Language of document : ECLI:EU:C:2011:369

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

9. Juni 2011(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Habitatrichtlinie – Unzulänglichkeit der zum Schutz der Art Cricetus cricetus (Feldhamster) getroffenen Maßnahmen – Verschlechterung der natürlichen Lebensräume“

In der Rechtssache C‑383/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 25. September 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch O. Beynet und D. Recchia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzlerin: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Januar 2011

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung (ABl. L 363, S. 368, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, dass sie kein Programm von Maßnahmen aufgestellt hat, die einen strengen Schutz der Art Cricetus cricetus (Feldhamster) erlauben.

 Rechtlicher Rahmen

2        Hauptziel der Habitatrichtlinie ist es ihrem dritten Erwägungsgrund zufolge, die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern.

3        Art. 1 Buchst. a bis i dieser Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

a)      ‚Erhaltung‘: alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die natürlichen Lebensräume und die Populationen wildlebender Tier- und Pflanzenarten in einem günstigen Erhaltungszustand im Sinne des Buchstabens e) oder i) zu erhalten oder diesen wiederherzustellen.

g)       ‚Arten von gemeinschaftlichem Interesse‘: Arten, die in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet

i)       bedroht sind, außer denjenigen, deren natürliche Verbreitung sich nur auf Randzonen des vorgenannten Gebietes erstreckt und die weder bedroht noch im Gebiet der westlichen Paläarktis potenziell bedroht sind, oder

ii)       potenziell bedroht sind, d. h., deren baldiger Übergang in die Kategorie der bedrohten Arten als wahrscheinlich betrachtet wird, falls die ursächlichen Faktoren der Bedrohung fortdauern, oder

iii)       selten sind, d. h., deren Populationen klein und, wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar bedroht oder potenziell bedroht sind. Diese Arten kommen entweder in begrenzten geografischen Regionen oder in einem größeren Gebiet vereinzelt vor, oder

iv)       endemisch sind und infolge der besonderen Merkmale ihres Habitats und/oder der potenziellen Auswirkungen ihrer Nutzung auf ihren Erhaltungszustand besondere Beachtung erfordern.

Diese Arten sind in Anhang II und/oder Anhang IV oder Anhang V aufgeführt bzw. können dort aufgeführt werden.

i)      ‚Erhaltungszustand einer Art‘: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können.

Der Erhaltungszustand wird als ‚günstig‘ betrachtet, wenn

–        aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, und

–        das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und

–        ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Population dieser Art zu sichern.“

4        Art. 2 Abs. 2 der Habitatrichtlinie bestimmt, dass die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen darauf abzielen, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

5        Der Feldhamster gehört zu den in Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie aufgeführten Arten. Dieser Anhang betrifft die „streng zu schützenden“ Tierarten „von gemeinschaftlichem Interesse“.

6        Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)       alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

b)      jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

c)       jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

d)       jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.“

 Sachverhalt und Vorverfahren

7        Die Kommission wurde auf den Erhaltungszustand des Feldhamsters im Elsass durch eine Beschwerde aufmerksam, von der sie die französischen Behörden bei einer Sitzung, die am 15. Januar 2007 stattfand, in Kenntnis setzte.

8        Letztere übermittelten ihren Standpunkt dazu mit Schreiben vom 15. Februar und 14. September 2007, worin sie der Kommission die Maßnahmen mitteilten, die sie im Rahmen des Aktionsplans für die Erhaltung der betroffenen Art für die Jahre 2007–2011 erlassen hatten.

9        Mit Mahnschreiben vom 23. Oktober 2007 wies die Kommission darauf hin, dass die Bestandserhebung der Feldhamster zeige, dass die Art sehr kurzfristig vom völligen Aussterben bedroht sei, und forderte die Französische Republik zu einer Stellungnahme dazu auf.

10      Mit Schreiben vom 24. September 2007 und 11. März 2008 legten die französischen Behörden die zur Erhaltung dieser Art bereits erlassenen oder vorgesehenen Schutzmaßnahmen dar.

11      Mit Schreiben vom 5. Juni 2008 übersandte die Kommission der Französischen Republik eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie die Auffassung vertrat, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Habitatrichtlinie verstoßen habe, dass sie kein Programm von Maßnahmen aufgestellt habe, die einen strengen Schutz des Feldhamsters erlaubten. Sie forderte die Französische Republik daher auf, binnen zwei Monaten nach Zustellung der mit Gründen versehenen Stellungnahme die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser nachzukommen.

12      In ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme wies die Französische Republik auf die geografischen Gegebenheiten hin, welche die Schutzmöglichkeiten für den Feldhamster beschränkten, führte aber auch Beobachtungen an, wonach im Jahr 2008 in einem Teil des elsässischen Gebietes der Bestandsrückgang dieser Art zum Stillstand gekommen sei. Außerdem teilte sie der Kommission mit, welche Fortschritte durch die Maßnahmen, die im Rahmen des Aktionsplans für die Jahre 2007–2011 zur Erhaltung dieser Art durchgeführt worden seien, bereits erzielt worden seien.

13      Da die Kommission die von der Französischen Republik durchgeführten Maßnahmen zur Erhaltung dieser Art weiterhin für unzureichend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Vorbringen der Parteien

14      Die Kommission bringt vor, der Feldhamster sei im Elsass vom Aussterben bedroht. Die Bestandserhebung lasse nämlich einen starken Rückgang der Art in den Jahren 2001–2007 erkennen. Die Ursachen dieser Verschlechterung lägen im Städtebau und in der Entwicklung der landwirtschaftlichen Praxis.

15      Die von der Französischen Republik erlassenen Maßnahmen seien unzulänglich und hätten die Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Feldhamsters nicht verhindert. Einer der wesentlichen Gründe für die Unzulänglichkeit sowohl der städtebaulichen als auch der landwirtschaftlichen Maßnahmen sei die Begrenztheit des von diesen Maßnahmen betroffenen Gebiets, insbesondere der prioritären Aktionszonen (Zones d’action prioritaire, im Folgenden: ZAP) und des „Wiederbesiedelungsgebiets“. Außerdem seien die Maßnahmen an sich unzureichend. So sei das Ziel, in den ZAP auf 22 % bei den für den Feldhamster günstigen Anbaukulturen zu kommen, nur in einem einzigen der drei bestehenden ZAP erreicht worden. Außerdem sei das Aktionsprogramm zur Einschränkung der Nitratbelastung für die Jahre 2008–2010 unzureichend. Schließlich seien die Beschränkungen der Bebauungsmöglichkeiten im „Wiederbesiedelungsgebiet“ nicht ausreichend.

16      Die Französische Republik entgegnet, die von ihr erlassenen Maßnahmen stellten ein ganzes Paket dar, das kohärent, verhältnismäßig und zur Erreichung des Ziels des strengen Schutzes des Feldhamsters entsprechend den Anforderungen der Habitatrichtlinie geeignet sei. Insbesondere sei es durch den Aktionsplan für die Jahre 2007–2011 gelungen, den Lebensraum dieser Art genau zu bestimmen und drei abgegrenzte Aktionsgebiete, nämlich die drei ZAP, in denen auf jegliche Bodennutzungsänderungen, sofern sie nicht mit der Landwirtschaft zusammenhingen, verzichtet worden sei, das „Wiederbesiedelungsgebiet“, in dem für jedes Vorhaben von einem Hektar oder mehr durch eine spezifische Studie dessen Unschädlichkeit für diese Hamsterart nachgewiesen werden müsse, und das historische Verbreitungsgebiet, in dem alle Gemeinden bei der Erneuerung ihrer Dokumente zur Bauleitplanung eine spezifische, dem Feldhamster gewidmete Studie vorsehen müssten, festzulegen.

17      Die Französische Republik weist darauf hin, dass seit der Durchführung dieses Aktionsplans aus der Entwicklung des Abundanzindex des Bestands der betreffenden Art in den „Kernzonen“ das Ende des Bestandsrückgangs, ja sogar eine leichte Aufstockung des Bestands abgelesen werden könne. Jedoch sei es erst in mehreren Jahren möglich, mit ausreichend hoher Sicherheit die Wirkung der von den französischen Behörden erlassenen Maßnahmen auf den Erhaltungszustand der Populationen dieser Art zu beurteilen. Jedenfalls habe die Kommission weder festgestellt, dass sich der natürliche Lebensraum dieser Art in den ZAP nach 2007 weiter verschlechtert habe, noch nachgewiesen, dass die Nitratbelastung der Art abträglich sei. Schließlich müsse im „Wiederbesiedelungsgebiet“ nicht nur jedes Vorhaben im Hinblick auf seine Auswirkungen auf Exemplare, Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Feldhamsters geprüft werden, sondern es müsse auch noch für alle Vorhaben, die sich über eine Fläche von mehr als einem Hektar erstreckten, eine eigene Studie durchgeführt werden, um festzustellen, ob ein solches Vorhaben zu Schäden für die betreffende Art führen könnte.

 Würdigung durch den Gerichtshof

18      Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Habitatrichtlinie haben die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchst. a genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen, das jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verbietet.

19      Die Umsetzung dieser Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten nicht nur die Schaffung eines vollständigen gesetzlichen Rahmens auf, sondern auch die Durchführung konkreter besonderer Schutzmaßnahmen (Urteil vom 11. Januar 2007, Kommission/Irland, C‑183/05, Slg. 2007, I‑137, Randnr. 29).

20      Desgleichen setzt das strenge Schutzsystem den Erlass kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen voraus (Urteil vom 16. März 2006, Kommission/Griechenland, C‑518/04, Randnr. 16, und Kommission/Irland, Randnr. 30).

21      Ein solches strenges Schutzsystem muss also im Stande sein, tatsächlich die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der in Anhang IV Buchstabe a der Habitatrichtlinie genannten Tierarten zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2002, Kommission/Griechenland, C‑103/00, Slg. I‑1147, Randnr. 39).

22      Schließlich ist nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzt wurde. Später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (vgl. u. a. Urteile vom 30. Januar 2002, Kommission/Griechenland, Randnr. 23, und vom 19. Mai 2009, Kommission/Italien, C‑531/06, Slg. 2009, I‑4103, Randnr. 98).

23      Unstreitig endete die zweimonatige Frist, die der Französischen Republik von der Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, um ihr Gelegenheit zu geben, dieser nachzukommen, am 5. August 2008.

24      Den Akten ist zu entnehmen, dass zwischen 2001 und 2007 die Zahl der Feldhamsterbaue in den „Kernzonen“, die als Referenzwert für die Beobachtung der Population dieser Art herangezogen wurden, von 1 160 auf weniger als 180 zurückgegangen ist. Außerdem hat nach der Bestandserhebung des Office national de la chasse et de la faune sauvage (Nationales Amt für Jagd und wildlebende Tiere) für das Jahr 2009, die von der Französischen Republik nicht bestritten wird, keine Population dieser Art im Elsass die Schwelle der überlebensfähigen Mindestpopulation erreicht, die auf 1 500 Exemplare geschätzt wird, verteilt auf einem zusammenhängenden Gebiet von 600 Hektar bei günstigen Bodenverhältnissen.

25      In einem Schreiben des Staatssekretärs für Ökologie an den Präfekten der Region Elsass vom 28. August 2009 (im Folgenden: Schreiben vom 28. August 2009) heißt es, dass „trotz der im Plan zur Erholung des Bestands des [Feldhamsters] (2007–2011) festgelegten Maßnahmen und der jeweiligen verbindlichen Zusagen derjenigen, die von den Schutzmaßnahmen für diese Art betroffen sind, die bisher erzielten biologischen Ergebnisse für den Schutz dieser Art in Frankreich unzureichend sind“ und es daher „geboten ist, die Regelung zugunsten des Feldhamsters deutlich und rasch zu verbessern, um kurzfristig biologische Ergebnisse zu erzielen, die eine Erholung der Art belegen“.

26      Die Französische Republik räumt ein, dass der verstärkte Anbau von Mais auf Kosten der Anbauvielfalt für den Feldhamster, der vom Wechselgrünland, insbesondere der Luzerne abhänge, verhängnisvoll gewesen und einer der wesentlichen Gründe für den Populationsrückgang dieser Art sei. Es steht fest, dass diese Entwicklung im Elsass, das in Frankreich die einzige Region ist, in der der Feldhamster vorkommt, auch in diesen letzten Jahren nicht vollständig aufgehalten werden konnte.

27      Zu den Maßnahmen, die in dieser Situation Abhilfe schaffen sollen, zählt insbesondere die Schaffung von drei ZAP. In diesen Gebieten ist auf jegliche Bodennutzungsänderungen, sofern sie nicht mit der Landwirtschaft zusammenhängen, verzichtet und als Ziel ein Anteil von 22 % bei den für den Feldhamster günstigen Anbaukulturen, nämlich 2 % Luzerne und 20 % Halmgetreide, festgelegt worden, um schließlich eine lebensfähige Population von ca. 1 200 bis 1 500 Exemplaren pro Gebiet zu erreichen.

28      Den von der Französischen Republik vorgelegten wissenschaftlichen Daten zufolge, auf deren Grundlage das Ziel von 22 % bei den für den Feldhamster günstigen Anbaukulturen in den ZAP festgelegt wurde, „ließ sich anhand einer Studie, die 1997 vom [Nationalen Amt für Jagd und wildlebende Tiere] bei zwölf Stichprobenquadraten auf einer Fläche von 25 ha Lößboden durchgeführt worden war, zeigen, dass die drei Quadrate, auf denen mehr als 2 bis 4 % Luzerne sowie 20 bis 30 % Halmgetreide angebaut wurden, die bedeutendsten Feldhamsterpopulationen aufwiesen. Dort war eine Zunahme der Anzahl der Baue zwischen Frühjahr und Sommer zu verzeichnen, was auf eine für die Erhaltung und die Fortpflanzung der Art günstige Umgebung schließen lässt. Das war bei den neun übrigen Quadraten, in denen die Luzerne kaum oder gar nicht vorhanden und die Halmgetreide deutlich in der Minderzahl waren, nicht der Fall.“

29      Die Kommission bestreitet zwar nicht, dass die so genannten Agrarumweltmaßnahmen, die erlassen wurden, um das Ziel von 22 % bei den für die betroffene Hamsterart günstigen Anbaukulturen zu erreichen, insbesondere die finanzielle Unterstützung von Landwirten, um den Anbau von Luzerne und Wintergetreiden stärker zu fördern, geeignet sind, die landwirtschaftliche Praxis in eine für diese Art günstige Bahn zu lenken, doch war den Akten zufolge dieses Ziel von 22 % bei den für diese Art günstigen Anbaukulturen am 5. August 2008 erst in einer der drei ZAP erreicht worden, die im Übrigen nur 2 % aller für den Feldhamster günstigen Flächen ausmachen.

30      Außerdem war den französischen Behörden die Unzulänglichkeit dieser Maßnahmen bewusst. Zum einen forderte nämlich der Staatssekretär für Ökologie den Präfekten der Region Elsass im Schreiben vom 28. August 2009 auf, für September einen Vorschlag zur Änderung des Umfangs der ZAP auszuarbeiten, insbesondere um die in deren Nähe gelegenen Abschnitte, die Hamster beherbergten, mit einzubeziehen.

31      Zum anderen gaben die französischen Behörden im Hinblick auf das „Wiederbesiedelungsgebiet“ in ihrem Schriftwechsel mit der Kommission nach der Zustellung der mit Gründen versehenen Stellungnahme an, dass die Anpassungsdynamik der landwirtschaftlichen Praxis, die zur unbestreitbaren Stabilisierung des Bestands der Feldhamster in den Gemeinden im historischen Verbreitungsgebiet beigetragen habe, erweitert und verstärkt würde, und zwar insbesondere durch die Durchführung territorial festgelegter Agrarumweltmaßnahmen, durch die im Laufe des Jahres 2011 im gesamten Lebensraum dieser Art ein Anteil von 22 % bei den für sie günstigen Anbaukulturen erreicht werden solle.

32      Die Französische Republik räumt auch ein, dass die Entwicklung des Städtebaus und der damit verbundenen Infrastrukturen, durch die die Agrarflächen verschwänden oder zersplittert würden, ein anderer entscheidender Grund für den Rückgang der Feldhamsterpopulation sei.

33      Zu den Maßnahmen, die die Französische Republik im Bereich des Städtebaus erlassen hat, um die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Feldhamsters zu beenden, ist erstens festzustellen, dass das Verbot jeder neuen Bebauung in den ZAP, selbst wenn es tatsächlich zwingend wäre, laut Randnr. 29 des vorliegenden Urteils nur 2 % aller für den Feldhamster günstigen Flächen betrifft.

34      Zweitens lässt sich, auch wenn in dem „Wiederbesiedelungsgebiet“, das nach Angaben der Französischen Republik 49 % der für den Feldhamster günstigen Flächen abdeckt, für jedes Städtebauvorhaben, das sich über eine Fläche von einem Hektar oder mehr erstreckt, durch eine eigene Studie dessen Unschädlichkeit für diese Art nachgewiesen werden muss, und das Vorhaben, wenn dieser Beweis nicht erbracht wird, nur mit einer ministeriellen Ausnahmegenehmigung verwirklicht werden kann, den Akten nichts entnehmen, was das Vorbringen der Kommission widerlegen könnte, dass zum einen die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nicht genau festgelegt seien, und zum anderen im Fall einer solchen Ausnahmegenehmigung keine Ausgleichsmaßnahme verlangt werde.

35      Drittens steht außer Streit, dass die Städtebauvorhaben, die eine Fläche von weniger als einem Hektar beanspruchen, am 5. August 2008 keiner Formalität unterlagen, durch die hätte überprüft werden können, dass diese Vorhaben auf die Erhaltung der in Rede stehenden Art keine Auswirkung haben. Im Übrigen geht aus dem Schreiben vom 28. August 2009 hervor, dass der Staatssekretär für Ökologie den Präfekten der Region Elsass aufforderte, eine Regelung für eine umfassende Bewertung und Überprüfung dieser Vorhaben zu schaffen, durch die das Fehlen einer solchen Auswirkung belegt werden könnte. Er ordnete auch an, darauf hinzuweisen, dass das Vorkommen dieser Hamster im Wirkungsbereich dieser Vorhaben eine „Verlegung oder einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung“ rechtfertige, und zwar unabhängig von der Fläche des Vorhabens.

36      Außerdem enthielt dieses Schreiben den Hinweis, dass ein Ergänzungserlass zu den Voraussetzungen für einen Antrag auf Gewährung einer Ausnahme vom strengen Schutz des Feldhamsters, der den Wortlaut des Rahmenabkommens über die Bewirtschaftung des besonderen Lebensraums dieser Art übernehme, fast fertiggestellt sei und im September 2009 veröffentlicht werden solle.

37      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Maßnahmen, die bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist durchgeführt worden waren, nicht ausreichten, um die Beschädigung oder die Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten des Feldhamsters tatsächlich zu verhindern.

38      Was allerdings den Vorwurf der Unzulänglichkeit des Aktionsprogramms für die Jahre 2008–2010 zur Einschränkung der Nitratbelastung angeht, hat die Kommission den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Nitraten in der Landwirtschaft und der Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der genannten Art rechtlich jedenfalls nicht hinreichend dargetan.

39      Nach alledem ist der Klage der Kommission mit der in der vorstehenden Randnummer gemachten Einschränkung stattzugeben.

40      Folglich ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Habitatrichtlinie verstoßen hat, dass sie kein Programm von Maßnahmen aufgestellt hat, die einen strengen Schutz der Art Feldhamster erlauben.

 Kosten

41      Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr dem Antrag der Kommission entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.       Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung verstoßen, dass sie kein Programm von Maßnahmen aufgestellt hat, die einen strengen Schutz der Art Feldhamster (Cricetus cricetus) erlauben.

2.      Die Französische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.