Language of document : ECLI:EU:T:2010:516

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

15. Dezember 2010(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung, mit der ein Siegelbruch festgestellt wird – Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Beweislast – Unschuldsvermutung – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑141/08

E.ON Energie AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte A. Röhling, C. Krohs, F. Dietrich und R. Pfromm, dann Rechtsanwälte A. Röhling, F. Dietrich und R. Pfromm,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet, V. Bottka und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 377 endg. der Kommission vom 30. Januar 2008 zur Festsetzung einer Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates wegen Siegelbruch (Sache COMP/B-1/39.326 – E.ON Energie AG)

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2010

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sind „[d]ie mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen … befugt, betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist“.

2        Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 kann „[d]ie Kommission … gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig … die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d) angebrachten Siegel erbrochen haben“.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

3        Mit Entscheidung vom 24. Mai 2006 ordnete die Kommission nach Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Nachprüfung in den Räumlichkeiten der E.ON AG und der von ihr kontrollierten Unternehmen an, um dem Verdacht der Beteiligung an wettbewerbswidrigen Absprachen nachzugehen. Die Nachprüfung bei der Klägerin, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der E.ON AG, begann am Nachmittag des 29. Mai 2006 in ihren Geschäftsräumen in München. Die Klägerin erklärte, nachdem sie von der Nachprüfungsentscheidung Kenntnis erlangt hatte, die Nachprüfung zu dulden.

4        Die Nachprüfung wurde durch vier Vertreter der Kommission und sechs Vertreter des Bundeskartellamts durchgeführt. Die bei der Nachprüfung am 29. Mai 2006 von diesen Vertretern für eine nähere Prüfung herausgesuchten Dokumente wurden in den Raum G.505 gebracht, der der Kommission von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden war. Da die Nachprüfung nicht am selben Tag abgeschlossen werden konnte, verschloss der Leiter des Nachprüfungsteams die aus lackierten Schalldämmtürblättern und einem Türrahmen aus eloxiertem Aluminium bestehende Tür dieses Raums und brachte ein amtliches Siegel in der Größe von 90 x 60 mm an (im Folgenden: streitiges Siegel). Dieses wurde zu etwa zwei Dritteln auf das Türblatt und im Übrigen auf den Türrahmen geklebt. Es wurde ein Versiegelungsprotokoll erstellt und von den Vertretern der Kommission, des Bundeskartellamts und der Klägerin unterzeichnet. Die Inspektoren verließen daraufhin die Räumlichkeiten der Klägerin und nahmen den ihnen ausgehändigten Schlüssel zur Tür des Raums G.505 mit. In Beantwortung eines Auskunftsverlangens teilte die Klägerin mit, dass sich neben diesem der Kommission ausgehändigten Schlüssel 20 weitere „Generalschlüssel“ für den Raum G.505 im Umlauf befanden (Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung).

5        Das streitige Siegel war ein Aufkleber in blauer Farbe mit gelben Streifen am oberen und unteren Rand und den gelben Sternen der Europäischen Union. Im unteren gelben Bereich befand sich ein Hinweis auf die Möglichkeit für die Kommission, bei Siegelbruch eine Geldbuße zu verhängen. Die im vorliegenden Fall zur Herstellung des streitigen Siegels verwendete Sicherheitsfolie (im Folgenden: Sicherheitsfolie) war von der 3M Europe SA (im Folgenden: 3M) im Dezember 2002 hergestellt worden. Die Sicherheitsfolie wurde sodann auf Bestellung der Kommission im ersten Quartal 2004 von einer Druckerei wie beschrieben bedruckt.

6        Wird ein Plastiksiegel wie das streitige Siegel gebrochen, bleibt der weiße Klebstoff, mit dem das Siegel auf dem Untergrund befestigt wird, in Form von auf der gesamten Fläche des Aufklebers verteilten, rund 12 Didot-Punkte (etwa 5 mm) großen „VOID“-Schriftzügen am Untergrund haften. Das abgelöste Siegel wird an diesen Stellen transparent, so dass auch auf dem Siegel die „VOID“-Schriftzüge sichtbar sind.

7        Bei seiner Rückkehr am Morgen des 30. Mai 2006 gegen 8.45 Uhr stellte das Nachprüfungsteam fest, dass sich der Zustand des streitigen Siegels, das weiterhin an der Tür des Raums G.505 klebte, verändert hatte.

8        Gegen 9.15 Uhr öffnete der Leiter des Nachprüfungsteams die Tür des Raums G.505. Dabei löste sich der auf dem Türblatt klebende Teil des streitigen Siegels, während der andere Teil am Türrahmen kleben blieb.

9        Es wurde ein Siegelbruchprotokoll erstellt, in dem insbesondere Folgendes festgehalten wurde:

„…

–        Das gesamte Siegel war in der Höhe und in der Seite um circa 2 mm verdreht, so dass am unteren und am rechten Rand des Siegels Klebespuren sichtbar waren.

–        Der Schriftzug ‚VOID‘ war deutlich erkennbar und auf der gesamten Siegelfläche, die sich jedoch weiterhin quer vom Türrahmen bis zur Türfläche befand und nicht zerrissen war.

–        Nach Öffnung der Tür durch die Kommissionsbeamten (Herr [K.]), bei der das Siegel intakt blieb, d. h. nicht zerriss, waren auf der Siegelrückseite (Klebefläche) weiße Spuren des ‚VOID‘-Schriftzugs zu erkennen.

–        Beim Ablösen des Siegels verbleibt der weiße ‚VOID‘-Schriftzug normalerweise auf dem Untergrund, was hier auch weitgehend der Fall war, da dieser sich tatsächlich auf der Türfläche befand.

–        Allerdings fanden sich zahlreiche weiße Spuren auch auf der Klebefläche des Siegels, und zwar nicht an, sondern neben den entsprechenden transparenten Stellen der ‚VOID‘-Schriftzüge auf der Siegelrückseite.“

10      Das Siegelbruchprotokoll wurde von je einem Vertreter der Kommission und des Bundeskartellamts unterzeichnet. Die Klägerin weigerte sich, das Protokoll zu unterzeichnen.

11      Am Nachmittag des 30. Mai 2006 wurden mit einem Mobiltelefon Digitalfotografien des Siegels erstellt.

12      Am 31. Mai 2006 verfasste die Klägerin eine „Ergänzende Erklärung … zum Nachprüfungsprotokoll über die Versiegelung vom 30. Mai 2006“, die wie folgt lautet:

„1.      Nach Öffnen der Tür wurde eine Veränderung an den im Raum gelagerten Akten nicht festgestellt.

2.      Bei Ablösen des Siegels am Abend des 30. Mai vor dem Neuversiegeln war der Schriftzug ‚void‘ am Türrahmen völlig unverwischt.

3.      Herr [K.] war bei der Befestigung des Siegels am Vorabend anwesend und hatte den Eindruck, dass sich diese auffällig hinzog.“

13      Am 9. August 2006 richtete die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Auskunftsverlangen an die Klägerin. Diese antwortete darauf mit Schreiben vom 23. August 2006. Weitere Auskunftsverlangen wurden am 29. August 2006 an 3M, am 31. August 2006 an die für die Klägerin tätige Reinigungsfirma (im Folgenden: Reinigungsfirma) und am 1. September 2006 an den Sicherheitsdienst der Klägerin gerichtet.

14      Die zehn Mitglieder des Nachprüfungsteams füllten Fragebögen zu ihren Beobachtungen im Zusammenhang mit der Versiegelung und dem Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 aus.

15      Am 2. Oktober 2006 übermittelte die Kommission der Klägerin eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Sie gelangte darin auf der Grundlage der verfügbaren Informationen u. a. zu dem Ergebnis, dass das Siegel erbrochen worden und dieser Siegelbruch der Klägerin aufgrund ihrer Organisationsgewalt im fraglichen Gebäude zuzurechnen sei.

16      Mit Schreiben vom 13. November 2006 nahm die Klägerin zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung.

17      Am 6. Dezember 2006 fand auf Antrag der Klägerin eine Anhörung durch den Anhörungsbeauftragten statt, an der auch 3M teilnahm.

18      Am 21. Dezember 2006 bestätigte 3M auf Verlangen der Kommission schriftlich bestimmte bei der Anhörung gemachte Aussagen.

19      Während des Verwaltungsverfahrens übermittelte die Klägerin der Kommission drei Gutachten eines naturwissenschaftlichen und medizinischen Instituts (im Folgenden: Institut).

20      Im ersten Gutachten des Instituts vom 21. März 2007 (im Folgenden: Institutsgutachten I) wird die Reaktion des streitigen Siegels auf Scher- und Schälbelastungen analysiert.

21      Am 11. April 2007 beauftragte die Kommission Herrn Kr., einen beeidigten Sachverständigen für Klebetechnik und das Werkstoffverhalten von Kunststoffen, mit der Erstellung eines Gutachtens über bestimmte Aspekte der Funktionsfähigkeit und Handhabung des streitigen Siegels. Sein erstes Gutachten (im Folgenden: KR-Gutachten I) wurde am 8. Mai 2007 erstellt.

22      Im zweiten Gutachten des Instituts vom 15. Mai 2007 (im Folgenden: Institutsgutachten II) wird die Reaktion des streitigen Siegels auf Zug-Scherbelastungen, Druck-Scherbelastungen und Schälbelastungen nach Einwirkung des Reinigungsmittels Synto (im Folgenden: Synto) analysiert.

23      Mit Schreiben vom 6. Juni 2007 teilte die Kommission der Klägerin neue Tatsachen mit, die seit der Mitteilung der Beschwerdepunkte ermittelt worden waren, basierend auf den Aussagen von 3M und dem KR-Gutachten I, und gab ihr die Möglichkeit, dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

24      Am 6. Juli 2007 übermittelte die Klägerin der Kommission eine schriftliche Stellungnahme und beantragte eine weitere Anhörung. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen.

25      Am 1. Oktober 2007 übermittelte die Klägerin der Kommission das dritte Gutachten des Instituts vom 27. September 2007 (im Folgenden: Institutsgutachten III), in dem die Reaktion des streitigen Siegels auf Schälbelastungen nach Alterung sowie nach der Einwirkung von Synto und Luftfeuchtigkeit analysiert wird.

26      Die Kommission beauftragte daraufhin Herrn Kr., zu den Argumenten und Ausführungen Stellung zu nehmen, die im Schreiben der Klägerin vom 6. Juli 2007 und in den Institutsgutachten II und III enthalten waren. Herr Kr. erstellte am 20. November 2007 sein zweites Gutachten (im Folgenden: KR-Gutachten II).

27      Mit Schreiben vom 23. November 2007 teilte die Kommission die seit ihrem Schreiben vom 6. Juni 2007 zusätzlich ermittelten Tatsachen der Klägerin mit. Zugleich gewährte sie ihr Zugang zu den entsprechenden Dokumenten, insbesondere zum KR-Gutachten II.

28      Am 10. Dezember 2007 nahm die Klägerin zu den am 23. November 2007 übersandten Dokumenten Stellung.

29      Am 15. Januar 2008 erhielt die Kommission ein weiteres Schreiben der Klägerin, dem eidesstattliche Versicherungen von 20 Personen beigefügt waren, die nach Angabe der Klägerin am Abend des 29. Mai 2006 im Besitz eines Schlüssels für den Raum G.505 waren (im Folgenden: Schlüsselinhaber). In diesen Versicherungen erklären diese Personen, dass sie im fraglichen Zeitraum (29. Mai 2006, 19.00 Uhr, bis 30. Mai 2006, 9.30 Uhr) entweder sich nicht im Gebäude G aufgehalten oder aber die Tür dieses Raums nicht aufgeschlossen hätten (Randnr. 42 der angefochtenen Entscheidung).

30      Am 30. Januar 2008 erließ die Kommission die Entscheidung C(2008) 377 endg. zur Festsetzung einer Geldbuße gemäß Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1/2003 wegen Siegelbruch (Sache COMP/B-1/39.326 – E.ON Energie AG; im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. September 2008 (ABl. C 240, S. 6) veröffentlicht wurde.

31      Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet:

Artikel 1

Die E.ON Energie AG hat ein von Vertretern der Kommission nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 angebrachtes Siegel erbrochen und zumindest fahrlässig gegen Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verstoßen.

Artikel 2

Wegen des in Artikel 1 genannten Verstoßes wird gegen die E.ON Energie AG eine Geldbuße in Höhe von EUR 38 000 000 festgesetzt.

…“

 Verfahren und Vorbringen der Parteien

32      Mit Klageschrift, die am 15. April 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

33      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die Höhe der auferlegten Geldbuße auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

34      Die Kommission beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

35      Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht der Berichterstatterin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. April 2010 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

 Entscheidungsgründe

36      Die Klägerin stützt ihre Klage auf neun Klagegründe. Die ersten sieben betreffen die Feststellung des Siegelbruchs, die letzten beiden die Höhe der Geldbuße.

37      Mit dem ersten Klagegrund rügt die Klägerin ein Verkennen der Beweislast, mit dem zweiten einen Verstoß gegen den „Untersuchungsgrundsatz“, mit dem dritten die nach ihrer Ansicht unzutreffende Annahme ordnungsgemäßer Siegelanbringung, mit dem vierten die nach ihrer Ansicht unzutreffende Annahme eines „auffälligen Zustands“ des streitigen Siegels am Tag nach der Nachprüfung, mit dem fünften die nach ihrer Ansicht unzutreffende Annahme der Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen durch die Kommission, mit dem sechsten ein Verkennen „alternativer Geschehensabläufe“ durch die Kommission, die den Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können, mit dem siebten ein Nichtbeachten der Unschuldsvermutung, mit dem achten einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, da kein Verschulden der Klägerin nachgewiesen worden sei, und schließlich mit dem neunten einen Verstoß gegen Art. 253 EG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße.

 Zum ersten Klagegrund: Verkennung der Beweislast

 Vorbringen der Parteien

38      Die Klägerin macht geltend, nach dem Grundsatz in dubio pro reo, der in Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankerten Unschuldsvermutung und Art. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 trage die Kommission in Kartellbußgeldverfahren die Beweislast. Da die Kommission verpflichtet sei, die grundlegenden Garantien des Strafrechts zu beachten und das Vorliegen einer Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend zu beweisen, müssten Zweifel, die der Kommission blieben, zugunsten des Belasteten sprechen. Nach der Rechtsprechung bedürfe es gegenüber Unterstellungen der Kommission, nach denen festgestellte Tatsachen nur mit einer Zuwiderhandlung zu erklären seien, nur der Substantiierung der Umstände, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen und damit eine andere Erklärung des Sachverhalts ermöglichten.

39      Zum Vortrag der Kommission, die Veränderung des Siegels erbringe jedenfalls einen „Anscheinsbeweis“ für den Tatbestand des Siegelbruchs, macht die Klägerin geltend, ein solcher Beweis sei mit dem Grundsatz in dubio pro reo unvereinbar. Ein „Anscheinsbeweis“ stelle daher in einem Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 kein zulässiges Beweismittel dar und reiche für den Nachweis einer geldbußenbewehrten Handlung keinesfalls aus. Selbst wenn die Kommission unter Bezugnahme auf einen „Anscheinsbeweis“ tatsächlich einen Indizienbeweis habe führen wollen, habe sie keinen Nachweis erbracht, da sie keine Indizien aufgezeigt habe.

40      Die Beweislast der Kommission werde im vorliegenden Fall durch ihr eigenes Verhalten noch verstärkt.

41      Erstens habe die Kommission bei der Verwendung der Siegel keine geeigneten Maßnahmen zur Begrenzung des Risikos von positiven „Fehlreaktionen“ (nämlich dem Auftreten von „VOID“-Schriftzügen auf dem streitigen Siegel, ohne dass dieses abgelöst worden wäre), insbesondere aufgrund der Überschreitung der Lagerfrist, ergriffen. Die Kommission hätte daher nachweisen müssen, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 trotz Überschreitung seiner maximalen Lagerdauer geeignet und funktionsfähig gewesen sei. Herstellerangaben reichten hierfür nicht aus, zumal 3M in seinem Datenblatt zur Sicherheitsfolie (im Folgenden: Datenblatt) eine maximale Lagerdauer von zwei Jahren angebe und auch in der Beantwortung des Fragebogens der Kommission keine endgültige Stellungnahme zur genauen Lebensdauer des Produkts geben könne. Die Kommission habe einen entsprechenden Beweis auch nicht durch die Tests von Herrn Kr. erbracht, die im Übrigen nicht am streitigen Siegel selbst vorgenommen worden seien. Schließlich deuteten die Institutsgutachten auf eine höhere Sensibilität des Siegelaufklebers aufgrund der Art und Weise seiner Anbringung und der Luftfeuchtigkeit hin.

42      Zweitens habe die Kommission die an Ort und Stelle erforderlichen Beweissicherungsmaßnahmen, nämlich Fotoaufnahmen vom streitigen Siegel vor dem Öffnen der Tür, vernachlässigt, dies insbesondere in Anbetracht der Äußerungen zum Zustand des streitigen Siegels, die ihre Vertreter gegenüber den Vertretern der Kommission am Morgen des 30. Mai 2006 gemacht hätten. Das Siegelbruchprotokoll allein stelle in dieser Hinsicht keinen ausreichenden Beweis für den Zustand des streitigen Siegels dar, da es erst nach der Nachprüfung erstellt worden sei.

43      Angesichts des Grundsatzes in dubio pro reo und der Intensivierung der Beweisbelastung könne ein von der Klägerin zu verantwortender Siegelbruch nicht festgestellt werden. Die Kommission habe keinen über alle ernsthaften Zweifel erhabenen Beweis der Tatbestandsverwirklichung geführt.

44      Entgegen der Behauptung der Kommission sei der Klagegrund nicht abstrakt, sondern streite konkret dafür, dass nicht bewiesen sei, dass im Verantwortungsbereich der Klägerin liegende Umstände die Veränderung des Zustands des streitigen Siegels herbeigeführt hätten. Selbst ohne die von der Klägerin vorgelegten Gutachten wäre daher die Verhängung einer Sanktion in Form einer Geldbuße nicht gerechtfertigt. In einem Bußgeldverfahren sei es nicht Sache des betroffenen Unternehmens, entlastende Umstände oder „alternative Geschehensabläufe“ nachzuweisen. Vielmehr müsse die Kommission umfassend allen be- und entlastenden Umständen nachgehen und den uneingeschränkten und über alle ernstlichen Zweifel erhabenen Nachweis führen, dass der Klägerin zurechenbare Umstände den Zustand des streitigen Siegels maßgeblich verändert hätten. Die bloße Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung genüge für die Auferlegung einer Geldbuße nicht, zumal die Klägerin hinreichende Zweifel an der Beweisführung geweckt habe.

45      Selbst wenn man unterstelle, die Kommission habe zunächst scheinbar tragfähige Beweise für eine Verwirklichung des Tatbestands des Siegelbruchs beigebracht, habe die Klägerin erfolgreich den Gegenbeweis geführt. Jedenfalls habe sie Zweifel daran wecken können, dass die Beweise der Kommission für den Nachweis der Zuwiderhandlung genügten. Anders als die Kommission in Randnr. 44 der Entscheidung suggeriere, habe es die Klägerin nicht bei dem „bloße[n] Hinweis auf eine mögliche alternative Erklärung“ bzw. bei dem „Hinweis auf die theoretische Möglichkeit eines … atypischen Geschehensablaufs“ für das Vorliegen des Siegelbruchs bewenden lassen, sondern durch mehrere Gutachten des Instituts dargelegt und nachgewiesen, dass bestimmte Umstände, nämlich die Verwendung eines überalterten Siegels, Luftfeuchtigkeit, an Türblatt und Türrahmen auftretende Vibrationen und sich daraus ergebende Scherspannungen sowie die Einwirkung von Synto, eine leichte Kriechbewegung hätten hervorrufen und so zu dem vom Nachprüfungsteam beobachteten „Schadensbild“ hätten führen können. In einem Bußgeldverfahren könnten eventuelle Besonderheiten bei der Auswahl des Siegel-Vorprodukts (Sicherheitsfolie) und seiner Lagerung und Anwendung durch die Kommission nicht schlicht unerheblich sein.

46      Die Klägerin schlägt zum vorliegenden Klagegrund gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung vor, ihren Anwalt sowie einen Bediensteten von E.ON als Zeugen über den Zustand zu vernehmen, in dem sich das streitige Siegel am Morgen des 30. Mai 2006 befunden hat.

47      Nach Auffassung der Kommission ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, da er abstrakt und ohne Prüfung der konkreten Auswirkungen auf die Beweiswürdigung und die angefochtene Entscheidung formuliert sei. Hilfsweise tritt sie dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

48      Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und vom 6. Januar 2004, BAI und Kommission/Bayer, C‑2/01 P und C‑3/01 P, Slg. 2004, I‑23, Randnr. 62; Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 688). Hierzu muss die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Randnr. 127; Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999, Riviera Auto Service u. a./Kommission, T‑185/96, T‑189/96 und T‑190/96, Slg. 1999, II‑93, Randnr. 47).

49      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung nachzuprüfen hat (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 174).

50      Demnach besteht die Rolle des Richters, der mit einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission befasst wird, mit der eine Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbsrechts festgestellt worden ist und den Adressaten der Entscheidung Geldbußen auferlegt worden sind, in der Prüfung, ob die von der Kommission in ihrer Entscheidung angeführten Beweise und sonstigen Darlegungen genügen, um das Vorliegen der festgestellten Zuwiderhandlung zu beweisen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 175).

51      Dem Richter verbleibende Zweifel müssen dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugutekommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, Slg. 1978, 207, Randnr. 265). Der Richter kann also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer eine Geldbuße verhängenden Entscheidung, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 177).

52      In diesem Fall ist nämlich der insbesondere in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, der zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza verkündeten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Februar 1984, Öztürk, Serie A, Nr. 73, und vom 25. August 1987 Lutz, Serie A, Nr. 123-A; Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnrn. 149 und 150, sowie Montecatini/Kommission, C‑235/92 P, Slg. 1999, I‑4539, Randnrn. 175 und 176; Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 178).

53      Die Klägerin stützt sich auf die Rechtsprechung zu den gemäß Art. 81 EG verbotenen aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, wonach ein Parallelverhalten der betroffenen Unternehmen nur dann als Beweis für eine gegen diese Vorschrift verstoßende Abstimmung angesehen werden kann, wenn es sich nur durch die Abstimmung einleuchtend erklären lässt (Urteil CRAM und Rheinzink/Kommission, oben in Randnr. 48 angeführt, Randnr. 16). Bei aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen hat die Kommission daher im Licht des Vorbringens der betroffenen Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens sämtliche möglichen Erklärungen für das fragliche Verhalten zu prüfen und darf eine Zuwiderhandlung nur dann bejahen, wenn diese die einzige plausible Erklärung ist.

54      Stellt die Kommission gestützt auf das Verhalten der betroffenen Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln fest, erklärt der Unionsrichter die fragliche Entscheidung somit für nichtig, wenn das Vorbringen dieser Unternehmen den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lässt und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglicht als die der Kommission, dass eine Zuwiderhandlung vorliege (Urteile CRAM und Rheinzink/Kommission, oben in Randnr. 48 angeführt, Randnr. 16, und Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 48 angeführt, Randnrn. 126 und 127).

55      Ebenso wie die betroffenen Unternehmen, wenn sich die Kommission im Rahmen der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Art. 81 EG und 82 EG auf schriftliche Beweismittel stützt, nicht nur eine plausible Alternative zur Auffassung der Kommission darzutun haben, sondern außerdem aufzeigen müssen, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 725 bis 728, sowie JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 187), müssen sie jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn sich die Kommission auf direkte Beweise stützt, dartun, dass die von der Kommission herangezogenen Beweise nicht genügen. Es ist bereits entschieden worden, dass eine solche Umkehr der Beweislast nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil Montecatini/Kommission, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 181).

56      Zudem ist festzustellen, dass ein Unternehmen die Beweislast nicht auf die Kommission abwälzen kann, indem es sich auf Umstände beruft, die es nicht beweisen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 262, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 343). Stützt sich also die Kommission auf Beweismittel, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweismittel nicht erschüttern konnte. Vielmehr muss das betroffene Unternehmen, es sei denn, dies wäre ihm wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich (vgl. in diesem Sinne Urteile Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnrn. 261 und 262, sowie JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnrn. 342 und 343), rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt.

57      Die Klägerin trägt im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung einen über alle ernsthaften Zweifel erhabenen Beweis führen müssen, dass die am 30. Mai 2006 festgestellte Veränderung des Zustands des streitigen Siegels der Klägerin zurechenbar sei, nachdem sie aufgezeigt habe, dass sich dieser Zustand durch die verschiedenen von ihr angeführten Umstände nicht erklären lasse. Es sei nicht ihre Sache, entlastende Umstände oder „alternative Geschehensabläufe“ nachzuweisen. Eine bloße Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung genüge für die Auferlegung einer Geldbuße nicht, zumal die Klägerin hinreichende Zweifel an der Beweisführung geweckt habe. Die Klägerin verweist insoweit im Rahmen des ersten Klagegrundes auf die Überalterung des streitigen Siegels, Luftfeuchtigkeit, an Türblatt und Türrahmen auftretende Vibrationen und sich daraus ergebende Scherspannungen sowie die Einwirkung von Synto, die eine leichte Kriechbewegung des streitigen Siegels hätten hervorrufen und so zu dem vom Nachprüfungsteam beobachteten „Schadensbild“ hätten führen können.

58      Hierzu ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission der Klagegrund der Klägerin nicht abstrakt ist, da diese im Wesentlichen geltend macht, die Kommission habe, indem sie die Beweislastregeln des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts missachtet habe, nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die Veränderung des Zustands des streitigen Siegels durch der Klägerin zurechenbare Umstände herbeigeführt worden sei, so dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei.

59      Aus der angefochtenen Entscheidung geht jedoch hervor, dass die Kommission die Beweislastregeln des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts nicht missachtet hat. Zum einen heißt es nämlich in Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich, dass es „Sache der Kommission ist, die für den Beweis des behaupteten Siegelbruchs notwendigen Tatsachen vorzutragen“. Zum anderen stützte die Kommission ihre Feststellung eines Siegelbruchs auf den Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006, das auf seiner gesamten Fläche den Schriftzug „VOID“ und auf der Rückseite Klebstoffreste aufgewiesen habe, wie insbesondere aus den Aussagen der Inspektoren der Kommission und des Bundeskartellamts und den Feststellungen im Siegelbruchprotokoll hervorgeht (Randnrn. 75 und 76 der angefochtenen Entscheidung).

60      Somit hat die Kommission insbesondere durch Bezugnahme auf die Aussagen der sechs vor Ort anwesenden Inspektoren und auf die Unterzeichnung des Versiegelungsprotokolls durch die Klägerin zunächst festgestellt, dass das streitige Siegel am Abend des 29. Mai 2006 ordnungsgemäß angebracht worden sei (Randnrn. 50 und 51 der angefochtenen Entscheidung). Sodann hat die Kommission, wie in vorstehender Randnr. 59 hervorgehoben, eine Veränderung des Zustands dieses Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 festgestellt, die die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs beweise.

61      Unabhängig von dem – im Rahmen der Klagegründe 3 bis 5 zu prüfenden – Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission gestützt hat, hat die Kommission in Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass „der bloße Hinweis auf die theoretische Möglichkeit eines … atypischen Geschehensablaufs … nicht ausreichen [kann]“, um eine Zuwiderhandlung auszuschließen. Nach den oben in den Randnrn. 55 und 56 dargelegten Grundsätzen hatte die Klägerin nämlich nicht nur das Vorliegen der verschiedenen Umstände, die sie zur Erklärung des Zustands des streitigen Siegels am 30. Mai 2006 anführte, zu belegen, sondern auch nachzuweisen, dass diese Umstände den Beweiswert der von der Kommission vorgelegten Beweismittel in Frage stellen.

62      Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Alternativerklärungen für den Zustand des streitigen Siegels am 30. Mai 2006 geprüft. Sie gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass mit diesen Erklärungen nicht nachgewiesen werde, dass dieser Zustand auf andere Umstände als einen Siegelbruch zurückgehe (Randnrn. 62 bis 68 und 77 bis 98 der angefochtenen Entscheidung). Somit liegt kein Verstoß gegen die Grundsätze der Beweislast vor.

63      Schließlich geht die Behauptung der Klägerin fehl, die Beweislast der Kommission sei durch zwei Umstände, nämlich die angebliche Überalterung des streitigen Siegels und das Fehlen von Fotografien, auf denen der Zustand des streitigen Siegels vor Öffnung der Tür festgehalten ist, verschärft worden. Sofern das Vorliegen dieser Umstände hinreichend erwiesen ist, wird zu prüfen sein, ob die Beweismittel der Kommission im Licht des Vorbringens der Klägerin zu diesen Umständen für die Feststellung eines Siegelbruchs im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 rechtlich ausreichen. Diese Prüfung ist im Rahmen der Klagegründe 3 bis 5 vorzunehmen.

64      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den „Untersuchungsgrundsatz“

 Vorbringen der Parteien

65      Die Klägerin verweist auf die Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission (56/64 und 58/64, Slg. 1966, 322), und vom 21. November 1991, Technische Universität München (C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469), und trägt vor, dass die Kommission nach dem „Untersuchungsgrundsatz“ verpflichtet sei, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen. Gegen diesen „Grundsatz“ sei im vorliegenden Fall verstoßen worden.

66      Erstens hätte die Kommission den „offensichtlichen Unklarheiten“ hinsichtlich der Zusammensetzung von Synto nachgehen müssen. Sie hätte sich nicht auf die Aussage beschränken dürfen, ihr sei unbekannt, welches Mittel das Institut für die Tests verwendet habe (Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung). Das Institut habe in Synto den Inhaltsstoff 2-(2-ButoxyEthoxy)Ethanol nachgewiesen (Institutsgutachten II). Dieser Inhaltsstoff greife eine Vielzahl organischer Substanzen an. Hingegen habe Herr Kr. die Zusammensetzung von Synto nicht selbst analysiert, sondern angenommen, es handele sich bei dem Reinigungsmittel um „eine wässrige tensidhaltige Lösung mit Anteilen von 2-Butoxyethanol und 2‑Propanol (Isopropylalkohol)“. Eine solche Substanz habe lediglich die Wirkung eines Alkohols, während die vom Institut nachgewiesene Substanz auch die Wirkung eines Ethers habe und damit zusätzliche lösende Wirkung gegenüber Klebstoffen, Filzschreiberspuren usw. entfalte. Die Untersuchungsergebnisse des Instituts hätten die Kommission zu weiteren Analysen hinsichtlich der Zusammensetzung von Synto veranlassen müssen. Die Kommission habe darauf nicht allein deshalb verzichten können, weil die einzige Synto-Variante, die weitgehend wasserfrei sei (im Folgenden: Synto Forte), nach Herstellerangaben nicht in den verwendeten Einliterflaschen verkauft werde (Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung). Fehldeklarationen des Herstellers und/oder spätere Umfüllungen von Synto könnten nicht ausgeschlossen werden.

67      Die Kommission habe auch unberücksichtigt gelassen, dass die Reinigungsfirma kurz vor der Nachprüfung von ihrem zuvor verwendeten Reinigungsmittel (Synto Forte) auf Synto umgestellt habe, worauf die Klägerin die Kommission in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 19. Oktober 2007 hingewiesen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Reinigungsfirma noch über restliches Synto Forte verfügt habe. Die Kommission hätte ohne Weiteres eine Analyse des verwendeten Reinigungsmittels durchführen können, da ihr die Klägerin angeboten habe, einen Teil des verbliebenen Flascheninhalts zu übersenden.

68      Zweitens habe die Kommission dadurch ihre Untersuchungspflicht verletzt, dass sie keine Ermittlungen hinsichtlich der Möglichkeit angestrengt habe, dass Dritten zu dem Raum G.505 von Schlüsselinhabern Zutritt verschafft oder der Raum auf andere Weise betreten wurde. Die Kommission verkenne in den Randnrn. 98 und 100 der angefochtenen Entscheidung, dass die Tür des fraglichen Raums neben der Versiegelung zusätzlich durch Verschließen vor unbefugtem Zutritt gesichert gewesen sei. Die eidesstattlichen Versicherungen der 20 Schlüsselinhaber zeigten, dass die Tür des betreffenden Raums in der fraglichen Nacht weder aufgeschlossen noch geöffnet worden sei. Die Klägerin beantragt gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung zum Beweis hierfür die Vernehmung dieser Personen als Zeugen.

69      Soweit die Kommission behaupte, dass sich andere Personen bei den Schlüsselinhabern einen Schlüssel für den Raum G.505 hätten beschaffen können (Randnr. 98 der angefochtenen Entscheidung), hätte sie angesichts ihrer Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts eine Erweiterung der eidesstattlichen Versicherungen fordern oder selbst zum Verbleib der Schlüssel ermitteln müssen.

70      Auch soweit die Kommission vortrage, die eidesstattlichen Versicherungen schlössen nicht aus, dass „die Tür auf andere Weise geöffnet wurde“ (Randnr. 98 der angefochtenen Entscheidung), hätte sie Untersuchungen am Schloss und an der Tür für den Raum G.505 zum Nachweis eines Einbruchs oder sonstigen Manipulationsversuchs durchführen müssen. Eine entsprechende Untersuchung der Materialoberflächen hätte zu der Erkenntnis geführt, dass eine Öffnung der Tür auf andere Weise ausgeschlossen werden könne.

71      Es sei nicht anzunehmen, dass sie gezielt einen der Schlüsselinhaber dazu veranlasst habe, das Siegel zu beschädigen bzw. die Tür zu öffnen. Durch eine falsche eidesstattliche Versicherung würde sich diese Person nach deutschem Recht möglicherweise strafbar machen und sich schwerwiegenden Regressansprüchen aussetzen.

72      Drittens habe die Kommission durch die Gestaltung der Frage 6 der Inspektorenbefragung, die die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmungen der Inspektoren verhindert oder beeinflusst habe, den „Untersuchungsgrundsatz“ verletzt.

73      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen, da die Klägerin nur allgemeine Erwägungen anstelle, ohne darzulegen, wie die erhobenen Vorwürfe die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen könnten. Hilfsweise tritt sie dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

74      Wie oben in den Randnrn. 48 und 49 hervorgehoben, hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen. Hierzu muss sie hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat.

75      Ferner ist hervorzuheben, dass die Kommission nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Aufklärung des rechtserheblichen Sachverhalts beitragen muss (Urteil Consten und Grundig/Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, S. 395).

76      Zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung gewährten Garantien gehört u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil Technische Universität München, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 14, und Urteil des Gerichts vom 18. September 1995, Nölle/Rat und Kommission, T‑167/94, Slg. 1995, II‑2589, Randnr. 73).

77      Insoweit ist vorab festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Klagegrund dartun will, dass die Kommission nicht die relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht habe, da sie Unklarheiten hinsichtlich der Zusammensetzung von Synto nicht nachgegangen sei und hinsichtlich der Möglichkeit eines Zutritts zum Raum G.505 nicht ausreichend ermittelt habe. Sollten diese Unzulänglichkeiten gegebenenfalls den Beweiswert der Beweismittel mindern, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführt hat, wären sie geeignet, deren Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen.

78      Was als Erstes die Rüge der Klägerin angeht, die Kommission habe Unklarheiten hinsichtlich der Zusammensetzung des am 30. Mai 2006 verwendeten Reinigungsmittels nicht ausgeräumt, ist erstens festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung, anders als von der Klägerin vorgetragen, nicht lediglich ausführt, ihr sei unbekannt, welches Mittel das Institut für seine Tests verwendet habe. Die Kommission führt in dieser Randnummer zum einen aus, nach den KR-Gutachten I und II habe die Einwirkung von Synto auf die Oberfläche des streitigen Siegels keinen Einfluss auf dessen Funktionsweise. Zum anderen weist sie die Behauptung der Klägerin zurück, Herr Kr. habe für seine Tests nicht das Originalreinigungsmittel verwendet.

79      Zunächst weist die Kommission nämlich darauf hin, dass sie sich von der Reinigungsfirma selbst genau dasjenige Originalreinigungsmittel habe zusenden lassen, das in den Räumen der Klägerin in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 verwendet worden sei, und dass ausschließlich dieses Reinigungsmittel in den verschiedenen Testreihen verwendet worden sei. Sodann bezieht sich ihre Angabe in Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung, ihr sei unbekannt, welches Mittel das Institut für seine Tests verwendet habe, auf den Vortrag der Klägerin, das Institut habe das ihm von ihr zugesandte Mittel getestet und festgestellt, dass es sich um ein wasserfreies Lösungsmittel mit dem Hauptinhaltsstoff 2‑(2‑ButoxyEthoxy)Ethanol handele. Nach Herstellerangaben wird Synto Forte, die einzige Synto-Variante, die weitgehend wasserfrei sei, nicht in den für die Reinigung der Tür des Raums G.505 verwendeten Einliterflaschen verkauft und nicht als Reinigungsmittel, sondern als Fleckenentferner eingesetzt.

80      Zweitens musste die Kommission die Zusammensetzung von Synto nicht analysieren, da sie für ihre Tests das Synto verwendete, das die Reinigungsfirma an der Tür des Raums G.505 benutzt und ihr unmittelbar zugesandt hatte, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage hierzu nicht bestritten hat. Überdies geht aus dem Schreiben der Reinigungsfirma vom 5. September 2006 an die Kommission, insbesondere ihrer Antwort auf die zweite Frage der Kommission, hervor, dass für die Reinigung der Tür des genannten Raums tatsächlich Synto verwendet wurde. Schließlich ist in dem Sicherheitsdatenblatt des Mittels Synto 2‑(2‑ButoxyEthoxy)Ethanol nicht als Inhaltsstoff erwähnt.

81      Drittens bestreitet die Klägerin nicht, dass Synto Forte nach den Angaben des Herstellers auf dessen Internetseite nicht in den von der Reinigungsfirma verwendeten Einliterflaschen vertrieben wird. Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin, Fehldeklarationen des Herstellers oder spätere Umfüllungen könnten nicht ausgeschlossen werden, nicht überzeugend und jedenfalls nicht belegt.

82      Viertens ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Reinigungsfirma noch über restliches Synto Forte, der zuvor verwendeten aggressiveren Variante von Synto, verfügt habe. Zum einen legt die Klägerin nämlich nicht dar, warum diese für Oberflächen aus Holz schädlichere Variante zur Reinigung der Türen ihrer Räume verwendet worden sein soll. Zum anderen geht aus Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die Kommission von der Reinigungsfirma selbst genau das in den Räumen der Klägerin am 30. Mai 2006 verwendete Reinigungsmittel zusenden ließ und dass ausschließlich dieses Reinigungsmittel in den verschiedenen Testreihen verwendet wurde. Diese Aussage hat die Klägerin nicht bestritten.

83      Da das Reinigungsmittel, mit dem der von der Kommission beauftragte Sachverständige seine Tests durchführte, genau dasselbe war wie das von der Reinigungsfirma in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 verwendete, bestand für die Kommission kein Grund, seine Zusammensetzung analysieren zu lassen.

84      Als Zweites rügt die Klägerin, die Kommission habe gegen den „Untersuchungsgrundsatz“ verstoßen, indem sie keine Ermittlungen hinsichtlich der Möglichkeit angestrengt habe, dass Dritten zu dem Raum G.505 von Schlüsselinhabern Zutritt verschafft oder der Raum auf andere Weise betreten wurde.

85      Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission Geldbußen festsetzen, wenn „die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen … angebrachten Siegel“ vorsätzlich oder fahrlässig erbrochen wurden. Nach dieser Bestimmung trägt somit die Kommission die Beweislast für den Siegelbruch. Sie muss jedoch nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde oder dass darin gelagerte Dokumente manipuliert wurden. Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 74 bis 76 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission tatsächlich annahm, dass das streitige Siegel erbrochen worden sei. Sie führt hierzu insbesondere aus (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung), dass „[d]er Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 … den eindeutigen Schluss darauf zu[lässt], dass das Siegel über Nacht von der Bürotür abgelöst wurde, so dass diese zwischenzeitlich geöffnet werden konnte“. Angesichts der vorstehenden Erwägungen gehen die Behauptungen der Klägerin, dass die Tür des betroffenen Raums in der fraglichen Nacht weder aufgeschlossen noch geöffnet worden sei, die durch die eidesstattlichen Versicherungen der Schlüsselinhaber belegt würden, ins Leere.

86      Jedenfalls können, wie die Kommission hervorhebt, die eidesstattlichen Versicherungen der Schlüsselinhaber, die zwischen dem 2. September und dem 22. Dezember 2007, also fast eineinhalb Jahre nach dem Ereignis, abgegeben wurden, nichts an dem Ergebnis ändern, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens eines Siegelbruchs gelangt ist, da ausweislich der Antworten der Klägerin auf das Auskunftsverlangen der Kommission Dritte potenziell Zugang zu einem Schlüssel hatten, mit dem sich die Tür des Raums G.505 öffnen ließ. Die Kommission war daher nicht zu Ermittlungen verpflichtet hinsichtlich der etwaigen Möglichkeit, dass Dritten zu dem Raum G.505 von Schlüsselinhabern Zutritt verschafft oder der Raum auf andere Weise betreten wurde.

87      Als Drittes rügt die Klägerin, die Kommission habe durch die Gestaltung der Frage 6 der Inspektorenbefragung, die die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmungen der Inspektoren verhindert oder beeinflusst habe, den „Untersuchungsgrundsatz“ verletzt.

88      Dem ist nicht zu folgen. Mit dieser Frage sollten die Mitglieder des Nachprüfungsteams nämlich nach Anhaltspunkten für einen Siegelbruch befragt werden, insbesondere im Hinblick auf die im Siegelbruchprotokoll getroffenen Feststellungen, dass „VOID“-Zeichen auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels lesbar gewesen seien und dass sich um den Rand des Siegels herum und auf dessen Rückseite Klebstoffreste befunden hätten. Durch die Gestaltung des Fragebogens wurde somit die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmungen der Inspektoren nicht verhindert.

89      Im Übrigen geht aus den Antworten der Inspektoren auf diesen Fragebogen hervor, dass sie bei Frage 6 insoweit ihre einschlägigen persönlichen Erinnerungen angaben. So erklärte Herr Kl., dass er sofort den Eindruck gehabt habe, „dass das Siegel seit seiner Aufbringung verletzt worden war [und dass er die] Beobachtungen, die diesen Schluss zulassen, … schriftlich festgehalten und dem Siegelbruchprotokoll als Anlage beigefügt [hat]“. Herr Ko. erklärte, ihm sei „aufgefallen, dass das Siegel ‚verrutscht‘ war und die Schrift VOID zu sehen war“, er habe sich „aber die Rückseite des Siegels nicht angeschaut“. Herr L. gab an, er habe sich „persönlich … vom Zustand des Siegels am darauf folgenden Tag überzeugt“, „[e]s war ungefähr 2 mm verschoben“, aber er habe „nicht speziell darauf geachtet, dass es ein void-Zeichen gab auf dem Siegel“. Auch Herr N. gab an, „mir ist klar erinnerlich, dass auf dem gesamten Siegel das Zeichen ‚VOID‘ lesbar war“, und „[f]ür einen Siegelbruch sprachen auch Klebstoffreste an der Tür, knapp neben dem Rand des Siegels“. Herr M. schließlich gab an: „Die Protokollbeschreibung trifft zu. Punkt b) würde ich wie folgt konkreter fassen: Klebstoffreste an zwei Rändern des Siegels, bei denen es sich um ca. 1-2 mm lange Teile des Schriftzeichens ‚void‘ handelte“.

90      Daraus folgt, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum dritten Klagegrund: unzutreffende Annahme ordnungsgemäßer Siegelanbringung

 Vorbringen der Parteien

91      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in Randnr. 5 unzutreffend als erwiesen angenommen, dass das streitige Siegel bei seiner Anbringung am Raum G.505 am 29. Mai 2006 unversehrt gewesen sei und fest auf Tür und Rahmen geklebt habe, als das Nachprüfungsteam die Geschäftsräume gegen 19.30 Uhr verlassen habe.

92      Erstens sei die ordnungsgemäße Anbringung des Siegels an der Tür nicht unstreitig. Bereits in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe sie das feste Haften des Siegels auf dem Untergrund bestritten. Dem Inhalt der Verwaltungsakte könne allenfalls entnommen werden, dass das streitige Siegel nach dem oberflächlichen Eindruck der anwesenden Inspektoren auf dem Untergrund festgehalten habe, was für die Feststellung ordnungsgemäßer Anbringung nicht genüge. Im Datenblatt heiße es, ein derartiges Siegel hafte auf verschiedenen Oberflächen, vorausgesetzt, sie seien vorher gereinigt worden. Eine solche Reinigung sei jedoch nicht erfolgt. Außerdem bestünden die betreffende Tür aus lackierten Schalldämmtürblättern und der Rahmen aus eloxiertem Aluminium, und diese Materialien seien im Datenblatt nicht genannt.

93      Es sei auch nicht nachgewiesen, dass das Siegel nach den Herstellervorgaben von der Schutzfolie abgezogen worden sei. Selbst 3M gestehe die Möglichkeit einer Vorschädigung durch Falschbehandlung ein (Randnr. 60 der angefochtenen Entscheidung). Aus dem Institutsgutachten III gehe hervor, dass das Aufbringen eines nicht den Herstellervorgaben entsprechenden Siegels nicht zwangsläufig zu einem sofortigen Erscheinen der „VOID“-Schriftzüge auf dem Siegel führe. Daher sei die Behauptung, dass jegliches Anzeichen für mangelnde Haftung des streitigen Siegels von den Anwesenden sofort bemerkt worden wäre (Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung), unhaltbar. Ferner treffe es nicht zu, dass das streitige Siegel ordnungsgemäß von der Schutzfolie gelöst worden sei, ohne Probleme habe befestigt werden können, unversehrt und ohne sichtbare „VOID“-Schriftzüge an Tür und Türrahmen des Raums G.505 geklebt habe und gründlich von bestimmten Inspektoren begutachtet worden sei. Sie habe dies nicht feststellen können, und die Kommission habe keinen entsprechenden Beweis geführt. Die Aussagen der Inspektoren zum Hergang der Anbringung des streitigen Siegels seien in sich widersprüchlich.

94      Zu den Ausführungen in Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung trägt die Klägerin vor, es sei unwahrscheinlich, dass der Hersteller derart detaillierte Vorgaben zur Handhabung des Produkts mache, wenn diese in jedem Fall überflüssig seien. Außerdem habe 3M als Herstellerin kein Interesse daran, die Zuverlässigkeit ihres Produkts in Frage zu stellen. Die Kommission könne daher nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass das streitige Siegel „unversehrt“ gewesen sei und „fest auf Tür und Rahmen des Raums G.505 [klebte]“ (Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung).

95      Zweitens bestätige der Umstand, dass am 29. Mai 2006 ein Vertreter der Klägerin das Versiegelungsprotokoll unterzeichnet habe, lediglich die Durchführung einer behördlichen Versiegelung und nicht die Fehlerfreiheit der Anbringung, da die Klägerin Vorschäden oder Mängel der Anwendung des streitigen Siegels nicht sofort habe erkennen können.

96      Drittens seien die angeblichen Erfahrungen der Kommission und die Versuche von Herrn Kr. unerheblich. Der bloße Umstand, dass es angeblich bei anderen Siegeln aus derselben Produktion, die seit 2004 verwendet worden seien, keine Probleme mit der Haftung oder „positive Fehlreaktionen“ gegeben habe (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung), erlaube nicht die Schlussfolgerung, dass eine positive Fehlreaktion ausgeschlossen oder unwahrscheinlich sei. Herr Kr. habe selbst eingeräumt, dass aufgrund seiner Untersuchungen nicht beurteilt werden könne, inwiefern sich seine Beobachtungen verallgemeinern ließen. Die Ergebnisse von Herrn Kr. hätten „statistisch abgesichert“ werden müssen.

97      Viertens sei die Behauptung der Kommission, bei Verwendung auf gewöhnlichen Bürotüren aus (lackiertem) Aluminium sei ein korrektes Funktionieren der Siegel zu erwarten (Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung), unhaltbar, da nie festgestellt worden sei, dass die Tür des Raums G.505 aus Aluminium hergestellt sei. Auch der betreffende Türrahmen bestehe nicht aus lackiertem, sondern aus eloxiertem – d. h. aus Korrosionsschutzgründen mit einer oxidischen Schutzschicht überzogenem – Aluminium.

98      Nach Auffassung der Kommission ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

99      Es ist unstreitig, dass der Raum G.505 am 29. Mai 2006 gegen 19.15 Uhr mittels eines amtlichen Siegels der Kommission versiegelt wurde. Die Klägerin hält es jedoch nicht für erwiesen, dass dieses Siegel ordnungsgemäß angebracht wurde. Der oberflächliche Eindruck der bei der Anbringung des Siegels anwesenden Inspektoren lasse lediglich den Schluss zu, dass das streitige Siegel auf dem Untergrund festgehalten habe. Es könne jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass das streitige Siegel am Abend des 29. Mai 2006 unversehrt und fest auf Tür und Rahmen des Raums G.505 geklebt habe.

100    Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt: „Die Versiegelung erfolgte … in korrekter Weise. Das Siegel haftete einwandfrei auf dem Untergrund bestehend aus Tür und Türrahmen und wies nach seiner Aufbringung … auf seiner blau-gelben Oberfläche keine VOID-Zeichen auf“ (Randnr. 50 der angefochtenen Entscheidung).

101    Sie stützte sich hierbei in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 5, 50 und 51) auf das Versiegelungsprotokoll und auf die Antworten der sechs bei der Anbringung des streitigen Siegels anwesenden Inspektoren auf die Frage 3 des an die Inspektoren gerichteten Fragebogens.

102    Als Erstes ist daher zu prüfen, ob die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel den Schluss zuließen, dass das streitige Siegel ordnungsgemäß angebracht worden war.

103    Erstens ist in dem Versiegelungsprotokoll zum einen vermerkt, dass der Raum G.505 am 29. Mai 2006 um 19.15 Uhr gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 versiegelt wurde, und zum anderen, dass ein Vertreter der Klägerin, Herr P., über die Bestimmungen der Art. 20 Abs. 2 Buchst. d und 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 belehrt und darauf hingewiesen wurde, dass gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängt werden können, wenn Siegel vorsätzlich oder fahrlässig aufgebrochen werden. Das Protokoll wurde von Herrn Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, Herrn J., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, und dem Vertreter der Klägerin, Herrn P., unterzeichnet.

104    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist mit dem Versiegelungsprotokoll hinreichend nachgewiesen, dass das streitige Siegel ordnungsgemäß angebracht wurde. Das fragliche Protokoll bestätigt nämlich eine Versiegelung „gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003“, die von einem Vertreter der Klägerin nach Belehrung über die einschlägigen Bestimmungen durch Unterzeichnung anerkannt wurde. Nur eine ordnungsgemäße Versiegelung kann jedoch als Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden.

105    Jedenfalls darf angenommen werden, dass die Klägerin, wenn sie am Abend des 29. Mai 2006 eine Unregelmäßigkeit bei der Anbringung des streitigen Siegels oder „VOID“-Zeichen darauf bemerkt hätte, dazu sogleich Stellung genommen hätte, da ihr die Bedeutung solcher Zeichen sehr wohl bekannt war (vgl. auch Randnr. 51 der angefochtenen Entscheidung). Zudem hat der Sicherheitsdienst der Klägerin, wie die Kommission hervorhebt, angegeben, dass bei zwei Rundgängen im Gebäude G nach der Überprüfung des streitigen Siegels mehrere Stunden nach dessen Anbringung keinerlei Veränderung festgestellt worden sei. Somit ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die „VOID“-Schriftzüge hätten aufgrund einer Vorschädigung des streitigen Siegels durch Falschbehandlung erst später erscheinen können.

106    Zweitens wird die ordnungsgemäße Anbringung des streitigen Siegels durch die Antworten der sechs bei der Versiegelung anwesenden Inspektoren der Kommission und des Bundeskartellamts bestätigt, auf die die Kommission in den Randnrn. 5 und 50 der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt.

107    So gab Herr Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, an: „Ich bin mir absolut sicher, dass das Siegel unversehrt war, …[und habe mich davon] persönlich und besonders gründlich überzeugt. [Das streitige Siegel] klebte fest an Tür und Türrahmen und kein ‚VOID‘-Zeichen war erkennbar“.

108    Auch Herr L., Mitarbeiter der Kommission, gab an: „… es ist sicher, dass das Siegel unversehrt war, als [die Inspektoren] das Gebäude verlassen haben. Wir haben uns das Siegel noch genau angeschaut und [nach]gesehen, ob es gut installiert war.“

109    Frau W., Mitarbeiterin der Kommission, gab an: „Es ist sicher, dass [das streitige Siegel] richtig an der Tür haftete. Es war richtig angebracht worden … es sah ‚normal‘ aus. Es war an der richtigen Stelle auf der Tür angebracht. Es hatte die normalen Farben: dunkelblau und hellgelb. Es waren keine ‚void‘-Zeichen zu sehen.“

110    Herr N., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „Nach meiner persönlichen Wahrnehmung war das Siegel unversehrt, als das Nachprüfungsteam das Gebäude verließ … [ich hatte mir] das Siegel noch näher betrachtet“.

111    Herr M., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „… nach der Anbringung des Siegels durch Herrn [Kl.] haben sich verschiedene Beamte, u. a. ich, von der korrekten Anbringung des Siegels überzeugt. Als das Nachprüfungsteam inkl. der Beamten des [Bundeskartellamts] den Flur, auf dem sich der versiegelte Raum befindet, verließ, war das Siegel ungebrochen. Das habe ich gesehen.“

112    Schließlich gab Herr B., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, an: „H. [Kl.] und neben mir auch weitere Teammitglieder versicherten sich, dass das Siegel korrekt angebracht war. Nach meiner persönlichen Wahrnehmung war das Siegel unversehrt, als das Nachprüfungsteam das Gebäude verließ.“

113    Drittens wird die Beweiskraft der genannten Beweismittel nicht durch die Antworten der vier anderen an der Nachprüfung in den Räumen der Klägerin beteiligten Inspektoren auf die Frage 3 des Fragebogens der Kommission in Frage gestellt. Ein Inspektor gab an, den Versiegelungsprozess nicht verfolgt zu haben, während drei Inspektoren weitere Anhaltspunkte dafür lieferten, dass das Siegel ordnungsgemäß angebracht worden war, und damit die Aussage der Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützte, bestätigten.

114    So gab Herr K. an, „das Siegel [war] nach meinem letzten Wissensstand unversehrt“. Herr Me. gab an, sich „allenfalls unbewusst selbst von der Unversehrtheit des Siegel überzeugt“ zu haben. Schließlich bestätigte Herr J.: „Nach meiner Erinnerung war das Siegel unversehrt, als das Inspektorenteam am 29. Mai 2006 den Gebäudetrakt verließ.“

115    Nach alledem lassen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützte, die Feststellung zu, dass das streitige Siegel am 29. Mai 2006 ordnungsgemäß angebracht wurde, dass es mithin an der Tür und am Türrahmen des Raums G.505 haftete und dass es unversehrt war in dem Sinne, dass darauf kein Schriftzug „VOID“ zu sehen war, als das Nachprüfungsteam die Räumlichkeiten der Klägerin verließ.

116    Als Zweites ist zu prüfen, ob die von der Klägerin angeführten Umstände den Beweiswert der vorgenannten Beweismittel in Frage stellen können. Die Klägerin nennt insoweit erstens, dass die Tür und der Türrahmen des Raums G.505 vor der Anbringung des streitigen Siegels nicht gereinigt worden seien, zweitens, dass im Datenblatt nicht vermerkt sei, aus welchem Material die Tür und der Türrahmen bestehen, und drittens, dass nicht nachgewiesen sei, dass das streitige Siegel nach den Herstellervorgaben von der Schutzfolie abgezogen worden sei.

117    Zum ersten Einwand ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass sich ihre Vertreter und die Vertreter des Bundeskartellamts „von der Sauberkeit des Untergrundes [überzeugten], so dass eine besondere Reinigung der fraglichen Tür und des Türrahmens nicht erforderlich war“ (Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung).

118    Zwar wird in dem Datenblatt empfohlen, den Untergrund vor der Anbringung eines Siegels zu reinigen, doch hängt diese Empfehlung damit zusammen, dass bei einer verschmutzten Oberfläche die Haftung des Siegels beeinträchtigt ist mit der Folge, dass es im Fall eines Siegelbruchs nicht zur Anzeige der „VOID“-Zeichen kommen könne. Das Datenblatt enthält den ausdrücklichen Hinweis: „Jede Verunreinigung der Oberfläche wird sich negativ auf die Haftung und die Zerstörungsanzeige auswirken.“ Der Hersteller der Siegel, 3M, hat im Übrigen ausdrücklich bestätigt, dass die Empfehlung zur vorherigen Reinigung des Untergrunds hauptsächlich die Fälle von Verunreinigung des Untergrunds durch Öl oder Fett betrifft. Der in Büros übliche Staub hat dem Hersteller zufolge keine Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit des Siegels.

119    Die Klägerin, die für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, hat nicht nachgewiesen, dass die Oberfläche der Tür und des Türrahmens des Raums G.505 am Abend des 29. Mai 2006 anders als durch in Büros üblichen Staub verunreinigt war. Sie hat ferner nicht nachgewiesen, dass der Zustand der Oberfläche der genannten Tür und ihres Rahmens am Abend des 29. Mai 2006 derart war, dass dadurch die Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels unter gewöhnlichen Umständen hätte beeinträchtigt werden können. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die Tür des Raums G.505 von der Reinigungsfirma regelmäßig gereinigt wurde. Unter diesen Umständen ist der erste Einwand der Klägerin zurückzuweisen.

120    Was den zweiten Einwand der Klägerin betreffend das Material der Tür und des Türrahmens des Raums G.505 angeht, hat die Kommission in Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben: „Bei Verwendung auf gewöhnlichen Bürotüren aus (lackiertem) Aluminium ist … ein korrektes Funktionieren der Siegel zu erwarten.“ Weiter hat sie ausgeführt: „Dies wurde durch die vor Ort und im Labor seitens des von der Kommission beauftragten Gutachters durchgeführten Untersuchungen der Siegelprodukte und ihres Klebverhaltens auf dem tatsächlich vorgefundenen Untergrund eindeutig bestätigt.“

121    Die Klägerin behauptet, der Rahmen der fraglichen Tür bestehe nicht aus lackiertem, sondern aus eloxiertem Aluminium. Sie trägt jedoch, obwohl sie für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, keinen Anhaltspunkt dafür vor, dass sich der Umstand, dass der Türrahmen aus eloxiertem und nicht aus lackiertem Aluminium besteht, auf die Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels auswirkt.

122    Jedenfalls hat 3M in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission ausgeführt, dass der für diesen Typ Siegel verwendete Klebstoff für praktisch jeden Untergrund geeignet sei, so dass die Auflistung der möglichen Untergründe im Datenblatt (Edelstahl, Acrylnitrile-Butadiene-Styrene [ABS], Polypropylene, angestrichenes Metall, Polyester, HDPE [Polyethylen hoher Dichte], Nylon, Glas und Polycarbonate) nicht erschöpfend sei, sondern lediglich einen ungefähren Hinweis auf die Arten und die Bandbreite von Oberflächen geben solle, auf denen das Produkt verwendet werden könne. Ein solches Siegel würde auf Türen aus Aluminium und gestrichenem Aluminium korrekt funktionieren. Sei die Anhaftung des Siegels am Untergrund zu gering, könne es bei Entfernen von diesem nicht zur Anzeige der „VOID“-Schriftzüge kommen, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Diese Angaben werden durch die Ausführungen im KR-Gutachten I und die Ausführungen von Herrn Kr. vom 9. Juli 2008 bestätigt. Unter diesen Umständen ist der zweite Einwand der Klägerin zurückzuweisen.

123    Zum dritten Einwand, es sei nicht nachgewiesen, dass das streitige Siegel nach den Herstellervorgaben von der Schutzfolie abgezogen worden sei, genügt die Feststellung, dass die Klägerin keinerlei Indiz für das tatsächliche Vorliegen des behaupteten Umstands beigebracht hat, so dass dieses Vorbringen zurückzuweisen ist. Jedenfalls hätte nach den Ausführungen von 3M eine Beschädigung des Produkts beim Abziehen von der Schutzfolie zur Folge, dass die „VOID“-Schriftzüge bereits vor Anbringen auf dem Untergrund aufträten; eine spätere „positive Fehlreaktion“ sei hingegen ausgeschlossen. Im KR‑Gutachten I wird ebenfalls ausgeschlossen, dass die Geschwindigkeit der Trennung des streitigen Siegels von der Schutzfolie für das Auftreten der „VOID“-Schriftzüge eine Rolle spiele oder dass sie erst nach einer bestimmten Zeitspanne auftreten könnten. Unter diesen Umständen ist auch der dritte Einwand der Klägerin zurückzuweisen.

124    Nach alledem greift der dritte Klagegrund nicht durch.

 Zum vierten Klagegrund: unzutreffende Annahme eines „auffälligen Zustands“ des streitigen Siegels am Tag nach der Nachprüfung

 Vorbringen der Parteien

125    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 9, 24, 55, 61 und 75 der angefochtenen Entscheidung) zu Unrecht angenommen, dass das streitige Siegel am 30. Mai 2006 den „VOID“-Schriftzug über seine gesamte Fläche habe erkennen lassen.

126    Erstens seien nach Wahrnehmung ihrer Vertreter die „VOID“-Schriftzüge nur ganz schwach und nicht durchgängig erkennbar gewesen. Auch ein Beamter des Bundeskartellamts habe in der Beantwortung des Fragebogens der Kommission (Anlage A.17, S. 48 der Verwaltungsakte) angegeben, dass „das ‚void‘-Zeichen vielfach durch das Papier [schimmerte]“. Unter den Mitgliedern des Nachprüfungsteams und den Vertretern der Klägerin hätten zunächst Zweifel bestanden, ob überhaupt eine Veränderung des streitigen Siegels vorgelegen habe. Die Klägerin schlägt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung ihres Rechtsanwalts als Zeugen vor.

127    Dass die Inspektoren den Zustand des streitigen Siegels mit dem Zustand in anderen Gebäudeteilen angebrachter Siegel hätten vergleichen wollen (Randnr. 76 der angefochtenen Entscheidung), bestätige, dass die „VOID“-Schriftzüge keinesfalls über die ganze Fläche des streitigen Siegels eindeutig erkennbar gewesen seien. Ohnehin könne in dieser Hinsicht von einer gänzlich übereinstimmenden Wahrnehmung der anwesenden Beamten keine Rede sein. Darüber hinaus stünden einige Aussagen der Inspektoren im Widerspruch zum Siegelbruchprotokoll.

128    Zweitens habe sich die Kommission zu Unrecht auf die erst am Nachmittag des 30. Mai 2006 mit einem Mobiltelefon angefertigten Fotografien des sich noch am Türrahmen des Raums G.505 befindlichen Teils gestützt. Insoweit sei das Vorbringen der Kommission, die Tür sei am Morgen des 30. Mai 2006 durch den Leiter des Nachprüfungsteams geöffnet worden, ohne das Siegel weiter zu beschädigen (Randnr. 10 der angefochtenen Entscheidung), unzutreffend. Durch das Ablösen des streitigen Siegels von der Tür habe die Klebefläche zwangsläufig Beschädigungen erleiden müssen. Da die Nachprüfung bereits gegen 9.30 Uhr intensiv fortgesetzt und die Tür des Raums G.505 entsprechend regelmäßig geöffnet und geschlossen worden sei, sei es zu einem häufigen Abreißen und Wiederanhaften des streitigen Siegels gekommen. Es sei unvermeidbar, dass es durch die dabei entstehenden Spannungen und Scherkräfte zu einer gewissen Verschiebung des Siegels gekommen sei, was überhaupt erst ein Erscheinen der „VOID“-Schriftzüge nach sich gezogen habe. Auch sei das streitige Siegel nach Fortsetzung der Nachprüfung nicht mehr laufend überwacht worden, und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es etwa angefasst worden sei oder Ähnliches.

129    In diesem Zusammenhang sei es widersprüchlich, dass die Kommission einerseits das bloße Erscheinen von „VOID“-Schriftzügen für die Annahme eines Siegelbruchs ausreichen lasse, andererseits jedoch argumentiere, sie habe sich ohne zusätzliches Ablösen des Siegels kein definitives Bild vom Vorliegen des Bruchs des streitigen Siegels machen können. Es sei auch widersprüchlich, dass nach den Aussagen einiger Inspektoren „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Fläche zu sehen gewesen seien, dies aber erst nach dessen Ablösung.

130    Ihre Antwort auf Frage 15 des Auskunftsverlangens der Kommission, auf die diese verweise, beziehe sich ausschließlich auf die Sichtbarkeit der „VOID“-Schriftzüge auf Tür und Türrahmen des Raums G.505 nach dem Öffnen der Tür durch die Inspektoren und nicht auf die Sichtbarkeit von „VOID“-Schriftzügen auf dem Siegel selbst bei erstmaliger Betrachtung am Morgen des 30. Mai 2006. Durch ihren Vortrag, die „VOID“-Schriftzüge seien je nach Untergrund mehr oder weniger kontrastreich und erschienen in der Farbe des streitigen Siegels, so dass ein genaueres Hinsehen erforderlich sei, habe die Kommission bestätigt, dass die „VOID“-Schriftzüge nur ganz schwach, bruchstückhaft und nicht durchgängig erkennbar gewesen seien.

131    Die Ergänzende Erklärung zum Protokoll vom 30. Mai 2006 habe hinsichtlich des Zustands des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 keine Beweiskraft. Sie enthalte dazu keine Aussage und ergänze nur eigene Beobachtungen der Kommission zum Zustand des Siegels nach dem Öffnen der Tür des Raums G.505.

132    Schließlich erkläre die Kommission nicht, wie „VOID“-Schriftzüge auf dem gesamten streitigen Siegel sichtbar gewesen sein sollten, während jedenfalls der auf dem Türrahmen des Raums G.505 klebende Teil nicht gelöst worden sei. Nach dem Vorbringen der Kommission könnten die „VOID“-Schriftzüge nämlich nur durch Ablösen des Siegels erscheinen (Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung). Zugleich solle es aber praktisch unmöglich sein, das Siegel exakt an der gleichen Stelle wieder anzubringen, so dass Klebstoffreste auf der Siegelrückseite die unvermeidbare Folge eines Ablösens wären (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung). Solche Klebstoffreste hätten sich aber auf dem türrahmenseitigen Teil des streitigen Siegels nicht befunden; vielmehr seien nach dem endgültigen Ablösen des streitigen Siegels die dortigen „VOID“-Schriftzüge unverwischt gewesen, und es hätten sich keine Klebstoffrückstände auf diesem Stück befunden (Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung). Wenn jedoch der auf dem Türrahmen klebende Teil des streitigen Siegels nicht gelöst worden sei, sei nicht erklärlich, wie es zu sichtbaren „VOID“-Schriftzügen auf diesem Teil gekommen sein solle. Bei Zugrundelegung des Vortrags der Kommission, dass „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Fläche des streitigen Siegels sichtbar gewesen seien, müsse es sich daher um eine „positive Fehlreaktion“ gehandelt haben.

133    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

134    In der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass „[d]er Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 … den eindeutigen Schluss darauf zu[lässt], dass das Siegel über Nacht von der Bürotür abgelöst wurde, so dass diese zwischenzeitlich geöffnet werden konnte“ (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung).

135    Sie stützte sich hierfür in der angefochtenen Entscheidung auf das Siegelbruchprotokoll und auf die Antworten der acht Inspektoren, die bei der Feststellung des Siegelbruchs anwesend waren (Randnrn. 8, 12, 75 und 76 der angefochtenen Entscheidung). Ferner hob sie in Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die an diesem Tag bei der Nachprüfung anwesenden internen und externen Vertreter der Klägerin den veränderten Zustand des Siegels nicht bestritten, sich aber gleichwohl geweigert hätten, das Protokoll über den Siegelbruch zu unterzeichnen.

136    Als Erstes ist daher zu prüfen, ob die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel für die Feststellung eines Siegelbruchs ausreichten.

137    Erstens wird, wie aus Randnr. 7 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, anders als bei Papiersiegeln ein Siegelbruch bei Kunststoffsiegeln wie dem streitigen Siegel nicht durch ein Zerreißen des Siegels dokumentiert. Ist das Siegel einmal aufgeklebt, lässt es sich nicht mehr vom Untergrund ablösen, ohne dass das Ablösen des Siegels erkennbar bleibt. Ein Wiederanbringen ohne Hinterlassen von Spuren ist ausgeschlossen. So bleibt beim Ablösen der weiße Klebstoff in Form von auf der gesamten Fläche des Aufklebers verteilten, etwa 12 Didot-Punkte (etwa 5 mm) großen „VOID“-Schriftzügen am Untergrund haften. Das abgelöste Siegel wird an diesen Stellen transparent, so dass auch auf dem Siegel die „VOID“-Schriftzüge gut sichtbar sind. Insbesondere aufgrund der Vielzahl und Größe der „VOID“-Schriftzüge ist es letztlich unmöglich, das Siegel an exakt der gleichen Stelle anzubringen, an der es vorher klebte. Selbst wenn das gelingt, bleiben die „VOID“-Zeichen gut sichtbar.

138    Im Siegelbruchprotokoll (siehe oben, Randnr. 9) ist insoweit zum einen vermerkt, dass das gesamte Siegel in der Höhe und in der Seite um etwa 2 mm verdreht war, so dass am unteren und am rechten Rand des Siegels Klebespuren sichtbar waren, und zum anderen, dass der Schriftzug „VOID“ auf der gesamten Siegelfläche, die sich jedoch weiterhin quer vom Türrahmen bis zur Türfläche des Raums G.505 befand und nicht zerrissen war, deutlich erkennbar war. Entgegen dem Vortrag der Klägerin zeigen somit die Feststellungen in diesem Protokoll, das von Herrn Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, und Herrn J., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, unterzeichnet ist, zur Genüge, dass ein Siegelbruch vorliegt.

139    Zweitens wird dieses Ergebnis durch die Antworten der acht bei der Feststellung des Siegelbruchs anwesenden Inspektoren bestätigt, auf die die Kommission in Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt.

140    So gab Herr Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, an, dass „sofort der Eindruck [entstand], dass das Siegel seit seiner Aufbringung verletzt worden war. Die Beobachtungen, die diesen Schluss zulassen, habe ich schriftlich festgehalten und dem Siegelbruchprotokoll als Anlage beigefügt.“

141    Ebenso gab Herr Ko., Mitarbeiter der Kommission, an: „Mir fiel auf, dass das Siegel ‚verrutscht‘ war und die Schrift VOID zu sehen war.“

142    Frau W., Mitarbeiterin der Kommission, gab ebenfalls an, sie habe bemerkt, dass „das Siegel nicht so aussah wie am Abend vorher“, dass der „VOID“-Schriftzug auf dem gesamten streitigen Siegel lesbar gewesen sei und dass sich Klebstoffreste 2 mm um den Rand des Siegels herum und auf der Rückseite des streitigen Siegels neben den „VOID“-Schriftzügen befunden hätten. Sie fügte hinzu, dass „das Siegel nicht mehr so dunkelblau war wie vorher, weil die ‚void‘-Zeichen sichtbar waren“.

143    Herr N., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „… ist mir klar erinnerlich, dass auf dem gesamten Siegel das Zeichen ‚VOID‘ lesbar war … Für einen Siegelbruch sprachen auch Klebstoffreste an der Tür, knapp neben dem Rand des Siegels.“

144    Herr. M., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „Die Protokollbeschreibung trifft zu. Punkt b) würde ich wie folgt konkreter fassen: Klebstoffreste an zwei Rändern des Siegels, bei denen es sich um ca. 1-2 mm lange Teile des Schriftzeichens ‚void‘ handelte“.

145    Die Mitarbeiter des Bundeskartellamts Me., J. und B. machten ähnlich lautende Angaben.

146    Nach alledem ließen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, angesichts der „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels und der Klebstoffreste daneben und auf dessen Rückseite am Morgen des 30. Mai 2006 den Schluss zu, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und dass diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte. Daher braucht nicht über die Behauptung der Klägerin entschieden zu werden, dass die „VOID“-Schriftzüge am Türrahmen völlig „unverwischt“ gewesen seien, was bedeute, dass der auf dem Türrahmen klebende Teil des streitigen Siegels „VOID“-Schriftzüge trage, obwohl er nicht gelöst worden sei, und eine „positive Fehlreaktion“ belege. Jedenfalls hat sich die Kommission, wie sie vorgetragen hat, die Angaben der Klägerin in Nr. 2 ihrer Ergänzenden Erklärung vom 30. Mai 2006 (siehe oben, Randnr. 12) nicht zu eigen gemacht. Überdies kann die bloße Behauptung der Klägerin, „der Schriftzug ‚VOID‘ am Türrahmen [war] völlig unverwischt“, für sich allein nicht das Vorliegen einer „positiven Fehlreaktion“ des streitigen Siegels belegen.

147    Als Zweites ist zu prüfen, ob die von der Klägerin angeführten Umstände geeignet sind, den Beweiswert der vorgenannten Beweismittel in Frage zu stellen. Die Klägerin verweist insoweit darauf, dass die „VOID“-Schriftzüge auf dem streitigen Siegel nur ganz schwach und nicht durchgängig erkennbar gewesen seien und dass sich die Kommission zu Unrecht auf die am Nachmittag des 30. Mai 2006 angefertigten Fotografien des sich noch am Türrahmen des Raums G.505 befindlichen Teils des streitigen Siegels gestützt habe.

148    Erstens stützt die Klägerin ihre Behauptung, die „VOID“-Schriftzüge seien auf dem streitigen Siegel nur ganz schwach und nicht durchgängig erkennbar gewesen, darauf, dass nach der Aussage eines Beamten des Bundeskartellamts das „VOID“-Zeichen vielfach durch das Papier geschimmert habe und dass unter den Mitgliedern des Nachprüfungsteams und den Vertretern der Klägerin zunächst Zweifel bestanden hätten, ob überhaupt eine Veränderung des streitigen Siegels vorgelegen habe, was dadurch bestätigt werde, dass sie in anderen Teilen des Gebäudes angebrachte Siegel vergleichend in Augenschein genommen hätten. Zudem stünden einige Aussagen der Inspektoren in Widerspruch zum Siegelbruchprotokoll.

149    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass am Morgen des 30. Mai 2006 auf dem streitigen Siegel oder zumindest auf einem Teil davon tatsächlich „VOID“-Schriftzüge sichtbar waren. Die Klägerin bestreitet auch nicht das Vorhandensein von Klebespuren am unteren und am rechten Rand des Siegels. Wie jedoch 3M in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 5. September 2006 bestätigte, bedeutet das Auftreten von „VOID“-Zeichen, dass der Aufkleber entfernt wurde. Somit hat die Kommission im Siegelbruchprotokoll zu Recht festgestellt, dass das streitige Siegel erbrochen worden war. Im Übrigen hat die Klägerin, wie von der Kommission hervorgehoben, in ihrer Ergänzenden Erklärung zum Siegelbruchprotokoll, obwohl in dieses die Feststellungen zum Auftreten der „VOID“-Schriftzüge aufgenommen waren, nicht dazu Stellung genommen (Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung).

150    Sodann wurde der Zustand des streitigen Siegels durch die Aussagen der acht vor Ort anwesenden Inspektoren bestätigt (siehe oben, Randnr. 139). Insoweit ist der Behauptung der Klägerin, die Aussagen einiger Inspektoren stünden in Widerspruch zu dem Siegelbruchprotokoll, nicht zu folgen. So stellen die Aussage von Frau P. „schimmerte das ‚void‘-Zeichen vielfach durch das Papier“ und die Aussage von Herrn L., er habe viereckige Flecken auf der Türe auf der linken Seite des streitigen Siegels gesehen und nicht speziell darauf geachtet, dass es auf dem streitigen Siegel ein „VOID“-Zeichen gegeben habe, weder die Feststellung des Auftretens von „VOID“-Schriftzügen auf dem streitigen Siegel in Frage, noch können sie die im Siegelbruchprotokoll enthaltenen Feststellungen oder die oben in den Randnrn. 140 bis 145 angeführten Aussagen der anderen Inspektoren entkräften.

151    Schließlich ist zu dem Vergleich des Zustands des streitigen Siegels mit dem Zustand in anderen Gebäudeteilen angebrachter Siegel, der nach Auffassung der Klägerin Zweifel an einer Veränderung des streitigen Siegels bestätigt, festzustellen, dass es, wie die Kommission in Randnr. 76 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, nachvollziehbar erscheint, dass sich die Inspektoren durch einen Vergleich mit den anderen Siegeln rückversicherten, weil es der erste Fall eines Siegelbruchs war und es sich nicht um ein Siegel handelte, das einen Siegelbruch durch Zerreißen anzeigt. Jedenfalls kann der Umstand, dass das Nachprüfungsteam das streitige Siegel mit in anderen Gebäudeteilen angebrachten Siegeln verglich, nicht die Feststellungen betreffend die physikalische Beschaffenheit des streitigen Siegels in Frage stellen, wie sie im Siegelbruchprotokoll getroffen wurden. Folglich ist die Behauptung der Klägerin unerheblich.

152    Zweitens beruht das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe sich, um den Zustand des streitigen Siegels festzustellen, zu Unrecht auf am Nachmittag des 30. Mai 2006 mit einem Mobiltelefon angefertigte Fotografien gestützt, auf einer unzutreffenden Prämisse.

153    Aus den Randnrn. 74 und 75 der angefochtenen Entscheidung geht nämlich hervor, dass die Kommission ihre Feststellung eines Siegelbruchs auf den Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 stützte, das insbesondere auf seiner gesamten Fläche den Schriftzug „VOID“ aufgewiesen habe. Als Beweis für diese Feststellung führte die Kommission in Randnr. 76 der angefochtenen Entscheidung an, dass der Verantwortliche des Nachprüfungsteams sowie ein Vertreter des Bundeskartellamts in Anwesenheit von Vertretern der Klägerin das Protokoll über den Siegelbruch angefertigt hätten. Zudem sei der darin beschriebene Zustand des streitigen Siegels, insbesondere das großflächige Auftreten von „VOID“-Schriftzügen, durch eine Befragung des Nachprüfungsteams einhellig bestätigt worden. Wie oben in Randnr. 146 festgestellt, ist damit die Zuwiderhandlung hinreichend nachgewiesen.

154    In diesem Kontext ist das Vorbringen der Klägerin, das auf den Umstand gestützt ist, dass die Fotografien von dem streitigen Siegel nach der Öffnung der Tür des Raums G.505 angefertigt wurden, nicht geeignet, den Beweiswert der in vorstehender Randnr. 153 genannten Beweismittel in Frage zu stellen, und es ist zurückzuweisen, ohne dass über den Beweiswert der genannten Fotografien entschieden zu werden braucht.

155    Demnach hat die Klägerin, die für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, nicht nachgewiesen, dass die Feststellung des Siegelbruchs am Morgen des 30. Mai 2006 fehlerhaft war.

156    Unter diesen Umständen ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: unzutreffende Annahme der Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen durch die Kommission

 Vorbringen der Parteien

157    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe fehlerhaft angenommen, dass die Sicherheitsfolie für die behördliche Versiegelung in einem Ermittlungsverfahren geeignet sei.

158    Erstens sei die Sicherheitsfolie für den Nachweis konstruiert, dass ein „gesichertes Behältnis bzw. Produkt“ auf keinen Fall geöffnet worden sei. Der Verwender einer Sicherheitsfolie nehme hin, dass sich in dem Fall, dass sie eine positive Reaktion zeige, im Nachhinein nicht mehr feststellen lasse, ob es sich um eine „positive Fehlreaktion“ oder einen tatsächlichen Eingriff in das Produkt gehandelt habe.

159    In einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003 sei es jedoch nicht angemessen, das Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ auf das betroffene Unternehmen zu verlagern, insbesondere in Anbetracht der für einen Siegelbruch vorgesehenen Geldbußen. Die Kommission müsse daher eine Folie verwenden, bei der das Auftreten einer „positiven Fehlreaktion“ von vornherein ausgeschlossen sei.

160    Die Kommission könne sich nicht auf die Aussage von 3M stützen, wonach bislang keine Beschwerden über eine mangelnde Funktionsfähigkeit von Folien der Art der Sicherheitsfolie bekannt geworden seien (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung), da die anderen Verwender solcher Folien nur im Fall „negativer Fehlreaktionen“ Grund zur Beschwerde hätten.

161    Zweitens sei das streitige Siegel überaltert gewesen. Die Gutachten des Instituts zeigten jedoch, dass die Haftfähigkeit der Sicherheitsfolie mit steigendem Alter wesentlich abnehme und die Empfindlichkeit für „äußere Einflüsse“ wesentlich zunehme.

162    Zwar gebe 3M in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen vom 8. Dezember 2006 erstmals an, es sei zu erwarten, dass die Sicherheitsfolie nach einer Lagerzeit von über zwei Jahren ordnungsgemäß funktioniere, vermeide jedoch eine definitive Aussage zur Lebenserwartung der Sicherheitsfolie. Darüber hinaus verkenne 3M mit seiner Bagatellisierung altersbedingter Verschlechterungen der Sicherheitsfolie den Stand der Wissenschaft und Technik bei druckempfindlichen Haftmitteln. Ohnehin könnten Angaben des Herstellers nichts über die Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels zum Tatzeitpunkt beweisen und eine Beurteilung durch einen „neutralen Sachverständigen“ nicht entbehrlich machen. Die Gutachten von Herrn Kr. beseitigten die Zweifel an der Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels nicht, da sie den Zeitablauf, die Auswirkungen von Synto auf das Siegel sowie die Folgen einer längeren Vorspannung im Bereich des Türspalts bei länger einwirkenden Türschwingungen und gleichzeitigen Scherspannungen nicht berücksichtigten.

163    Der Kritik der Kommission an der vom Institut verwendeten Alterungssimulation hält die Klägerin entgegen, diese genüge wissenschaftlichen Ansprüchen. Eine beschleunigte Alterung bei geringfügig erhöhter Temperatur sei erforderlich gewesen, weil sonst keine Möglichkeit zur Prüfung der Alterung bestanden habe.

164    Drittens sei der Ausschluss positiver Fehlreaktionen durch 3M (Randnr. 68 der angefochtenen Entscheidung) unerheblich und keinesfalls belegt. Dass möglicherweise keine Kundenbeschwerden über „positive Fehlreaktionen“ vorlägen, genüge als Begründung für die Unmöglichkeit solcher Fehlreaktionen nicht. Darüber hinaus seien die Aussagen von 3M zur unbegrenzten Haltbarkeit des Siegels unglaubwürdig und widersprächen den Angaben im Datenblatt. Aus dem Datenblatt gehe außerdem hervor, dass die Sicherheitsfolie bei drohenden erheblichen wirtschaftlichen Schäden als alleiniges Sicherungsmittel nicht geeignet sei. 3M empfehle dazu, bei drohenden schwerwiegenden Folgen zusätzliche Sicherungsmittel zu verwenden, so dass die Kommission mehrere Siegel pro Tür hätte verwenden können. Die Folgen unterlassener Zusatzmaßnahmen und die damit einhergehenden Beweisprobleme gingen daher zulasten der Kommission.

165    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

166    Mit diesem Klagegrund möchte die Klägerin dartun, dass die Sicherheitsfolie für den Nachweis konstruiert sei, dass ein „gesichertes Behältnis bzw. gesichertes Produkt“ unter keinen Umständen geöffnet worden sei. Es sei jedoch für amtliche Versiegelungen bei Ermittlungen der Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts ungeeignet.

167    Als Erstes ist festzustellen, dass, wie aus dem Datenblatt hervorgeht, diese Produktlinie so ausgelegt ist, dass eine Manipulation durch Zerstörung kenntlich gemacht wird, wenn ein Versuch der Entfernung des Etiketts unternommen wird. Dies entspricht genau der Anwendung derartiger Sicherheitsfolien durch die Kommission bei ihren Ermittlungen. 3M nennt zwar unter „Anwendungsbeispiele“ für eine solche Sicherheitsfolie: „Nicht übertragbare Etiketten für die Automobil-, Haushaltsgeräte- und Elektronikindustrie. Etiketten und Siegel mit Manipulationsanzeige für nicht verschreibungspflichtige Medikamente und sonstige Verpackungsanwendungen“. Doch kann der Umstand, dass die Anwendung der Sicherheitsfolie durch die Kommission bei ihren Ermittlungen im Datenblatt nicht ausdrücklich erwähnt ist, nicht so verstanden werden, dass diese Anwendung ausgeschlossen ist, da die Auflistung der Anwendungen durch den Hersteller nicht erschöpfend ist. Jedenfalls weist die Klägerin nicht nach, dass solche Sicherheitsfolien für den Einsatz bei Ermittlungen ungeeignet sind.

168    Zwar empfiehlt der Hersteller, wie die Klägerin hervorhebt, bei „möglicherweise sehr schwerwiegenden Folgen einer Manipulation wie … erheblichen finanziellen Verlusten“ zusätzliche Sicherungsmittel, doch ist festzustellen, dass, wie aus dem Datenblatt hervorgeht, 3M solche Maßnahmen insoweit empfiehlt, als sie die Möglichkeit einer „negativen Fehlreaktion“ nicht ausschließt.

169    Als Zweites ist, wie oben in Randnr. 103 ausgeführt, im Versiegelungsprotokoll vermerkt, dass die Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 erfolgte und dass gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängt werden können, wenn Siegel vorsätzlich oder fahrlässig aufgebrochen werden. Zudem wurde die Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 von einem Vertreter der Klägerin durch Unterzeichnung des Versiegelungsprotokolls anerkannt. Wie oben in Randnr. 104 ausgeführt, kann jedoch nur die Anbringung eines für eine solche Anwendung geeigneten Siegels als Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden. Somit darf davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, wenn sie Zweifel an der Eignung des von der Kommission für die Versiegelung gemäß der genannten Bestimmung verwendeten Sicherheitsfilms gehabt hätte, hierzu sogleich bei der Anbringung des streitigen Siegels, deren Bedeutung ihr genau bekannt war, Einwände erhoben hätte. Die Klägerin hat jedoch keine Stellungnahme dieser Art abgegeben.

170    Was als Drittes das Vorbringen der Klägerin angeht, das streitige Siegel sei überaltert, was seine Empfindlichkeit für „äußere Einflüsse“, länger einwirkende Türschwingungen und gleichzeitige Scherspannungen sowie die Verwendung von Synto beeinflusse, so betrifft es nicht die Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen, sondern vielmehr die Behauptung, die Kommission habe „alternative Geschehensabläufe“, die den am 30. Mai 2006 festgestellten Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können, verkannt, die Gegenstand des sechsten Klagegrundes ist. Dieses Vorbringen ist somit dort zu prüfen.

171    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verkennung „alternativer Geschehensabläufe“ durch die Kommission, die den Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können

 Vorbringen der Parteien

172    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe im Hinblick auf den Grundsatz in dubio pro reo keinen genügenden Nachweis für einen Siegelbruch erbracht.

173    Als Erstes trägt sie vor, sie habe anhand der Institutsgutachten nachgewiesen, dass andere „äußere Einflüsse“ als das Ablösen des streitigen Siegels auf diesem „VOID“-Schriftzüge hätten hervorrufen können.

174    Erstens sei die maximale Lagerdauer des streitigen Siegels abgelaufen gewesen. Ihre Sachverständigen hätten nachgewiesen, dass die Haftfähigkeit der Sicherheitsfolie mit steigendem Alter abnehme und damit gleichzeitig die Empfindlichkeit für „äußere Einflüsse“ zunehme. Es stehe fest, dass das streitige Siegel die vom Hersteller angegebene maximale Lagerdauer um gut eineinhalb Jahre überschritten habe.

175    Zweitens macht die Klägerin einen maßgeblichen Einfluss des Reinigungsmittels Synto geltend. Bereits in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen vom 9. August 2006 habe sie dargelegt, dass die Bedienstete der Reinigungsfirma nicht habe ausschließen können, das Siegel mit einem mit Synto befeuchteten Tuch überwischt zu haben. Das Institutsgutachten III beweise jedoch eine eingeschränkte Funktionsweise der Sicherheitsfolie und eine erheblich gesteigerte Neigung zu „positiven Fehlreaktionen“, wenn die Sicherheitsfolie zuvor mit Synto überwischt worden sei. Im Zusammenhang mit der Benetzung der Sicherheitsfolie mit Synto beschreibe das Institutsgutachten II auch die Möglichkeit eines Kriechvorgangs der Sicherheitsfolie aufgrund von Zug- bzw. Druck-Scherbelastungen.

176    Das benutzte Mikrofasertuch sei nach Aussage der Bediensteten der Reinigungsfirma extrem nass gewesen, als sie über das streitige Siegel gewischt habe, so dass der Kontakt des Siegels mit einer größeren Menge Synto nicht ausgeschlossen werden könne. Anders als von der Kommission vorgetragen, seien die Versuche des Instituts mit Synto und nicht mit Synto Forte durchgeführt worden. Der Name des fraglichen Produkts sage nichts über seine tatsächliche Zusammensetzung aus. Das Institutsgutachten II enthalte zwar Verweise auf Synto Forte, doch sei das verwendete Reinigungsmittel Synto gewesen. Die Klägerin bestreitet das Ergebnis der Gutachten von Herrn Kr., wonach Synto die Funktionsfähigkeit des Siegels nicht beeinträchtige. Herr Kr. habe nicht untersucht, wie sich ein seitliches Eindringen von Synto unter die Folie bei Einwirken von Tangentialkräften über längere Zeit auswirke, das zu Klebstoffresten neben dem Siegel führen könne. Er habe auch nicht ausgeschlossen, dass es durch die Einwirkung von Synto auf den feuchtigkeitssensiblen Acrylatklebstoff des Siegels im Zusammenwirken mit einer geringen mechanischen Belastung zur Ausbildung von „VOID“-Schriftzügen auf dem streitigen Siegel kommen könne.

177    Drittens verweist die Klägerin auf einen maßgeblichen Einfluss von Luftfeuchtigkeit. Aus dem Institutsgutachten III gehe nämlich hervor, dass eine Luftfeuchtigkeit von über 60 % die Funktionsweise der Sicherheitsfolie erheblich beeinflusse und zu einer verstärkten Neigung zu „positiven Fehlreaktionen“ führe. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 habe in München eine Luftfeuchtigkeit von über 80 % geherrscht.

178    Die im Gebäudekomplex G der Klägerin installierte Klimaanlage werde grundsätzlich bei hoher Außenluftfeuchtigkeit nicht in Betrieb genommen, um die Bildung von Schwitzwasser an der Kühldecke zu verhindern. Im fraglichen Zeitraum seien zudem mehrfach Probleme mit der Regelungstechnik der Klimaanlage aufgetreten, die dazu geführt hätten, dass die sonst bei Erreichen einer bestimmten Außenluftfeuchtigkeit erfolgende Abschaltung der Zusatzbefeuchtung in der Klimaanlage nicht funktioniert habe, was von der Kommission nicht bestritten worden sei.

179    Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung der Kommission unerheblich, dass die Klägerin weder vorgetragen noch belegt habe, warum das streitige Siegel in erhöhtem Maße Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen sein sollte (Randnr. 94 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission selbst habe im Verfahren der Luftfeuchtigkeit entscheidende Bedeutung beigemessen. In ihrem Auskunftsverlangen vom 19. Oktober 2007 habe die Kommission umfassende Informationen zur Luftfeuchtigkeit in der fraglichen Nacht angefordert.

180    Viertens macht die Klägerin einen maßgeblichen Einfluss von Vibrationen geltend. Aus dem Institutsgutachten I gehe hervor, dass der behauptete Zustand des streitigen Siegels mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch Vibrationen von Tür und Wand des Raums G.505 infolge der Nutzung der Nachbarräume sowie eines ausreichend großen Spiels selbst der abgeschlossenen Tür habe hervorgerufen werden können. Dies werde im Übrigen durch Filmaufnahmen dokumentiert, die die Klägerin im Rahmen der Anhörung durch den Anhörungsbeauftragten am 6. Dezember 2006 vorgeführt habe. Die Nachbarräume des Raums G.505 seien für den Folgetag für Besprechungen gebucht gewesen. Es habe ein reges Kommen und Gehen geherrscht, das zu einem Zuschlagen der Türen der benachbarten Räume und damit zu Vibrationen geführt haben könne. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass Personen, die sich in der Raumnummer geirrt hätten oder noch nicht von der Umbelegung des Raums G.505 informiert worden seien, an der Tür gerüttelt hätten. Der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, dies nicht verhindert zu haben, da die Überempfindlichkeit der Sicherheitsfolie und ihre Tendenz zu „positiven Fehlreaktionen“ nicht vorhersehbar gewesen seien und sie daher habe sicher sein können, dass schon das Verschließen der Tür das Siegel hinreichend schütze. Die Klägerin schlägt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung eines Bediensteten der E.ON Facility Management GmbH als Zeugen vor.

181    Fünftens habe wahrscheinlich die Kombination aus der Überschreitung der Lagerdauer des streitigen Siegels, der Einwirkung von Synto, der Luftfeuchtigkeit und den Vibrationen eine erhöhte Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie herbeigeführt, die den Zustand des streitigen Siegels hervorgerufen habe.

182    Sechstens ergebe sich aus den Ermittlungen über den Verbleib der Schlüssel zur fraglichen Tür des Raums G.505 sowie aus dem Verhalten der Schlüsselinhaber, dass die Tür in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht geöffnet worden sein könne. Die Klägerin beantragt zum Beweis hierfür die Vernehmung der Schlüsselinhaber als Zeugen gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung.

183    Als Zweites rügt die Klägerin, die Kommission nehme fehlerhaft an, dass die Versuchsbedingungen der Institutsgutachten in erheblichem Umfang von den technischen Gegebenheiten vor Ort abgewichen seien (Randnr. 67 der angefochtenen Entscheidung).

184    Erstens sei das Argument der Kommission, das Institut habe für die Versuche keines ihrer Originalsiegel verwendet, nicht stichhaltig (Randnrn. 27, 29 und 35 der angefochtenen Entscheidung). Der Gutachter der Klägerin habe nie zugestanden, dass die für ein Siegel bestimmter Größe gefundenen Ergebnisse nur Schlussfolgerungen für ein Siegel derselben Größe erlaubten. Er habe lediglich angemerkt, dass Festigkeitswerte nicht beliebig von „Klein auf Groß“ umgerechnet werden könnten. Zum Nachweis einer Tendenz der Siegel zu „positiven Fehlreaktionen“ komme es nicht auf die Feststellung oder Messung bestimmter absoluter Werte an. Da die vom Institut verwendeten Proben bei den durchgeführten Untersuchungen immer die gleichen Abmessungen gehabt hätten, seien seine Schlussfolgerungen richtig, selbst wenn sich die Absolutwerte unterscheiden sollten. Auch deshalb sei die Verwendung von Proben der gleichen Größe nicht erforderlich.

185    Für den Fall, dass es nach Auffassung des Gerichts maßgeblich auf die Eigenschaften des Originalsiegels ankomme, habe die Kommission eine den Verteidigungsrechten der Klägerin genügende Beweisführung verhindert und könne sich daher nicht auf die Nichtverwendung von Originalsiegeln durch die Gutachter des Instituts berufen. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 habe die Klägerin die Übersendung von Originalsiegeln erbeten (vgl. auch Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung), die die Kommission problemlos durch Lochen, Markierungen mit Permanentschreibern oder Ähnliches hätte entwerten können. Nach Ansicht der Klägerin wäre die Fälschungsgefahr minimal gewesen, und ihre Gutachter hätten darüber hinaus Verpflichtungserklärungen unterschreiben können. Die Kommission sei lediglich damit einverstanden gewesen, dass die Gutachter der Klägerin in Anwesenheit von Beamten der Kommission Untersuchungen an den Originalsiegeln vornähmen, was praktisch nicht möglich gewesen sei, da die „statistisch abgesicherte“ Durchführung vieler Versuche eine Vielzahl von Einzelprüfungen erfordert habe, die sich über mehrere Wochen hingezogen hätten und in einem Labor hätten durchgeführt werden müssen. Es sei wenig wahrscheinlich, dass die Kommission bereit gewesen wäre, für die Dauer der Untersuchungen einen Mitarbeiter abzustellen.

186    Zweitens sei die Klägerin aufgrund der Weigerung, Originalsiegel zur Verfügung zu stellen, gezwungen gewesen, die Überschreitung der maximalen Lagerdauer zu simulieren. Hierbei habe die gewählte Alterungsformel aufgrund der Durchlässigkeit der Schutzfolie für Wasserdampf durchaus akkurate Ergebnisse liefern können. Ebenso sei das von der Kommission angeführte Fehlen von periodisch wiederkehrenden „Kraftspitzen“ in den Diagrammen der Institutsgutachten II und III, die in den Gutachten von Herrn Kr. jedoch festgestellt worden seien (Randnr. 67 der angefochtenen Entscheidung), durch die Tatsache zu erklären, dass das Institut eine Prüfvorrichtung verwendet habe, in der ein luftgelagerter Schlitten den für die Ausbildung dieser Kraftspitzen verantwortlichen „Slip-Stick-[Gleit-Haft-]Effekt“ weitgehend unterdrücke. Die Klägerin beantragt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung eines Gutachters des Instituts als Zeugen.

187    Drittens sei das Fehlen einer Reaktion der anderen am 29. Mai 2006 angebrachten Siegel unerheblich. Diese Siegel seien in einem anderen Gebäude verwendet worden, das eine gänzlich andere Bauart aufweise. Abgesehen von der unterschiedlichen Bausubstanz und einer unterschiedlichen Vibrationsanfälligkeit der Türen seien die anderen Siegel nicht notwendig der gleichen Luftfeuchtigkeit ausgesetzt gewesen (Randnr. 92 der angefochtenen Entscheidung).

188    Als Drittes rügt die Klägerin, dass die Gutachten von Herrn Kr. weder in tatsächlicher noch in naturwissenschaftlich-technischer Hinsicht überzeugten.

189    Erstens beruhten die Gutachten von Herrn Kr. auf der unzutreffenden Annahme, dass die am Nachmittag des 30. Mai 2006 angefertigten Fotografien den Zustand des streitigen Siegels am Vormittag des 30. Mai 2006 wiedergäben. Die Fotografien seien jedoch erst nach wiederholtem Öffnen und Schließen der Tür des Raums G.505 angefertigt worden. Mangels belastbarer Ausgangstatsache fehle es seinen Ausführungen an Überzeugungskraft.

190    Zweitens sei Herr Kr. von einem zu geringen „Versatz der Tür“ von 0,53 mm ausgegangen, während das Institut festgestellt habe, dass zwischen Türblatt und Rahmen ein Versatz von mindestens 2 mm entstehen könne. Somit sei die von Herrn Kr. angesetzte mögliche Dehnung des streitigen Siegels im Zusammenhang mit Vibrationen zu gering bemessen. Darüber hinaus könnten entgegen der Behauptung der Kommission (Randnr. 79 der angefochtenen Entscheidung) ein „Versatz der Tür“ um 2 mm und andere am fraglichen Tag herrschende Umstände ein Kriechen des Siegels auf dem Untergrund erklären.

191    Drittens gehe aus der angefochtenen Entscheidung hervor (Randnr. 91), dass die Kommission selbst zugestehe, dass die Sicherheitsfolie durchlässig für Luftfeuchtigkeit sei. Insoweit seien zunächst die Angaben von 3M im Datenblatt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da sie eine bloße Orientierungshilfe zu den Produkteigenschaften darstellten und sich nur auf eine Testoberfläche aus Edelstahl bezögen. Ferner sei die Sicherheitsfolie der Luftfeuchtigkeit nicht nur nach ihrem Abziehen vom Folienträger und ihrem Aufkleben auf die Tür ausgesetzt gewesen, sondern auch solange sie sich noch auf dem Folienträger befunden habe, der aus silikonisiertem Papier bestehe. Schließlich sei die nicht belegte Behauptung der Kommission, dass die Gruppe der Acrylate innerhalb der Haftklebestofftypen die höchste Feuchtigkeitsresistenz aufweise, unerheblich, da das Institut nachgewiesen habe, dass der auf dem streitigen Siegel verwendete Acrylatklebstoff nicht hinreichend feuchtigkeitsresistent sei. In den vorliegenden Gutachten von Herrn Kr. sei die Frage, ob die Einwirkung von Feuchtigkeit zu „positiven Fehlreaktionen“ der Sicherheitsfolie führen könne, d. h., ob die „VOID“-Schriftzüge auch ohne „äußere Einflüsse“ hätten auftreten können, nicht untersucht worden.

192    Viertens fehle es den vor Ort durchgeführten Tests an einer „statistischen Absicherung“, die für eine wissenschaftlich fundierte Aussage unabdingbar sei. Auch die im Labor von Herrn Kr. durchgeführten Versuche seien unergiebig, da der Großteil der Versuche auf pulverbeschichteten Blechen durchgeführt worden sei. Es sei Stand der Wissenschaft, dass sich Acrylatklebstoffe auf einem pulverlackierten Untergrund anders verhielten als auf eloxiertem Aluminium. Daher verböten sich Rückschlüsse auf die Tür des Raums G.505 schon im Ansatz.

193    Fünftens habe der Sachverständige im KR-Gutachten II die Möglichkeit verkannt, dass das streitige Siegel so angebracht worden sei, dass es an dem Spalt zwischen Türblatt und Rahmen unter Spannung gestanden sei. Herr Kr. habe beim Ortstermin am 26. April 2007 eine Spannung des streitigen Siegels im Bereich des Türspalts verhindert und außerdem die Tür mit mehreren Siegeln versehen, bevor er an ihr gerüttelt habe, wodurch es zu einer Schwächung der Kräfte der Türbewegung gekommen sei. Nach dem Institutsgutachten I sei die Siegelfolie bei längeren und mehrfach einwirkenden Kräften kriechempfindlich. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass das streitige Siegel am 29. Mai 2006 so angebracht worden sei, dass es an dem Spalt zwischen Türblatt und Rahmen unter Spannung gestanden habe.

194    Sechstens habe die Kommission auch nicht berücksichtigt, dass bei allen von ihrem Gutachter beim Ortstermin angebrachten Sicherheitsfolien nach ihrem Ablösen „Knibbelecken“ zu sehen gewesen seien. Ein Einwirken auf das streitige Siegel im Hinblick auf sein Ablösen hätte also deutlich sichtbare Beschädigungen hervorrufen müssen. An dem streitigen Siegel seien aber keine „Knibbelecken“ zu sehen gewesen. Das Siegel sei daher in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht von Hand abgezogen worden. Die Klägerin schlägt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung ihres Rechtsanwalts und eines Bediensteten von E.ON als Zeugen vor.

195    Siebtens habe Herr Kr. das möglicherweise kombinierte Auftreten bestimmter Effekte (wie Überalterung des streitigen Siegels, sonstige Vorschädigung, Vibrationen, hohe Luftfeuchtigkeit und Einwirken eines Reinigungsmittels) nicht hinreichend berücksichtigt. Das streitige Siegel sei rund 14 Stunden lang appliziert und damit „äußeren Einflüssen“ wie Luftfeuchtigkeit und möglichen Vibrationen ausgesetzt gewesen. Hinsichtlich der Anwendung des Reinigungsmittels verkenne Herr Kr. außerdem „denkbare Geschehensabläufe“. Insbesondere sei von ihm nur eine Einwirkzeit des Mittels von 30 Minuten unterstellt worden, während im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich die schädigende Wirkung des Reinigungsmittels auf das streitige Siegel längere Zeit habe entfalten können. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das über längere Zeit unter Spannung stehende Siegel Kriechbewegungen ausgeführt habe.

196    Als Viertes hebt die Klägerin hervor, dass nach den eigenen Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung „positive Fehlreaktionen“ möglich seien (Randnrn. 7, 74 und 75). Der Kommission zufolge könnten die Ausbildung von „VOID“-Schriftzügen und die Klebstoffreste auf der Siegelrückseite nur durch ein Ablösen und erneutes Aufkleben des Siegels erklärt werden. Daher stehe im Umkehrschluss fest, dass unversehrte „VOID“-Schriftzüge bewiesen, dass ein Ablösen und anschließendes Wiederanbringen des Siegels ausgeschlossen sei. In ihrer Ergänzenden Erklärung vom 31. Mai 2006 habe die Klägerin jedoch festgehalten, ohne dass die Kommission dies bestritten habe, dass die „VOID“-Schriftzüge am Türrahmen des Raums G.505 (und nicht, wie dies die Kommission behaupte, auf der Tür und dem Türrahmen; vgl. Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung) völlig unverwischt und damit völlig unversehrt gewesen seien, als das Siegel vor dem Neuversiegeln am Abend des 30. Mai 2006 abgelöst worden sei (Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung). Damit stehe nach dem eigenen Vortrag der Kommission fest, dass der Teil des streitigen Siegels, der auf dem Türrahmen des Raums G.505 gehaftet habe, im fraglichen Zeitraum nicht vom Untergrund abgelöst worden sei, aber gleichwohl „VOID“-Schriftzüge gezeigt habe.

197    Die Klägerin hält es für normal, dass ihre spontanen Erklärungsversuche zum Zustand des streitigen Siegels vom 30. Mai 2006 nicht völlig einheitlich gewesen seien. Weder ihren Bediensteten noch ihren Dienstleistern sei der konkrete Grund für die vermeintliche Veränderung des streitigen Siegels bekannt.

198    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

199    Wie oben in den Randnrn. 55 und 56 ausgeführt, kann hinsichtlich der Beweislast für eine Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbsrechts, wenn sich die Kommission auf direkte Beweismittel stützt, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweismittel nicht erschüttern konnte. Im Gegenteil muss das betroffene Unternehmen, es sei denn, dies wäre ihm wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich, rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt.

200    Wie oben in Randnr. 146 festgestellt, ließen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, angesichts der „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels und der Klebstoffreste daneben und auf dessen Rückseite am Morgen des 30. Mai 2006 den Schluss zu, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und dass diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte. Hinsichtlich der Umstände, die nach Ansicht der Klägerin den Beweiswert dieser Beweismittel in Frage stellen, ist daher zu prüfen, ob die Klägerin rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass zum einen diese Umstände vorliegen und zum anderen durch sie der Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage gestellt wird.

201    Als Erstes macht die Klägerin geltend, sie habe nachgewiesen, dass „äußere Einflüsse“ vorgelegen hätten, die auf dem streitigen Siegel „VOID“-Schriftzüge hervorgerufen hätten, darunter die Überalterung des streitigen Siegels, die Einwirkung des Reinigungsmittels Synto, die Luftfeuchtigkeit, Vibrationen bzw. eine Kombination dieser verschiedenen Faktoren.

202    Erstens ist zum Einwand der Klägerin, die „VOID“-Schriftzüge seien auf dem streitigen Siegel wegen dessen Überalterung aufgetreten, festzustellen, dass die Klägerin keinen Kausalzusammenhang zwischen einer etwaigen Überalterung des streitigen Siegels und dem Auftreten der „VOID“-Schriftzüge auf seiner Oberfläche nachweist; über ihr Vorbringen, das streitige Siegel habe die vom Hersteller angegebene maximale Lagerdauer um gut eineinhalb Jahre überschritten, braucht nicht entschieden zu werden.

203    Insoweit ist zum einen hervorzuheben, dass das streitige Siegel und die an anderen Türen, deren Öffnung untersagt wurde, verwendeten Siegel aus derselben Produktion stammten (Randnr. 69 der angefochtenen Entscheidung). Nur bei dem streitigen Siegel traten jedoch die „VOID“-Schriftzüge auf, womit ausgeschlossen ist, dass diese durch das angebliche Überschreiten der maximalen Lagerdauer des streitigen Siegels hervorgerufen wurden. Zum anderen wird in dem von der Klägerin vorgelegten Institutsgutachten III jedenfalls nicht nachgewiesen, dass bei Verwendung einer künstlich gealterten Sicherheitsfolie eine „positive Fehlreaktion“ auftritt, vielmehr wird darin auf eine „signifikante Abnahme der Klebkraft der im Zeitraffer gealterten Siegelfolie sowie eine signifikante erhöhte Empfindlichkeit in der Ausbildung der ‚VOID‘-Buchstaben“ hingewiesen. Folglich ist der erste Einwand zurückzuweisen.

204    Zweitens ist zum angeblich maßgeblichen Einfluss von Synto festzustellen, dass die Klägerin nicht nachweist, dass die Verwendung von Synto zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ des Siegels führt.

205    Zunächst ist hervorzuheben, dass der Behauptung der Klägerin, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitarbeiterin der Reinigungsfirma das streitige Siegel mit einem Tuch überwischt habe, das stark mit Synto befeuchtet gewesen sei, die Feststellungen von Herrn Kr., die die Klägerin nicht bestritten hat, zu widersprechen scheinen, dass die Applikation von Synto auf das Siegel mit einem Tuch zum einem Abrieb führe, so dass die dunkelblaue Farbe des Siegels auf das Tuch abfärbe. Die Mitarbeiterin der Reinigungsfirma hat jedoch zu keiner Zeit erwähnt, dass nach der Reinigung der Tür des Raums G.505 eine solche Veränderung des Zustands des streitigen Siegels eingetreten sei. Vielmehr erklärte die Reinigungsfirma am 6. September 2006 in Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Kommission, dass die Reinigungskraft nach der Reinigung dieser Tür keine Veränderung des streitigen Siegels festgestellt habe. Auch ergibt sich weder aus dem Siegelbruchprotokoll noch aus der Ergänzenden Erklärung der Klägerin, dass die Inspektoren bei der Feststellung des Siegelbruchs irgendeinen Abrieb der dunkelblauen Farbe des streitigen Siegels festgestellt hätten.

206    Sodann beweisen die von der Klägerin vorgelegten Gutachten nicht, dass die Verwendung eines Reinigungsmittels zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ des Siegels führt, da sie nur eine „signifikant erhöhte Empfindlichkeit“ des Siegels zeigen. Zudem ist, falls durch die von der Klägerin vorgelegten Gutachten doch ein solches Risiko nachgewiesen sein sollte, nicht erwiesen, dass die Tests des Instituts mit Synto durchgeführt wurden, da in den Ergebnissen des Institutsgutachtens II mindestens einmal angegeben ist, dass für diese Tests Synto Forte verwendet worden sei. Insoweit ist bereits oben in Randnr. 80 ausgeführt worden, dass aus dem Schreiben der Reinigungsfirma vom 5. September 2006 an die Kommission, insbesondere ihrer Antwort auf die zweite Frage der Kommission, hervorgeht, dass für die Reinigung der Tür des Raums G.505 tatsächlich Synto (und nicht Synto Forte) verwendet wurde. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Verwendung von Synto Forte die Ergebnisse der Gutachten des Instituts beeinträchtigt hat.

207    Schließlich geht aus der Antwort von 3M auf ein Auskunftsersuchen der Kommission hervor, dass Reinigungsmittel grundsätzlich nicht auf die Siegel einwirken. So hat 3M angegeben: „Reinigungsmittel haben normalerweise keine Auswirkung auf das Produkt. Das Oberflächenmaterial des Produkts besteht aus Polyester, das lösungsmittelresistent ist. Das Produkt würde erwartungsgemäß einem Kontakt mit normalen gewerblichen Reinigungsmitteln standhalten.“ 3M räumte ein, „keine konkreten Tests bezüglich der vorstehend erwähnten Reinigungsmittel durchgeführt“ zu haben, führte jedoch aus, „unserer Ansicht nach bestünde … das Hauptrisiko der Verwendung von Reinigungsmitteln darin, dass sie den Oberflächenaufdruck des weiterverarbeiteten Produkts beeinträchtigen könnten – in diesem Fall die blauen und gelben Farben auf dem Siegel der Kommission. Reinigungsmittel sollten die Wirkweise der Klebeschicht auf der Rückseite des Produkts nicht beeinträchtigen.“ Gerade ein solcher bloßer Abriebeffekt wurde von dem Gutachter der Kommission bei seinen Tests festgestellt, wie oben in Randnr. 205 ausgeführt. Darüber hinaus hat der Gutachter der Kommission bei Applikation von Synto auf das Siegel keine „positive Fehlreaktion“ des Siegels festgestellt.

208    Jedenfalls lag es, wie die Kommission in Randnr. 84 der angefochtenen Entscheidung ausführt, im Verantwortungsbereich der Klägerin, die Reinigungsfirma über Bedeutung und Behandlung des streitigen Siegels zu informieren und sicherzustellen, dass das streitige Siegel nicht etwa von ihrer Bediensteten erbrochen wird, zumal diese, wie aus dem Protokoll über ein Gespräch mit der Bediensteten der Reinigungsfirma hervorgeht, vor der Reinigung der Besprechungsräume einen Plan mit deren Belegung erhält.

209    Was drittens das Vorbringen betreffend die Luftfeuchtigkeit angeht, hat die Klägerin eine Unterlage vorgelegt, die belegen soll, dass in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 in München eine Luftfeuchtigkeit von 80 % herrschte. Nach dem Institutsgutachten III wird bei einer Luftfeuchtigkeit von über 60 % die Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie signifikant erhöht.

210    Hierzu genügt die Feststellung, dass die Klägerin zum einen nicht bewiesen hat, dass im Gebäude G in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 eine Luftfeuchtigkeit von über 60 % herrschte. Die von der Klägerin vorgelegte Unterlage über die Luftfeuchtigkeit in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 betrifft die Luftfeuchtigkeit außerhalb des Gebäudes G und ist daher nicht unmittelbar beweiskräftig für die Luftfeuchtigkeit, die in diesem Gebäude geherrscht haben soll. Zu dieser gab die Klägerin gegenüber der Kommission an, dass ihr die Daten für den 29. und den 30. Mai 2006 nicht mehr vorlägen. In der von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gerichteten „Mitarbeiterinfo“ vom 14. Juli 2006 ist für die vorausgegangenen Tage eine Luftfeuchtigkeit von 55 % außerhalb und 50 % innerhalb des Gebäudes G angegeben. Das Vorbringen der Klägerin zur Regelungstechnik der Klimaanlage bzw. zum Nichtfunktionieren der automatischen Abschaltung der Zusatzbefeuchtung in der Klimaanlage ab einer bestimmten Luftfeuchtigkeit vermag ebenso wenig zu überzeugen, da die Klägerin nicht nachweist, dass diese Vorkommnisse im Gebäude G in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 2006 zu einer höheren Luftfeuchtigkeit als 60 % führten. Zum anderen beweist die Klägerin auch nicht, dass eine erhöhte Luftfeuchtigkeit zum Auftreten von „positiven Fehlreaktionen“ führt, da im Institutsgutachten III lediglich eine „erhöhte Empfindlichkeit“ der Sicherheitsfolie für die Luftfeuchtigkeit erwähnt ist.

211    Jedenfalls stehen die Behauptungen der Klägerin in Widerspruch zu den Angaben im Datenblatt, wonach das Produkt bei 90 % Feuchtigkeit und 32 °C 168 Stunden lang beständig ist, was durch die Feststellungen des Gutachters der Kommission bestätigt wird. Folglich ist der dritte Einwand der Klägerin zurückzuweisen.

212    Viertens genügt hinsichtlich des angeblich maßgeblichen Einflusses von Vibrationen als Erklärung für den Zustand des streitigen Siegels die Feststellung, dass die Klägerin nicht beweist, dass Tür und Türrahmen des Raums G.505 Vibrationen ausgesetzt waren. Wie von der Kommission vorgetragen, ist nicht nachprüfbar, unter welchen Bedingungen die von der Klägerin vorgelegten Videoaufnahmen zustande gekommen sind, mit denen gezeigt werden soll, dass Vibrationen auf bestimmten Teilen eines an einer geschlossenen Tür angebrachten Siegels „VOID“-Schriftzüge hervorrufen können, und es ist auch nicht nachprüfbar, ob auf diesen Aufnahmen wirklich die Tür des Raums G.505 zu sehen ist. Zudem zeigen diese Aufnahmen, wie die Kommission hervorhebt, jedenfalls nicht das Auftreten von „positiven Fehlreaktionen“, sondern nur das Auftreten von „VOID“-Schriftzügen im Spaltbereich zwischen Tür und Türrahmen bei Vibrationen, die angeblich durch das heftige Schließen der Tür des Nachbarraums erzeugt wurden, was nicht den Feststellungen im Siegelbruchprotokoll entspricht.

213    Im Übrigen lässt sich der Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 nicht mit dem von der Klägerin hypothetisch vorgetragenen Umstand erklären, dass die Nachbarräume des Raums G.505 für eine Besprechung am Folgetag gebucht gewesen seien und es zu einem Zuschlagen der Tür des benachbarten Raums und damit zu Vibrationen habe kommen können, oder dass Personen, die sich im Raum geirrt hätten, an der Tür des Raums G.505 gerüttelt hätten.

214    Da das streitige Siegel am Abend des 29. Mai 2006 gegen 19.30 Uhr noch unversehrt war (Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung) und das Nachprüfungsteam am folgenden Morgen gegen 8.45 Uhr die Veränderung des streitigen Siegels feststellte (Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung), impliziert die Annahme der Klägerin, dass im Raum G.506, dem einzigen Besprechungsraum neben dem Raum G.505, in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 ein „reges Kommen und Gehen“ geherrscht habe, was nicht bewiesen ist. Insoweit ergibt sich aus dem Büro-Belegungsplan, dass der Raum G.506 am 30. Mai 2006 nur von 10 bis 16 Uhr, also nach Feststellung des Siegelbruchs, belegt war. Die Klägerin hat zwar in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 9. August 2008 angegeben, dass die Tür dieses Raums gegen 5.00 Uhr vom Sicherheitsdienst aufgeschlossen wurde, doch behauptet die Klägerin nicht, dass der Sicherheitsdienst diese Tür heftig zugeschlagen habe, was die behaupteten Vibrationen verursacht habe. Im Übrigen genügt zu dem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Vorbringen der Klägerin, eine Besprechung im Raum G.506 habe die Herbeischaffung von schwerem Material ab 5.00 Uhr morgens erfordert, die Feststellung, dass eine solche Behauptung angesichts der Tatsache, dass der fragliche Raum erst um 7.00 Uhr morgens gereinigt wurde und die Besprechung um 10.00 Uhr begann, nicht glaubhaft ist.

215    Schließlich greift das Vorbringen der Klägerin, Personen, die sich in der Raumnummer geirrt hätten oder noch nicht von der Umbelegung des Raums G.505 informiert worden seien, hätten an der Tür gerüttelt und so das streitige Siegel beschädigt, nicht durch, da die Tür dieses Raums abgeschlossen war und die Klägerin nicht bewiesen hat, dass zwischen einem etwaigen Rütteln an dieser Tür und dem Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 ein Kausalzusammenhang besteht.

216    Selbst wenn die oben in den Randnrn. 212 bis 215 angeführten Umstände erwiesen wären, lag es jedenfalls im Verantwortungsbereich der Klägerin, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um ihre Belegschaft und etwaige in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 im Gebäude G anwesende Besucher über das Vorhandensein des streitigen Siegels und seine Behandlung zu informieren, damit jeglicher Bruch des Siegels vermieden würde. Folglich ist der vierte Einwand der Klägerin zurückzuweisen.

217    Fünftens ist zu dem Einwand, eine Kombination aus der Überschreitung der Lagerdauer des streitigen Siegels, der Einwirkung von Synto, der Luftfeuchtigkeit und den Vibrationen habe eine erhöhte Empfindlichkeit des streitigen Siegels herbeigeführt, festzustellen, dass weder das Vorliegen dieser Umstände, auch einzeln betrachtet, noch ihre Auswirkung auf das streitige Siegel rechtlich hinreichend nachgewiesen worden sind. Im Übrigen macht die Klägerin nicht geltend, dass die Kombination dieser Faktoren zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ führe, sondern nur, dass „eine Vorschädigung der Siegelfolie durch Alterung, durch Synto oder Kombinationen der Vorschädigung durch Alterung und Synto … bei erhöhter Luftfeuchtigkeit zu einer deutlichen Empfindlichkeitssteigerung [führt].“ Dieser Einwand ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

218    Sechstens ist zu dem Vorbringen, die Tür des Raums G.505 sei in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht geöffnet worden, darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie oben in Randnr. 85 festgestellt, nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 die Beweislast für den Siegelbruch trägt. Sie muss jedoch nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde. Dieser Einwand greift daher nicht durch.

219    Aus alledem ergibt sich, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass Umstände vorliegen, durch die der Beweiswert der Beweismittel, auf die die Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung gestützt hat, in Frage gestellt werden kann.

220    Was als Zweites die von der Kommission beanstandeten Mängel der von der Klägerin vorgelegten Gutachten betrifft, sind sie hier unerheblich, da diese Gutachten, wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, nicht beweisen, dass die oben genannten Umstände zu dem am Morgen des 30. Mai 2006 festgestellten Zustand des streitigen Siegels führen konnten.

221    Jedenfalls weisen diese Gutachten, wie die Kommission hervorhebt, tatsächlich mehrere Mängel auf. So wurden erstens die Tests des Instituts nicht anhand von Originalsiegeln der Kommission durchgeführt, sondern anhand von sehr kleinen Proben (4 cm² statt 54 cm²). Der Gutachter der Klägerin hat in diesem Kontext selbst ausgeführt, dass die Widerstandswerte der Siegel nicht beliebig von „Klein auf Groß“ umrechenbar sind. Außerdem wirkt sich die Größe eines Siegels auf die gutachterlichen Ergebnisse aus, was den etwaigen Einfluss von Synto, von Vibrationen und auch von Luftfeuchtigkeit auf die Funktionsfähigkeit des Siegels angeht. Insoweit kann dem Argument der Klägerin, die Kommission habe eine den Verteidigungsrechten der Klägerin genügende Beweisführung verhindert, indem sie es abgelehnt habe, ihr Originalsiegel zu übermitteln, nicht gefolgt werden. Die Klägerin bestreitet nämlich nicht, dass die Kommission ihr die Lieferung von Originalsiegeln unter der Bedingung angeboten hat, dass Bedienstete der Kommission an den Tests teilnehmen. Die Klägerin hat dieses Angebot jedoch abgelehnt (Randnr. 65 der angefochtenen Entscheidung). Insoweit kann auch der Behauptung der Klägerin, es sei wenig wahrscheinlich, dass die Kommission bereit gewesen wäre, für die Dauer der Untersuchungen einen Mitarbeiter abzustellen, nicht gefolgt werden, da eine solche Belastung gegebenenfalls von der Kommission und nicht von der Klägerin zu tragen ist, so dass sich die Klägerin nicht auf sie stützen kann, um zu rechtfertigen, dass keine Originalsiegel getestet wurden.

222    Zweitens hat die Klägerin, da sie ihre Tests nicht anhand von Originalsiegeln im Beisein eines Bediensteten der Kommission durchführen wollte, künstlich gealterte Siegel verwendet. Hierzu wurden die von der Klägerin verwendeten Siegel in einen Klimaschrank gelegt, in dem die Proben 40 Tage lang 60 % relativer Feuchte ausgesetzt wurden, was den im Datenblatt für die Lagerung empfohlenen Wert von 50 % relativer Feuchte übersteigt.

223    Drittens geht aus den Institutsgutachten II und III hervor, dass der Gutachter der Klägerin für die Durchführung seiner Tests oder zumindest einiger seiner Tests die Folienstreifen mit 100 mg Reinigungsmittel tränkte, was einer viel größeren Menge entspricht, als sie gegebenenfalls von der Reinigungskraft verwendet worden wäre, die angegeben hat: „Der Lappen war extrem nass – er war allerdings nicht mit großen Mengen an Putzmittel versehen.“ Sodann kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Institut für seine Versuche nicht Synto verwendete – das von der Reinigungskraft verwendet wurde und das der Kommission für ihre Versuche von der Reinigungsfirma selbst zugesandt worden war –, sondern die Synto-Variante Synto Forte. So ist in dem Institutsgutachten II ausdrücklich angegeben, dass bestimmte Tests mit der Variante Synto Forte durchgeführt worden seien. Zudem ist in den Institutsgutachten II und III angegeben, dass das für die Tests verwendete Produkt 2‑(2‑ButoxyEthoxy)Ethanol enthält, das nicht in Synto, sondern nur in dessen Variante Synto Forte enthalten ist. Es ist unstreitig, dass dieser Inhaltsstoff Synto Forte zu einem viel aggressiveren Reinigungsmittel macht.

224    Als Drittes ist festzustellen, dass die von der Klägerin beanstandeten Mängel der Gutachten von Herrn Kr. das oben in Randnr. 219 dargelegte Ergebnis nicht in Frage stellen können, da zum einen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, den Schluss zuließen, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte (siehe oben, Randnr. 146), und da zum anderen die Klägerin, die für den von ihr angeführten Sachverhalt beweispflichtig ist, die von ihr geltend gemachten Umstände, die den so festgestellten Zustand des streitigen Siegels hervorgerufen haben sollen, nicht bewiesen hat.

225    Jedenfalls sind erstens die Gutachten von Herrn Kr. entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die Annahme gestützt, dass die am Nachmittag des 30. Mai 2006 angefertigten Fotografien den Zustand des streitigen Siegels am Vormittag des 30. Mai 2006 wiedergäben, denn die Verweisung auf die genannten Fotografien, die insbesondere im KR‑Gutachten II enthalten ist, stellt nur einen ergänzenden Hinweis auf den Zustand des streitigen Siegels dar, wie er sich aus den am 30. Mai 2006 aufgenommenen Fotografien ergibt.

226    Zweitens ist zu dem „Versatz der Tür“, der für die Tests von Herrn Kr. zu gering angesetzt worden sei, zunächst darauf hinzuweisen, dass Herr Kr. beim Ortstermin in Anwesenheit der Klägerin mit einem digitalen Messschieber einen maximalen Versatz von 0,53 mm feststellte und dieser Feststellung von der Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Statement of Facts bzw. in den Institutsgutachten II und III nicht widersprochen wurde. Jedenfalls wäre zum einen, wie aus Randnr. 79 hervorgeht, selbst bei einem Versatz von 2 mm die Dehnung des streitigen Siegels sehr gering geblieben. Zum anderen trägt die Klägerin nichts vor, was zu der Annahme berechtigen würde, dass ein größerer Versatz zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ des streitigen Siegels hätte führen können.

227    Drittens ist in Bezug auf die Luftfeuchtigkeit festzustellen, dass die Klägerin nicht beweist, dass die Angaben des Datenblatts, auf die die Kommission ihre Stellungnahme in mehrfacher Hinsicht stützt, im vorliegenden Fall, u. a. wegen des Materials, aus dem die Tür und der Türrahmen des Raums G.505 bestehen, nicht anwendbar seien. Sie weist auch nicht nach, dass sich die Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie durch Luftfeuchtigkeit beim Abziehen von der Schutzfolie erhöht. Schließlich geht aus dem KR-Gutachten II entgegen dem Vortrag der Klägerin hervor, dass sogar eine erhöhte Feuchtigkeit nicht zu einer Beeinträchtigung des streitigen Siegels geführt hätte.

228    Viertens ist in Bezug auf das Fehlen einer „statistischen Absicherung“ der Tests von Herrn Kr. festzustellen, dass die Klägerin für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, so dass das Fehlen einer „statistischen Absicherung, die für eine wissenschaftlich fundierte Aussage unabdingbar ist“, unerheblich ist. Jedenfalls hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die Versuchsanordnung mit pulverlackierten Blechen gegenüber Untersuchungen auf eloxiertem Aluminium besonders konservativ ist.

229    Fünftens ist die Behauptung der Klägerin zurückzuweisen, Herr Kr. habe die Möglichkeit verkannt, dass das streitige Siegel möglicherweise so angebracht worden sei, dass es an dem Spalt zwischen Türblatt und Türrahmen von Raum G.505 unter Spannung gestanden habe, was zu einer stärkeren Übertragung von Kräften auf das Siegel geführt hätte, als in dem KR-Gutachten II angenommen worden sei. Diese Behauptung ist durch nichts belegt. Jedenfalls hat Herr Kr. festgestellt, dass eine Dehnung des Siegels einen hohen Kraftaufwand voraussetze (Randnr. 89 der angefochtenen Entscheidung), was beim Anbringen eines Siegels mit den Händen ausgeschlossen sei.

230    Sechstens kann das angebliche Fehlen von „Knibbelecken“ an dem streitigen Siegel nicht beweisen, dass dieses in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht entfernt worden ist. „Knibbelecken“ sind kein Merkmal eines Siegelbruchs. Zudem führt ein manuelles Ablösen nicht zwangsläufig zu „Knibbelecken“, da ein Siegel vorsichtig abgezogen und auch ausgehend von dem Spalt zwischen Tür und Türrahmen, auf die es aufgeklebt ist, abgelöst werden kann. Dieser Einwand ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

231    Siebtens ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus dem KR‑Gutachten II, dass in dessen Rahmen das kombinierte Einwirken der von der Klägerin angeführten Umstände tatsächlich geprüft worden ist. Auch dieser Einwand greift folglich nicht durch.

232    Was als Viertes die angebliche Möglichkeit positiver Fehlreaktion betrifft, die sich aus den Ausführungen der Kommission in den Randnrn. 7, 74 und 75 der angefochtenen Entscheidung ergeben soll, so braucht angesichts des Ergebnisses in Randnr. 219 des vorliegenden Urteils darüber nicht entschieden zu werden.

233    Jedenfalls ist dieses Vorbringen, wie oben in Randnr. 146 ausgeführt, zurückzuweisen, da sich die Kommission die Angaben der Klägerin in Nr. 2 ihrer Ergänzenden Erklärung vom 30. Mai 2006 (siehe oben, Randnr. 12) nicht zu eigen gemacht hat und überdies die bloße Behauptung der Klägerin, „der Schriftzug ‚VOID‘ am Türrahmen [war] völlig unverwischt“, für sich allein nicht das Vorliegen einer „positiven Fehlreaktion“ des streitigen Siegels belegen kann.

234    Folglich ist der sechste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung

 Vorbringen der Parteien

235    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe im Verwaltungsverfahren die Unschuldsvermutung nicht „hinreichend beachtet“. Am 16. Oktober 2007 habe die Kommission Herrn Kr. beauftragt, zu den Institutsgutachten II und III Stellung zu nehmen. Die Fragen der Kommission an Herrn Kr. zur Vorbereitung des KR‑Gutachtens II hätten großteils „suggestiven Charakter“, wodurch die Kommission gegen ihre Verpflichtung zu unvoreingenommenen, neutralen Ermittlungen verstoßen, die Unschuldsvermutung missachtet und das „Recht auf ein faires Verfahren“ verletzt habe.

236    Da die Kommission nicht neutral ermittelt habe, wie es der Grundsatz der Unschuldsvermutung erfordere, könne dahinstehen, ob ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Neutralität des Gutachters bestünden (Randnr. 37 der angefochtenen Entscheidung), da der Vorwurf der Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung nicht gegen den Sachverständigen der Kommission, sondern gegen die Kommission selbst gerichtet sei. Allein die Tatsache, dass ernsthafte Zweifel an der Neutralität der Kommission bestünden, reiche nämlich für einen Verstoß gegen die in der Unschuldsvermutung wurzelnde Pflicht zur Unparteilichkeit aus. Im Übrigen könne das Verhalten des Sachverständigen, d. h. die Umformulierung der Fragen, die Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung durch die Kommission nicht aufwiegen.

237    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

238    Der u. a. in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung gehört zu den Grundrechten, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 47 der Charta bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

239    Der Grundsatz der Unschuldsvermutung bedeutet, dass jede beschuldigte Person bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt (Urteil vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, Slg. 2005, II‑4065, Randnr. 106).

240    Im vorliegenden Fall sieht die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung darin, dass die Kommission Herrn Kr. mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 einen Fragebogen übersandt habe, dessen Fragen „suggestiven Charakter“ hätten.

241    Die in diesem Schreiben Herrn Kr. gestellten Fragen lauten wie folgt (vgl. auch Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung):

„1.      Bitte nehmen Sie Stellung zu den Methoden, Analysen und Schlussfolgerungen der [Instituts-]Gutachten, die der Kommission mit Schreiben vom 6.6.2007 und 1.10.2007 übersandt wurden. Erläutern Sie in Ihrer Stellungnahme insbesondere die Gründe, warum die genannten [Instituts‑]Gutachten Ihr eigenes Gutachten vom 8.5.2007 zur Funktionsfähigkeit der Kommissionssiegel im Hinblick auf Methoden, Analysen und Schlussfolgerungen nicht in Frage stellen. Sollten Sie zur Bestätigung/Untermauerung Ihrer bisherigen Aussagen weitere Versuche für notwendig erachten, beschreiben Sie diese kurz.

2.      Bitte beantworten Sie die vorgenannte Frage auch im Hinblick auf Argumente/Faktoren, die EON – über die [Instituts-]Gutachten hinaus – im Schriftsatz vom 6.7.2007 vorgebracht hat (z. B. fehlende statistische Relevanz Ihrer Tests).

3.      Bitte bestätigen Sie, dass die Kombination der von EON (bzw. [vom Institut]) vorgebrachten Faktoren/Argumente (u. a. fehlende Vorreinigung des Untergrunds, Abwischen des Siegels mit dem Putzmittel Synto, Rütteln an der Tür, Luftfeuchtigkeit, vermeintliche Überlagerung der Siegel) nicht zu einem positiven Fehlverhalten der Siegel (‚false positive‘) führen kann, ohne dass das Siegel von der Oberfläche abgelöst wurde. Bitte bestätigen Sie ebenfalls, dass die Kombination der vorgebrachten Faktoren/Argumente die übrigen von der Kommission am Morgen des 30.5.2006 beobachteten Umstände (Klebstoffreste um den Siegelrand und auf der Siegelunterseite) nicht zu erklären vermag. Sollten Sie zur Bestätigung/Untermauerung dieser Aussagen weitere Versuche für notwendig erachten, beschreiben Sie diese kurz.“

242    Die Prüfung des vierten Klagegrundes hat ergeben, dass die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, angesichts der „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels und der Klebstoffreste daneben und auf dessen Rückseite am Morgen des 30. Mai 2006 den Schluss zuließen, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und dass diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte. In diesem Kontext hatte das betroffene Unternehmen, wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass zum einen die von ihm angeführten Umstände vorliegen und dass zum anderen durch sie der Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage gestellt wird.

243    In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass, wie die Kommission ausführt, mit dem KR-Gutachten II nachgeprüft werden sollte, ob die Schlussfolgerungen des KR-Gutachtens I durch die Institutsgutachten II und III in Frage gestellt werden. Im KR-Gutachten I hatte der Gutachter der Kommission nämlich ausgeführt, dass ein im Institutsgutachten I postuliertes „Kriechen“ des Originalsiegels unabhängig von Alter, Anbringung und Abziehgeschwindigkeit des Siegels und auch nach vorheriger Reinigung mit Synto und nachfolgender Einwirkung von Scher- und Schälkräften als Ursache für eine „positive Fehlreaktion“ nicht in Betracht komme.

244    So sollte mit dem Fragebogen der Kommission angesichts der Aussage im KR-Gutachten I geklärt werden, ob diese Aussage durch die Institutsgutachten II und III in Frage gestellt wird. Die Kommission hat im Übrigen klargestellt – insoweit unwidersprochen seitens der Klägerin –, dass sich die Formulierung dieser Fragen auch aus ihrem Kontext ergeben habe, nämlich daraus, dass Herr Kr. zu den Feststellungen in den Institutsgutachten II und III bereits mündlich Bemerkungen abgegeben und gesagt habe, dass er keinen Grund sehe, an den Ergebnissen im KR-Gutachten I zu zweifeln.

245    Wie schließlich die Kommission in Randnr. 37 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ergibt sich aus der eigenen Formulierung dieser Fragen durch Herrn Kr. im KR-Gutachten II, dass er die Fragen als ergebnisoffen verstanden hat, denn sie sind wie folgt umformuliert: „Stellen die [Instituts-]Ergebnisberichte … die Schlussfolgerungen des letzten Gutachtens in Frage?“; „Stellen die [vom Anwalt der Klägerin] vorgebrachten Argumente die Schlussfolgerungen des letzten Gutachtens in Frage?“; „Kann ggf. eine Kombination der vorgebrachten Faktoren/Argumente zu einem positiven Fehlverhalten führen und die Umstände, unter denen das Siegel aufgefunden wurde, erklären?“

246    Aus alledem folgt, dass die Kommission durch die Formulierung der Fragen in ihrem Schreiben vom 16. Oktober 2007 an Herrn Kr. nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen hat.

247    Der siebte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003

 Vorbringen der Parteien

248    Die Klägerin trägt vor, die Kommission werfe ihr in der angefochtenen Entscheidung einen fahrlässigen Siegelbruch vor, ohne deutlich zu machen, worin sie die fahrlässige Handlung erkenne.

249    Erstens richte sich Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ausschließlich an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die durch ihre Angestellten oder sonstigen Vertreter, deren Verhalten ihnen daher zugerechnet werden könne, handelten. Die Klägerin rügt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission (100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97), die Kommission nehme in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht an, dass der Klägerin Verhaltensweisen Dritter zurechenbar seien. Kein Mitarbeiter oder Beauftragter der Klägerin habe die Tür des Raums G.505 geöffnet, was aus den von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen folge. In diesem Kontext stelle die angebliche Öffnung der Tür bzw. jede andere Ablösung des Siegels eine „Überschreitung der Befugnisse der handelnden Personen“ dar, die ihr nicht zugerechnet werden könne. Ob die Reinigungsfirma auf die Existenz des Siegels hingewiesen worden sei, sei unerheblich, da diese nicht über einen Schlüssel zum Raum G.505 verfügt habe. Der Zweck des Siegels, nämlich die Sicherung des nachzuprüfenden Aktenmaterials, habe insoweit nur durch die Schlüsselinhaber gefährdet werden können, so dass eine Benachrichtigung der Reinigungsfirma von der Existenz des Siegels nicht erforderlich gewesen sei.

250    Zweitens gehe der Fahrlässigkeitsvorwurf der Kommission fehl. Fahrlässigkeit liege nur dann vor, wenn die betreffende Person hätte erkennen können und müssen, dass sie den Tatbestand verwirkliche. Die Kommission stütze sich allein auf behauptete Veränderungen eines überalterten und unsachgemäß verwendeten Siegels.

251    Entgegen der Behauptung der Kommission (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung) habe die Bedienstete der Reinigungsfirma nicht wissen können, dass das bloße Überwischen des Siegels mit einem mit branchenüblichem Reinigungsmittel befeuchteten Tuch zur Ausbildung von Merkmalen führen könnte, die denen eines Siegelbruchs glichen. Der Klägerin könne auch nicht vorgeworfen werden, solchen Eingriffen nicht vorgebeugt zu haben (Fn. 176 der angefochtenen Entscheidung). Auf dem Siegel habe sich kein Hinweis auf eine Anfälligkeit gegen eine oberflächliche Reinigung befunden, und sie sei auf eine solche Anfälligkeit weder bei der Anbringung des Siegels noch im Versiegelungsprotokoll hingewiesen worden. Sie könne nur dafür verantwortlich gemacht werden, dass die versiegelte Tür nicht unbefugt geöffnet werde. Selbst die Mitglieder des Nachprüfungsteams hätten offensichtlich keine Kenntnis von der Funktionsweise des streitigen Siegels gehabt.

252    Darüber hinaus dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass die Kommission sie nicht auf die Überschreitung der maximalen Lagerdauer des Siegels hingewiesen habe. Bei einer Überschreitung der maximalen Lagerdauer eines Siegels könnten Fehlfunktionen des Siegels nicht ausgeschlossen werden. Nach deutschem Recht stelle die bloße Überschreitung des Haltbarkeitsdatums einen Fehler der Sache dar. Im Licht der abgelaufenen maximalen Lagerdauer und in Anbetracht einer möglichen Geldbuße hätte die Kommission die Klägerin auf diesen Umstand jedenfalls hinweisen müssen.

253    Die Kommission bestreitet das Vorbringen der Klägerin.

 Würdigung durch das Gericht

254    Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt: „Außer in Fällen der Einwirkung von Naturgewalt ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich das Siegel nur durch eine vorsätzliche Handlung ablösen lässt. Hierfür spricht auch, dass das Siegel nach dem Entfernen augenscheinlich wieder in einer Art und Weise angebracht wurde, die den Siegelbruch verschleiern sollte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich im Gebäude lediglich von [der Klägerin] autorisierte Personen (darunter Mitarbeiter der [Reinigungsfirma], einer 100%igen Tochtergesellschaft der [Klägerin]) aufhielten“ (Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung). „Mindestens ist ein fahrlässiger Siegelbruch anzunehmen. Hierbei ist zu bedenken, dass Vertreter [der Klägerin] beim Anbringen des Siegels durch den Leiter des Nachprüfungsteams über die Bedeutung des Siegels und die Konsequenzen eines Siegelbruchs belehrt wurden … Der Hinweis darauf findet sich auch auf dem Siegel selbst“ (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung). Somit ging die Kommission aufgrund der Art der Veränderung des Siegelzustands und angesichts der in Randnr. 9 der angefochtenen Entscheidung und im Siegelbruchprotokoll genannten Umstände davon aus, dass ein vorsätzlicher oder zumindest fahrlässiger Siegelbruch vorliege.

255    Mit dem vorliegenden Klagegrund rügt die Klägerin im Wesentlichen, die Kommission nehme in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht an, dass der Klägerin Verhaltensweisen Dritter zurechenbar seien, und macht geltend, im vorliegenden Fall könne von Fahrlässigkeit keine Rede sein, da die Mitarbeiterin der Reinigungsfirma nicht habe wissen können, dass sie den Tatbestand des Siegelbruchs verwirkliche.

256    Erstens ist bereits festgestellt worden, dass die Kommission nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen festsetzen kann, wenn „vorsätzlich oder fahrlässig“ von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen angebrachte Siegel erbrochen worden sind. Wie bei der Prüfung des zweiten Klagegrundes festgestellt, muss die Kommission nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde. Das Vorbringen der Klägerin, die Tür des Raums G.505 sei nicht von Schlüsselinhabern geöffnet worden, was aus deren eidesstattlichen Versicherungen folge, und auch nicht von der Mitarbeiterin der Reinigungsfirma, da diese keinen Schlüssel zu diesem Raum gehabt habe, ist daher unerheblich.

257    Zweitens ist zu dem Vorbringen der Klägerin, kein Mitarbeiter oder Beauftragter der Klägerin habe die Tür des Raums G.505 geöffnet, was aus den eidesstattlichen Versicherungen der Schlüsselinhaber folge, und jede Ablösung des Siegels stelle eine Überschreitung der Befugnisse dieser Personen dar, festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass sich im Gebäude G lediglich von der Klägerin autorisierte Personen (darunter Mitarbeiter der Reinigungsfirma, einer 100%igen Tochtergesellschaft der Klägerin) aufgehalten hätten. Zudem hat die Kommission in Randnr. 103 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es könne ausgeschlossen werden, dass sich in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 Unbefugte Zutritt zu dem Gebäude verschafft hätten, und die Klägerin habe ein unbefugtes Betreten des Gebäudes durch Dritte auch nicht behauptet.

258    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin diesen Behauptungen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht widersprochen hat. Zudem sind Mitarbeiter oder Beauftragte der Klägerin als Personen anzusehen, die für sie und unter ihrer Leitung Arbeiten verrichten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 539). In diesem Zusammenhang ist das von der Klägerin auf das Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission (oben in Randnr. 249 angeführt) gestützte Vorbringen zurückzuweisen, nur die Schlüsselinhaber seien Mitarbeiter oder Beauftragte. Wie von der Kommission hervorgehoben, setzt nämlich ihre Befugnis, ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, mit einer Sanktion zu belegen, nur die rechtswidrige Handlung einer Person voraus, die im Allgemeinen berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 277 und die dort angeführte Rechtsprechung).

259    Drittens beruht das Vorbringen, die Bedienstete der Reinigungsfirma habe nicht wissen können, dass das Überwischen des Siegels mit einem mit üblichem Reinigungsmittel befeuchteten Tuch zur Ausbildung von Merkmalen habe führen können, die denen eines Siegelbruchs glichen, auf der falschen Prämisse, dass erwiesen sei, dass der Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 dem angeblich von dieser Bediensteten verwendeten Reinigungsmittel zuzuschreiben sei.

260    Jedenfalls ist festzustellen, dass es, selbst wenn der Zustand des streitigen Siegels von dieser Bediensteten mit einem Lappen und Reinigungsmittel verändert worden sein könnte (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung), Sache der Klägerin war, durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen, dass es zu keiner Einwirkung auf das streitige Siegel kommt, zumal sie über dessen Bedeutung und die Konsequenzen eines Siegelbruchs deutlich belehrt worden war (Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung).

261    Viertens sind die Rüge der Klägerin, die Kommission stütze sich allein auf behauptete Veränderungen eines überalterten und unsachgemäß verwendeten Siegels, und ihre auf die maximale Lagerdauer des streitigen Siegels gestützte Rüge bereits bei der Prüfung des sechsten Klagegrundes zurückgewiesen worden.

262    Nach alledem hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall zumindest ein fahrlässiger Siegelbruch gegeben sei.

263    Folglich ist der Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 253 EG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße

 Vorbringen der Klägerin

264    Die Klägerin macht hilfsweise geltend, dass keine Geldbuße zu verhängen sei, und weiter hilfsweise, dass die Geldbuße herabzusetzen sei.

265    Als Erstes rügt sie, die Geldbuße verstoße gegen das „Willkürverbot“ und gegen Art. 253 EG. Die Kommission habe nämlich in der angefochtenen Entscheidung nicht deutlich gemacht, nach welchen Kriterien sie die verhängte Geldbuße bemessen habe, so dass die Verhängung einer Geldbuße von 38 Millionen Euro unverständlich sei, da die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), selbst bei schweren Verstößen einen Grundbetrag von nur 20 Millionen Euro vorsähen. Angesichts der unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung habe die Klägerin ihre Verteidigungsrechte nicht wahrnehmen können.

266    Erstens habe sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 104 ff.) darauf beschränkt, einige Umstände aufzulisten, die entweder auf jeden Siegelbruch zuträfen oder pauschal erschwerende oder mildernde Umstände darstellten, ohne den Grundbetrag oder den Umfang der Erschwerungen oder Abmilderungen, weder in absoluten Zahlen noch in Prozentwerten, zu beziffern. Die Kommission habe es daher unter Verstoß gegen Art. 253 EG bezüglich eines wesentlichen Aspektes der angefochtenen Entscheidung versäumt, die maßgeblichen Beurteilungsgesichtspunkte anzugeben.

267    Zweitens erwecke die angefochtene Entscheidung den Eindruck, dass die Kommission von einem vorsätzlichen Verstoß ausgegangen sei, während sie in den relevanten Passagen der angefochtenen Entscheidung einen „zumindest fahrlässigen“ Verstoß angenommen habe (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung).

268    Als Zweites rügt sie, die angeführten erschwerenden Gründe träfen tatsächlich nicht zu, gälten für jeden Fall eines Siegelbruchs und erschöpften sich in abstrakt-generellen Anmerkungen, die keinen Bezug zum konkreten Fall aufwiesen (vgl. Randnrn. 105 bis 108 der angefochtenen Entscheidung). Im vorliegenden Fall sei nach Ausmaß und Auswirkung des Siegelbruchs zu differenzieren. Die Kommission nehme jedoch zur konkreten Art und Weise der Verwirklichung des Siegelbruchs nicht Stellung. Die anderen in der angeführten Entscheidung angeführten Gründe, nämlich erstens die Verschärfung der Sanktionen für Siegelbrüche durch die Verordnung Nr. 1/2003 im Vergleich zur vorherigen Regelung, zweitens der Umstand, dass es sich um eine Nachprüfung in einer Wettbewerbssache gehandelt habe, drittens der Umstand, dass die Dokumente, die sich im Raum G.505 befunden hätten, nicht kopiert oder aufgelistet worden seien, viertens die Größe der Klägerin und fünftens die Unterlassung von Maßnahmen zur Sicherung des Siegels, seien für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes nicht relevant.

269    Als Drittes rügt sie, die Kommission habe mehrere für die Klägerin sprechende mildernde Umstände nicht hinreichend berücksichtigt, die eine wesentliche Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätten.

270    Erstens sei ein fahrlässiger Siegelbruch mit einer niedrigeren Geldbuße als ein vorsätzlicher Siegelbruch zu ahnden. Im vorliegenden Fall sei der Siegelbruch außerdem die Folge des Zusammentreffens mehr oder weniger zufälliger Umstände.

271    Zweitens hätten die Mitglieder des Nachprüfungsteams die Klägerin nicht über die besondere Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie informiert, was zum vermeintlich fahrlässigen Verhalten der Klägerin, nämlich dem Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen, beigetragen habe.

272    Drittens habe nicht festgestellt werden können, ob sichergestellte Unterlagen aus dem Raum G.505 entfernt worden seien.

273    Viertens habe die Klägerin entgegen den Ausführungen in Randnr. 112 der angefochtenen Entscheidung überverpflichtungsgemäß mit der Kommission zusammengearbeitet, insbesondere durch die Übermittlung kostspieliger Gutachten.

274    Als Viertes rügt sie, der bloße Verweis auf den prozentualen Anteil der festgesetzten Geldbuße an ihrem Gesamtumsatz genüge nicht, um eine Rechtsverletzung bei der Festsetzung der Geldbuße auszuschließen. Die Höhe der Geldbuße stehe außer Verhältnis zum Tatvorwurf, zumal im vorliegenden Fall Zweifel am tatsächlichen Vorliegen eines der Klägerin zurechenbaren Siegelbruchs bestünden. Auch sei kein abschreckender Effekt der Geldbuße erforderlich. Darüber hinaus habe die niederländische Wettbewerbsbehörde (im Folgenden: NMa) in entsprechender Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jüngst einen Siegelbruch mit einer Geldbuße von 269 000 Euro bzw. 0,0028 % des Gesamtumsatzes des fraglichen Unternehmens belegt, obwohl die Wet houdende nieuwe regels omtrent de economische mededinging (Mededingingswet) (niederländisches Gesetz mit neuen Vorschriften über den wirtschaftlichen Wettbewerb [Wettbewerbsgesetz]) (Stb. 1997, Nr. 242) in der geänderten Fassung einen Bußgeldrahmen von bis zu 1 % des weltweiten Gesamtumsatzes eröffnet habe (Art. 70b Abs. 1 der Mededingingswet).

275    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

276    Als Erstes rügt die Klägerin, die angefochtene Entscheidung sei unzureichend begründet, da die Kommission nicht deutlich gemacht habe, nach welchen Kriterien sie die verhängte Geldbuße bemessen habe. Durch diese unzureichende Begründung sei die Klägerin in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt.

277    Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

278    Vorliegend hat die Kommission zu den Kriterien, auf die sie bei der Bemessung der Geldbuße abgestellt hat, ausgeführt, dass sich die Höhe der Geldbuße insbesondere nach der Schwere des Verstoßes sowie den besonderen Umständen des Falles richte (Randnrn. 104 und 113 der angefochtenen Entscheidung).

279    Erstens sei unabhängig vom konkreten Fall davon auszugehen, dass ein Siegelbruch grundsätzlich schwerwiegend sei und dass eine Geldbuße wegen Siegelbruchs eine abschreckende Wirkung haben müsse (Randnr. 105 der angefochtenen Entscheidung), weshalb es sich für ein Unternehmen, bei dem eine Nachprüfung durchgeführt werde, nicht lohnen dürfe, ein Siegel zu erbrechen.

280    Zweitens würden Nachprüfungen im Regelfall nur angeordnet, wenn es Anzeichen für Wettbewerbsverstöße gebe, was vorliegend der Fall gewesen sei. Insoweit sollte die Nachprüfung in den Räumlichkeiten der Klägerin es der Kommission ermöglichen, Anzeichen für Wettbewerbsverstöße nachzugehen; zudem hätten sich in dem versiegelten Raum am ersten Tag gefundene, noch nicht aufgelistete Dokumente befunden (Randnrn. 107 und 108 der angefochtenen Entscheidung).

281    Drittens habe sie bei der Bemessung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße den Umstand berücksichtigt, dass es sich um den ersten Anwendungsfall von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 handele, was allerdings nicht dazu führen könne, dass es bei einer Geldbuße bleibe, die nicht die abschreckende Wirkung dieser Bestimmung sichern könnte (Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung).

282    Viertens hat sie darauf hingewiesen, dass die Bußgeldvorschriften für die Verletzung von Verfahrensvorschriften bereits drei Jahre vor den Inspektionen durch die Verordnung Nr. 1/2003 verschärft worden seien, dass wenige Wochen zuvor in Gebäuden desselben Konzerns bereits Versiegelungen erfolgt seien, dass die Klägerin eines der größten Energieunternehmen in Europa sei, das über umfangreiche kartellrechtliche Sachkunde verfüge, und dass die Klägerin bei der Versiegelung auf den erheblichen Bußgeldrahmen im Falle eines Siegelbruchs hingewiesen worden sei (Randnr. 110 der angefochtenen Entscheidung).

283    Sodann wies die Kommission das Vorbringen der Klägerin zur Wertung als mildernde Umstände zurück, dass die Kommission keinen spezifischen Beweis dafür erbracht habe, dass die Tür zum Raum G.505 tatsächlich geöffnet worden sei bzw. Dokumente entwendet worden seien oder dass die Klägerin mit der Kommission über das geschuldete Maß hinaus kooperiert habe (Randnrn. 111 und 112 der angefochtenen Entscheidung).

284    Da die Kommission zu Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 keine Leitlinien mit einer Berechnungsmethode erlassen hat, an die sie bei der Festsetzung von Geldbußen nach dieser Bestimmung gebunden wäre, und ihre Überlegungen in der angefochtenen Entscheidung klar und eindeutig zum Ausdruck kommen, brauchte sie entgegen der Auffassung der Klägerin den Grundbetrag oder den Umfang der Erschwerungen oder Abmilderungen weder in absoluten Zahlen noch in Prozentwerten zu beziffern. Folglich ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG zurückzuweisen. Die von der Klägerin erhobene Rüge einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte aufgrund der angeblich unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls zurückzuweisen.

285    Als Zweites rügt die Klägerin, die gegen sie festgesetzte Geldbuße sei unverhältnismäßig.

286    Insoweit ist zu beachten, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Randnr. 96, und Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 223).

287    Demnach müssen die Geldbußen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen, d. h. zur Beachtung der Wettbewerbsregeln, stehen, und die Geldbuße, die gegen ein Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs verhängt wird, muss in angemessenem Verhältnis zu der Zuwiderhandlung als Ganzes unter Berücksichtigung u. a. ihrer Schwere stehen (Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 286 angeführt, Randnr. 224). Dabei ist die Schwere einer Zuwiderhandlung nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren zu bestimmen, hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 43; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 240 bis 242).

288    Erstens hat die Kommission in den Randnrn. 105 bis 108 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Gründe dargelegt, aus denen die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs als solche eine besonders schwere Zuwiderhandlung ist, und hauptsächlich die Zielsetzung von Versiegelungen genannt, die darin besteht, zu verhindern, dass während der Nachprüfung Beweismittel verloren gehen, sowie das Erfordernis, dass die verhängte Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung haben muss. Insoweit ist außerdem hervorzuheben, dass der Gesetzgeber zum einen für die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs in der Verordnung Nr. 1/2003 schärfere Sanktionen als nach der alten Regelung vorgesehen hat, um der besonders schwerwiegenden Natur dieser Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen. Zum anderen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen das Erfordernis berücksichtigen darf, deren hinreichende Abschreckungswirkung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 249 angeführt, Randnr. 108); dem kommt für die Zuwiderhandlung eines Siegelbruchs noch größere Bedeutung zu, damit Unternehmen es nicht als für sie lohnend ansehen können, bei einer Nachprüfung ein Siegel zu erbrechen (Randnr. 105 der angefochtenen Entscheidung). Angesichts der vorstehenden Erwägungen hat die Kommission, anders als die Klägerin meint, keine erschwerenden Umstände zu ihren Lasten berücksichtigt, sondern die Umstände genannt, die die Festsetzung einer hinreichend abschreckenden Geldbuße für Zuwiderhandlungen des Siegelbruchs generell rechtfertigen.

289    Was zweitens die angeblich nicht ausreichende Berücksichtigung von mildernden Umständen angeht, ist zum Ersten das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, der fahrlässig begangene Siegelbruch sei für das betroffene Unternehmen ein mildernder Umstand. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht von einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung ausgegangen ist, da sie es im vorliegenden Fall für erforderlich hielt, einzuräumen, dass es sich „mindestens“ um einen fahrlässigen Siegelbruch gehandelt habe (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung). Ferner kann die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Wie von der Kommission hervorgehoben, lässt bereits das bloße Erbrechen des Siegels dessen Sicherungswirkung entfallen und reicht daher für eine Zuwiderhandlung aus.

290    Zum Zweiten ist hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die Kommission hätte sie über die besondere Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie informieren müssen, festzustellen, dass, wie sich aus der Prüfung des fünften und des sechsten Klagegrundes ergibt, eine solche Empfindlichkeit nicht nachgewiesen worden, was die amtlichen Siegel der Kommission betrifft. Jedenfalls hat die Klägerin nicht dargetan, dass diese Empfindlichkeit „positive Fehlreaktionen“ des Siegels zur Folge haben könne. Zudem war es, wie sich aus der Prüfung des achten Klagegrundes ergibt, Sache der Klägerin, durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen, dass es zu keiner Einwirkung auf das streitige Siegel kommt.

291    Zum Dritten ist der Einwand unerheblich, dass nicht habe festgestellt werden können, ob sichergestellte Unterlagen aus dem Raum G.505 entfernt worden seien, da eine Versiegelung gerade dazu dient, jegliche Einwirkung auf in dem versiegelten Raum abgelegte Unterlagen in Abwesenheit der Nachprüfungsteams der Kommission zu verhindern. Im vorliegenden Fall waren die in dem Raum G.505 abgelegten Unterlagen, wie von der Kommission in den Randnrn. 11 und 111 der angefochtenen Entscheidung angegeben, insbesondere wegen ihrer großen Zahl nicht aufgelistet. Das Nachprüfungsteam konnte daher nicht nachprüfen, ob in diesem Raum abgelegte Unterlagen fehlten.

292    Zum Vierten können die behaupteten kostspieligen Aufwendungen der Klägerin für die Institutsgutachten bzw. die Befragungen der Mitarbeiter und Schlüsselinhaber nicht als überpflichtgemäße Aufklärung des Sachverhalts angesehen werden, die eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen würde, da diese Aufwendungen im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte der Klägerin erfolgten und die Ermittlungen der Kommission nicht erleichterten.

293    Drittens hat die Kommission jedenfalls den Umstand berücksichtigt, dass der in Rede stehende Siegelbruch der erste Anwendungsfall von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 ist (Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung), jedoch ausgeführt, dass, unabhängig von diesem Umstand, zum Ersten die Klägerin über umfangreiche kartellrechtliche Sachkunde verfügt, zum Zweiten die Änderung der Verordnung Nr. 1/2003 mehr als drei Jahre vor den Nachprüfungen erfolgt war, zum Dritten die Klägerin über die Konsequenzen eines Siegelbruchs informiert war, und zum Vierten einige Wochen vorher in Gebäuden anderer Unternehmen des Konzerns der Klägerin bereits Versiegelungen erfolgt waren.

294    Viertens kann eine Geldbuße von 38 Millionen Euro entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als gegenüber der Zuwiderhandlung unverhältnismäßig angesehen werden in Anbetracht dessen, dass ein Siegelbruch eine besonders schwerwiegende Zuwiderhandlung ist, und angesichts der Größe der Klägerin und des Erfordernisses, eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße zu gewährleisten, damit sich der Bruch eines von der Kommission im Rahmen einer Nachprüfung angebrachten Siegels für ein Unternehmen nicht lohnen kann.

295    Dem auf die Entscheidungspraxis der niederländischen NMa gestützten Vorbringen ist in diesem Zusammenhang nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass die Kommission jedenfalls nicht an die Entscheidungspraxis nationaler Wettbewerbsbehörden gebunden sein kann, ist festzustellen, dass der von der Klägerin gezogene Vergleich zwischen dem Prozentsatz der von der NMa verhängten Geldbuße vom Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens und dem Prozentsatz der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße von deren Umsatz unerheblich ist, da für diesen Vergleich bei der niederländischen Zuwiderhandlung auf den Umsatz des betroffenen Konzerns abgestellt wird, während im vorliegenden Fall lediglich der Umsatz der Klägerin und nicht der des gesamten E.ON-Konzerns herangezogen wird.

296    Aus alledem ergibt sich, dass die von der Kommission gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße, die etwa 0,14 % ihres Umsatzes entspricht, nicht unverhältnismäßig ist.

297    Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen, und die Klage ist in ihrer Gesamtheit abzuweisen, ohne dass den Anträgen der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen zu entsprechen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, Slg. 2007, I‑10005, Randnrn. 77 bis 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Kosten

298    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

299    Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die E.ON Energie AG trägt die Kosten.

Martins Ribeiro

Papasavvas

Wahl

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Dezember 2010.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Vorbringen der Parteien

Entscheidungsgründe

Zum ersten Klagegrund: Verkennung der Beweislast

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den „Untersuchungsgrundsatz“

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund: unzutreffende Annahme ordnungsgemäßer Siegelanbringung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum vierten Klagegrund: unzutreffende Annahme eines „auffälligen Zustands“ des streitigen Siegels am Tag nach der Nachprüfung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum fünften Klagegrund: unzutreffende Annahme der Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen durch die Kommission

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum sechsten Klagegrund: Verkennung „alternativer Geschehensabläufe“ durch die Kommission, die den Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 253 EG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße

Vorbringen der Klägerin

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.