Language of document : ECLI:EU:C:2001:680

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS G. JACOBS

vom 13. Dezember 2001(1)

Rechtssache C-29/99

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Rat der Europäischen Union

Inhaltsverzeichnis

     I -    Einführung

I - 2

     II -    Das Übereinkommen über nukleare Sicherheit

I - 3

     III -    Die Beteiligung der Gemeinschaft an dem Übereinkommen

I - 5

         1.    Vorschriften über internationale Übereinkommen im EAG-Vertrag

I - 5

         2.    Verhandlung über die Teilnahme der Gemeinschaft an dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit und die Bestimmungen über diese Teilnahme

I - 6

         3.    Der Vorschlag der Kommission für den angefochtenen Beschluss des Rates

I - 7

         4.    Der angefochtene Beschluss des Rates

I - 8

         5.    Die Entwicklung nach Einreichung der Klage

I - 9

     IV -    „Der Gesundheitsschutz“ im EAG-Vertrag

I - 9

         1.    Der Erlass von „Grundnormen“

I - 10

         2.    Einhaltung, Überwachung und die Befugnisse der Kommission

I - 11

         3.    Vorschriften über besonders gefährliche Versuche und Pläne zur Ableitung radioaktiver Stoffe

I - 12

     V -    Zulässigkeit

I - 12

         1.    Überprüfbare Handlung

I - 13

         2.    Auswirkungen des späteren Beitritts der Gemeinschaft zum Übereinkommen

I - 15

         3.    Der erste Einwand des Rates: das Rechtsmittel sei gegenstandslos

I - 17

         4.    Der zweite Einwand des Rates: die Klage auf teilweise Nichtigerklärung richte sich gegen einen Teil des Beschlusses, der nicht von dem Beschluss als Ganzem abgetrennt werden könne

I - 18

         5.    Der dritte Einwand des Rates: die Klage stelle einen Missbrauch des Nichtigkeitsverfahrens dar, da mit ihr in Wirklichkeit ein Gutachten des Gerichtshofes über die Zuständigkeit der Gemeinschaft eingeholt werden solle

I - 19

     VI -    Zur Begründetheit

I - 20

         1.    Die angefochtene Erklärung im Licht der im Übereinkommen aufgestellten Erfordernisse

I - 21

         2.    Auslegung des streitigen dritten Absatzes der Erklärung

I - 24

         3.    Kann eine unvollständige Erklärung über die Zuständigkeit eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Artikels 146 Absatz 2 des Vertrages darstellen?

I - 26

         4.    Die wesentlichen Argumente der Parteien hinsichtlich der Vollständigkeit der Erklärung

I - 28

         5.    Allgemeine Überlegungen zur Zuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß den Artikeln 30 bis 39 des Vertrages

I - 29

             a)    Strahlenschutz und nukleare Sicherheit

I - 29

             b)    Der „Gesundheitsschutz“ im EAG-Vertrag

I - 32

         6.    Der Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft in den von dem Übereinkommen erfassten Bereichen

I - 39

             a)    Die Artikel 1 bis 3 des Übereinkommens

I - 40

             b)    Die Artikel 4 und 5 des Übereinkommens

I - 41

             c)    Artikel 7 des Übereinkommens

I - 41

             d)    Artikel 14 des Übereinkommens

I - 44

             e)    Die Artikel 15 und 16 Absatz 2 des Übereinkommens

I - 45

             f)    Artikel 16 Absätze 1 und 3 des Übereinkommens

I - 46

             g)    Die Artikel 17, 18 und 19 des Übereinkommens

I - 47

     VII -    Ergebnis

I - 53

I -    Einführung

1.
    Mit der vorliegenden Klage gemäß Artikel 146 EAG-Vertrag begehrt die Kommission die Teilnichtigerklärung des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 über den Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit(2). Die Kommission ist der Ansicht, der letzte Absatz der diesem Beschluss als Anhang beigefügten Erklärung der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens über nukleare Sicherheit, in der der Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft bestimmt wird, verletze den EAG-Vertrag, da in ihm nicht festgestellt werde, dass die Gemeinschaft auch Zuständigkeiten im Bereich der Artikel 1 bis 5, 7 und 14 bis 19 des Übereinkommens habe.

2.
    Das Übereinkommen über nukleare Sicherheit ist ein gemischtes Übereinkommen, zu dessen Vertragsparteien sowohl die fünfzehn Mitgliedstaaten als auch die Gemeinschaft gehören. Während des internen Verfahrens, das im Beitritt der Gemeinschaft zu dem Übereinkommen mündete, gab es Unstimmigkeiten zwischen Kommission und Rat über die Erklärung zur Zuständigkeit, die die Gemeinschaft bei dem Verwahrer hinterlegen musste. Diesen Unstimmigkeiten liegt ein tief greifender Dissens über den Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Sicherheit der Nuklearanlagen der Mitgliedstaaten zugrunde. Das vorliegende Verfahren - in dem die Parteien zum Teil höchst technische und komplexe Argumente zur Zulässigkeit und Begründetheit austauschten - ist der vorläufige Höhepunkt einer lang andauernden Auseinandersetzung.

3.
    Wie aus meinen Ausführungen ersichtlich werden wird, bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall Folgendes prüfen muss:

-    das Verfahren zum Abschluss internationaler Übereinkommen nach dem EAG-Vertrag sowie die jeweiligen Befugnisse von Rat und Kommission in diesem Verfahren;

-    die Rechtsnatur, Auslegung und Überprüfbarkeit einer Erklärung über die Zuständigkeit, die eine der Gemeinschaften im Rahmen eines multilateralen gemischten Übereinkommens abzugeben hat;

-    die sich für die Gemeinschaft aus den Vorschriften des EAG-Vertrags über den Gesundheitsschutz ergebenden Zuständigkeiten in Bezug auf Kernanlagen und insbesondere Sicherheitsbeurteilung, Prüfung, Sicherheitsvorkehrungen, Sicherheitsvorschriften und Standort, Auslegung, Bau und Betrieb solcher Anlagen.

II -    Das Übereinkommen über nukleare Sicherheit

4.
    Das Übereinkommen über nukleare Sicherheit (im Folgenden: Übereinkommen)(3) wurde zwischen 1992 und 1994 unter der Schirmherrschaft der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) während einer Reihe von Treffen von sachkundigen Regierungsvertretern, nationalen Behörden für nukleare Sicherheit und dem IAEO-Sekretariat ausgearbeitet. Es wurde am 17. Juni 1994 auf einer diplomatischen Konferenz, die die IAEO einberufen hatte, an ihrem Hauptsitz in Wien verabschiedet und am 20. September 1994 zur Unterschrift aufgelegt. Alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft haben das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert. Es trat am 24. Oktober 1996 in Kraft. Am 31. Januar 2000 hatten 53 Staaten und internationale Organisationen das Übereinkommen ratifiziert.

5.
    Die beiden grundlegenden Bestandteile des Übereinkommens sind:

-    eine Liste von Gesetzes-, Verordnungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie sonstiger Schritte, die die Vertragsparteien treffen müssen, um einen hohen Stand nuklearer Sicherheit zu erreichen und beizubehalten (Artikel 4 und 6 bis 19);

-    ein Mechanismus gegenseitiger Kontrolle, der zum einen für jede Vertragspartei die Pflicht beinhaltet, einen Bericht über die von ihr zur Erfüllung jeder einzelnen Verpflichtung getroffenen Maßnahmen vorzulegen (Artikel 5), und zum anderen Tagungen der Vertragsparteien zur Überprüfung der von anderen Vertragsparteien vorgelegten Berichte vorsieht (Artikel 20 bis 28).

6.
    Kapitel 1 des Übereinkommens trägt die Überschrift „Ziele, Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich“ und enthält drei Vorschriften.

7.
    Nach Artikel 1 sind Ziele des Übereinkommens:

i)    Erreichung und Beibehaltung eines weltweit hohen Standes nuklearer Sicherheit durch Verbesserung innerstaatlicher Maßnahmen und internationaler Zusammenarbeit, gegebenenfalls einschließlich sicherheitsbezogener technischer Zusammenarbeit;

ii)    Schaffung und Beibehaltung wirksamer Abwehrvorkehrungen in Kernanlagen gegen mögliche radiologische Gefahren, um den Einzelnen, die Gesellschaft und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen der von solchen Anlagen ausgehenden ionisierenden Strahlung zu schützen;

iii)    Verhütung von Unfällen mit radiologischen Folgen und Milderung solcher Folgen, falls sie eintreten.

8.
    Artikel 2 Ziffer i bestimmt den Begriff „Kernanlage“ als „jedes ortsgebundene zivile Kernkraftwerk ... einschließlich solcher Lagerungs-, Handhabungs- und Bearbeitungseinrichtungen für radioaktives Material, die sich auf demselben Gelände befinden und mit dem Betrieb des Kernkraftwerks unmittelbar zusammenhängen“.

9.
    Gemäß Artikel 3 findet das Übereinkommen auf die „Sicherheit von Kernanlagen“ Anwendung.

10.
    Kapitel 2 („Verpflichtungen“) ist in vier Abschnitte unterteilt.

11.
    Abschnitt a „Allgemeine Bestimmungen“ (Artikel 4 bis 6) enthält zwei wesentliche Bestimmungen. Artikel 4 („Durchführungsmaßnahmen“) bestimmt, dass jede Vertragspartei im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts die Gesetzes-, Verordnungs- und Verwaltungsmaßnahmen trifft und sonstige Schritte unternimmt, die zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen erforderlich sind. Artikel 5 („Berichterstattung“) verpflichtet die Vertragsparteien, vor jeder Überprüfungstagung einen Bericht über die von ihr getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung jeder einzelnen Verpflichtung aus dem Übereinkommen vorzulegen.

12.
    In Abschnitt b „Gesetzgebung und Vollzug“ (Artikel 7 bis 9) ist nur Artikel 7 („Rahmen für Gesetzgebung und Vollzug“) umstritten. Artikel 7 Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien, einen Rahmen für Gesetzgebung und Vollzug zur Regelung der Sicherheit der Kernanlagen zu schaffen und diesen aufrechtzuerhalten. Nach Artikel 7 Absatz 2 muss der Rahmen u. a. die Schaffung innerstaatlicher Sicherheitsvorschriften und -regelungen, ein Genehmigungssystem, ein System für behördliche Prüfung und Beurteilung sowie die Durchsetzung der einschlägigen Vorschriften und Genehmigungsbestimmungen vorsehen.

13.
    Abschnitt c „Allgemeine Sicherheitsüberlegungen“ (Artikel 10 bis 16) enthält drei einschlägige Bestimmungen.

14.
    Gemäß Artikel 14 („Bewertung und Nachprüfung der Sicherheit“) muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass Sicherheitsbewertungen und Nachprüfungen durchgeführt werden.

15.
    Nach Artikel 15 („Strahlenschutz“) muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass die von einer Kernanlage ausgehende Strahlenbelastung für die Beschäftigten und die Öffentlichkeit in sämtlichen Betriebsphasen so gering wie vernünftigerweise erzielbar gehalten wird und dass niemand einer Strahlendosis ausgesetzt wird, welche die innerstaatlich vorgeschriebenen Grenzwerte überschreitet.

16.
    Gemäß Artikel 16 („Notfallvorsorge“) muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass erprobte Notfallpläne zur Verfügung stehen, dass Informationen für die Notfallplanung und -bekämpfung erteilt werden und dass Vertragsparteien, die in ihrem Gebiet keine Kernanlage haben, jedoch von einem radiologischen Notfall betroffen sein könnten, Notfallpläne vorbereiten und erproben.

17.
    Von Bedeutung sind schließlich alle drei Vorschriften des Abschnitts d „Anlagensicherheit“ (Artikel 17 bis 19).

18.
    Gemäß Artikel 17 („Standortwahl“) muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass geeignete Verfahren geschaffen werden, um die Bewertung aller standortbezogenen einschlägigen Faktoren einer vorgesehenen Kernanlage zu ermöglichen, um die Bewertung der mutmaßlichen Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit zu ermöglichen, um die Neubewertung aller einschlägigen Faktoren zur Gewährleistung der Sicherheitsakzeptanz zu ermöglichen und um Konsultationen mit Vertragsparteien in der Nachbarschaft einer vorgesehenen Kernanlage aufnehmen zu können.

19.
    Gemäß Artikel 18 („Auslegung und Bau“) muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass die Auslegung und der Bau einer Kernanlage mehrere zuverlässige Ebenen und Methoden zum Schutz (in die Tiefe gestaffelte Abwehr) gegen die Freisetzung radioaktiven Materials vorsehen, dass sich die eingesetzten Techniken durch Erfahrung bzw. durch Erprobung oder Analyse bewährt haben und dass die Auslegung den zuverlässigen, beständigen und leicht zu handhabenden Betrieb ermöglicht.

20.
    Gemäß Artikel 19 („Betrieb“) muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass die Erlaubnis für den Betriebsbeginn einer Kernanlage auf einer geeigneten Sicherheitsanalyse und einem Programm zur Inbetriebnahme beruht, dass die betrieblichen Grenzwerte und Bedingungen festgelegt und bei Bedarf überarbeitet werden, dass Betrieb, Wartung, Inspektion und Erprobung einer Kernanlage in Übereinstimmung mit genehmigten Verfahren erfolgen, dass Verfahren festgelegt sind, um auf mögliche Betriebsstörungen und Unfälle zu reagieren, dass die notwendige ingenieurtechnische und technische Unterstützung in allen sicherheitsbezogenen Bereichen zur Verfügung steht, dass für die Sicherheit bedeutsame Ereignisse gemeldet werden, dass Programme zur Sammlung und Analyse von Betriebserfahrungen aufgestellt werden und dass die Erzeugung radioaktiven Abfalls auf das mögliche Mindestmaß beschränkt wird.

III -    Die Beteiligung der Gemeinschaft an dem Übereinkommen

1.    Vorschriften über internationale Übereinkommen im EAG-Vertrag

21.
    Gemäß Artikel 101 des Vertrages kann „die Gemeinschaft ... im Rahmen ihrer Zuständigkeit Verpflichtungen durch Abkommen und Vereinbarungen mit einem dritten Staat, einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder einem Angehörigen eines dritten Staates eingehen“.

22.
    Gemäß Artikel 101 Absatz 2 des Vertrages werden solche Abkommen und Vereinbarungen (siehe zu den Ausnahmen Absatz 3)

-    von der Kommission nach den Richtlinien des Rates ausgehandelt und

-    von der Kommission mit Zustimmung des Rates abgeschlossen; dieser beschließt mit qualifizierter Mehrheit.

23.
    Nach Artikel 102 des Vertrages können Abkommen und Vereinbarungen, an denen außer der Gemeinschaft ein oder mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind, erst in Kraft treten, wenn alle beteiligten Mitgliedstaaten der Kommission mitgeteilt haben, dass sie nach den Vorschriften ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung anwendbar geworden sind.

2.    Verhandlung über die Teilnahme der Gemeinschaft an dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit und die Bestimmungen über diese Teilnahme

24.
    Am 28. September 1993 legte die Kommission dem Rat einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Erlass von Richtlinien für Verhandlungen der Kommission über ein internationales Übereinkommen über nukleare Sicherheit vor. In ihrem Vorschlag ersuchte die Kommission den Rat um seine Zustimmung, das Übereinkommen für die Gemeinschaft auszuhandeln.

25.
    Der Rat erteilte diese Zustimmung nicht. Stattdessen sollte der Vorsitz bei den Verhandlungen darauf hinwirken, dass in den Entwurf des Übereinkommens eine Vorschrift aufgenommen wird, die es regionalen Organisationen mit Integrations- oder anderem Charakter erlaubt, Unterzeichner oder Mitglied zu werden. Dementsprechend erhält Artikel 30 Absatz 4 des Übereinkommens Bestimmungen, die seine Unterzeichnung durch regionale Organisationen oder deren Beitritt gestatten.

26.
    Artikel 30 Absatz 4 des Übereinkommens sieht Folgendes vor:

„i)    Dieses Übereinkommen steht für regionale Organisationen mit Integrations- oder anderem Charakter zur Unterzeichnung oder zum Beitritt offen, sofern diese von souveränen Staaten gebildet sind und für das Aushandeln, den Abschluss und die Anwendung internationaler Übereinkünfte betreffend die durch das Übereinkommen erfassten Angelegenheiten zuständig sind.

ii)    Bei Angelegenheiten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, handeln diese Organisationen bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten, die dieses Übereinkommen den Vertragsstaaten zuweist, im eigenen Namen.

iii)    Wird eine solche Organisation Vertragspartei dieses Übereinkommens, so übermittelt sie dem in Artikel 34 bezeichneten Verwahrer eine Erklärung, in der sie angibt, welche Staaten Mitglieder der Organisation sind, welche Artikel des Übereinkommens auf sie anwendbar sind und welches der Umfang ihrer Zuständigkeit in dem von diesen Artikeln geregelten Bereich darstellt.

iv)    Eine solche Organisation besitzt keine zusätzliche Stimme neben den Stimmen ihrer Mitgliedstaaten.“

3.    Der Vorschlag der Kommission für den angefochtenen Beschluss des Rates

27.
    Am 8. September 1994 legte die Kommission ein Dokument „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Genehmigung zum Abschluss des Übereinkommens über die nukleare Sicherheit durch die Europäische Atomgemeinschaft“ vor(4). Das Dokument enthält im Wesentlichen

-    den Entwurf für einen Beschluss des Rates, mit dem der Abschluss der Übereinkommens durch die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 101 Absatz 2 des Vertrages genehmigt wird, und

-    den Text für eine Erklärung der Gemeinschaft gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens.

28.
    Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

„Folgende Staaten sind derzeit Mitglieder der Europäischen Atomgemeinschaft: Belgien, Dänemark ...

Die Gemeinschaft erklärt, dass die folgenden Artikel des Übereinkommens für sie gelten: Artikel 1 bis 5, Artikel 7, Artikel 14 bis 35.

Die Gemeinschaft ist zuständig für die unter Artikel 1 bis 5, Artikel 7, Artikel 14 bis 19 fallenden Bereiche, wie es in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft und den nachstehend aufgeführten gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

Die Gemeinschaft kann in Zukunft weitere Aufgaben übernehmen, indem sie für die unter das Übereinkommen fallenden Bereiche eingehendere Rechtsvorschriften erlässt.

Liste der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften

...“

29.
    Die Liste der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, auf die in Absatz 3 der Erklärung Bezug genommen wird und die sich in ihrem Anhang befindet, enthält fünfzehn Rechtsakte (Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen), die entweder vom Rat oder von der Kommission auf dem Gebiet des Schutzes vor ionisierender Strahlung erlassen wurden.

4.    Der angefochtene Beschluss des Rates

30.
    Am 7. Dezember 1998 - mehr als vier Jahre nach dem Vorschlag der Kommission - erließ der Rat einstimmig den im vorliegenden Verfahren von der Kommission angefochtenen Beschluss über die Genehmigung des Beitritts der Gemeinschaft zum Übereinkommen.

31.
    In der Präambel des Beschlusses führt der Rat aus, dass für „die Planung, den Bau und den Betrieb kerntechnischer Anlagen der Mitgliedstaat zuständig [ist], auf dessen Gebiet sie sich befinden“, und dass der Beitritt der Gemeinschaft zu dem Übereinkommen „[a]ngesichts der der Gemeinschaft in Titel II Kapitel 3 .Der Gesundheitsschutz‘ des Vertrags zugewiesenen diesbezüglichen Aufgaben ... genehmigt werden [sollte]“.

32.
    Der Einzige Artikel des Beschlusses bestimmt Folgendes:

„(1) Der Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft zu dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit wird hiermit genehmigt.

(2) Der Wortlaut der Erklärung der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens über nukleare Sicherheit ist diesem Beschluss als Anhang beigefügt.“

33.
    Die beigefügte Erklärung hat folgenden Wortlaut:

„Folgende Staaten sind derzeit Mitglieder der Europäischen Atomgemeinschaft: Königreich Belgien, Königreich Dänemark ...

Die Gemeinschaft erklärt, dass Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens für sie gelten. Auch Artikel 1 bis 5, Artikel 7 Absatz 1, Artikel 14 Ziffer ii und Artikel 20 bis 35 gelten für sie, jedoch nur insofern, als die in Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 erfassten Bereiche betroffen sind.

Die Gemeinschaft ist aufgrund von Artikel 2 Buchstabe b und der einschlägigen Artikel des Titels II Kapitel 3 .Der Gesundheitsschutz‘ des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft zusammen mit den genannten Mitgliedstaaten für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche zuständig.“

5.    Die Entwicklung nach Einreichung der Klage

34.
    Die Kommission reichte am 8. Februar 1999 Klage ein. Mit Beschluss vom 16. November 1999, der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde, genehmigte die Kommission den Beitritt zum Übereinkommen im Namen der Gemeinschaft(5); sie fügte dem Beschluss den Wortlaut des Übereinkommens und der Erklärung der Gemeinschaft gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens mit dem Wortlaut im Anhang zum Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1998 bei.

35.
    Am 31. Januar 2000 hinterlegte die Kommission die Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation und übermittelte gleichzeitig die Erklärung gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens mit dem Wortlaut im Anhang des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 und des Beschlusses der Kommission vom 16. November 1999(6).

36.
    Am 30. April 2000 trat das Übereinkommen gemäß seinem Artikel 30 Absatz 2 für die Gemeinschaft in Kraft.

IV -    „Der Gesundheitsschutz“ im EAG-Vertrag

37.
    Nach der Präambel des EAG-Vertrags waren die vertragsschließenden Mitgliedstaaten einerseits „entschlossen, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“, andererseits aber auch bestrebt, „die Sicherheiten zu schaffen, die erforderlich sind, um alle Gefahren für das Leben und die Gesundheit ihrer Völker auszuschließen“.

38.
    Gemäß Artikel 2 Buchstabe b des Vertrages hat die Gemeinschaft die Aufgabe, „einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufzustellen und für ihre Anwendung zu sorgen“.

39.
    Diese Aufgabe ist in Titel II Kapitel 3 (Artikel 30 bis 39 des Vertrages) mit dem Titel „Der Gesundheitsschutz“ genauer beschrieben.

1.    Der Erlass von „Grundnormen“

40.
    Artikel 30 des Vertrages bestimmt:

„In der Gemeinschaft werden Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgesetzt.

Unter Grundnormen sind zu verstehen:

a)    die zulässigen Höchstdosen, die ausreichende Sicherheit gewähren,

b)    die Höchstgrenze für die Aussetzung gegenüber schädlichen Einflüssen und für schädlichen Befall,

c)    die Grundsätze für die ärztliche Überwachung der Arbeitskräfte.“

41.
    Nach dem in Artikel 31 des Vertrages festgelegten Verfahren werden die Grundnormen von der Kommission „ausgearbeitet“, nachdem sie die Stellungnahme einer Gruppe von wissenschaftlichen Sachverständigen - insbesondere Sachverständigen für Volksgesundheit - der Mitgliedstaaten eingeholt hat. Die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses muss eingeholt, und das Parlament muss angehört werden. Die Grundnormen werden vom Rat mit qualifizierter Mehrheit nach Anhörung des Parlaments „festgelegt“.

42.
    Nach Artikel 32 können die Grundnormen auf Antrag der Kommission oder eines Mitgliedstaats nach dem Verfahren des Artikels 31 „überprüft“ oder „ergänzt“ werden.

43.
    Erstmalig legte die Gemeinschaft solche Grundnormen gemäß den Artikeln 30, 31 und 218 des Vertrages im Jahr 1959 durch die Richtlinien vom 2. Februar 1959 zur Festlegung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen fest(7). Auf der Grundlage der Artikel 31 und 32 des Vertrages wurden diese Richtlinien 1962 durch die Richtlinie vom 5. März 1962(8), 1966 durch die Richtlinie 66/45/Euratom des Rates(9), 1976 durch die Richtlinie 76/579/Euratom des Rates (10), 1979 durch die Richtlinie des Rates 79/343/Euratom(11), 1980 durch die Richtlinie 80/836/Euratom des Rates(12) und 1984 durch die Richtlinie 84/467/Euratom des Rates(13) geändert.

              

44.
    1996 wurden die geänderten Richtlinien über die Grundnormen durch die Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen(14) (im Folgenden: Richtlinie über die Grundnormen) ersetzt, die die zuvor anwendbaren Regelungen mit Wirkung vom 13. Mai 2000 außer Kraft setzte(15).

2.    Einhaltung, Überwachung und die Befugnisse der Kommission

45.
    Gemäß Artikel 33 des Vertrages erlässt jeder Mitgliedstaat die geeigneten Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um die Beachtung der festgesetzten Grundnormen sicherzustellen. Die Kommission erlässt die geeigneten Empfehlungen, um die auf diesem Gebiet in den Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen miteinander in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten der Kommission Entwürfe gleichartiger Bestimmungen bekannt zu geben.

46.
    Gemäß den Artikeln 35 und 36 des Vertrages schafft jeder Mitgliedstaat „die notwendigen Einrichtungen zur ständigen Überwachung des Gehalts der Luft, des Wassers und des Bodens an Radioaktivität sowie zur Überwachung der Einhaltung der Grundnormen“. Die Ergebnisse dieser Überwachungsmaßnahmen sind der Kommission zu übermitteln, damit sie ständig über den Gehalt an Radioaktivität unterrichtet ist, dem die Bevölkerung ausgesetzt ist. Die Kommission hat Zugang zu den nationalen Überwachungseinrichtungen und kann ihre Arbeitsweise und Wirksamkeit nachprüfen(16).

47.
    Gemäß Artikel 38 Absatz 1 des Vertrages richtet die Kommission an die Mitgliedstaaten Empfehlungen über den radioaktiven Gehalt der Luft, des Wassers und des Bodens. Gemäß Artikel 38 Absätze 2 und 3 des Vertrages erlässt die Kommission in dringenden Fällen eine Richtlinie, mit der sie dem betreffenden Mitgliedstaat aufgibt, innerhalb einer von ihr festgesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Überschreitung der Grundnormen zu vermeiden und die Beachtung dieser Vorschriften zu gewährleisten. Kommt der Staat innerhalb der festgesetzten Frist der Richtlinie der Kommission nicht nach, so kann die Kommission oder jeder andere Mitgliedstaat unmittelbar den Gerichtshof anrufen.

3.    Vorschriften über besonders gefährliche Versuche und Pläne zur Ableitung radioaktiver Stoffe

48.
    Gemäß Artikel 34 des Vertrages ist ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet „besonders gefährliche Versuche“ stattfinden sollen, verpflichtet, zusätzliche Vorkehrungen für den Gesundheitsschutz zu treffen; er hat hierzu vorher die Stellungnahme der Kommission einzuholen. Besteht die Möglichkeit, dass sich die Auswirkungen der Versuche auf die Hoheitsgebiete anderer Mitgliedstaaten erstrecken, so ist die Zustimmung der Kommission erforderlich(17).

49.
    Gemäß Artikel 37 des Vertrages ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, der Kommission über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe aller Art die allgemeinen Angaben zu übermitteln, aufgrund deren festgestellt werden kann, ob die Durchführung dieses Plans eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaats verursachen kann. Die Kommission gibt innerhalb einer Frist von sechs Monaten ihre Stellungnahme ab(18).

V -    Zulässigkeit

50.
    Am 12. Oktober 1999 hat der Rat eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Der Gerichtshof hat mit Entscheidung vom 8. Februar 2000 die Entscheidung hierüber dem Urteil vorbehalten.

51.
    Der Rat stützt seine Einrede der Unzulässigkeit gegen die Klage der Kommission auf drei Gründe:

1.    die Klage sei gegenstandslos;

2.    die Klage sei unzulässig, da sie sich gegen einen Teil des Beschlusses wende, der nicht getrennt von dem übrigen Beschluss beurteilt werden könne; die Kommission beantrage nicht die Nichtigerklärung des gesamten Beschlusses;

3.    die Klage sei missbräuchlich, denn die Kommission beantrage in Wahrheit ein Gutachten zum Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft.

52.
    Bevor ich diese Einwände untersuche, erscheint es ratsam(19), festzustellen, ob sich die Klage der Kommission unmittelbar gegen eine überprüfbare Handlung im Sinne von Artikel 146 des Vertrages richtet und ob der Beitritt zum Übereinkommen nach Einreichung der Klage Auswirkungen auf ihre Zulässigkeit hat.

1.    Überprüfbare Handlung

53.
    Gemäß Artikel 146 des Vertrages überwacht der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Rates oder der Kommission, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt. Artikel 146 des Vertrages ist insoweit identisch mit Artikel 230 EG(20) und muss analog zu dieser Vorschrift ausgelegt werden(21). Deshalb muss festgestellt werden, ob sich die Klage gegen eine Handlung richtet, die dazu bestimmt ist, Rechtswirkungen zu erzeugen(22).

54.
    Die Kommission begehrt die Nichtigerklärung des letzten Absatzes der Erklärung im Anhang des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 über den Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit(23). In diesem Beschluss sind die Zustimmung zum Beitritt zum Übereinkommen und die Verweisung auf die Erklärung im Anhang in einem Einzigen Artikel enthalten. Festzuhalten ist auch, dass sich dieser Einzige Artikel auf beide Elemente gleichzeitig und gleichberechtigt bezieht. Die streitige Erklärung sollte demnach einen integrierenden Bestandteil des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 bilden. Diese Auslegung stimmt mit der üblichen gemeinschaftsrechtlichen Praxis überein, wonach einem erlassenen Rechtsakt beigefügte Anhänge oder Protokolle einen integrierenden Bestandteil dieses Rechtsakts bilden und seine Rechtsnatur teilen(24).

55.
    Gemäß Artikel 101 Absatz 2 des Vertrages werden internationale Abkommen und Vereinbarungen mit einem dritten Staat oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung „von der Kommission mit Zustimmung des Rates abgeschlossen“. Auf internationaler Ebene hat demnach die Kommission die Aufgabe, die Zustimmung der Gemeinschaft zu erklären, sich durch ein Abkommen zu verpflichten. Intern kann allerdings weder der Rat noch die Kommission allein über den Abschluss eines bestimmten internationalen Übereinkommens entscheiden; die Kommission benötigt die Zustimmung des Rates, und der Rat hat keine Möglichkeit, die Kommission zu verpflichten, ein Übereinkommen gegen ihren Willen zu schließen. Der Beschluss vom 7. Dezember 1998 war daher ein notwendiger (aber nicht ausreichender) Bestandteil des internen Prozesses, durch den Rat und Kommission gemeinsam entschieden, dass die Gemeinschaft Vertragspartei des Übereinkommens werden solle.

56.
    Angesichts der Rechtsprechung, die die Arten von Handlungen, die einer gerichtlichen Prüfung unterliegen, weit auslegt(25), kann kein Zweifel bestehen, dass es sich bei der Genehmigung des Beitritts zum Übereinkommen isoliert betrachtet (Absatz 1 des Einzigen Artikels des Beschlusses vom 7. Dezember 1998) um eine überprüfbare Handlung handelt, denn sie bringt die Zustimmung des Rates zum Beitritt der Gemeinschaft abschließend zum Ausdruck und verfolgt mithin den Zweck, den Rat in seinen eigenen Handlungen und seinen Beziehungen zur Kommission rechtlich zu binden.

57.
    Hinsichtlich der streitigen Erklärung ist hervorzuheben, dass in keiner Vorschrift des EAG-Vertrags ausdrücklich festgelegt ist, ob die Kommission oder der Rat die Aufgabe hat, den Inhalt einer Erklärung, die von der Gemeinschaft anlässlich der Ratifizierung eines internationalen Übereinkommens vorgelegt wird, zu bestimmen. Im vorliegenden Fall scheinen beide Institutionen dieses Recht für sich zu beanspruchen: In ihrem Vorschlag vom 8. September 1994 führt die Kommission in den Begründungserwägungen aus, dass sie eine Erklärung abgeben „wird“, wie in einem der Anhänge dargelegt; im Regelungsteil des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 heißt es, dass der Text der Erklärung „der [G]emeinschaft“ als Anhang beigefügt sei. Da die Formulierung einer solchen Erklärung ein grundlegender Bestandteil des Prozesses ist, der zum Abschluss eines internationalen Übereinkommens führt, bin ich der Auffassung, dass sich das Verfahren zur Entscheidung über seinen Inhalt ebenfalls nach Artikel 101 des Vertrages richtet. Hieraus folgt, dass die „interne“ Erklärung, die dem Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1998 beigefügt ist, den Zweck verfolge, die Kommission dazu zu zwingen, dem Verwahrer eine „externe“ Erklärung mit dem vom Rat vorgegebenen Inhalt zu übermitteln, und somit Rechtswirkung haben sollte.

58.
    Selbst wenn die „externe“ Erklärung, die die Kommission dem Verwahrer übermittelt hat, nicht unmittelbar im Streit steht, erscheint der Hinweis nützlich, dass diese externe Erklärung ebenso darauf gerichtet und geeignet ist, Rechtswirkung zu erzeugen. Gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer ii des Übereinkommens erfüllt die Gemeinschaft ihre Pflichten aus dem Übereinkommen in allen Angelegenheiten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Die externe Erklärung hat demnach den Zweck - und tatsächlich die Wirkung -, für die anderen Vertragsparteien rechtlich bindend die Reichweite der Verpflichtungen der Gemeinschaften zu bestimmen. Ich bin der Ansicht, dass diese Rechtswirkung der externen Erklärung in der internationalen Sphäre die Argumente zugunsten der Überprüfbarkeit der streitigen internen Erklärung verstärkt, denn diese interne Erklärung bestimmte notwendigerweise den Inhalt der externen Erklärung.

59.
    Als Letztes möchte ich erwähnen, dass es sich bei der internen Erklärung, die dem Beschluss vom 7. Dezember 1998 beigefügt ist, nicht um eine nicht überprüfbare, rein vorbereitende Maßnahme im Sinne der Rechtsprechung handelt(26). Diese Rechtsprechung betrifft insbesondere Verfahren zur Vorbereitung einer Entscheidung, bei denen ein und dasselbe Organ in verschiedenen Abschnitten handelt(27). Hier kann die Rechtmäßigkeit der früheren Abschnitte nur angefochten werden, indem eine Klage gegen die letzte Handlung gerichtet wird. Im vorliegenden Fall waren mehrere Organe an dem Verfahren gemäß Artikel 101 des Vertrages beteiligt, und bei der zu überprüfenden Handlung handelt es sich um das „letzte Wort“ des Rates. Wenn diese Handlung nicht überprüfbar wäre, stünde der Kommission kein Rechtsbehelf zur Verfügung.

60.
    Die Klage der Kommission richtet sich demnach gegen eine überprüfbare Handlung im Sinne von Artikel 146 des Vertrages.

2.    Auswirkungen des späteren Beitritts der Gemeinschaft zum Übereinkommen

61.
    Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission, nachdem sie die vorliegende Klage eingereicht hatte, beschloss, den Beitritt der Gemeinschaft zum Übereinkommen zu genehmigen, und die Annahmeurkunde beim Verwahrer des Übereinkommens hinterlegte. Beide Male fügte die Kommission eine Erklärung bei, die mit der vom Rat abgefassten Erklärung, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, identisch ist.

62.
    Es könnte der Einwand erhoben werden, dass die Kommission kein Interesse an der Klageerhebung habe, da sie der Handlung, die sie anficht, bereits zugestimmt habe.

63.
    Das Interesse der Kommission an der Klageerhebung könnte auch mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass die Gemeinschaft in völkerrechtlicher Hinsicht zwischenzeitlich Partei des Übereinkommens auf der Grundlage einer Zuständigkeitserklärung geworden ist, die mit der angefochtenen identisch ist. Eine Entscheidung des Gerichtshofes, die den letzten Absatz der dem internen Beschluss des Rates beigefügten Erklärung für ungültig erklärte, käme infolgedessen „zu spät“ und wäre nutzlos.

64.
    Beide Argumente sind zurückzuweisen. Artikel 146 Absatz 1 des Vertrages gibt der Kommission das Recht, eine Nichtigkeitsklage einzureichen, ohne dass die Ausübung dieses Rechts davon abhängt, dass ein Rechtsschutzinteresse dargetan wird(28). Es ist auch zu berücksichtigen, dass es gemäß Artikel 124 des Vertrages eine wesentliche Aufgabe der Kommission ist, für die Anwendung des Vertrages Sorge zu tragen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe müssen der Kommission alle Mittel zur Verfügung stehen, die der Vertrag vorsieht, damit die Beachtung des Rechts sichergestellt wird(29).

65.
    Die Kommission hat auf jedem Fall ein Rechtsschutzinteresse, da die (teilweise) Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses tatsächliche praktische Auswirkungen haben würde. Es trifft zu, dass eine Nichtigerklärung nur die dem internen Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1998 beigefügte Erklärung betreffen würde. Die von der Kommission dem Verwahrer des Übereinkommens übermittelte Erklärung würde folglich zunächst davon nicht berührt werden. Wie sowohl die Kommission als auch der Rat in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, ist die Gemeinschaft jedoch durch nichts daran gehindert, zu einem späteren Zeitpunkt eine neue oder geänderte Erklärung zu hinterlegen. Diese Möglichkeit ist den in Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens aufgestellten Erfordernissen immanent. So könnte es notwendig werden, die Liste der Mitgliedstaaten im Falle des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union zu ändern. Dasselbe gilt in Hinsicht auf die Erklärung über den Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft bei einer Veränderung dieser Zuständigkeit im Laufe der Zeit. Daraus folgt, dass Rat und Kommission im Fall der Nichtigerklärung der Erklärung eine neue Erklärung vereinbaren müssten, die die Kommission dann dem Verwahrer des Übereinkommens übermitteln würde.

3.    Der erste Einwand des Rates: das Rechtsmittel sei gegenstandslos

66.
    Der angefochtene letzte Absatz der Erklärung, die dem Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1998 beigefügt ist, bestimmt:

„Die Gemeinschaft ist aufgrund von Artikel 2 Buchstabe b und der einschlägigen Artikel des Titels II Kapitel 3 .Der Gesundheitsschutz‘ des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft zusammen mit den genannten Mitgliedstaaten für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche zuständig.“

67.
    Der Rat hat in seiner schriftlichen Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass dieser Absatz nur die beiden Feststellungen enthalte,

-    dass die Gemeinschaft ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teile und

-    dass sich die geteilte Zuständigkeit auf Artikel 2 Buchstabe b und die einschlägigen Artikel des Titels II Kapitel 3 des Vertrages stütze.

68.
    Nach Ansicht des Rates stellt die Kommission weder die (geteilte, nicht ausschließliche) Natur der Gemeinschaftszuständigkeit noch ihren Ursprung (Titel II Kapitel 3 des Vertrages) in Frage. Da nur diese beiden Feststellungen in dem streitigen Absatz enthalten seien, sei die Klage der Kommission gegenstandslos.

69.
    Die Kommission führt aus, der streitige Absatz enthalte eine entscheidende dritte Information, nämlich dass die Gemeinschaft ausschließlich für die unter die Artikel 15 und 16 Absatz 2 fallenden Bereiche zuständig sei, nicht aber für unter andere Artikel des Übereinkommens fallende Bereiche.

70.
    Wie bereits dargelegt, ficht die Kommission den letzten Absatz mit der Begründung an, in ihm werde nicht festgestellt, dass die Gemeinschaft auch in den unter die Artikel 1 bis 5, 7 und 14 bis 19 des Übereinkommens fallenden Bereichen zuständig sei. Die erste Einrede der Unzulässigkeit des Rates steht demnach mit dem Hauptklagegrund der Kommission in Verbindung und ist daher im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu untersuchen(30).

4.    Der zweite Einwand des Rates: die Klage auf teilweise Nichtigerklärung richte sich gegen einen Teil des Beschlusses, der nicht von dem Beschluss als Ganzem abgetrennt werden könne

71.
    Der zweite Einwand der Unzulässigkeit des Rates besteht aus zwei Teilen. Der Rat vertritt im Wesentlichen die Auffassung,

-    dass die Erklärung in ihrer Gesamtheit nicht von dem Beschluss des Rates über den Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit getrennt werden könne und

-    dass der letzte Absatz der Erklärung nicht vom zweiten Absatz getrennt werden könne.

a)     Kann die Erklärung gesondert angefochten werden?

72.
    Nach Ansicht des Rates kann die Erklärung nicht von dem Beschluss über den Beitritt abgetrennt werden. Der Rat hätte den Beschluss über den Beitritt der Gemeinschaft nicht ohne eine vollständige Erklärung erlassen. Daher sei es nicht möglich, den Beschluss des Rates über den Beitritt der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, wenn die Erklärung oder Teile von ihr für nichtig erklärt würden. Darüber hinaus könne der Gerichtshof den Beschluss selbst nicht für nichtig erklären, da er sonst ultra petita entscheiden würde.

73.
    Grundsätzlich steht es einer Klagepartei frei, einen Rechtsetzungsakt nur teilweise anzufechten(31). Deshalb besteht die Frage allein darin, ob die Klage oder die angefochtene Handlung Besonderheiten aufweisen, die zur Unzulässigkeit der Klage der Kommission auf teilweise Nichtigerklärung führen können.

74.
    Es trifft zu, dass der Gerichtshof im Urteil Jamet(32) einen Antrag auf teilweise Nichtigerklärung für unzulässig erklärte. In dieser Rechtssache war der angefochtene Teil jedoch nicht von der Entscheidung als Ganzem trennbar: Die Teile der Entscheidung, deren Nichtigerklärung beantragt wurde, waren so grundlegend, dass die Entscheidung bei ihrem Fehlen nicht mehr geeignet gewesen wäre, Rechtswirkung zu entfalten. Im vorliegenden Fall hätte eine isolierte Aufhebung der dem Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1998 beigefügten Erklärung keine entsprechenden Auswirkungen. Wie ich oben bereits festgestellt habe, ist der Beschluss über den Beitritt zum Übereinkommen als solcher darauf gerichtet und geeignet, Rechtswirkung zu entfalten(33).

75.
    Dem Urteil Jamet sind die Urteile Transocean Marine Paint(34) und Kali und Salz(35) gegenüberzustellen, die Klagen auf getrennte Nichtigerklärung von Bedingungen im Anhang zu Entscheidungen zugunsten bestimmter Unternehmen betrafen. Das Problem bestand bei diesen Rechtssachen darin, dass die Nichtigerklärung die Natur der Entscheidung selbst hätte berühren können. Dennoch hielt der Gerichtshof die Zulässigkeit von Klagen, die sich ausschließlich gegen die Bedingungen richteten, nicht für problematisch. Im vorliegenden Fall sollten daher noch weniger Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage bestehen, da zwischen der Erklärung und dem Beschluss über den Beitritt zum Übereinkommen keine rechtliche Verbindung besteht, durch die die Nichtigerklärung der Erklärung zur Nichtigerklärung des Beschlusses führen würde. Wenn auch eine politische Verbindung zwischen beiden Bestandteilen bestehen mag, hängt doch die Rechtmäßigkeit des Beschlusses über den Beitritt zum Übereinkommen nicht von der Rechtmäßigkeit der Erklärung ab.

76.
    Demnach kann die Erklärung von dem zustimmenden Beschluss abgetrennt und gesondert angefochten werden.

b)    Kann der letzte Absatz der Erklärung gesondert angefochten werden?

77.
    Der Rat wendet ein, die streitige Erklärung bilde ein Ganzes und die letzten beiden Absätze könnten deshalb weder voneinander getrennt noch einzeln beurteilt werden. Dieses Argument stützt sich auf dieselbe Auslegung der Erklärung, die der Rat im Rahmen seines ersten Einwands vorgenommen hat. Aus den zuvor dargelegten Gründen(36) muss es ebenfalls im Rahmen der Begründetheitsprüfung untersucht werden(37).

5.    Der dritte Einwand des Rates: die Klage stelle einen Missbrauch des Nichtigkeitsverfahrens dar, da mit ihr in Wirklichkeit ein Gutachten des Gerichtshofes über die Zuständigkeit der Gemeinschaft eingeholt werden solle

78.
    Der Rat bringt vor, dass die Kommission in Wahrheit nicht die Nichtigerklärung des streitigen Teils der Erklärung begehre, sondern ein Gutachten des Gerichtshofes über die Reichweite der Befugnisse der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Beitritt der Gemeinschaft zum Übereinkommen einholen wolle. Anders als der EG-Vertrag (Artikel 300 Absatz 6 EG) sehe der EAG-Vertrag keine allgemeine Möglichkeit vor, beim Gerichtshof ein Gutachten über die Vereinbarkeit eines geplanten internationalen Abkommens mit dem Vertrag und insbesondere über die Befugnis der Gemeinschaft, ein solches Abkommen abzuschließen, einzuholen. Keine der Bestimmungen des EAG-Vertrags, aufgrund deren der Gerichtshof um eine Stellungnahme ersucht werden könne - der Rat nimmt Bezug auf die Artikel 103 Absatz 3, 104 Absatz 3 und 105 Absatz 2 des Vertrages - sei einschlägig. Die Klage müsse deshalb für unzulässig erklärt werden, da sie einen Missbrauch des in Artikel 146 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens darstelle.

79.
    Zuerst einmal kann ich keinen konkreten Anhaltspunkt für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Kommission erkennen. Darüber hinaus hat der Gerichtshof in dem Gutachten 1/75 festgestellt, dass die Befugnis zum Abschluss eines internationalen Abkommens im Wege des Gutachtenverfahrens, des Nichtigkeitsverfahrens oder des Vorabentscheidungsverfahrens geprüft werden kann(38). In dem Urteil Frankreich/Kommission hat der Gerichtshof ausgeführt, die Ausübung der Kompetenzen, die den Gemeinschaftsorganen im internationalen Verkehr zustehen, dürfe der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle nach Artikel 230 EG nicht entzogen werden(39). Im Urteil Griechenland/Rat unterstrich der Gerichtshof, dass „die Rechtmäßigkeit ... vollständig und umfassend überprüft werden [müsse]“(40). Hieraus folgt, dass die Möglichkeit, ein Gutachten einzuholen, und die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage voneinander vollkommen unabhängige Fragen sind. Die fehlende Möglichkeit, beim Gerichtshof ein Gutachten über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit dem Vertrag einzuholen, schwächt die Argumente zugunsten der Zulässigkeit von Klagen gemäß Artikel 146 des Vertrages nicht, sondern verstärkt sie vielmehr.

80.
    Demzufolge ist auch der dritte Einwand des Rates zurückzuweisen.

VI -    Zur Begründetheit

81.
    Die Kommission beantragt die Nichtigerklärung des dritten Absatzes der Erklärung im Anhang des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998, soweit in ihm in Bezug auf die Zuständigkeit der Gemeinschaft die Feststellung unterlassen wird, dass die Gemeinschaft Zuständigkeit auf dem Gebiet der Artikel 1 bis 5, 7, 14, 16 Absätze 1 und 3 und 17 bis 19 des Übereinkommens hat. Die Klage der Kommission wird auf eine Verletzung des Vertrages, insbesondere des Artikels 2 Buchstabe b und der Vorschriften in Titel II Kapitel 3 (Artikel 30 bis 39), Artikel 192 und der aufgrund des Vertrages erlassenen Gemeinschaftsgesetzgebung, gestützt.

1.    Die angefochtene Erklärung im Licht der im Übereinkommen aufgestellten Erfordernisse

82.
    Wie bereits dargestellt, bestimmt Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens:

„Wird eine solche [regionale] Organisation Vertragspartei dieses Übereinkommens, so übermittelt sie dem ... Verwahrer eine Erklärung, in der sie angibt, welche Staaten Mitglieder der Organisation sind, welche Artikel des Übereinkommens auf sie anwendbar sind und welches der Umfang ihrer Zuständigkeit in dem von diesen Artikeln geregelten Bereich [ist].“

83.
    Diese Bestimmung muss in Übereinstimmung mit dem internationalen Gewohnheitsrecht über die Auslegung von Verträgen, das in den Artikeln 31 bis 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge kodifiziert worden ist, ausgelegt werden.

84.
    Es sollte auch erwähnt werden, dass aufgrund eines weiteren Grundsatzes des internationalen Gewohnheitsrechts, der in Artikel 24 Absatz 4 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge(41) niedergelegt ist, die Verpflichtungen aus Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens über nukleare Sicherheit schon vor seinem Inkrafttreten auf die Gemeinschaft anwendbar waren.

85.
    Aus dem Wortlaut von Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii geht zunächst hervor,

-    dass die Gemeinschaft verpflichtet ist, eine Erklärung über die Zuständigkeit zu übermitteln („übermittelt“), wenn sie Vertragspartei werden will, und

-    dass sie diese Erklärung zum selben Zeitpunkt, zu dem sie die Beitrittsurkunde übermittelt, abgeben muss („wird eine solche Organisation Vertragspartei“).

86.
    Sowohl der Wortlaut als auch der Kontext legen nahe, dass die Erklärung sowohl präzise als auch vollständig sein muss. Dies lässt sich insbesondere aus Artikel 30 Absatz 4 Ziffer ii des Übereinkommens schließen: Wenn die Gemeinschaft ihre Rechte ausüben und ihre Pflichten erfüllen will, die das Übereinkommen den Mitgliedstaaten in allen Angelegenheiten, „die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen“, zuweist, kann die Gemeinschaft nicht nach Belieben wählen und nur einige ihrer Zuständigkeiten angeben.

87.
    Darüber hinaus folgt auch aus dem Wortlaut des Artikels 30 Absatz 4 Ziffer iii, dass eine regionale Organisation eine Erklärung übermitteln muss, die aus drei Teilen besteht, nämlich

-    einer Liste der Mitgliedstaaten dieser Organisation;

-    einer Liste der Artikel des Übereinkommens, die auf sie „anwendbar“ sind;

-    einer Erklärung über den „Umfang ihrer Zuständigkeit in dem von diesen Artikeln geregelten Bereich“.

88.
    Das erste dieser drei Erfordernisse ist nicht streitig.

89.
    Der Rat wendet in seinen Schriftsätzen ein, es sei das zweite Erfordernis, das die Gemeinschaft verpflichte, die Bereiche des Übereinkommens anzugeben, in denen die Gemeinschaft Zuständigkeit besitze. Das dritte Erfordernis betreffe daher nur die Frage, ob diese Zuständigkeit geteilt oder ausschließlich sei.

90.
    Diese Auslegung steht meiner Meinung nach im Widerstreit mit der gewöhnlichen Bedeutung der verwendeten Begriffe. Die Reichweite des zweiten Erfordernisses wird durch den Begriff „anwendbar“ bestimmt, der besagt, dass eine bestimmte Vorschrift für einen bestimmten Beteiligten rechtliche Bedeutung hat. Die relativ unbestimmte Behauptung, eine Bestimmung sei auf einen Beteiligten anwendbar, ist von der viel spezifischeren Behauptung zu unterscheiden, nach der der betreffende Beteiligte Zuständigkeiten (gesetzgeberischer, verwaltender oder anderer Natur) in den von dieser Bestimmung erfassten Bereichen hat. So sind beispielsweise die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 des Übereinkommens für jede Vertragspartei von rechtlicher Bedeutung und daher auch auf die Gemeinschaft anwendbar. Die Behauptung, die Gemeinschaft habe Zuständigkeiten in den Bereichen, die von einer Bestimmung erfasst seien, die lediglich Begriffsbestimmungen enthalte, hätte hingegen keinen Sinn.

91.
    Zu den Bestimmungen, die aufgrund des zweiten Erfordernisses angegeben werden müssen, gehören danach in erster Linie die materiellen Verpflichtungen, die nach dem Übereinkommen auf eine regionale Organisation anwendbar sind und die Umsetzungsmaßnahmen in Form von Gesetzen, Verordnungs- und Verwaltungsmaßnahmen oder sonstigen Schritten innerhalb der internen Rechtsordnung der Organisation erfordern (Artikel 4 und 6 bis 19). Bei einer zweiten Gruppe von Bestimmungen, die auf regionale Organisationen anwendbar sind, handelt es sich um diejenigen, die formelle und/oder prozessuale Rechte und Pflichten in Bezug auf die Durchführung und Wirksamkeit begründen (z. B. das Recht, das Übereinkommen gemäß Artikel 33 Absatz 1 zu kündigen oder die Verpflichtung in Artikel 30 Absatz 5, Ratifizierungsurkunden beim Verwahrer zu hinterlegen). Ich würde dieser Kategorie auch die Berichtspflichten (Artikel 5) und die weiteren Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Mechanismus gegenseitiger Kontrolle entstehen (Artikel 20 bis 28), zuordnen. Schließlich gibt es allgemeine Bestimmungen, die als solche keine Rechte oder Pflichten begründen, aber bei der Auslegung und Anwendung des Übereinkommens ebenfalls zu berücksichtigen sind. Ein klares Beispiel sind die Bestimmungen, die die Ziele (Artikel 1), die Grundbegriffe (Artikel 2), den Anwendungsbereich (Artikel 3) oder das Inkrafttreten (Artikel 31) des Übereinkommens festlegen.

92.
    Die Bedeutung des dritten Erfordernisses ist schwerer zu bestimmen. Der Begriff „Umfang ihrer Zuständigkeit“ in Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii muss in seinem Kontext und anhand seines Zieles und Zweckes ausgelegt werden.

93.
    Artikel 30 Absatz 4 Ziffer ii bestimmt, dass „[b]ei Angelegenheiten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, ... diese Organisationen bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten, die dieses Übereinkommen den Vertragsstaaten zuweist, im eigenen Namen [handeln]“. Der Begriff „Zuständigkeit“ in Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii muss daher als auf die Zuständigkeit einer regionalen Organisation für die Ausübung ihrer Rechte und Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen bezogen verstanden werden.

94.
    Hinsichtlich des Begriffes „Umfang“ der Zuständigkeit muss berücksichtigt werden, dass die anderen Vertragsparteien wissen wollen, „gegenüber wem sie Verpflichtungen haben und gegenüber wem sie ihre Rechte ausüben können“(42), wenn eine regionale Organisation und ihre Mitgliedstaaten Parteien eines internationalen Abkommens sind. Der Hauptzweck des Erfordernisses, den Umfang der Zuständigkeit einer regionalen Organisation anzugeben, liegt demnach darin, gegenüber dem Verwahrer und den anderen Parteien die von dem Übereinkommen geregelten Bereiche offen zu legen, in denen die Organisation Zuständigkeiten für die Erfüllung der sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen und die Ausübung von Rechten hat. Nach dem dritten in Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii aufgestellten Erfordernis muss eine regionale Organisation daher alle Artikel des Übereinkommens angeben, in deren Bereich sie Zuständigkeit für die Ausübung der Rechte und Erfüllung der Verantwortlichkeiten der Vertragsparteien aus dem Übereinkommen besitzt.

95.
    Zuletzt muss der Punkt behandelt werden, dass sich gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii die Verpflichtung, den Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft anzugeben, nur auf den „in ... diesen Artikeln geregelten Bereich“ bezieht. Der Ausdruck „in diesen Artikeln“ bezieht sich eindeutig auf die Artikel, die aufgrund des zweiten Erfordernisses angegeben werden müssen, und damit auf die Artikel, die auf die Gemeinschaft anwendbar sind.

96.
    Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten, die Verpflichtung zur Offenlegung des Umfangs der Zuständigkeit einer Organisation auf eine vorbestimmte Gruppe von Artikeln des Übereinkommens, die auf diese Organisation anwendbar sind, zu beschränken. Aus der vorstehenden Untersuchung der Begriffe „anwendbar“ und „Zuständigkeit“ folgt jedoch, dass die Bestimmungen, hinsichtlich deren eine regionale Organisation Zuständigkeiten hat, notwendigerweise eine Untergruppe der auf diese Organisation anwendbaren Bestimmungen sind. Möglicherweise hatten daher die Verfasser des Übereinkommens die Absicht, einen Schutz vor Widersprüchlichkeiten in Erklärungen regionaler Organisationen über ihre Zuständigkeit zu schaffen. Eine andere Erklärung könnte darin bestehen, dass die Verfasser des Übereinkommens mit dem kumulativen Erfordernis einer Liste der Bestimmungen, die auf regionale Organisationen anwendbar sind, und der Angabe des Umfangs der Zuständigkeit die Gemeinschaft dazu bringen wollten, „mit besonderer Deutlichkeit ihre recht beschränkten Zuständigkeit offen zu legen“(43).

97.
    In der mündlichen Verhandlung hat der Rat bei der Beantwortung einer Frage des Gerichtshofes eingeräumt, dass die Gruppe der Bestimmungen des Übereinkommens, die auf eine regionale Organisation anwendbar sind (zweites Erfordernis), von der kleineren Gruppe von Bestimmungen, in deren Bereich eine regionale Organisation Zuständigkeit besitzt (drittes Erfordernis) zu unterscheiden ist.

98.
    Daraus folgt, dass das dritte in Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens aufgestellte Erfordernis eine regionale Organisation dazu verpflichtet, die Bestimmungen des Übereinkommens anzugeben, in deren Bereich sie eine Zuständigkeit für die Ausübung der Rechte oder die Umsetzung der aus diesen Bestimmungen hervorgehenden Verpflichtungen hat.

2.    Auslegung des streitigen dritten Absatzes der Erklärung

99.
    Der streitige dritte Absatz der Erklärung bestimmt:

„Die Gemeinschaft ist aufgrund von Artikel 2 Buchstabe b und der einschlägigen Artikel des Titels II Kapitel 3 .Der Gesundheitsschutz‘ des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft zusammen mit den genannten Mitgliedstaaten für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche zuständig.“

100.
    Es ist daran zu erinnern, dass die Parteien über die Frage uneins sind, ob dieser Absatz eine Erklärung enthält, nach der die Gemeinschaft nur in den Bereichen der Artikel 15 und 16 Absatz 2 des Übereinkommens zuständig ist.

101.
    Der Wortlaut des dritten Absatzes stützt die Annahme der Kommission, er enthalte eine derartige Erklärung. Es liegt näher, den Absatz in dem Sinne auszulegen, dass er eine dreifache Information übermittelt, nämlich dass „die Gemeinschaft ... für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche zuständig [ist]“, dass die Gemeinschaft „zusammen mit den ... Mitgliedstaaten“ zuständig ist und dass sie diese Zuständigkeit „aufgrund von Artikel 2 Buchstabe b und der einschlägigen Artikel des Titels II Kapitel 3“ des EAG-Vertrags hat. Wenn der Rat eine eingeschränktere Erklärung gewollt hätte, hätte er z. B. erklären können: „Die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche besteht zusammen mit derjenigen der Mitgliedstaaten.“

102.
    Dieses Verständnis des streitigen Absatzes wird durch die Auslegung der Erklärung des Rates im Licht der in Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii aufgestellten Erfordernisse bestätigt. Nach der bereits vorgenommenen Untersuchung dieses Artikels verpflichtet das dritte Erfordernis die Gemeinschaft zur Angabe der Bestimmungen des Übereinkommens in den Bereichen, in denen sie zuständig ist.

103.
    Daraus folgt, dass der dritte Absatz der streitigen Erklärung so ausgelegt werden muss, dass er u. a. die Feststellung enthält, dass die Gemeinschaft nur für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche zuständig ist.

104.
    Diese Schlussfolgerung ermöglicht es nun, die beiden offen gebliebenen Fragen der Zulässigkeit zu lösen.

105.
    Da der dritte Absatz tatsächlich die Feststellung enthält, dass die Gemeinschaft nur für die unter die erwähnten Artikel fallenden Bereiche zuständig ist, ist die Klage der Kommission zunächst einmal nicht gegenstandslos. Die erste Zulässigkeitsrüge ist daher zurückzuweisen.

106.
    Zweitens unterscheiden sich die im dritten Absatz der Erklärung enthaltene Angaben (Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft) rechtlich von den Angaben im zweiten Absatz (Bestimmungen des Übereinkommens, die auf die Gemeinschaft anwendbar sind); die Rechtmäßigkeit beider Bestandteile ist unabhängig voneinander zu untersuchen. Die Klage der Kommission richtet sich demnach gegen einen Teil der Erklärung, der von der Erklärung als Ganzem abgetrennt werden kann. Der zweite Teil der zweiten Zulässigkeitsrüge des Rates ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

3.    Kann eine unvollständige Erklärung über die Zuständigkeit eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Artikels 146 Absatz 2 des Vertrages darstellen?

107.
    In ihrer Klage vertrat die Kommission die Auffassung, dass die streitige Erklärung die Artikel 2 Buchstabe b, 30 bis 39 und 192 des Vertrages und die auf dessen Grundlage ergangenen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen verletze. In Beantwortung einer Frage des Gerichtshofes hat die Kommission jedoch erklärt, dass eine Verpflichtung, eine vollständige Erklärung abzugeben, nicht aus dem EAG-Vertrag abgeleitet werden könne, sondern nur aus dem Übereinkommen. Nach Ansicht des Rates wird dadurch die Frage aufgeworfen, ob eine unvollständige Erklärung eine Vertragsverletzung im Sinne des Artikels 146 Absatz 2 des Vertrages darstellen könne.

108.
    Gemäß Artikel 146 Absatz 2 des Vertrages kann eine Nichtigkeitsklage wegen einer „Verletzung dieses Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm“ erhoben werden. Dieser Nichtigkeitsgrund umfasst die Verletzung jeder bindenden oder übergeordneten Bestimmung des Gemeinschaftsrechts.

109.
    Der Gerichtshof hat stets darauf hingewiesen, dass eine Bestimmung in einem von einer der Gemeinschaften geschlossenen internationalen Abkommen - wie Artikel 30 Absatz 4 Buchstabe iii des Übereinkommens - mit ihrem Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil des Gemeinschaftsrechts bildet(44).

110.
    Die von der Kommission angefochtene Erklärung ist jedoch nicht die dem Verwahrer übermittelte „externe“ Erklärung, sondern die Erklärung, die der „internen“ Zustimmung des Rates zum Beitritt der Gemeinschaft zum Übereinkommen beigefügt ist. Meiner Ansicht nach ist aber auch eine zu diesem Zweck erfolgte Erklärung für rechtswidrig zu erklären, wenn sie ungenau oder unvollständig ist. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Erklärung um die abschließende Stellungnahme des Rates handelt und dass sie die Grundlage für die externe Erklärung darstellen sollte, mit der die Gemeinschaft völkerrechtlich gebunden wird. Wenn sie unrichtig wäre, würde sie den EAG-Vertrag verletzen, da sie die Zuständigkeit der Gemeinschaft aufgrund der in Frage stehenden Artikel in einer Erklärung, die Rechtswirkung entfaltet, falsch darstellt. Sie könnte auch zu einer Verletzung des Übereinkommens führen, da sie die Kommission zwingen würde (wenn sie dem Übereinkommen beitreten möchte), eine unrichtige Erklärung abzugeben und dadurch die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens zu verletzen. Bei dieser Vorgehensweise würde der Rat möglicherweise die Verpflichtung zu vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsorganen verletzen und damit gegen Artikel 192 des Vertrages verstoßen, der wie Artikel 10 EG eine solche Verpflichtung nicht nur den Mitgliedstaaten, sondern auch den Organen der Gemeinschaften auferlegt.

111.
    Beide Parteien nehmen in diesem Zusammenhang Bezug auf den Beschluss 1/78 des Gerichtshofes, in dem er Folgendes feststellte: „[Es ist] nicht erforderlich ..., den anderen Parteien des Übereinkommens gegenüber die Verteilung der einschlägigen Zuständigkeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufzuzeigen und festzulegen, zumal sich diese Zuständigkeitsverteilung im Laufe der Zeit weiterentwickeln könnte. Es genügt, den anderen Vertragsparteien gegenüber festzustellen, dass in der Materie die Zuständigkeit innerhalb der Gemeinschaft verteilt sind, wobei die genaue Beschaffenheit dieser Verteilung eine interne Frage ist, in die sich die dritten Länder nicht einzumischen haben.“(45)

112.
    Diese Feststellung ist aber in ihrem Zusammenhang zu sehen. Der Beschluss 1/78 wurde zu einem Zeitpunkt erlassen, zu dem das betreffende Übereinkommen noch ausgehandelt wurde. Die Verhandlungspartner hatten damals noch nicht zu einer Einigung über die Bestimmungen gefunden, die erforderlich waren, damit ihm eine internationale Organisation wie die Gemeinschaft beitreten konnte.(46) Vermutlich mit Blick auf spätere Verhandlungen über diese Bestimmungen hatte die Kommission den Gerichtshof um die Feststellung ersucht, dass das übliche Verfahren für gemischte Abkommen eingehalten werden solle, namentlich, dass es nicht erforderlich sei, den anderen Parteien des Übereinkommens gegenüber die Verteilung der einschlägigen Zuständigkeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufzuzeigen(47). Trotz der zuvor wiedergegebenen Auffassung der Kommission verpflichtete das Übereinkommen, das eineinhalb Jahre nach Erlass des Beschlusses unterzeichnet wurde, die Gemeinschaft, dem Verwahrer eine Erklärung zu übermitteln, in der sie alle Artikel des Übereinkommens angibt, die nicht auf sie anwendbar sind.

113.
    Die Feststellung des Gerichtshofes im Beschluss 1/78 muss daher als bloße Bestätigung der Gemeinschaftspraxis verstanden werden, in der Verhandlungsphase möglichst zu vermeiden, anderen Parteien gegenüber die Verteilung der einschlägigen Zuständigkeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten aufzuzeigen. Angesichts der bedeutenden rechtlichen und politischen Schwierigkeiten beim Abfassen von Erklärungen über Zuständigkeit muss diese Praxis in der Tat unterstützt werden, denn sie erlaubt den Gemeinschaften und den Mitgliedstaaten, sich auf wichtigere Fragen, wie die materiellen Bestimmungen des Übereinkommens, zu konzentrieren.

114.
    Im vorliegenden Fall ist es jedoch „zu spät“, und die Gemeinschaft kann die Abgabe einer Erklärung über die Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten nicht mehr verhindern. Im Gegensatz zu der Situation, die dem Beschluss 1/78 zugrunde lag, haben die Unterzeichner des Übereinkommens (einschließlich der Mitgliedstaaten) bereits beschlossen, von der Gemeinschaft die Offenlegung der inneren Zuständigkeitsverteilung zu verlangen.

115.
    Demnach würde eine unvollständige „externe“ Erklärung der Gemeinschaft Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens verletzen, während eine unvollständige „interne“ Erklärung des Rates gegen den EAG-Vertrag und - da sie zu einer Verletzung des Übereinkommens führen könnte - möglicherweise gegen Artikel 192 des Vertrages verstoßen würde.

4.    Die wesentlichen Argumente der Parteien hinsichtlich der Vollständigkeit der Erklärung

116.
    Die Kommission führt erstens aus, dass die Gemeinschaft Zuständigkeit in den Bereichen der Artikel 1 bis 5, 7, 14, 16 Absätze 1 und 3 sowie 17 bis 19 des Übereinkommens besitze. Ihrer Ansicht nach kann diese Zuständigkeit aus verschiedenen Artikeln des EAG-Vertrags, insbesondere aus Artikel 2 Buchstabe b, den Artikeln 30 bis 32 (Festlegung von Grundnormen), Artikel 33 (Empfehlungen, um nationale Bestimmungen in Einklang zu bringen), Artikel 35 (Prüfung nationaler Überwachungseinrichtungen), Artikel 37 (Stellungnahme zu Plänen zur Ableitung radioaktiver Stoffe) und Artikel 38 (Empfehlungen über den radioaktiven Gehalt und Notfallrichtlinien), abgeleitet werden. Die einschlägige Zuständigkeit werde auch anhand verschiedener Bestimmungen der Richtlinie über die Grundnormen, die auf der Grundlage der Artikel 31 und 32 des Vertrages erlassen wurde, deutlich(48).

117.
    Zweitens wird nach Auffassung der Kommission mit den Artikeln 30 ff. des Vertrages und dem Übereinkommen dasselbe grundlegende Ziel verfolgt, nämlich der Schutz von Mensch und Umwelt gegen ionisierende Strahlung.

118.
    Drittens umfasse der Anwendungsbereich der Artikel 30 ff. des Vertrages den Anwendungsbereich des Übereinkommens, das lediglich auf die Sicherheit von Kernanlagen Anwendung findet (Artikel 3 des Übereinkommens), und gehe über ihn hinaus. Dies liege daran, dass der Vertrag auf den Schutz vor ionisierender Strahlung unabhängig von ihrer Herkunft Anwendung finde(49) und der Begriff „Strahlenquelle“, wie er in Artikel 1 der Richtlinie über die Grundnormen definiert sei, ausdrücklich Kernanlagen beinhalte.

119.
    Der Rat entgegnet erstens, dass in Bezug auf die Artikel 1 bis 5 des Übereinkommens keine Abgrenzung der Zuständigkeit erforderlich sei.

120.
    Zweitens bezögen sich die weiteren Artikel des Übereinkommens, die die Kommission in der Erklärung erwähnt wissen möchte (Artikel 7, 14, 16 Absätze 1 und 3, 17 bis 19) vor allem auf Sicherheitsmaßnahmen für Kernanlagen und fielen daher nicht in die Zuständigkeit der Kommission. Die Artikel 30 ff. des Vertrages führten nur ein Strahlenschutzsystem ein, das im Wesentlichen darin bestehe, „die zulässigen Höchstdosen“ und „die Höchstgrenze für die Aussetzung gegenüber schädlichen Einflüssen und für schädlichen Befall“ festzulegen (Artikel 30 Absatz 2 des Vertrages) und dafür zu sorgen, dass diese Dosen und Grenzen eingehalten würden (Artikel 2 Buchstabe b des Vertrages). Die streitigen Bestimmungen des Übereinkommens bezögen sich hingegen unmittelbar auf Planung, Bau und Betrieb von Kernanlagen und fielen daher in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

121.
    Drittens könne eine Zuständigkeit der Gemeinschaft nicht aus der Richtlinie über die Grundnormen abgeleitet werden, denn diese Richtlinie könne gemäß Artikel 30 Absatz 2 des Vertrages nur Grundnormen für den Strahlenschutz und damit nur „die Höchstdosen, die ausreichende Sicherheit gewähren“, und „die Höchstgrenze für die Aussetzung gegenüber schädlichen Einflüssen und für schädlichen Befall“ festlegen. Aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie über die Grundnormen folge darüber hinaus, dass sich ihr Anwendungsbereich auf Tätigkeiten beschränke und sich daher nicht auf Einrichtungen erstrecke.

5.    Allgemeine Überlegungen zur Zuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß den Artikeln 30 bis 39 des Vertrages

122.
    Um die zentrale Frage dieses Falles - Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der nuklearen Sicherheit - untersuchen zu können, ist es notwendig, einerseits die Entwicklung des Strahlenschutzes und der nuklearen Sicherheit im Allgemeinen und andererseits die Bedeutung und Reichweite des Gesundheitsschutzes im EAG-Vertrag zu untersuchen.

a)    Strahlenschutz und nukleare Sicherheit

123.
    Die Internationale Kommission für Strahlenschutz (ICP) unterscheidet hinsichtlich der Gefahren für die menschliche Gesundheit, die von ionisierender Strahlung ausgehen, zwischen zwei Arten schädlicher Auswirkungen von Strahlen(50).

124.
    Hohe Strahlendosen haben unvermeidbare schädliche Folgen (deterministische Folgen), wenn die Dosis einen Grenzwert überschreitet. Beispiele für deterministische Folgen sind das Erythem und das akute Strahlensyndrom (Strahlenkrankheit). Je höher die Dosis ist, desto schwerwiegender sind die Folgen. Das vordringliche Ziel des Strahlenschutzes besteht folglich in der Verhinderung hoher Strahlendosen, die beispielsweise dort entstehen, wo sich schwere Nuklearunfälle ereignen.

125.
    Niedrige wie hohe Dosen können auch zufällige Folgen (stochastische Folgen) wie Leukämie und Erbkrankheiten hervorrufen. Je geringer die Dosis ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit solcher Folgen. Die Schwere der Folgen (wenn solche eintreten) ist jedoch von der Dosis unabhängig. Der probabilistische Charakter dieser Folgen macht es unmöglich, eine klare Unterscheidung zwischen „sicheren“ und „gefährlichen“ Praktiken vorzunehmen. Vom politischen Standpunkt her folgt hieraus, dass diese Strahlendosen „so gering wie vernünftigerweise erzielbar“ gehalten werden müssen (ALARA-Prinzip).

126.
    Traditionell bestehen verschiedene Ansätze, um den von ionisierender Strahlung ausgehenden Gefahren zu begegnen.

127.
    Die Disziplin des Strahlenschutzes befasst sich in erster Linie damit, die menschliche Gesundheit vor dem Einfluss ionisierender Strahlung oder radioaktiven Materials zu schützen. Maßgebend sind hier Fachleute auf dem Gebiet der Volksgesundheit, und es geht um Menschen und die Strahlendosen, denen sie ausgesetzt werden können. Strahlenschutz war zunächst eine Unterdisziplin der medizinischen Radiologie, denn die Strahlendosen, die von den ersten Röntgengeräten ausgingen, waren so hoch, dass das damit tätige medizinische Personal bald an deterministischen Folgen der Strahlung litt. Später wurde er auf den Schutz vor ionisierender Strahlung aus sämtlichen Quellen ausgedehnt (z. B. Strahlenquellen im Bereich der Kernenergie, in medizinischen oder in Forschungseinrichtungen). In den fünfziger Jahren gingen die Fachleute für Strahlenschutz noch davon aus, dass es keinerlei schädliche Folgen für die Gesundheit haben würde, wenn man Dosen ausgesetzt ist, die unterhalb bestimmter Grenzwerte liegen. Seit 1977 empfiehlt die ICRP angesichts von Langzeitstudien der stochastischen Folgen von Strahlung die Kombination von Grenzwerten mit dem ALARA-Prinzip.

128.
    Die Disziplin der „Sicherheit“ (von Kernanlagen, Nukleartransporten usw.) beschäftigt sich hingegen in erster Linie mit der technischen Sicherheit von Strahlenquellen und insbesondere den Maßnahmen zur Verhinderung von Unfällen und der Begrenzung der Folgen möglicher Unfälle. Es gibt viele Arten von Strahlenquellen, so dass als Sicherheit die Sicherheit von Kernanlagen, die Sicherheit von Nuklearabfällen oder die Transportsicherheit bezeichnet werden können. Im Bereich der „Sicherheit“ sind Physiker und Ingenieure maßgebend. „Sicherheit“ orientiert sich an den Strahlenquellen und will die volle technische Kontrolle über jede Strahlenquelle aufrechterhalten.

129.
    Es ist klar, dass der Strahlenschutz und die Sicherheit von Strahlenquellen eng verbunden sind. Einerseits muss der Strahlenschutz, wenn er irgendeine praktische Wirkung haben soll, zumindest versuchen, die jeweilige Strahlenquelle zu identifizieren, andererseits müssen Übereinkommen über die Sicherheit einer bestimmten Strahlenquelle garantieren, dass die Strahlendosis in jedem Betriebsstadium unterhalb der vorgeschriebenen Grenzen und so niedrig wie vernünftigerweise möglich gehalten wird. Vieles deutet zudem darauf hin, dass sich die Grenzen zwischen beiden Disziplinen immer mehr verwischen.

130.
    Deshalb enthält das derzeit geltende formelle System des Strahlenschutzes der ICRP(51), das die letzte Reform der Grundnormen der Gemeinschaft inspirierte, Bestimmungen über die „Optimierung“ der „Tätigkeiten“, die die Belastung vergrößern, und „Interventionen“, die die Belastung durch existierende Strahlenquellen verringern. Es enthält auch Grundsätze über „quellenbezogene Dosisbeschränkungen“, „potenzielle Strahlenexpositionen“ und „Unfallverhütung“. Alle diese Grundsätze haben gemeinsam, dass sie die Kontrolle über schädliche Strahlenquellen in einem weit höheren Maß betreffen, als dies bloße Grenzwerte tun würden.

131.
    Bei der Internationalen Atomenergiebehörde gibt es eine gleichlaufende Tendenz zu einem integrierten Ansatz im Bereich der „nuklearen Sicherheit“, der Aspekte der technischen Sicherheit mit Aspekten des Strahlenschutzes kombiniert(52). Nach der derzeitigen Sichtweise der IAEO wird das „allgemeine Ziel der nuklearen Sicherheit“, d. h. der „Schutz von Menschen, der Gesellschaft und der Umwelt vor Schäden durch die Einführung und die Aufrechterhaltung von effektiven Schutzmaßnahmen gegen Strahlungsgefahren in Kernanlagen“ ergänzt durch ein „Strahlenschutzziel“ und ein „Ziel technische Sicherheit“. Die drei wichtigsten Veröffentlichungen des Sicherheitsstandardprogramms der IAEO („Sicherheitsgrundsätze“), die in der Vergangenheit die „Sicherheit von Nuklearanlagen“, „Strahlenschutz und die Sicherheit von Strahlenquellen“ sowie die „Grundsätze der Behandlung von radioaktivem Abfall“ behandelten, sind nun zu einer einzigen Publikation mit dem Titel „Objectives and Principles of Nuclear, Radiation, Radioactive Waste and Transport Safety“ (Ziele und Grundsätze der Sicherheit in den Bereichen Kernenergie, Strahlung, radioaktiver Abfall und Transport) geworden. Organisatorisch koordiniert das Amt für nukleare Sicherheit heute sowohl die Abteilung für die Sicherheit von Kernanlagen als auch die Abteilung für Strahlen- und Entsorgungssicherheit.

132.
    Aus Vorstehendem folgt, dass die Disziplinen „nukleare Sicherheit“ und „Strahlenschutz“ in den fünfziger Jahren noch weit auseinander lagen; erstere beschäftigte sich ausschließlich mit der technischen Sicherheit von Kernanlagen, letztere mit der Höchstbelastung und den Höchstdosen für Arbeitnehmer und die Bevölkerung. Heute besteht hingegen eine erhebliche Überschneidung von nuklearer Sicherheit und Strahlenschutz: Die nukleare Sicherheit hat nicht nur eine technologische, sondern auch eine Strahlenschutzkomponente, und der Strahlenschutz verfolgt das Ziel, Belastungen nach dem ALARA-Prinzip durch erhöhte Kontrolle von Strahlenquellen wie z. B. Kernanlagen zu begrenzen.

b)    Der „Gesundheitsschutz“ im EAG-Vertrag

133.
    Priorität der Verfasser des EAG-Vertrags war die Schaffung der notwendigen Erfordernissen für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien (Artikel 1 des Vertrages). Sie handelten jedoch auch in dem Bewusstsein, dass Arbeitnehmer und Bevölkerung vor den Gefahren, die von ionisierender Strahlung ausgehen, geschützt werden müssen.

134.
    Der Spaak-Bericht(53) sprach in diesem Zusammenhang von

-    gemeinsamen Mindestvorschriften für Kernanlagen sowie Lagerungs-, Transport- und Verarbeitungsbedingungen für Nuklearmaterial;

-    der Kontrolle der Sicherheit von Kernanlagen durch die Gemeinschaftsorgane;

-    der Notwendigkeit, geplante Anlagen der Gemeinschaft mitzuteilen, und der Möglichkeit für die Gemeinschaft, aus Gründen der Sicherheit Einwendungen gegen solche Anlagen vorzubringen mit der Folge, dass die Anlage nicht mit spaltbarem Material versorgt wird;

-    der täglichen Überprüfung von Kernanlagen durch die Mitgliedstaaten unter Aufsicht der Gemeinschaft.

135.
    Die Verfasser des Vertrages gaben der Gemeinschaft jedoch eingeschränktere Befugnisse(54):

-    Festsetzung von Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, definiert als die zulässigen Höchstdosen, die Höchstgrenze für die Aussetzung gegenüber schädlichen Einflüssen und für schädlichen Befall, die Grundsätze für die ärztliche Überwachung der Arbeitskräfte (Artikel 30 bis 32 des Vertrages);

-    Mitteilungs- und Konsultationspflichten für besonders gefährliche Versuche und Pläne zur Ableitung radioaktiver Stoffe (Artikel 34 und 37 des Vertrages);

-    indirekte Überwachung von Kernanlagen durch Zugang zu den Überwachungseinrichtungen (Artikel 35 des Vertrages);

-    Empfehlungen (Artikel 33 und 38 Absatz 1 des Vertrages) und rechtlich bindende Richtlinien in dringenden Fällen (Artikel 38 Absatz 2 des Vertrages).

136.
    Hieraus folgt, dass die Verfasser des Vertrages nicht den Willen hatten, der Gemeinschaft weitreichende Befugnisse hinsichtlich der nuklearen Sicherheit (nach dem Verständnis im Jahr 1957) einzuräumen und dass sie wollten, dass die Gemeinschaft hauptsächlich auf dem Gebiet des Strahlenschutzes (ebenfalls nach dem Verständnis im Jahre 1957) tätig wird.

137.
    Welche Folgen sollte diese historische Entscheidung heute haben?

138.
    Einerseits bin ich der Auffassung, dass trotz der oben dargestellten späteren Entwicklung der Disziplinen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes die Grundentscheidung der Verfasser des Vertrages respektiert werden muss. Die Mitgliedstaaten hatten eindeutig den Willen, die technologische Kontrolle über die sich auf ihrem Gebiet befindlichen Kernanlagen zu behalten. Nach derzeitigem Stand des Gemeinschaftsrechts haben sie daher meiner Ansicht nach die ausschließliche (oder praktisch die ausschließliche) Zuständigkeit im Bereich der technologischen Aspekte der nuklearen Sicherheit nach heutigem Verständnis. In dieser Hinsicht ist es bezeichnend, dass die Gemeinschaft nie Rechtsakte zu technologischen Aspekten der nuklearen Sicherheit erlassen hat und dass die hauptsächlichen Gemeinschaftsinstrumente auf diesem Gebiet zwei nicht bindende Beschlüsse des Rates sind(55). Es sollte jedoch im Auge behalten werden, dass die Gemeinschaft außerhalb ihres Gebiets, besonders in Mittel- und Osteuropa und den neuen unabhängigen Staaten, eine Vielzahl von Aktivitäten durchführt, die die technologische Seite der nuklearen Sicherheit betreffen und die, wo es erforderlich ist, auf Artikel 203 des EAG-Vertrags gestützt sind(56).

139.
    Andererseits bin ich der Meinung, dass die Gemeinschaft hinsichtlich der Aspekte des Strahlenschutzes im Bereich der nuklearen Sicherheit gewisse - wenn auch beschränkte - Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt. Dies ergibt sich nach meiner Ansicht aus einer Auslegung der Artikel 30 bis 39 des Vertrages, bei der Folgendes berücksichtigt wird:

-    der Zweck dieser Bestimmungen;

-    die Möglichkeit, gemäß Artikel 32 des Vertrages die Grundnormen zu überprüfen und zu ergänzen;

-    die Entwicklung des wissenschaftlichen und völkerrechtlichen Hintergrunds dieser Artikel im Laufe der Zeit;

-    die Praxis ihrer Anwendung;

-    die Rechtsprechung des Gerichtshofes.

140.
    Hinsichtlich der Ziele des Vertrages stellt die Präambel ziemlich allgemein fest, dass die Mitgliedstaaten in dem Bestreben handelten, die Sicherheiten zu schaffen, die erforderlich sind, um alle Gefahren für das Leben und die Gesundheit ihrer Völker auszuschließen. Gemäß Artikel 2 Buchstabe b des Vertrages hat die Gemeinschaft nicht nur einheitliche Sicherheitsnormen aufzustellen, sondern auch für ihre Anwendung zu sorgen. Der Vertrag nimmt auch wiederholt auf die Sicherheit Bezug und lässt der effektiven Durchführung, Anwendung und Erfüllung der entsprechenden Bestimmungen zentrale Bedeutung zukommen. Der Gesundheitsschutz war also immer ein wichtiges Anliegen des Vertrages, auch wenn die Gefahren, die von Kernanlagen ausgehen, den Verhandlungspartnern wie auch der Allgemeinheit zu der Zeit, als der EAG-Vertrag ausgearbeitet wurde, zweifellos weniger bewusst waren (57).

141.
    Gemäß Artikel 32 des Vertrages können die Grundnormen nicht nur überprüft, sondern auch ergänzt werden. Die Verfasser des Vertrages wollten demnach sicherstellen, dass die Gemeinschaft in der Lage ist, nicht nur ihre Gesundheits- und Sicherheitspolitik zu ändern, sondern auch deren Anwendungsbereich auszudehnen.

142.
    Auf der Grundlage der Artikel 31 und 32 des Vertrages wurden die Grundnormen vielfach geändert(58), um der Entwicklung der wissenschaftlichen Kenntnisse auf dem Gebiet des Strahlenschutzes Rechnung zu tragen(59). Einige der wesentlichen Punkte der heute geltenden Richtlinie über die Grundnormen betreffen die Strahlenschutzaspekte der nuklearen Sicherheit. Sie enthalten:

-    ein System der Meldepflicht und der vorherigen Genehmigung für bestimmte Tätigkeiten wie den Betrieb und die Stilllegung jeder Anlage des nuklearen Brennstoffkreislaufs (z. B. Kernanlagen), um die Einhaltung der Grundnormen zu gewährleisten (neunte Begründungserwägung und Artikel 3 bis 5);

-    Rechtfertigung der Exposition: alle neuen Tätigkeitskategorien bzw. Tätigkeitsarten (z. B. der Betrieb einer Kernanlage), bei denen es zu einer Exposition durch ionisierende Strahlen kommt, müssen vor ihrer erstmaligen Genehmigung bzw. Zulassung durch Abwägung ihres wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Nutzens gegenüber der möglicherweise von ihnen ausgehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung gerechtfertigt werden (zehnte Begründungserwägung und Artikel 6 Absätze 1 und 2);

-    Optimierung des Schutzes: die Expositionen müssen stets so niedrig gehalten werden, wie dies unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Faktoren möglich und vertretbar ist (zehnte Begründungserwägung und Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a);

-    Dosisbegrenzungen: die Summe der Dosen aus allen relevanten Tätigkeiten darf bestimmte Dosisgrenzwerte nicht übersteigen (zehnte Begründungserwägung und Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b);

-    die Verwendung quellenbezogener Dosisbeschränkungen zur Optimierung des Strahlenschutzes; d. h. Beschränkungen der voraussichtlichen Dosen für Einzelpersonen, die aus einer bestimmten Strahlenquelle resultieren können, die im Planungsstadium der Strahlenquelle angewandt wird (Artikel 7 und Definition in Artikel 1);

-    Grundsätze des operationellen Schutzes der Bevölkerung unter normalen Bedingungen, die von den Mitgliedstaaten die Schaffung eines Überwachungssystem zur Kontrolle des Strahlenschutzes der Bevölkerung und der Einhaltung der Grundnormen erfordern (dreizehnte Begründungserwägung und Artikel 43 bis 46);

-    die Begriffe der potenziellen Exposition und der Vorbereitung auf Notstandssituationen (vierzehnte Begründungserwägung und Artikel 48 bis 53).

143.
    Nach dem Nuklearunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 ergänzte der Rat die Richtlinie über die Grundnormen zudem durch mehrere Maßnahmen, die entweder nur auf Artikel 31 oder auf die Artikel 31 und 32 des Vertrages gestützt sind und die Bereiche umfassen, die die Verfasser des Vertrages höchstwahrscheinlich nicht im Auge hatten. Die Maßnahmen betreffen z. B.:

-    den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation(60);

-    die Unterrichtung der Bevölkerung über die bei einer radiologischen Notstandssituation geltenden Verhaltensmaßregeln und zu ergreifenden Gesundheitsschutzmaßnahmen(61);

-    die Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls(62);

              

-    den Schutz externer Arbeitskräfte, die einer Gefährdung durch ionisierende Strahlungen beim Einsatz im Kontrollbereich ausgesetzt sind(63);

-    die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen, in die Gemeinschaft und aus der Gemeinschaft(64);

-    die Verbringung radioaktiver Stoffe zwischen den Mitgliedstaaten(65).

144.
    Meiner Ansicht nach folgt aus der wissenschaftlichen und völkerrechtlichen Entwicklung, dass die Definition des Begriffes „Grundnormen“ in Artikel 30 Absatz 2 des Vertrages nicht als Grundlage für die Bestimmung des aktuellen Anwendungsbereichs der Artikel 30 bis 32 des Vertrages herangezogen werden kann. Wie ich bereits festgestellt habe, gingen die Strahlenschutzfachleute bei der Abfassung des Vertrages noch davon aus, dass eine Strahlenexposition unterhalb bestimmter Höchstdosen keinerlei schädliche Wirkung haben würde(66). Daher ist es verständlich, dass die Verfasser des Vertrages die Grundnormen in Artikel 30 Absatz 2 des Vertrages als zulässige Höchstdosen oder Höchstgrenze für die Aussetzung gegenüber schädlichen Einflüssen und für schädlichen Befall definierten.

145.
    Heute jedoch steht fest, dass die stochastischen Folgen von Strahlung nur begrenzt werden können, wenn die Strahlenexposition optimiert und so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar gehalten wird. Die ICP richtet ihr Augenmerk deshalb vornehmlich auf die „Optimierung der Exposition“. Spiegelt der Wortlaut einer Vorschrift des Vertrages notwendig den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum damaligen Zeitpunkt wider und hat sich dieser Kenntnisstand entwickelt, wäre es meiner Ansicht nach falsch, diesem Wortlaut eine zu große Bedeutung beizumessen. Deshalb war es völlig gerechtfertigt, dass der Rat und die Kommission der Entwicklung des wissenschaftlichen Kenntnisstands auf dem Gebiet des Strahlenschutzes folgten und ihn übernahmen, als sie die Grundnormen im Laufe der Jahre überprüften und ergänzten.

146.
    Viertens zeigt die übereinstimmende und beständige Praxis der Mitgliedstaaten (hauptsächlich durch den Rat) und der Gemeinschaftsorgane (hauptsächlich Kommission und Rat), die sich in der oben aufgeführten Rechtsetzung und insbesondere in der Richtlinie über die Grundnormen widerspiegelt, einen Konsens darüber, dass die Gemeinschaft eine Zuständigkeit hinsichtlich der Aspekte der nuklearen Sicherheit hat, die den Strahlenschutz betreffen.

147.
    Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof im Rahmen des EG-Vertrags festgestellt hat, dass eine bloße Praxis die Bestimmungen des Vertrages nicht überspielen könne(67). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Auslegung des EAG-Vertrags, und meiner Ansicht nach gibt es gute Gründe für den Gerichtshof, die Artikel 30 bis 39 des Vertrages unter Berücksichtigung der späteren Praxis und insbesondere der Richtlinie über die Grundnormen auszulegen.

148.
    Die Auslegung unter Berücksichtigung der späteren Praxis ist ein gemeinsames Merkmal der Auslegung internationaler Verträge(68) und einzelstaatlicher Verfassungen. Eine Auslegung unter Berücksichtigung der späteren Praxis ist dann in besonderem Maß gerechtfertigt und angebracht, wenn die Abfassung der fraglichen Bestimmungen lange zurückliegt, wenn sie seither nicht geändert wurden und wenn eine gemeinsame und dauerhafte Praxis aller Handelnden, die zur Auslegung, Anwendung und Änderung der betreffenden Bestimmungen befugt sind, besteht.

149.
    Es muss daran erinnert werden, dass der EAG-Vertrag vor mehr als 40 Jahren verfasst wurde, also zu einer Zeit, als die Erkenntnisse über die Kernenergie und ihre wirtschaftlichen Aussichten sich von den heutigen stark unterschieden. Es muss auch berücksichtigt werden, dass trotz dieses unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kontexts die wesentlichen Bestimmungen des Vertrages nicht geändert wurden. Nicht nur das Kapitel Gesundheitsschutz, sondern auch verschiedene andere Kapitel des EAG-Vertrags wie die Kapitel „Versorgung“ (Artikel 52 bis 76) oder „Sicherheit“ (Artikel 77 bis 85) können ohne eine Untersuchung der Praxis ihrer Anwendung nicht angemessen ausgelegt oder verstanden werden(69).

150.
    Schließlich wird der Vorschlag einer weiten Auslegung der Artikel 30 ff. des Vertrages durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigt. In der Rechtssache Saarland u. a., bei der es um das Kernkraftwerk Cattenom in Frankreich ging, hatte der Gerichtshof festgestellt, dass diese Bestimmungen „eine systematisch gegliederte Gesamtregelung bilden, durch die der Kommission relativ weitgehende Befugnisse zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt gegen die Risiken einer radioaktiven Verseuchung eingeräumt werden“(70). In der Rechtssache Parlament/Rat, in der es um die Verordnung Nr. 3954/87 ging(71), wies der Gerichtshof die vom Parlament vorgeschlagene restriktive Auslegung zurück und erklärte, die Artikel 30 ff. des Vertrages zielten darauf ab, einen „lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung“ gegen die Gefahren durch Strahlungen sicherzustellen, „ungeachtet der Strahlungsquelle und unabhängig davon, welche Personengruppen diesen Strahlungen ausgesetzt“ seien(72).

151.
    Die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der streitigen Artikel des Übereinkommens muss anhand dieser allgemeinen Überlegungen beurteilt werden.

6.    Der Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft in den von dem Übereinkommen erfassten Bereichen

152.
    Gemäß Artikel 101 Absatz 1 des Vertrages kann die Gemeinschaft „im Rahmen ihrer Zuständigkeit“ internationale Abkommen schließen. Die externe Zuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft geht daher genauso weit wie ihre interne Zuständigkeit. Die Europäische Atomgemeinschaft hat mit anderen Worten die Befugnis, internationalen Übereinkommen über alle Angelegenheiten, bei denen sie auf internationaler Ebene handeln kann, beizutreten(73).

153.
    Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens verpflichtet die Gemeinschaft zur Angabe des Umfangs ihrer Zuständigkeit in dem von den auf sie anwendbaren Artikeln geregelten Bereich. Dies bedeutet, dass die Gemeinschaft alle Artikel des Übereinkommens angeben muss, in deren Bereich sie die Befugnis hat, die durch diese Artikel begründeten Rechte und Pflichten wahrzunehmen und zu erfüllen(74). Mit dieser Verpflichtung wird vornehmlich der Zweck verfolgt, gegenüber den anderen vertragsschließenden Parteien die Bestimmungen des Übereinkommens anzugeben, die die Gemeinschaft erfüllen muss. In dieser Hinsicht geht aus Artikel 4 des Übereinkommens hervor, dass die Gemeinschaft nicht nur ihre Befugnisse zum Erlass von Gesetzes-, Verordnungs- und Verwaltungsmaßnahmen berücksichtigen muss, sondern auch ihre Befugnis, sonstige Schritte zu unternehmen.

154.
    Beide Parteien sind sich über die geeignete Vorgehensweise einig, nämlich darüber, dass mit den Pflichten (oder Rechten), die sich aus den streitigen Bestimmungen des Übereinkommens ergeben, begonnen und dann untersucht werden sollte, ob die Gemeinschaft die Befugnis hat, diese Verpflichtungen zu erfüllen (oder diese Rechte auszuüben).

155.
    Beide Parteien stimmen auch darin überein, dass die Gemeinschaft eine Bestimmung des Übereinkommens unabhängig davon in ihre Erklärung aufnehmen muss, ob sie insoweit eine ausschließliche oder eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit hat. Eine Bestimmung des Übereinkommens muss daher in die Erklärung aufgenommen werden, selbst wenn die Gemeinschaft die Zuständigkeit zur Durchführung mit den Mitgliedstaaten teilt und selbst wenn die Befugnis der Gemeinschaft nur darin besteht, bestimmte sonstige Schritte im Sinne von Artikel 4 des Übereinkommens zu unternehmen, die für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen erforderlich sind.

156.
    Die Parteien streiten hingegen über die damit im Zusammenhang stehende, aber davon zu unterscheidende Frage, ob die Rechtsnatur der Zuständigkeit der Gemeinschaft gegenüber dritten Parteien offen gelegt werden muss. Der Rat ist der Ansicht, dass Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii die Gemeinschaft verpflichtet, in jedem einzelnen Fall nicht nur den Artikel anzugeben, in dessen Bereich sie zuständig ist, sondern auch, ob die Gemeinschaft die fragliche Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt. Die Kommission wendet hiergegen ein, dass nach der zitierten Passage in dem Beschluss 1/78(75) die anderen Vertragsparteien kein Recht hätten, zu erfahren, ob die Gemeinschaft überhaupt eine Zuständigkeit habe.

157.
    Da es der Gemeinschaft durch nichts verwehrt ist, die anderen Vertragsparteien über die Rechtsnatur der Zuständigkeit der Gemeinschaft zu unterrichten, und da die Kommission diesen Aspekt der streitigen Erklärung nicht förmlich anficht, ist es nicht notwendig, diese Frage weiterzuverfolgen. Wenn es nicht eindeutig ist, ob eine Erklärung zur Rechtsnatur der (ausschließlichen oder geteilten) Zuständigkeit der Gemeinschaft erforderlich ist, erscheint es mir angebracht, der Empfehlung des Gerichtshofes in dem Beschluss 1/78 zu folgen und diese Frage als interne Angelegenheit zu betrachten.

a)    Die Artikel 1 bis 3 des Übereinkommens

158.
    Artikel 1 listet die Ziele des Übereinkommens auf, Artikel 2 bestimmt die Begriffe „Kernanlage“, „staatliche Stelle“ und „Genehmigung“, und Artikel 3 definiert den Anwendungsbereich des Übereinkommens.

159.
    Mit dem Rat bin ich der Ansicht, dass diese Bestimmungen „neutral“ sind, soweit sie weder Rechte noch Pflichten begründen. Sie werfen keine Zuständigkeitsfragen auf, so dass eine Abgrenzung von Zuständigkeit keinen Nutzen hätte.

b)    Die Artikel 4 und 5 des Übereinkommens

160.
    Artikel 4 verpflichtet jede Vertragspartei, die Durchführungsmaßnahmen zu treffen, die nach dem Übereinkommen erforderlich sind. Artikel 5 verpflichtet jede Vertragspartei, vor jeder Überprüfungstagung einen Bericht über die von ihr getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung jeder einzelnen Verpflichtung aus dem Übereinkommen vorzulegen.

161.
    Mit dem Rat bin ich der Ansicht, dass die in den Artikeln 4 und 5 enthaltenen Verpflichtungen ihrer Natur nach allgemeiner Art und per definitionem auf alle Vertragsparteien einschließlich der Organisationen, auf die Artikel 30 Absatz 4 Bezug nimmt, anwendbar sind. Diese Artikel erfordern deshalb keine Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten.     

c)    Artikel 7 des Übereinkommens

162.
    Artikel 7 Absatz 1 des Übereinkommens verpflichtet die Vertragsparteien, einen Rahmen für Gesetzgebung und Vollzug zur Regelung der Sicherheit der Kernanlagen zu schaffen und diesen aufrechtzuerhalten.

163.
    Gemäß Artikel 7 Absatz 2 sieht der Rahmen für Gesetzgebung und Vollzug Folgendes vor:

i)    die Schaffung einschlägiger innerstaatlicher Sicherheitsvorschriften und -regelungen;

ii)    ein Genehmigungssystem für Kernanlagen und das Verbot des Betriebs einer Kernanlage ohne Genehmigung;

iii)    ein System für behördliche Prüfung und Beurteilung von Kernanlagen, um feststellen zu können, ob die einschlägigen Bestimmungen und Genehmigungsbestimmungen eingehalten werden;

iv)    die Durchsetzung der einschlägigen Bestimmungen und Genehmigungsbestimmungen, einschließlich Aussetzung, Änderung oder Widerruf.

164.
    Die Kommission ist der Auffassung, dass die Gemeinschaft aufgrund der Artikel 2 Buchstabe b, 30, 31, 32 und 35 des Vertrages und der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a, 38 Absatz 1 und 46 sowie Titel VI der Richtlinie über die Grundnormen in diesen Bereichen Zuständigkeit besitze.

165.
    Der Rat ist er Ansicht, dass das Vorbringen der Kommission einen grundlegenden Fehler aufweise. Während das allgemeine Ziel des Vertrages und des Übereinkommens, der Schutz vor den schädlichen Folgen von Strahlung, ähnlich sein möge, seien die Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels sehr unterschiedlich. Während sich das Übereinkommen mit der Sicherheit von Kernanlagen als solcher beschäftige, beträfen die Gemeinschaftsmaßnahmen lediglich die Festlegung von Mindestanforderungen für den Schutz der Bevölkerung vor den von ionisierender Strahlung ausgehenden Gefahren. Der Vertrag ermächtige die Gemeinschaft folglich nur, den Mitgliedstaaten die Pflicht zum Erreichen bestimmter Ergebnisse aufzuerlegen, nicht aber, festzulegen, wie diese Ergebnisse zu erreichen seien und insbesondere nicht, wie Kernanlagen zu planen und zu betreiben seien.

166.
    Meiner Ansicht nach muss zuerst berücksichtigt werden, dass, wenn auch ionisierende Strahlung nicht nur von Kernanlagen ausgeht, alle Kernanlagen eine potenzielle Quelle ionisierender Strahlung sind und deshalb zwangsläufig für den Strahlenschutz von Belang sind. Im Gemeinschaftsrecht gibt es keine Vorschrift, die Kernanlagen vom Anwendungsbereich des Strahlenschutzes ausnimmt. Zweitens ist es zutreffend, dass sowohl der Vertrag als auch das Übereinkommen in ihrem jeweiligen Rahmen davon ausgehen, dass jede nukleare Aktivität ein potenzielles Strahlungsrisiko für die Bevölkerung in sich birgt. Auch wenn ihre Anwendungsbereiche nicht übereinstimmen, überschneiden sie sich doch erheblich. Angesichts des heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstands ist es weder möglich noch wünschenswert, künstliche Barrieren zwischen den Disziplinen des Strahlenschutzes und der nuklearen Sicherheit aufrechtzuerhalten. Vom rechtlichen Standpunkt her ist es ebenfalls offensichtlich, dass moderne Strahlenschutzsysteme wie die Richtlinie über die Grundnormen immer mehr an den Strahlenquellen orientiert sind und daher notwendig auch Aspekte der Sicherheit von Anlagen regeln. Umgekehrt folgen moderne Systeme der Sicherheitsgesetzgebung einem integrierten Ansatz und regeln auch strahlenschutzbezogene Aspekte der Sicherheit (z. B. Artikel 15 des Übereinkommens).

167.
    Deshalb bin ich der Ansicht, dass die Gemeinschaft eine gewisse begrenzte Regelungszuständigkeit für die in Artikel 7 des Übereinkommens geregelte Materie hat, die aus den Artikeln 2 Buchstabe b, 30, 31 und 32 des Vertrages in seiner heutigen Auslegung hervorgeht. Von dieser Regelungszuständigkeit wird beispielsweise durch die Artikel 3 bis 5 (Anmeldung und Genehmigung) und die Artikel 43 bis 47 (Durchführung des Schutzes der Bevölkerung vor Strahlen unter normalen Bedingungen) der Richtlinie über die Grundnormen Gebrauch gemacht. Der Umstand, dass sich die Mitgliedstaaten ausschließliche Zuständigkeit über die technologischen Aspekte der nuklearen Sicherheit vorbehalten, hindert die Kommission nicht daran, Rechtsakte zu erlassen, durch die bestimmte Sicherheitsanforderungen, Genehmigungserfordernisse, Überwachungs- und Beratungsanforderungen und Durchführungsmechanismen eingeführt werden.

168.
    Der Rat bringt im Einzelnen Folgendes vor:

-    Er habe sich im zweiten Abschnitt der Erklärung auf Artikel 7 Absatz 1 bezogen;

-    Artikel 7 Absatz 2 Ziffer i sei nicht auf die Gemeinschaft anwendbar, da er sich auf innerstaatliche Sicherheitsvorschriften und -regelungen beziehe und deshalb nur Staaten betreffe;

-    Artikel 7 Absatz 2 Ziffern ii bis iv sei nicht auf die Gemeinschaft anwendbar, da der EAG-Vertrag der Gemeinschaft nicht die Verantwortung für die Genehmigung von Kernanlagen übertrage;

-    die Zuständigkeit der Gemeinschaft könne nicht aus einer Vorschrift der Richtlinie über die Grundnormen abgeleitet werden, da diese Richtlinie als Ganzes nur auf „Tätigkeiten“, nicht aber auf „Anlagen“ anwendbar sei;

-    jedenfalls könne die Zuständigkeit der Gemeinschaft nicht aus Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie abgeleitet werden, der nur eine Nebenbestimmung sei und zudem gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie erheblichen Ausnahmen unterliege.

169.
    Zu diesen spezifischen Argumenten bin ich folgender Ansicht:

-    Absatz 2 der Erklärung ist im vorliegenden Fall nicht streitig;

-    aus Artikel 30 Absatz 4 Ziffer ii folgt, dass regionale Organisationen alle Verpflichtungen erfüllen müssen, die das Übereinkommen den Staaten auferlegt, die ihm angehören; das Vorbringen des Rates, Artikel 7 Absatz 2 Ziffer i betreffe nur Staaten, geht daher fehl;

-    in Bezug auf Artikel 7 Absatz 2 Ziffern ii bis iv bedeutet der Umstand, dass die Gemeinschaft (angeblich) keine Befugnisse im Zusammenhang mit der Genehmigung einzelner Kernanlagen hat, nicht, dass sie keine Gesetzgebungsbefugnisse für die Einführung eines von den Mitgliedstaaten anzuwendenden Genehmigungsverfahren hat;

-    Kernanlagen im Sinne des Übereinkommens fallen nicht aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie über die Grundnormen heraus; diese Richtlinie ist auf alle Tätigkeiten anwendbar, die die Gefahr einer von einer künstlichen oder natürlichen Strahlenquelle ausgehenden Strahlung mit sich bringen, und damit u. a. auf Herstellung, Bearbeitung, Handhabung, Verwendung, Besitz, Lagerung und Beförderung radioaktiver Stoffe (Artikel 2 Absatz 1); „Strahlenquelle“ ist zudem ausdrücklich definiert als Apparat, radioaktiver Stoff oder Anlage, die die Fähigkeit haben, ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe auszusenden (Artikel 1);

-    Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie über die Grundnormen macht den Betrieb und die Stilllegung jeder Anlage des nuklearen Brennstoffkreislaufs von einer vorherigen Genehmigung abhängig;

170.
    Artikel 7 hätte demzufolge in die Erklärung aufgenommen werden müssen.

d)    Artikel 14 des Übereinkommens

171.
    Gemäß Artikel 14 müssen die Vertragsparteien die geeigneten Maßnahmen treffen, um sicherzustellen,

i)    dass umfassende und systematische Sicherheitsbewertungen sowohl vor dem Bau und der Inbetriebnahme einer Kernanlage als auch während ihrer gesamten Lebensdauer vorgenommen werden;

ii)    dass Nachprüfungen durch Analyse, Überwachung, Erprobung und Prüfung des physischen Zustands und des Betriebs der Kernanlage vorgenommen werden.

172.
    Die Kommission vertritt die Ansicht, die Gemeinschaft habe aufgrund der Artikel 35, 36 und 38 des Vertrages sowie der Artikel 44, 38 und 46 der Richtlinie über die Grundnormen Zuständigkeit für diese Bereiche.

173.
    Der Rat trägt Folgendes vor:

-    Er habe sich im zweiten Abschnitt der Erklärung auf Artikel 14 Ziffer ii bezogen, da die Gemeinschaft Befugnisse hinsichtlich der Überwachung der fortlaufenden Erfüllung der Sicherheitserfordernisse habe;

-    er habe sich nicht auf Artikel 14 Ziffer i bezogen, da keine Vorschrift des Vertrages die Gemeinschaft ermächtige, Bewertungen vor dem Bau und der Inbetriebnahme einer Kernanlage durchzuführen;

-    Artikel 35 des Vertrages ermächtige die Gemeinschaft zur Nachprüfung von Überwachungseinrichtungen, nicht aber von Kernanlagen;

-    das Initiativrecht und die Kontrollbefugnisse der Gemeinschaft gemäß Artikel 30 ff. des Vertrages umfassten nicht Nuklearanlagen.

174.
    Nach meiner Auffassung hat die Gemeinschaft nach den Artikeln 2 Buchstabe b und 30 bis 32 des Vertrages - wenn auch beschränkte - Regelungsbefugnisse in den von Artikel 14 des Übereinkommens erfassten Bereichen, die beispielsweise mit den Artikeln 44, 38 und 46 der Richtlinie über die Grundnormen ausgeübt wurden. Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe a dieser Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Pläne für Anlagen sowie die Standortplanung für derartige Anlagen in dem betreffenden Gebiet zu prüfen und zu genehmigen. Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe b verpflichtet sie, solche Anlagen nur dann abzunehmen, wenn ein geeigneter Schutz besteht, und die Artikel 38 Absatz 1 und 46 Absatz 1 verpflichten sie, zum Gesundheitsschutz der exponierten Arbeitnehmer und der Bevölkerung ein Inspektionssystem zu schaffen.

175.
    Gemäß Artikel 37 des Vertrages (in der Auslegung des Gerichtshofes im Urteil Saarland(76)) und Artikel 38 des Vertrages hat die Gemeinschaft auch eigene Befugnisse zur Überwachung von Kernanlagen, die sich teilweise mit den von Artikel 14 des Übereinkommens geregelten Materien überschneiden(77).

176.
    Hinsichtlich der spezifischen Argumente des Rates bin ich folgender Auffassung:

-    Absatz 2 der Erklärung ist im vorliegenden Fall nicht streitig;

-    die Tatsache, dass die Gemeinschaft (angeblich) keine Befugnisse hat, vor dem Bau Bewertungen vorzunehmen und Kernanlagen abzunehmen, bedeutet nicht, dass sie keine Gesetzgebungsbefugnisse hat, um die Mitgliedstaaten zu verpflichten, ein derartiges System der vorherigen Bewertung einzuführen; Artikel 14 Ziffer i des Übereinkommens bezieht sich darüber hinaus nicht nur auf die Bewertung vor dem Bau, sondern auch auf die Bewertung während der Lebensdauer einer Kernanlage;

-    es trifft zu, dass gemäß Artikel 35 Absatz 2 die Kommission nur die Befugnis hat, Überwachungseinrichtungen zu kontrollieren, dieser Umstand aber in keiner Weise ihre Regelungsbefugnisse für die Bewertung oder die Überprüfung durch die Mitgliedstaaten oder ihre eigenen Überwachungsbefugnisse gemäß den Artikeln 37 und 38 des Vertrages berührt;

-    nichts weist darauf hin, dass Kernanlagen als potenzielle Quellen ionisierender Strahlung als solche außerhalb des Anwendungsbereichs von den Artikeln 30 ff. des Vertrages stehen.

177.
    Artikel 14 hätte demnach in die Erklärung aufgenommen werden müssen.

e)    Die Artikel 15 und 16 Absatz 2 des Übereinkommens

178.
    Die Artikel 15 und 16 Absatz 2 wurden in die Erklärung aufgenommen und sind nicht streitig. Dennoch erscheint es von Nutzen, ihren Inhalt in Erinnerung zu rufen. Gemäß Artikel 15 trifft jede Vertragspartei die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die von einer Kernanlage ausgehende Strahlenbelastung für die Beschäftigten und die Öffentlichkeit in sämtlichen Betriebsphasen so gering wie vernünftigerweise erzielbar gehalten wird und dass niemand einer Strahlendosis ausgesetzt wird, welche die innerstaatlich vorgeschriebenen Grenzwerte überschreitet.

179.
    Gemäß Artikel 16 Absatz 2 trifft jede Vertragspartei die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ihre eigene Bevölkerung und die zuständigen Behörden der Staaten in der Nachbarschaft einer Kernanlage, soweit sie von einem strahlungsbedingten Notfall betroffen sein könnten, die entsprechenden Informationen für die Notfallplanung und -bekämpfung erhalten.

f)    Artikel 16 Absätze 1 und 3 des Übereinkommens

180.
    Gemäß Artikel 16 Absatz 1 des Übereinkommens trifft jede Vertragspartei die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Notfallpläne sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kernanlage zur Verfügung stehen, die regelmäßig erprobt werden und die im Notfall zu ergreifenden Maßnahmen enthalten.

181.
    Gemäß Artikel 16 Absatz 3 treffen Vertragsparteien, die in ihrem Gebiet keine Kernanlage haben, jedoch von einem radiologischen Notfall in einer benachbarten Kernanlage betroffen sein könnten, die geeigneten Maßnahmen zur Vorbereitung und Erprobung von Notfallplänen für ihr Gebiet, welche die in einem solchen Notfall zu ergreifenden Maßnahmen enthalten.

182.
    Die Kommission vertritt die Ansicht, dass die Gemeinschaft in den von Artikel 16 Absätze 1 und 3 des Übereinkommens erfassten Bereichen aufgrund der Artikel 2 Buchstabe b und 30 bis 32 des Vertrages und Artikel 50 der Richtlinie über die Grundnormen Zuständigkeit besitze.

183.
    Der Rat meint, Artikel 16 Absatz 1 betreffe Anlagen und der EAG-Vertrag habe den Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit hinsichtlich der Anlagen belassen. Die Ausarbeitung von Notfallplänen falle daher in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Artikel 50 der Richtlinie über die Grundnormen sei eine Nebenvorschrift, die lediglich bestimme, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der Strahlenkontrolle Maßnahmen ergreifen und zusammenarbeiten. Der Rat behauptet auch, dass Artikel 16 Absatz 3 des Übereinkommens nicht die Gemeinschaft betreffe, da die Gemeinschaft eine Vertragspartei sei, die Nuklearanlagen im Gebiet ihrer Mitgliedstaaten habe.

184.
    Ich bin der Auffassung, dass die Notfallplanung einer der Bereiche ist, in dem sich Fragen der Anlagensicherheit und des Strahlenschutzes überschneiden. Notfallpläne für Kernanlagen können Aspekte des Strahlenschutzes nicht außer Acht lassen. Umgekehrt können Notfallpläne zum Schutz der Bevölkerung nicht abstrakt erarbeitet werden, ohne hierbei die technologischen und physikalischen Merkmale möglicher konkreter Notfälle zu berücksichtigen. Die Gemeinschaft hat folglich gemäß den Artikeln 2 Buchstabe b und 30 bis 32 des Vertrages Regelungsbefugnisse zum Erlass von Grundnormen für die Vorbereitung verschiedener Arten von Notfallmaßnahmen, die die Befugnis einschließen, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, Notfallpläne für Kernanlagen aufzustellen. Diese Befugnisse werden z. B. durch Artikel 50 der Richtlinie über die Grundnormen ausgeübt, der den Mitgliedstaaten die rechtlich bindende Verpflichtung auferlegt, u. a. sicherzustellen, dass Interventionspläne auf gesamtstaatlicher oder örtlicher Ebene sowie für das Innere der Anlagen aufgestellt werden.

185.
    Das Argument des Rates in Bezug auf Artikel 16 Absatz 3 des Übereinkommens ist nicht stichhaltig, da es den Umstand nicht berücksichtigt, dass die Gemeinschaft aus Mitgliedstaaten mit und ohne Kernanlagen in ihrem Staatsgebiet besteht. Bei der Festlegung von Grundnormen im Bereich der Notfallplanung berücksichtigt die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten, in deren Gebiet sich keine Anlagen befinden. Artikel 50 Absatz 1 der Richtlinie über die Grundnormen verpflichtet die Mitgliedstaaten z. B., dafür zu sorgen, dass dem Umstand Rechnung getragen wird, dass radiologische Notstandssituationen im Rahmen von Tätigkeiten innerhalb und außerhalb ihres Hoheitsgebiets auftreten und dieses berühren können. Die Gemeinschaft muss daher Artikel 16 Absatz 3 insofern beachten, als sie Maßnahmen erlässt, die diejenigen Mitgliedstaaten betreffen, in deren Gebiet sich keine Kernanlagen befinden.

186.
    Artikel 16 Absätze 1 und 3 hätte demnach in die Erklärung aufgenommen werden müssen.

g)    Die Artikel 17, 18 und 19 des Übereinkommens

187.
    Gemäß Artikel 17 trifft jede Vertragspartei die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass geeignete Verfahren geschaffen und angewandt werden,

i)    um die Bewertung aller standortbezogenen einschlägigen Faktoren zu ermöglichen, welche die Sicherheit einer Kernanlage während ihrer vorgesehenen Lebensdauer beeinträchtigen könnten;

ii)    um die Bewertung der mutmaßlichen Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit einer vorgesehenen Kernanlage auf den Einzelnen, die Gesellschaft und die Umwelt zu ermöglichen;

iii)    um, soweit notwendig, die Neubewertung aller einschlägigen Faktoren zu ermöglichen, damit die Sicherheitsakzeptanz gewährleistet bleibt;

iv)    um Konsultationen mit Vertragsparteien in der Nachbarschaft einer vorgesehenen Kernanlage aufnehmen zu können, soweit sie durch diese Anlage betroffen sein könnten, und um die Übermittlung der notwendigen Informationen an solche Vertragsparteien auf deren Verlangen zu ermöglichen, damit diese die mutmaßlichen Auswirkungen auf die Sicherheit ihres Gebiets selbst beurteilen und eigene Bewertungen vornehmen können.

188.
    Zu Artikel 17 des Übereinkommens trägt die Kommission vor, die Gemeinschaft habe Zuständigkeit aufgrund der Artikel 2 Buchstabe b, 30 bis 32 und 37 des Vertrages sowie des Artikels 44 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie über die Grundnormen. Die Kommission nimmt auch Bezug auf die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten(78) in der durch die Richtlinie 97/11/EG(79) geänderten Fassung, nach der „Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren“ einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen.

189.
    Gemäß Artikel 18 trifft jede Vertragspartei die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen,

i)    dass die Auslegung und der Bau einer Kernanlage mehrere zuverlässige Ebenen und Methoden zum Schutz (in die Tiefe gestaffelte Abwehr) gegen die Freisetzung radioaktiven Materials vorsehen;

ii)    dass sich die bei der Auslegung und dem Bau einer Kernanlage eingesetzten Techniken durch Erfahrung beziehungsweise durch Erprobung oder Analyse bewährt haben;

iii)    dass die Auslegung einer Kernanlage den zuverlässigen, beständigen und leicht zu handhabenden Betrieb ermöglicht.

190.
    Hinsichtlich Artikel 19 des Übereinkommens trägt die Kommission vor, dass bei Auslegung und Bau einer Kernanlage sichergestellt sein müsse, dass sie in Übereinstimmung mit den Grundnormen betrieben werden könne. In dieser Hinsicht müssten z. B. die Bestimmungen des Artikels 18 (Einteilung und Abgrenzung der Strahlenschutzbereiche), der Artikel 9 und 13 (Dosisgrenzwerte für Arbeitskräfte), Artikel 43 (Durchführung des Schutzes der Bevölkerung) und Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie über die Grundnormen berücksichtigt werden.

191.
    Gemäß Artikel 19 trifft jede Vertragspartei die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen,

i)    dass die Erlaubnis für den Betriebsbeginn einer Kernanlage auf einer geeigneten Sicherheitsanalyse und einem Programm zur Inbetriebnahme beruht;

ii)    dass die betrieblichen Grenzwerte und Bedingungen festgelegt und bei Bedarf überarbeitet werden, um die Grenzen eines sicheren Betriebs festzustellen;

iii)    dass Betrieb, Wartung, Inspektion und Erprobung einer Kernanlage in Übereinstimmung mit genehmigten Verfahren erfolgen;

iv)    dass Verfahren festgelegt sind, um auf mögliche Betriebsstörungen und Unfälle zu reagieren;

v)    dass die notwendige ingenieurtechnische und technische Unterstützung in allen sicherheitsbezogenen Bereichen während der gesamten Lebensdauer der Kernanlage zur Verfügung steht;

vi)    dass für die Sicherheit bedeutsame Ereignisse vom Inhaber der entsprechenden Genehmigung der staatlichen Stelle rechtzeitig gemeldet werden;

vii)    dass Programme zur Sammlung und Analyse von Betriebserfahrungen aufgestellt werden, die erzielten Ergebnisse und Schlussfolgerungen als Grundlage des Handelns dienen und wichtige Erfahrungen mit internationalen Gremien, anderen Betreiberorganisationen und staatlichen Stellen ausgetauscht werden;

viii)    dass die Erzeugung radioaktiven Abfalls auf das mögliche Mindestmaß beschränkt wird.

192.
    Hinsichtlich des Artikels 19 des Übereinkommens bringt die Kommission vor, die Befugnisse der Gemeinschaft würden anhand von Artikel 4 ( Erfordernis der Genehmigung jeder Anlage des nuklearen Brennstoffkreislaufs), von Titel IV (Rechtfertigung, Optimierung und Begrenzung der Tätigkeiten), der Artikel 43, 44 und 47 (Durchführung des Schutzes der Bevölkerung vor Strahlen unter normalen Bedingungen) und von Artikel 50 (Vorbereitung der Intervention) der Richtlinie über die Grundnormen deutlich. Gemäß Artikel 37 des Vertrages in der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Saarland(80) sei die Kommission zudem an den Genehmigungsverfahren für Kernanlagen beteiligt, soweit sie vom Vertrag erfasst seien.

193.
    Meiner Ansicht nach hat die Gemeinschaft entweder keine Zuständigkeit in den von den Artikeln 18 und 19 des Übereinkommens geregelten Bereichen, oder diese Zuständigkeit ist so unbedeutend, dass sie den anderen vertragschließenden Parteien nicht mitgeteilt werden muss.

194.
    Wie erinnerlich, sind die Artikel 18 und 19 Teil von Kapitel 2 Abschnitt d „Anlagensicherheit“. Das Übereinkommen verfolgt den Zweck, einen hohen Standard „nuklearer Sicherheit“ zu erreichen und unterscheidet in dieser Hinsicht zwischen „Allgemeinen Sicherheitsüberlegungen“ (Kapitel 2 Abschnitt c) und „Anlagensicherheit“ (Abschnitt d). Die Verpflichtungen nach Abschnitt c und insbesondere nach den Artikeln 14, 15 und 16 sind demnach Ausdruck einer allgemeinen und integrierten Betrachtungsweise der Sicherheit, die sowohl Aspekte der technologischen Sicherheit als auch Aspekte der Strahlensicherheit umfasst. Die Verpflichtungen nach den Artikeln 18 („Auslegung und Bau“) und 19 („Betrieb“) betreffen fast ausschließlich die technologischen Aspekte der Sicherheit. Ihr Hauptzweck ist die Schaffung und Beibehaltung wirksamer Abwehrvorkehrungen gegen mögliche Unfälle (Artikel 1 Ziffer ii. Diese Beziehung zwischen den Abschnitten c und d ist besonders deutlich hinsichtlich der Beziehung zwischen der vorherigen „umfassenden und systematischen“ Bewertung (Artikel 14 Ziffer i und den spezifischeren Bewertungspflichten des Artikels 19.

195.
    Die Mitgliedstaaten haben jedoch, wie ich bereits dargelegt habe, weiterhin die ausschließliche Zuständigkeit für die technologische Seite der nuklearen Sicherheit. Selbst wenn der Begriff des Strahlenschutzes weit ausgelegt werden muss und der Wortlaut des Artikels 30 Absatz 2 des Vertrages bis zu einem gewissen Grad überholt ist, ist es gleichwohl eindeutig, dass die Verfasser des Vertrages nicht wollten, dass die Gemeinschaft in die Sicherheit von Kernanlagen im engeren Sinn eingreift.

196.
    Der Rat handelte demnach korrekt, als er die Artikel 18 und 19 des Übereinkommens nicht in die Erklärung aufnahm.

197.
    Hinsichtlich Artikel 17 („Standortwahl“) scheint die Systematik des Übereinkommens nahe zu legen, dass der Standort einer Kernanlage ebenfalls zur technologischen Seite der nuklearen Sicherheit gehört und daher einen Teil der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bildet. Es ist auch eindeutig, dass der Hinweis der Kommission auf die Richtlinie 85/377 fehlgeht: Da diese Richtlinie auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassen wurde, kann sie bei der Untersuchung der Zuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft nicht berücksichtigt werden.

198.
    Ich bin dennoch der Ansicht, dass die Wahl des Standorts von Kernanlagen ein weiteres Gebiet ist, auf dem sich Aspekte des Strahlenschutzes und der technologischen Sicherheit erheblich überschneiden und auf dem die Gemeinschaft deshalb eine gewisse (eingeschränkte) Zuständigkeit hat. Der Standort muss auf der Grundlage einer Bewertung sowohl der technologischen Aspekte von „Sicherheit“ (z. B. seismologische, meteorologische und hydrologische Eigenschaften des Standorts) als auch der Aspekte des „Strahlenschutzes“ (z. B. demographische Merkmale des Standorts oder der Landbau in der Region) ausgewählt werden. Diese Aspekte des Strahlenschutzes scheinen in Artikel 17 Ziffer ii des Übereinkommens behandelt zu werden, in dem die mutmaßlichen Auswirkungen einer vorgesehenen Kernanlage auf den Einzelnen, die Gesellschaft und die Umwelt erwähnt werden.

199.
    Hinsichtlich der Zuständigkeit der Gemeinschaft in diesem Bereich muss zuerst daran erinnert werden, dass gemäß den Artikeln 43 und 44 der Richtlinie über die Grundnormen die Mitgliedstaaten die Erfordernissen schaffen, die zur Anwendung der Grundprinzipien für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung erforderlich sind, was u. a. Folgendes beinhaltet:

-    Prüfung und Genehmigung der Standortplanung für Anlagen, bei denen die Gefahr einer Strahlenexposition gegeben ist, unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes;

-    Abnahme der neuen Anlagen hinsichtlich eines angemessenen Schutzes vor Strahlenexposition und radioaktiver Kontamination, die sich auch außerhalb des Standorts der Anlage auswirken können, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der demographischen, meteorologischen, geologischen, hydrologischen und ökologischen Verhältnisse.

200.
    Daraus geht hervor, dass die Gemeinschaft Regelungskompetenz auf der Grundlage der Artikel 31 und 32 des Vertrages hat, um die Mitgliedstaaten zu verpflichten, einen vorgeschlagenen Standort für eine Kernanlage unter dem Gesichtspunkt der Strahlensicherheit zu prüfen und zu genehmigen und die Standortwahl zu berücksichtigen, wenn sie den Betrieb neuer Kernanlagen gestatten, und diese Regelungskompetenz durch den Erlass der Richtlinie über die Grundnormen ausgeübt hat.

201.
    Zweitens verpflichtet Artikel 37 des Vertrages die Mitgliedstaaten, der Kommission über jeden Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe aller Art die allgemeinen Angaben zu übermitteln, aufgrund deren festgestellt werden kann, ob die Durchführung dieses Plans eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaats verursachen kann.

202.
    Sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten legen die Begriffe „Ableitung radioaktiver Stoffe“ (im Englischen: disposal of radioactive waste, im Französischen: rejet d'effluents radioactifs) und „allgemeine Angaben“ weit aus.

203.
    Nach der Empfehlung 1999/829/Euratom der Kommission vom 6. Dezember 1999 zur Anwendung des Artikels 37 des Euratom-Vertrags(81) umfasst der Begriff „Ableitung radioaktiver Stoffe“ jede geplante Entsorgung oder unvorhergesehene Freisetzung radioaktiver Stoffe in gasförmiger, flüssiger oder fester Form in der bzw. in die Umwelt, die mit Tätigkeiten wie dem Betrieb von Kernreaktoren, der Wiederaufbereitung bestrahlter Kernbrennstoffe oder der Lagerung von bestrahltem Kernbrennstoff zusammenhängt. Er umfasst also sowohl geplante flüssige und gasförmige Ableitungen aus Kernanlagen unter normalen Betriebsbedingungen als auch nicht vorgesehene Ableitungen, die unfallbedingt sein können.

204.
    Nach derselben Empfehlung sind als allgemeine Angaben im Sinne des Artikels 37 im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kernreaktors die Angaben über den Standort und die Umgebung der geplanten Anlage und insbesondere die Angaben über die geografischen, topografischen, geologischen, seismologischen, hydrologischen, meteorologischen Merkmale des Standorts und der Region zur landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung und zu sonstigen Tätigkeiten in der Umgebung der Anlage zu verstehen.

205.
    Es ist auch daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Urteil Saarland(82), in dem es um das Genehmigungsverfahren für ein Kernkraftwerk ging, Artikel 37 dahin gehend ausgelegt hat, dass die „allgemeinen Angaben“ der Kommission zu übermitteln sind, bevor eine Ableitung radioaktiver Stoffe von dem zuständigen Mitgliedstaat genehmigt wird, und dass es für die volle Wirksamkeit der Stellungnahme der Kommission unerlässlich ist, dass der betreffende Mitgliedstaat von dieser Stellungnahme vor der Erteilung der genannten Genehmigung Kenntnis erlangt.

206.
    So ist es ständige Praxis, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 37 des Vertrages der Kommission „allgemeine Angaben“ u. a. über den Standort und die Umgebung einer geplanten Anlage im Laufe des nationalen Genehmigungsverfahrens für den Betrieb von Kernkraftwerken(83), Wiederaufarbeitungsanlagen(84) und Endlager(85) übermitteln. Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen und der Stellungnahme der Gruppe von Persönlichkeiten, auf die Artikel 31 des Vertrages Bezug nimmt, hat die Kommission bereits eine beachtliche Anzahl von Stellungnahmen abgegeben(86). In diesen Stellungnahmen untersucht die Kommission insbesondere die Merkmale des Standorts der geplanten Anlagen (z. B. die Entfernung zum nächstgelegenen Mitgliedstaat, natürliche Merkmale des Standorts). Vor allem beurteilt sie, ob die geplanten Anlagen zu einer Exposition führen können, die vom Standpunkt der Gesundheit, der Bevölkerung eines anderen Mitgliedstaats oder einer radioaktiven Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaats erheblich sein könnte.

207.
    Aus Artikel 37 des Vertrages folgt, dass die Kommission die Zuständigkeit hat, Stellungnahmen zum Standort von Kernanlagen unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes abzugeben. Diese Art nicht bindender Maßnahme könnte in Artikel 4 des Übereinkommens gemeint sein, der sich neben Gesetzes- Verordnungs- und Verwaltungsmaßnahmen auch auf „sonstige Schritte, die zur Erfüllung [der] Verpflichtungen aus dem Übereinkommen erforderlich sind“, bezieht.

208.
    Vielleicht sollte auch darauf hingewiesen werden, dass der Rat den Standort von Kernanlagen nicht erwähnte, als er in der Präambel der angefochtenen Erklärung vom 7. Dezember 1998 feststellte, dass die Zuständigkeit für Planung, Bau und Betrieb von Kernanlagen bei den Mitgliedstaaten liege, in denen sie sich befinden. Aspekte der Standortwahl liegen meiner Meinung nach in der Zuständigkeit der Gemeinschaft, so dass die Erklärung auf Artikel 17 des Übereinkommens hätte Bezug nehmen müssen.

209.
    Der Rat handelte folglich rechtmäßig, als er die Artikel 18 und 19 des Übereinkommens nicht in die Erklärung aufnahm; er hätte jedoch Artikel 17 des Übereinkommens in sie aufnehmen müssen.

VII -    Ergebnis

210.
    Die wesentlichen Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung können wie folgt zusammengefasst werden: Bei der angefochtenen Erklärung handelt es sich um eine überprüfbare interne Handlung mit dem Ziel, die Kommission zu verpflichten, beim Verwahrer eine Erklärung mit dem vom Rat vorgegebenen Inhalt zu hinterlegen. Die Erklärung und der letzte Abschnitt der Erklärung können gesondert auf ihre Rechtmäßigkeit untersucht werden. Durch das Übereinkommen wurde die Gemeinschaft verpflichtet, eine Erklärung zu hinterlegen, in der die Artikel des Übereinkommens anzugeben waren, die für sie gelten und hinsichtlich deren sie Zuständigkeit zur Erfüllung der sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen hat. Diese Erklärung musste vollständig und genau sein. Nach dem derzeitigen Verständnis der Bestimmungen des EAG-Vertrags über den Gesundheitsschutz überschneiden sich Strahlenschutz und Sicherheit von Kernanlagen erheblich. Die Gemeinschaft besitzt folglich eine gewisse begrenzte Zuständigkeit im Bereich der Artikel 7 (Rahmen für Gesetzgebung und Vollzug), 14 (Bewertung und Nachprüfung der Sicherheit), 16 Absätze 1 und 3 (Notfallvorsorge) und 17 (Standortwahl).

211.
    Daraus folgt, dass im dritten Absatz der Erklärung im Anhang des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 in fehlerhafter Weise die Feststellung unterlassen wurde, dass die Gemeinschaft im Bereich der Artikel 7, 14, 16 Absätze 1 und 3 und 17 des Übereinkommens über die nukleare Sicherheit Zuständigkeit besitzt, und dass die Erklärung insoweit für nichtig zu erklären ist.

212.
    Da die Kommission mit ihrem Vorbringen in Bezug auf die Artikel 1 bis 5, 18 und 19 des Übereinkommens nicht obsiegt hat, sind beide Parteien zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

213.
    Demgemäß schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.    Der dritte Absatz der Erklärung der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß Artikel 30 Absatz 4 Ziffer iii des Übereinkommens über nukleare Sicherheit im Anhang des Beschlusses des Rates vom 7. Dezember 1998 über den Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit wird insoweit für nichtig erklärt, als dort nicht erklärt wird, dass die Gemeinschaft für die von den Artikeln 7, 14, 16 Absätze 1 und 3 und 17 des Übereinkommens erfassten Bereiche zuständig ist.

2.    Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.


1: -     Originalsprache: Englisch.


2: -     Der angefochtene Beschluss wurde nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.


3: -     Das Übereinkommen ist im ABl. 1999, L 318, S. 21, veröffentlicht.


4: -     KOM(94) 362/endg.


5: -     ABl. 1999, L 318, S. 20.


6: -     Informationen zum Stand der Ratifizierungen finden sich auf der Internetseite der IAEO (www.iaea.org).


7: -     ABl. 1959, Nr. 11, S. 221.


8: -     EAG Rat: Richtlinie zur Revision der Anh änge 1 und 3 der Richtlinien zur Festsetzung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz (ABl. 1962, Nr. 57, S. 1633).


9: -     Richtlinie vom 27. Oktober 1966 zur Änderung der Richtlinien zur Festlegung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen (ABl. L 216, S. 3693).


10: -     Richtlinie vom 1. Juni 1976 zur Festlegung der überarbeiteten Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen (ABl. L 187, S. 1).


11: -     Richtlinie vom 27. März 1979 zur Änderung der Richtlinie 76/579 (ABl. L 83, S. 18).


12: -     Richtlinie vom 15. Juli 1980 zur Änderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wurden (ABl. L 246, S. 1).


13: -     Richtlinie vom 3. September 1984 zur Änderung der Richtlinie 80/836/Euratom hinsichtlich der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen (ABl. L 265, S. 4).


14: -     ABl. L 159, S. 1; vgl. auch die Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der Richtlinie 96/29 (ABl. 1998, C 133, S. 3).


15: -     Artikel 56 der Richtlinie 96/29.


16: -     Vgl. Empfehlung 2000/473/Euratom der Kommission vom 8. Juni 2000 zur Anwendung des Artikels 36 Euratom-Vertrag betreffend die Überwachung des Radioaktivitätsgehalts der Umwelt zur Ermittlung der Exposition der Gesamtbevölkerung (ABl. L 191, S. 37).


17: -     Vgl. als Beispiel zu Artikel 34 Beschluss des Gerichts vom 22. Dezember 1995 in der Rechtssache T-219/95 R (Danielsson u. a./Kommission, Slg. 1995, II-3051).


18: -     Vgl. als Beispiel zu Artikel 37 Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache 187/87 (Saarland u. a., Slg. 1988, 5013); vgl. auch Empfehlung 1999/829/Euratom der Kommission vom 6. Dezember 1999 zur Anwendung des Artikels 37 des Euratom-Vertrags (ABl. L 324, S. 23).


19: -     Gemäß Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof Fragen der Zulässigkeit von Amts wegen prüfen.


20: -     Urteil vom 22. Mai 1990 in der Rechtssache C-70/88 (Parlament/Rat, Slg. 1990, I-2041, Randnr. 12).


21: -     Vgl. zu einer solchen analogen Auslegung Beschluss in der Rechtssache Danielsson u. a./Kommission (zitiert in Fußnote 17), Randnrn. 64 ff.


22: -     Urteil vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70 (Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnr. 42).


23: -     Siehe oben, Nr. 1.


24: -     Vgl. z. B. Artikel 311 EG.


25: -     Vgl. z. B. Urteil Kommission/Rat (zitiert in Fußnote 22) und Urteil vom 19. März 1996 in der Rechtssache C-25/94 (Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1469).


26: -     Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81 (IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 12).


27: -     Vgl. z. B. das Verwaltungsverfahren in den Fällen des Artikels 81 EG.


28: -     Urteil vom 26. März 1987 in der Rechtssache 45/86 (Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493, Randnr. 3).


29: -     Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache 45/86 (zitiert in Fußnote 28), Nr. 30.


30: -     Siehe unten, Nr. 105.


31: -     Vgl. z. B. Urteile vom 13. September 2001 in der Rechtssache C-375/99 (Spanien/Kommission, Slg. 2001, I-5983), vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-365/99 (Portugal/Kommission, Slg. 2001, I-5645), vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-150/95 (Portugal/Kommission, Slg. 1997, I-5863) und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973).


32: -     Urteil vom 28. Juni 1972 in der Rechtssache 37/71 (Jamet/Kommission, Slg. 1972, 483).


33: -     Siehe Nr. 56.


34: -     Urteil vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache 17/74 (Transocean Marine Paint/Kommission, Slg. 1974, 1063).


35: -     Urteil vom 31. März 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-68/94 und C-30/95 (Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375).


36: -     Siehe oben, Nr. 70.


37: -     Siehe unten, Nr. 106.


38: -     Gutachten vom 11. November 1975 (Slg. 1975, 1355, insbesondere 1361).


39: -     Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtsache C-327/91 (Frankreich/Kommission, Slg. 1994, I-3641, Randnr. 16).


40: -     Urteil vom 29. März 1990 in der Rechtssache C-62/88 (Griechenland/Rat, Slg. 1990, I-1527, Randnr. 8).


41: -     „Vertragsbestimmungen über ... sich notwendigerweise vor dem Inkrafttreten des Vertrages ergebende Fragen gelten von dem Zeitpunkt an, zu dem sein Text angenommen wird.“


42: -     Siehe Maurits J. F. M. Dolmans, Problems of Mixed Agreements: Division of Powers within the EEC and the Rights of Third States, Asser Institute, Den Haag 1985, S. 52.


43: -     Siehe C. Lindemann, „Die nukleare Sicherheitskonvention - Bestätigung deutschen und Fortschreibung internationalen Rechts?“ in: N. Pelzer (Hrsg.), Neues Atomenergierecht - Internationale und nationale Entwicklungen, Nomos, Baden-Baden 1995, S. 66. Es scheint, dass der Autor an den Verhandlungen über das Übereinkommen teilgenommen hat.


44: -     Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 181/73 (Haegeman, Slg. 1974, 449, Randnrn. 3, 4 und 5); als Beispiel für die Anwendung dieses Grundsatzes im Rahmen einer Nichtigkeitsklage siehe Urteil vom 14. November 1989 in der Rechtssache 30/88 (Griechenland/Kommission, Slg. 1989, 3711, Randnrn. 12 bis 14).


45: -     Beschluss vom 14. November 1978 (Slg. 1978, 2151, Randnr. 35).


46: -     Randnr. 11.


47: -     S. 2162.


48: -     Artikel 1, 2, 4 Absatz 1 Buchstabe a, 6, 7, 9, 13, 38, 43, 44, 46, 47 und 50.


49: -     Urteil vom 22. Mai 1990 in der Rechtssache C-70/88 (Parlament/Rat, Slg. 1990, I-4529, Randnr. 14).


50: -     Vgl. B. Lindell, H. Dunster, J. Valentin, „International Commission on Radiological Protection: History, Policies, Procedures“, Internetseite der ICRP (www.icrp.org).


51: -     Veröffentlichung Nr. 60 der ICRP.


52: -     Vgl. zum Folgenden die Internetseite der IAEA (www.iaea.org).


53: -     Rapport des Chefs de Délégations aux Ministres des Affaires Etrangères, Hrsg.: Comité Intergouvernemental créé par la Conférence de Messine, Brüssel, 21. April 956, S. 109.


54: -     Vgl. zu Artikeln 30 bis 39 des Vertrages C. Blumann, „Euratom“, Répertoire de Droit Communautaire, Éditions Dalloz, Paris 1992, Randnrn. 100 ff.; K. Lenaerts, „Border Installations“, in: P. Cameron, L. Hancher, W. Kühn (Hrsg.), Nuclear Energy after Chernobyl, Graham & Trotman and International Bar Association, London 1988, S. 49; M. Schröder, „Binnenmarktrelevante Schwerpunkte der Gemeinschaftspolitik zur nuklearen Sicherheit“, in: N. Pelzer (Hrsg.), Kernenergierecht zwischen Ausstiegsforderung und europäischem Binnenmarkt, Nomos, Baden-Baden 1991, S. 133; J. Grunwald, „Tchernobyl et les Communautés Européennes: Aspects Juridiques“, Revue du Marché Commun, 1987, S. 396 (Zusammenfassungen neuerer Entwicklungen durch denselben Autor in EuZW 1990, S. 209, und ZEuS 1998, S. 275).


55: -     Vgl. ABl. 175, C 185, S. 1, und ABl. 1992, C 172, S. 2; vgl. auch den Bericht der Kommission über die Durchführung der Entschließungen des Rates: In Richtung auf eine Sammlung von gemeinschaftsweit anerkannten Sicherheitskriterien und -anforderungen und Verbreitung einer echten Kultur der Sicherheit in ganz Europa (KOM[93] 649).


56: -     Vgl. z. B. die Entscheidung des Rates 1999/25/Euratom vom 14. Dezember 1998 über ein Mehrjahresprogramm (1998-2002) für Maßnahmen im Kernenergiebereich auf dem Gebiet des sicheren Transports radioaktiven Materials sowie der Sicherheitsüberwachung und der industriellen Zusammenarbeit zur Förderung bestimmter Sicherheitsaspekte der kerntechnischen Anlagen in den derzeitigen Teilnehmerländern des Tacis-Programms (ABl. 1999, L 7, S. 31); vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 1999 (ABl. C 175, S. 288) und den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Genehmigung der Unterzeichnung zweier Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und der Regierung der Russischen Föderation auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und auf dem Gebiet der kontrollierten Kernfusion durch die Kommission (KOM[2001] 474).


57: -     Beschluss 1/78, zitiert in Fußnote 45, Nr. 20.


58: -     Siehe oben, Nr. 43.


59: -     Vgl. z. B. die dritte Begründungserwägung der Richtlinie 76/579, zitiert in Fußnote 10.


60: -     Richtlinie 87/600/Euratom des Rates vom 14. Dezember 1987 (ABl. L 371, S. 76).


61: -     Richtlinie 89/618/Euratom des Rates vom 27. November 1989 (ABl. L 357, S. 31).


62: -     Verordnung (Euratom) Nr. 3954/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 (ABl. L 371, S. 11).


63: -     Richtlinie 90/641/Euratom des Rates vom 4. Dezember 1990 (ABl. L 349, S. 21).


64: -     Richtlinie 92/3/Euratom des Rates vom 3. Februar 1992 (ABl. L 35 S. 24).


65: -     Verordnung (Euratom) Nr. 1493/93 des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 148, S. 1).


66: -     Nach dem Spaak-Bericht (zitiert in Fußnote 53) maßen die Verhandlungspartner einem Bericht der ICRP über die Höchststrahlendosen, denen der menschliche Körper ausgesetzt werden kann, besondere Bedeutung bei.


67: -     Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-327/91 (Frankreich/Kommission, Slg. 1994, I-3641, Randnr. 36). Eine Kritik dieser Gedankenführung findet sich bei P. J. Kuiper, „The Court and the Tribunal of the EC and the Vienna Convention on the Law of Treaties“ 1969, Legal Issues of European Integration, 1998, S. 1.


68: -     Vgl. Artikel 31 Absatz 3 Buchstabe b der Wiener Konvention, vgl. auch I. Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 2. Aufl., Manchester University Press, Manchester 1984, S. 135.


69: -     Vgl. zu diesen beiden Kapiteln und den Folgen späterer Praxis W. Maning, Die Änderung der Versorgungs- und Sicherheitsvorschriften des Euratom-Vertrags durch die nachfolgende Praxis, Nomos, Baden-Baden 1993.


70: -     Rechtssache 187/87, zitiert in Fußnote 18, Randnr. 11.


71: -     Zitiert in Fußnote 62.


72: -     Zitiert in Fußnote 49, Randnr. 14.


73: -     I. MacLeod, I. D. Hendry, S. Hyett, The External Relations of the European Communities, Clarendon Press, Oxford 1996, S. 392.


74: -     Siehe oben, Nr. 98.


75: -     Siehe oben, Nr. 111.


76: -     Zitiert in Fußnote 18.


77: -     Siehe unten, Nrn. 201 bis 207.


78: -     ABl. L 175, S. 40.


79: -     ABl. L 73, S. 5.


80: -     Siehe oben, Fußnote 18.


81: -     ABl. L 324, S. 23.


82: -     Zitiert in Fußnote 18.


83: -     Siehe z. B. ABl. 1992, L 344, S. 40, oder ABl. 1997, C 51, S. 5.


84: -     Siehe z. B. ABl. 1992, L 138, S. 36.


85: -     Siehe z. B. ABl. 1994, L 297, S. 39.


86: -     Eine Aufzählung von Stellungnahmen aus jüngster Zeit findet sich bei Grunwald, ZEuS 1998, S. 275.