Language of document : ECLI:EU:T:2017:87

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

16. Februar 2017(*)

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die Thermosiphons für Heizkörper darstellen – Ältere Geschmacksmuster – Einrede der Rechtswidrigkeit – Art. 1d der Verordnung (EG) Nr. 216/96 – Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte – Grundsatz der Unparteilichkeit – Zusammensetzung der Beschwerdekammer – Nichtigkeitsgrund – Fehlende Eigenart – Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Durchführung eines Urteils, mit dem eine Entscheidung einer der Beschwerdekammern des EUIPO aufgehoben worden ist, durch das EUIPO – Sättigung des Stands der Technik – Zeitpunkt der Beurteilung“

In den verbundenen Rechtssachen T‑828/14 und T‑829/14

Antrax It Srl mit Sitz in Resana (Italien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Gazzola,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), zunächst vertreten durch P. Bullock, dann durch L. Rampini und S. Di Natale als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Vasco Group NV, vormals Vasco Group BVBA, mit Sitz in Dilsen (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Haber,

betreffend zwei Klagen gegen die Entscheidungen der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 10. Oktober 2014 (Sachen R 1272/2013‑3 und R 1273/2013‑3) zu Nichtigkeitsverfahren zwischen der Vasco Group und der Antrax It

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Richters S. Gervasoni in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter L. Madise und Z. Csehi (Berichterstatter),

Kanzler: A. Lamote, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 29. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften,

aufgrund der am 18. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen des EUIPO,

aufgrund der am 7. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen der Streithelferin,

aufgrund der am 8. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderungen,

aufgrund des Beschlusses vom 5. August 2016, die Rechtssachen T‑828/14 und T‑829/14 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden,

auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2016

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Klägerin, die Antrax It Srl, ist Inhaberin der beiden Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000593959-0001 und Nr. 000593959-0002, die am 25. September 2006 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) angemeldet und am 21. November 2006 im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster veröffentlicht wurden.

2        Die streitigen Geschmacksmuster werden wie folgt wiedergegeben:

–        Geschmacksmuster Nr. 000593959-0001 (Klage in der Rechtssache T‑828/14):

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–        Geschmacksmuster Nr. 000593959-0002 (Klage in der Rechtssache T‑829/14):

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3        Die streitigen Geschmacksmuster sollten nach dem Wortlaut der Anmeldungen für Thermosiphons (modelli di termosifoni) benutzt werden, die bei Heizkörpern verwendet werden, die zur Klasse 23.03 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung gehören.

4        Am 16. April 2008 reichte die Rechtsvorgängerin der Vasco Group NV beim EUIPO nach Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002 Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Geschmacksmuster ein. Zur Stützung ihrer Anträge führte sie die deutschen Geschmacksmuster mit den Nrn. 4 und 5 der Sammeleintragung Nr. 40110481.8 an, die am 10. September 2002 veröffentlicht und als internationales Geschmacksmuster mit dem Aktenzeichen DM/060899 auf Frankreich, Italien und Benelux erstreckt wurde.

5        Die älteren Geschmacksmuster werden wie folgt wiedergegeben:

–        älteres Geschmacksmuster Nr. 5 (der Eintragung Nr. 000593959‑0001 entgegengehalten und die Klage in der Rechtssache T‑828/14 betreffend):

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–        älteres Geschmacksmuster Nr. 4 (der Eintragung Nr. 000593959‑0002 entgegengehalten und die Klage in der Rechtssache T‑829/14 betreffend):

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6        Diese Anträge auf Nichtigerklärung wurden auf den in Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 genannten Nichtigkeitsgrund mit der Begründung gestützt, dass die streitigen Geschmacksmuster die in den Art. 4 bis 9 dieser Verordnung festgelegten Schutzvoraussetzungen nicht erfüllten.

7        Mit Entscheidungen vom 30. September 2009 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die streitigen Geschmacksmuster wegen fehlender Neuheit im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 für nichtig.

8        Am 27. November 2009 legte die Klägerin gegen die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung beim EUIPO Beschwerden nach den Art. 55 bis 60 der Verordnung Nr. 6/2002 ein.

9        Mit Entscheidungen vom 2. November 2010 (Sachen R 1451/2009-3 und R 1452/2009-3) hob die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung auf, weil sie sie im Hinblick auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Neuheit nicht für hinreichend begründet hielt, erklärte die streitigen Geschmacksmuster aber wegen fehlender Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 für nichtig.

10      Am 11. Februar 2011 erhob die Klägerin gegen diese Entscheidungen Klage beim Gericht.

11      Mit Urteil vom 13. November 2012, Antrax It/HABM – THC (Heizkörper) (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592, im Folgenden: Urteil vom 13. November 2012), hob das Gericht die Entscheidungen vom 2. November 2010 mit der Begründung auf, die Beschwerdekammer habe das Vorbringen der Klägerin zur Sättigung des relevanten Sektors nicht geprüft. Hierzu führte das Gericht aus, dass eine etwaige Sättigung des Stands der Technik, die sich aus der geltend gemachten Existenz anderer Geschmacksmuster von Thermosiphons oder Heizkörpern mit denselben Gesamtmerkmalen wie die fraglichen Geschmacksmuster ergibt, für die Beurteilung der Eigenart der streitigen Geschmacksmuster insoweit relevant war, als sie geeignet sein könnte, den informierten Benutzer stärker für die unterschiedlichen internen Größenverhältnisse dieser einzelnen Geschmacksmuster zu sensibilisieren. Folglich hob das Gericht die Entscheidungen vom 2. November 2010 wegen nicht hinreichender Begründung zur Frage der Sättigung des Stands der Technik auf.

12      Im Anschluss an das Urteil vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) wurden die Sachen an das EUIPO zurückverwiesen und erhielten die neuen Aktenzeichen R 1272/2013-3 bzw. R 1273/2013-3. Sie wurden der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO zugewiesen.

13      Am 13. Februar 2014 forderte der Berichterstatter der Dritten Beschwerdekammer die Parteien in den beiden oben in Rn. 12 genannten Sachen auf, zur Frage einer Sättigung des relevanten Sektors und zu dem sich daraus ergebenden Gesamteindruck, den die fraglichen Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorrufen, innerhalb einer Frist von einem Monat schriftsätzlich Stellung zu nehmen und Beweise vorzulegen.

14      Am 12. März 2014 reichte die Klägerin eine Stellungnahme ein und legte Beweise vor. Am selben Tag nahm die Streithelferin Stellung.

15      Mit Entscheidungen vom 10. Oktober 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) wies die Dritte Beschwerdekammer die Beschwerden zurück und erklärte die streitigen Geschmacksmuster für nichtig.

16      Die Beschwerdekammer war der Ansicht, sich gemäß Art. 61 Abs. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 zu der Frage der Sättigung des relevanten Sektors oder Markts äußern zu müssen, da das Gericht im Urteil vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) befunden habe, dass diese Frage der Sättigung des Stands der Technik, die geeignet sein könnte, den informierten Benutzer stärker für die unterschiedlichen internen Größenverhältnisse der einzelnen Geschmacksmuster zu sensibilisieren, in den zuvor aufgehobenen Entscheidungen nicht gebührend untersucht worden sei. Nach Ansicht der Beschwerdekammer war auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgebrachten Beweismittel und Argumente zu entscheiden, ob im relevanten Sektor eine Sättigung vorgelegen habe, die auf die Existenz einer Vielzahl anderer Geschmacksmuster zurückzuführen sei, die dieselben Gesamtmerkmale wie die fraglichen Geschmacksmuster aufwiesen (Rn. 14, 17 bis 19 und 25 der angefochtenen Entscheidungen). Sie hob hervor, Gegenstand dieser Beurteilung müsse im vorliegenden Fall speziell der Sektor der Thermosiphons und nicht der von Heizanlagen sein (Rn. 29 der angefochtenen Entscheidungen).

17      In diesem Zusammenhang vertrat die Beschwerdekammer die Ansicht, dass die Partei, die sich auf die Sättigung des Stands der Technik berufe, eine Reihe klarer, präziser, schlüssiger und aktueller Nachweise vorzulegen habe (Rn. 36, 41 und 50 der angefochtenen Entscheidungen). Sie stellte im Wesentlichen fest, dass die Nachweise, die die Klägerin vorgelegt habe, um den Sättigungsgrad des relevanten Sektors darzutun, nicht erschöpfend und von schlechter Qualität gewesen seien und schlüssiger und präziser hätten sein müssen. Außerdem wies sie darauf hin, dass die der Stellungnahme der Klägerin vom 12. März 2014 beigefügten Kataloge entweder kein Datum enthielten oder, sofern doch, aus den Jahren 2004 und 2006 stammten (Rn. 41 bis 46 der angefochtenen Entscheidungen).

18      Was den Vergleich der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster betrifft, war die Beschwerdekammer im Wesentlichen der Auffassung, ihre Ähnlichkeiten bezüglich der Form und Anordnung der Thermosiphons und Heizungsröhren überwögen die – nur bei sorgfältiger Prüfung erkennbaren – geringfügigen Unterschiede bei der Tiefe oder den internen Größenverhältnissen, dem jeweiligen Abstand zwischen den Röhren und der Anzahl der Röhren (Rn. 52 bis 62 der angefochtenen Entscheidungen). Die Beschwerdekammer zog hieraus den Schluss, dass die streitigen Geschmacksmuster keine spezifische Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 aufwiesen, weil der Gesamteindruck, den sie beim informierten Benutzer hervorriefen, sich nicht von dem unterscheide, der von der Form und Erscheinung der älteren Geschmacksmuster hervorgerufen werde (Rn. 64 der angefochtenen Entscheidungen).

 Anträge der Parteien

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben;

–        infolgedessen die Gültigkeit der streitigen Geschmacksmuster festzustellen, ohne die Rechtssachen an das EUIPO zurückzuverweisen;

–        „festzustellen, dass Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 im Widerspruch zu Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht“;

–        dem EUIPO und der Streithelferin gesamtschuldnerisch die Kosten aufzuerlegen sowie der Streithelferin die Kosten des Verfahrens vor dem EUIPO aufzuerlegen.

20      Das EUIPO beantragt,

–        die Klagen abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

21      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klagen abzuweisen und die streitigen Geschmacksmuster für nichtig zu erklären;

–        der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem EUIPO aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

22      Die Klägerin stützt ihre Klagen auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen im Wesentlichen auf vier Klagegründe. Mit diesen Klagegründen rügt sie erstens im Wesentlichen einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und gegen die Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (ABl. 1996, L 28, S. 11) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2082/2004 der Kommission vom 6. Dezember 2004 (ABl. 2004, L 360, S. 8) geänderten Fassung, zweitens einen Verstoß gegen Art. 6 und Art. 61 Abs. 6 der Verordnung Nr. 6/2002, drittens – hilfsweise – einen Verstoß gegen Art. 6 und Art. 63 Abs. 1 dieser Verordnung sowie gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung sowie viertens – äußerst hilfsweise – einen Verstoß gegen Art. 6 dieser Verordnung und die in Art. 62 Satz 1 dieser Verordnung normierte Begründungspflicht.

23      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin einen Klagegrund geltend gemacht, mit dem sie die Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch das EUIPO rügt.

24      Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, sie werden auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel, das eine Erweiterung eines zuvor in der Klageschrift unmittelbar oder implizit vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und in engem Zusammenhang mit diesem steht, ist jedoch für zulässig zu erklären (vgl. Urteil vom 30. Mai 2013, Moselland/HABM – Renta Siete [DIVINUS], T‑214/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:280, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin vor dem Gericht eingeräumt, dass ihr Klagegrund der Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer in ihrer Klageschrift, die auf Art. 41 der Charta nur Bezug nimmt, um einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit geltend zu machen, nicht enthalten war.

25      Daher ist der Klagegrund der Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch das EUIPO – wie von diesem geltend gemacht – als unzulässig zurückzuweisen.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta und gegen die Verordnung Nr. 216/96

26      Die Klägerin macht im Wesentlichen eine Verletzung ihres Rechts auf unparteiische Behandlung ihrer Angelegenheiten im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta und einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 216/96 geltend. Im Rahmen ihres ersten Klagegrundes erhebt sie ferner die Einrede der Rechtswidrigkeit gegenüber dem Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96.

27      Nach Auffassung des Gerichts ist zunächst diese Einrede der Rechtswidrigkeit zu prüfen.

 Einrede der Rechtswidrigkeit

28      Die Klägerin beantragt vorab, das Vorliegen eines Widerspruchs zwischen Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 und Art. 41 der Charta zu prüfen und festzustellen. Dieses in den Nrn. 19 und 20 der Klageschriften geäußerte Begehren ist auch im dritten Klageantrag enthalten.

29      Das EUIPO macht im Wesentlichen geltend, dieser Antrag der Klägerin sei unzulässig, weil nicht das Gericht, sondern allein der Gerichtshof hierfür zuständig sei.

30      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 61 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 die Klage vor dem Gericht „auf die Behauptung der Unzuständigkeit, der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, der Verletzung des Vertrages, dieser Verordnung und einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder auf Ermessensmissbrauch gestützt werden [kann]“. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Klagen, dass die Klägerin der Beschwerdekammer vorwirft, eine Regelung angewandt zu haben, die rechtswidrig sei, weil sie mit der – gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV den Verträgen rechtlich gleichrangigen – Charta unvereinbar sei. Daher hat die Klägerin, ohne sich ausdrücklich auf Art. 277 AEUV zu berufen, mit dem Antrag, Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 in der vorliegenden Rechtssache für unanwendbar zu erklären, eine Einrede der Rechtswidrigkeit im Sinne von Art. 277 AEUV erhoben (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 12. Juli 2001, Kik/HABM, T‑120/99, EU:T:2001:189, Rn. 20).

31      Gemäß Art. 277 AEUV kann die Unanwendbarkeit eines von einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Europäischen Union erlassenen Rechtsakts mit allgemeiner Geltung aus den in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Gründen, einschließlich der Verletzung des Vertrags, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union geltend gemacht werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Art. 277 AEUV Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidung die Gültigkeit derjenigen früheren Rechtshandlungen der Organe zu bestreiten, welche die Rechtsgrundlage für die angegriffene Entscheidung bilden, falls die Partei nicht das Recht hatte, gemäß Art. 263 AEUV unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können (Urteil vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 39). Daher ist der Einzelne, der auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung einer Beschwerdekammer des EUIPO klagt, im Rahmen einer solchen Klage nicht dadurch an der Erhebung einer Einrede der Rechtswidrigkeit gehindert, dass die Verordnung Nr. 6/2002 diese Einrede nicht ausdrücklich als inzidenten Rechtsbehelf erwähnt, von dem er vor dem Gericht Gebrauch machen kann. Dieses Recht fließt aus dem vorgenannten allgemeinen Grundsatz (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 12. Juli 2001, Kik/HABM, T‑120/99, EU:T:2001:189, Rn. 21).

32      Das Vorbringen des EUIPO, allein der Gerichtshof sei befugt, Handlungen für unionsrechtswidrig zu erklären, beruht in Wirklichkeit auf einer Verwechslung mit der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichtshofs, über Vorabentscheidungsfragen nach der Gültigkeit im Sinne von Art. 267 Abs. 2 AEUV zu befinden. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um eine Frage, die ein Gericht eines Mitgliedstaats im Rahmen eines nationalen Rechtsstreits vorgelegt hat.

33      Somit ist das Vorbringen des EUIPO, dieser Antrag der Klägerin sei unzulässig, zurückzuweisen.

34      Zur Begründetheit trägt die Klägerin vor, Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 verstoße gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta, weil er nicht vorschreibe, dass die Zusammensetzung der Beschwerdekammer zu ändern sei, wenn die Sache nach Aufhebung einer Entscheidung an diejenige Kammer zurückverwiesen werde, die zuvor entschieden habe.

35      Art. 41 („Recht auf eine gute Verwaltung“) Abs. 1 der Charta sieht vor, dass „[j]ede Person ein Recht darauf [hat], dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden“.

36      Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 in der geänderten Fassung lautet wie folgt:

„(1) Wenn die Maßnahmen …, die sich aus einem Urteil des Gerichtshofs [der Europäischen Union] ergeben, durch das die Entscheidung einer Beschwerdekammer oder der Großen Kammer ganz oder teilweise aufgehoben wird, eine erneute Prüfung der Sache durch die Beschwerdekammern beinhalten, entscheidet das Präsidium, ob die Sache an die Kammer, die die Entscheidung getroffen hat, zurückverwiesen oder an eine andere Kammer oder die Große Kammer verwiesen wird.

(2) Wird die Sache an eine andere Kammer verwiesen, so gehört dieser keines der Mitglieder an, die die angefochtene Entscheidung getroffen haben. Diese Bestimmung gilt nicht, wenn die Sache an die Große Kammer verwiesen wird.“

37      Aus diesem Wortlaut geht nicht hervor, dass das Präsidium im Fall einer Zurückverweisung der Sache an die Beschwerdekammer, die zuvor die aufgehobene Entscheidung getroffen hatte, verpflichtet wäre, die Beschwerdekammer so zu besetzen, dass ihr keines der Mitglieder angehört, die an der früheren Entscheidung mitgewirkt haben.

38      Es ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren vor den Beschwerdekammern seinem Wesen nach kein gerichtliches Verfahren, sondern ein Verwaltungsverfahren ist (vgl. Urteil vom 20. April 2005, Krüger/HABM – Calpis [CALPICO], T‑273/02, EU:T:2005:134, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Das Gericht hat bereits entschieden, dass es keine Rechtsvorschrift und keinen Grundsatz gibt, wonach es untersagt wäre, dass eine Verwaltung die Überprüfung einer Sache, die in Vollzug eines Urteils durchgeführt wird, mit dem eine Entscheidung für nichtig erklärt wurde, denselben Beamten überträgt, und dass sich aus der Pflicht zur Unparteilichkeit kein allgemeiner Grundsatz dahin ableiten lässt, dass eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht verpflichtet ist, die Sache an ein anderes Organ oder an ein anders besetztes Gremium dieses Organs zu verweisen (vgl. in diesem Sinne zur Prüfung eines Sachverhalts durch eine Verwaltungsbehörde Urteil vom 11. Juli 2007, Schneider Electric/Kommission, T‑351/03, EU:T:2007:212, Rn. 185 bis 188 und die dort angeführte Rechtsprechung des EGMR, sowie zur Besetzung eines Spruchkörpers Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 51 bis 60 und die dort angeführte Rechtsprechung des EGMR).

40      Daraus folgt, dass es nicht gegen die Pflicht der Verwaltung zur Unparteilichkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta verstößt, wenn das Präsidium gemäß Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 eine Sache nach Aufhebung an dieselbe Beschwerdekammer zurückverweist, die zuvor entschieden hatte, und dabei nicht verpflichtet ist, diese Beschwerdekammer anders zu besetzen.

41      Somit sind die Einrede der Rechtswidrigkeit und demzufolge der dritte Klageantrag zurückzuweisen.

 Verstoß der Beschwerdekammer gegen die Verordnung Nr. 216/96 und gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit

42      Mit ihrem erstem Klagegrund rügt die Klägerin ferner eine Verletzung ihres Rechts auf unparteiische Behandlung ihrer Angelegenheiten im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta und implizit einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 216/96. Sie macht erstens geltend, dass die Sachen an dieselbe Beschwerdekammer zurückverwiesen worden seien, der insbesondere eines der Mitglieder der Beschwerdekammer angehört habe, die die vom Gericht aufgehobenen Entscheidungen getroffen hätten, zweitens, dass die vorliegenden Sachen an eine erweiterte Kammer hätten verwiesen werden müssen, was die Verfahrensregeln des EUIPO zugelassen hätten, und drittens, dass es der Beschwerdekammer zumindest an subjektiver Unparteilichkeit gefehlt habe.

43      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen. Was die Zurückverweisung der Sache an die Beschwerdekammer betrifft, die die aufgehobenen Entscheidungen in teilweise gleicher Besetzung getroffen hatte, hebt das EUIPO zunächst hervor, dass eine solche Zurückverweisung eine in Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 vorgesehene Möglichkeit sei, ferner, dass die Klägerin die erneute Zuweisung der Sachen an dieselbe Beschwerdekammer vor dem EUIPO nicht angefochten habe, und schließlich, dass nur im Fall einer Verweisung der Sache an eine andere Beschwerdekammer dieser keines der Mitglieder angehöre, die an der aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hätten. Hinsichtlich der Zweckmäßigkeit einer Verweisung an die Große Kammer nach der Aufhebung der Entscheidungen durch das Gericht macht das EUIPO geltend, die dafür in Art. 1b Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 216/96 vorgesehenen Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen.

44      Erstens sind die Beanstandungen zurückzuweisen, die sich darauf beziehen, dass die Sachen vom Präsidium an dieselbe Beschwerdekammer zurückverwiesen wurden, der eines der Mitglieder der Beschwerdekammer angehörte, die die vom Gericht aufgehobenen Entscheidungen getroffen hatten. Wie oben in den Rn. 36 und 37 ausgeführt, besteht nämlich für das Präsidium, wenn es beschließt, die Sachen an dieselbe Beschwerdekammer zurückzuverweisen, nach der Verordnung Nr. 216/96 keine Verpflichtung, diese Beschwerdekammer anders zu besetzen. Außerdem geht aus den vorstehenden Rn. 38 bis 40 hervor, dass sich ein Verstoß gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta nicht schon daraus ergeben kann, dass die Sachen an eine Stelle verwiesen werden, die sich zum Teil aus Bediensteten zusammensetzt, die sie bereits geprüft haben.

45      Was zweitens das Vorbringen betrifft, das Präsidium hätte die Sachen an die Große Kammer verweisen müssen, so ist auf die Gründe hinzuweisen, welche nach der Verordnung Nr. 216/96 eine Verweisung durch das Präsidium an die Große Kammer rechtfertigen.

46      Nach Art. 1b Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 kann „[d]as Präsidium … auf Vorschlag des Präsidenten der Beschwerdekammern, der auf dessen eigene Initiative oder auf den Antrag eines Präsidiumsmitgliedes zurückgeht, eine Sache, mit der eine [Beschwerdekammer] befasst ist, an die Große Kammer verweisen, wenn es der Meinung ist, dass die rechtliche Schwierigkeit, die Bedeutung des Falles oder das Vorliegen besonderer Umstände dies rechtfertigen, insbesondere wenn Beschwerdekammern unterschiedliche Entscheidungen über eine im betreffenden Fall aufgeworfene Rechtsfrage getroffen haben“. Abs. 1 dieses Artikels sieht vor, dass eine Beschwerdekammer eine Sache, mit der sie befasst wird, nach denselben Kriterien an die Große Kammer verweisen kann.

47      Im vorliegenden Fall ist die Verweisung an die Große Kammer nach dem Wortlaut von Art. 1b Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1d Abs. 1 der Verordnung Nr. 216/96 eine in das Ermessen des Präsidiums gestellte Möglichkeit. Die Klägerin trägt jedenfalls nichts vor, was beweisen könnte, dass die sowohl in Art. 1b Abs. 3 als auch in Art. 1b Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen für eine Verweisung an die Große Kammer im vorliegenden Fall erfüllt gewesen wären. Sie hebt lediglich die „Bedeutung der Entscheidung in Anbetracht der Ausführungen des Gerichts“ und „die Tragweite der Rechtsstreitigkeit auf dem Gebiet“ hervor, ohne die behauptete Bedeutung der Sache näher zu erläutern. Die Aufhebung der Entscheidungen vom 2. November 2010 durch das Urteil vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) wegen eines Begründungsmangels in einem Punkt der Begründung, der die Sättigung des Stands der Technik betraf, lässt keine rechtliche Schwierigkeit, Bedeutung der Rechtssache oder tatsächliche Besonderheit erkennen, die eine Verweisung an die Große Kammer rechtfertigt. Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob der geltend gemachte Fehler eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen rechtfertigen könnte, lag somit im vorliegenden Fall jedenfalls kein Grund vor, der eine Verweisung der Sachen an die Große Kammer gerechtfertigt hätte.

48      Was drittens das Vorbringen betrifft, der Beschwerdekammer habe es an subjektiver Unparteilichkeit gefehlt, ist festzustellen, dass die Klägerin zu einer persönlichen Parteilichkeit eines oder mehrerer Mitglieder der Beschwerdekammer nichts vorträgt.

49      Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 6 und Art. 61 Abs. 6 der Verordnung Nr. 6/2002

50      Mit ihrem zweiten Klagegrund will die Klägerin dartun, dass die Beschwerdekammer Fehler bei der Würdigung der Beweise für die Sättigung des Stands der Technik und folglich bei der Beurteilung der Eigenart der streitigen Geschmacksmuster im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 begangen habe. Damit habe die Beschwerdekammer ihre Pflicht verletzt, gemäß Art. 61 Abs. 6 dieser Verordnung „die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil“ vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) „ergeben“.

51      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

52      Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 ergibt sich, dass im Fall eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters dessen Eigenart anhand des Gesamteindrucks zu beurteilen ist, den es beim informierten Benutzer hervorruft. Der beim informierten Benutzer hervorgerufene Gesamteindruck muss sich von demjenigen unterscheiden, den ein anderes Geschmacksmuster hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Durch Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 wird klargestellt, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung dieses Geschmacksmusters zu berücksichtigen ist.

53      Nach der Rechtsprechung ergibt sich die Eigenart eines Geschmacksmusters aus einem Gesamteindruck der Unähnlichkeit oder des Fehlens eines „déjà vu“ aus der Sicht des informierten Benutzers im Vergleich zum vorbestehenden Formschatz älterer Geschmacksmuster, ungeachtet der Unterschiede, die – auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen – nicht markant genug sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinträchtigen, aber unter Berücksichtigung von Unterschieden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM – Puma [Springende Raubkatze], T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters im Vergleich zum vorbestehenden Formschatz älterer Geschmacksmuster sind zu berücksichtigen: die Art des Erzeugnisses, bei dem das Geschmacksmuster benutzt wird oder in das es aufgenommen wird, und insbesondere der jeweilige Industriezweig (14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002), der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, eine etwaige Sättigung des Stands der Technik, die den informierten Benutzer stärker für die Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern sensibilisieren könnte, sowie die Art und Weise, in der das fragliche Erzeugnis benutzt wird, insbesondere hinsichtlich der hierbei üblicherweise vorgenommenen Handgriffe (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Auch wenn die Sättigung des Stands der Technik nicht als Beschränkung der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angesehen werden kann, kann sie – sofern sie erwiesen ist – geeignet sein, den Benutzer stärker für die Detailunterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern zu sensibilisieren. Daher kann ein Geschmacksmuster infolge einer Sättigung des Stands der Technik Eigenart aufgrund von Merkmalen haben, die ohne eine solche Sättigung keinen unterschiedlichen Gesamteindruck beim informierten Benutzer hervorrufen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. März 2014, Tubes Radiatori/HABM – Antrax It [Heizkörper], T‑315/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:115, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 29. Oktober 2015, Roca Sanitario/HABM – Villeroy & Boch [Einhandmischer], T‑334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 83).

56      Bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters ist auch die Sicht des informierten Benutzers zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der informierte Benutzer eine Person, der eine besondere Wachsamkeit eigen ist und die über eine gewisse Kenntnis vom vorherigen Stand der Technik verfügt, d. h. vom Formenschatz der sich auf das fragliche Erzeugnis beziehenden Geschmacksmuster, die am Anmeldetag des streitigen Geschmacksmusters oder gegebenenfalls an dem in Anspruch genommenen Prioritätstag zugänglich waren (Urteile vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM – PepsiCo [Wiedergabe eines runden Werbeträgers], T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 62, vom 9. September 2011, Kwang Yang Motor/HABM – Honda Giken Kogyo [Verbrennungsmotor], T‑11/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:447, Rn. 23, und vom 6. Juni 2013, Kastenholz/HABM – Qwatchme [Uhrzeigerblätter], T‑68/11, EU:T:2013:298, Rn. 57).

57      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer den informierten Benutzer als Person definiert, die Heizkörper erwerbe, um sie in ihre Wohnung einzubauen, und die zwar kein Fachmann für Produktgestaltung – wie ein Architekt oder Innenarchitekt – sei, aber über das, was der Markt biete, Modetrends und die grundlegenden Merkmale der Produkte auf dem Laufenden sei. Die Beschwerdekammer war zu Recht der Ansicht, dass diese Definition in den Rn. 41 und 42 des Urteils vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) bestätigt wurde. Diese Definition wird im Übrigen von den Parteien auch nicht angegriffen.

58      Außerdem hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, der Entwerfer habe, da keine besonderen technischen oder rechtlichen Zwänge vorgelegen hätten, für den Röhrenquerschnitt und das Kollektorenmodell aus einer großen Bandbreite verschiedener Formen wählen können. Die Beschwerdekammer war ebenfalls zu Recht der Ansicht, dass die Feststellung, der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers sei im vorliegenden Fall nicht eingeschränkt gewesen, in den Rn. 46 bis 52 des Urteils vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) bestätigt worden sei.

59      Zur Stützung ihres zweiten Klagegrundes, mit dem sie Fehler der Beschwerdekammer bei der Würdigung der Beweise für die Sättigung des Stands der Technik geltend macht, erhebt die Klägerin im Wesentlichen zwei Rügen. Mit ihrer ersten Rüge macht sie geltend, die Beschwerdekammer habe den falschen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sättigung des Stands der Technik gewählt, indem sie auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen abgestellt habe, d. h. auf den Oktober 2014, obwohl für die Beurteilung der Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Geschmacksmuster im September 2006 maßgeblich gewesen sei. Die Beschwerdekammer habe somit zu Unrecht angenommen, dass die von der Klägerin als Anlage zu ihrer Stellungnahme vom 12. März 2014 vorgelegten Beweise für die Sättigung des Stands der Technik, die sich auf den Zeitraum des Eintragungsverfahrens (zwischen 2004 und 2006) bezogen hätten, nicht „aktuell“ seien. Dieser Fehler werde auch durch die Verwendung des Präsens in den angefochtenen Entscheidungen sowie durch die mehrfachen Hinweise auf die „aktuelle“ Situation des relevanten Sektors belegt.

60      Das EUIPO bestreitet, für die Prüfung der Sättigung des Sektors auf den Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen abgestellt zu haben. Außerdem wären – selbst wenn dies der Fall wäre – die vorgelegten Beweise, da sie für den Nachweis der Sättigung des Sektors bei Erlass der angefochtenen Entscheidungen nicht genügt hätten, erst recht nicht ausreichend, um die Sättigung des Stands der Technik zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Geschmacksmuster darzutun, weil die Annahme, dass ein zuvor gesättigter Sektor dies später nicht mehr sei, der Logik widerspreche.

61      Die Beschwerdekammer war der Auffassung, dass insbesondere angesichts des Urteils vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) eine Sättigung des relevanten Sektors im vorliegenden Fall nicht – wie es früher gelegentlich der Fall gewesen sei – ohne Weiteres und summarisch behauptet oder dargetan werden könne. Wegen der Bedeutung und Erheblichkeit des rechtlichen Grundsatzes der Sättigung des Stands der Technik sei es für die Beurteilung der Eigenart eines bestimmten Geschmacksmusters erforderlich, dass die Partei, die sich darauf berufe, nämlich die Klägerin, hinreichend klare, präzise und schlüssige Beweise vorlege. In Rn. 41 der angefochtenen Entscheidungen hat die Beschwerdekammer weiter ausgeführt, diese Beweise müssten auch „aktuell“ sein. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie den Parteien zu diesem Zweck eine neue Frist gesetzt habe, um zu diesem Punkt Stellung zu nehmen und Beweise vorzulegen. Insbesondere waren nach ihrer Ansicht die von der Klägerin als Anlage zu ihrer Stellungnahme vom 12. März 2014 vorgelegten Unterlagen, nämlich die Auszüge aus einem ihrer Kataloge, die Auszüge aus einem Katalog der Streithelferin, die Auszüge aus fünf Katalogen weiterer Unternehmen der Branche (Tubes, Tubor, The Radiator Company, Metalform und Rondra) sowie eine Abbildung, in der ein nach einem der streitigen Geschmacksmuster und ein nach einem der älteren Geschmacksmuster hergestellter Heizkörper einander gegenübergestellt wurden, nicht erschöpfend, weil die Katalogauszüge lediglich einige – von nur fünf Herstellern angebotene – Heizkörpermodelle zeigten, nicht aber die gesamte von diesen oder anderen Herstellern angebotene Produktpalette. Außerdem seien einige Abbildungen von Heizkörpern von sehr schlechter Qualität gewesen, so dass sie deren Linien und Konturen unmöglich habe korrekt beurteilen können, und bedauerlicherweise seien die Abbildungen Katalogen und nicht Geschmacksmustereintragungen entnommen worden. Schließlich hat die Beschwerdekammer in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidungen betont, dass die fraglichen Kataloge entweder kein Datum enthielten oder aber, sofern doch, aus den Jahren 2004 und 2006 stammten. Der Nachweis einer hohen Dichte im relevanten Sektor hätte aus schlüssigeren und präziseren Beweisen bestehen müssen, z. B. weiteren Katalogen und Beweisunterlagen betreffend die von einer großen Zahl von Wettbewerbern angebotenen Erzeugnisse, Erklärungen von Sachverständigen der Branche, Erklärungen von Hersteller- und Verbraucherverbänden, Kataloge und Preislisten der im relevanten Sektor tätigen Großhändler und schließlich von Drittunternehmen erstellte sektorbezogene Studien und Untersuchungen. Die Beschwerdekammer hat daraus den Schluss gezogen, dass die vorgelegten Unterlagen insgesamt nicht ausreichten, um den Grad der Sättigung des Stands der Technik nachzuweisen, und noch weniger, um den Wahrheitsgehalt der Behauptung der Klägerin zu prüfen, dass der relevante Sektor gesättigt sei. Außerdem unterschieden sich einige der in den vorgelegten Beweisstücken dargestellten Geschmacksmuster sogar visuell von den anderen Beispielen, die die Klägerin vorgelegt habe.

62      Was frühere Entscheidungen des EUIPO betrifft, die für die Frage einer Sättigung des fraglichen Sektors einschlägig seien, darunter insbesondere die Entscheidung vom 17. April 2008 (Sache R 976/2007-3), in der dieselbe Beschwerdekammer erwähnt hatte, dass der Sektor der Heizkörper (radiatori per riscaldamento) „offenkundig“ gesättigt sei, so hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass ihre frühere Entscheidungspraxis nur dann ein hinreichender Anhaltspunkt sei, wenn sie durch eine Dokumentation bestätigt werde, die eindeutig die „aktuelle Sachlage“ darstelle, was hier nicht der Fall sei.

63      Zunächst geht aus der Rechtsprechung hervor, dass es für die Prüfung der Eigenart des streitigen Geschmacksmusters und für den Nachweis einer etwa bestehenden Sättigung des Stands der Technik gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 auf den Tag der Anmeldung des Geschmacksmusters ankommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2015, Einhandmischer, T‑334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 87), was vom EUIPO im Übrigen nicht bestritten wird.

64      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer, wie von der Klägerin geltend gemacht, einen falschen Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage gewählt hat, ob eine Sättigung des Stands der Technik besteht. Die Beschwerdekammer hat in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidungen ausgeführt, dass die von der Klägerin vorgelegten Kataloge, sofern sie ein Datum enthalten hätten, aus „den Jahren 2004 und 2006 stammten“ (die italienische Fassung der angefochtenen Entscheidungen lautet: „Infine, occorre anche sottolineare che i cataloghi in questione sono non datati, o che quando presentano data, essi corrispondono agli anni 2004 e 2006“). Damit habe sie zu erkennen gegeben, dass diese Jahre für ihre Prüfung, ob eine Sättigung des Stands der Technik vorgelegen habe, nicht relevant seien. Zumindest der Katalog aus dem Jahr 2006 stammte aber aus dem Jahr der Eintragung der streitigen Geschmacksmuster und war daher für die Beurteilung der Sättigung des Stands der Technik relevant. Ferner hat die Beschwerdekammer in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidungen ausgeführt, „in Anbetracht seiner entscheidenden Bedeutung k[önne] dieser Faktor[, d. h. die Sättigung des Stands der Technik,] nicht Gegenstand von Vermutungen sein und m[üsse] anhand einer Reihe klarer, präziser, schlüssiger und aktueller Beweise beurteilt werden“, womit sie zugleich deutlich gemacht hat, dass sie die Sättigung des Stands der Technik in Bezug auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen beurteilt hat. Dies wird durch Rn. 49 der angefochtenen Entscheidungen bekräftigt, in der die Beschwerdekammer Folgendes ausgeführt hat:

„[D]ie früher [von der EUIPO] zur Sättigung des relevanten Sektors getroffenen Entscheidungen [von 2007 und 2008], auf die sich die Inhaberin beruft, sind kein hinreichender Anhaltspunkt, wenn sie nicht durch Unterlagen untermauert werden, die die aktuelle Sachlage eindeutig darstellen …“

65      Der Ausdruck „aktuelle Sachlage“ kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf das Jahr 2006 beziehen.

66      Somit ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die Sättigung des Stands der Technik in Bezug auf einen falschen Zeitpunkt beurteilt hat. Entgegen dem Vorbringen des EUIPO sind im vorliegenden Fall die verschiedenen oben in Rn. 64 erwähnten Bezugnahmen auf die aktuelle Sachlage, die Ansicht, dass die Kataloge von 2004 und 2006 nicht den richtigen Zeitraum beträfen, sowie die Verwendung des Präsens in den einschlägigen Randnummern der angefochtenen Entscheidungen in ihrer Gesamtheit hinreichende Belege, um diesen Fehler nachzuweisen.

67      Außerdem ist das Vorbringen des EUIPO zurückzuweisen, dass der Sektor, den die Beschwerdekammer als bei Erlass der angefochtenen Entscheidungen nicht gesättigt angesehen habe, acht Jahre zuvor nicht gesättigt gewesen sein könne, weil die Annahme, ein zuvor gesättigter Sektor könne dies später nicht mehr sein, der Logik widerspreche. Erstens trifft es nicht zu, dass die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen festgestellt hat, der relevante Sektor sei bei Erlass dieser Entscheidungen nicht gesättigt gewesen. Sie hat lediglich die Auffassung vertreten, die Sättigung des Stands der Technik bei Erlass der angefochtenen Entscheidungen sei rechtlich nicht hinreichend bewiesen worden. Zweitens ist dieses Vorbringen eine bloße Behauptung, die durch nichts untermauert sei, da das EUIPO nicht dargetan habe, warum eine Sättigung des Stands der Technik in dem langen Zeitraum von acht Jahren nicht variieren könne.

68      Der Fehler der Beschwerdekammer kann jedoch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen führen.

69      Auch wenn die Beschwerdekammer zu Unrecht der Auffassung war, die Kataloge von 2004 und 2006 beträfen nicht die für ihre Beurteilung maßgeblichen Jahre, hat sie sich nämlich dennoch die Mühe gemacht, sie zu prüfen und anhand anderer sachlicher Gesichtspunkte festzustellen, dass sie zum Nachweis einer Sättigung des Stands der Technik nicht ausreichten. So hat sie in Rn. 40 der angefochtenen Entscheidungen ausgeführt, dass die Auszüge aus den Katalogen von 2004 (Tubor) und von 2006 (The Radiator Company) eine nicht ausreichende Zahl von Modellen enthielten und nicht die gesamte von diesen Herstellern angebotene Produktpalette zeigten (zwei Modelle im Katalog von Tubor, drei in dem von The Radiator Company) und dass die Abbildungen im Katalog von The Radiator Company aus dem Jahr 2006 (Modelle Volcano und Volcano Verticale) von schlechter Qualität seien. Zudem schloss ihre Feststellung, dass die vorgelegten Katalogauszüge nur fünf Hersteller beträfen, auch die Kataloge von 2004 und 2006 ein. Die Beschwerdekammer führte aus, dass die Nachweise aus schlüssigeren und präziseren Beweisen hätten bestehen müssen, z. B. weiteren Katalogen und Beweisunterlagen betreffend die von einer größeren Zahl von Wettbewerbern angebotenen Erzeugnisse, Erklärungen von Sachverständigen der Branche, Erklärungen von Hersteller- und Verbraucherverbänden, Kataloge und Preislisten der im relevanten Sektor tätigen Großhändler und schließlich von Drittunternehmen erstellte sektorbezogene Studien und Untersuchungen, dass die Klägerin aber nur einige wenige Bilder aus fünf Katalogen von Heizkörperherstellern vorgelegt habe. Außerdem hat die Beschwerdekammer in Rn. 44 der angefochtenen Entscheidungen hervorgehoben, dass einige der in den Katalogen dargestellten Geschmacksmuster sich visuell von den anderen vorgelegten Beispielen unterschieden, insbesondere bestimmte Modelle aus dem Katalog von 2006 (The Radiator Company), und hat damit zu erkennen gegeben, dass diese Beispiele für den Nachweis von den fraglichen Modellen sehr ähnlichen Modellen und somit einer Sättigung des Stands der Technik nicht relevant seien. Diese Erwägungen bezüglich der unzureichenden Zahl und der fehlenden Relevanz der Nachweise gelten auch für die Beurteilung der Sättigung des Stands der Technik zum Zeitpunkt der Anmeldung der streitigen Geschmacksmuster.

70      Im Ergebnis ist folglich festzuhalten, dass die Beschwerdekammer die Zahl, die Qualität und die Relevanz der Nachweise, die den für die Beurteilung der Sättigung des Stands der Technik maßgeblichen Zeitraum betrafen (insbesondere bezüglich der Nachweise von 2006), zu Recht als unzureichend angesehen hat.

71      Somit greift die erste Rüge nicht durch.

72      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe Nachweise für die Sättigung des Marktes unberücksichtigt gelassen, die sie, die Klägerin, bereits im Rahmen der vorausgegangenen Verfahren vor dem EUIPO, die zu den Entscheidungen vom 2. November 2010 geführt hätten, vorgelegt habe.

73      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Berichterstatter die Parteien im Anschluss an das Urteil vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) aufgefordert hat, alle Beweise und die Stellungnahmen vorzulegen, die sie zur Frage der Sättigung des Stands der Technik geltend machen wollten. Die Klägerin hat zu dieser Frage am 12. März 2014 Stellung genommen und Beweise vorgelegt. Diese – der Stellungnahme der Klägerin vom 12. März 2014 beigefügten – Beweise sind in Rn. 39 der angefochtenen Entscheidungen ordnungsgemäß aufgeführt. Die Beschwerdekammer hat in den Rn. 48 bis 51 der angefochtenen Entscheidungen auch die frühere Entscheidungspraxis des EUIPO zu diesem Punkt erwähnt.

74      Hierzu ist anzumerken, dass die in den angefochtenen Entscheidungen ausdrücklich erwähnten Dokumente nicht die einzigen sind, die die Beschwerdekammer geprüft hat, denn Rn. 39 der angefochtenen Entscheidungen beginnt mit dem Wort „[i]nsbesondere“, das zum Ausdruck bringt, dass die nachfolgende Liste der von der Klägerin zur Frage der Sättigung des Stands der Technik vorgelegten Dokumente nicht als abschließend zu verstehen ist und die Beschwerdekammer sich bei ihrer Prüfung auf eine Reihe zusätzlicher Dokumente gestützt hat. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Beschwerdekammer nicht verpflichtet ist, bei ihren Ausführungen alle von den Parteien vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln, wobei die Begründung auch implizit erfolgen kann, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die Entscheidung der Beschwerdekammer zu erfahren, und dem zuständigen Gericht ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit es seine Kontrolle wahrnehmen kann (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Zweitens ist festzustellen, dass die von der Klägerin vorgelegten Nachweise für die Sättigung des Stands der Technik insgesamt als nicht hinreichend angesehen wurden, um eine solche Sättigung im betroffenen Sektor zu beweisen, wie sich aus Rn. 41 der angefochtenen Entscheidungen ergibt.

76      Drittens vermögen auch die Unterlagen, die die Klägerin ihrer Stellungnahme vom 3. September 2008 beigefügt hat, nämlich die Fotos der Heizkörper E.CO.TERM (von Cordivari) und Runtal, nicht die in den angefochtenen Entscheidungen enthaltene Feststellung zu entkräften, dass die Beweise unzureichend sind. Es handelt sich um einige wenige Fotos von Heizkörpern auf nur drei Seiten. Das einzige Foto, auf dem sechs Heizkörper von Cordivari – alle zusammen (und im Übrigen schlecht erkennbar) – abgebildet sind, stammt aus dem Jahr 1997, mithin neun Jahre vor dem Zeitpunkt, der für die Prüfung der Sättigung des Stands der Technik maßgeblich war, und stellt Heizkörper dar, von denen vier nicht dieselben Gesamtmerkmale wie die fraglichen Geschmacksmuster aufweisen. Gleiches gilt für die sechs Fotos von Heizkörpern der Marke Runtal, von denen zwei den fraglichen Heizkörpern sehr unähnlich sind. Zudem sind diese Fotos nicht datiert oder stammen jedenfalls, sofern der Hinweis auf die Preisliste als Zeitangabe zu verstehen ist, aus dem Jahr 2000. Was die Stellungnahme der Klägerin vom 6. August 2009 betrifft, so enthält sie nichts, was die Feststellung erlaubt, die etwaigen darin enthaltenen Nachweise seien geeignet, eine Sättigung des Stands der Technik zu belegen. Somit ist festzustellen, dass die Klägerin nicht dargetan hat, welche Nachweise für die Sättigung des Stands der Technik bei der Prüfung unberücksichtigt geblieben sein sollen und hinreichend relevant und ausschlaggebend gewesen wären, um den Standpunkt der Beschwerdekammer ändern zu können.

77      Daher sind die zweite Rüge und damit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Hilfsweise vorgebrachter dritter und vierter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 6 und Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 und die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung sowie gegen Art. 6 und Art. 62 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 hinsichtlich der Begründungspflicht des EUIPO

78      Mit ihrem hilfsweise vorgebrachten dritten und vierten Klagegrund rügt die Klägerin im Wesentlichen, dass die Beschwerdekammer von ihrer – von der Klägerin als Beleg vorgelegten – eigenen früheren Entscheidung vom 17. April 2008 (Sache R 976/2007-3) abgewichen sei, in der sie zu dem Ergebnis gelangt sei, der Heizkörpermarkt sei „offenkundig“ gesättigt. Mit ihrem äußerst hilfsweise vorgebrachten vierten Klagegrund beanstandet die Klägerin die allzu summarische Begründung dieser Abweichung in Rn. 51 der angefochtenen Entscheidungen.

79      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

80      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in den Rn. 48 und 49 der angefochtenen Entscheidungen die Auffassung vertreten, ungeachtet der Schlussfolgerungen der Nichtigkeitsabteilung in einer Entscheidung vom 12. April 2007 und derjenigen der Beschwerdekammer in der von der Klägerin erwähnten Entscheidung vom 17. April 2008 (Sache R 976/2007-3) könnten die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht als ausreichend angesehen werden, um darzutun, dass der relevante Sektor derzeit so gesättigt sei, dass der informierte Benutzer den Unterschieden zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern erhöhte Aufmerksamkeit widme. Die früheren Entscheidungen des EUIPO zur Sättigung des relevanten Sektors seien kein hinreichender Anhaltspunkt, wenn sie nicht durch Unterlagen untermauert würden, die die aktuelle Sachlage eindeutig darstellten. Diese Sachlage könne nicht Gegenstand von Vermutungen sein, weil die Sättigung des Stands der Technik nicht einfach auf eine offenkundige Tatsache gestützt werden könne. In Rn. 50 der angefochtenen Entscheidungen hat die Beschwerdekammer betont, angesichts der Bedeutung des Begriffs „Sättigung des Stands der Technik“, insbesondere im Kontext der vorliegenden Rechtssachen, sei es unbedingt erforderlich, dass die Beweisführung des Inhabers hinreichend klar, präzise und schlüssig sei und dieser nicht nur einige Abbildungen aus Katalogen vorlege oder – wie im vorliegenden Fall – sich einfach auf frühere Entscheidungen des EUIPO oder der Beschwerdekammer beziehe. In Rn. 51 der angefochtenen Entscheidungen hat die Beschwerdekammer darauf hingewiesen, dass die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des EUIPO ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung Nr. 6/2002 in der Auslegung durch den Unionsrichter und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis des EUIPO zu beurteilen sei. Außerdem habe das EUIPO nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung zwar die bereits zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen zu berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden sei oder nicht, doch müsse die Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. So könne der Inhaber eines streitigen Geschmacksmusters sich nicht zum eigenen Vorteil auf eine zugunsten eines anderen vorgenommene rechtswidrige Handlung berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen, da jeder Einzelfall einer strengen Prüfung zu unterziehen sei.

81      Das Gericht ist der Auffassung, dass zunächst der vierte, im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht gestützte Klagegrund zu prüfen ist.

–        Verstoß gegen die Begründungspflicht

82      Nach Art. 62 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 sind die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen. Diese Begründungspflicht hat den gleichen Umfang wie die nach Art. 296 AEUV, wonach die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck kommen müssen. Diese Verpflichtung soll dem doppelten Ziel dienen, zum einen den Betroffenen zu ermöglichen, die Gründe für die erlassene Maßnahme kennenzulernen, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und zum anderen den Unionsrichter in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Juli 2012, Gucci/HABM – Chang Qing Qing [GUDDY], T‑389/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:378, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Im Urteil vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) hat das Gericht festgestellt, dass die Beschwerdekammer nicht auf die Argumente der Klägerin zur Sättigung des Stands der Technik eingegangen ist, und sei es auch nur, um sie als unbewiesen zurückzuweisen (Urteil vom 13. November 2012, T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592, Rn. 79, 87 und 97 bis 99).

84      Im Anschluss an dieses Urteil hat die Klägerin sich vor der Beschwerdekammer – insbesondere in ihrer Stellungnahme vom 12. März 2014 – auf die früheren Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung vom 12. April 2007 und der Dritten Beschwerdekammer vom 17. April 2008 berufen, die die Sättigung bzw. die offenkundige Sättigung des Heizkörpersektors feststellen.

85      In Anbetracht der oben in Rn. 80 angeführten Rn. 48 bis 51 der angefochtenen Entscheidungen ist festzustellen, dass diese entgegen dem Vorbringen der Klägerin eine ausreichende Begründung enthalten, warum die Beschwerdekammer den betroffenen Markt im Gegensatz zu dem, was sich aus den früheren Entscheidungen des EUIPO ergab, nicht als offenkundig gesättigt angesehen hat. In den Rn. 48 und 49 der angefochtenen Entscheidungen hat die Beschwerdekammer nämlich dargelegt, dass die von der Klägerin angeführten früheren Entscheidungen des EUIPO nur dann ein hinreichender Anhaltspunkt hätten sein können, wenn sie durch Unterlagen untermauert worden wären, die die „aktuelle“ Sachlage eindeutig darstellten, und dass diese Sachlage nicht Gegenstand von Vermutungen sein könne, weil die Sättigung des Stands der Technik nicht einfach auf eine offenkundige Tatsache gestützt werden könne. Obwohl die Bezugnahme auf die aktuelle Sachlage einen Irrtum über den für die Prüfung zu berücksichtigenden Zeitpunkt aufzeigt, lässt die Begründung deutlich erkennen, dass die Beschwerdekammer entschieden hat, dass ihre frühere Entscheidungspraxis durch Nachweise untermauert werden müsse, die für den Zeitpunkt relevant seien, der für die Beurteilung der Sättigung des Stands der Technik maßgeblich sei. Außerdem hat die Beschwerdekammer in den Rn. 51 und 52 der angefochtenen Entscheidungen auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen, nach der das EUIPO durch seine Entscheidungspraxis nicht gebunden ist und die Anwendung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, wobei jeder Einzelfall einer strengen Prüfung zu unterziehen ist. Aus dieser Begründung geht hervor, dass die Beschwerdekammer der Auffassung war, von der in ihren früheren Entscheidungen getroffenen Feststellung abweichen zu müssen, weil diese nicht hinreichend untermauert oder möglicherweise rechtswidrig gewesen sei. Die Frage, ob diese Begründung stichhaltig ist, gehört zur Sachprüfung der angefochtenen Entscheidungen.

86      Das Vorbringen der Klägerin, in den angefochtenen Entscheidungen sei nicht angegeben, unter welchen Umständen ein Markt als nicht oder nicht mehr gesättigt angesehen werden könne, geht ins Leere, weil die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen weitere Gründe darlegt, die erläutern, warum sie nicht zu derselben Feststellung wie das EUIPO in seinen früheren Entscheidungen gelangt ist.

87      Somit ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht zurückzuweisen.

–        Vorwurf des Verstoßes gegen Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 sowie gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung

88      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, im vorliegenden Fall nicht die in ihrer früheren Entscheidung vom 17. April 2008 (Sache R 976/2007‑3) getroffene Feststellung zugrunde gelegt zu haben, der zufolge der Heizkörpermarkt offenkundig gesättigt sei. Dass die Beschwerdekammer von dieser früheren Tatsachenfeststellung abgewichen sei, stelle einen Verstoß gegen Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 sowie gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung dar. Die Klägerin beruft sich insbesondere auf die Rechtsprechung, nach der das EUIPO angesichts der beiden letztgenannten Grundsätze im Rahmen der Prüfung einer Anmeldung die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht. Die Klägerin vertritt die Auffassung, angesichts dieser Verpflichtungen könne die Beschwerdekammer ihren Standpunkt zu einer Tatsachenfrage wie der der Sättigung des Marktes nicht ändern, es sei denn, dass Umstände eingetreten wären, die eine solche Änderung verständlich machten; solche Umstände habe sie jedenfalls nicht dargelegt.

89      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen. Das EUIPO macht insbesondere geltend, dass im Urteil vom 12. März 2014, Heizkörper (T‑315/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:115, Rn. 87), verlangt worden sei, dass die Sättigung des Stands der Technik anhand von Beweisen dargetan werde, und in dem auch untersagt worden sei, die Sättigung des relevanten Sektors zu vermuten oder als eine schlicht offenkundige Tatsache anzusehen, wie dies in früheren Entscheidungen geschehen sei.

90      Das Gericht weist vorab darauf hin, dass im Urteil vom 12. März 2014, Heizkörper (T‑315/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:115), entgegen dem Vorbringen des EUIPO nicht verlangt worden ist, die Sättigung des Stands der Technik anhand von Beweisen darzutun, und dort auch nicht untersagt worden ist, diese Sättigung gegebenenfalls als offenkundig anzusehen. Der Verweis in Rn. 87 des genannten Urteils auf den Umstand, dass die Sättigung des Stands der Technik, sofern sie erwiesen ist, geeignet sein kann, den informierten Benutzer stärker für die im Detail bestehenden Unterschiede zwischen den fraglichen Geschmacksmustern zu sensibilisieren, hinderte die Beschwerdekammer nicht, eine Sättigung des Stands der Technik als offenkundig anzusehen. Eine „erwiesene“ Tatsache bedeutet lediglich, dass eine Tatsache als wahr und zutreffend anerkannt ist. Eine offenkundige Tatsache ist normalerweise eine Tatsache, „die jeder kennen kann oder die allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden [kann]“ (Urteil vom 22. Juni 2004, Ruiz-Picasso u. a./HABM – DaimlerChrysler [PICARO], T‑185/02, EU:T:2004:189, Rn. 29). Eine offenkundige Tatsache ist somit eine Tatsache, die jeder als wahr anerkennt, so dass sie nicht bewiesen zu werden braucht.

91      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 „[i]n dem Verfahren vor dem [EUIPO] … [dieses] den Sachverhalt von Amts wegen [ermittelt]“, aber, „[s]oweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich einer Nichtigerklärung handelt, … bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt [ist]“. Diese Bestimmung ist Ausdruck der Sorgfaltspflicht, nach der die zuständige Behörde alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen hat (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Juli 2011, Zino Davidoff/HABM – Kleinakis kai SIA [GOOD LIFE], T‑108/08, EU:T:2011:391, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht dargetan, inwiefern es gegen diese Bestimmung verstoßen soll, dass nicht festgestellt wurde, dass der relevante Sektor offenkundig gesättigt ist, da die genannte Bestimmung nur vorschreibt, was das EUIPO zu prüfen hat, dem Ergebnis dieser Prüfung aber nicht vorgreift. Dass der endgültige Standpunkt des EUIPO nicht demjenigen entspricht, den die Klägerin vertritt, stellt keinen Verstoß gegen Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 dar.

93      Was die Rüge des Verstoßes gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung betrifft, so sind nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern zu beurteilen (Urteile vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, EU:C:2007:252, Rn. 65, und vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 71). Der Gerichtshof hat im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung entschieden, dass das EUIPO im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Unionsmarke die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht. Er hat jedoch hinzugefügt, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden müssen. Wer ein Zeichen als Marke anmeldet, kann sich folglich nicht auf eine etwaige fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen. Überdies muss aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern. Diese Prüfung muss in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich von besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren Kriterien ab, anhand deren zu ermitteln ist, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintragungshindernis fällt (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 74 bis 77). Diese in Rn. 51 der angefochtenen Entscheidungen angeführte Rechtsprechung gilt entsprechend für die Prüfung von Anträgen auf Nichtigerklärung von Geschmacksmustern.

94      Was speziell den Vorwurf betrifft, die Beschwerdekammer habe in Rn. 35 der angefochtenen Entscheidungen das erforderliche Beweismaß bezüglich der Sättigung des Marktes im Vergleich zu dem, was sie in der Vergangenheit verlangt habe, unerwartet angehoben, als es der Klägerin nicht mehr möglich gewesen sei, neue Nachweise vorzulegen, genügt der Hinweis, dass die Klägerin im Anschluss an das Urteil vom 13. November 2012 (T‑83/11 und T‑84/11, EU:T:2012:592) entgegen ihrer Behauptung ausgiebig Gelegenheit hatte, Beweise und Stellungnahmen zur Sättigung des Stands der Technik einzureichen, da der Berichterstatter die Parteien im Anschluss an das Urteil des Gerichts dazu aufgefordert hatte und die Klägerin dies im Übrigen am 12. März 2014 auch getan hat. Daher hat die Beschwerdekammer den Grundsatz des Vertrauensschutzes jedenfalls nicht verletzt.

95      Somit sind der dritte und der vierte Klagegrund zurückzuweisen und infolgedessen die Klagen insgesamt abzuweisen.

 Kosten

96      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

97      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr im vorliegenden Fall neben ihren eigenen Kosten, wie vom EUIPO und der Streithelferin beantragt, auch deren Kosten aufzuerlegen.

98      Die Streithelferin hat ferner beantragt, der Klägerin die ihr im Verwaltungsverfahren vor dem EUIPO entstandenen Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung gelten die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten. Dies gilt jedoch nicht für die Aufwendungen für das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung. Folglich kann dem Antrag der Streithelferin, der mit ihren Anträgen unterlegenen Klägerin die Kosten des Verwaltungsverfahrens vor dem EUIPO aufzuerlegen, nur insoweit stattgegeben werden, als die notwendigen Aufwendungen der Streithelferin für das Verfahren vor der Beschwerdekammer in Frage stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2006, Devinlec/HABM – TIME ART [QUANTUM], T‑147/03, EU:T:2006:10, Rn. 115). Hierzu ist klarzustellen, dass diese Verurteilung nur die Verfahren R 1272/2013‑3 und R 1273/2013‑3 vor der Beschwerdekammer betrifft.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klagen werden abgewiesen.


2.      Die Antrax It Srl trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und der Vasco Group NV einschließlich der Kosten, die der Vasco Group für das Verfahren vor der Beschwerdekammer in den Sachen R 1272/20133 und R 1273/20133entstanden sind.

Gervasoni

Madise

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Februar 2017.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.