Language of document : ECLI:EU:C:2003:436

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LÉGER

vom 9. September 2003(1)

Rechtssache C-116/02

Erich Gasser GmbH

gegen

Misat Srl

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Innsbruck [Österreich])

„Brüsseler Übereinkommen - Artikel 21 - Rechtshängigkeit - Klagen wegen desselben Anspruchs - Artikel 17 - Gerichtsstandsvereinbarung - Verpflichtung des später angerufenen, in einer Gerichtsstandsvereinbarung bestimmten Gerichts, sich für unzuständig zu erklären - Fehlen einer Verpflichtung - Voraussetzungen - Übermäßig lange Verfahrensdauer vor den Gerichten des Mitgliedstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört - Unerhebliches Kriterium“

1.
    Die vorliegende Rechtssache betrifft die Auslegung des Artikels 21 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(2). Nach diesem Artikel, der die Rechtshängigkeit behandelt, hat, wenn zwei Gerichte verschiedener Vertragsstaaten mit identischen Klagen befasst sind, das später angerufene Gericht das Verfahren auszusetzen und die Akten dem zuerst angerufenen Gericht zu übersenden, sobald dieses seine Zuständigkeit festgestellt hat.

2.
    In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof vom Oberlandesgericht Innsbruck (Österreich) erstmals um eine Entscheidung über die Frage ersucht, ob das später angerufene Gericht die Bestimmungen des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens einhalten muss, wenn dieses Gericht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich zuständig ist. Das Oberlandesgericht fragt darüber hinaus, ob das später angerufene Gericht von den Bestimmungen dieses Artikels abweichen darf, wenn die Verfahren vor den Gerichten des Mitgliedstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, im Allgemeinen unvertretbar lange dauern.

I - Rechtlicher Rahmen

3.
    Nach seiner Präambel soll das Brüsseler Übereinkommen gemäß Artikel 293 EG die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen erleichtern und innerhalb der Europäischen Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen verstärken. Nach seiner Begründungserwägung ist es zu diesem Zweck geboten, die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Vertragsstaaten festzulegen.

4.
    Die maßgeblichen Vorschriften betreffen zum einen die Zuständigkeit und zum anderen die Anerkennung von Entscheidungen der Gerichte eines Vertragsstaats in einem anderen Vertragsstaat.

5.
    Die Vorschriften über die Zuständigkeit befinden sich in Titel II des Brüsseler Übereinkommens.

6.
    Artikel 2 enthält die allgemeine Regel, dass die Gerichte des Staats zuständig sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Durch Begründung einer Reihe besonderer Zuständigkeiten werden dem Kläger in den Artikeln 5 und 6 mehrere Wahlmöglichkeiten eingeräumt. Artikel 5 bestimmt u. a., dass eine Person, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes verklagt werden kann, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

7.
    Das Brüsseler Übereinkommen enthält ferner im 3. und 4. Abschnitt des Titels II zwingende Zuständigkeitsvorschriften für Versicherungs- und Verbrauchersachen.

8.
    Darüber hinaus sieht das Brüsseler Übereinkommen in Artikel 16 Vorschriften über die ausschließliche Zuständigkeit vor. Dieser Artikel bestimmt z. B., dass für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig sind, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

9.
    Die Artikel 17 und 18 betreffen Vereinbarungen über die Zuständigkeit. Artikel 17 regelt die Gerichtsstandsvereinbarungen wie folgt:

„Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Vertragsstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates ausschließlich zuständig. Eine solche Gerichtsvereinbarung muss geschlossen werden

a)    schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,

b)    in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder

c)    im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.

...

Gerichtsstandsvereinbarungen ... haben keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften [für Versicherungssachen und Verbrauchersachen] zuwiderlaufen oder wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, aufgrund des Artikels 16 ausschließlich zuständig sind.

...“

10.
    Artikel 18 lautet:

„Sofern das Gericht eines Vertragsstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieses Übereinkommens zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich nur einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Artikels 16 ausschließlich zuständig ist.“

11.
    Das Brüsseler Übereinkommen soll außerdem verhindern, dass miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Zu diesem Zweck bestimmt Artikel 21:

„Werden bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.

Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.“

12.
    Die Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung sind in Titel III des Brüsseler Übereinkommens aufgeführt. Artikel 27 bestimmt:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt:

...

3.    wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist ...“

13.
    Nach Artikel 28 Absatz 1 „[wird] [e]ine Entscheidung ... ferner nicht anerkannt, wenn die Vorschriften [für Versicherungssachen und Verbrauchersachen sowie die Vorschriften des Artikels 16] verletzt worden sind ...“

II - Sachverhalt und Verfahren

14.
    Die Erich Gasser GmbH(3) hat ihren Sitz in Dornbirn (Österreich). Sie verkaufte über mehrere Jahre hinweg Kinderbekleidung an die Misat Srl(4) mit Sitz in Rom (Italien). Anfang des Jahres 2000 wurden die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien abgebrochen.

15.
    Mit Klageschrift vom 14. April 2000 erhob Misat gegen Gasser vor dem Tribunale civile e penale Rom (Italien) Klage auf Feststellung, dass der zwischen ihnen bestehende Vertrag von Rechts wegen aufgelöst ist. Hilfsweise ist diese Klage gerichtet auf die Feststellung, dass der Vertrag wegen Unstimmigkeit aufgelöst ist, dass Misat keine Nichterfüllung vorgeworfen werden kann und dass das Verhalten von Gasser unrechtmäßig ist, sowie auf die Verurteilung von Gasser, den von Misat erlittenen Schaden wieder gutzumachen und ihr bestimmte Kosten zu erstatten.

16.
    Mit Klageschrift vom 4. Dezember 2000 erhob Gasser gegen Misat vor dem Landesgericht Feldkirch (Österreich) Klage auf Zahlung wegen unbezahlter Rechnungen. Gasser begründete die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts damit, dass es das Gericht des Erfüllungsortes sei. Außerdem sei dieses Gericht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zuständig. Zur Begründung trug Gasser vor, dass auf allen Rechnungen, die an Misat ausgestellt worden seien, als Gerichtsstand jeweils Dornbirn angeführt sei und dass Misat diese Rechnungen widerspruchslos entgegengenommen habe. Hieraus ergebe sich, dass die Parteien nach den zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten und gemäß dem zwischen Österreich und Italien bestehenden Handelsbrauch eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Artikels 17 des Brüsseler Übereinkommens geschlossen hätten.

17.
    Misat rügte die Unzuständigkeit des österreichischen Gerichts. Sie machte geltend, dass nach der allgemeinen Regel des Artikels 2 des Brüsseler Übereinkommens dasjenige Gericht zuständig sei, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohnsitz habe. Sie bestritt, dass es eine Gerichtsstandsvereinbarung gebe, und trug vor, sie habe zuvor vor dem Tribunale civile e penale Rom eine Klage erhoben, die auf dieselbe Geschäftsbeziehung gestützt sei.

18.
    Das Landesgericht Feldkirch setzte das Verfahren gemäß Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Tribunale civile e penale Rom feststehe. Es bejahte seine eigene Zuständigkeit als Gerichtsstand des Erfüllungsortes, ließ jedoch die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde, offen.

19.
    Gasser legte gegen den Beschluss Rekurs beim Oberlandesgericht Innsbruck ein und beantragte, den Beschluss dahin gehend abzuändern, dass die Zuständigkeit des Landesgerichts Feldkirch ausgesprochen und das Verfahren nicht ausgesetzt wird.

20.
    Das Oberlandesgericht Innsbruck führte zunächst aus, dass die bei dem Landesgericht Feldkirch und dem Tribunale civile e penale Rom zwischen denselben Parteien anhängig gemachten Klagen als Klagen wegen desselben Anspruchs im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu behandeln seien, so dass ein Fall von Rechtshängigkeit vorliege.

21.
    Es führte sodann aus, das Landesgericht Feldkirch habe festgestellt, dass die Rechnungen, die Gasser an Misat ausgestellt habe, als zuständiges Gericht das Landesgericht Feldkirch angegeben hätten. Über die darüber hinausgehend von Gasser zur geltend gemachten Gerichtsstandsvereinbarung aufgestellten Behauptungen habe es jedoch keine Feststellungen getroffen.

22.
    Das Oberlandesgericht Innsbruck stellte hierzu fest, dass nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstaben a, b und c des Brüsseler Übereinkommens eine Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen werden müsse oder in einer Form, welche den Gepflogenheiten zwischen den Parteien entspreche, oder aber im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspreche, den die Parteien gekannt hätten oder hätten kennen müssen und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kannten und regelmäßig beachteten. Es vertrat die Auffassung, dass die ersten beiden Formvoraussetzungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht erfüllt seien. Dennoch stelle sich die Frage, ob die Voraussetzungen nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c erfüllt seien. Der Gerichtshof habe im Urteil MSG(5) für Recht erkannt, dass, wenn eine der Parteien wiederholt Rechnungen der anderen Partei, die eine Gerichtsstandsklausel enthielten, widerspruchslos bezahle, dies als Zustimmung zu dieser Klausel gelten könne, wenn ein solches Verhalten einem Brauch in dem Bereich des internationalen Handelsverkehrs entspreche, in dem die Parteien tätig seien, und wenn ihnen dieser Brauch bekannt sei oder als ihnen bekannt angesehen werden müsse.

23.
    Das Landesgericht Feldkirch wäre für den Fall, dass das Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bestätigt würde, nach Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens für die Entscheidung des Rechtsstreits allein zuständig. Es stelle sich daher die Frage, ob dieses Gericht die Zuständigkeit des Tribunale civile e penale Rom prüfen dürfe.

24.
    Schließlich führte das Oberlandesgericht Innsbruck aus, Gasser habe geltend gemacht, sie werde durch die übermäßig lange Verfahrensdauer in den romanischen Ländern in ihren Rechten beeinträchtigt.

III - Vorabentscheidungsfragen

25.
    Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Innsbruck dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1.    Kann das Gericht, das dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorlegt, diese bereits unter Zugrundelegung des (nicht widerlegten) Vorbringens einer Partei, sei es dass dieses bestritten oder nicht (substantiiert) bestritten wurde, stellen oder bedarf es dazu zunächst der Abklärung dieser Fragen auf Tatsachenebene durch ein entsprechendes Beweisverfahren (wenn ja, in welchem Ausmaß)?

2.    Darf das im Sinne des Artikel 21 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 später angerufene Gericht die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts dann prüfen, wenn das zweite Gericht infolge einer Vereinbarung über die Zuständigkeit nach Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens ausschließlich zuständig ist, oder muss das prorogierte Zweitgericht trotz der Gerichtsstandsvereinbarung nach Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens vorgehen?

3.    Kann der Umstand, dass in einem Vertragsstaat Gerichtsverfahren (vom Verhalten der Parteien weitgehend unabhängig) unvertretbar lange dauern, so dass dadurch einer Partei erhebliche Nachteile entstehen können, dazu führen, dass das im Sinne des Artikels 21 später angerufene Gericht nicht im Sinne dieser Bestimmung vorgehen darf?

4.    Rechtfertigen die im italienischen Gesetz Nr. 89 vom 24.3.2001 normierten Rechtsfolgen die Anwendung der Bestimmung des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens auch dann, wenn einer Partei durch eine mögliche überlange Verfahrensdauer vor dem italienischen Gericht die Gefahr eines Nachteils droht und deshalb im Sinne der Frage 3 an sich nicht nach Artikel 21 vorzugehen wäre?

5.    Unter welchen Voraussetzungen hat das später angerufene Gericht gegebenenfalls von der Anwendung der Bestimmung des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens abzusehen?

6.    Welche Vorgangsweise hat das Gericht einzuschlagen, wenn es unter den zur Frage 3 dargestellten Umständen die Bestimmung des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens nicht anwenden darf?

    Für den Fall, dass jedenfalls nach Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens auch unter den zu Frage 3 dargestellten Umständen vorzugehen ist, erübrigt sich eine Beantwortung der Fragen 4, 5 und 6.

IV - Prüfung

A - Zur ersten Vorlagefrage

26.
    Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein nationales Gericht dem Gerichtshof ein Ersuchen um Auslegung des Brüsseler Übereinkommens auf der Grundlage eines Parteivorbringens vorlegen kann, dessen Richtigkeit vom Gericht nicht geprüft wurde. Das vorlegende Gericht bezieht sich damit auf den Umstand, dass die zweite Vorlagefrage auf der Prämisse beruht, dass das Gericht, in dessen Zuständigkeitsbezirk Dornbirn liegt, für die Entscheidung über das Ausgangsverfahren aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Artikels 17 des Brüsseler Übereinkommens zuständig wäre, das Vorliegen einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung von diesem Gericht jedoch nicht bestätigt wurde.

27.
    Die Antwort auf die erste Vorlagefrage ergibt sich meines Erachtens aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Zulässigkeit von Vorlagefragen, die aufgrund des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof(6) und aufgrund des Artikels 234 EG gestellt werden.

28.
    Artikel 3 des Protokolls vom 3. Juni 1971 bestimmt, dass, wenn eine Frage zur Auslegung des genannten Übereinkommens in einem schwebenden Verfahren gestellt wird, das mit der Sache befasste Gericht diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen kann oder muss, sofern es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Artikel 3 des Protokolls folgt somit demselben Grundgedanken wie Artikel 234 EG. In beiden Fällen soll das Vorabentscheidungsersuchen den Gerichtshof in die Lage versetzen, dem nationalen Gericht die Auslegung zu geben, die dieses für den Erlass eines Urteils benötigt, mit dem die auszulegende Norm angewendet wird(7). Der Gerichtshof hat hieraus folgerichtig abgeleitet, dass seine Rechtsprechung zu seiner Zuständigkeit bei Vorabentscheidungsersuchen gemäß Artikel 234 EG auf Ersuchen um Auslegung des Brüsseler Übereinkommens übertragbar ist(8).

29.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verfahren gemäß Artikel 234 EG ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung übernehmen muss, sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden(9).

30.
    Ausgehend von dieser grundsätzlichen Zuständigkeit des nationalen Gerichts hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das nationale Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und der von den Parteien vorgetragenen Argumente verfüge, nach den Gesichtspunkten der Prozessökonomie darüber zu entscheiden habe, in welchem Verfahrensstadium dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden müsse(10).

31.
    Die Würdigung jedoch, die das nationale Gericht im Rahmen dieser Zusammenarbeit vornimmt, kann einer Überprüfung durch den Gerichtshof unterzogen werden. So hat der Gerichtshof entschieden, dass es ihm in Ausnahmefällen obliege, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom vorlegenden Gericht angerufen werde(11). Er wies darauf hin, dass der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen sei, verlange, dass das vorlegende Gericht auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nehme, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben(12).

32.
    Damit der Gerichtshof dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nützliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben könne, sei es, wie der Gerichtshof insoweit klargestellt hat, erforderlich, dass das nationale Gericht den rechtlichen Rahmen umreiße, in den sich die erbetene Auslegung einfügen solle. Unter diesem Gesichtspunkt könne es je nach der Gestaltung des Falles von Vorteil sein - ohne dass damit der Grundsatz in Frage gestellt werde, dass das vorlegende Gericht für die Beurteilung der Frage, in welchem Verfahrensstadium es eines Vorabentscheidungsersuchens bedürfe, ausschließlich zuständig sei -, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage an den Gerichtshof der Sachverhalt und die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt seien, so dass der Gerichtshof sich über alle Tatsachen- und Rechtsfragen unterrichten könne, auf die es bei der von ihm vorzunehmenden Auslegung möglicherweise ankomme(13). Außerdem sei es unerlässlich, dass das vorlegende Gericht die Gründe darlege, aus denen es eine Beantwortung seiner Fragen für erforderlich halte(14).

33.
    Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, das Vorliegen der vorstehend genannten Voraussetzungen zu prüfen und seine Zuständigkeit für eine Vorabentscheidungsfrage festzustellen, die auf einer Prämisse beruhte, von deren Richtigkeit die Anwendung der im Auslegungsersuchen genannten Vorschrift auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens abhing.

34.
    So hat der Court of Appeal (England & Wales) dem Gerichtshof in der Rechtssache Enderby(15) die Frage vorgelegt, ob der in Artikel 141 EG niedergelegte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit den Arbeitgeber verpflichte, einen Gehaltsunterschied zwischen der Tätigkeit eines Cheflogopäden und der Tätigkeit eines leitenden Apothekers sachlich zu rechtfertigen. Der Court of Appeal ging von der Prämisse aus, dass diese beiden verschiedenen Tätigkeiten gleichwertig seien.

35.
    In ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof führte die deutsche Regierung aus, der Gerichtshof dürfe über die Vorlagefrage nur entscheiden, wenn zuvor festgestellt werde, ob die beiden fraglichen Tätigkeiten gleichwertig seien. Da dies nicht der Fall sei, könne ein Verstoß gegen Artikel 141 EG nicht vorliegen.

36.
    Der Gerichtshof hat dieses Vorbringen zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, der Court of Appeal habe im Einklang mit dem englischen Recht und mit Zustimmung der Parteien beschlossen, die Frage der sachlichen Rechtfertigung des Entgeltunterschieds vor derjenigen der Gleichwertigkeit der betroffenen Tätigkeiten zu prüfen, die kompliziertere Nachforschungen erfordern könne. Aus diesem Grund seien die Vorabentscheidungsfragen unter der Annahme gestellt worden, dass diese Tätigkeiten gleichwertig seien(16). Da der Gerichtshof somit mit einem Ersuchen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts befasst sei, das nicht offensichtlich ohne Bezug zur Realität oder zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits sei, habe er darauf zu antworten; er brauche sich nicht selbst die Frage zu stellen, ob eine Annahme begründet sei, die vom vorlegenden Gericht später nachzuprüfen sein werde, falls sich dies als erforderlich erweisen sollte(17).

37.
    Der Gerichtshof hat dieselbe Auffassung in dem oben genannten Urteil JämO in einem entsprechenden Zusammenhang vertreten(18). Er wies u. a. darauf hin, dass das nationale Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und der von den Parteien vorgetragenen Argumente verfüge und die Verantwortung für die zu fällende Entscheidung zu tragen habe, die Aufgabe habe, die Frage, in welchem Verfahrensstadium es einer Vorabentscheidung bedürfe, und die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen(19). In dieser Rechtssache wurde auch geltend gemacht, dass für die Entscheidung über die Gleichwertigkeit der Arbeit umfangreiche und kostspielige Ermittlungen erforderlich seien(20).

38.
    Wie die Kommission bin auch ich der Auffassung, dass diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann. Auch wenn es bedauerlich ist, dass das vorlegende Gericht hierzu keine detaillierten Erläuterungen gegeben hat, teile ich zum einen die Auffassung der Kommission, dass die Feststellung eines internationalen Handelsbrauchs in dem betreffenden Geschäftszweig, den Parteien von Verträgen dieser Art allgemein kennen und regelmäßig beachten, sicherlich lang andauernde und kostspielige Ermittlungen erforderlich machen kann.

39.
    Zum anderen geht aus dem Vorlagebeschluss deutlich hervor, dass, je nachdem, wie der Gerichtshof die Frage beantwortet, ob das später angerufene Gericht von den Bestimmungen des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens abweichen darf, wenn es aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zuständig ist, das Oberlandesgericht Innsbruck das Ausgangsverfahren völlig unterschiedlich behandeln wird. Wird die Frage bejaht, wird das vorlegende Gericht über das Vorliegen einer solchen Vereinbarung zu entscheiden haben. Falls sich dann herausstellt, dass die Vereinbarung geschlossen wurde, wird das österreichische Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen den Parteien ausschließlich zuständig sein. Wird umgekehrt die Frage verneint, hätte die Prüfung, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, keine Bedeutung mehr, und die Bestimmungen des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens müssten Anwendung finden.

40.
    Schließlich hat das vorlegende Gericht dargelegt, warum unter Berücksichtigung des oben genannten Urteils MSG die Entgegennahme von Rechnungen durch Misat, die jeweils den Vermerk enthalten, dass bei etwaigen Streitigkeiten zwischen den Parteien das für Dornbirn zuständige Gericht entscheiden soll, als ein Anhaltspunkt für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe c des Brüsseler Übereinkommens anzusehen ist. Die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift, nämlich dass es sich um einen im internationalen Handel für den betreffenden Geschäftszweig geltenden Handelsbrauch handeln muss, den die Parteien kannten oder kennen mussten, wurden von Misat nicht substantiiert bestritten. Es besteht daher kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Prämisse einer bestehenden Gerichtsstandsvereinbarung offenkundig falsch ist.

41.
    Die zweite Vorlagefrage, bei der es darum geht, ob das Vorhandensein einer Gerichtsstandsvereinbarung erlaubt, von Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens abzuweichen, ist somit für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens tatsächlich erheblich. Der vom vorlegenden Gericht eingeschlagene Weg, dem Gerichtshof zunächst eine Frage nach den Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung vorzulegen, bevor es die Nachforschungen veranlasst, die im vorliegenden Fall für die Feststellung einer solchen Vereinbarung erforderlich sein könnten, kann meines Erachtens keinen Verstoß des vorlegenden Gerichts gegen die dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Pflicht zur Zusammenarbeit darstellen.

42.
    Bei dieser Sachlage schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu entscheiden, ob es dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung unter Zugrundelegung des Vorbringens einer Partei vorlegt oder ob zunächst eine Prüfung dieses Vorbringens erforderlich ist. Das nationale Gericht hat jedoch dem Gerichtshof diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Hinweise zu geben, die es diesem ermöglichen, eine für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens sachdienliche Antwort zu geben, und ihm die Gründe mitzuteilen, aus denen es die Beantwortung dieser Frage für erforderlich hält.

B - Zur zweiten Vorlagefrage

43.
    Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens dahin auslegen ist, dass das später angerufene Gericht, das infolge einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig ist, abweichend von diesem Artikel über den Rechtsstreit entscheiden darf, ohne abzuwarten, dass sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig erklärt hat. Das vorlegende Gericht möchte mit anderen Worten wissen, ob Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens eine Ausnahme zu Artikel 21 dieses Übereinkommens darstellt.

44.
    Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens hat im Interesse einer geordneten Rechtspflege in der Gemeinschaft bekanntlich zum Ziel, Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten und daraus möglicherweise resultierende gegensätzliche Entscheidungen zu verhindern. Diese Regelung soll mithin soweit wie möglich von vornherein eine Situation ausschließen, wie sie in Artikel 27 Nummer 3 des Übereinkommens geregelt ist, nämlich die Nichtanerkennung einer Entscheidung wegen Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist(21).

45.
    Um dieses Ziel zu erreichen, sieht Artikel 21 eine einfache Regelung vor, mit der zu Beginn eines Rechtsstreits bestimmt werden kann, welches der angerufenen Gerichte letztlich für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist. Diese Regelung beruht auf der chronologischen Abfolge, in der die Gerichte angerufen werden. Danach ist das später angerufene Gericht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen, bis das zuerst angerufene Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hat. Diese Sperrwirkung für das Verfahren vor dem später angerufenen Gericht, die dem Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens immanent ist, steht im Mittelpunkt des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens.

46.
    Um die Anwendung dieses Artikels auszuschließen, fordert Gasser in ihrer Stellungnahme zur dritten Vorlagefrage den Gerichtshof auf, seine seit dem Urteil Gubisch Maschinenfabrik(22) bestehende Rechtsprechung, wonach eine auf die Feststellung der Unwirksamkeit oder die Auflösung eines Vertrages gerichtete Klage dieselbe Grundlage und denselben Gegenstand hat wie eine auf die Erfüllung dieses Vertrags gerichtete Klage(23), zu überdenken. Aufgrund dieser Rechtsprechung konnte das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die vor dem Landesgericht Feldkirch erhobene Klage und die zuvor beim Tribunale civile e penale Rom eingereichte Klage denselben Anspruch betreffen.

47.
    Meines Erachtens ist das vorliegende Verfahren keine Rechtfertigung dafür, dass der Gerichtshof die weite Auslegung des Begriffes des anhängig gemachten Anspruchs im Sinne von Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens zurücknimmt. Diese Auslegung wurde von der Lehre zwar allgemein kritisiert, sie wurde jedoch im Urteil Overseas Union Insurance u. a. implizit bestätigt(24). Ausdrücklich aufrechterhalten wurde sie im Urteil Tatry(25), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass eine Klage, die auf die Feststellung, dass der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, dass er für diesen Schaden nicht haftet(26). Die Auslegung wurde kürzlich im Urteil Gantner Electronic(27) erneut übernommen.

48.
    Außerdem kann der Rechtsprechung eine andere Lösung des von Gasser aufgeworfenen Problems entnommen werden. Im Urteil Overseas Union Insurance u. a. nämlich hat der Gerichtshof entschieden, dass von Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens abgewichen werden könne, wenn das später angerufene Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich zuständig sei. Meines Erachtens kann diese Rechtsprechung auf die Fälle ausgedehnt werden, in denen das später angerufene Gericht aufgrund einer Gerichtsstandsklausel ausschließlich zuständig ist.

49.
    Es ist an den Zusammenhang zu erinnern, in dem das Urteil Overseas Union Insurance u. a. erlassen wurde. In dieser Rechtssache hatte der Gerichtshof über folgenden Sachverhalt zu entscheiden. 1980 nahm die New Hampshire Insurance Company(28), die in England als „overseas company“ registriert war, bei drei ebenfalls in England registrierten Unternehmen Rückversicherungen für ein Risiko, für das sie gegenüber der französischen Gesellschaft Nouvelles Galeries einzustehen hatte. Im Juli 1986 stellten die drei Rückversicherer die Zahlung der fälligen Entschädigungen ein. Mit Schriftsätzen von 1987 und Februar 1988 erhob New Hampshire beim Tribunal de commerce Paris Klage gegen die Rückversicherer auf Vertragserfüllung. Am 6. April 1988 erhoben die drei Rückversicherer ihrerseits vor dem Commercial Court der Queen's Bench Division gegen New Hampshire Klage auf Feststellung, dass sie nicht mehr verpflichtet seien, die etwaigen Pflichten aus den Rückversicherungsverträgen zu erfüllen. Das zuletzt genannte Gericht setzte das Verfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Brüsseler Übereinkommens aus, bis das französische Gericht in den bei ihm anhängigen Verfahren über seine Zuständigkeit entschieden habe.

50.
    Nachdem die drei Rückversicherer gegen diese Entscheidung Berufung beim Court of Appeal eingelegt hatten, legte dieser dem Gerichtshof u. a. die Frage vor, ob Artikel 21 dahin auszulegen ist, dass das später angerufene Gericht das Verfahren lediglich aussetzen darf, falls es sich nicht für unzuständig erklärt, oder ob und in welchem Umfang es nach dieser Vorschrift die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts prüfen kann oder muss(29).

51.
    Der Gerichtshof hat hierauf geantwortet, dass das später angerufene Gericht nach Artikel 21 des Übereinkommens „vorbehaltlich seiner ausschließlichen Zuständigkeit nach dem [Brüsseler] Übereinkommen, insbesondere nach Artikel 16“, lediglich befugt ist, seine Entscheidung auszusetzen, falls der Mangel der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geltend gemacht wird und es sich nicht für unzuständig erklären will, dass es aber die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts nicht selbst prüfen darf(30).

52.
    Aus der Antwort des Gerichtshofes lässt sich ableiten, dass das später angerufene Gericht, das für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich zuständig ist, insbesondere nach Artikel 16 des Brüsseler Übereinkommens, nicht verpflichtet ist, das Verfahren auszusetzen, bis sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig erklärt hat. Das später angerufene Gericht kann somit die Sachprüfung fortsetzen und den Rechtsstreit entscheiden.

53.
    In der vorliegenden Rechtssache ist dieses Urteil bezüglich der Frage, ob Artikel 17 ebenso wie Artikel 16 eine Ausnahme zu den Bestimmungen des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens darstellen kann, von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich ausgelegt worden. Die Kommission, die italienische Regierung und Misat sind der Auffassung, dass die Ausnahme, die der Gerichtshof in diesem Urteil zugelassen hat, keine Anwendung auf Artikel 17 des Übereinkommens Anwendung finde.

54.
    Die Kommission ist der Ansicht, diese Ausnahme könne im Fall des Artikels 16 mit Artikel 28 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens begründet werden, dem zufolge die Entscheidungen eines Gerichts, die unter Verletzung des Artikels 16 ergangen seien, in keinem anderen Vertragsstaat anerkannt werden könnten. Es wäre also widersinnig, wenn man das nach Artikel 16 allein zuständige Gericht dazu zwingen würde, das Verfahren auszusetzen, da die Entscheidung, die das zuerst angerufene, in jedem Fall unzuständige Gericht erlasse, nur in dem Staat Wirkungen entfalten könne, in dem es erlassen worden sei. Artikel 28 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens sei jedoch nicht anwendbar, wenn das später angerufene Gericht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Artikels 17 zuständig sei.

55.
    Da nicht völlig ausgeschlossen werden könne, dass das zuerst angerufene Gericht eine Gerichtsstandsvereinbarung anders beurteile als das später angerufene Gericht, sei es möglich, dass, wenn das später angerufene Gericht das Verfahren nicht aussetze, widersprüchliche Entscheidungen in der Sache ergingen. Die Parteien hätten es folglich mit einem Fall des Artikels 27 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens zu tun, wonach eine Entscheidung, die in einem anderen Vertragsstaat ergehe, nicht anerkannt werde, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar sei, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht werde, ergangen sei. Dies sei eine Situation, die Artikel 21 gerade verhindern solle.

56.
    Außerdem habe die Zuständigkeit nach Artikel 17 geringere Wirkungen als die Zuständigkeit nach Artikel 16, denn die Parteien könnten die Anwendung von Artikel 16 nicht ausschließen, während sie stets die Möglichkeit hätten, eine Gerichtsstandsvereinbarung aufzuheben oder auf deren Geltendmachung zu verzichten. Nach Artikel 18 des Brüsseler Übereinkommens nämlich könne das zuerst angerufene Gericht entscheiden, wenn der Beklagte sich vor diesem Gericht auf das Verfahren einlasse, ohne dessen Unzuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung geltend zu machen.

57.
    Ich teile diese Auffassung nicht. Ich bin mit Gasser und der Regierung des Vereinigten Königreichs der Ansicht, dass Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens eine Ausnahme zu Artikel 21 des Übereinkommens darstellen kann. Dieser Ansicht liegen folgende Erwägungen zugrunde. Erstens sind die Gerichte, die aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Artikel 17 zuständig sind, ausschließlich zuständig. Zweitens ist die Auffassung, dass das später angerufene Gericht verpflichtet sei, Artikel 21 auch dann zu befolgen, wenn es aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig sei, geeignet, die praktische Wirksamkeit des Artikels 17 und die damit verbundene Rechtssicherheit zu beeinträchtigen. Drittens kann die Gefahr, dass widersprechende Entscheidungen ergehen, stark eingeschränkt werden.

58.
    Erstens ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Urteil Overseas Union Insurance u. a. für den Fall der „ausschließlichen Zuständigkeit [des später angerufenen Gerichts] nach dem Übereinkommen, insbesondere nach Artikel 16“, eine Ausnahme zu Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens vorgesehen hat. Die Formulierung dieser Ausnahme macht meines Erachtens zwei Bemerkungen erforderlich. Erstens wollte der Gerichtshof mit dem Wort „insbesondere“ darauf hinweisen, dass diese Ausnahme nicht allein auf den Fall der ausschließlichen Zuständigkeit nach Artikel 16 beschränkt ist. Zweitens hat sich der Gerichtshof auch nicht, wie er es hätte tun können, allein auf die Fälle der ausschließlichen Zuständigkeit bezogen, die von Artikel 28 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens erfasst werden, nämlich auf die Zuständigkeit für Versicherungssachen und Verbrauchersachen oder auf die Zuständigkeit nach Artikel 16. Es gibt somit im Urteil Overseas Union Insurance u. a. keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Fall der ausschließlichen Zuständigkeit nach Artikel 17 von der vom Gerichtshof in diesem Urteil anerkannten Ausnahme von Artikel 21 ausgeschlossen wäre.

59.
    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die Gründe, die diese Ausnahme rechtfertigen können, nicht erläutert hat, da er hierzu nicht befragt worden war. Einer dieser Gründe kann meines Erachtens in folgenden Erwägungen liegen. Kann das zuerst angerufene Gericht nur seine Unzuständigkeit feststellen, ist es sinnlos, das später angerufene Gericht in einem solchen Fall zur Aussetzung des Verfahrens zu verpflichten. Wenn mit anderen Worten das später angerufene Gericht ausschließlich zuständig ist, liegt keine Rechtshängigkeit vor, da diese voraussetzt, dass jedes der beiden mit derselben Sache befassten Gerichte zuständig ist(31).

60.
    Diese Rechtfertigung kann auf den Fall des Artikels 17 des Brüsseler Übereinkommens übertragen werden. Wie sich aus dem Wortlaut dieses Artikels ergibt, sind das Gericht oder die Gerichte, das oder die von den Parteien gemäß dieser Vorschrift bestimmt werden, „ausschließlich zuständig“. In Verbindung mit Artikel 18 des Brüsseler Übereinkommens besagt Artikel 17, dass, wenn zwei Parteien durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe dieses Artikels gebunden sind, jedes andere Gericht, das von einer Partei angerufen wird, unzuständig ist, sofern nicht der Beklagte seine Zustimmung erteilt. Wenn daher, wie es vorliegend der Fall zu sein scheint, der Beklagte die Zuständigkeit des Gerichts rügt, das von seinem Gegner unter Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung zuerst angerufen wurde, so muss sich dieses Gericht angesichts der Gerichtsstandsklausel für unzuständig erklären. Nach dem Schlosser-Bericht(32) muss das Gericht dies sogar von Amts wegen tun, falls sich der Beklagte nicht einlässt(33).

61.
    In einer solchen Konstellation ist das Gericht, das von den Parteien in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnet ist, ausschließlich zuständig im Verhältnis zu den Gerichten, die nach der allgemeinen Regel des Artikels 2 und nach den Regeln über die besondere Zuständigkeit der Artikel 5 und 6 zuständig sind(34). In dieser Hinsicht sind die Wirkungen des Artikels 17 somit vergleichbar mit denen des Artikels 16. Es kann folglich genauso unnütz erscheinen, dem später angerufenen Gericht die Aussetzung vorzuschreiben, wenn sich seine Zuständigkeit aus Artikel 17 ergibt, wie wenn sie auf Artikel 16 beruht.

62.
    Zweitens wäre eine solche Verpflichtung geeignet, die praktische Wirksamkeit von Artikel 17 und die damit verbundene Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.

63.
    Bei der Prüfung, worin die praktische Wirksamkeit des Artikels 17 des Brüsseler Übereinkommens besteht, ist daran zu erinnern, dass Gegenstand des Artikels die Regelung einer freiwilligen Zuständigkeitsvereinbarung ist. Es ist somit die Übereinstimmung des Parteiwillens, aufgrund deren von den allgemeinen und besonderen Zuständigkeitsbestimmungen der Artikel 2, 5 und 6 des Brüsseler Übereinkommens abgewichen werden kann. Das Erfordernis einer Einigung der Parteien über die Begründung einer abweichenden Zuständigkeit ist daher untrennbar mit dem Geist des Artikels 17 verbunden. Dementsprechend hat der Gerichtshof in den Urteilen Estasis Salotti(35) und Segoura(36) entschieden, dass das mit der Sache befasste Gericht aufgrund des Artikels 17 des Brüsseler Übereinkommens prüfen muss, ob die seine Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war(37).

64.
    Diese Einigung der Parteien ist auch die Grundlage der Gerichtsstandsvereinbarungen, die gemäß den internationalen Handelsbräuchen geschlossen werden. Wir wissen, dass der Verweis auf die internationalen Handelsbräuche in das Beitrittsübereinkommen von 1978 aufgenommen wurde, um die ursprünglich im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen Formvoraussetzungen, nämlich dass eine Vereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen werden muss, zu erleichtern(38). Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass trotz dieser Erleichterung Artikel 17 nach wie vor u. a. sicherstellen soll, dass eine Willenseinigung tatsächlich vorliegt. Dieses Erfordernis, dass eine Willenseinigung tatsächlich vorliegt, ist gerechtfertigt durch das Bestreben, die schwächere Vertragspartei davor zu schützen, dass Gerichtsstandsklauseln, die einseitig in den Vertrag eingefügt wurden, unbemerkt bleiben(39). Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass die Einigung der Vertragsparteien über die Gerichtsstandsklausel vermutet wird, wenn ihr Verhalten einem Handelsbrauch in dem Bereich des internationalen Handelsverkehrs entspricht, in dem die Parteien tätig sind, und wenn ihnen dieser Handelsbrauch bekannt ist oder als ihnen bekannt angesehen werden muss(40).

65.
    Artikel 17 verbürgt somit die Parteiautonomie, indem er für die auf diese Weise von den Parteien bestimmten Gerichte abweichend von den Zuständigkeitsvorschriften des Brüsseler Übereinkommens und vorbehaltlich von Artikel 17 Absatz 4 eine ausschließliche Zuständigkeit begründet. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist es Ziel des Artikels 17, ein Gericht eines Vertragsstaats, das gemäß dem nach den in dieser Vorschrift streng geregelten Formvoraussetzungen zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien ausschließlich zuständig sein soll, klar und eindeutig zu bestimmen(41). Artikel 17 soll mithin die Rechtssicherheit dadurch gewährleisten, dass die Parteien das zuständige Gericht bestimmen können.

66.
    Auf diese Weise fügt sich Artikel 17 vollauf in die Ziele des Brüsseler Übereinkommens ein. Nach ständiger Rechtsprechung nämlich soll dieses die Zuständigkeitsregeln für die Gerichte der Vertragsstaaten vereinheitlichen, wobei so weit wie möglich eine Häufung der Gerichtsstände in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis verhindert werden soll, und den Rechtsschutz für die in der Gemeinschaft niedergelassenen Personen dadurch zu verstärken, dass dem Kläger die Feststellung erleichtert wird, welches Gericht er anrufen kann, und dem Beklagten ermöglicht wird, bei vernünftiger Betrachtung vorherzusehen, vor welchem Gericht er verklagt werden kann(42).

67.
    Wenn jedoch das ausschließlich zuständige Gericht nach Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens verpflichtet wäre, das Verfahren auszusetzen, bis sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig erklärt, so wären meines Erachtens die praktische Wirksamkeit des Artikels 17 und die Rechtssicherheit, zu der sie beiträgt, ernsthaft gefährdet. In einem solchen Fall nämlich könnte die Partei, die unter Verstoß gegen ihre Verpflichtungen aus der Gerichtsstandsvereinbarung als Erste Klage bei einem, wie sie weiß, unzuständigen Gericht erhebt, die für sie bekanntermaßen ungünstige Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache missbräuchlich hinauszögern. Die Partei, die so durch Anrufung eines anderen als des in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichneten Gerichts ihre Verpflichtungen verletzt, würde aus diesem Verstoß folglich einen Vorteil ziehen.

68.
    Diese Konsequenz ist grundsätzlich unangebracht und kann einen Anreiz für auf Verzögerung abzielende Verhaltensweisen darstellen. Eine Partei, die die Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache hinauszögern will, könnte dazu verleitet sein, der anderen „zuvorzukommen“ und Klage vor einem unzuständigen und für den Gegner weniger günstigen Gericht zu erheben, um damit jede auf denselben Vertrag gestützte Klage zu blockieren, bis sich das Gericht für unzuständig erklärt. Ich teile insoweit die Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs, dass diese Gefahr besonders deswegen zu berücksichtigen ist, weil nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten im Allgemeinen Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Schuld erhoben werden kann.

69.
    Anders als die Kommission bin ich nicht der Ansicht, dass dieses Problem nur etwas mit der innerstaatlichen Gerichtsorganisation der einzelnen Mitgliedstaaten und damit zu tun hat, wie schnell die unter Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung angerufenen Gerichte eine Entscheidung über ihre Zuständigkeit erlassen können. Wie schnell nämlich auch diese Entscheidungen ergehen mögen, der Kläger wird gleichwohl sämtliche innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Anspruch nehmen können, um den Zeitpunkt, in dem die Entscheidung des Gerichts über seine Unzuständigkeit in Rechtskraft erwächst, hinauszuzögern. Das Problem liegt daher meines Erachtens in erster Linie in der Auslegung des Brüsseler Übereinkommens.

70.
    Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, die Lösung zu wählen, die geeignet ist, die praktische Wirksamkeit des Artikels 17 und die Rechtssicherheit, zu der sie beiträgt, zu gewährleisten. Eine solche Lösung fügt sich meines Erachtens auch in die zur Auslegung dieses Artikels ergangene Rechtsprechung ein, wonach die Auslegung dem Parteiwillen Rechnung tragen muss. So hat der Gerichtshof im Urteil Elefanten Schuh(43) festgestellt, dass das Recht eines Vertragsstaats die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht allein deshalb vorsehen darf, weil eine andere als die nach diesem Recht vorgeschriebene Sprache verwendet worden ist. Kürzlich hat der Gerichtshof im Urteil Benincasa entschieden, dass das Gericht eines Vertragsstaats, das in einer gemäß Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens wirksam getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung als zuständiges Gericht bestimmt ist, auch dann ausschließlich zuständig ist, wenn mit der Klage die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages begehrt wird, in dem diese Vereinbarung enthalten ist. Der Gerichtshof hat ausgeführt: „Es könnte leicht zu einer Gefährdung der mit dieser Vorschrift angestrebten Rechtssicherheit kommen, wenn einer Vertragspartei die Möglichkeit eingeräumt würde, das Eingreifen dieser Vorschrift des [Brüsseler] Übereinkommens allein durch die Behauptung zu vereiteln, dass der gesamte Vertrag aus Gründen des anwendbaren materiellen Rechts unwirksam sei.“(44)

71.
    Diese Auslegung hat zudem den Vorteil, dass sie den Erfordernissen des internationalen Handels Rechnung trägt. Ich stimme dem Vorbringen der Regierung des Vereinigten Königreichs zu, dass die internationalen Handelsbeziehungen nur gedeihen, wenn sich die Unternehmen auf die geschlossenen Vereinbarungen verlassen können. Dieses Erfordernis gilt auch für Vereinbarungen, in denen die Parteien den Gerichtsstand für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Erfüllung gegenseitiger Verpflichtungen bestimmen. Aus einer Verzögerung in der Erledigung dieser Streitigkeiten schließlich können den Wirtschaftsteilnehmern unbestreitbar erhebliche Schäden entstehen, insbesondere dann, wenn es um die Bezahlung von Rechnungen kleiner und mittlerer Unternehmen geht. Die von mir vorgeschlagene Lösung entspricht insoweit auch den Absichten der Verfasser des Brüsseler Übereinkommens, da diese 1978 eine Erleichterung der Formvorschriften des Artikels 17 durch Ergänzung der beiden ursprünglich vorgesehenen Vorschriften um die internationalen Handelsbräuche gerade deswegen vorgesehen haben, um den Bedürfnissen des internationalen Handels gerecht zu werden(45). Wenn der Gerichtshof zulässt, dass das später angerufene Gericht, das aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig ist, die Sachprüfung fortsetzen darf, ohne abzuwarten, bis sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig erklärt, wird er zweifellos die Durchsetzung von Gerichtsstandsklauseln fördern, die in den Vertragsunterlagen oder den im Zusammenhang mit den Vertragsbeziehungen erstellten Schriftstücken wie z. B. Rechnungen enthalten sind.

72.
    Drittens kann meines Erachtens die Gefahr, dass widersprechende Entscheidungen ergehen, stark eingeschränkt werden.

73.
    Um diese Gefahr zu verringern, schlägt die Regierung des Vereinigten Königreichs dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, dass das zuerst angerufene Gericht, dessen Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsklausel gerügt wird, verpflichtet ist, das Verfahren auszusetzen, bis das in dieser Klausel bestimmte Gericht, das später angerufen wurde, über seine Zuständigkeit entschieden hat.

74.
    Diese Lösung ist abzulehnen. Sie ist meines Erachtens geeignet, denselben Verschleppungsmanövern Vorschub zu leisten, die ich verhindern möchte. Eine skrupellose Partei nämlich könnte unter willkürlicher Berufung auf eine Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit des Gerichts rügen, vor dem sie aufgrund der Artikel 2, 5 oder 6 des Brüsseler Übereinkommens verklagte wurde, und Klage vor dem angeblich bestimmten Gericht erheben, um die Entscheidung des Rechtsstreits absichtlich zu verzögern, bis dieses Gericht sich für unzuständig erklärt hat.

75.
    In Wirklichkeit sind die Gefahr, dass widersprechende Entscheidungen ergehen, und die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Vollstreckung mit jeder Ausnahme von Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens verbunden. Die Gefahr besteht auch im Fall des Artikels 16. So kann einerseits die Frage, ob der Rechtsstreit unter diesen Artikel fällt, von den beiden mit der Sache befassten Gerichten ebenfalls unterschiedlich beurteilt werden(46). Andererseits kann, wenn sich das zuerst angerufene Gericht für zuständig erklärt und eine Sachentscheidung erlässt, die der des später angerufenen, nach Artikel 16 ausschließlich zuständigen Gerichts widerspricht, die Entscheidung des zuletzt genannten Gerichts in dem Vertragsstaat, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, nach Artikel 27 Nummer 3 des Brüsseler Übereinkommens nicht anerkannt werden.

76.
    Dass unter Umständen umfangreiche Ermittlungen erforderlich sein können, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung insbesondere in der in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c vorgesehenen Form vorliegt, scheint mir daher keine Rechtfertigung dafür zu sein, dass Artikel 17 allgemein nicht zu den vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen von Artikel 21 gehören soll. Keine Rechtfertigung ist meines Erachtens auch der Umstand, dass Artikel 17 nicht von Artikel 28 des Brüsseler Übereinkommens erfasst wird, so dass die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des später angerufenen, aufgrund Artikel 17 ausschließlich zuständigen Gerichts in anderen Vertragsstaaten durch die entgegengesetzte Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts verhindert werden könnte, sofern diese früher erlassen wurde.

77.
    Worauf es meines Erachtens ankommt, ist, dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen stark eingeschränkt werden kann. Dies ist, da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die betreffenden Gerichte die Wirksamkeit der fraglichen Gerichtsstandsvereinbarung nach denselben Grundsätzen und denselben Voraussetzungen zu beurteilen haben, meines Erachtens durchaus möglich, sofern das später angerufene Gericht die Bestimmungen des Artikels 21 nur nach sehr sorgfältiger Prüfung seiner ausschließlichen Zuständigkeit unangewendet lässt.

78.
    Hinsichtlich des ersten Punktes geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervor, dass der Begriff der „Gerichtsstandsvereinbarung“ als autonomer Begriff anzusehen ist(47). Die formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Gerichtsstandsvereinbarungen sind daher allein unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Artikels 17 zu beurteilen. Dieser Grundsatz wurde ausdrücklich für die Beurteilung der formellen Rechtmäßigkeit ausgesprochen(48). Bezüglich der materiellen Vorschriften ergibt er sich aus den Urteilen, in denen der Gerichtshof für Recht erkannt hat, dass der Begriff der „Vereinbarung“ verlange, dass eine tatsächliche Einigung zwischen den Parteien feststehe(49). Er wurde meines Erachtens im Urteil Benincasa bestätigt, in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass „[f]ür die Gerichtsstandsvereinbarung, die einem prozessualen Zweck dient, ... die Vorschriften des Übereinkommens [gelten], dessen Ziel die Schaffung einheitlicher Regeln für die internationale gerichtliche Zuständigkeit ist“(50).

79.
    Diese Rechtsprechung wurde auf die internationalen Handelsbräuche ausgedehnt. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Handelsbräuche, auf die Artikel 17 Bezug nehme, nicht durch nationale Rechtsvorschriften verdrängt werden könnten, die die Einhaltung von Formvoraussetzungen verlangten, die zusätzlich zu den im betreffenden Geschäftszweig des internationalen Handels geltenden Formvoraussetzungen bestünden(51). Auch hat, wie das vorlegende Gericht ausführt, der Gerichtshof klargestellt, welche objektiven Kriterien das nationale Gericht bei der Prüfung zu berücksichtigen habe, ob in dem Geschäftszweig des internationalen Handels, in dem die Parteien tätig seien, ein Handelsbrauch bestehe und ob feststehe oder vermutet werde, dass die Parteien einen solchen Handelsbrauch kennen(52).

80.
    Die Gefahr, dass sich Entscheidungen in Bezug auf die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung widersprechen, wird somit besonders gering sein, weil der Gerichtshof die in Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens aufgestellten Voraussetzungen präzisiert hat(53).

81.
    Hinsichtlich des zweiten Punktes bin ich der Auffassung, dass das später angerufene Gericht nur dann zur Abweichung von den Bestimmungen des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens berechtigt sein sollte, wenn es zuvor sorgfältig geprüft hat, ob es aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig ist. Es muss somit prüfen, ob die fragliche Gerichtsstandsvereinbarung mit Artikel 17 in Einklang steht. Zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen muss es sich davon überzeugen, dass diese Vereinbarung tatsächlich für eine „bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder ... eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit“ im Sinne von Artikel 17 Absatz 1 gilt und dass sie nicht die ausschließlichen Zuständigkeitsvorschriften des Artikels 16 und die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens bezüglich Versicherungssachen und Verbrauchersachen abbedingt. Das später angerufene Gericht muss weiterhin prüfen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung auch den bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfasst. Bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung oder an deren Anwendungsbereich, muss das später angerufene Gericht, wie in Artikel 21 vorgesehen, das Verfahren aussetzen.

82.
    Diese Lösung, die davon ausgeht, dass Artikel 17 des Brüsseler Übereinkommens nur dann eine Ausnahme von Artikel 21 des Übereinkommens sein kann, wenn die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts keinen Raum für Zweifel lässt, hätte den Vorteil, dass sie den Erfordernissen des internationalen Handels Rechnung trägt und die Wirtschaftsteilnehmer zugleich auf ihre eigenen Verantwortlichkeiten hinweist, indem sie sie zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen anregt, die insbesondere hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und ihres Anwendungsbereichs keinen Raum für Zweifel lassen. Diese Lösung könnte die Vertreter der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer veranlassen, Standardbedingungen auszuhandeln, die eindeutig und in dem betreffenden Tätigkeitsbereich weit verbreitet sind.

83.
    Bei dieser Sachlage schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens dahin auslegen ist, dass das später angerufene Gericht, das aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig ist, abweichend von diesem Artikel über den Rechtsstreit entscheiden kann, ohne abzuwarten, dass sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig erklärt hat, wenn die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts keinen Raum für etwaige Zweifel lässt.

C - Zur dritten und zur vierten bis sechsten Vorlagefrage

84.
    Mit seiner dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass von den Bestimmungen dieses Artikels abgewichen werden darf, wenn die Verfahren vor den Gerichten des Vertragsstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, im Großen und Ganzen unvertretbar lange dauern.

85.
    Das vorlegende Gericht führt aus, es stelle diese Frage wegen des Vorbringens der Klägerin, dass in romanischen Ländern wie Italien, Griechenland und Frankreich die Gerichtsverfahren generell übermäßig lange dauern würden, was gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) verstoße.

86.
    Die Kommission äußert Bedenken gegen die Zulässigkeit der dritten Vorlagefrage und demgemäß auch gegen die der folgenden Fragen, die mit dieser im Zusammenhang stehen, da im Vorlagebeschluss tatsächliche Angaben fehlen würden, die den Schluss erlaubten, dass das Tribunale civile e penale im vorliegenden Fall gegen Artikel 6 EMRK verstoßen habe.

87.
    Ich teile diese Auffassung nicht. Meines Erachtens wollte das vorlegende Gericht mit dieser Frage nicht auf das Verfahren abstellen, das Misat vor dem Tribunale civile e penale Rom angestrengt hat. Die Frage bezieht sich eindeutig darauf, ob aufgrund der generell übermäßig langen Verfahrensdauer vor den Gerichten des Mitgliedstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, das später angerufene Gericht die Bestimmungen des Artikels 21 unangewendet lassen kann. Um sicherzustellen, dass der Gerichtshof auf diese Frage, die sich auf eine Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens bezieht und für die Entscheidung des Ausgangsverfahren erheblich ist, sachdienlich antworten kann, war es somit nicht erforderlich, dass das vorlegende Gericht Angaben zum Verlauf des Verfahrens vor dem Tribunale civile e penale Rom macht.

88.
    Ich stimme jedoch mit der Kommission hinsichtlich der Antwort überein, die auf diese Frage in der Sache zu erteilen ist. Es kann nämlich nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden, dass die Bestimmungen des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens deswegen unangewendet bleiben könnten, weil das zuerst angerufene Gericht einem Mitgliedstaat angehört, bei dessen Gerichten die Behandlung der Verfahren im Allgemeinen übermäßig lange dauert. Dies würde darauf hinauslaufen, dass die Vorschriften über die Rechtshängigkeit nicht gelten, wenn das zuerst angerufene Gericht bestimmten Mitgliedstaaten angehört.

89.
    Eine derartige Auslegung stände offenkundig nicht im Einklang mit der Systematik und der Grundlage des Brüsseler Übereinkommens. Das Übereinkommen enthält nämlich keine Bestimmung, aufgrund deren die Vorschriften des Übereinkommens, insbesondere Artikel 21, wegen der Länge der Verfahrensdauer vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nicht anzuwenden wären. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Brüsseler Übereinkommen seine Grundlage in dem Vertrauen findet, das die Mitgliedstaaten ihren jeweiligen Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbringen(54). Auf der Grundlage dieses Vertrauens errichtet dieses Übereinkommen ein zwingendes Zuständigkeitssystem, das alle Gerichte beachten müssen, die in seinen Anwendungsbereich fallen. Aufgrund dieses Vertrauens können die Vertragsstaaten auch auf ihre innerstaatlichen Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Urteile zugunsten eines vereinfachten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens verzichten. Es ist somit auch Grundlage der Rechtssicherheit, die das Übereinkommen dadurch gewährleisten soll, dass die Parteien das zuständige Gericht mit Sicherheit bestimmen können.

90.
    Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass von seinen Vorschriften nicht abgewichen werden darf, wenn die Verfahren vor den Gerichten des Vertragsstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, im Großen und Ganzen unvertretbar lange dauern.

91.
    Angesichts dieses Vorschlags brauchen die Fragen vier bis sechs nicht beantwortet zu werden. Diese Fragen beruhen nämlich auf der Prämisse, dass die dritte Vorlagefrage zu bejahen ist. So möchte das vorlegende Gericht mit der vierten Vorlagefrage wissen, ob das italienische Gesetz Nr. 89 vom 24. März 2001 über die Abgeltung von Schäden, die durch überlange Verfahren entstehen, dennoch die Anwendung von Artikel 21 rechtfertigen würde. Mit der fünften und der sechsten Frage, wie ich sie verstehe, begehrt das vorlegende Gericht für den Fall, dass die dritte Frage zu bejahen ist, vom Gerichtshof die Feststellung, unter welchen Voraussetzungen und unter welchen Modalitäten das später angerufene Gericht von den Bestimmungen dieses Artikels abweichen könnte.

V - Ergebnis

92.
    Bei dieser Sachlage schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Oberlandesgericht Innsbruck zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.    Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob es dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung unter Zugrundelegung des Vorbringens einer Partei vorlegt oder ob zunächst eine Prüfung dieses Vorbringens erforderlich ist. Das nationale Gericht hat jedoch dem Gerichtshof diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Hinweise zu geben, die es diesem ermöglichen, eine für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens sachdienliche Antwort zu geben, und ihm die Gründe mitzuteilen, aus denen es die Beantwortung dieser Frage für erforderlich hält.

2.    Artikel 21 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) ist dahin auszulegen, dass das später angerufene Gericht, das aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich zuständig ist, abweichend von diesem Artikel über den Rechtsstreit entscheiden kann, ohne abzuwarten, dass sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig erklärt hat, wenn die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts keinen Raum für etwaige Zweifel lässt.

3.    Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens ist dahin auszulegen, dass von seinen Vorschriften nicht abgewichen werden darf, wenn die Verfahren vor den Gerichten des Vertragsstaats, dem das zuerst angerufene Gericht angehört, im Großen und Ganzen unvertretbar lange dauern.


1: -     Originalsprache: Französisch.


2: -     (ABl. 1972, L 299, S. 32). Übereinkommen in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1, und geänderter Text S. 77), des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und des Übereinkommens vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1). Eine konsolidierte Fassung des Übereinkommens in der durch diese vier Beitrittsübereinkommen geänderten Fassung wurde veröffentlicht in ABl. 1998, C 27, S. 1 (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen).


3: -     Im Folgenden: Gasser.


4: -     Im Folgenden: Misat.


5: -     Urteil vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-106/95 (Slg. 1997, I-911).


6: -     ABl. 1975, L 204, S. 28, in der Fassung der Beitrittsübereinkommen.


7: -     Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro in der Rechtssache Kleinwort Benson (Urteil vom 28. März 1995 in der Rechtssache C-346/93, Slg. 1995, I-615, Nr. 17).


8: -     Vgl. Urteile vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache C-220/95 (Van den Boogaard, Slg. 1997, I-1147, Randnr. 16), vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-295/95 (Farrell, Slg. 1997, I-1683, Randnr. 11), vom 16. März 1999 in der Rechtssache C-159/97 (Castelletti, Slg. 1999, I-1597, Randnr. 14) und vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C-111/01 (Gantner Electronic, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 38).


9: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 29. November 1978 in der Rechtssache 83/78 (Pigs Marketing Board, Slg. 1978, 2347, Randnr. 25), vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 59) und vom 22. Mai 2003 in der Rechtssache C-18/01 (Korhonen u. a., Slg. 2003, I-0000, Randnr. 19). Vgl. auch bezüglich des Brüsseler Übereinkommens Urteil Castelletti (Randnr. 14).


10: -     Vgl. Urteile vom 10. März 1981 in den Rechtssachen 36/80 und 71/80 (Irish Creamery Milk Suppliers Association, Slg. 1981, 735, Randnr. 7), vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 72/83 (Campus Oil, Slg. 1984, 2727, Randnr. 10), vom 11. Juni 1987 in der Rechtssache 14/86 (Pretore di Salò, Slg. 1987, 2545, Randnr. 11), vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-66/96 (Høj Pedersen u. a., Slg. 1998, I-7327, Randnr. 46) und vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-236/98 (JämO, Slg. 2000, I-2189, Randnr. 32).


11: -     Vgl. Urteile Bosman (Randnr. 59) und Gantner Electronic (Randnr. 35).


12: -     Vgl. Urteile vom 11. März 1980 in der Rechtssache 104/79 (Foglia, Slg. 1980, 745, Randnr. 11), vom 16. Dezember 1981 in der Rechtssache 244/80 (Foglia, Slg. 1981, 3045, Randnr. 18), vom 3. Februar 1983 in der Rechtssache 149/82 (Robards, Slg. 1983, 171, Randnr. 19), vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-83/91 (Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnr. 25) und vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C-153/00 (Weduwe, Slg. 2002, I-11319, Randnrn. 32 und 33).


13: -     Vgl. Urteile Irish Creamery Milk Suppliers Association (Randnr. 6), vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-343/90 (Lourenço Dias, Slg. 1992, I-4673, Randnr. 19) sowie Urteile Meilicke (Randnr. 26), Høj Pedersen u. a. (Randnr. 45) und JämO (Randnr. 31). Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung „[macht es] die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, ... erforderlich ..., dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen“. Vgl. insbesondere Urteile vom 26. Januar 1993 in den Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90 (Telemarsicabruzzo, Slg. 1993, I-7247, Randnr. 42).


14: -     Vgl. Urteile vom 12. Juni 1986 in den Rechtssachen 98/85, 162/85 und 258/85 (Bertini u. a., Slg. 1986, 1885, Randnr. 6) und Lourenço Dias (Randnr. 19).


15: -     Urteil vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-127/92 (Slg. 1993, I-5535).


16: -     Urteil Enderby (Randnr. 11).


17: -     Ibidem (Randnr. 12).


18: -    In dieser Rechtssache legte der Arbetsdomstolen dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, um entscheiden zu können, ob der Arbeitgeber den Hebammen niedrigere Bezüge als die eines Krankenhausingenieurs gezahlt hatte, ohne zur Frage der Gleichwertigkeit der Arbeit dieser beiden Arbeitnehmergruppen Stellung zu nehmen.


19: -     Randnr. 32.


20: -     Randnr. 29.


21: -     Vgl. Urteil vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-351/89 (Overseas Union Insurance u. a., Slg. 1991, I-3317, Randnr. 16).


22: -     Urteil vom 8. Dezember 1987 in der Rechtssache 144/86 (Slg. 1987, 4861).


23: -     Randnrn. 15 bis 17. Es ging einerseits um eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Kaufvertrags über eine Maschine, hilfsweise um Auflösung dieses Vertrages, und andererseits um eine Klage auf Zahlung des Kaufpreises für diese Maschine.


24: -     Randnr. 16.


25: -     Urteil vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-406/92 (Slg. 1994, I-5439).


26: -     Randnr. 45.


27: -     Randnr. 25.


28: -     Im Folgenden: New Hampshire.


29: -     Zum besseren Verständnis der Frage des vorlegenden Gerichts ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens in der in jener Rechtssache geltenden Fassung folgenden Wortlaut hatte: „Werden bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so hat sich das später angerufene Gericht vom Amts wegen zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Das Gericht, das sich für unzuständig zu erklären hätte, kann die Entscheidung aussetzen, wenn der Mangel der Zuständigkeit des anderen Gerichts geltend gemacht wird.“ Die neue Fassung des Artikels 21, wonach das später angerufene Gericht bei Rechtshängigkeit das Verfahren auszusetzen hat, bis das zuerst angerufenen Gericht sich für zuständig erklärt hat, ändert nichts an den Konsequenzen, die aus dem Urteil Overseas Union Insurance u. a. für die Beantwortung der in der vorliegenden Rechtssache gestellten Frage zu ziehen sind. Die neue Fassung, die aus dem Beitrittsübereinkommen von 1989 hervorgeht, ändert nicht den Sinn und die Tragweite dieses Artikels, sondern soll sicherstellen, dass sich das später angerufene Gericht nicht für unzuständig erklärt, bevor feststeht, dass das zuerst angerufene Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits tatsächlich zuständig ist, um negative Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden.


30: -     Randnr. 26.


31: -     Vgl. in diesem Sinne H. Gaudemet-Tallon, Compétence et exécution des jugements en Europe, LGDJ, 3. Auflage 2002, Randnrn. 323 und 324.


32: -     Bericht von Schlosser zu dem Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof (ABl. 1979, C 59, S. 71).


33: -     Ziff. 22.


34: -     Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 1978 in der Rechtssache 23/78 (Meeth, Slg. 1978, 2133, Randnr. 5).


35: -     Urteil vom 14. Dezember 1976 in der Rechtssache 24/76 (Slg. 1976, 1831).


36: -     Urteil vom 14. Dezember 1976 in der Rechtssache 25/76 (Slg. 1976, 1851).


37: -     Randnrn. 7 und 6.


38: -     Für eine Darstellung der verschiedenen Fassungen des Artikels 17 des Brüsseler Übereinkommens von seiner ursprünglichen Fassung von 1968 bis zu der Fassung, die das Ergebnis des Übereinkommens von San Sebastián vom 26. Mai 1989 ist, vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Castelletti (Nrn. 5 bis 7).


39: -     Vgl. Urteile MSG (Randnr. 17) und Castelletti (Randnr. 19).


40: -     Vgl. Urteil Castelletti (Randnr. 21).


41: -     Vgl. Urteil vom 3. Juli 1997 in der Rechtssache C-269/95 (Benincasa, Slg. 1997, I-3767, Randnr. 29).


42: -     Vgl. Urteile vom 4. März 1982 in der Rechtssache 38/81 (Effer, Slg. 1982, 825, Randnr. 6), vom 13. Juli 1993 in der Rechtssache C-125/92 (Mulox IBC, Slg. 1993, I-4075, Randnr. 11) und Benincasa (Randnr. 26).


43: -     Urteil vom 24. Juni 1981 in der Rechtssache 150/80 (Slg. 1981, 1671).


44: -     Randnr. 44. Vgl. auch Urteil vom 9. November 2000 in der Rechtssache C-387/98 (Coreck, Slg. 2000, I-9337, Randnr. 14).


45: -     Vgl. Schlosser-Bericht (Nr. 179).


46: -     Z. B. die Frage, ob ein unter Artikel 16 Nummer 1 fallender Miet- oder Pachtvertrag vorliegt.


47: -     Vgl. Urteil vom 10. März 1992 in der Rechtssache C-214/89 (Powell Duffryn, Slg. 1992, I-1745, Randnr. 14).


48: -     Vgl. Urteil Elefanten Schuh (Randnrn. 25 und 26).


49: -     Vgl. Urteile Estasis Salotti und Segoura.


50: -     Randnr. 25.


51: -     Vgl. insbesondere Urteile MSG (Randnr. 23) und Castelletti (Randnrn. 33 bis 39).


52: -     Vgl. Urteile MSG und Castelletti.


53: -     Bisher war die Auslegung dieses Artikels Gegenstand von etwa fünfzehn Vorabentscheidungsverfahren.


54: -     Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in der Rechtssache Sonntag (Urteil vom 21. April 1993 in der Rechtssache C-172/91, Slg. 1993, I-1963, Nr. 71).