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Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER
vom 7. September 2004(1)



Rechtssache C-207/03



Novartis AG,

University College London


und


Institute of Microbiology and Epidemiology

gegen

Comptroller-General of Patents, Designs and Trade Marks

for the United Kingdom


und Rechtssache C-252/03



Ministre de l'économie

gegen

Millenium Pharmaceuticals Inc.


(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division [Patents Court], und der Cour administrative des Großherzogtums Luxemburg)


„Europäischer Wirtschaftsraum – Arzneimittel – Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 – Ergänzende Schutzzertifikate – Laufzeit – Berechnung – Auslegung des Artikels 13 der Verordnung – Erste Genehmigung für das Inverkehrbringen ‚in der Gemeinschaft‘ – Schweizerische Genehmigungen, die automatisch Wirkungen in Liechtenstein entfalten – Zertifikat, dessen Geltungsdauer falsch berechnet wurde – Berichtigung durch die nationalen Behörden“






Einleitung

1.       Zwischen der Schweiz und Liechtenstein besteht seit 1924 eine Zollunion (2) , die sich seit 1. April 1980 auf Patente erstreckt; für diesen Bereich ist ein einziges Amt, nämlich das schweizerische, zuständig, das Patente ausstellt, die in beiden Staatsgebieten gültig sind (3) , so dass die in der Schweiz erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in Liechtenstein automatisch anerkannt werden (4) .

2.       Das Fürstentum Liechtenstein gehört zum Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR), in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (5) anwendbar ist.

3.       Die Gerichte, die die vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet haben, möchten wissen, ob die von den schweizerischen Behörden erteilten Genehmigungen zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln eine „erste Genehmigung in der Gemeinschaft“ darstellen können und ob somit das Datum ihrer Erteilung bei der Berechnung der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats berücksichtigt werden muss. Dieser grundlegenden Frage fügt der High Court of Justice eine weitere hinzu, die auf die Feststellung gerichtet ist, ob die Behörden der Mitgliedstaaten des EWR zur Berichtigung der Zertifikate verpflichtet sind, deren Geltungsdauer falsch berechnet wurde.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92

4.       Diese Verordnung führt einen neuen Rechtstitel in Bezug auf geistiges Eigentum ein, der an ein zuvor erteiltes Patent gebunden ist (6) und die Verlängerung der Geltungsdauer der durch das Patent gewährten Rechte bezweckt.

5.       Sie wurde zur Unterstützung der pharmazeutischen Forschung erlassen, um zu verhindern, dass die in den Mitgliedstaaten gelegenen Zentren in Länder verlagert werden, die sie mehr begünstigen (Begründungserwägungen 2 und 5). Diese Tätigkeit erfordert nämlich beträchtliche Investitionen (7) , die sich nur dann rentieren können, wenn derjenige, der sie betreibt, für eine hinreichend lange Zeit das Monopol auf die Nutzung ihrer Ergebnisse erhält. Zum Schutz des Rechts auf Gesundheit (8) ist das Inverkehrbringen von Arzeimitteln jedoch von der Erteilung einer Genehmigung abhängig, für die ein langwieriges und komplexes Verfahren zu durchlaufen ist (9) , so dass die zwischen der Einreichung des Patentantrags und der Erteilung der Genehmigung für den Vertrieb des Produktes auf dem Markt verstrichene Zeit die Dauer der ausschließlichen Nutzung erheblich reduziert (10) , die Investoren abschreckt und der wissenschaftlichen Arbeit in diesem Bereich schadet (11) .

6.       Frankreich und Italien halfen dieser Situation ab, indem sie ergänzende Schutzzertifikate einführten (12) . Um der Gefahr einer ungleichmäßigen Entwicklung in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Union vorzubeugen, die den freien Verkehr von Arzneimitteln im Binnenmarkt behindern könnte, sieht die Verordnung Nr. 1768/92 innerhalb der Gemeinschaft eine einheitliche Lösung vor. Sie führt für Präparate, deren Vertrieb genehmigt ist, ein Zertifikat ein, das der Inhaber eines nationalen oder europäischen Patents in allen Mitgliedstaaten unter denselben Voraussetzungen erhalten kann (Begründungserwägungen 6 und 7) (13) .

7.       Dieses Zertifikat, das dieselben Rechte gewährt und dieselben Beschränkungen und Verpflichtungen auferlegt wie das Grundpatent, das es ergänzt (Artikel 5), kann für die im Staatsgebiet eines Mitgliedstaats geschützten Heilmittel erteilt werden, deren Verkauf von der vorherigen Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach der Richtlinie 65/65/EWG (14) oder der Richtlinie 81/851/EWG (15) abhängig ist (Artikel 2).

8.       Die Erteilung des Zertifikats erfordert, dass 1. das Erzeugnis von einem in Kraft befindlichen Grundpatent erfasst wird, 2. für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige erste Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß den genannten Richtlinien besteht und 3. für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde (Artikel 3).

9.       Die Anmeldung muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem für das Erzeugnis als Arzneimittel die fragliche Genehmigung erteilt wurde, es sei denn, die Genehmigung erfolgte vor der Erteilung des Erfindungspatents; die Frist beginnt dann im Zeitpunkt der Erteilung des Patents (Artikel 7).

10.     Für den Gemeinschaftsgesetzgeber besteht das Ziel darin, dem Eigentümer der Erfindung höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft einzuräumen (8. Begründungserwägung). Zu diesem Zweck regelt Artikel 13 die Laufzeit des Zertifikats wie folgt:

„(1)  Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren[ (16) ].

(2)    Ungeachtet des Absatz 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an[ (17) ].“

11.     Die Maßnahmen, mit denen über Zertifikatsanmeldungen oder Anträge auf Nichtigerklärung eines Zertifikats entschieden wird, sind unter den Voraussetzungen anfechtbar, die die nationalen Rechtsordnungen für entsprechende Entscheidungen auf dem Gebiet der Patente vorsehen (Artikel 17 in Verbindung mit den Artikeln 10 und 15).

B – Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (18)

12.     Mit diesem Abkommen, das am 2. Mai 1992 in Porto unterzeichnet wurde und seit dem 1. Januar 1994 in Kraft ist, sollte in dem in Artikel 126 Absatz 1 definierten Gebiet, d. h. in dem Gebiet der seinerzeitigen Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelszone, ein homogener Wirtschaftsraum geschaffen werden, in dem Freizügigkeit und Freiverkehr gewährleistet sind (Artikel 1 Absätze 1 und 2). Dieses Gebiet umfasste daher im Prinzip auch Liechtenstein und die Schweiz als Mitglieder der Freihandelsgemeinschaft, aber die Schweizerische Eidgenossenschaft entschied sich mittels eines Referendums vom Dezember 1992 gegen eine Beteiligung an dem Abkommen.

13.     Um sicherzugehen, dass die regionale Union der beiden Länder das gute Funktonieren des Abkommens nicht beeinträchtigt, wurde dessen Inkrafttreten für Liechtenstein auf den 1. Mai 1995 verschoben (19) .

14.     Nach Artikel 7 Buchstabe a sind die Gemeinschaftsverordnungen für die Vertragsparteien verbindlich und werden vollständig in deren Rechtsordnungen übernommen; nach Artikel 65 Absatz 2 enthalten das Protokoll 28 (20) und der Anhang XVII (21) insoweit besondere Bestimmungen und besondere Regelungen über das geistige Eigentum und den gewerblichen Rechtsschutz.

15.     Das Verzeichnis in Anhang XVII in der Fassung des Beschlusses Nr. 7/94 des Gemeinsamen EWR‑Ausschusses (22) umfasst auch die Verordnung Nr. 1768/92. Nach der Einleitung des Anhangs, die auf das Protokoll 1 über horizontale Anpassungen (23) verweist, sind die örtlichen Bezugnahmen in dieser Gemeinschaftsregelung so zu verstehen, dass sie das in Artikel 126 definierte Gebiet der Vertragsparteien betreffen.

16.     Anhang II des Abkommens (24) in der Fassung des Beschlusses Nr. 1/95 des EWR‑Rates greift den so genannten „Grundsatz des parallelen Inverkehrbringens“ auf, indem er für die Erzeugnisse, die unter die in diesem Anhang behandelten Rechtsakte fallen, vorsieht, dass Liechtenstein neben den Vorschriften des EWR schweizerische technische Vorschriften und Normen berücksichtigen kann, die sich aus der regionalen Union der beiden Länder ergeben. Die Bestimmungen über den freien Warenverkehr gelten bei Ausfuhren aus Liechtenstein in andere Vertragsparteien des Abkommens somit nur dann, wenn die Erzeugnisse den Anforderungen des EWR‑Rechts entsprechen. In Kapitel XIII dieses Anhangs, das die Gemeinschaftsregelung über Arzneispezialitäten zusammenfasst, sind die Richtlinien 65/65 und 81/851 erwähnt.

C – Die für die vorliegenden Rechtssachen relevanten Änderungen der Verordnung Nr. 1768/92, die sich aus dem EWR‑Abkommen ergeben

17.     In Artikel 3 Buchstabe b heißt es: „für die Zwecke dieses Buchstabens und der auf ihn verweisenden Artikel gilt eine gemäß den nationalen Rechtsvorschriften eines EFTA‑Staates erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen als Genehmigung gemäß der Richtlinie 65/65/EWG bzw. der Richtlinie 81/851/EWG“ (25) .

18.     Nach Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 1 kann „[f]ür jedes Erzeugnis, das am 2. Januar 1993 durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt war und für das als Arzneimittel eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im Gebiet der Vertragsparteien nach dem 1. Januar 1985 erteilt wurde, … ein Zertifikat erteilt werden“ (26) .

19.     Nach der Einleitung des Anhangs XVII in Verbindung mit Ziffer 8 des Protokolls 1 gilt die Bezugnahme in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung auf die Laufzeit der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft als Bezugnahme auf den Zeitpunkt, in dem diese Genemigung erstmals in einem der EWR‑Staaten erteilt wird.

20.     Der Beschluss Nr. 1/95 des EWR‑Rates hat schließlich den genannten Anhang XVII geändert und in Nummer 6 einen Buchstaben d angefügt, der wie folgt lautet: „In Anbetracht der Patentunion zwischen Liechtenstein und der Schweiz erteilt Liechtenstein keine ergänzenden Schutzzertifikate für Arzneimittel gemäß dieser Verordnung“ (Anhang 10).

II – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

A – Rechtssache C-207/03

21.     Die Novartis AG, das University College London und das Institute of Microbiology and Epidemiology (im Folgenden: Novartis u. a.) sind Inhaber der Rechte an zwei Arzneimitteln, für die in Kraft befindliche Patente bestehen: Basiliximab, ein Immunsuppressivum, das bei Organtransplantationen eingesetzt wird, und eine Kombination aus Artemether und Lumefantrin gegen Malaria (27) .

22.     Am 7. April 1998 und am 22. Januar 1999 erteilten die schweizerischen Behörden die entsprechenden Genehmigungen für die beiden Erzeugnisse, die automatisch in Liechtenstein anerkannt wurden.

23.     Für Basiliximab erteilte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 9. Oktober 1998 nach dem Verfahren der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 (28) eine Genehmigung; die Kombination gegen Malaria erhielt eine nationale Genehmigung, die von der British Medicines Control Agency am 30. November 1999 erteilt wurde.

24.     Der stellvertretende Direktor des United Kingdom Patent Office (Patentamt des Vereinigten Königreichs), der für den Prüfer handelte, entschied am 12. Februar 2003, dass die Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate anhand der Daten der Erteilung der schweizerischen Genehmigungen zu berechnen sei. Novartis u. a. wendeten sich gegen diese Entscheidung mit dem Argument, die Berechnung müsse unter Zugrundelegung des Zeitpunkts der Erteilung der ersten Genehmigung für einen EWR‑Staat erfolgen (29) .

25.     Vor diesem Hintergrund hat der High Court of Justice folgende Fragen vorgelegt:

1.
Ist der Zeitpunkt der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Schweiz, die in Liechtenstein automatisch anerkannt wird, als die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für die Zwecke der Berechnung der Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats nach Artikel 13 der Verordnung Nr. 1768/92 in der durch das EWR‑Abkommen geänderten Fassung anzusehen?

2.
Ist eine im EWR zuständige Behörde verpflichtet, bestehende ergänzende Schutzzertifikate zu berichtigen, deren Laufzeit fehlerhaft berechnet worden ist?

B – Rechtssache C‑252/03

26.     Durch die Übernahme der Cor Therapeutics Inc. wurde die Millenium Pharmaceuticals Inc. (im Folgenden: Millenium) Inhaberin der Rechte an dem Arzneimittel Eptifibatide, das bei Patienten mit kardiovaskulären Krankheiten eingesetzt wird und durch ein in Kraft befindliches Patent geschützt ist (30) .

27.     Am 27. Februar 1997 erteilten die schweizerischen Behörden eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen, während die Kommission nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 am 1. Juli 1999 eine weitere Genehmigung erteilte.

28.     Am 15. Dezember 1999 beantragte Millenium beim luxemburgischen Wirtschaftsministerium ein ergänzendes Schutzzertifikat, das am 15. Februar 2000 erteilt wurde; seine Laufzeit wurde in Bezug auf das Datum der schweizerischen Genehmigung festgelegt.

29.     Millenium focht diese Entscheidung beim Tribunal administratif Luxemburg an, das der Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2002 stattgab und die angefochtene Maßnahme durch die Anordnung abänderte, in dem Dokument den 27. Februar 1997 durch den 1. Juli 1999 als Datum der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen zu ersetzen.

30.     Im Rechtsmittelverfahren hat die Cour administrative das Verfahren ausgesetzt und sich mit folgender Frage an den Gerichtshof gewendet:

Stellt eine von den schweizerischen Behörden erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1768/92 dar?

III – Das Verfahren vor dem Gerichtshof

31.     In der Rechtssache C‑207/03 haben Novartis u. a., die Regierungen von Island, Liechtenstein, Norwegen, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission und die EFTA‑Überwachungsbehörde innerhalb der Frist des Artikels 20 der EG‑Satzung des Gerichtshofes schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Rechtssache C‑252/03 haben sich die vorstehenden Regierungen mit Ausnahme der norwegischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die luxemburgische Regierung, die beiden genannten Organe und Millenium geäußert.

32.     Am 8. Juli 2004 hat eine gemeinsame mündliche Verhandlung stattgefunden, an der die Vertreter der am schriftlichen Verfahren Beteiligten mit Ausnahme der niederländischen Regierung teilgenommen und mündlich Stellung genommen haben.

IV – Würdigung der Vorlagefragen

A – Zu den schweizerischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen und den ergänzenden Schutzzertifikaten für den EWR (erste Frage)

33.     Die Frage des luxemburgischen Verwaltungsgerichts, die mit der ersten Frage des High Court übereinstimmt, betrifft die Beurteilung der in der Schweiz erteilten Genehmigungen zum Inverkehrbringen, die wegen deren Union mit Liechtenstein dort unmittelbar Wirkungen entfalten. Insbesondere geht es jedoch darum, ob eine solche Genehmigung als erste Genehmigung im Gebiet des EWR gelten und zur Berechnung der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats nach Artikel 13 der Verordnung herangezogen werden kann.

34.     Die in den Vorabentscheidungsverfahren vertretenen Ansichten sind sehr bestimmt und stehen im Gegensatz zueinander. Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen, die EFTA‑Überwachungsbehörde sowie die isländische, die liechtensteinische, die niederländische und die norwegische Regierung sind der Meinung, dass den in der Schweiz erteilten Genehmigungen nicht die fragliche Bedeutung beizumessen ist; die Regierung des Vereinigten Königreichs und die luxemburgische Regierung sowie die Kommission vertreten die gegenteilige Auffassung.

35.     Die letztgenannte Gruppe stützt ihre Ansicht auf eine wörtliche und teleologische Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 sowie darauf, dass für die Beantwortung der Frage der Vertrieb auf der Grundlage einer Genehmigung maßgeblich sei, unabhängig davon, ob die Genehmigung dem Arzneimittel den Zugang zum EWR‑Gebiet ermögliche. Die übrigen Verfahrensbeteiligten stellen jedoch auf diesen letzten Punkt ab und machen geltend, dass das Ausstellungsdatum der in der Schweiz erteilten Genehmigungen nicht als Bezugspunkt für die Berechnung der Laufzeit der ergänzenden Zertifikate benutzt werden könne, weil diese Genehmigungen nicht den normativen Anforderungen im Gebiet des Abkommens genügten und daher nicht den freien Verkehr des Erzeugnisses im Binnenmarkt ermöglichten. Überraschenderweise stützen sie ihre Ansicht auch auf eine Auslegung des Wortlauts und der Ziele der fraglichen Verordnung sowie auf eine Würdigung ihres Hintergrunds.

36.     Die an den vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren Beteiligten bedienen sich somit zur Erreichung unterschiedlicher Ergebnisse derselben Waffen.

37.     In einem Punkt sind sich alle Verfahrensbeteiligten ausnahmslos einig: Die in der Schweiz erteilten Genehmigungen eröffnen den fraglichen Arzneimitteln nicht den Zugang zum EWR‑Gebiet. Alles Weitere ist streitig, denn an diesen Umstand werden völlig unterschiedliche Folgen geknüpft: Für die einen ergibt sich daraus, dass die schweizerischen Genehmigungen keinen Bezugspunkt für die Berechnung der zusätzlichen Schutzdauer darstellen, für die anderen ist er bedeutungslos.

38.     Um diesen Streit zu schlichten und eine sichere Antwort zu bieten, ist eine Untersuchung des für den liechtensteinischen Markt geltenden Grundsatzes des parallelen Inverkehrbringens erforderlich.

1. Die Arzneimittel auf den parallelen liechtensteinischen Märkten

39.     Der in Anhang II des EWR‑Abkommens geregelte Grundsatz des parallelen Inverkehrbringens ist das Ergebnis der Beteiligung Liechtensteins an verschiedenen Wirtschaftsräumen, in denen unterschiedliche, nicht miteinander in Einklang zu bringende Vorschriften gelten. In ein und demselben Gebiet bestehen nebeneinander zwei rechtliche Regelungen: Die eine betrifft die Beziehungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein, die andere die Zugehörigkeit Liechtensteins zum EWR. Besteht kein Konflikt, so sind beide Systeme durchlässig, und im Allgemeinen spricht nichts dagegen, dass ein Erzeugnis aus der Schweiz vom Staatsgebiet ihres Vertragspartners in das eines anderen Mitglieds des EWR gelangt und umgekehrt. Im anderen Fall werden jedoch Schranken aufgerichtet, und die Märkte werden undurchlässig, so dass die in Liechtenstein genehmigten Waren nur dann in die übrigen Unterzeichnerstaaten des Abkommens exportiert werden können, wenn sie deren Vorschriften entsprechen (31) . Letztlich können Waren nicht schon deswegen frei im EWR verkehren, weil sie dies innerhalb der Zollunion können.

40.     Auf dem liechtensteinischen Markt verkehren daher gleichzeitig nach den Vorschriften des EWR genehmigte und nach dem schweizerischen System zulässige Arzneimittel; nach dem mehrfach erwähnten Grundsatz des parallelen Inverkehrbringens ermöglichen schweizerische Genehmigungen, die im Rahmen des Vertrages mit Liechtenstein automatische Wirkungen entfalten, jedoch nur dann die Einfuhr eines Arzneimittels in andere Mitgliedstaaten des Abkommens, wenn sie den Anforderungen der geltenden Regelungen genügen: den Richtlinien 65/65 und 81/851 (jetzt der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinien 2004/27 und 2004/24). Es leuchtet daher ein, dass Heilmittel aus der Schweiz nicht ohne weiteres im EWR vertrieben werden können. Wie ich in Fußnote 4 ausgeführt habe, erteilt Liechtenstein seit dem 1. Mai 1998 nach dem EWR‑Arzneimittelgesetz Genehmigungen für das Inverkehrbringen nach dem Gemeinschaftsrecht, was bestätigt, dass die Genehmigungen seines Nachbarn nur innerhalb der Grenzen der zwischen ihnen bestehenden Zollunion gelten.

41.     Können diese Genehmigungen aber aufgrund ihrer Unzulänglichkeit, bezüglich deren alle Stellungnahmen übereinstimmen, bei der Berechnung der Dauer des ergänzenden Schutzes außer Acht gelassen werden? Für die Beantwortung dieser Frage ist auf die Ziele der Verordnung abzustellen.

2. Der Zweck der Verordnung Nr. 1768/92

42.     Die Untersuchung der Begründungserwägungen dieser Regelung zeigt, dass der Hauptbeweggrund des Gesetzgebers für den Erlass dieser Regelung nicht die Gewährleistung des freien Verkehrs von Arzneimitteln war, sondern die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine rentable Arzneimittelforschung und die Vermeidung der Abwanderung von Unternehmen dieses Sektors aus dem Gebiet der Union, wobei jedoch auch andere schutzwürdige Interessen wie die Volksgesundheit und die Interessen der Verbraucher und der Hersteller von Generika berücksichtigt wurden (32) . Der ungehinderte Verkehr von Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft ist eine Reflexwirkung dieses Hauptziels, da zur Vermeidung einer Aufteilung des Binnenmarkts durch unterschiedliche nationale Vorschriften eine einheitliche Regelung erforderlich ist. Es trifft zwar zu, dass dieser zweitrangigen Begründung große Bedeutung beigelegt wurde, um die Zuständigkeit der Gemeinschaft zu begründen und Artikel 100a EG‑Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) als Rechtsgrundlage zu verwenden; dies verpflichtet jedoch nicht dazu, den Inhalt der Verordnung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarkts zu betrachten und ihre Vorschriften danach auszulegen und andere für den Erlass der Regelung entscheidende Gründe außer Acht zu lassen (33) .

43.     Für die Antwort an die vorlegenden Gerichte ist es zweifellos unerheblich, dass die in der Schweiz erteilten Genehmigungen zum Inverkehrbringen nicht den Verkehr der durch sie geschützten Arzneimittel im EWR, mit Ausnahme von Liechtenstein, ermöglichen. Dies wird auch durch den Umstand belegt, dass die von den Mitgliedstaaten nach den Richtlinien 65/65 und 75/319 oder nach der neuen, vor kurzem geänderten Richtlinie 2001/83 erteilten Genehmigungen ebenso wenig den freien Vertrieb des Erzeugnisses auf dem Markt anderer Mitgliedstaaten erlauben.

44.     Diese Vorschriften haben die Annäherung der nationalen Rechtsvorschriften über, neben anderen Aspekten, die Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten zum Ziel, indem sie u. a. einen Ad‑hoc‑Ausschuss mit Beratungsfunktionen schaffen und ein Verfahren zur gegenseitigen Anerkennung der erteilten Genehmigungen einführen. Für die Genehmigung des Verkehrs eines Erzeugnisses im Staatsgebiet eines Mitgliedstaats sind jedoch auf jeden Fall dessen Behörden zuständig, die durch die in anderen Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen nicht gebunden sind (34) . In den bereits erwähnten Schlussanträgen in der Rechtssache Generics (UK) u. a. habe ich ausgeführt, dass „[d]er größte Teil der Arzneimittel … auf der Grundlage einer nationalen Zulassung in den Verkehr gebracht [wird], die die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats erteilt und die in diesem Staat Gültigkeit hat“ (Nr. 5). Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1999 (Rhône-Poulenc Rorer und May & Baker) (35) „darf ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats … eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde“ (Randnr. 23).

45.     Der über diesen Punkt bestehende Streit kann dahinstehen, da, wie die Kommission in ihrer Stellungnahme vorträgt, keine funktionale Verbindung zwischen diesen Genehmigungen und dem freien Verkehr von Arzneimitteln im Binnenmarkt besteht.

46.     Der Schlüssel zur Antwort liegt woanders.

3. Das Inverkehrbringen in einem Teil des EWR‑Gebiets

47.     Die Verordnung Nr. 1768/92 verlängert zur Förderung der Forschung im Gebiet der Union einheitlich den Schutz, der Neuheiten im Arzneimittelsektor gewährt wird, so dass, wie Generalanwalt Jacobs in Nummer 44 der Schlussanträge in der Rechtssache Spanien/Rat ausgeführt hat, das bedeutsamste Ergebnis dieser Regelung darin besteht, dass der Schutz der von einem Zertifikat erfassten Erzeugnisse in allen Mitgliedstaaten, in denen das Zertifikat erteilt wurde, gleichzeitig endet, auch wenn die Anmeldung für das Grundpatent in verschiedenen Jahren eingereicht wurde (36) . Der Gerichtshof hat diese Ansicht in Randnummer 34 des Urteils in dieser Rechtssache bestätigt, worin er festgestellt hat, dass die fragliche Verordnung eine „einheitliche Schutzdauer“ vorsehe. In einem einige Jahre zuvor in der Rechtssache Yamanouchi Pharmaceutical (37) erlassenen Urteil hat er denselben Gedanken zum Ausdruck gebracht, indem er ausgeführt hat, dass die Verordnung in Bezug auf die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft ausschließe, dass in den Mitgliedstaaten, in denen die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines bestimmten Erzeugnisses erst sehr spät erteilt worden sei, noch eine Verlängerung gewährt werden könne, während dies in den anderen Mitgliedstaaten bereits nicht mehr möglich sei. „Die Verordnung will also die Erteilung von Zertifikaten mit je nach Mitgliedstaat unterschiedlicher Gültigkeitsdauer verhindern“ (Randnr. 25).

48.     Dieser konkrete Punkt, in dem die Regelung Gleichheit schafft, rechtfertigt das System und gibt denjenigen Recht, die wie die Kommission, die luxemburgische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs die Ansicht vertreten, dass die von den schweizerischen Behörden erteilten Genehmigungen, die automatisch Wirkungen in Liechtenstein entfalten, bei der Berechnung der Dauer des ergänzenden Schutzes zu berücksichtigen sind.

49.     Gegenstand der Verordnung ist nicht die Standardisierung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen, sondern die Schaffung eines einheitlichen Verlängerungssystems; um zu erreichen, dass das Monopol auf das Vermarktungsrecht im gesamten EWR‑Gebiet gleich lang besteht, ist auf den Beginn der Vermarktung als maßgebenden Zeitpunkt abzustellen, d. h. auf den Tag, ab dem das Arzneimittel in einem Teil des EWR‑Gebiets (38) , in welchem auch immer (39) , unabhängig von der Art der Ermächtigung vertrieben werden darf, sei es aufgrund einer nach den fraglichen Richtlinien erteilten nationalen Genehmigung eines Mitgliedstaats, sei es aufgrund einer zentralisierten Genehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates (jetzt nach der Verordnung Nr. 726/2004 (40) ) oder aufgrund irgendeiner anderen Genehmigung, die nach dem Rechtsquellensystem sein Inverkehrbringen erlaubt.

50.     Unter die erstgenannte Kategorie fallen, wie ich in den Nummern 17 bis 19 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, die Genehmigungen, die von den EFTA‑Staaten nach ihren jeweiligen nationalen, nicht an die sektoralen Richtlinien angepassten Vorschriften erteilt werden, sowie die von den schweizerischen Behörden erteilten Genehmigungen, die sich natürlich ebenso wenig nach den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts richten, da beide den Vertrieb der Arzneimittel in einem Teil des EWR ermöglichen. Die von einigen Verfahrensbeteiligten in einem Argumentum ad absurdum gezogene Analogie zwischen den von der Schweiz und den von den japanischen oder den US‑amerikanischen Behörden erteilten Genehmigungen ist fehl am Platz, da Letztere anders als die schweizerischen Genehmigungen nirgendwo im Binnenmarkt das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ermöglichen. Maßgebend ist der rechtlich relevante Umstand, dass die Arzneimittel in einem Teil des EWR‑Gebiets rechtmäßig vertrieben werden (41) ; ob dies auf der Grundlage von Genehmigungen geschieht, die den freien Verkehr im gesamten EWR‑Gebiet erlauben, ist unerheblich (42) .

51.     Die von einigen Verfahrensbeteiligten angeführte Gefahr einer Ausdehnung der Wirkungen eines Vertrages – der Zollunion zwischen Liechtenstein und der Schweiz – über seine strikten Grenzen hinaus – auf die übrigen Mitgliedstaaten des EWR – entgegen der im internationalen Recht geltenden Grundsätze lässt sich auf diese Weise abwenden, da nicht einer Vorschrift einer fremden Rechtsordnung, sondern einem nach dem eigenen Recht relevanten Ereignis Wirkungen beigemessen werden.

52.     Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den vorlegenden nationalen Gerichten zu antworten, dass die von den schweizerischen Behörden erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die in Liechtenstein unmittelbare Wirkungen entfalten, eine „erste Genehmigung im EWR‑Gebiet“ im Sinne des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1768/92 darstellen können und dass für die Berechnung der Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate auf das Datum der Erteilung dieser Genehmigungen abzustellen ist.

4. Die Unerheblichkeit des gegenteiligen Vorbringens

53.     Der Gerichtshof hat im Urteil Hässle festgestellt, dass die „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft [als Arzneimittel]“ in allen Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 65/65 erteilt werden muss (Randnrn. 58 und 78 sowie Nr. 2 des Tenors). Diese Feststellung darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden, da sie erstens zeigt, dass andere Arten von Genehmigungen in diesem Bereich, wie diejenigen für Arzneimittelpreise oder Kostenerstattungen für Arzneimittel, von diesem Ausdruck nicht erfasst werden sollten; zweitens war am Sachverhalt im Ausgangsverfahren kein EWR‑Staat beteiligt, der nicht gleichzeitig Mitglied der Europäischen Union war, so dass es nicht erforderlich war, sich auf die Fassung der Verordnung Nr. 1768/92 zu beziehen, die sich aus dem Abkommen, seinen Protokollen und Anhängen und den von den Leitungsorganen des EWR erlassenen Beschlüssen ergibt.

54.     Wie der Gerichtshof im Urteil Hässle (Randnr. 72) ausgeführt hat, dürfen die Begriffe „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen“ oder „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft [als Arzneimittel]“ nicht je nach der Vorschrift der Verordnung, in der sie sich befinden, unterschiedlich ausgelegt werden. Wenn in Artikel 13 also dieser Begriff verwendet wird, schließt er auch die nach den nationalen Rechtsordnungen der EFTA‑Staaten erteilten Genehmigungen mit ein, da dies in den Artikeln 3 Buchstabe b und 19 Absatz 1 in der Fassung des Anhangs XVII (Nr. 6) des Abkommens nach Erlass des Beschlusses Nr. 7/94 des Gemeinsamen Ausschusses so vorgesehen ist (siehe vorstehende Nrn. 17 und 18).

55.     Liechtenstein kann allerdings keine ergänzenden Schutzzertifikate erteilen; dies ergibt sich, wie die Kommission vorträgt, logisch daraus, dass Liechtenstein keine Patente erteilt, und hat für die Beantwortung der Vorlagefrage keine Bedeutung, da, wie ich bereits ausgeführt habe, entscheidend der Zeitpunkt ist, ab dem ein Arzneimittelerzeugnis in einem Teil des EWR‑Gebiets vertrieben werden kann, denn diese Angabe ermöglicht bei der Berechnung der Verlängerung die Bestimmung des letzten Tages des Zeitraums. Wenn also der Inhaber der Rechte an einer Erfindung, die sich auf das Staatsgebiet Liechtensteins erstrecken, keinen Anspruch auf ein Zertifikat nach der Verordnung Nr. 1768/92 hat, besteht auf dem liechtensteinischen Markt niemals Anlass, den Schutz in gleicher Weise wie in den übrigen EWR‑Staaten zu verlängern (43) ; dieser aufgrund der besonderen Lage Liechtensteins gebotene Unterschied ist die dem EWR auferlegte Voraussetzung für die Aufnahme eines speziellen Mitgliedstaats, der in dem betreffenden Bereich eine Union mit einem Drittstaat unterhält, und kann daher nicht als Argument dafür herangezogen werden, den Zweck der Verordnung außer Acht zu lassen, der darin besteht, einen Ausgleich für die Zeitspanne zwischen der Anmeldung des Anspruchs in dem Land, in dem anschließend das Zertifikat beantragt wird, und dem Tag, ab dem das Erzeugnis tatsächlich zum ersten Mal im Binnenmarkt vertrieben werden konnte, zu schaffen.

56.     Die von Novartis u. a. vertretene Lösung (Nichtberücksichtigung der schweizerischen Genehmigungen) würde diesen Zweck außer Acht lassen und auch den angeführten Missstand nicht beheben, da die liechtensteinischen Behörden jedenfalls weiterhin nicht zur Erteilung der Zertifikate befugt wären.

57.     Außerdem würde ihre Auffassung dem Ziel der Verordnung Nr. 1768/92 zuwiderlaufen, das darin besteht, dem Inhaber eines Patents und eines Zertifikats innerhalb der Gemeinschaft höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit zu gewähren (8. Begründungserwägung). Nach ihrer Ansicht besäßen z. B. Novartis u. a. dieses Monopol für Basiliximab bis 8. Oktober 2013 (siehe Fußnote 29), obwohl sie es aufgrund einer am 7. April 1998 erteilten, in Liechtenstein gültigen Genehmigung der schweizerischen Behörden bereits ab diesem Zeitpunkt im EWR‑Gebiet in Verkehr bringen konnten.

58.     Die Anerkennung der schweizerischen Genehmigungen führt dazu, dass bei den pharmazeutischen Unternehmen eine Zeitspanne berücksichtigt wird, in der sie das Erzeugnis auf einem Markt, dem des kleinen Fürstentums mit nur 32 000 potenziellen Verbrauchern, in Verkehr bringen. Unabhängig davon, dass diese Folge auch mit Genehmigungen verbunden wäre, die von anderen Mitgliedstaaten mit geringer Bevölkerungszahl erteilt werden (44) , ist daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung auch den Schutz anderer legitimer Interessen, insbesondere der Volksgesundheit, im Auge hatte, d. h., wie der Gerichtshof im Urteil Spanien/Rat festgestellt hat, den der Interessen der Verbraucher und der Generikahersteller. Diese Auffassung der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens spiegelt den von ihnen zu Unrecht zugrunde gelegten falschen Ansatz wider, dass die fragliche Gemeinschaftsregelung einen auf den freien Verkehr von Arzneimitteln bezogenen Zweck verfolge.

59.     Diejenigen, die die von mir vertretene Ansicht ablehnen, machen geltend, dass mit der Fassung der Artikel 3 Buchstabe b und 19 Absatz 1, die sich aus dem Beschluss Nr. 7/94 des Gemeinsamen Ausschusses ergibt, eine Übergangsformel geschaffen werden sollte, damit die von Österreich, Finnland, Island, Norwegen und Schweden vor ihrem Beitritt zum EWR erteilten Genehmigungen als Grundlage für die Berechnung der Gültigkeitsdauer der ergänzenden Schutzzertifikate dienen konnten. Bei dieser Behauptung handelt es sich um eine reine Vermutung, denn abgesehen davon, dass nichts dagegen spricht, die Situation Liechtensteins – zumindest teilweise – bis 1998 (45) , als Liechtenstein die Kontrollstelle für Arzneimittel, die für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen zuständige Einrichtung, schuf und seine Rechtsvorschriften an den gemeinschaftlichen Besitzstand anpasste, gleichfalls als provisorisch anzusehen, unterstellt sie implizit, dass die Verordnung Nr. 1768/92 nicht die Harmonisierung der Genehmigungsvoraussetzungen bezweckt, sondern die Vereinheitlichung der Dauer des einem Arzneimittelerzeugnis durch ein Patent im gesamten EWR‑Gebiet gewährten ausschließlichen Schutzes mittels der Lizenzen, die die EFTA‑Mitglieder vor der Anpassung ihrer internen Rechtsordnungen an die Anforderungen des gemeinschaftlichen Rechtssystems erteilt haben.

60.     Die EFTA‑Überwachungsbehörde sowie die Regierungen Liechtensteins, Islands und der Niederlande machen geltend, dass Liechtenstein noch nicht zum EWR gehört habe, als der Beschluss Nr. 7/94 des Gemeinsamen Ausschusses erlassen worden sei, der die Artikel 3 Buchstabe b und 19 Absatz 1 der Verordnung geändert habe, so dass diese Vorschriften sich nicht auf Genehmigungen beziehen könnten, die, wie die von der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Mitgliedstaat der EFTA erteilten, den liechtensteinischen Markt für Arzneimittel öffneten. Ich bin jedoch der Ansicht, dass dieses Argument in zweifacher Hinsicht fehlgeht. Erstens darf nicht vergessen werden, dass Liechtenstein zum fraglichen Zeitpunkt als Beobachter beteiligt war und seine endgültige Aufnahme in den EWR in Aussicht stand, sobald die sich aus seiner Zollunion mit der Schweiz ergebenden Schwierigkeiten überwunden wären, so dass es abwegig wäre, mit Sicherheit davon auszugehen, dass im Verfahren zum Erlass des Beschlusses seine besondere Lage nicht berücksichtigt worden sei.

61.     Zweitens habe ich bereits ausgeführt, dass der Wille der Verfasser des Beschlusses, die von anderen EFTA‑Staaten unabhängig von den Gemeinschaftsregelungen erteilten Genehmigungen zu berücksichtigen, offensichtlich ist; dies gilt auch für die schweizerischen Genehmigungen, die im zum EWR gehörenden Liechtenstein aufgrund des mit diesem geschlossenen Vertrages automatisch Wirkungen entfalten. Der EWR‑Rat hat im Beschluss Nr. 1/95 (Anhang 10) nach Verweisung auf den Beschluss Nr. 7/94 des Gemeinsamen Ausschusses außerdem festgelegt, dass Liechtenstein keine ergänzenden Schutzzertifikate erteilt, ohne dass er es bei der Verweisung auf die nach den nationalen Rechtsvorschriften der EFTA‑Staaten erteilten Genehmigungen für nötig gehalten hat, eine Differenzierung dahin gehend vorzunehmen, dass die Genehmigungen nicht erfasst sein sollten, die, durch einen Vertragspartner – die Schweiz – erteilt, das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in Liechtenstein ermöglichen.

B – Zur Berichtigung der falsch berechneten ergänzenden Schutzzertifikate (zweite Vorlagefrage)

62.     Angesichts der Tatsache, dass die auf die erste Vorlagefrage vorgeschlagene Antwort mit der vom United Kingdom Patent Office befürworteten übereinstimmt, ist die zweite, nur vom High Court of Justice aufgeworfene Frage hypothetisch, da in der Berechnung der Novartis u. a. gewährten Verlängerung kein Fehler wäre. Eine Auslegung durch den Gerichtshof ist daher nicht erforderlich.

63.     Da jedoch die Möglichkeit besteht, dass das Urteil des Gerichtshofes in eine andere Richtung geht und die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Entscheidung für falsch hält, prüfe ich in den folgenden Absätzen, wenn auch nur hilfsweise, diese zweite Frage.

64.     Bevor ich fortfahre, ist die Feststellung angebracht, dass die Frage, so wie sie formuliert ist, unzulässig ist, da sie keinen Bezug zum Gegenstand des bei dem britischen Gericht anhängigen Verfahrens hat. Die von Novartis u. a. erhobene Kage bezweckt die Berichtigung der Entscheidung des United Kingdom Patent Office dahin gehend, dass die schweizerischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen für die Berechnung der Geltungsdauer der ergänzenden Schutzzertifikate nicht berücksichtigt werden und die Laufzeit der Zertifikate auf der Grundlage der später erteilten Genehmigungen der Kommission und der British Medicines Control Agency berechnet und somit verlängert wird (46) . Der High Court braucht für seine Entscheidung nicht zu wissen, ob eine nationale Behörde eine Genehmigung inhaltlich berichtigen muss, deren Laufzeit falsch bestimmt wurde (47) , er muss lediglich wissen, ob das zuständige Verwaltungsorgan zur Berichtigung verpflichtet ist, wenn gerichtlich festgestellt worden ist, dass eine Berechnung falsch war. Die Frage des vorlegenden Gerichts ist meiner Meinung nach so zu verstehen.

65.     Die Verfahrensbeteiligten, die sich zu diesem Punkt geäußert haben, vertreten übereinstimmende Ansichten, die lediglich graduell voneinander abweichen.

66.     Eine Annäherung an die Antwort ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften der Verordnung Nr. 1768/92, in deren Artikel 17 es zu den Entscheidungen, die in Anwendung dieser Verordnung getroffen werden, heißt, dass dagegen die Rechtsmittel eingelegt werden können, die nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gegen die entsprechenden Entscheidungen auf dem Gebiet der Patente vorgesehen sind. Dieses Kriterium findet sich auch in der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 (48) über Pflanzenschutzmittel, denn deren Artikel 17 Absatz 2 ermöglicht das Vorgehen gegen die Erteilung eines Zertifikats mit dem Ziel, dessen Laufzeit zu „berichtigen“ (49) , wenn der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft unrichtig ist; nach der 17. Begründungserwägung gilt Artikel 17 Absatz 2 außerdem für die Auslegung des Artikels 17 der Verordnung Nr. 1768/92.

67.     Die nationalen Behörden sind also verpflichtet, die Daten zu berichtigen, die die Geltungsdauer des Zertifikats festlegen, wenn bei ihrer Bestimmung ein Fehler unterlaufen ist. Im Urteil Hässle hat sich der Gerichtshof in diesem Sinne geäußert (Randnr. 88) (50) .

68.     Auch wenn es die vorgenannten Vorschriften nicht gäbe, würden die in der Gemeinschaftsrechtsordnung geltenden Grundsätze zum selben Ergebnis führen.

69.     Wenn eine nationale Behörde sich irrt oder eine sinnwidrige Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 vornimmt, aus der sich eine falsche Berechnung der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats ergibt (indem diese zu kurz oder zu lang bemessen wird), stört das die Einheitlichkeit, die mit dieser Gemeinschaftsregelung erreicht werden soll, da damit die Möglichkeit geschaffen wird, dass die zusätzliche Verlängerungszeit von einem Staat zum anderen unterschiedlich ist, was der Gesetzgeber ganz eindeutig vermeiden wollte.

70.     Der vorstehende Gedanke führt direkt zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts (51) und dazu, dass es zur Gewährleistung der uneingeschränkten und einheitlichen Wirksamkeit dieses Vorrangs erforderlich ist (52) , dass die nationalen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Beachtung der Bestimmungen sicherstellen, die zu diesem Rechtssystem gehören, insbesondere der Verordnungen in der Auslegung, die sie durch den Gerichtshof erhalten haben (53) . Dieser hat in Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 234 EG den Sinn und die Bedeutung dieser Bestimmungen erläutert und festgelegt und dadurch gezeigt, wie diese ab ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden sind oder gewesen wären (54) .

71.     Normalerweise müssen daher alle Gerichte, von Ausnahmefällen abgesehen, die Gemeinschaftsbestimmungen gemäß der vom Gerichtshof festgelegten Bedeutung anwenden, und zwar auch auf Rechtsbeziehungen, die vor dem Vorabentscheidungsurteil entstanden sind, sofern die Voraussetzungen für eine gerichtliche Überprüfung vorliegen (55) . In gleicher Weise und aus denselben Gründen obliegt diese Verpflichtung auch den Verwaltungsbehörden (56) .

72.     Dies gilt allerdings mit zwei Einschränkungen. Die erste besteht darin, dass die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, wenn keine Gemeinschaftsregelungen vorhanden sind, die verfahrensrechtlichen Einzelheiten für die Vornahme der Berichtigung mittels Vorschriften regeln müssen, die jedenfalls den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechten dasselbe Schutzniveau zukommen lassen wie den aus innerstaatlichen Bestimmungen abgeleiteten (Äquivalenzgrundsatz) und Rechtsbehelfe vorsehen, die die Vornahme der entsprechenden Schritte nicht erschweren oder praktisch unmöglich machen (Effektivitätsgrundsatz) (57) .

73.     Die zweite Einschränkung, die ein Reflex der ersten ist, besteht in der Notwendigkeit der Beachtung der Rechtssicherheit, einer der Grundregeln der Rechtsordnung der Europäischen Union, die eine erneute Prüfung von Entscheidungen, die bei Erlass des Vorabentscheidungsurteils unanfechtbar und nicht durch ein Gericht überprüfbar waren, untersagt. Nach dem Urteil Kühne & Heitz verlangt das Gemeinschaftsrecht von einem Verwaltungsorgan grundsätzlich keine Überprüfung einer (durch Erschöpfung des Rechtswegs oder wegen Ablaufs der angemessenen Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen) bestandskräftig gewordenen Entscheidung, es sei denn, das nationale Recht lässt diese zu; in diesem Fall müssen die in dem genannten Urteil angeführten strengen Voraussetzungen erfüllt sein (58) .

74.     Die Grundsätze führen demnach zum selben Ziel wie der Gesetzeswortlaut: Die Überprüfung hat sich, wie in Artikel 17 der beiden Verordnungen geregelt, nach den Rechtsbehelfen zu richten, die die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei den nationalen Patenten vorsehen.

75.     Wenn also nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts die Verwaltungsentscheidung, mit der über einen Antrag befunden wurde, überprüft werden kann, müssen die nationalen Behörden die ergänzenden Schutzzertifikate, deren Laufzeit falsch berechnet wurde, im Rahmen der nach dem betreffenden Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe berichtigen.

V – Ergebnis

76.     In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom High Court of Justice (England & Wales) und von der Cour administrative des Großherzogtums Luxemburg vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.
Die in der Schweiz erteilten Genehmigungen zum Vertrieb von Arzneimitteln, die im Rahmen der Zollunion mit Liechtenstein dort unmittelbare Wirkungen entfalten, stellen eine „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne von Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel dar.

2.
Die Behörden der EWR‑Staaten sind verpflichtet, die Daten, die die Geltungsdauer der ergänzenden Schutzzertifikate festlegen, zu berichtigen, wenn bei deren Bestimmung ein Fehler unterlaufen ist, sofern die Entscheidung nach den betreffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften überprüft werden kann.


1
Originalsprache: Spanisch.


2
Zollvertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (Liechtensteinisches Landesgesetzblatt – im Folgenden: LGBl. – 1923, Nr. 24). Wie der Titel dieses internationalen Vertrages zeigt, bilden die beiden Länder in Wirklichkeit keine Zollunion mit einem gemeinsamen Zolltarif, sondern Liechtenstein hat sich an das schweizerische System angeschlossen.


3
Patentschutzvertrag vom 22. Dezember 1978 über den Schutz der Erfindungspatente (LGBl. 1980, Nr. 31), geändert durch die Ergänzungsvereinbarung vom 2. November 1994 (LGBl. 1995, Nr. 80), die am 1. Mai 1995 in Kraft getreten ist. Nach diesen Bestimmungen bilden die beiden Vertragspartner ein einheitliches Schutzgebiet für Erfindungspatente (Artikel 1), so dass ein Patent im gesamten Schutzgebiet Rechtswirkungen entfaltet (Artikel 4 Absatz 1). Der Vollzug der Verwaltungsaufgaben wird durch die schweizerischen Behörden besorgt (Artikel 7), und zwar durch das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum. Herr Frick, Regierungschef Liechtensteins von Dezember 1993 bis April 2001, erklärte in seinem Bericht im Verfahren vor dem High Court, dass sein Land infolge des Vertrages kein Patentamt habe und keine Patente erteilen könne; die in der Schweiz erteilten Patente entfalteten daher unmittelbare Wirkung in Liechtenstein. Es gebe daher keine auf den einen oder den anderen Staat begrenzte Lizenzen (Randnrn. 29 bis 32).


4
Seit 1973 akzeptiert Liechtenstein aufgrund eines Notenaustauschs (LGBl. 1973, Nr. 20/1) ohne weitere Umstände die von der Interkantonalen Kontrollstelle, einer in der Interkantonalen Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel geregelten Einrichtung (Amtliche Sammlung des Bundesrechts – im Folgenden: AS – 1972, 1026; LGBl. 1973, Nr. 20/2), erteilten Genehmigungen. Zwischen 1990 und 2001 wendete es das Heilmittelgesetz vom 24. Oktober 1990 (LGBl. 1990, Nr. 75) an, dessen Artikel 7 Absatz 2 lediglich bestimmte, dass der Vertrieb eines Heilmittels erlaubt war, sobald die Registrierung durch die genannte schweizerische Einrichtung erfolgt war. Mit dem EWR‑Arzneimittelgesetz (Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln im EWR) vom 18. Dezember 1997 (LGBl. 1998, Nr. 45) führte Liechtenstein infolge der Verpflichtungen, die sich aus seinem Beitritt zum EWR ergaben, ab dem 1. Mai 1998 ein den gemeinschaftlichen Anforderungen entsprechendes Genehmigungssystem ein. Am 15. Dezember 2000 erließ die Schweiz das Heilmittelgesetz (Systematische Sammlung des Bundesrechts – im Folgenden: SR – 812.21), das am 1. Januar 2001 in Kraft trat und die Interkantonale Vereinbarung ersetzte sowie eine neue Einrichtung schuf (das Schweizerische Heilmittelinstitut), die die Interkantonale Kontrollstelle ablöste. Aus dem Zusammenspiel dieser beiden letztgenannten Regelungen sowie aus dem Notenaustausch vom 11. Dezember 2001 (AS 2002, 2788) ergibt sich, dass in Liechtenstein zwei Genehmigungsregelungen nebeneinander bestehen: die schweizerische, die ihre Wirkungen über die Zollunion mit Liechtenstein entfaltet, und die an die Anforderungen des EWR angepasste eigene Regelung.


5
ABl. L 182, S. 1.


6
Diese Beschreibung findet sich bei J.-C. Galloux, „Le certificat complémentaire de protection pour les produits phytopharmaceutiques (Règlement [CE] nº 1610/96 du Parlement européen et du Conseil)“, in La semaine juridique, Nr. 49, 1996, I 609, S. 499 bis 504. In dieser Arbeit geht es zwar um das Zertifikat für Pflanzenschutzmittel, die Beschreibung passt jedoch auch für die Regelung über Arzneimittel. Beide Gemeinschaftsregelungen wurden nämlich aus gleichartigen Gründen erlassen, und ihre Struktur und ihr Inhalt sind fast identisch.


7
In den Schlussanträgen in der Rechtssache, in der das Urteil vom 3. Dezember 1998 (C‑368/96, Generics [UK] u. a., Slg. 1998, I‑7967) ergangen ist, habe ich die innovatorischen Anstrengungen der Unternehmen hervorgehoben, die unerlässlich sind, um die Existenz einer gesunden Pharmaindustrie in der Gemeinschaft sicherzustellen (Nr. 50).


8
Der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist, wie ich in den in der vorstehenden Fußnote zitierten Schlussanträgen bemerkt habe und der Gerichtshof in Randnummer 22 des in dieser Rechtssache ergangenen Urteils betont hat, das wesentliche Ziel der Richtlinien, auf das ich in den Fußnoten 14 und 15 noch zu sprechen komme. Einige Jahre zuvor hatte sich der Gerichtshof im Urteil vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C‑83/92 (Pierrel u. a., Slg. 1993, I‑6419) in gleicher Weise geäußert, wenn auch mit der Klarstellung, dass gleichzeitig der freie Verkehr von Arzneimitteln in der Gemeinschaft zu gewährleisten sei (Randnr. 7). Die Gewährleistung dieses öffentlichen Guts als wesentliches Ziel der Gemeinschaftsbestimmungen in diesem Bereich ist vor kurzem in den Urteilen vom 1. April 2004 in der Rechtssache C‑112/02 (Kohlpharma, Randnr. 14) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑106/01 (Novartis u. a., Randnr. 30), beide noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, erneut bestätigt worden.


9
Als die Kommission den Vorschlag für eine Verordnung (KOM[90], ABl. C 114, S. 10) vorlegte, ging sie davon aus, dass die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels im Durchschnitt vier Jahre in Anspruch nahm (Nr. 51 der Begründung des Vorschlags). J. F. Bloch und P. Schmitt sprechen jedoch von zehn Jahren („Le certificat complémentaire de protection institué par le Règlement nº 1768-92 du 18 juin 1992“, in Gazette du Palais, 1993, S. 1280 bis 1283).


10
Das Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente, das am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnet wurde und an dem die Schweiz und Liechtenstein beteiligt sind, sieht eine Laufzeit von 20 Jahren ab dem Anmeldetag vor (Artikel 63 Absatz 1).


11
J.‑C. Galloux, zitiert in Fußnote 6, bemerkt, dass die Inhaber von Patenten für Produkte, deren Inverkehrbringen einer Genemigung bedürfe, gegenüber den Inhabern „gewöhnlicher“ Patente benachteiligt würden.


12
Gesetze vom 25. Juni 1990 (Frankreich) und vom 19. Oktober 1991 (Italien), die eine Schutzdauer von bis zu 7 bzw. bis zu 18 Jahren vorsahen.


13
Zu den Gründen für den Erlass der Verordnung und den von ihr verfolgten Zielen siehe die Schlussanträge der Generalanwälte Jacobs und Fennelly vom 9. März 1995 und vom 3. Oktober 1996 in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 13. Juli 1995 (C‑350/92, Spanien/Rat, Slg. 1995, I‑1985) und vom 23. Januar 1997 (C‑181/95, Biogen, Slg. 1997, I‑357) ergangen sind. Vor kurzem hat Generalanwalt Jacobs den Zweck, einer unterschiedlichen Entwicklung in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen vorzubeugen, nochmals hervorgehoben (vgl. Nr. 44 seiner Schlussanträge vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑31/03, Pharmacia Italia, in der noch kein Urteil ergangen ist).


14
Richtlinie des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 22, S. 369), geändert und ergänzt durch die Zweite Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 mit demselben Titel (ABl. L 147, S. 13). Beide Texte wurden durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) ersetzt, deren Artikel 128 Absatz 2 vorsieht, dass die Bezugnahmen auf die aufgehobenen Vorschriften als Bezugnahmen auf die neue Regelung gelten. Die letztgenannte Richtlinie wurde ihrerseits geändert durch die vom Europäischen Parlament und vom Rat am 31. März 2004 erlassenen Richtlinien 2004/27/EG und 2004/24/EG (ABl. L 136, S. 34 und 85).


15
Richtlinie des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (ABl. L 317, S. 1), aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311, S. 1), deren Artikel 96 diselbe Regelung enthält wie Artikel 128 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83. Die Richtlinie 2001/82 wurde durch die Richtlinie 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 58) geändert.


16
In Nr. 8 der Schlussanträge in der Rechtssache Spanien/Rat erklärt Generalanwalt Jacobs die Bedeutung dieser Vorschrift anhand eines Beispiels: „Nehmen wir an, im Jahr 1990 wurde eine Anmeldung für ein Grundpatent eingereicht, das im Jahr 2010 abläuft. Wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen im Jahr 1997 erteilt wird, gilt das Zertifikat ab dem Jahr 2010 für einen Zeitraum von sieben abzüglich fünf Jahren und erlischt somit im Jahr 2012.“


17
Mit dieser zeitlichen Begrenzung wird versucht, andere auf dem Spiel stehende Interesen zu schützen, wie die Volksgesundheit, die in der 9. Begründungserwägung der Verordnung angeführt wird, wo mit derselben Zielrichtung ferner darauf hingewiesen wird, dass der Schutz streng auf das Erzeugnis beschränkt sein muss, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde.


18
ABl. L 1 vom 3. Januar 1994, S. 3.


19
Vgl. Artikel 1 Absatz 2 des Protokolls vom 17. März 1993, mit dem das Abkommen angepasst wird (ABl. L 1 vom 3. Januar 1994, S. 572), in Verbindung mit Artikel 121 Buchstabe a des Abkommens und Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/95 des EWR‑Rates vom 10. März 1995 (ABl. L 86, S. 58).


20
ABl. L 1 vom 3. Januar 1994, S. 194. Artikel 1 Absatz 1 dieses Protokolls bestimmt, dass der Begriff „geistiges Eigentum“ auch den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums umfasst.


21
ABl. L 1 vom 3. Januar 1994, S. 482.


22
Beschluss vom 21. März 1994 (ABl. L 160, S. 1).


23
ABl. L 1 vom 3. Januar 1994, S. 37.


24
ABl. L 1 vom 3. Januar 1994, S. 263.


25
Dieser Wortlaut ergibt sich aus den Änderungen, die durch Anhang XVII (Nr. 6) in der Fassung des Beschlusses Nr. 7/94 des Gemeinsamen EWR‑Ausschusses erfolgten.


26
Dieser Wortlaut ergibt sich aus den in der vorstehenden Fußnote angegebenen Rechtsakten.


27
.Basiliximab: Patent EP 0 449 769, angemeldet am 13. März 1991. Kombination Artemether/Lumefantrin: Patent EP 0 500 823, Anmeldung vom 5. Juni 1991.


28
Verordnung des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1).


29
Nach dem Kriterium des Patentamts erlischt das Zertifikat für Basiliximab (CCP SPC/GB/00/012) am 6. April 2013 und das Zertifikat für die Kombination aus Artemether und Lumefantrin (CCP SPC/GB/00/13) am 21. Januar 2014. Nach Ansicht der Kläger geschieht dies erst am 8. Oktober 2013 bzw. am 29. November 2014.


30
Patent EP 0 477 295 B1, angemeldet am 15. Juni 1990.


31
Die liechtensteinische Regierung erklärt in ihrer schriftlichen Stellungnahme, es gebe ein Kontrollsystem zur Überwachung der Warenströme im Inland und um in den Märkten Infiltrationen durch Waren zu verhindern, die den jeweils geltenden Vorschriften nicht entsprächen (Randnr. 34 der schriftlichen Stellungnahme).


32
Im Urteil Spanien/Rat hat der Gerichtshof diese Interessen berücksichtigt (Randnrn. 38 und 39). Generalanwalt Jacobs ist in den Schlussanträgen in dieser Rechtssache ebenfalls davon ausgegangen, dass der Zweck der Verordnung nicht darin bestehe, zum freien Verkehr von Arzneimitteln beizutragen (Nrn. 44 und 45).


33
Wie Generalanwalt Jacobs in den in der vorstehenden Fußnote zitierten Schlussanträgen unter Verweisung auf das Urteil vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C‑300/89 (Kommission/Rat, Slg. 1991, I‑2867) ausgeführt hat, „brauchen auf der Grundlage von Artikel 100a des Vertrages erlassene Maßnahmen nicht unmittelbar zum freien Warenverkehr beizutragen“ (Nr. 45).


34
Dies ergibt sich aus den Artikeln 3, 4 und 5 der Richtlinie 65/65, den Artikeln 9, 10, 11 und 12 der Richtlinie 75/319 und den Artikeln 17 bis 39 der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2004/27.


35
Rechtssache C‑94/98 (Slg. 1999, I‑8789).


36
Der Generalanwalt veranschaulicht diese Ausführungen durch folgendes Beispiel: „Angenommen, die Anmeldung für den Patentschutz wurde im Mitgliedstaat A im Jahr 1990 und im Mitgliedstaat B im Jahr 1991 eingereicht, so dass der Patentschutz 2010 bzw. 2011 abläuft. Die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses wird zuerst im Mitgliedstaat C erteilt, im Jahr 1998. Dies führt zu folgender Berechnung der Laufzeit des Zertifikats. Im Mitgliedstaat A beträgt diese Laufzeit acht (1990 bis 1998) minus fünf Jahre, so dass das Zertifikat ab 2010 gilt und 2013 erlischt. Im Mitgliedstaat B beträgt die Laufzeit sieben (1991 bis 1998) minus fünf Jahre, so dass das Zertifikat ab 2011 gilt und ebenfalls 2013 erlischt“ (Nr. 44 am Ende). Ähnliche Ausführungen finden sich in den Schlussanträgen der Generalanwältin Stix‑Hackl vom 26. Februar 2002 in der Rechtssache C‑127/00 (Hässle, Urteil vom 11. Dezember 2003, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nr. 85).


37
Urteil vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache C‑110/95 (Slg. 1997, I‑3251).


38
In den Schlussanträgen in der Rechtssache Pharmacia Italia erklärt Generalanwalt Jacobs, die Verordnung wolle den Patentschutz verlängern, d. h. den Zeitraum der Ausschließlichkeit ausdehnen, um einen Ausgleich für die Zeit zu schaffen, die in Ermangelung einer Genehmigung für den Verkauf des Erzeugnisses verloren gegangen sei. Der maßgebende Punkt sei also der erste Vertrieb der Arzneimittel, denn damit setzten die wirtschaftlichen Erträge ein (Nr. 45). Der Generalanwalt kommt daher zu dem Schluss, dass es keine Rolle spiele, ob die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen als Human‑ oder als Tierarzneimittel erteilt worden sei. Bei der Übertragung dieses Arguments auf die vorliegende Rechtssache zeigt sich, dass es unwichtig ist, wo im EWR‑Gebiet das Inverkehrbringen geschieht; der zentrale Gedanke ist, dass das Arzneimittel verkauft werden kann und dem Berechtigten somit die Amortisierung der in seine Entwicklung investierten Beträge möglich ist.


39
In den Schlussanträgen in der Rechtssache Hässle bringt Generalanwältin Stix‑Hackl denselben Gedanken zum Ausdruck, indem sie darauf hinweist, dass die erste Genehmigung nicht diejenige ist, die von dem Mitgliedstaat erteilt wird, in dem das Zertifikat beantragt wird, sondern diejenige, die zum ersten Mal das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel in einem der Staaten der Gemeinschaft ermöglicht hat (Nrn. 84 und 85).


40
Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1), in deren Artikel 88 die Verordnung Nr. 2309/93 aufgehoben wird.


41
Der Gerichtshof hat diese Bedeutung der Genehmigung im Urteil Yamanouchi Pharmaceutical hervorgehoben, indem er darauf hingewiesen hat, dass das Kriterium der ersten Genehmigung nur für die Bestimmung der Laufzeit des Zertifikats notwendig ist (Randnr. 23) und dass diese Genehmigung einem rein zeitlichen Zweck dient (Randnr. 24).


42
Ein guter Beleg dafür ist der Umstand, dass der Wortlaut von Artikel 13 Absatz 1 auf den „Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ (Hervorhebung von mir) abstellt. Er bezieht sich damit auf eine Tatsache, die durch eine rechtliche Maßnahme festgelegt wird, die zum Vertrieb des Erzeugnisses in einem Teil des Binnenmarkts ermächtigt, ohne zu verlangen, dass diese Genehmigung den Verkauf im gesamten Gebiet ermöglicht. Der Beschluss Nr. 7/94 des Gemeinsamen EWR‑Ausschusses konnte daher Artikel 3 Buchstabe b ändern und die von den EFTA‑Staaten nach deren nationalen Rechtsvorschriften erteilten Genehmigungen denjenigen gleichstellen, die von den Gemeinschaftsmitgliedern nach den harmonisierten Vorschriften der Richtlinien 65/65 und 81/851 erteilt werden.


43
Die von den schweizerischen Behörden erteilten ergänzenden Schutzzertifikate entfalten selbstverständlich automatisch Wirkungen im Staatsgebiet Liechtensteins (Artikel 2 bis 4 der Ergänzungsvereinbarung). Die schweizerische Regelung ist mit der durch die Verordnung vorgesehenen identisch: Die Verlängerung, die mit Ende der durch das Patent gewährten Schutzdauer beginnt, entspricht der zwischen der Patentanmeldung und der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen verstrichenen Zeit abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren und wird für höchstens fünf Jahre gewährt (Artikel 140e des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente, SR 232.14).


44
Es darf nicht vergessen werden, dass die von einem Mitgliedstaat erteilte Genehmigung nicht automatisch die Öffnung der Märkte der übrigen EWR‑Mitglieder nach sich zieht.


45
Die EWR‑Organe haben diese Situation im Beschluss des Rates Nr. 1/95 zugrunde gelegt und anerkannt.


46
Dies ergibt sich aus den Ausführungen in den Nrn. 21 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


47
Dies geht aus Nr. 44 des Vorlagebeschlusses hervor.


48
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. L 198, S. 30).


49
In der spanischen Fassung wird der Begriff „reducir“ (verkürzen) gebraucht; andere Sprachfassungen verwenden jedoch Begriffe, die dem spanischen Wort „rectificar“ entsprechen: „berichtigen“ (deutsch), „rectifier“ (französisch), „rectifying“ (englisch), „ottenere la rettifica“ (italienisch) und „rectificar“ (portugiesisch).


50
In diesem Urteil hat er die Artikel 15 und 19 der Verordnung dahin ausgelegt, dass ein Verstoß gegen Artikel 19 vorliege, wenn das Zertifikat den Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen dergestalt falsch angebe, dass er vor dem Stichtag für die Anwendung der Übergangsregelung liege; das Zertifikat sei in diesen Fällen nach Artikel 15 nichtig (Randnr. 89). Wenn aber dieser Fehler vorliege und das richtige Datum nach dem in Artikel 19 angegebenen liege, sei das Zertifikat gültig und es müsse lediglich das Ende der Laufzeit berichtigt werden (Randnr. 88). Generalanwältin Stix-Hackl hat in den bereits zitierten Schlussanträgen (Nr. 105) ausgeführt, dass die Laufzeitneuberechnung im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1610/96 für den Fall gedacht sei, dass die Laufzeit des Zertifikats entgegen Artikel 13 der Verordnung berechnet worden sei, etwa weil in der Anmeldung ein falscher Tag angegeben worden sei.


51
Der im Urteil vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 6/64 (Costa/Enel, Slg. 1964, 1253) festgelegt wurde.


52
Vgl. Urteil vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77 (Simmenthal, Slg. 1978, 629). R. Kovar hat in „Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht“ in Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, herausgegeben von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Sammlung „Europäische Perspektiven“, 1981, S. 119, betont, dass die Erfordernisse der Einheit, der Einheitlichkeit und der Effizienz das rechtliche Gegenstück zum politischen Ziel des Aufbaus Europas seien, auf das sich der Grundsatz des Vorrangs stütze.


53
Die Auslegung einer Verordnungsbestimmung durch den Gerichtshof hat Konsequenzen in allen Mitgliedstaaten (Urteil vom 17. April 1986 in der Rechtssache 59/85, Niederlande/REED, Slg. 1986, 1283, Randnr. 13).


54
Dieser Grundsatz wurde zum ersten Mal im Urteil vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 16) festgelegt; eines der letzten Urteile, das auf ihn verwiesen hat, ist das Urteil vom 13. Januar 2004 in der Rechtssache C‑453/00 (Kühne & Heitz, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 21). Ein klarer Präzendenzfall findet sich jedoch im Urteil vom 27. März 1963 in den verbundenen Rechtssachen 28/62 bis 30/62 (Da Costa en Schaake NV u. a., Slg 1963, 59), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass er sich, wenn er „im Rahmen eines bestimmten, vor einem innerstaatlichen Gericht schwebenden Rechtsstreits eine Auslegung des Vertrages [gibt], … darauf [beschränkt], die Bedeutung der Normen des Gemeinschaftsrechts aus Geist und Wortlaut des Vertrages abzuleiten, während es dem innerstaatlichen Richter vorbehalten bleibt, die in dieser Weise ausgelegten Normen auf den konkreten Fall anzuwenden. Diese Auffassung wird der dem Gerichtshof … übertragenen Aufgabe gerecht, die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts … zu gewährleisten.“ Die Verpflichtung der nationalen Behörden, insbesondere der Gerichte, die Normen gemäß der Auslegung des Gerichtshofes anzuwenden, ist demnach eine Folge der dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegenden Aufgabenteilung, die es, wie Robert Lecourt (Le juge devant le Marché Commun, Ed. Institut Universitaire des Hautes Études Internationales, Genf, 1970, S. 50) unter Differenzierung zwischen Auslegung und Anwendung vor Jahren bemerkte, ermöglicht, die gesetzlichen Befugnisse des Richters mit der notwendigen Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts zu vereinbaren.


55
Der Gerichtshof hat dies im Urteil Denkavit italiana (Randnrn. 16 ff.) festgestellt. In den Schlussanträgen vom 17. Juni 2003 in der Rechtssache Kühne & Heitz führt Generalanwalt Léger aus, dass diese Verpflichtung verhindere, dass das Gemeinschaftsrecht in seiner zeitlichen Anwendung verzerrt werde und damit seine einheitliche Anwendung und seine volle Wirksamkeit beeinträchtigt würden, und dass sich die Verpflichtung aus dem mit dem Vorabentscheidungsverfahren verfolgten Ziel ergebe, durch einen Mechanismus der gerichtlichen Zusammenarbeit ein einheitliches Verständnis der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten (Nr. 39).


56
In Randnr. 22 des Urteils Kühne & Heitz heißt es, die nationalen Verwaltungsbehörden hätten die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auch auf Rechtsbeziehungen anzuwenden, die vor dem Erlass eines Urteils des Gerichtshofes über die Auslegung dieser Bestimmungen entstanden seien.


57
Bekannt ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu diesem Thema im Zusammenhang mit Verfahren wegen Rückzahlung von Abgaben, die der Staat unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der Union erhoben hat. Sie begann mit zwei Urteilen vom 16. Dezember 1976 in den Rechtssachen 33/76 (Rewe, Slg. 1976, 1989) und 45/76 (Comet, Slg. 1976, 2043) und wurde zuletzt u. a. in den Urteilen vom 10. September 2002 in den verbundenen Rechtssachen C‑216/99 und C‑222/99 (Prisco und Caser, Slg. 2002, I‑6761) und vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑147/01 (Weber’s Wine u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) bestätigt.


58
Hintergrund dieses Urteils ist das niederländische Recht, das die Überprüfung bestandskräftiger Maßnahmen zulässt, sofern keine Rechte Dritter dadurch beeinträchtigt werden. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass in derartigen Fällen nach dem in Artikel 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit eine Überprüfung erfolgen müsse, wenn die angefochtene Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden Gerichts bestandskräftig geworden sei, das auf einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe, die nach einer späteren Gemeinschaftsrechtsprechung falsch sei, und das erlassen worden sei, ohne dass die Frage dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sei, vorausgesetzt, der Betroffene habe sich unmittelbar, nachdem er Kenntnis von der besagten Rechtsprechung erhalten habe, an die Verwaltungsbehörde gewandt.