. Danach schließt das gemeinsame Vorgehen im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen verschiedene – unter den Buchstaben a bis e aufgeführte – Felder ein, die allerdings nur schwierig auf den Opferschutz zu beziehen sind. Opferschutz fällt weder unter die Erleichterung und Beschleunigung der Zusammenarbeit bei Gerichtsverfahren und bei der Vollstreckung von Entscheidungen (Buchstabe a) noch unter die Erleichterung der Auslieferung (Buchstabe b), die Vermeidung von Kompetenzkonflikten (Buchstabe d) oder die Harmonisierung bestimmter Straftatbestände (Buchstabe e). Allein die Gewährleistung der Vereinbarkeit der jeweils geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten untereinander, soweit dies zur Verbesserung dieser Zusammenarbeit erforderlich ist (Buchstabe c), könnte den Opferschutz einschließen. Gemeinsame Standards des Opferschutzes sind jedoch für eine Verbesserung der Zusammenarbeit nicht zwingend erforderlich.

50.     Die ausdrücklich aufgeführten Felder des gemeinsamen Vorgehens sind allerdings nicht abschließend, was in der französischen Fassung des Eingangssatzes am deutlichsten wird. Diese verwendet statt „einschließen“ die Formulierung „viser entre autres“. Daher beschreiben die einzelnen Politikfelder lediglich potenzielle Regelungsbereiche, ohne damit die Kompetenz der Union streng abzugrenzen. Diese Kompetenz ist im Licht der allgemeinen Zielsetzungen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zu bestimmen, wie sie in Artikel 29 EU niedergelegt sind. Hauptziel ist danach, den Bürgern in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten, wozu insbesondere eine verbesserte justizielle Zusammenarbeit beitragen soll.

51.     Der Schutz der Bürger, die trotz der Bemühungen um ihre Sicherheit Opfer einer Straftat geworden sind, verdient in diesem Raum sicherlich eine hervorgehobene Stellung. Zugleich können gemeinsame Standards zum Schutz von Opfern bei Aussagen in Strafverfahren auch die Zusammenarbeit von Justizbehörden fördern, da sie die Verwertbarkeit dieser Aussagen in allen Mitgliedstaaten absichern. Schließlich gewährleistet das Erfordernis der einstimmigen Entscheidung des Rates über Rahmenbeschlüsse, dass kein Mitgliedstaat ohne seine Zustimmung einem Rahmenbeschluss unterworfen wird.

52.     Folglich ist trotz der auf den ersten Blick bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage der auszulegenden Vorschriften hier nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass diese durch die Rechtsetzungsbefugnisse der Union nicht mehr gedeckt wären. Diese Auffassung haben auf Rückfrage in der mündlichen Verhandlung auch die Regierungen Frankreichs und der Niederlande sowie die Kommission vertreten. Die Beantwortung der Vorlagefrage ist somit nicht etwa aufgrund der Inexistenz des auszulegenden Rechts sinnlos.

2.     Zur besonderen Gefährdung von Kindern

53.     Die Kommission geht wie das vorlegende Gericht davon aus, dass Kinder grundsätzlich besonders gefährdete Opfer sind. Die Kommission stützt sich vor allem auf den fünften Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (23) , wonach Kinder besonders schutzbedürftig seien und daher in größerer Gefahr stünden, Opfer von Menschenhandel zu werden. Dagegen ist die jeweilige Gefährdung nach Auffassung der französischen Regierung anhand aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei seien das Alter, die Straftat, aber auch andere Umstände zu berücksichtigen.

54.     Der Rahmenbeschluss definiert nicht, welche Opfer besonders gefährdet sind. Er enthält insbesondere keinen Hinweis darauf, dass Kinder besonders gefährdet seien. Solche Hinweise enthielt noch der Vorschlag Portugals, der in Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 8 Absatz 4 ausdrücklich auf das Alter als Grund für eine besondere Gefährdung Bezug nahm. (24) Das Parlament forderte sogar ausdrücklich eine besondere Berücksichtigung von Kindern im Rahmen von Artikel 3. (25)

55.     Der Verzicht auf eine solche Konkretisierung besonders gefährdeter Opfer erklärt sich dadurch, dass eine besondere Gefährdung auf einer Vielzahl von Gründen beruhen kann, die sich nur schwierig in eine Definition fassen lassen. Dies unterstreichen die in Bezug genommenen Dokumente zu den Bemühungen um europäischen Opferschutz. Die im zweiten Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses erwähnte Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 1999 (26) befasste sich fast ausschließlich mit der Lage von Unionsbürgern, die in anderen Mitgliedstaaten Opfer von Straftaten wurden. In diesem Zusammenhang sprach die Kommission auch die Möglichkeit an, ihre Beteiligung an einem Strafverfahren in einem anderen Mitgliedstaat zu erleichtern, z. B. durch Videokonferenzen oder Telefonvernehmungen. (27) Ähnliche Maßnahmen werden auch in einer älteren Entschließung des Rates gefordert, die allerdings den Schutz des Zeugen vor direkten oder indirekten Form von Bedrohung, Druck oder Einschüchterung, insbesondere im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität zum Gegenstand hat. (28) Die im dritten Erwägungsgrund genannten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere sprachen den Opferschutz allein unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zum Recht an. (29) Die im Vorschlag zum Rahmenbeschluss von der portugiesischen Regierung erwähnte Empfehlung des Europarats sprach allgemein den Respekt vor dem Opfer und seiner Würde während des Strafverfahrens (30) an sowie das besondere Schutzbedürfnis der Opfer organisierter Kriminalität. (31) In Bezug auf Kinder fand allein die Anwesenheit von Erziehungsberechtigten während der Vernehmung Erwähnung. (32)

56.     Für Kinder haben allerdings bereits alle Mitgliedstaaten auf internationaler Ebene eine besondere Schutzbedürftigkeit anerkannt. Nach Artikel 25 Absatz 2 Satz 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben Kinder Anspruch auf besondere Hilfe und Unterstützung. Artikel 24 Absatz 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte proklamiert den Anspruch des Kindes auf Schutzmaßnahmen durch den Staat, die seine Rechtsstellung als Minderjähriger erfordert. Die von allen Mitgliedstaaten der Union ratifizierte Konvention über die Rechte des Kindes (33) konkretisiert diese Schutzpflicht. Insbesondere ist nach Artikel 3 Absatz 1 das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen. Artikel 39 Satz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die physische und psychische Genesung eines Kindes zu fördern, das Opfer irgendeiner Form von Vernachlässigung, Misshandlung oder einer anderen Form grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geworden ist.

57.     Dementsprechend gewährleistet auch Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union den Anspruch der Kinder auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

58.     Da Kinder danach grundsätzlich besonders schutzbedürftig sind, sind sie in der Regel auch als besonders gefährdet anzusehen, wenn sie Opfer von Straftaten wurden. Vorliegend ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, die Gefährdungslage der betroffenen Kinder anders zu bewerten. Mit fünf Jahren befanden sie sich zur Tatzeit und zum Zeitpunkt der angestrebten Vernehmung in einem Alter, in dem psychische Schäden in der Folge des Geschehens nicht auszuschließen sind. Der verfahrensgegenständliche Vorwurf der Misshandlung durch eine Kindergärtnerin – also eine Vertrauensperson – ist darüber hinaus in besonderer Weise geeignet, ihre Entwicklung zu beeinträchtigen.

59.     Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Kinder als Opfer von Straftaten in der Regel besonders gefährdet sind.

3.     Zur Notwendigkeit eines Verfahrens der Beweissicherung

60.     Sollte das vorlegende Gericht die oben getroffene vorläufige Einschätzung teilen, so stellt sich die weitere Frage, ob nach dem Rahmenbeschluss eine Vernehmung im dargestellten besonderen Verfahren der Beweissicherung erforderlich ist. Das vorlegende Gericht, aber auch die portugiesische Regierung scheinen davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall nach Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 3 des Rahmenbeschlusses ein Verfahren der Beweissicherung vor der Hauptverhandlung geboten ist.

61.     Insoweit ist zunächst festzustellen, dass keine der beiden Bestimmungen konkrete Anforderungen enthält, wie ihre Ziele zu verwirklichen sind. Allerdings verlangt Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses die der Situation eines besonders gefährdeten Opfers am besten entsprechende Behandlung. Damit geht der Rahmenbeschluss über den portugiesischen Vorschlag hinaus, der nur angemessene Maßnahmen forderte. Eine Auswahl zwischen zwei Verfahrensweisen ist folglich nach Artikel 2 Absatz 2 nur zulässig, wenn sie der Situation des Opfers gleichermaßen entsprechen. Darüber hinaus ergibt sich aus Artikel 3 Satz 1, dass Opfer Gelegenheit erhalten müssen, wirksam Zeugnis abzulegen. Auch hier verdient zunächst das Verfahren den Vorzug, das einer wirksamen Beteiligung förderlich ist. Schließlich sollen Opfer nach Artikel 3 Satz 2 nur in dem erforderlichen Umfang vernommen werden. Überflüssige Wiederholungen von Vernehmungen sind danach zu vermeiden.

62.     Das vorlegende Gericht und wohl auch die portugiesische Regierung gehen davon aus, dass eine Beweissicherung im vorliegenden Fall für die Opfer weniger belastend wäre als eine spätere Aussage in der Hauptverhandlung. Zugleich meint das vorlegende Gericht, dass die Opfer so besser zur Aufklärung der Tat beitragen könnten, da sie sich in der Hauptverhandlung möglicherweise nicht mehr so gut an den Tathergang erinnern können. Wenn diese Annahmen tatsächlich berechtigt sind, was nur die Tatsacheninstanz unter Berücksichtigung des jeweils betroffenen Kindes und ggf. unter Hinzuziehung von Sachverständigen beurteilen kann, dann wäre die Anwendung des Verfahrens der Beweissicherung im vorliegenden Fall tatsächlich die beste Behandlung der Opfer, die ihnen zugleich wirksam und schonend eine Beteiligung am Strafverfahren als Zeugen ermöglichen würde.

63.     Die italienische und die französische Regierung wenden jedoch ein, dass im italienischen Strafverfahrensrecht nach Artikel 392 Absatz 1a des CCP die Beweissicherung für Aussagen kindlicher Opferzeugen nur bei Sexualstraftaten zulässig sei. Diese Regelung des italienischen Rechts verletze nicht den durch den Rahmenbeschluss eröffneten Gestaltungsspielraum, den in der mündlichen Verhandlung auch die Regierung der Niederlande betonte.

64.     Ein solcher Gestaltungsspielraum ist jedoch in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses nicht erkennbar. Insbesondere gibt es keinen Vorbehalt für bestimmte Straftaten. Auch ist nicht ersichtlich, dass nur die ausdrücklich vom italienischen Gesetzgeber genannten Straftaten ein Verfahren der Beweissicherung zugunsten von Kindern erfordern würden. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass ein solches Verfahren auch bei anderen Delikten die der Situation eines besonders gefährdeten Opfers am besten entsprechende und damit nach dem Rahmenbeschluss gebotene Behandlung wäre. (34)

65.     Der einzige Vorbehalt ist Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses zu entnehmen. Danach sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass Opfern, insbesondere den am meisten gefährdeten, die vor den Folgen ihrer Zeugenaussage in der öffentlichen Gerichtsverhandlung geschützt werden müssen, im Wege gerichtlicher Entscheidungen gestattet werden kann, unter Einsatz geeigneter Mittel, die mit den Grundprinzipien ihrer jeweiligen Rechtsordnung vereinbar sind, unter Bedingungen auszusagen, unter denen dieses Ziel erreicht werden kann. Diese Bestimmung ist gegenüber Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses insofern lex specialis, als sie die Verpflichtung zum Opferschutz besonderen Bedingungen unterwirft, soweit vom Normalfall der Aussage in öffentlicher Gerichtsverhandlung abgesehen werden soll. Aussageformen, die das Prinzip der öffentlichen Verhandlung durchbrechen, müssen nur insoweit zugelassen werden, als sie mit den Grundprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung vereinbar sind. Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht vorgetragen werden, dass das Verfahren der Beweissicherung grundsätzlich mit den Grundprinzipien der italienischen Rechtsordnung unvereinbar wäre, soweit diese sich allein aus italienischem Recht ergeben. Artikel 392 Absatz 1a des CCP lässt die Beweissicherung nämlich zumindest bei den in aufgeführten Delikten zu.

66.     Wie die Kommission sowie die italienische und die französische Regierung zu Recht vortragen, müssen die Grundprinzipien einer jeden mitgliedstaatlichen Rechtsordnung allerdings auch das Recht des Angeklagten auf ein faires Strafverfahren berücksichtigen. Die Union – d. h. die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten – müssen dieses auch in Artikel 47 der Charta der Grundrechte niedergelegte Recht nach Artikel 6 Absatz 2 EU respektieren. (35) Maßgeblich ist insofern insbesondere Artikel 6 EMRK. Danach hat der Beschuldigte in Strafverfahren unter anderem einen Anspruch darauf, dass über seine Sache öffentlich verhandelt wird und dass die entscheidenden Zeugen in dieser Verhandlung gehört und befragt werden, um so ein kontradiktorisches Verfahren zu ermöglichen. Dabei muss der Angeklagte die Möglichkeit haben, den Zeugen zu befragen und mit Zweifeln zu konfrontieren. (36)

67.     Diese Rechte sind einer Abwägung mit den gleichfalls menschenrechtlich geschützten Interessen der Zeugen zugänglich, insbesondere wenn sie zugleich Opfer sind. (37) In diesem Zusammenhang erkennt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an, dass Artikel 6 EMRK die Berücksichtigung der Interessen minderjähriger Zeugen in Strafverfahren zulasse. (38) Allerdings müsse der Angeklagte zumindest Gelegenheit erhalten, entscheidende Belastungszeugen zu befragen. (39) Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung von Artikel 6 EMRK festgestellt, als Verurteilungen auf die Vernehmung von Kindern in kindgerechten Verfahren gestützt wurden, ohne dass der Angeklagte oder sein Anwalt die Vernehmung beobachten oder Fragen anregen konnten. (40) Dagegen hat er die kindgerechte Vernehmung vor der mündlichen Verhandlung in einem Fall zugelassen, in dem der Anwalt des Angeklagten zwar Gelegenheit hatte, die Vernehmung zu beobachten und Fragen anzuregen, diese Gelegenheit aber nicht wahrnahm. (41)

68.     Inwieweit in Anwendung dieser Prinzipien ein Verfahren der Beweissicherung zulässig ist, lässt sich nur durch eine Abwägung im Einzelfall feststellen, wobei die Interessen der Zeugen, die Rechte der Verteidigung und gegebenenfalls auch das Interesse an einer Bestrafung zu berücksichtigen sind. Dabei ist auch unter Berücksichtigung von Artikel 6 EMRK in der Regel davon auszugehen, dass zumindest bei Körperverletzungsdelikten zum Schaden von Kindern besondere Schutzvorkehrungen, wie die hier vorgeschlagenen, zur Anwendung kommen sollten.

69.     Zusammengefasst ist festzustellen, dass Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 und Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses aufgrund der Umstände des jeweiligen Falles eine Verpflichtung der innerstaatlichen Gerichte begründen können, ein Verfahren der kindgerechten Beweissicherung durchzuführen, vorausgesetzt, dieses Verfahren ist mit den Grundprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung – einschließlich der Unionsgrundrechte – vereinbar.

V – Ergebnis

70.     Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf das Vorabentscheidungsersuchen zu antworten:

1.
Jeder Rahmenbeschluss verpflichtet nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU und dem Prinzip der Unionstreue innerstaatliche Gerichte, ihre Auslegung nationalen Rechts – gleich, ob es sich um vor oder nach dem Rahmenbeschluss erlassene Vorschriften handelt – soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck des Rahmenbeschlusses auszurichten, um das mit dem Rahmenbeschluss verfolgte Ziel zu erreichen.

2.
Kinder als Opfer von Straftaten sind in der Regel besonders gefährdet im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren.

3.
Artikel 2 Absatz 2, Artikel 3 und Artikel 8 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI sind so auszulegen, dass sie aufgrund der Umstände des jeweiligen Falles eine Verpflichtung der innerstaatlichen Gerichte begründen können, ein Verfahren der kindgerechten Beweissicherung durchzuführen, vorausgesetzt, dieses Verfahren ist mit den Grundprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung – einschließlich der Unionsgrundrechte – vereinbar.


1
Originalsprache: Deutsch.


2
ABl. 2001, L 82, S. 1.


3
Urteile vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68 (Salgoil, Slg. 1968, 679, 690), vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 59), vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C-36/99 (Idéal Tourisme, Slg. 2000, I-6049, Randnr. 20), vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-322/98 (Kachelmann, Slg. 2000, I-7505, Randnr. 17); vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98 (PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38) und vom 25. März 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-480/00, C-481/00, C-482/00, C-484/00, C-489/00, C-490/00, C-491/00, C-497/00, C-498/00 und C-499/00 (Ribaldi, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 72).


4
Urteil vom 16. Juni 1981 in der Rechtssache 126/80 (Salonia, Slg. 181, 1563, Randnr. 6) sowie die in Fußnote 3 zitierten Urteile Bosman (Randnr. 61), Idéal Tourisme (Randnr. 20), Kachelmann (Randnr. 17), PreussenElektra (Randnr. 39) und Ribaldi (Randnr. 72).


5
In diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 1991 in den Rechtssachen C-87/90 bis C-89/90 (Verholen u. a., Slg. 1991, I-3757, Randnr. 13).


6
Urteile vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89, Marleasing (Slg. 1990, I-4135, Randnr. 8), vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache C-334/92 (Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911, Randnr. 20), vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92 (Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 26) und vom 22. Mai 2003 in der Rechtssache C-462/99 (Connect Austria Slg. 2003, I-5197, Randnr. 38).


7
Gutachten 1/91 vom 14. Dezember 1991 (EWR I, Slg. 1991, I-6079, Randnr. 14), siehe auch Urteile vom 1. Juli 1993 in der Rechtssache C-312/91 (Metalsa, Slg. 1993, I-3751, Randnr. 12), vom 2. März 1999 in der Rechtssache C-416/96 (Eddline El-Yassini, Slg. 1999, I-1209, Randnr. 47) und vom 20. November 2001 in der Rechtssache C-268/99 (Jany u. a., Slg. 2001, I-8615, Randnr. 35).


8
Urteile vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache 26/62 (Van Gend & Loos, Slg. 1963, 3, 24) und vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 6/64 (Costa/Enel, Slg. 1964, 1253, 1269).


9
Gutachten EWR I (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 15).


10
Gutachten EWR I (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 20).


11
Die Übertragung des gemeinschaftlichen Besitzstandes auf das Unionsrecht illustriert das Urteil vom 11. Februar 2003 in den verbundenen Rechtssachen C-187/01 und C-385/01 (Gözütok und Brügge, Slg. 2003, I-1345, Randnr. 45), wo das Auslegungsprinzip der praktischen Wirksamkeit im Rahmen des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19) zur Anwendung kommt.


12
Vgl. das Urteil vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P (Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Randnr. 40).


13
Siehe die Nachweise in Fußnote 6.


14
Urteile vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 25) und Wagner Miret (zitiert in Fußnote 6, Randnr. 22). Anders wohl Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in den Schlussanträgen vom 27. April 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-397/01 bis C-403/01 (Pfeifer, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nrn. 24 ff.). Siehe aber auch das Urteil in diesen verbundenen Rechtssachen vom 5. Oktober 2004 (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 116).


15
Urteil vom 7. Januar 2004 in der Rechtssache C-60/02 (Strafverfahren gegen X, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 58 ff.).


16
S. 5 f. des italienischen Schriftsatzes.


17
Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 18. Juni 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-74/95 und C-129/95 (X, Slg. 1996, I-6609, I-6612, Nr. 43). Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95 (Tombesi u. a., Slg. 1997, I-3564, Nr. 37).


18
Vgl. dazu das Urteil des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-74/95 und C-129/95 (X, Slg. 1996, I-6609, Randnrn. 24 f.) unter Verweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 25. Mai 1993 (Kokkinakis, Serie A, Nr. 260-A, § 52) und vom 22. November 1995 (S. W./Vereinigtes Königreich und C. R./Vereinigtes Königreich, Serie A, Nrn. 335-B, § 35, und 335-C, § 33). Vgl. auch die Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 63/83 (Kirk, Slg. 1984, 2689, Randnr. 22), vom 8. Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Randnr. 13), vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-168/95 (Arcaro, Slg. 1996, I-4705, Randnr. 42) und Strafverfahren gegen X (zitiert in Fußnote 15, Randnrn. 61 ff.). Siehe dazu auch im Einzelnen meine Schlussanträge vom 10. Juni 2004 in der Rechtssache C-457/02 (Niselli, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nrn. 53 ff.) und vom 14. Oktober 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-387/02, C-391/02 und C-403/02 (Berlusconi, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nrn. 140 ff.).


19
Zur Unterzeichnung aufgelegt am 19. Dezember 1966 (UN Treaty Series, Band 999, S. 171).


20
Urteile vom 12. November 1981 in den verbundenen Rechtssachen 212/80 bis 217/80 (Salumi u. a., Slg. 1981, 2735, Randnr. 9), vom 6. Juli 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-121/91 und C-122/91 (CT Control Rotterdam und JCT Benelux/Kommission, Slg. 1993, I-3873, Randnr. 22), vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-61/98 (De Haan, Slg. 1999, I-5003, Randnrn. 13 und 14) sowie vom 1. Juli 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-361/02 und C-362/02 (Tsapalos, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 19).


21
Siehe oben, Nr. 35.


22
Urteil vom 5. Oktober 2004 in der Rechtssache C-475/01 (Kommission/Griechenland [Ouzo], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 18 f.).


23
ABl. L 203, S. 1.


24
Initiative der Portugiesischen Republik im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses über die Stellung des Opfers im Strafverfahren, ABl. C 243 vom 24. August 2000, S. 4 ff.


25
Legislative Entschließung vom 12. Dezember 2000, ABl. C 232 vom 17. August 2001, S. 61 ff., Änderungsvorschläge Nrn. 13 und 25; siehe auch den Bericht Nr. A5-0355/2000 der Abgeordneten Carmen Cerdeira Morterero vom 24. November 2000, S. 11 f. und 17.


26
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss - Opfer von Straftaten in der Europäischen Union - Überlegungen zu Grundsätzen und Maßnahmen, KOM (1999) 349 endg.


27
KOM (1999) 349 endg., S. 7.


28
Entschließung des Rates vom 23. November 1995 über den Schutz von Zeugen im Rahmen der Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität, ABl. C 327, S. 5.


29
Schlussfolgerungen des Vorsitzes – Europäischer Rat (Tampere) 15. und 16. Oktober 1999, Nr. 32.


30
Empfehlung Nr. R (85) 11 des Ministerkomittees über die Stellung des Opfers im Strafrecht und im Strafverfahrensrecht vom 28. Juni 1985, Nr. 8.


31
Empfehlung Nr. R (85) 11, Nr. 16.


32
Empfehlung Nr. R (85) 11, Nr. 8.


33
Zur Unterzeichnung aufgelegt am 20. November 1989 (UN Treaty Series, Band 1577, S. 43).


34
So kann z. B. nach § 255a der deutschen Strafprozessordnung in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184 f des deutschen Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des deutschen Strafgesetzbuches) oder wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des deutschen Strafgesetzbuches) die Vernehmung eines Zeugen unter sechzehn Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken.


35
Urteil vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-276/01 (Steffensen, Slg. 2003, I-3735, Randnrn. 69 ff. mwN.).


36
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Van Mechelen u. a. gegen Niederlande vom 23. April 1997, Reports of Judgments and Decisions 1997-III, S. 711, § 51.


37
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Doorson gegen Niederlande vom 26. März 1996, Reports of Judgments and Decisions 1996-II, S. 470, § 70.


38
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil P. S. gegen Deutschland vom 20. Dezember 2001, § 28.


39
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Doorson, zitiert in Fußnote 37, § 72 f.


40
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteile P. S., zitiert in Fußnote 37, §§ 25 ff. und A. M. gegen Italien vom 14. Dezember 1999, Reports of judgments and decisions 1999-IX, §§ 25 ff.


41
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil S. N. gegen Schweden vom 2. Juli 2002, Reports of Judgments and Decisions 2002-V, §§ 49 ff.