Language of document : ECLI:EU:T:2010:266

Rechtssache T‑321/05

AstraZeneca AB und AstraZeneca plc

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für Magengeschwür-Arzneimittel – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festgestellt wird – Definition des Marktes – Erheblicher Wettbewerbsdruck – Missbrauch der Verfahren zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel und zur Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln – Irreführende Darstellungen – Widerruf von Genehmigungen für das Inverkehrbringen – Hindernisse für das Inverkehrbringen von Generika und für Paralleleinfuhren – Geldbußen“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Antrag auf vertrauliche Behandlung – Kriterien

2.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Aufgabe

(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nrn. 2 und 7)

3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die eine Würdigung komplexer wirtschaftlicher oder technischer Gegebenheiten erfordert – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Art. 81 EG und 82 EG)

4.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Pharmazeutische Erzeugnisse

(Art. 82 EG)

5.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Pharmazeutische Erzeugnisse

6.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beizubringende Beweise

(Art. 81 EG und 82 EG)

7.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission – Begründungspflicht –Umfang

(Art. 81 EG, 82 EG und 253 EG)

8.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Austauschbarkeit der Produkte auf der Nachfrageseite – Einführung eines neuen Produkts

(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nrn. 15 bis 19)

9.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Ermittlung des auf ein Produkt ausgeübten Wettbewerbsdrucks

(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nr. 3)

10.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Kennzeichnung durch das Innehaben eines besonders hohen Marktanteils – Pharmaunternehmen

(Art. 82 EG)

11.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Anhaltspunkte – Praktiziertes Preisniveau – Pharmaunternehmen – Auswirkung des Umstandes, dass die Sozialversicherung den Arzneimittelpreis erstattet

(Art. 82 EG)

12.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer missbräuchlichen Ausnutzung – Fehlen

(Art. 82 EG)

13.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Anhaltspunkte – Existenz und Geltendmachung von Rechten des geistigen Eigentums

(Art. 82 EG)

14.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Anhaltspunkte – Pharmaunternehmen – Erstanbieter auf einem Markt – Finanzkraft des Unternehmens

(Art. 82 EG)

15.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien

(Art. 82 EG)

16.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien

(Art. 82 EG)

17.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Beginn eines missbräuchlichen Verhaltens – Pharmaunternehmen – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen

(Art. 82 EG)

18.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien

(Art. 82 EG)

19.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Wettbewerbswidrige Auswirkungen eines Verhaltens, die ohne beherrschende Stellung eintreten – Unerheblichkeit

(Art. 82 EG)

20.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Beweis – Beweislast – Unschuldsvermutung

(Art. 6 Abs. 2 EU; Art. 82 EG)

21.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens – Pharmaunternehmen – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann

(Art. 82 EG)

22.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Pharmaunternehmen

(Art. 82 EG)

23.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Widerruf von Arzneimittelzulassungen – Widerruf, durch den Herstellern von generischen Arzneimitteln das vereinfachte Verfahren versperrt wird

(Art. 82 EG; Richtlinie 65/65 des Rates, Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii)

24.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Inanspruchnahme vorgeschriebener Verfahren in einer den Markteintritt von Wettbewerbern verzögernden Weise – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien

(Art. 82 EG)

25.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Vereinbarkeit des missbräuchlichen Verhaltens mit anderen Rechtsvorschriften – Unerheblichkeit

(Art. 82 EG)

26.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Widerruf von Arzneimittelzulassungen – Widerruf, durch den Herstellern von generischen Arzneimitteln das vereinfachte Verfahren versperrt wird – Nichtübertragbarkeit der Rechtsprechung zu den wesentlichen Einrichtungen

(Art. 82 EG)

27.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Objektive Rechtfertigung – Beweislast

(Art. 82 EG)

28.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens – Pharmaunternehmen – Rein leistungsbezogener Wettbewerb – Umfang

29.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit

(Art. 82 EG)

30.    Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1)

31.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Einstufung – Kriterien

(Art. 82 EG)

32.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Pharmaunternehmen – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Widerruf von Arzneimittelzulassungen

(Art. 82 EG)

33.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Gegenstand und Auswirkungen der Zuwiderhandlung

(Art. 81 EG und 82 EG)

1.      Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung der Kommission kann das Gericht einem Antrag des Klägers auf vertrauliche Behandlung von Informationen stattgeben, die nicht in der – auf der Internetseite der Generaldirektion „Wettbewerb“ der Kommission veröffentlichten und somit der Öffentlichkeit zugänglichen – nichtvertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung enthalten sind. Dagegen ist der Antrag auf vertrauliche Behandlung von Informationen zurückzuweisen, die in der nichtvertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung enthalten sind. Diese Informationen haben nämlich ihren möglicherweise vertraulichen Charakter auf jeden Fall eingebüßt, weil sie der Öffentlichkeit zugänglich sind.

(vgl. Randnr. 25)

2.      Im Rahmen der Anwendung des Art. 82 EG dient die Definition des relevanten Marktes der Abgrenzung des Gebiets, innerhalb dessen die Frage zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen möglicherweise eine beherrschende Stellung einnimmt, sind nämlich die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind, wobei diese Möglichkeiten auch in Anbetracht der Wettbewerbsbedingungen sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots zu beurteilen sind. Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst deshalb sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden.

(vgl. Randnrn. 30-31)

3.      Der Gemeinschaftsrichter nimmt zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsregeln erfüllt sind; jedoch muss sich seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission darauf beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen.

Soweit eine Entscheidung der Kommission das Ergebnis komplexer technischer Beurteilungen ist, unterliegen diese grundsätzlich ebenfalls einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle; dies bedeutet, dass der Gemeinschaftsrichter die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf.

Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkennt, dass der Kommission in wirtschaftlichen oder technischen Fragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass er eine Kontrolle der Auslegung derartiger Daten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur unter Beachtung des Vorbringens der Beteiligten die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.

(vgl. Randnrn. 32-33)

4.      In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Arzneimittelbereich kann die Kommission für die Definition des relevanten Marktes ihre Beurteilung auf die höhere Wirksamkeit des fraglichen Arzneimittels, auf die unterschiedliche therapeutische Verwendung gegenüber anderen Arzneimitteln, auf die asymmetrische Substitution, die die Steigerung des Absatzes dieses Produkts und den entsprechenden Rückgang oder die Stagnation des Absatzes der anderen Produkte kennzeichnete, sowie auf die Preisindikatoren, wie sie sich aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen ergeben, stützen.

Was die therapeutische Verwendung angeht, sind bei der Abgrenzung des relevanten Marktes die Unterschiede in der Wirkungsweise der Arzneimittel zu berücksichtigen, wenn sie zu unterschiedlichen therapeutischen Verwendungen führen, und sie sind außer Acht zu lassen, wenn die therapeutische Verwendung der Arzneimittel ähnlich ist.

Die preisrelevanten Faktoren verlieren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, nicht ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, sind jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten. Im Arzneimittelsektor folgen die Wettbewerbsbeziehungen nämlich Mechanismen, die sich von denen unterscheiden, die die normalerweise auf den weniger stark reglementierten Märkten anzutreffenden wettbewerblichen Interaktionen bestimmen. Insoweit kann die Kommission nicht behaupten, dass grundsätzlich die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Preise über dem Erstattungsniveau zu halten, über dem die Nachfrage tendenziell elastischer sei, für sich genommen ein Beleg für das Fehlen eines erheblichen Wettbewerbsdrucks sei, ohne dabei zu prüfen, in welchem Umfang der Preis der anderen potenziell substituierbaren Produkte durch das nationale Krankenversicherungssystem erstattet wird. Der Umstand, dass sich die verschreibenden Ärzte hauptsächlich von der therapeutischen Verwendung der Produkte leiten lassen, nimmt den preisgestützten Indikatoren nicht jede Relevanz, da auch diese ein Beleg für Wettbewerbsdruck sein können, der auf die betreffenden Produkte ausgeübt wird.

Die genannten Gesichtspunkte stellen einen Gesamtbestand relevanter Daten dar, die für die Schlussfolgerung ausreichen, dass die anderen Arzneimittel in dem fraglichen Zeitraum keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das fragliche Produkt ausübten. Die Kommission begeht daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, wenn sie feststellt, dass der relevante Produktmarkt ausschließlich aus dem genannten Arzneimittel besteht.

(vgl. Randnrn. 61, 153, 182-183, 203, 219-222)

5.      In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Arzneimittelbereich ist die Kommission bei der Definition des relevanten Marktes berechtigt, die unterschiedliche therapeutische Verwendung der beiden zur Behandlung derselben Erkrankungen bestimmten Arzneimittel als Umstand anzusehen, der die Schlussfolgerung stützt, dass der relevante Markt nur eines dieser Produkte umfasst.

Der Umstand, dass zwei Arzneimittel zur Behandlung derselben Erkrankungen verschrieben werden oder Primärbehandlungen darstellen, ist nämlich von beschränkter Bedeutung, weil er die Frage offenlässt, ob angesichts der unterschiedlichen therapeutischen Verwendung der beiden Produkte – von denen das eine zur Behandlung schwerer und das andere zur Behandlung weniger schwerer Formen derselben Erkrankungen verschrieben wird – das eine Produkt auf das andere einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübt.

(vgl. Randnrn. 69, 71-73)

6.      In einem Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln muss die Kommission ihre Beurteilung auf alle relevanten Daten stützen, die in einem konkreten Fall zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet insbesondere, dass die Kommission verpflichtet ist, die von den am Verwaltungsverfahren beteiligten Unternehmen vorgetragenen Sachargumente und vorgelegten Beweise mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass sich die Kommission nur auf solche Beweise stützen kann, die sie aufgrund eigener Ermittlungen zusammengetragen hat. Die Kommission darf sich auf Beweise stützen, die die Parteien des Verwaltungsverfahrens beigebracht haben, sofern diese Beweise zuverlässig und relevant sind, wobei es ihr gegebenenfalls obliegt, sie durch andere Beweise zu ergänzen, falls sich die von den Parteien des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Informationen als unzureichend oder fehlerhaft erweisen.

(vgl. Randnrn. 78-79)

7.      In einem Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln braucht die Kommission die Gründe, aus denen sie von bestimmten in einer Studie enthaltenen Daten keinen Gebrauch macht, nur insoweit zu nennen, als die Parteien des Verwaltungsverfahrens in diesem Verfahren Sachargumente vorgebracht haben, denen speziell diese Daten zugrunde lagen, sofern sich die Daten als relevant erweisen. Von der Kommission kann jedenfalls nicht gefordert werden, dass sie die Gründe, aus denen sie bestimmte Daten einer Studie nicht verwendet oder zurückweist, systematisch aufführt, da es ausreicht, dass sie ihre Entscheidung mit Gründen versieht und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufführt, die sie zum Erlass ihrer Entscheidung veranlasst haben. Dies gilt umso mehr, als die Kommission nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen braucht, die von den einzelnen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden sind.

(vgl. Randnr. 81)

8.      Nach den Nrn. 15 bis 19 der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft beurteilt die Kommission die Substituierbarkeit der Nachfrage anhand eines theoretischen Ansatzes, aufgrund dessen eine leichte, aber bleibende Erhöhung um 5 % bis 10 % des relativen Preises für das Produkt, von dem aus der relevante Markt definiert wird, angenommen und geprüft wird, ob diese hypothetische Erhöhung dem hypothetischen Monopolisten, der das fragliche Produkt verkauft, einen Gewinn einbringen kann. Ist nach dieser wirtschaftlichen Prüfung die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, ist davon auszugehen, dass die Substitute einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das betreffende Produkt ausüben. Im speziellen Fall des Inverkehrbringens eines neuen Produkts geschieht es nicht selten, dass der Ausbau des Absatzes eines neuen Produkts, das, wenn auch nur teilweise, an die Stelle eines bestehenden Produkts tritt, gewisse Zeit benötigt und sich der Absatz daher schrittweise entwickelt.

Nach Maßgabe dieses theoretischen Rahmens, anhand dessen festgestellt werden soll, ob ein vorhandenes Produkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf ein neues Produkt ausübt, ist zu fragen, ob unter Berücksichtigung der allmählichen schrittweisen Steigerung des Absatzes des neuen Produkts eine leichte Preiserhöhung des neuen Produkts zu einer Verlagerung der Nachfrage auf das vorhandene Produkt führen würde, so dass diese Preiserhöhung in Anbetracht der Einnahmen, die ohne sie erzielt worden wären, keinen Gewinn einbringen würde. Die schrittweise Steigerung des Absatzes des neuen Produkts würde jedoch nicht zwangsläufig ausbleiben, wenn die Preissteigerung Gewinn einbrächte und damit festgestellt wäre, dass das vorhandene Produkt keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das neue Produkt ausübt.

Die Kommission darf somit davon ausgehen, dass aus der schrittweisen Steigerung des Absatzes eines neuen Produkts, das an die Stelle eines vorhandenen Produkts tritt, für sich genommen grundsätzlich nicht geschlossen werden kann, dass das vorhandene Produkt auf das neue Produkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübt.

(vgl. Randnrn. 87-90)

9.      In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung erfolgt die Definition des relevanten Marktes über die Ermittlung des erheblichen Wettbewerbsdrucks, der im fraglichen Zeitraum auf das betreffende Produkt ausgeübt wurde, und lässt daher den Wettbewerbsdruck, den dieses Produkt auf andere Produkte ausgeübt haben mag, außer Betracht. Der Begriff des relevanten Marktes unterscheidet sich von anderen, oft in anderen Zusammenhängen gebrauchten Marktbegriffen, wie z. B. dem Gebiet, in dem die Unternehmen ihre Produkte verkaufen, oder, allgemeiner, dem Industriezweig oder der Branche der Unternehmen. Daher lässt der Umstand, dass ein Produkt das hauptsächliche Wettbewerbsziel eines anderen Produkts ist, nicht den Schluss zu, dass es einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das andere Produkt ausübt.

Dass das Nichtvorhandensein oder die Unerheblichkeit dieses Wettbewerbsdrucks auf den rechtlichen Rahmen zurückgeht, der die Bedingungen und das Maß bestimmt, in dem die wettbewerblichen Interaktionen zwischen Produkten stattfinden, ändert nichts an der Relevanz, die im Rahmen einer Definition des relevanten Marktes der Feststellung zukommt, dass der Wettbewerbsdruck nicht existiert oder unerheblich ist. Steht nämlich fest, dass eine Gruppe von Produkten keinem erheblichen Wettbewerbsdruck anderer Produkte ausgesetzt ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Gruppe einen relevanten Produktmarkt bildet, so kommt der Art oder dem Wesen der Faktoren, die diese Produktgruppe vor jedem erheblichen Wettbewerbsdruck schützen, nur begrenzte Relevanz zu, weil die Feststellung, dass kein solcher Wettbewerbsdruck vorliegt, den Schluss zulässt, dass ein beherrschendes Unternehmen auf dem so definierten Markt die Verbraucherinteressen auf diesem Markt dadurch beeinträchtigen kann, dass es durch missbräuchliches Verhalten die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert.

(vgl. Randnrn. 97, 174-175)

10.    Die Stellung eines Unternehmens auf dem Markt für ein Arzneimittel lässt sich anhand einer Gesamtheit von Faktoren bestimmen, wie der Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums und anderer Rechte regulatorischer Art, der im Zusammenhang mit der Stellung des Erstanbieters stehenden Vorteile, der Relevanz des Preises als Wettbewerbsparameter, der Relevanz der Präsenz von Käufern mit Nachfragemonopol und der Systeme geregelter Preise sowie der Relevanz der Investitionen für Forschung und Entwicklung, der Werbetätigkeit und der Finanzmittel. Die Kommission darf jedoch nicht die Bedeutung des Umstands außer Acht lassen, dass das Unternehmen während des gesamten relevanten Zeitraums in allen in Rede stehenden Ländern generell sehr hohe Marktanteile hielt.

Der Umstand, dass die Innovation ein wesentlicher Wettbewerbsparameter im Arzneimittelsektor ist, stellt die Relevanz, die den – in ihrem Kontext beurteilten – hohen Marktanteilen des Unternehmens zukommt, nicht in Frage.

(vgl. Randnrn. 244-245, 254)

11.    Die die Arzneimittelmärkte kennzeichnenden Gesundheitssysteme festigen die Marktmacht der Pharmaunternehmen, weil die Arzneimittelkosten ganz oder überwiegend von den Systemen der sozialen Sicherheit getragen werden, was die Nachfrage weitgehend unelastisch macht. Dies gilt insbesondere, wenn ein Pharmaunternehmen, das als erstes ein neues, im Vergleich zu den vorhandenen Produkten einen therapeutischen Mehrwert aufweisendes Erzeugnis anbietet, eine höhere Erstattungsstufe erreichen kann als die, die später den „Nachahmerprodukten“ eingeräumt wird. Gegenüber Unternehmen, die die Stellung des Erstanbieters innehaben, werden nämlich die Erstattungen, die die Systeme der sozialen Sicherheit vornehmen, im Vergleich zu den „Nachahmerprodukten“ relativ hoch angesetzt und erlauben dem hiervon begünstigten Pharmaunternehmen, seinen Preis hoch anzusetzen, ohne befürchten zu müssen, dass sich die Patienten und Ärzte anderen Produkten zuwenden, die weniger kostspielig sind.

Es ist unerheblich, dass das Pharmaunternehmen besonders hohe Marktanteile behalten und gleichwohl erheblich höhere Preise fordern kann, weil die Systeme der sozialen Gesundheit dies ermöglichen und begünstigen; dieser Umstand berührt nämlich nicht die Feststellung, dass dieses Unternehmen höhere Gewinne als seine Wettbewerber erzielen kann, ohne dass die verschiedenen Teilnehmer des Arzneimittelmarkts, nämlich die Patienten, die verschreibenden Ärzte, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit und die Wettbewerber, imstande sind, diese privilegierte Stellung in den Zeiträumen, die die Kommission für die Bestimmung der beherrschenden Stellung heranzieht, in Frage zu stellen.

Da die Preise sowohl hinsichtlich der Erstattungsstufen als auch hinsichtlich der Höchstpreise von den Entscheidungen der öffentlichen Stellen beeinflusst werden, sind sie nicht das Ergebnis des normalen Spiels der Marktkräfte. Die Wettbewerbsfähigkeit eines in diesem Kontext festgelegten Preises kann somit nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, da der Preis außerhalb der Wettbewerbsmechanismen festgelegt wurde, die eine solche Wettbewerbsfähigkeit herstellen könnten.

(vgl. Randnrn. 262-263, 265)

12.    Die Feststellung von Marktmacht, d. h. der Fähigkeit eines Unternehmens, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern so zu verhalten, dass es insbesondere höhere Preise aufrecht erhalten und zugleich wesentlich größere Marktanteile als seine Wettbewerber behalten kann, ist nicht davon abhängig, dass das Unternehmen imstande ist, diese Marktmacht in der Weise einzusetzen, dass die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert wird. Bei den Praktiken, die auf den Ausschluss oder die Einschränkung des Wettbewerbs gerichtet sind, braucht ein Verhalten, um als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft zu werden, nämlich nicht notwendigerweise seine Ursache in der Wirtschaftskraft des Unternehmens zu haben oder durch diese ermöglicht worden zu sein, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer missbräuchlichen Ausnutzung erforderlich ist.

(vgl. Randnr. 267)

13.    Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Rechte des geistigen Eigentums für die Bestimmung einer beherrschenden Stellung ohne Belang sind. Zwar kann nicht angenommen werden, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine solche Stellung begründet, doch ist sie geeignet, unter bestimmten Umständen eine beherrschende Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhält, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern. Die Inhaberschaft und die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums kann daher ein relevantes Indiz für eine beherrschende Stellung sein.

Dem Vorbringen, dass die Berücksichtigung von Rechten des geistigen Eigentums und deren Ausübung, auch wenn diese nicht missbräuchlich ist, für die Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung geeignet sei, der Herstellung innovativer Produkte jeden Anreiz zu nehmen, kann nicht gefolgt werden. Die Innovation wird nämlich auf jeden Fall mit der Ausschließlichkeit belohnt, die die Rechte des geistigen Eigentums ihrem Urheber gewähren.

Zudem ist eine beherrschende Stellung nicht als solche verboten, sondern nur ihr Missbrauch. Insoweit kann es, falls der Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums über eine beherrschende Stellung verfügt, im Hinblick auf Innovationsanreize nicht als unzureichender Anreiz angesehen werden, dass von dem genannten Recht in nicht missbräuchlicher Weise Gebrauch gemacht werden muss.

Ein zuverlässiger Schutz im Rahmen von Rechten des geistigen Eigentums muss, um ein relevanter Faktor zu sein, nicht zwangsläufig geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt auszuschließen.

(vgl. Randnrn. 270, 273-274)

14.    Die Kommission kann ihre Beurteilung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung eines Pharmaunternehmens auf eine Reihe von Gesichtspunkten stützen, insbesondere darauf, dass seine Marktanteile weit größer als die seiner Wettbewerber sind. Angesichts der Besonderheiten der Arzneimittelmärkte, deren Merkmal die „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte ist, und der Schwierigkeiten der Pharmaunternehmen beim Markteintritt, die mit der Zahl der auf diesem Markt bereits präsenten Wettbewerber und Produkte zunehmen, darf die Kommission davon ausgehen, dass die Stellung des Erstanbieters einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstellt. Der Umstand, dass Generika die beherrschende Stellung des Pharmaunternehmens gefährden können, stellt nicht in Frage, dass ihm die Stellung des Erstanbieters deutliche Wettbewerbsvorteile verschafft.

Im Übrigen lassen die Feststellungen der finanziellen Überlegenheit eines Pharmaunternehmens und seines höheren Einsatzes an finanziellen und personellen Mitteln für Forschung und Entwicklung sowie für sein Vertriebssystem für sich allein zwar nicht den Schluss zu, dass dieses Unternehmen während des betreffenden Zeitraums auf dem fraglichen Markt eine beherrschende Stellung innehat, doch stellen sie eine Reihe schlüssiger Indizien dar, die die Annahme erlauben, dass es über größere Mittel als seine Wettbewerber verfügt, die geeignet sind, seine Marktstellung gegenüber den Wettbewerbern zu festigen.

(vgl. Randnrn. 278, 280, 285-286)

15.    Irreführende Darstellungen gegenüber öffentlichen Stellen, die geeignet sind, bei ihnen unrichtige Vorstellungen hervorzurufen und infolgedessen die Gewährung eines ausschließlichen Rechts zu ermöglichen, auf das das Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, stellen eine dem Leistungswettbewerb fremde Praxis dar, die den Wettbewerb in besonderem Maß beschränken kann. Ein solches Verhalten entspricht nicht der besonderen Verantwortung, die ein marktbeherrschendes Unternehmen dafür trägt, dass es nicht durch ein dem Leistungswettbewerb fremdes Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt

Aus dem objektiven Charakter des Missbrauchsbegriffs ergibt sich, dass die irreführende Natur der gegenüber öffentlichen Stellen abgegebenen Darstellungen aufgrund objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen ist und dass der Nachweis der Vorsätzlichkeit des Verhaltens und der Bösgläubigkeit des marktbeherrschenden Unternehmens für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung nicht erforderlich ist. Die Beurteilung der irreführenden Natur von Darstellungen, die gegenüber öffentlichen Stellen zwecks ungerechtfertigter Erlangung ausschließlicher Rechte abgegeben werden, ist anhand des konkreten Falls vorzunehmen und kann je nach den besonderen Umständen jedes Einzelfalls unterschiedlich ausfallen. Zu prüfen ist insbesondere, ob die betreffende Praxis unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie umgesetzt wurde, geeignet war, die öffentlichen Stellen zur fälschlichen Schaffung rechtlicher Hindernisse für den Wettbewerb zu veranlassen, z. B. durch widerrechtliche Erteilung ausschließlicher Rechte zugunsten des marktbeherrschenden Unternehmens. Insoweit können das beschränkte Ermessen der öffentlichen Stellen oder das Fehlen einer ihnen obliegenden Verpflichtung zur Überprüfung der Genauigkeit oder der Richtigkeit der vorgelegten Informationen relevante Gesichtspunkte darstellen, die bei der Beurteilung, ob die betreffende Praxis zur Errichtung rechtlicher Hindernisse für den Wettbewerb führen kann, zu berücksichtigen sind.

Sofern einem marktbeherrschenden Unternehmen aufgrund eines ihm unterlaufenen Fehlers in seinen Angaben gegenüber öffentlichen Stellen zu Unrecht ein ausschließliches Recht erteilt wird, verlangt die besondere Verantwortung, die das Unternehmen dafür trägt, dass es nicht mit Mitteln, die einem Leistungswettbewerb fremd sind, den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt, dass es zumindest die öffentlichen Stellen hiervon in Kenntnis setzt, damit diese die Unregelmäßigkeiten beheben können.

Der Nachweis der Vorsätzlichkeit des zur Täuschung der öffentlichen Stellen geeigneten Verhaltens ist zwar für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung nicht erforderlich, stellt aber gleichwohl einen erheblichen Gesichtspunkt dar, der gegebenenfalls von der Kommission berücksichtigt werden kann. Der Umstand, dass der Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung seinem Inhalt nach objektiv ist und keine Schädigungsabsicht voraussetzt, führt nicht zu der Annahme, dass die Absicht, sich einer dem Leistungswettbewerb fremden Praxis zu bedienen, in jedem Fall unerheblich ist, denn diese Absicht kann immer noch zur Begründung der Schlussfolgerung herangezogen werden, dass das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, auch wenn diese Schlussfolgerung in erster Linie auf der objektiven Feststellung einer tatsächlichen Verwirklichung des missbräuchlichen Verhaltens beruhen sollte.

Schließlich lässt allein der Umstand, dass sich einige öffentliche Stellen nicht täuschen ließen und die Unrichtigkeit der zur Stützung von Anträgen auf Gewährung ausschließlicher Rechte vorgelegten Informationen entdeckten oder dass Wettbewerber nach der rechtswidrigen Erteilung der ausschließlichen Rechte deren Aufhebung erreichten, nicht den Schluss zu, dass die irreführenden Darstellungen ohnehin keinen Erfolg haben konnten. Steht nämlich fest, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, kann die Missbräuchlichkeit dieses Verhaltens nicht von den Unwägbarkeiten der Reaktionen Dritter abhängen.

Die Kommission wendet Art. 82 EG somit zutreffend an, wenn sie die Auffassung vertritt, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegt, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen den Patentämtern objektiv irreführende Darstellungen vorlegt, die geeignet sind, sie zu veranlassen, dem Unternehmen ausschließliche Rechte zu gewähren, auf die es keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, und damit den Wettbewerb zu beschränken oder zu beseitigen.

(vgl. Randnrn. 355-361)

16.    Wird ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses ausschließlichen Rechts verpflichtet sind. Dem Vorbringen, wonach das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung voraussetze, dass von dem aufgrund irreführender Darstellungen erlangten ausschließlichen Recht Gebrauch gemacht worden sei, kann daher nicht gefolgt werden.

Im Übrigen kann der unrechtmäßige Erwerb eines ausschließlichen Rechts nicht nur dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn er zu einem vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs führen würde. Der Umstand, dass das in Frage stehende Verhalten den Erwerb eines Rechts des geistigen Eigentums betrifft, rechtfertigt eine solche Voraussetzung nicht.

Ferner sind, sobald ein Verhalten in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln fällt, diese unabhängig davon anwendbar, ob das Verhalten auch Gegenstand anderer Regeln – seien sie innerstaatlichen Ursprungs oder nicht – sein kann, mit denen andere Ziele verfolgt werden. Auch ist das Bestehen spezifischer Rechtsbehelfe im Patentwesen nicht geeignet, die Anwendungsvoraussetzungen der im Wettbewerbsrecht vorgesehenen Verbote zu ändern und insbesondere den Nachweis der durch dieses Verhalten herbeigeführten wettbewerbswidrigen Wirkungen zu verlangen.

(vgl. Randnrn. 362, 364, 366)

17.    Den Patentanwälten erteilte Weisungen, ergänzende Schutzzertifikate anzumelden, können nicht als gleichwertig mit den Anmeldungen von ergänzenden Schutzzertifikaten bei den Patentämtern selbst angesehen werden. Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn die Kommission annimmt, dass ein von einem beherrschenden Unternehmen auf dem Markt für ein Arzneimittel begangener Missbrauch der beherrschenden Stellung damit beginnt, dass den Patentanwälten Weisungen für die Anmeldung von ergänzenden Schutzzertifikaten bei den Patentämtern erteilt werden. Der erhoffte Erfolg der als irreführend eingestuften Darstellungen – die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate – kann nämlich erst eintreten, nachdem die Patentämter mit deren Anmeldungen befasst sind, nicht aber, wenn die Patentanwälte, die im vorliegenden Fall nur eine Vermittlerrolle spielen, die Weisungen bezüglich dieser Anmeldungen erhalten.

(vgl. Randnrn. 370, 372)

18.    Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung liegt nicht nur dann vor, wenn ein Verhalten den Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigt. Bei einem Sachverhalt, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Praktiken, sollten sie vorliegen, in irgendeinem Umfang Teil eines auf der Leistungsfähigkeit des Unternehmens beruhenden normalen Produktwettbewerbs sind, genügt der Nachweis, dass die Praktiken angesichts des wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhangs, in dem sie stehen, geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. Die Eignung der betreffenden Praxis, den Wettbewerb zu beschränken, kann somit mittelbar sein, sofern rechtlich hinreichend belegt ist, dass sie wirklich geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.

Im Übrigen erfordert ein auf Ausschluss der Wettbewerber gerichtetes Verhalten, wenn es erfolgreich sein soll, häufig die Mitwirkung Dritter, seien es öffentliche Stellen oder Marktteilnehmer, denn ein solches Verhalten ist in der Praxis selten geeignet, sich unmittelbar auf die Wettbewerbsstellung der Konkurrenten auszuwirken. Der Erfolg einer Praxis zum Ausschluss des Wettbewerbs, die darin besteht, durch rechtswidrigen Erwerb ausschließlicher Rechte rechtliche Zutrittsschranken zu errichten, hängt daher zwangsläufig von der Reaktion der öffentlichen Stellen oder sogar der innerstaatlichen Gerichte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten ab, die Wettbewerber unter Umständen mit dem Ziel der Aufhebung dieser Rechte einleiten. Demgemäß liegt bei Darstellungen, durch die der rechtswidrige Erwerb ausschließlicher Rechte herbeigeführt werden soll, nur dann ein Missbrauch vor, wenn nachgewiesen ist, dass sie angesichts des objektiven Kontextes, in dem sie abgegeben wurden, tatsächlich geeignet sind, die öffentlichen Stellen zur Gewährung des beantragten ausschließlichen Rechts zu veranlassen.

Schließlich nimmt der Umstand, dass sich die Auswirkungen des missbräuchlichen Verhaltens auf den Wettbewerb erst mehrere Jahre später bemerkbar machen, dem in Rede stehenden Verhalten – dessen Vorliegen unterstellt – nicht seinen missbräuchlichen Charakter.

(vgl. Randnrn. 376-377, 380)

19.    Der Umstand, dass ein Unternehmen zu dem Zeitpunkt, in dem sein missbräuchliches Verhalten Wirkungen erzeugt, über keine marktbeherrschende Stellung mehr verfügt, ändert nichts an der rechtlichen Qualifizierung seiner Handlungen, da diese zu einer Zeit vorgenommen wurden, in der das Unternehmen eine beherrschende Stellung einnahm und daher eine besondere Verantwortung dafür trug, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.

(vgl. Randnr. 379)

20.    Die Kommission trägt die Beweislast für das Vorliegen von Umständen, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 82 EG ergibt. Die Kommission hat daher die Beweise beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen belegen.

Dem Richter verbleibende Zweifel müssen insoweit dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugutekommen. Der Richter darf also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße verhängt wird, nicht zu dem Schluss gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn er in dieser Frage noch Zweifel hat.

In diesem Fall ist nämlich der insbesondere in Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, der zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch Art. 6 Abs. 2 EU bestätigt worden ist, allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellen. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können.

Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Dabei muss sie diese Beweise nicht notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung beibringen. Es genügt, wenn ein von ihr angeführtes Bündel von Indizien, dessen einzelne Teile sich gegenseitig bestätigen können, im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht

(vgl. Randnrn. 474-477, 839)

21.    Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen in den Darstellungen, die gegenüber den Patentämtern im Hinblick auf Anmeldungen von ergänzenden Schutzzertifikaten abgegeben werden, die Daten der Erteilung der technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen in mehreren Mitgliedstaaten durch die Daten der Veröffentlichung des Arzneimittelpreises in diesen Ländern ersetzt, kann ihm vernünftigerweise nicht entgehen, dass diese Darstellungen mangels aktiver Offenlegung der von ihm beabsichtigten Auslegung der insoweit geltenden Vorschriften, die der Wahl der mitgeteilten Daten zugrunde liegt, geeignet sind, die Patentämter zu täuschen. Ohne dass die Kommission Bösgläubigkeit oder eine Täuschungsabsicht dieses Unternehmens nachzuweisen braucht, genügt daher die Feststellung, dass ein solches durch einen offensichtlichen Mangel an Transparenz gekennzeichnetes Verhalten der besonderen Verantwortung zuwiderläuft, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung dafür trägt, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.

(vgl. Randnrn. 491, 493)

22.    Ein Pharmaunternehmen, das mehrere Jahre lang ein konstantes und geradliniges Verhalten zeigt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es gegenüber den Patentämtern mehrerer Mitgliedstaaten irreführende Darstellungen abgibt, um die Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu erreichen, auf die es keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, missbraucht seine beherrschende Stellung. Bei solchen irreführenden Darstellungen handelt es sich um eine Praxis, die ausschließlich auf Mitteln beruht, die dem Leistungswettbewerb fremd sind. Ein derartiges Verhalten dient nur dazu, die Generikahersteller in unzulässiger Weise durch Erlangung ergänzender Schutzzertifikate unter Verstoß gegen die Rechtsvorschriften, mit denen sie geschaffen wurden, vom Markt fernzuhalten.

(vgl. Randnrn. 598, 608-609)

23.    Für die Behandlung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im abgekürzten Verfahren gemäß Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 über Arzneispezialitäten muss die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels in dem betreffenden Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags noch gültig sein. Das abgekürzte Verfahren ist nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht mehr verfügbar.

Die Daten bezüglich der Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche, die ein Unternehmen zwecks Erlangung der ursprünglichen Genehmigung für das Inverkehrbringen durchführt, sind die Frucht einer Investition, die das Unternehmen vornimmt, um ein Arzneimittel in Verkehr bringen zu können. Eine solche Investition ist charakteristisch für Praktiken, die zum Leistungswettbewerb gehören und für die Verbraucher nutzbringend sein sollen.

Das Interesse am Schutz der Investitionen wurde in der Richtlinie 65/65 anerkannt, indem sie für die Verwendung der Daten einen Ausschließlichkeitszeitraum zugunsten ihres Eigentümers vorsieht. Nach Ablauf dieses Ausschließlichkeitszeitraums räumt Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 jedoch dem Eigentümer eines Originalarzneimittels kein ausschließliches Recht auf Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche mehr ein und gestattet es den Herstellern von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln, die vorliegenden Daten zu nutzen, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen in einem abgekürzten Verfahren zu erhalten.

Somit findet nach Ablauf des Ausschließlichkeitszeitraums das Verhalten, mit dem die Generikahersteller daran gehindert werden sollen, von ihrem Recht auf Nutzung der für das Inverkehrbringen des Originalprodukts vorgelegten Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche Gebrauch zu machen, in dem legitimen Schutz einer zum Leistungswettbewerb gehörenden Investition keine Stütze, da das Unternehmen aufgrund der Richtlinie 65/65 nicht mehr über das ausschließliche Recht zur Verwertung der Ergebnisse dieser pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche verfügt.

Der von einem Unternehmen betriebene Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ist nur geeignet, die Antragsteller von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln daran zu hindern, von dem abgekürzten Verfahren Gebrauch zu machen, und damit den Markteintritt von Generika zu behindern oder zu verzögern. Je nach der Haltung, die die innerstaatlichen Behörden angesichts eines Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Produkts aus anderen Gründen als dem Gesundheitsschutz einnehmen, kann ein solcher Widerruf auch geeignet sein, Paralleleinfuhren zu verhindern.

Dass ein Unternehmen berechtigt ist, den Widerruf seiner Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die es herstellt, zu beantragen, ist nicht geeignet, dieses Verhalten dem Verbot des Art. 82 EG zu entziehen.

Das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens, dessen alleiniges Ziel bei objektiver Beurteilung darin besteht, den Rückgriff auf das in Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 vorgesehene abgekürzte Verfahren auszuschließen und so die Generikahersteller so lang wie möglich vom Markt fernzuhalten und ihre Kosten für die Überwindung der Marktzutrittshindernisse zu steigern, verliert seinen missbräuchlichen Charakter nicht dadurch, dass der rechtliche Rahmen einen alternativen Weg für die Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bereithält.

Dass die Verzögerung, die die Wettbewerber hinnehmen müssen, um Zugang zum Markt zu erlangen, nicht genau ermittelt werden kann, hat keine Bedeutung für die Erwägung, wonach das in Rede stehende Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, da feststeht, dass infolge des Widerrufs der Rückgriff auf das abgekürzte Verfahren ausgeschlossen ist.

(vgl. Randnrn. 669-670, 674-677, 812, 829, 831)

24.    Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung nimmt einem Unternehmen in dieser Stellung zwar nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, doch darf es die regulatorischen Verfahren nicht in einer Weise in Anspruch nehmen, durch die der Marktzutritt für Wettbewerber vereitelt oder erschwert wird, wenn es weder Gründe gibt, die mit der Verteidigung der berechtigten Interessen eines im Leistungswettbewerb stehenden Unternehmens zusammenhängen, noch objektive Rechtfertigungen bestehen.

Bei einem Verhalten, das in einem durch den Leistungswettbewerb nicht gedeckten Rückgriff auf regulatorische Verfahren besteht, reicht der Nachweis, dass das Verhalten unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, für seine Einstufung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung aus.

(vgl. Randnr. 672, 817, 824, 845)

25.    Die Rechtswidrigkeit eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne von Art. 82 EG hat nichts mit der Frage zu tun, ob das Verhalten mit anderen Rechtsvorschriften im Einklang steht. Der Missbrauch einer beherrschenden Stellung liegt meist in einem Verhalten, das ansonsten, in anderen Rechtsgebieten als dem Wettbewerbsrecht, rechtmäßig ist.

(vgl. Randnr. 677)

26.    Die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ betrifft im Wesentlichen die Umstände, unter denen die Lieferverweigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, insbesondere durch Ausübung eines Eigentumsrechts, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann. Diese Rechtsprechung bezieht sich daher vor allem auf Fälle, in denen die freie Ausübung eines ausschließlichen Rechts, mit dem die Vornahme einer Investition oder eine Innovation belohnt wird, im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt begrenzt werden kann.

Die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ lässt sich nicht auf den Fall eines marktbeherrschenden Pharmaunternehmens übertragen, das seine Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die es herstellt, widerruft, so dass das abgekürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 über Arzneispezialitäten nicht mehr anwendbar ist, und das damit die ausschließliche Verwertung der aus den pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuchen hervorgegangenen Informationen beschränkt. Ein solches Verhalten besteht nämlich nicht in einer Weigerung, Zugang zu den zu den Akten genommenen Ergebnissen der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche zu gewähren, da das Unternehmen aufgrund seines geltend gemachten Eigentumsrechts ohnehin nicht verhindern kann, dass sich die innerstaatlichen Behörden im Rahmen des abgekürzten Verfahrens auf die fraglichen Daten stützen. Der Umstand, dass das abgekürzte Verfahren nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht mehr zur Verfügung steht, soll dem Hersteller des Referenzarzneimittels nicht die Ausschließlichkeit der von ihm gelieferten Daten sichern, sondern den Gesundheitsschutz gewährleisten, der ein wesentliches Ziel der Richtlinie 65/65 darstellt.

(vgl. Randnrn. 679, 682-683)

27.    Die Kommission hat zwar eine mögliche objektive Rechtfertigung für ein Verhalten, das einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, zu berücksichtigen, doch obliegt es dem betreffenden Unternehmen, im Verwaltungsverfahren diesen objektiven Rechtfertigungsgrund anzuführen und ihn mit geeigneten Sachargumenten und Beweisen zu untermauern. Dies gilt insbesondere dann, wenn allein das betreffende Unternehmen Kenntnis von dieser objektiven Rechtfertigung hat oder natürlicherweise besser als die Kommission in der Lage ist, ihr Vorliegen darzulegen und nachzuweisen.

Da die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung anhand der Informationen zu beurteilen ist, über die das Organ bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte, kann sich niemand vor dem Gemeinschaftsrichter auf Tatsachen berufen, die im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen wurden.

(vgl. Randnrn. 686-687)

28.    Entwickelt ein Unternehmen eine Strategie, die seinen Absatzeinbruch minimieren und es in die Lage versetzen soll, dem Wettbewerb durch Generika zu begegnen, ist dies, selbst wenn das Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, legitim und Teil des normalen Wettbewerbs, sofern das ins Auge gefasste Verhalten nicht von den Praktiken abweicht, die zum Leistungswettbewerb gehören, von dem die Verbraucher potenziell profitieren.

Das Fehlen einer Verpflichtung eines marktbeherrschenden Unternehmens, die Interessen konkurrierender Unternehmen zu schützen, führt jedoch nicht dazu, dass Verhaltensweisen, die nur dazu dienen, die Wettbewerber auszuschließen, mit Art. 82 EG vereinbar sind. Die bloße Absicht eines marktbeherrschenden Unternehmens, die eigenen Geschäftsinteressen zu wahren und sich vor dem Wettbewerb durch Generika und Paralleleinfuhren zu schützen, rechtfertigt nämlich nicht den Rückgriff auf dem Leistungswettbewerb fremde Verhaltensweisen.

(vgl. Randnrn. 804, 816)

29.    Nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft stellen verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen.

Die Einstufung eines bestimmten Verhaltens als Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG setzt nicht voraus, dass das Verhalten die Folge einer von den Leitungsorganen des Konzerns entwickelten Strategie ist.

Auch das Verhalten einer der Gesellschaften, die zu der vom Konzern gebildeten wirtschaftlichen Einheit gehören, kann gegen Art. 82 EG verstoßen.

Zudem braucht, wenn eine Tochtergesellschaft vollständig im Eigentum der Muttergesellschaft steht, nicht geprüft zu werden, ob diese die Politik ihrer Tochtergesellschaft entscheidend beeinflussen konnte, denn Letztere verfolgt zwangsläufig eine Politik, die von denselben satzungsmäßigen Organen vorgegeben wird, die auch die Politik der Muttergesellschaft festlegen.

(vgl. Randnrn. 818-820)

30.    Ersucht ein Kläger im Rahmen seines Vorbringens in der Klageschrift und der Erwiderung das Gericht auch, die von der Kommission gegen ihn wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbußen herabzusetzen, ohne jedoch einen förmlichen Antrag auf Herabsetzung der Geldbußen zu stellen, so ist es dem Gericht aufgrund dieses Versäumnisses nicht verwehrt, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Geldbußen auszuüben. Das Gericht ist nämlich auch dann, wenn kein förmlicher Antrag gestellt wird, zur Herabsetzung einer unangemessen hohen Geldbuße befugt; dies wäre nicht ultra petita, sondern liefe darauf hinaus, der Klage teilweise stattzugeben.

(vgl. Randnr. 884)

31.    Der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bezieht sich auf eine Reihe von Handlungen, die sich wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen Gesamtplan einfügen. Sollen verschiedene Handlungen als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden, ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern eine Komplementaritätsverbindung besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung der im Rahmen dieses Gesamtplans verfolgten Ziele beiträgt. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und, damit korrelierend, das Ziel der verschiedenen in Rede stehenden Handlungen.

Ein dauerhaft konstantes Verhalten eines Pharmaunternehmens, dem eine von dessen Führungsorganen ausgearbeitete Strategie zugrunde liegt und das dadurch gekennzeichnet ist, dass es gegenüber den Patentämtern mehrerer Länder irreführende Darstellungen abgibt, um die Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu erreichen, auf die es keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, stellt eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung dar.

(vgl. Randnrn. 892-893)

32.    Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung, der in irreführenden Darstellungen besteht, die vorsätzlich abgegeben werden, um ausschließliche Rechte zu erlangen, auf die ein Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, und der darauf abzielt, die Wettbewerber vom Markt fernzuhalten, stellt offensichtlich eine schwerwiegende Zuwiderhandlung dar. Dass es sich dabei um eine neue Form des Missbrauchs handelt, kann diese Erwägung angesichts der offenkundigen Unvereinbarkeit solcher Praktiken mit dem Leistungswettbewerb nicht in Frage stellen. Im Übrigen befreit die Tatsache, dass ein Verhalten mit diesen Merkmalen in früheren Entscheidungen der Kommission noch nicht geprüft worden ist, das Unternehmen nicht von seiner Verantwortung.

Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung, der darin besteht, dass ein Pharmaunternehmen seine Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die es herstellt, widerruft, und der darauf abzielt, Hindernisse für den Marktzugang von Generika in mehreren Ländern und für Paralleleinfuhren in anderen Ländern zu schaffen und damit den Gemeinsamen Markt aufzuspalten, stellt ebenfalls eine schwerwiegende Zuwiderhandlung dar.

(vgl. Randnr. 901)

33.    Bei der Bemessung der Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft können Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen.

(vgl. Randnrn. 902, 911)