URTEIL DES GERICHTSHOFES
9. Juli 1997(1)
[234s„Artikel 30 und 36 EG-Vertrag Patent Registrierung von Arzneimitteln
Patentverletzung“[s
In der Rechtssache C-316/95
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Hoge Raad der
Nederlanden in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Generics BV
gegen
Smith Kline & French Laboratories Ltd
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 30
und 36 EG-Vertrag
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der
Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida, J. L. Murray und L. Sevón sowie
der Richter P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann (Berichterstatter), D. A. O. Edward,
G. Hirsch, P. Jann, H. Ragnemalm und M. Wathelet,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Generics BV, vertreten durch Rechtsanwalt G. van der Wal, Den Haag,
- der Smith Kline & French Laboratories Ltd, vertreten durch die
Rechtsanwälte C. J. J. C. van Nispen und M. D. B. Schutjens, Den Haag,
sowie E. H. Pijnacker Hordijk, Amsterdam,
- der deutschen Regierung, vertreten durch Regierungsdirektor A. Dittrich,
Bundesministerium der Justiz, und Oberregierungsrat B. Kloke,
Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch Rechtsberaterin K. Grigoriou,
Juristischer Dienst des Staates, und L. Pneumatikou, wissenschaftliche
Mitarbeiterin in der Sonderabteilung des Außenministeriums für
Rechtsfragen der Europäischen Gemeinschaften, als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Nicoll,
Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, und
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch den
Juristischen Hauptberater H. van Lier und B. J. Drijber, Juristischer Dienst,
als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Generics BV, vertreten durch
Rechtsanwalt G. van der Wal, der Smith Kline & French Laboratories Ltd,
vertreten durch die Rechtsanwälte C. J. J. C. van Nispen und E. H. Pijnacker
Hordijk, der griechischen Regierung, vertreten durch K. Grigoriou und
V. Kontolaimos, beigeordneter Rechtsberater im Juristischen Dienst des Staates,
als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch
L. Nicoll und M. Silverleaf, QC, und der Kommission, vertreten durch B. J. Drijber,
in der Sitzung vom 7. Januar 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27.
Februar 1997,
folgendes
Urteil
- Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 29. September 1995, beim
Gerichtshof eingegangen am 5. Oktober 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier
Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 dieses Vertrages zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Generics BV (im
folgenden: Generics) und der Smith Kline & French Laboratories Ltd (im
folgenden: SKF) wegen Verletzung eines Arzneimittelpatents.
- Der SKF wurde am 19. Juni 1991 auf eine Anmeldung vom 4. September 1973 ein
niederländisches Patent für ein Verfahren zur Herstellung einer pharmazeutischen
Zubereitung mit dem Freinamen „Cimetidin“ erteilt, die sie unter der
Markenbezeichnung „Tagamet“ in den Niederlanden vertreibt. Dieses Patent lief
am 4. September 1993 ab.
- Am 22. Oktober 1987 und am 10. Oktober 1989 stellte die Genfarma BV beim
College ter beoordeling van geneesmiddelen (Institut zur Beurteilung von
Arzneimitteln; im folgenden: CBG) drei Anträge auf Registrierung von
Cimetidin-Tabletten von 200 mg, 400 mg und 800 mg. Gleichzeitig wurden Muster
dieser Zubereitungen beim CBG eingereicht. Für die ersten beiden Anträge erhielt
die Genpharma BV die Registrierung am 18. Januar 1990 und für den dritten
Antrag am 17. Dezember 1992.
- Danach übertrug die Genfarma BV diese Registrierungen auf die Generics, für die
sie am 21. Juni 1993 in das Register der pharmazeutischen Zubereitungen
eingetragen wurden.
- Am 6. August 1993 beantragte die SKF beim Präsidenten der
Arrondissementsrechtbank Den Haag, der Generics durch einstweilige Verfügung
zu untersagen, Cimetidin vor dem 5. November 1994 auf dem niederländischen
Markt anzubieten oder abzugeben oder die Registrierungen für Cimetidin auf
Dritte zu übertragen.
- Nach Auffassung der SKF verletzte die Übermittlung von Mustern der
Cimetidin-Zubereitungen an das CBG nämlich ihr Patent, wie es durch die
Rijksoctrooiwet von 1910 (niederländisches Patentgesetz; im folgenden:
Patentgesetz) in ihrer im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung
geschützt worden sei. Sie verwies insbesondere auf das Urteil des Hoge Raad vom
18. Dezember 1992 in der Rechtssache Medicopharma/ICI, aus dem sich ergebe,
daß es nicht unter die Ausnahmebestimmung des Artikels 30 Absatz 3 des
Patentgesetzes falle, wenn eine andere Person als der Patentinhaber dem CBG
Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Erzeugnisses
vorlege, um dies unmittelbar nach Ablauf des Patents in den Verkehr bringen zu
können. Nach dieser Bestimmung erstreckt sich „das ausschließliche Recht nicht
auf Handlungen, die sich allein auf die Prüfung des Gegenstands des Patents
beziehen, einschließlich des durch die Anwendung des patentierten Verfahrens
unmittelbar erhaltenen Erzeugnisses“.
- Da die Generics die Registrierungen somit erst nach Ablauf des Patents am 4.
September 1993 hätte beantragen dürfen und diese Registrierungen in Anbetracht
der tatsächlichen Durchschnittsdauer des Registrierungsverfahrens in den
Niederlanden erst 14 Monate später erhalten hätte, beantragte die SKF, daß das
der Generics auferlegte Verbot bis zum 5. November 1994 gelten solle.
- Der Richter der einstweiligen Verfügung gab dem Antrag der SKF mit der
Einschränkung statt, daß er der Generics nur untersagte, Cimetidin vor dem 5.
November 1994 unter Benutzung von vor dem 4. September 1993 beantragten
Registrierungen anzubieten oder abzugeben oder solche Registrierungen vor dem
5. November 1994 zu übertragen. Diese Entscheidung wurde vom Gerechtshof Den
Haag bestätigt. Die Generics legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde ein.
- Nach dem Vorlageurteil wendet sich die Generics u. a. dagegen, daß der
Gerechtshof Den Haag in seinem Urteil festgestellt hat, daß weder das Verbot,
dem CBG während der Laufzeit eines Patents Muster eines unter das Patent
fallenden Arzneimittels zur Verfügung zu stellen, noch die Wartefrist, durch die
verhindert werden solle, daß die Generics ungerechtfertigte Vorteile aus einer der
SKF gegenüber begangenen rechtswidrigen Handlung ziehe, Beschränkungen des
innergemeinschaftlichen Handels darstellten, die mit den Artikeln 30 und 36 des
Vertrages unvereinbar seien.
- Die der Generics auferlegte Wartefrist sei jedenfalls mit den Richtlinien
65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 und 75/319/EWG des Rates vom 20.
Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über
Arzneispezialitäten (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369, und ABl. 1975, L 147, S. 13)
unvereinbar. Diese Wartefrist sei nämlich nach Maßgabe der durchschnittlichen
Dauer des Registrierungsverfahrens in den Niederlanden und nicht nach Maßgabe
der nach diesen Richtlinien zulässigen Höchstdauer festgelegt worden.
- Gemäß Artikel 7 der Richtlinie 65/65 sind die nationalen Behörden verpflichtet,
innerhalb einer Frist von 120 Tagen nach der Antragstellung eine Entscheidung zu
treffen; diese Frist kann in Ausnahmefällen um 90 Tage verlängert werden. Machen
die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten von dem Recht Gebrauch, vom
Antragsteller eine Ergänzung der Akte um bestimmte Elemente zu verlangen, so
werden die in Artikel 7 der Richtlinie 65/65 vorgesehenen Fristen gemäß Artikel
4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319 bis zur Übermittlung der benötigten
zusätzlichen Angaben gehemmt. Diese Fristen werden außerdem für die Zeit
gehemmt, die dem Antragsteller gegebenenfalls für mündliche oder schriftliche
Erklärungen eingeräumt wird.
- Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen.
1. Ist eine nationale Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für
bestimmte Arzneimittel berechtigt ist, während der Laufzeit dieses Patents
einem Dritten untersagen zu lassen, der für die Registrierung von
Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster der patentierten (oder nach dem
patentierten Verfahren hergestellten) Arzneimittel vorzulegen, als eine
Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige
Einfuhrbeschränkungen im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag anzusehen?
2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Fällt diese Maßnahme unter die in
Artikel 36 EG-Vertrag vorgesehene Ausnahme für Beschränkungen, die
zum Schutz des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind?
3. Wenn ein Patent während seiner Laufzeit unter Verstoß gegen das
nationale Recht verletzt wird und die Gefahr besteht, daß der Urheber der
Patentverletzung oder ein Dritter noch nach dem Ablauf des Patents aus
dieser Verletzung Vorteile zieht oder daß durch die Verletzung noch nach
dem Ablauf des Patents für den Patentinhaber Nachteile entstehen, ist dann
ein zur Verhinderung dieses drohenden Unrechts auferlegtes gerichtliches
Verbot, während eines bestimmten Zeitraums nach diesem Ablauf Waren
in Verkehr zu bringen, die während der Laufzeit des Patents durch dieses
geschützt waren, eine Maßnahme, die durch Artikel 30 EG-Vertrag
verboten ist und nicht unter die Ausnahme des Artikels 36 EG-Vertrag
fällt?
4. Wenn die unter 3 genannte Verletzung darin bestand, daß Muster, wie
unter 1 dargelegt, für die Registrierung eines Arzneimittels vorgelegt
wurden, und wenn der Richter aufgrund dessen, wie unter 3 beschrieben,
ein Verbot für einen Zeitraum verhängt, der die in den Richtlinien
65/65/EWG und 75/319/EWG festgelegte Höchstdauer des Verfahrens zur
Arzneimittelregistrierung überschreitet, führt dann diese Überschreitung
dazu, daß das Verbot insoweit mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist
und, falls dies zu bejahen ist, der Adressat des Verbotes sich nach dem
Gemeinschaftsrecht gegenüber dem früheren Patentinhaber auf diese
Unvereinbarkeit berufen kann?
Zur ersten Frage
- Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anwendung
einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein
Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen
kann, der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von
Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten
Arzneimittels vorzulegen, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine
mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages ist.
- Nach ständiger Rechtsprechung stellt jede Maßnahme, die geeignet ist, den
innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder
potentiell zu behindern, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine
mengenmäßige Beschränkung dar (Urteile vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache
8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, und vom 9. Februar 1995 in der
Rechtssache C-412/93, Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I-179, Randnr. 18).
- Eine Bestimmung der im Ausgangsverfahren fraglichen Art, die es Wettbewerbern
untersagt, im Rahmen eines Antrags auf Verkehrsgenehmigung vor Ablauf des
fraglichen Patents Muster eines nach dem patentierten Verfahren hergestellten
Arzneimittels vorzulegen, bewirkt u. a., daß kein Wettbewerber eine
Verkehrsgenehmigung für ein Arzneimittel dieser Art erhalten kann, bevor die
Frist, die nach der Einreichung eines solchen Antrags nach Ablauf des Patents
vergehen würde, verstrichen ist. Ein nach einem solchen Verfahren hergestelltes
Arzneimittel, das in einem Mitgliedstaat A rechtmäßig vertrieben wird, während das
einschlägige Patent im Mitgliedstaat B noch nicht abgelaufen ist, kann daher
jedenfalls nicht unmittelbar nach Ablauf dieses Patents im letztgenannten Staat in
den Verkehr gebracht werden. Ohne die streitige Rechtsvorschrift wäre es jedoch
zulässig, im Rahmen eines Antrags auf Verkehrsgenehmigung vor Ablauf des
Patents Muster eines solchen Arzneimittels vorzulegen, so daß nicht ausgeschlossen
werden kann, daß eine solche Genehmigung während der Laufzeit des Patents
erteilt und das aus dem Mitgliedstaat A stammende Generikum unmittelbar nach
Ablauf des Patents in den Mitgliedstaat B eingeführt werden könnte.
- Daher ist zu antworten, daß die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach
der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels
einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen
für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach
diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, eine Maßnahme mit
gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 30
des Vertrages ist.
Zur zweiten Frage
- Die zweite Frage geht im wesentlichen dahin, ob die Anwendung einer nationalen
Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur
Herstellung eines Arzneimittels einem Dritten untersagen lassen kann, der für die
Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln
zuständigen Stelle Muster eines Arzneimittels vorzulegen, die von einer anderen
Person als dem Patentinhaber nach dem patentierten Verfahren hergestellt worden
sind, gemäß Artikel 36 des Vertrages gerechtfertigt ist.
- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes erlaubt Artikel 36 des Vertrages als
dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums dienende
Ausnahme von einem der grundlegenden Prinzipien des Gemeinsamen Marktes
diese Abweichung nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt ist, die
den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen; der spezifische
Gegenstand eines Patentrechts umfaßt namentlich das ausschließliche Recht des
Inhabers, sein Erzeugnis erstmals in den Verkehr zu bringen (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 187/80, Merck, Slg. 1981, 2063,Randnr. 10).
- Im vorliegenden Fall ist das Recht des Inhabers eines Patents für ein Verfahren zur
Herstellung eines Arzneimittels, einem Dritten untersagen zu lassen, zur Erlangung
einer Verkehrsgenehmigung Muster eines nach diesem Verfahren hergestellten
Arzneimittels zu gebrauchen, Teil des spezifischen Gegenstands des Patentrechts,
sofern diese Muster ohne die direkte oder indirekte Zustimmung des
Patentinhabers gebraucht worden sind. Insoweit begründen im übrigen Artikel 25
des Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt
(ABl. 1989, L 401, S. 10) und Artikel 28 des Übereinkommens über
handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs; ABl. 1994,
L 336, S. 214) für den Patentinhaber u. a. das Recht, es Dritten zu verbieten, ohne
seine Zustimmung das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist,
unmittelbar hergestellte Erzeugnis zu gebrauchen. Würde im vorliegenden Fall die
Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift verhindert, die das oben
beschriebene Recht vorsieht, so würde das in der vorstehenden Randnummer
bezeichnete ausschließliche Recht des ersten Inverkehrbringens des Erzeugnisses
beeinträchtigt.
- Nach Artikel 36 sind Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige
Einfuhrbeschränkungen aus Gründen des Schutzes des gewerblichen und
kommerziellen Eigentums nur unter der Voraussetzung zulässig, daß sie weder ein
Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des
Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen (vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober
1992 in der Rechtssache C-191/90, Generics und Harris Pharmaceuticals, Slg. 1992,
I-5335, Randnr. 21).
- Aus den Akten ergibt sich nicht, daß das Patentgesetz diskriminierend ist oder
darauf abzielt, nationale Erzeugnisse gegenüber Erzeugnissen anderer
Mitgliedstaaten zu begünstigen.
- Daher ist zu antworten, daß die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach
der der Inhaber eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels
einem Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen
für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines
Arzneimittels vorzulegen, die von einer anderen Person als dem Patentinhaber nach
dem patentierten Verfahren hergestellt worden sind, nach Artikel 36 des Vertrages
gerechtfertigt ist.
Zur dritten Frage
- Mit seiner dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob es eine nach
Artikel 36 des Vertrages zu rechtfertigende Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne
von Artikel 30 darstellt, wenn ein nationales Gericht einem Dritten, der unter
Verstoß gegen das Patentrecht eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von
Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle
Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels
vorgelegt und auf diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt,
dieses Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des
Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus diesem
Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.
- Eine solche Maßnahme, durch die das Inverkehrbringen einer Ware im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats untersagt wird, die im Hoheitsgebiet eines
anderen Mitgliedstaats rechtmäßig vertrieben wird, stellt eine Maßnahme gleicher
Wirkung im Sinne von Artikel 30 des Vertrages dar.
- Die Generics macht zur Anwendung von Artikel 36 geltend, es verstoße gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der Eintritt eines Schadens durch ein
Verbot des Verkaufs von Erzeugnissen nach dem Ablauf des Patents verhindert
werden solle, da auch eine finanzielle Entschädigung oder eine Rücknahme der
Verkehrsgenehmigungen in Betracht komme.
- Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Generics, wenn sie das Patent der SKF
beachtet hätte, die Cimetidin-Muster erst nach dem Ablauf dieses Patents hätte
vorlegen können. Die SKF hätte folglich ihr Erzeugnis während des für die
Erlangung der Verkehrsgenehmigung erforderlichen Zeitraums weiter vertreiben
können, ohne dem Wettbewerb durch das Generikum der Generics ausgesetzt zu
sein.
- Die dem Patentverletzer vom Gericht auferlegte Wartefrist kann als solche nicht
als eine unverhältnismäßige Maßnahme zur Schadensverhinderung angesehen
werden, da sie den Patentinhaber nur in die Lage versetzen soll, in der er sich
grundsätzlich befunden hätte, wenn seine Rechte beachtet worden wären.
- Daher ist zu antworten, daß es eine nach Artikel 36 des Vertrages zu
rechtfertigende Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 dieses
Vertrages darstellt, wenn ein nationales Gericht einem Dritten, der unter Verstoß
gegen das Patentrecht eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von
Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle
Muster eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels
vorgelegt und auf diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt,
dieses Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des
Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus diesem
Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.
Zur vierten Frage
- Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dann, wenn die
Patentverletzung darin bestand, daß der zuständigen Stelle im Hinblick auf die
Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen Muster eines Arzneimittels
vorgelegt wurden, das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des
Vertrages es verbieten, daß das nationale Gericht dem Urheber der
Patentverletzung untersagt, dieses Arzneimittel während eines Zeitraums von 14
Monaten nach dem Ablauf dieses Patents in den Verkehr zu bringen, der zwar die
nach Artikel 7 der Richtlinie 65/65 in Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der
Richtlinie 75/319 zulässige Höchstdauer des Genehmigungsverfahrens überschreitet,
aber der tatsächlichen Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im
betreffenden Mitgliedstaat entspricht.
- Da der vom nationalen Gericht festgesetzte Verbotszeitraum, wie im Vorlageurteil
ausgeführt wird, der tatsächlichen Durchschnittsdauer des Registrierungsverfahrens
im betreffenden Mitgliedstaat entspricht, bewirkt er, wie sich bereits aus
Randnummer 28 dieses Urteils ergibt, daß der Patentinhaber in die Lage versetzt
wird, in der er sich grundsätzlich befunden hätte, wenn seine Rechte beachtet
worden wären.
- Es steht fest, daß im vorliegenden Fall der Zeitraum von 14 Monaten die nach den
genannten Richtlinien zulässige Höchstfrist überschreitet. Jedoch kann sich der
Verletzende gegenüber dem Patentinhaber hierauf nicht berufen, um einen
kürzeren Verbotszeitraum zu erreichen. Andernfalls wird nämlich im vorliegenden
Fall die Gefahr in Kauf genommen, daß der Urheber der Patentverletzung
gegenüber dem Patentinhaber begünstigt würde.
- Unter Umständen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind, kann daher eine
Entscheidung der von dem nationalen Gericht erlassenen Art offensichtlich nicht
zu unverhältnismäßigen Konsequenzen für den Urheber der Patentverletzung
führen.
- Damit ist zu antworten, daß dann, wenn die Patentverletzung darin bestand, daß
der zuständigen Stelle im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das
Inverkehrbringen Muster eines Arzneimittels vorgelegt wurden, das
Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des Vertrages es nicht verbieten,
daß das nationale Gericht dem Urheber der Patentverletzung untersagt, dieses
Arzneimittel während eines Zeitraums von 14 Monaten nach dem Ablauf dieses
Patents in den Verkehr zu bringen, der zwar die nach Artikel 7 der Richtlinie 65/65
in Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319 zulässige
Höchstdauer des Genehmigungsverfahrens überschreitet, aber der tatsächlichen
Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im betreffenden Mitgliedstaat
entspricht.
Kosten
- Die Auslagen der deutschen und der griechischen Regierung, der Regierung des
Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig.
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in
dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hatDER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 29. September 1995
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
- Die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber
eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem
Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen
für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines
nach diesem Verfahren hergestellten Arzneimittels vorzulegen, ist eine
Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im
Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag.
- Die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, nach der der Inhaber
eines Patents für ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels einem
Dritten untersagen lassen kann, der für die Erteilung von Genehmigungen
für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines
Arzneimittels vorzulegen, die von einer anderen Person als dem
Patentinhaber nach dem patentierten Verfahren hergestellt worden sind, ist
nach Artikel 36 EG-Vertrag gerechtfertigt.
- Es stellt eine nach Artikel 36 EG-Vertrag zu rechtfertigende Maßnahme
gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 30 dieses Vertrages dar, wenn ein
nationales Gericht einem Dritten, der unter Verstoß gegen das Patentrecht
eines Mitgliedstaats der für die Erteilung von Genehmigungen für das
Inverkehrbringen von Arzneimitteln zuständigen Stelle Muster eines nach
einem patentierten Verfahren hergestellten Arzneimittels vorgelegt und auf
diese Weise die beantragte Genehmigung erhalten hat, untersagt, dieses
Arzneimittel während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ablauf des
Patents in den Verkehr zu bringen, damit verhindert wird, daß er aus
diesem Verstoß einen ungerechtfertigten Vorteil zieht.
- Bestand die Patentverletzung darin, daß der zuständigen Stelle im Hinblick
auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen Muster
eines Arzneimittels vorgelegt wurden, so verbieten es das
Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 36 des Vertrages nicht, daß
das nationale Gericht dem Urheber der Patentverletzung untersagt, dieses
Arzneimittel während eines Zeitraums von 14 Monaten nach dem Ablauf
dieses Patents in den Verkehr zu bringen, der zwar die nach Artikel 7 der
Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten in
Verbindung mit Artikel 4 Buchstabe c der Richtlinie 75/319/EWG des Rates
vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten zulässige Höchstdauer des
Genehmigungsverfahrens überschreitet, aber der tatsächlichen
Durchschnittsdauer eines solchen Verfahrens im betreffenden Mitgliedstaat
entspricht.
Rodríguez Iglesias Moitinho de Almeida Murray
Sevón Kapteyn Gulmann
Edward Hirsch Jann
Ragnemalm Wathelet
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Juli 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
1: Verfahrenssprache: Niederländisch.