Language of document : ECLI:EU:C:2017:212

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 15. März 2017(1)

Rechtssache C‑206/16

Marco Tronchetti Provera SpA u. a.

gegen

Commissione Nazionale per la Società e la Borsa (Consob)


(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien])

„Gesellschaftsrecht – Richtlinie 2004/25/EG – Schutz der Interessen der Minderheitsaktionäre bei Übernahmeangeboten – Art. 5 Abs. 4 – Begriff ‚eindeutig festgelegt‘ – Nationale Rechtsvorschriften, nach denen die Aufsichtsstelle den Preis von Übernahmeangeboten ändern kann – Kollusion zwischen dem Bieter oder den gemeinsam mit ihm handelnden Personen und einem oder mehreren Verkäufern“






1.        Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft die richtige Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25/EG(2). Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten ihre nationalen Aufsichtsstellen für den Wertpapiersektor (im Folgenden: Aufsichtsstellen) ermächtigen, den bei obligatorischen Übernahmeangeboten gebotenen Preis gemäß der Richtlinie abzuändern. Nach der Richtlinie müssen die Umstände dieser Maßnahmen jedoch „eindeutig festgelegt“ worden sein.

2.        Im Ausgangsrechtsstreit hat der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) Zweifel, ob die Anwendung des italienischen Rechts zur Umsetzung dieser Richtlinie, nach dem die Commissione Nazionale per la Società e la Borsa (nationaler Börsenausschuss, im Folgenden: Consob) – die italienische Aufsichtsstelle – den Preis eines obligatorischen Übernahmeangebots im Fall von Kollusion nach oben korrigieren darf, auf die in diesem Verfahren gegebenen Umstände als „eindeutig festgelegt“ im Sinne von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 angesehen werden kann.

3.        Die Besonderheit des Ausgangsrechtsstreits liegt darin, dass die Preisanpassung aufgrund einer anderen Transaktion als derjenigen erfolgte, die das obligatorische Übernahmeangebot auslöste. Des Weiteren steht nicht fest, dass alle an der anderen Transaktion beteiligten Parteien kollusiv zusammenwirken wollten oder sich eines entsprechenden Risikos bewusst waren. Dieser Fall ermöglicht es daher dem Gerichtshof zu klären, wieweit die Mitgliedstaaten ihre Aufsichtsstellen ermächtigen können, von der „Regel des gezahlten Höchstpreises“ (im Folgenden: RGH) nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 abzuweichen.

4.        Wie ich weiter ausführen werde, können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 grundsätzlich ihre Aufsichtsstellen ermächtigen, in Kollusionsfällen der in der vorstehenden Nummer genannten Art den bei einem obligatorischen Übernahmeangebot gebotenen Preis abzuändern. Jedoch steht diese Bestimmung der Anwendung einer solchen Vorschrift auf Umstände entgegen, die ohne die Anwendung dieser Richtlinie im nationalen Recht nicht als Kollusion qualifiziert worden wären.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Richtlinie 2004/25

5.        Das durch die Richtlinie 2004/25 eingeführte Übernahmeangebotsverfahren gilt nach ihrem Art. 1 „für Übernahmeangebote für die Wertpapiere einer dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft, sofern alle oder ein Teil dieser Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt … zugelassen sind“. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie ist ein „Übernahmeangebot“ oder „Angebot“ „ein an die Inhaber der Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtetes (und nicht von der Zielgesellschaft selbst abgegebenes) öffentliches Pflicht- oder freiwilliges Angebot zum Erwerb eines Teils oder aller dieser Wertpapiere, das sich an den Erwerb der Kontrolle der Zielgesellschaft im Sinne des einzelstaatlichen Rechts anschließt oder diesen Erwerb zum Ziel hat“.

6.        Art. 3 der Richtlinie 2004/25 („Allgemeine Grundsätze“) lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen zur Umsetzung dieser Richtlinie sicher, dass die folgenden Grundsätze beachtet werden:

a)      Alle Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die der gleichen Gattung angehören, sind gleich zu behandeln; darüber hinaus müssen die anderen Inhaber von Wertpapieren geschützt werden, wenn eine Person die Kontrolle über eine Gesellschaft erwirbt.

b)      Die Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft müssen über genügend Zeit und ausreichende Informationen verfügen, um in ausreichender Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können …

d)      Beim Handel mit den Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften dürfen keine Marktverzerrungen durch künstliche Beeinflussung der Wertpapierkurse und durch Verfälschung des normalen Funktionierens der Märkte herbeigeführt werden.

(2)      Um die Beachtung der in Absatz 1 aufgeführten Grundsätze sicherzustellen,

a)      sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Mindestanforderungen eingehalten werden,

b)      können die Mitgliedstaaten für Angebote zusätzliche Bedingungen und strengere Bestimmungen als in dieser Richtlinie festlegen.“

7.        Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2004/25 („Aufsichtsstelle und anwendbares Recht“) benennt die für eine Übernahme zuständigen Aufsichtsstellen. Insbesondere in dessen Buchst. a heißt es, dass „[f]ür die Beaufsichtigung des Angebotsvorgangs … die Aufsichtsstelle des Mitgliedstaats zuständig [ist], in dem die Zielgesellschaft ihren Sitz hat, wenn die Wertpapiere dieser Gesellschaft auf einem geregelten Markt dieses Mitgliedstaats zum Handel zugelassen sind“.

8.        Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/25 lautet:

„Die Aufsichtsstellen verfügen über alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Befugnisse; im Rahmen ihrer Aufgaben haben sie auch dafür Sorge zu tragen, dass die Parteien des Angebots die gemäß dieser Richtlinie erlassenen oder eingeführten Vorschriften einhalten.

Sofern die in Artikel 3 Absatz 1 festgelegten allgemeinen Grundsätze eingehalten werden, können die Mitgliedstaaten in den gemäß dieser Richtlinie erlassenen oder eingeführten Vorschriften abweichende Vorschriften von diesen Vorschriften erlassen:

i)      durch Aufnahme solcher Ausnahmen in ihre nationalen Regelungen, um den auf nationaler Ebene festgelegten Fällen Rechnung zu tragen;

und/oder

ii)      durch die Ermächtigung ihrer Aufsichtsstellen, in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausnahmen von solchen nationalen Regelungen zuzulassen, um die in Ziffer i) genannten Fälle oder andere besondere Fälle zu berücksichtigen; im letztgenannten Fall ist eine mit Gründen versehene Entscheidung erforderlich.“

9.        Art. 5 der Richtlinie 2004/25 („Schutz der Minderheitsaktionäre, Pflichtangebot und angemessener Preis“) lautet:

„(1)      Hält eine natürliche oder juristische Person infolge ihres alleinigen Erwerbs oder des Erwerbs durch gemeinsam mit ihr handelnde Personen Wertpapiere einer Gesellschaft …, die ihr bei Hinzuzählung zu etwaigen von ihr bereits mittels solcher Wertpapiere gehaltenen Beteiligungen und den Beteiligungen der gemeinsam mit ihr handelnden Personen unmittelbar oder mittelbar einen bestimmten, die Kontrolle begründenden Anteil an den Stimmrechten dieser Gesellschaft verschaffen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Person zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots verpflichtet ist. Dieses Angebot wird unverzüglich allen Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere zu einem im Sinne des Absatzes 4 angemessenen Preis unterbreitet.

(4)      Als angemessener Preis gilt der höchste Preis, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person in einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitraum von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten vor dem Angebot gemäß Absatz 1 für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist. Erwirbt der Bieter oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person nach Bekanntmachung des Angebots und vor Ablauf der Annahmefrist Wertpapiere zu einem höheren als dem Angebotspreis, so muss der Bieter sein Angebot mindestens auf den höchsten Preis erhöhen, der für die dergestalt erworbenen Wertpapiere gezahlt wurde.

Sofern die allgemeinen Grundsätze nach Artikel 3 Absatz 1 eingehalten werden, können die Mitgliedstaaten ihre Aufsichtsstellen ermächtigen, den in Unterabsatz 1 genannten Preis unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nach eindeutig festgelegten Kriterien abzuändern. Hierzu können sie in einer Liste festlegen, unter welchen Voraussetzungen der Höchstpreis nach oben oder nach unten korrigiert werden darf: wenn beispielsweise der Höchstpreis in einer Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer gemeinsam festgelegt worden ist, wenn die Marktpreise der betreffenden Wertpapiere manipuliert worden sind, wenn die Marktpreise allgemein oder im Besonderen durch außergewöhnliche Umstände beeinflusst worden sind, oder um die Rettung eines Unternehmens in Schwierigkeiten zu ermöglichen. Sie können auch die in diesen Fällen heranzuziehenden Kriterien bestimmen: beispielsweise den durchschnittlichen Marktwert während eines bestimmten Zeitraums, den Liquidationswert der Gesellschaft oder andere objektive Bewertungskriterien, die allgemein in der Finanzanalyse verwendet werden.

Jede Entscheidung der Aufsichtsstellen zur Änderung des angemessenen Preises muss begründet und bekannt gemacht werden.

…“

B.      Italienisches Recht

10.      Das Decreto legislativo 24 febbraio 1998, n. 58: Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria, ai sensi degli articoli 8 e 21 della legge 6 febbraio 1996, n. 52 (Gesetzesdekret Nr. 58 vom 24. Februar 1998, einheitliche Fassung der Bestimmungen für die Finanzmaklertätigkeit gemäß den Art. 8 und 21 des Gesetzes Nr. 52 vom 6. Februar 1996)(3), in geänderter Fassung (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 58/1998), enthält Bestimmungen, durch die die Richtlinie 2004/25 umgesetzt wird. In dessen Art. 106 (Übernahmeangebot für alle Wertpapiere) heißt es:

„(3)      Die Consob regelt durch Verordnung die Fälle, in denen

d)      für das Angebot nach einem mit Gründen versehenen Bescheid der Consob ein höherer als der höchste gezahlte Preis festgelegt wird, wenn dies zum Schutz der Investoren erforderlich ist und mindestens einer der folgenden Umstände vorliegt:

2.      eine Kollusion zwischen dem Bieter oder den gemeinsam mit ihm handelnden Personen und einem oder mehreren Verkäufern …“

11.      Mit Beschluss vom 14. Mai 1999 erließ die Consob den Regolamento di attuazione del decreto legislativo 24 febbraio 1998, n. 58, concernente la disciplina degli emittenti (Verordnung zur Durchführung des Decreto legislativo Nr. 58 vom 24. Februar 1998 betreffend Vorschriften für Emittenten)(4), in geänderter Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung). Art. 47octies dieser Verordnung („Erhöhung des Preises bei Kollusion“) lautet:

„(1)      Der Angebotspreis wird von der Consob gemäß Art. 106 Abs. 3 Buchst. d Nr. 2 des [Decreto legislativo Nr. 58/1998] nach oben berichtigt, wenn sich aus der festgestellten Kollusion zwischen dem Bieter und den gemeinsam mit ihm handelnden Personen und einem oder mehreren Verkäufern ergibt, dass auf ein höheres Entgelt als das vom Bieter benannte zu erkennen ist. In einem solchen Fall entspricht der Angebotspreis dem festgesetzten Preis.“

II.    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

12.      Am 17. Mai 2013 errichtete die Marco Tronchetti Provera SpA (im Folgenden: MTP), eine Gesellschaft, deren Hauptanteilseigner Herr Marco Tronchetti Provera ist, durch von MTP kontrollierte Gesellschaften und zusammen mit Dritten die Lauro Sessantuno SpA (im Folgenden: Lauro 61).

13.      Am 5. Juni 2013 teilte Lauro 61 auf dem Markt ein Übernahmeangebot für sämtliche Aktien der Camfin SpA zu dem Einheitspreis von 0,80 Euro pro Aktie mit, der auf der Grundlage der Marktpreise dieser Aktie in den vorhergehenden zwölf Monaten festgesetzt wurde.

14.      Zum Zeitpunkt des obligatorischen Übernahmeangebots hielt Camfin unmittelbar und mittelbar 26,19 % der Aktien der Pirelli & C. SpA (im Folgenden: Pirelli). Einige Pirelliaktionäre, zu denen u. a. die Malacalza Investimenti Srl (im Folgenden: MCI), MTP, Camfin, die Allianz SpA und die Fondiaria SAI SpA (im Folgenden: FonSai) gehörten, hatten zuvor eine sogenannte Haltevereinbarung geschlossen (im Folgenden: Pirellivereinbarung).

15.      MCI, die auch Anteile an Camfin hielt, nahm das Angebot von Lauro 61 an und übertrug ihr 12,37 % des Gesellschaftskapitals der Camfin zum vorstehend genannten Preis.

16.      Ebenfalls am 5. Juni 2013 wurde dem Markt mitgeteilt, dass i) Lauro 61 die Camfin betreffenden Vereinbarungen zwischen MTP und MCI aufgelöst habe, ii) MCI ihre Anteile an Camfin verkauft habe, iii) MCI von Allianz und von FonSai zum Preis von 7,80 Euro pro Aktie eine Beteiligung in Höhe von 6,98 % des Gesellschaftskapitals von Pirelli erworben habe und iv) die Parteien der Pirellivereinbarung, deren Präsident Herr Tronchetti Provera war, Allianz und FonSai erlaubt hätten, alle oder einen Teil der sich in ihrem Besitz befindlichen Aktien, die unter diese Vereinbarung fielen (im Folgenden: Pirelliaktien), aus dieser Vereinbarung herauszulösen.

17.      Die Übernahme endete am 11. Oktober 2013 damit, dass Lauro 61 zunächst 95,95 % des Gesellschaftskapitals von Camfin erworben hatte und anschließend das Recht zum Erwerb der restlichen Aktien ausübte, womit sie Inhaberin des gesamten Kapitals von Camfin wurde, deren Aktienkursnotierung sodann aufgehoben wurde (sogenanntes Delisting).

18.      Auf eine Eingabe mehrerer Minderheitsaktionäre von Camfin hin leitete die Consob am 12. September 2013 ein Verfahren zur Erhöhung des Preises des fraglichen Übernahmeangebots ein.

19.      Nachdem die Consob zu dem Schluss gelangt war, dass es die erfolgten Transaktionen MCI gestattet hatten, tatsächlich ein Gesamtentgelt von mehr als 0,80 Euro pro Aktie für den Verkauf der Aktien von Camfin zu erhalten, nahm sie einen Fall von Kollusion an und erhöhte durch den Beschluss Nr. 18662 vom 25. September 2013 (im Folgenden: streitiger Beschluss) den Einheitspreis pro Aktie um 0,03 Euro auf 0,83 Euro(5). Die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses wurde in der Folge in vier Urteilen des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) vom 19. März 2014 bestätigt.

20.      Gegen diese vier Urteile sind derzeit Rechtsmittel vor dem vorlegenden Gericht anhängig. In dem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Begriff „Kollusion“ in verschiedenen Bereichen des italienischen Rechts vorkomme. Wenn auch die genaue Bedeutung des Begriffs Veränderungen unterliege, so setze er doch eine heimliche und betrügerische Vereinbarung zum Schaden Dritter unter Umgehung zwingender Gesetzesbestimmungen und somit das Vorliegen eines Willens- und Absichtselements bei allen Teilnehmern der Vereinbarung voraus. Aber weder Allianz noch FonSai seien an einer solchen Vereinbarung beteiligt gewesen. Demnach wäre, ginge man von dieser Auslegung des Begriffs „Kollusion“ aus, u. a. den von MTP und Lauro 61 eingelegten Rechtsmitteln stattzugeben.

21.      Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass hier der Begriff „Kollusion“, u. a. angesichts der Besonderheiten des betreffenden Rechtsgebiets und der Rechtsnatur der dem Consob verliehenen Regelungsbefugnisse, möglicherweise anders auszulegen sei. Jedoch könne eine solche Auslegung hinsichtlich des Grundsatzes der Rechtssicherheit fraglich sein, da sie es für die Wirtschaftsbeteiligten unmöglich machen könnte, vorherzusehen, wie vor Abgabe eines Übernahmeangebots zu verfahren sei. Da sich das vorlegende Gericht im Zweifel über die richtige Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 befindet, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stehen der richtigen Anwendung des Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 in Verbindung mit den in deren Art. 3 Abs. 1 genannten allgemeinen Grundsätzen und der richtigen Anwendung der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit, der Angemessenheit, der Transparenz und der Nichtdiskriminierung nationale Rechtsvorschriften wie Art. 106 Abs. 3 Buchst. d Nr. 2 des Decreto legislativo Nr. 58 einschließlich der nachfolgenden Änderungen und Art. 47octies der Durchführungsverordnung einschließlich der nachfolgenden Änderungen entgegen, soweit diese Rechtsvorschriften die Consob ermächtigen, das Übernahmeangebot gemäß dem genannten Art. 106 zu erhöhen, der darauf abstellt, dass eine „Kollusion zwischen dem Bieter oder den gemeinsam mit ihm handelnden Personen und einem oder mehreren Verkäufern“ festgestellt worden ist, ohne die einzelnen Verhaltensweisen aufzuführen, die diesen Tatbestand erfüllen, und damit ohne eindeutig die Voraussetzungen und Kriterien festzulegen, bei deren Vorliegen die Consob berechtigt ist, den Preis des Übernahmeangebots zu erhöhen?

III. Würdigung

A.      Einleitende Bemerkungen

22.      Dies ist das erste Mal, dass der Gerichtshof um eine Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 ersucht wird. Es ist auch insgesamt erst das zweite Mal, dass der Gerichtshof eine Orientierungshilfe zu den Vorschriften dieses Teils des Unionsrechts bietet(6). Darüber hinaus hat sich nach der Entscheidung des Consiglio di Stato, diese Rechtssache dem Gerichtshof vorzulegen, auch das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium) entschlossen, fünf Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 zur Vorabentscheidung vorzulegen(7).

23.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 1 und bestimmten allgemeinen Grundsätzen, vor allem dem Grundsatz der Rechtssicherheit, einer Auslegung des Begriffs „Kollusion“ im Sinne von Art. 106 Abs. 3 Buchst. d Nr. 2 des Decreto legislativo Nr. 58 und von Art. 47octies der Durchführungsverordnung (im Folgenden zusammen: in Rede stehende italienische Vorschriften) entgegensteht, nach der es nicht erforderlich ist, die einzelnen Verhaltensweisen aufzuführen, die diesen Tatbestand erfüllen.

24.      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass das vorlegende Gericht zwei mögliche Auslegungen des Begriffs „Kollusion“ in Betracht zieht: erstens eine enge Lesart, nach der eine heimliche und betrügerische Vereinbarung zum Schaden Dritter unter Umgehung zwingender Gesetzesbestimmungen und somit das Vorliegen eines Willens- und Absichtselements bei allen Teilnehmern der Vereinbarung vorausgesetzt wird (im Folgenden: „enge Lesart“ oder „enger Sinn“) und zweitens eine weite Lesart, nach der zu der Vereinbarung auch andere Elemente gehören können als die Transaktionen, die das obligatorische Übernahmeangebot auslösen, und die nicht notwendigerweise das Vorliegen eines Willens- oder Absichtselements bei allen Teilnehmern der Vereinbarung voraussetzen (im Folgenden: „weite Lesart“ oder „weiter Sinn“).

25.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ließe eine enge Lesart des Begriffs „Kollusion“ die von der Consob vorgenommene Preisanpassung nicht zu, da weder Allianz noch FonSai beabsichtigt hätten, sich an einer heimlichen und betrügerischen Vereinbarung zu beteiligen. Demnach sei die Antwort auf die Vorlagefrage entscheidend für den Preis, den Lauro 61 nach Art. 5 der Richtlinie 2004/25 für die Anteile an der Camfin zu bieten verpflichtet gewesen sei, als sie diese Gesellschaft übernommen habe.

26.      In diesem Frühstadium möchte ich einen Gesichtspunkt von für die vorliegende Rechtssache wesentlicher Bedeutung nachdrücklich klarstellen.

27.      Kurz gesagt ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, die Auslegung des Begriffs „Kollusion“ der in Rede stehenden italienischen Vorschriften vorzugeben. Insbesondere ist es nicht seine Sache zu entscheiden, welcher der beiden Auslegungen er den Vorzug gibt. Die Befugnis hierzu verbleibt beim vorlegenden Gericht(8). Es hat zu entschieden, welche Lesart des Begriffs – die enge oder die weite – gilt.

28.      Dies vorausgeschickt, kann und muss der Gerichtshof seinerseits das Unionsrecht – in diesem Fall also im Wesentlichen Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 – auslegen und insbesondere die Frage beantworten, was mit „eindeutig festgelegt“ genau gemeint ist, um dem vorlegenden Gericht bei der Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit behilflich zu sein. Auch wenn diese Wendung in Bezug auf Maßnahmen des Mitgliedstaats benutzt wird, überlässt es Art. 5 Abs. 4 dieser Richtlinie nicht dem innerstaatlichen Recht, den Begriff zu definieren. Folglich ist er als autonomer Begriff des Unionsrechts einheitlich auszulegen.

29.      Um die Frage nach der Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 in einer für das vorlegende Gericht sinnvollen Weise zu beantworten, ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieses bereits die Vorstellung verworfen hat, dass eine enge Lesart des Begriffs „Kollusion“ eine Aufrechterhaltung der angefochtenen Urteile und damit des streitigen Beschlusses rechtfertigen könnte. Für den Gerichtshof bleibt demnach zu bewerten, ob die weite Lesart des Begriffs „Kollusion“ als „eindeutig festgelegt“ im Sinne des Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 angesehen werden kann, und auf diese Auslegung hat der Gerichtshof seine Antwort auszurichten.

B.      Würdigung der Vorlagefrage

1.      Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25: Vorbemerkungen

30.      Während Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/25 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine natürliche oder juristische Person bei Erreichen der im innerstaatlichen Recht festgelegten Schwelle ein Pflichtangebot für die verbleibenden Wertpapiere der Zielgesellschaft abgeben muss, regelt deren Art. 5 Abs. 4 den dabei zu bietenden Preis.

31.      Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/25 nennt diesen Preis klar und deutlich und im Sinne einer allgemeinen Regel. Es ist schlicht der höchste Preis, der vom Bieter (oder von mit ihm gemeinsam handelnden Personen) in einem bestimmten, von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitraum von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten gezahlt worden ist (die RGH). Dieser Preis ist gemäß der Richtlinie auch der angemessene Preis. Der Grund hierfür ist offensichtlich, da die RGH in klaren Worten den zu bietenden Preis auf transparente und vorhersehbare Weise festlegt.

32.      Jedoch können Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 ihre Aufsichtsstellen ermächtigen, den Preis unter bestimmten Bedingungen abzuändern. Diese Bestimmung stellt nach ihrem Wortlaut i) auf die Voraussetzungen und ii) auf die Kriterien ab, die im Rahmen des Übernahmeangebots und der Preisanpassung erfüllt sein müssen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten bei der Preisanpassung die allgemeinen Grundsätze nach Art. 3 Abs. 1 zu beachten, und die genannten Voraussetzungen und Kriterien müssen „eindeutig festgelegt“ sein.

33.      Nach meinem Dafürhalten ergibt sich aus dem Vorstehenden klar, dass Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 regelt, wann, warum und wie ein Mitgliedstaat seine Stellen ermächtigen darf, bei einem Übernahmeangebot einzuschreiten, wenn die RGH den angemessenen Preis nicht korrekt abbildet(9). Wie ich im Folgenden ausführen werde, dürfen hierbei nur die Voraussetzungen berücksichtigt werden, die in eindeutigem und unmittelbarem Zusammenhang mit der das obligatorische Übernahmeangebot auslösenden Transaktion stehen.

34.      Ich wende mich nun der genaueren Untersuchung des im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 zu. Was schreibt er vor und was bedeutet „eindeutig festgelegt“ tatsächlich?

2.      Das Paradigma: Ermessen der Mitgliedstaaten

35.      Auf den ersten Blick fällt auf, dass Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 in meiner Ansicht nach eindeutig nicht abschließender Weise Beispiele auflistet, an denen sich die Mitgliedstaaten orientieren können, wenn sie ihre Aufsichtsstellen ermächtigen möchten, den Preis abzuändern.

36.      Außerdem scheint es klar, dass die in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 angesprochenen „Voraussetzungen“, die eine Abänderung des Preises auslösen können, logischerweise den bei dieser Abänderung anzuwendenden „Kriterien“ vorgeschaltet sind.

37.      Abgesehen davon gibt Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 aus sich heraus nicht viel mehr her.

38.      Dies eine scheint allerdings recht sicher zu sein, nämlich dass Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ermächtigung ihrer Aufsichtsstellen zur Abänderung des Preises ein Ermessen einräumt(10). Diese Auffassung findet eine Stütze sowohl in der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift(11) als auch in dem Kontext, in dem sie steht. Nach ihrem Art. 3 Abs. 2 setzt die Richtlinie nur Mindestanforderungen(12), was bedeutet, dass die Mitgliedstaaten für Angebote zusätzliche und strengere Bedingungen und Bestimmungen festlegen dürfen. In ähnlicher Weise scheint Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie den Mitgliedstaaten weitreichende Befugnisse einzuräumen, allgemein von der Richtlinie abzuweichen.

39.      Es lohnt dabei, in Erinnerung zu rufen, dass die Richtlinie 2004/25 sehr weitgehend das Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat ist(13). Als der Kompromiss geschlossen war, gab die Kommission, die bereits 1985 gemeinsame Verfahrensregeln für Änderungen beim Aktienbesitz angeregt(14) und die dem Unionsgesetzgeber – ohne Erfolg – mehrere Legislativvorschläge hierzu übermittelt hatte(15), eine Erklärung für das Protokoll über die Ratstagung ab, in der sie ihr Bedauern zum Ausdruck brachte, dass der letztlich angenommene Text ihrer Meinung nach nicht ausreichend ehrgeizig war und dass entscheidende Teile zu Kann-Bestimmungen geworden waren(16). Diese Entstehungsgeschichte beeinflusst natürlich auch die Auslegung der Richtlinie 2004/25.

40.      Gleichwohl ist das Ermessen der Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 nicht uneingeschränkt(17).

3.      Grenzen des Ermessens der Mitgliedstaaten

a)      Grundsätze

41.      Zunächst einmal ist und bleibt die RGH die grundlegende Regel. Die Logik dieser Regel besteht darin, dass für ein effizientes Funktionieren der Kapitalmärkte in der Union ein hinreichendes Maß an Vorhersehbarkeit im Hinblick auf die bei einem Übernahmeangebot zu bietende Gegenleistung vonnöten ist. Dabei bietet die RGH zwei Vorteile: Die Minderheitsaktionäre kommen in den vollen Genuss des Aufschlags, den der Bieter zu irgendeiner Zeit während des berücksichtigten Zeitraums gezahlt hat, während der Bieter gleichzeitig die Gewissheit hat, dass er im obligatorischen Angebot nicht mehr zahlen muss, als er im vorangehenden Zeitraum zu zahlen bereit war, so dass er selbst bestimmen kann, zu welchem Höchstpreis er alle Wertpapiere der Gesellschaft erwerben will(18). Diese grundlegende Regel ist daher unter strukturellen Gesichtspunkten weit auszulegen. Umgekehrt sollte die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, hiervon abzuweichen, auf das Wesentliche beschränkt werden(19). Außerdem müssen stichhaltige Gründe vorliegen, die nach Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie darzulegen sind, wenn die RGH und die darin enthaltene doppelte Garantie nicht zur Anwendung kommen sollen.

42.      Zweitens haben die Mitgliedstaaten bei Ausübung ihres Ermessens die Grundsätze aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zu beachten. Diese Grundsätze sind Leitprinzipien für die Umsetzung dieser Richtlinie durch die Mitgliedstaaten(20).

43.      Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits sind diese Grundsätze jedoch nicht gefährdet. Im Besonderen sehe ich keine Verletzung der Verfahrensrechte oder des Rechts der Camfin-Aktionäre auf Gleichbehandlung, da im Fall einer Kollusion nach den in Rede stehenden italienischen Vorschriften einzig eine Abänderung nach oben möglich ist(21).

44.      Hinzu kommt, dass keiner dieser allgemeinen Grundsätze ausdrücklich auf das Ziel verweist, die Vorhersehbarkeit für den Bieter oder die breite Öffentlichkeit zu sichern – was sich hingegen aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/25 ergibt, worauf ich im Folgenden in Nr. 59 zurückkommen werde.

45.      Vielmehr verweist Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/25 auf den allgemeinen Grundsatz, dass beim Handel mit den Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften keine Marktverzerrungen durch künstliche Beeinflussung der entsprechenden Wertpapierkurse und durch Verfälschung des normalen Funktionierens der Märkte herbeigeführt werden dürfen. Dieser allgemeine Grundsatz spricht daher klar für die Auffassung, dass im Fall von Kollusion im Sinne einer engen Lesart ein Mitgliedstaat eine Aufsichtsstelle ermächtigen kann, den bei einem Übernahmeangebot gebotenen Preis abzuändern. Diese Ansicht wird auch vom Wortlaut von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 gestützt, der als Voraussetzungen für eine Abänderung ausdrücklich vorsieht, dass „der Höchstpreis in einer Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer gemeinsam festgelegt worden ist“ oder „die Marktpreise der betreffenden Wertpapiere manipuliert worden sind“.

46.      Bei der vom vorlegenden Gericht erwähnten weiten Lesart des Begriffs „Kollusion“ sind die allgemeinen Grundsätze hingegen nicht ganz so eindeutig. Allerdings kann ich sie auch nicht so verstehen, dass sie diese Lesart ausschließen.

47.      Im Gegenteil: die hochrangige Gruppe von Experten des Gesellschaftsrechts hat in ihrem Bericht über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, der zur Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 zählt, Kollusion beschrieben als eine „Vereinbarung mit dem Verkäufer, durch die die Regel des gezahlten Höchstpreises umgangen werden soll“(22). Diese Definition, die einseitig auf den Verkäufer abstellt, scheint weit genug, um den Begriff „Kollusion“ sowohl in seinem engen als auch in seinem weiten Sinn zu erfassen. Abgesehen davon fordert Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie weder ausdrücklich noch implizit Kenntnis oder Absicht bei den Beteiligten.

48.      Drittens ist das Ermessen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ermächtigung ihrer Aufsichtsstellen zur Abänderung des Preises eines Übernahmeangebots aus allgemeineren Gründen eingeschränkt: Abgesehen davon, dass eine Aufsichtsstelle bei der Entscheidung über eine Abänderung des Angebotspreises im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach Art. 4 der Richtlinie 2004/25 handeln muss, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Richtlinie nicht in Situationen gilt, die von ihrem Anwendungsbereich nicht erfasst werden(23). Anders gesagt erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie auf Übernahmeangebote und damit auf die Beziehungen zwischen dem Bieter und Inhabern von Wertpapieren der Zielgesellschaft. Sie kann demnach nicht einfach auf Transaktionen angewandt werden, die nichts mit der Auslösung des obligatorischen Übernahmeangebots zu tun haben – das Gegenteil wäre wie eine unerbetene Gratisleistung des Staates: wenig sinnvoll.

49.      Daraus folgt, dass „Voraussetzungen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 allein die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen sind, die in eindeutigem und unmittelbarem Zusammenhang mit einem bestimmten obligatorischen Übernahmeangebot stehen. Wie die italienische Regierung auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, muss eine Transaktion, die offensichtlich nicht zu dem obligatorischen Übernahmeangebot führt, tatsächlich für die Übernahme unverzichtbar sein (conditio sine qua non), wenn sie bei einer Abänderung des Preises des betreffenden Angebots zu berücksichtigen sein soll.

50.      Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/25 nach ihrem Art. 3 Abs. 2 die Vorschriften zu Übernahmeangeboten nur teilweise harmonisiert, ändert daran nichts. Die Mitgliedstaaten dürfen ihren Aufsichtsstellen nicht erlauben, Transaktionen zu berücksichtigen, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich und/oder den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, und damit, von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 abzuweichen, indem sie den Preis eines obligatorischen Übernahmeangebots in einer Weise ändern, dass zwar der Schutz der Minderheitsaktionäre erweitert, jedoch im Ergebnis die RGH ihrer Wirksamkeit beraubt wird(24).

b)      Bedeutung und Auswirkungen der Worte „eindeutig festgelegt“

51.      Zur genauen Bedeutung der Worte „eindeutig festgelegt“ verweisen beide Parteien des Ausgangsverfahrens für ihre Auffassung auf das Urteil in der Rechtssache Periscopus(25). In diesem Urteil stellte der EFTA-Gerichtshof fest, dass es nicht mit Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 vereinbar sei, eine Aufsichtsstelle zur Abweichung von der RGH zu ermächtigen, wenn dieser Preis eindeutig nicht den Marktpreis widerspiegele, ohne den Begriff „Marktpreis“ weiter zu erläutern. Dieses Urteil löst jedoch nicht den vorliegenden Fall. Erstens stehen im Ausgangsrechtsstreit andere Umstände im Streit, da es dort nicht darum geht, dass das Gebot geringer ist als der Marktpreis, sondern darum, dass es das Ergebnis von Kollusion ist. Zweitens sind die in Rede stehenden italienischen Vorschriften in der vorliegenden Rechtssache nicht so knapp wie die norwegischen, um die es in jenem Urteil ging. Schließlich ist jenes Urteil für den Gerichtshof nicht bindend.

52.      Nach meiner Ansicht verlangt der Ausdruck „eindeutig festgelegt“, dass die der Aufsichtsstelle erteilte Ermächtigung zur Abänderung des Preises in Form eines schriftlichen Regelwerks erfolgen muss, das im Voraus veröffentlicht und für die breite Öffentlichkeit leicht zugänglich sein muss (im Folgenden: nationale Abhilfevorschriften). Ob diese Vorschriften von der Regierung oder der Aufsichtsstelle erlassen werden ist dabei ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese als primäre oder sekundäre Rechtsvorschriften erlassen werden, sofern sie nur verbindlich sind.

53.      Ich sehe jedoch keine Möglichkeit, aus den Worten „eindeutig festgelegt“ ein Erfordernis abzuleiten, dass nationale Abhilfevorschriften im Voraus abschließend und detailliert jede einzelne Situation beschreiben müssen(26). In diesem Punkt stimme ich der italienischen Regierung zu, dass sich der Unionsgesetzgeber für den allgemeineren Ausdruck „Voraussetzungen“ entschieden hat, anstatt einzeln und abschließend die speziellen Fälle aufzulisten, in denen eine Aufsichtsstelle berechtigt ist, den Preis eines obligatorischen Übernahmeangebots abzuändern. Ebenso neige ich zu der Ansicht der Kommission, dass Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 den Mitgliedstaaten nicht verbietet, sich abstrakter Rechtsbegriffe zu bedienen.

54.      Aufgrund der vorstehenden Überlegungen halte ich die Annahme für unproblematisch, dass die Worte „eindeutig festgelegt“ es den Mitgliedstaaten erlauben, nationale Abhilfevorschriften zu erlassen, nach denen ihre Aufsichtsstellen den Preis eines obligatorischen Übernahmeangebots im Fall von Kollusion sowohl im engen als auch im weiten Sinne abändern dürfen.

55.      Ungeachtet dessen hat das vorlegende Gericht – ein höchstes Gericht des Landes – festgestellt, dass im italienischen Recht allgemein der Begriff „Kollusion“ im engen Sinne gilt. Wie gesagt ist es nicht Sache des Gerichtshofs, dazu Stellung zu nehmen, welche der beiden Auslegungen der in Rede stehenden italienischen Vorschriften richtig ist. Es obliegt dem Gerichtshof nur, festzustellen, ob der Ausdruck „eindeutig festgelegt“ im Sinne von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 daran etwas ändert – oder, um das an den Gerichtshof gerichtete Ersuchen um Entscheidung genauer wiederzugeben, ob er eine solche weite Lesart erfordert.

56.      Dieser Meinung bin ich nicht.

57.      Erstens würde dies dazu führen, Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25, entgegen seiner Rechtsnatur als Ausnahme von der RGH, weit auszulegen.

58.      Zweitens steht es den Mitgliedstaaten frei, das ihnen nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 eingeräumte Ermessen auszuüben und, sofern sie dies tun, entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie die nationalen Abhilfevorschriften hierfür festzulegen. Im Ausgangsrechtsstreit wurde bei den in Rede stehenden italienischen Vorschriften entschieden, einen Begriff zu verwenden, der – so schließe ich – dem italienischen Recht nicht fremd ist, nämlich den der „Kollusion“. In diesem Zusammenhang scheint es mir recht weit hergeholt, die weite Lesart des Begriffs „Kollusion“ einzig aufgrund der Verbindung zur Richtlinie heranzuziehen, wenn dies bei ausschließlich nationales Recht betreffenden Sachverhalten nicht geschieht. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit erfordert nur, auf Unionsrecht basierende Ansprüche in gleicher Weise zu behandeln wie auf nationalem Recht basierende Ansprüche, und nicht, dass sie eine Vorzugsbehandlung erfahren müssen.

59.      Drittens ist es, was speziell den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit angeht, auf den das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage verweist, eines der übergeordneten Ziele der Richtlinie 2004/25, „[unionsweit] Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Rechtsfragen zu schaffen, die bei Übernahmeangeboten zu regeln sind“(27). Außerdem verlangen sowohl dieser Grundsatz als auch die Notwendigkeit, im Sinne von Art. 288 AEUV die volle Anwendung der Richtlinien in rechtlicher und nicht nur in tatsächlicher Hinsicht zu gewährleisten, dass alle Mitgliedstaaten die Bestimmungen der betreffenden Richtlinie in einen klaren, bestimmten und transparenten gesetzlichen Rahmen aufnehmen, der in dem von dieser Richtlinie betroffenen Bereich zwingende Bestimmungen vorsieht(28). Diese Verpflichtung gilt erst recht für nationale Abhilfevorschriften, die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie eingeführt oder aufrechterhalten haben.

60.      Der Grundsatz der Rechtssicherheit erfordert insbesondere zu prüfen, ob der betreffende Rechtsakt derart unklar ist, dass die Betroffenen etwaige Zweifel in Bezug auf seine Reichweite oder seinen Inhalt nicht mit hinreichender Sicherheit ausräumen können(29). Auf der anderen Seite reicht, auch wenn die Richtlinie 2004/25 ohne Zweifel kein Strafrechtsakt ist, der an sich die Anwendung der hergebrachten straf- und strafverfahrensrechtlichen Begriffe erfordert, die einfache Tatsache, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht im Voraus genau wissen kann, in welcher Art oder Höhe eine bestimmte Verhaltensweise im Einzelfall geahndet werden könnte, nicht aus, um einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zu begründen(30).

61.      Während die in der vorstehenden Randnummer skizzierte Rechtsprechung typischerweise den Einwand einer Privatperson betrifft, dass das Recht nicht ausreichend klar sei, um die rechtlichen Folgen eines bestimmten Verhaltens vorherzusehen – was normalerweise keine Entschuldigung ist (ignorantia iuris non excusat) – ist dies in dem Fall keine zufriedenstellende Lösung, in dem sich ein innerstaatliches Gericht hinsichtlich der korrekten Auslegung seines eigenen Rechts nicht sicher ist (iura non novit curia). Wäre die weite Lesart des Begriffs „Kollusion“ im italienischen Recht allgemein vorherrschend, wären die Voraussetzungen für die Abänderung des Preises „eindeutig festgelegt“. Nach der Vorlageentscheidung ist dies aber im Ausgangsrechtsstreit nicht der Fall.

62.      Hier zeigt der Ausdruck „eindeutig festgelegt“ gemäß Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25, der nichts anderes als ein Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist, seine wahre Bedeutung. Natürlich können nationale Abhilfevorschriften auf unbestimmte Rechtsbegriffe abstellen, die von den Gerichten der Mitgliedstaaten schrittweise im Wege der Auslegung ausgestaltet werden können. Allerdings kann der Inhalt solcher Begriffe nicht beliebig in erheblicher Weise geändert und gleichzeitig behauptet werden, sie seien „eindeutig festgelegt“, nur weil eine Aufsichtsstelle sie auf neue Umstände anwenden möchte, die von der bisherigen Lesart des Begriffs nicht abgedeckt sind(31). Ließe man ein solch willkürliches Verhalten zu, wäre das Ziel der Richtlinie gefährdet, unionsweit Klarheit und Transparenz nicht zuletzt für Unternehmer und andere Wirtschaftsteilnehmer zu sichern.

63.      Bezeichnend ist in dieser Hinsicht, dass das vorlegende Gericht nach eigenen Angaben den Rechtsmitteln von MTP und Lauro 61 einzig wegen der Richtlinie 2004/25 nicht stattgegeben hat. Tatsächlich zeigen allein schon die Zweifel des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der richtigen Auslegung seiner eigenen Vorschriften, dass die in Rede stehende italienischen Vorschriften nicht im Sinne von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie so „eindeutig festgelegt“ sind, dass sie eine weite Lesart des Begriffs „Kollusion“ erlauben, um von der RGH abzuweichen.

64.      Nach alledem steht Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25 meines Erachtens der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die einer Aufsichtsstelle im Fall von Kollusion erlaubt, den bei einem Übernahmeangebot gebotenen Preis unter Voraussetzungen zu erhöhen, die ohne die Anwendung der Richtlinie nach nationalem Recht nicht als Kollusion angesehen worden wären.

65.      Einer Bewertung, ob der Verkauf der Pirelliaktien – und insbesondere die Wirkung der Aktionärsvereinbarung – in eindeutigem und unmittelbarem Zusammenhang mit der Transaktion standen, die die Verpflichtung von Lauro 61 zur Abgabe eines Übernahmeangebots auslöste, bedarf es daher meiner Ansicht nach nicht. Ohnehin wäre diese Aufgabe, in deren Rahmen der Sachverhalt und Beweismittel zu prüfen wären, letztlich Sache des vorlegenden Gerichts.

IV.    Ergebnis

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) vorgelegte Frage dahin zu beantworten, dass bei richtiger Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 219/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Anpassung einiger Rechtsakte, für die das Verfahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Beschluss 1999/468/EG des Rates in Bezug auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Zweiter Teil, diese Vorschrift der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die einer nationalen Aufsichtsstelle erlaubt, den bei einem Übernahmeangebot gebotenen Preis im Fall von Kollusion abzuändern, der ohne die Anwendung der Richtlinie nach nationalem Recht nicht als Kollusion angesehen worden wäre.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. 2004, L 142, S. 12), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 219/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Anpassung einiger Rechtsakte, für die das Verfahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Beschluss 1999/468/EG des Rates in Bezug auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Zweiter Teil (ABl. 2009, L 87, S. 109).


3      GURI Serie Generale Nr.71 vom 26. März 1998 – Supplemento Ordinario Nr. 52.


4      GURI Serie Generale Nr. 123 vom 28. Mai 1999 – Supplemento Ordinario Nr. 100.


5      Dieser höhere Preis wurde durch eine Berechnung ermittelt, bei der der Betrag von 6,6 Mio. Euro – der nach Ansicht der Consob den Vorteil darstellte, den MCI durch den gezahlten niedrigeren Preis für die Pirelliaktien erlangt hatte – durch die von Lauro 61 erworbenen Aktien von Camfin geteilt wurde. Der so festgelegte neue Preis führte zu höheren Gesamtaufwendungen von Lauro 61 von circa 8,5 Mio. Euro.


6      Vgl. Urteil vom 15. Oktober 2009, Audiolux u. a (C‑101/08, EU:C:2009:626, insbesondere Rn. 47 bis 51).


7      Beim Gerichtshof anhängige Rechtssachen Amber Capital Italia und Amber Capital UK, C‑654/16, Hitachi Rail Italy Investments, C‑655/16, Finmeccanica, C‑656/16, Bluebell Partners, C‑657/16, und Elliot International u. a., C‑658/16.


8      In gleicher Weise bleibt eine Frage eines nationalen Gerichts, ob es nationales Recht so auslegen könne oder müsse, wie es am besten mit dem Unionsrecht vereinbar sei, eine Frage der Auslegung nationalen Rechts und ist damit unzulässig: Vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 58 bis 61).


9      Vgl. hierzu den Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten. Brüssel, 10. Januar 2002, S. 58-59.


10      So auch Enriques, L., „The Mandatory Bid Rule in the Takeover Directive: Harmonization Without Foundation?“, in European Company and Financial Law Review, Band 1, Heft 4, 2004, S. 440, 446, wonach Mitgliedstaaten und ihre Aufsichtsstellen im besonderen Hinblick auf den angemessenen Preis bei der Bestimmung der Voraussetzungen und Kriterien für eine Preisberichtigung über ein weites Ermessen verfügen.


11      Im Gegensatz zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote, KOM(2002) 534 endg. (ABl. 2003 C 45 E, S. 1) heißt es in Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25 nicht, die Mitgliedstaaten „legen … in einer Liste fest“, sondern, sie „können … in einer Liste festlegen“, unter welchen Voraussetzungen der Höchstpreis korrigiert werden darf.


12      Nach ihrem 25. Erwägungsgrund zielt die Richtlinie 2004/25 auf „die Festlegung von Mindestvorgaben für die Abwicklung von Übernahmeangeboten und die Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes für Wertpapierinhaber in der gesamten [Union]“ ab.


13      Vgl. u. a. Bericht vom 8. Dezember 2003 über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments, A5-0469/2003 endg., S. 20 f., vgl. S. 7 f., und Council document No 16116/03 of 16 December 2003 relating to the Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on takeover bids, Nr. II (Interinstitutionelles Dossier Nr. 2002/0240 [COD]).


14      Weißbuch vom 14. Juni 1985 der Kommission an den Europäischen Rat, Vollendung des Binnenmarktes (KOM[85] 310 endg.), Rn. 139 ff.


15      Vgl. Vorschlag der Kommission vom 19. Januar 1989 für eine dreizehnte Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote (KOM[88] 823 endg., ABl. 1989, C 64, S. 8) und Vorschlag der Kommission vom 7. Februar 1996 für eine dreizehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote (KOM[95] 655 endg., ABl. 1996, C 162, S. 5).


16      Vgl. Erklärung der Kommission im Ratsdokument Nr. 7088/04 vom 12. März 2004 betreffend die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend öffentliche Übernahmeangebote, Nr. 2 (Interinstitutionelles Dossier Nr. 2002/0240 [COD]).


17      Im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/25 heißt es: „Um effektiv zu sein, sollte die Übernahmeregelung flexibel sein und neu auftretende Umstände erfassen können und damit Ausnahmen und abweichende Regelungen erlauben. Bei der Anwendung von Regeln oder Ausnahmen bzw. beim Erlass von abweichenden Regelungen sollten die Aufsichtsstellen jedoch bestimmte allgemeine Grundsätze beachten“ (Hervorhebung nur hier).


18      Vgl. Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, Brüssel, 10. Januar 2002, S. 58.


19      Für eine enge Auslegung des Ermessens der Aufsichtsstellen bei der Nichtanwendung der RGH vgl. Papadopoulos, T., „The European Union Directive on Takeover Bids: Directive 2004/25/EC“, in International and Comparative Law Journal, Band 6, Heft 3, S. 13, S. 30 f., der ausführt, dass ein weites Ermessen bei der Preisanpassung des Übernahmeangebots mit dem allgemeinen Grundsatz des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/25 (weil eine Korrektur des Preises nach unten ohne angemessene Begründung das Prinzip der Gleichbehandlung der Aktionäre verletzen könne) wie auch mit dem in Art. 49 AEUV (weil eine Korrektur des Preises nach oben ohne angemessene Begründung Bieter abhalten könne) unvereinbar sei.


20      Vgl. Urteil vom 15. Oktober 2009, Audiolux u. a. (C‑101/08, EU:C:2009:626, Rn. 51).


21      Diese Regelung wäre nicht zwingend gewesen, da, wie der Gerichtshof festgestellt hat, der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung von Aktionären aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/25 keine Auslegung der nationalen Vorschriften in dem Sinne erfordert, dass sie immer die günstigste für die Minderheitsaktionäre einer Gesellschaft ist. Vgl. hierzu Urteil vom 15. Oktober 2009, Audiolux u. a. (C‑101/08, EU:C:2009:626, Rn. 47 bis 52).


22      Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten, Brüssel, 10. Januar 2002, S. 58.


23      Vgl. hierzu Urteil vom 15. Oktober 2009, Audiolux u. a. (C‑101/08, EU:C:2009:626, Rn. 49).


24      Vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis (C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 36 und 37).


25      Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 10. Dezember 2010, Periscopus/Oslo Børs and Erik Must (E‑1/10, EFTA Court Report 2009-10, S. 200).


26      Vgl. hierzu Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 10. Dezember 2010, Periscopus/Oslo Børs and Erik Must (E‑1/10, EFTA Court Report 2009-10, S. 200, Rn. 47).


27      Siehe dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/25.


28      Vgl., beispielsweise, Urteile vom 15. März 1990, Kommission/Niederlande (C‑339/87, EU:C:1990:119, Rn. 6, 22 und 25), sowie vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik (C‑343/08, EU:C:2010:14, Rn. 40).


29      Vgl. hierzu Urteil vom 14. April 2005, Belgien/Kommission (C‑110/03, EU:C:2005:223, Rn. 31).


30      Vgl. hierzu Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission (C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31 Vgl. hierzu Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 217 und 218).