Language of document : ECLI:EU:T:2012:596

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

14. November 2012(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nichtigkeitsklage – Während einer Nachprüfung vorgenommene Handlungen – Zwischenmaßnahmen – Unzulässigkeit – Entscheidung, mit der eine Nachprüfung angeordnet wird – Begründungspflicht – Schutz des Privatlebens – Hinreichend ernsthafte Indizien – Gerichtliche Kontrolle“

In der Rechtssache T‑135/09

Nexans France SAS mit Sitz in Paris (Frankreich),

Nexans SA mit Sitz in Paris,

Prozessbevollmächtigte: M. Powell, Solicitor, Rechtsanwalt J.-P. Tran Thiet und G. Forwood, Barrister,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, Prozessbevollmächtigte: zunächst X. Lewis und N. von Lingen, dann N. von Lingen und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erstens wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 92/1 der Kommission vom 9. Januar 2009, mit der gegenüber der Nexans SA und ihrer Tochtergesellschaft Nexans France SAS angeordnet wurde, eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) zu dulden (Sache COMP/39.610), zweitens wegen Erklärung der während dieser Nachprüfung getroffenen Entscheidung der Kommission, den Inhalt bestimmter Dateien vollständig zu kopieren, um sie in ihren Räumlichkeiten durchzusehen, für rechtswidrig, drittens wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, einen Angestellten von Nexans France im Rahmen der Nachprüfung zu befragen, und viertens wegen Anordnung bestimmter Maßnahmen gegenüber der Kommission,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, der Richterin M. E. Martins Ribeiro und des Richters H. Kanninen (Berichterstatter),

Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2011

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Klägerinnen, die Nexans SA und ihre 100%ige Tochtergesellschaft Nexans France SAS, sind zwei französische Unternehmen, die in der Stromkabelindustrie tätig sind.

2        Mit Entscheidung K(2009) 92/1 vom 9. Januar 2009 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegenüber Nexans und allen von ihr unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen, einschließlich Nexans France, angeordnet, eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) zu dulden (im Folgenden: Nachprüfungsentscheidung).

3        Art. 1 der Nachprüfungsentscheidung bestimmt:

„Nexans … sowie alle von ihr (ihnen) unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen, einschließlich Nexans France, … wird (werden) durch die vorliegende Entscheidung verpflichtet, eine Nachprüfung zu [ihrer] etwaigen Beteiligung an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die gegen Art. 81 [EG] … verstoßen, mit der Lieferung von Stromkabeln und dazugehörigem Material einschließlich u. a. unterseeischer Hochspannungskabel und in bestimmten Fällen unterirdischer Hochspannungskabel zusammenhängen und das Einreichen abgestimmter Angebote für öffentliche Ausschreibungen, die Zuteilung von Abnehmern sowie den unzulässigen Austausch sensibler Geschäftsinformationen zur Lieferung dieser Produkte umfassen, zu dulden.

Die Nachprüfung kann an allen Orten, die vom Unternehmen kontrolliert werden, stattfinden …

Nexans … sowie alle von ihr (ihnen) unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen, einschließlich Nexans France, … autorisiert die Beamten und sonstigen Personen, die von der Kommission mit der Durchführung einer Nachprüfung beauftragt wurden, und die Beamten und sonstigen Personen, die von der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats zu ihrer Unterstützung beauftragt wurden oder vom Mitgliedstaat für diesen Zweck ernannt wurden, sich während der normalen Bürozeiten Zugang zu allen ihren Geschäftsräumen und Transportmitteln zu verschaffen. Das Unternehmen duldet die Nachprüfung der Bücher und jeglicher sonstiger Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, wenn die Beamten und sonstigen beauftragten Personen dies verlangen, und es gestattet ihnen, diese Bücher und Unterlagen vor Ort zu prüfen und von ihnen Kopien oder Auszüge gleich welcher Art anzufertigen oder zu erhalten. Es gestattet das Anbringen von Amtssiegeln in allen Geschäftsräumen und auf allen Büchern oder Dokumenten während der Dauer der Nachprüfung und soweit dies für die Zwecke der Nachprüfung erforderlich ist. Das Unternehmen liefert unverzüglich vor Ort mündliche Erläuterungen zu Gegenstand und Zweck der Nachprüfung, wenn die Beamten oder Personen dies verlangen, und es ermächtigt alle Vertreter und Mitglieder der Belegschaft, solche Erläuterungen zu liefern. Es gestattet die Aufzeichnung dieser Erläuterungen in beliebiger Form.“

4        In Art. 2 der Nachprüfungsentscheidung weist die Kommission darauf hin, dass die Nachprüfung am 28. Januar 2009 beginnen kann. Art. 3 bestimmt, dass die Nachprüfungsentscheidung dem Unternehmen, an das sie gerichtet ist, unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt gegeben wird.

5        Die Nachprüfungsentscheidung ist folgendermaßen begründet:

„Der Kommission liegen Informationen vor, denen zufolge die Lieferanten von Stromkabeln, einschließlich der Unternehmen, an die diese Entscheidung gerichtet ist, an Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen teilnehmen oder teilgenommen haben, die mit der Lieferung von Stromkabeln und dazugehörigem Material einschließlich u. a. unterseeischer Hochspannungskabel und in bestimmten Fällen unterirdischer Hochspannungskabel zusammenhängen und das Einreichen abgestimmter Angebote für öffentliche Ausschreibungen, die Zuteilung von Abnehmern sowie den unzulässigen Austausch sensibler Geschäftsinformationen zur Lieferung dieser Produkte umfassen.

Aus den der Kommission vorliegenden Informationen geht hervor, dass diese Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen …, die spätestens seit 2001 bestehen, bis zum jetzigen Zeitpunkt andauern. … [Sie] gelten wahrscheinlich weltweit.

Sollte sich herausstellen, dass diese Behauptungen zutreffen, wären die oben beschriebenen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen besonders schwere Verstöße gegen Art. 81 [EG].

Damit die Kommission alle Tatsachen im Zusammenhang mit den vermuteten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen und den Kontext, in dem sie stattfanden, überprüfen kann, sind Nachprüfungen nach Art. 20 der Verordnung … Nr. 1/2003 durchzuführen.

…“

6        Am Mittwoch, dem 28. Januar 2009, begaben sich die Inspektoren der Kommission (im Folgenden: Inspektoren) in Begleitung der Autorité de la concurrence (französische Wettbewerbsbehörde) in die Geschäftsräume von Nexans France, um eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 durchzuführen (im Folgenden: Nachprüfung). Die Nachprüfungsentscheidung war dem Unternehmen mitgeteilt worden, und es hatte den Inspektoren einen Besprechungsraum zur Verfügung gestellt. Ein von den Klägerinnen beauftragter Rechtsanwalt unterstützte die Klägerinnen bei ihrem gesamten Vorgehen im Zusammenhang mit der Nachprüfung.

7        Die Inspektoren baten darum, die Unterlagen und Computer bestimmter Mitarbeiter von Nexans France prüfen zu dürfen. Dabei handelte es sich um Herrn A ([vertraulich](1) – Abteilung Hochspannung), Herrn B ([vertraulich] – Abteilung Hochspannung) und Herrn C ([vertraulich] Geschäftsbereich Hochspannung terrestrisch). Den Inspektoren wurde mitgeteilt, dass sich Herr C im Urlaub befinde und seinen Computer mitgenommen habe und erst am 30. Januar 2009 zurückkehre.

8        Die Inspektoren prüften zunächst in Papierform vorliegende Unterlagen in den Büros der Herren A, B und C sowie im Büro ihrer gemeinsamen Assistentin. Anschließend erstellten sie exakte Kopien von den Festplatten der Computer der Herren A, B und D ([vertraulich] – Abteilung Hochspannung). Um eine Stichwortsuche in den Daten dieser Computer durchführen zu können, verwendeten sie eine Software, die in jener Nacht ein Verzeichnis der Daten anlegte.

9        Am zweiten Tag der Nachprüfung, am Donnerstag, dem 29. Januar 2009, prüften die Inspektoren mehrere Dokumente, die sie in den Büros der Herren C und E ([vertraulich] – Abteilung Hochspannung) sowie im Schriftverkehr der Herren A, B und E und in den Kopien von den Festplatten der Herren A, B und D gefunden hatten.

10      Herr B teilte den Inspektoren mit, dass er für den Abend des 29. Januar 2009 mit Herrn C verabredet sei. Er schlug vor, den Computer von Herrn C mitzunehmen und am nächsten Morgen in die Geschäftsräume von Nexans France zu bringen, und führte dies auch durch.

11      Am dritten Tag der Nachprüfung, am Freitag, dem 30. Januar 2009, informierten die Inspektoren die Klägerinnen, dass sie von Herrn C Erläuterungen zu bestimmten Dokumenten erhalten wollten, u. a. zu Schreiben, die vor allem im Computer von Herrn A gefunden worden seien und bei denen Herr C entweder Adressat oder Absender sei oder als Empfänger in Kopie gesetzt worden sei. Am Nachmittag beantwortete Herr C in Begleitung von zwei Rechtsanwälten der Klägerinnen die Fragen der Inspektoren. Die Fragen sowie die Antworten wurden dem Protokoll der Nachprüfung in einer Anlage beigefügt, die von den Vertretern der Klägerinnen unterzeichnet wurde.

12      Ferner prüften die Inspektoren im Laufe des Freitags, dem 30. Januar 2009, den Inhalt der Festplatte des Computers von Herrn C, und sie fanden mehrere Dateien, Dokumente und Schreiben, die ihrer Meinung nach für die Untersuchung erheblich waren und zwischen dem Beginn der Nachprüfung und dem 30. Januar 2009 gelöscht worden waren. Sie kopierten zwei Zusammenstellungen von Schreiben auf zwei Datenaufzeichnungsgeräte. Außerdem kopierten sie eine Zusammenstellung von Schreiben, die sie im Computer von Herrn A gefunden hatten, auf zwei Datenaufzeichnungsgeräte. Diese vier Datenaufzeichnungsgeräte wurden in versiegelte Umschläge gesteckt, die anschließend von einem Vertreter der Klägerinnen unterzeichnet wurden. Die Inspektoren beschlossen, diese Umschläge in die Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel (Belgien) zu bringen. Der Computer von Herrn C sowie ein in seinem Büro gefundenes Datenaufzeichnungsgerät wurden in einem Schrank platziert, der anschließend von den Inspektoren versiegelt wurde. Der Inhalt der für die Recherche verwendeten Festplatten der Computer der Kommission wurde anschließend gelöscht. Schließlich teilten die Inspektoren den Klägerinnen mit, dass sie sie über den Zeitpunkt informieren würden, an dem die Nachprüfung fortgesetzt werde. Die Klägerinnen wiesen darauf hin, dass sie es vorzögen, wenn eine etwaige Prüfung der Festplatte des Computers von Herrn C in den Geschäftsräumen von Nexans France und nicht in den Räumlichkeiten der Kommission stattfände.

13      Die Inspektoren kehrten am Dienstag, dem 3. Februar 2009, in die Geschäftsräume von Nexans France zurück. Sie öffneten den versiegelten Schrank mit dem im Büro von Herrn C gefundenen Datenaufzeichnungsgerät sowie dem Computer von Herrn C. Sie untersuchten das Datenaufzeichnungsgerät vor Ort, druckten zwei Dokumente aus dem Datenaufzeichnungsgerät aus und behielten diese und gaben das Datenaufzeichnungsgerät an die Vertreter der Klägerinnen zurück. Anschließend fertigten sie drei exakte Kopien von der Festplatte des Computers von Herrn C an, die sie auf drei Datenaufzeichnungsgeräten speicherten. Auf Verlangen der Vertreter der Klägerinnen gaben die Inspektoren den Vertretern eines der drei Datenaufzeichnungsgeräte zurück. Die zwei anderen Datenaufzeichnungsgeräte legten sie in versiegelte Umschläge, die sie nach Brüssel brachten, nachdem sie davon Kenntnis genommen hatten, dass die Klägerinnen die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens beanstandeten. Die Inspektoren wiesen darauf hin, dass die versiegelten Umschläge nur in den Räumlichkeiten der Kommission in Anwesenheit der Vertreter der Klägerinnen geöffnet würden.

14      Am 2. März 2009 wurden die Umschläge, die in den Geschäftsräumen von Nexans France versiegelt worden waren und die Datenaufzeichnungsgeräte enthielten, in Anwesenheit der Rechtsanwälte der Klägerinnen in den Räumlichkeiten der Kommission geöffnet. Die in den Datenaufzeichnungsgeräten gespeicherten Dokumente wurden geprüft, und die Inspektoren druckten diejenigen Dokumente auf Papier aus, die sie als maßgeblich für die Untersuchung ansahen. Eine zweite Papierkopie dieser Dokumente sowie eine Liste der Dokumente wurde den Rechtsanwälten der Klägerinnen übergeben. Dieses Verfahren wurde am 11. März 2009 abgeschlossen. Das Büro, in dem die Dokumente und die Datenaufzeichnungsgeräte geprüft wurden, wurde in Anwesenheit der Rechtsanwälte der Klägerinnen am Ende jedes Arbeitstags versiegelt und am nächsten Tag – ebenfalls in ihrer Anwesenheit – wieder geöffnet.

 Verfahren und Anträge der Parteien

15      Mit Klageschrift, die am 7. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

16      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Achten Kammer zugeteilt worden, weshalb ihr die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

17      Mit Schreiben vom 14. Januar 2011 haben die Klägerinnen beantragt, zwei nach dem Eingang der Erwiderung erlassene Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die für die Prüfung der Zulässigkeit der Klage maßgeblich seien (Urteile des EGMR vom 21. Dezember 2010, Primagaz/Frankreich, Req. 29613/08, und Société Canal Plus/Frankreich, Req. 29408/08), der Akte beizufügen. Mit Beschluss vom 26. Januar 2011 hat das Gericht dem Antrag stattgegeben. Das Gericht hat die Kommission aufgefordert, zu diesen Urteilen Stellung zu nehmen. Dem ist die Kommission innerhalb der vorgegebenen Frist nachgekommen.

18      Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts hat das Gericht der Kommission am 20. September 2011 schriftliche Fragen gestellt und sie aufgefordert, die Kopie des Dokuments der Kommission „Erläuterungen zur Ermächtigung, eine Nachprüfung in Vollziehung einer Entscheidung nach Artikel 20 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1/2003 durchzuführen“ vorzulegen, das die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen angeführt haben. Die Kommission ist diesem Ersuchen fristgemäß nachgekommen.

19      In der Sitzung vom 19. Oktober 2011 haben die Beteiligten mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren nicht abzuschließen.

20      Mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 haben die Klägerinnen dem Gericht nähere sachverhaltsbezogene Ausführungen zu den von ihnen in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen übermittelt. Mit Beschluss vom 16. November 2011 hat das Gericht dieses Schreiben zu den Akten genommen und die Kommission aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen. Dem ist die Kommission innerhalb der vorgegebenen Frist nachgekommen.

21      Mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 hat das Gericht die Kommission im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen nach Art. 65 der Verfahrensordnung zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert und die Modalitäten der Einsichtnahme in diese Unterlagen durch die Klägerinnen festgelegt. Die Kommission ist dieser Anordnung im Rahmen der Beweisaufnahme innerhalb der eingeräumten Frist nachgekommen.

22      Im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen im Sinne von Art. 64 der Verfahrensordnung hat das Gericht der Kommission am 21. Dezember 2011 eine schriftliche Frage gestellt und sie dazu aufgefordert, bestimmte Auszüge aus zwei von ihr zuvor übermittelten Dokumenten in die Verfahrenssprache zu übersetzen und diese Übersetzung vorzulegen. Die Kommission ist diesem Ersuchen fristgemäß nachgekommen.

23      Am 24. Januar 2012 haben die Klägerinnen in der Kanzlei des Gerichts Einsicht in die oben in Randnr. 21 genannten Unterlagen genommen. Am 2. März 2012 haben sie ihre Stellungnahme zu diesen Unterlagen eingereicht. Am 26. März 2012 hat sich die Kommission zur Stellungnahme der Klägerinnen geäußert.

24      Die mündliche Verhandlung ist am 23. April 2012 geschlossen worden. Mit Beschluss vom 1. Oktober 2012 ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet worden. Im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen im Sinne von Art. 64 der Verfahrensordnung hat das Gericht der Kommission am 2. Oktober 2012 eine schriftliche Frage gestellt. Die Kommission hat die Frage innerhalb der eingeräumten Frist beantwortet. Die mündliche Verhandlung ist sodann am 22. Oktober 2012 geschlossen worden.

25      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Nachprüfungsentscheidung für nichtig zu erklären;

–        die Entscheidung der Kommission, Kopien bestimmter Dateien und der Festplatte des Computers von Herrn C zu beschlagnahmen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in den Räumlichkeiten der Kommission durchzusehen, für rechtswidrig zu erklären;

–        die Entscheidung der Kommission über die Befragung von Herrn C für nichtig zu erklären;

–        die Kommission zu verpflichten, die Dokumente oder Beweismittel wieder an Nexans France herauszugeben, die sie aufgrund der genannten Entscheidungen erlangt hat, einschließlich, und ohne Beschränkung, der nicht in den Bereich der Nachprüfung fallenden Dokumente, der Dokumente zu außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) liegenden und Stromkabel betreffenden Vorhaben, der rechtswidrig beschlagnahmten und nach Brüssel verbrachten Dokumente und der Aussage, die aufgrund der Befragungen von Herrn C entstanden ist;

–        die Kommission zu verpflichten, Dokumente oder Beweismittel, die sie aufgrund der für nichtig erklärten Entscheidungen erlangt hat, nicht für Zwecke eines Verfahrens wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu verwenden;

–        die Kommission zu verpflichten, diese Dokumente oder Beweismittel (oder daraus abgeleitete oder darauf beruhende Informationen) nicht an andere Wettbewerbsbehörden zu übermitteln;

–        weitere Maßnahmen zu erlassen, die das Gericht für erforderlich hält;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsgutachten, das die Klägerinnen als Anlage zu ihrer Erwiderung vorgelegt haben, um ihr Vorbringen zur Zulässigkeit bestimmter Klageanträge zu stützen, für unzulässig zu erklären;

–        den zweiten bis siebten Klageantrag als unzulässig zurückzuweisen;

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

27      Die drei ersten Anträge der Klägerinnen enthalten drei Nichtigkeitsanträge, die jeweils eine Handlung betreffen, welche die Kommission hinsichtlich oder anlässlich der Nachprüfung vornahm.

28      Die erste der drei von den Klägerinnen beanstandeten Handlungen ist die Nachprüfungsentscheidung. Die zweite und die dritte Handlung (im Folgenden: streitige Handlungen) sollen von den Inspektoren bei der Nachprüfung vorgenommen worden sein. Dabei handelt es sich um die Entscheidung, exakte Kopien von mehreren Dateien und der Festplatte des Computers von Herrn C anzufertigen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in den Räumlichkeiten der Kommission durchzusehen, sowie die Entscheidung, Herrn C zu befragen.

29      Mit dem vierten bis siebten Klageantrag beantragen die Klägerinnen, dass das Gericht Maßnahmen gegen die Kommission anordnet.

30      Was die Zulässigkeit betrifft, trägt die Kommission zunächst vor, die streitigen Handlungen seien keine anfechtbaren Handlungen und die auf ihre Nichtigerklärung gerichteten Anträge der Klägerinnen seien daher unzulässig. Sodann macht die Kommission geltend, dass die Anträge, die sich auf die Erteilung von Anordnungen an die Kommission richteten, ebenfalls unzulässig seien. Schließlich müsse das Gericht das Rechtsgutachten, das die Klägerinnen als Anlage zu ihrer Erwiderung und zur Stützung ihres Vorbringens zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen vorgelegt hätten (im Folgenden: streitiges Gutachten), für unzulässig erklären.

31      Zur Begründetheit macht die Kommission geltend, dass die von den Klägerinnen zur Stützung ihrer Nichtigkeitsanträge vorgetragenen Rügen zurückzuweisen seien.

32      Zu prüfen ist zunächst der Antrag auf Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung, dessen Zulässigkeit nicht bestritten wird, sodann die Zulässigkeit des streitigen Gutachtens und der Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen und zuletzt die Anträge auf Erteilung von Anordnungen an die Kommission.

1.     Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung

33      Zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung machen die Klägerinnen im Wesentlichen einen einzigen Klagegrund geltend, der auf einem Verstoß gegen Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und einer Verletzung der Grundrechte beruht, d. h. ihrer Verteidigungsrechte, ihres Rechts auf ein faires Verfahren, ihres Rechts, sich nicht selbst belasten zu müssen, der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Vertraulichkeit. Der Klagegrund besteht aus zwei Teilen: Erstens sei das von der Nachprüfungsentscheidung betroffene Warenspektrum zu weit gefasst und zu vage formuliert, und zweitens sei die geografische Reichweite der Nachprüfungsentscheidung zu groß.

 Zum ersten Teil: zu weite und zu vage Formulierung des von der Nachprüfungsentscheidung betroffenen Warenspektrums

34      Das Vorbringen der Klägerinnen zu diesem Teil kann dahin verstanden werden, dass die Kommission den Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in der Nachprüfungsentscheidung nicht hinreichend bezeichnet habe. Insoweit tragen die Klägerinnen zwei Rügen vor.

35      Mit ihrer ersten Rüge werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, dass die Nachprüfungsentscheidung im Hinblick auf die Eingrenzung der betroffenen Waren ungenau sei. Aufgrund dieser Ungenauigkeit seien die Klägerinnen nicht in der Lage gewesen, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen und die Dokumente, in die die Kommission habe Einsicht nehmen dürfen und von denen sie Kopien habe anfertigen dürfen, von anderen im Besitz von Nexans France befindlichen Dokumenten, bei denen die Klägerinnen keinen derartigen Eingriff in die Sphäre ihrer privaten Betätigung hätten dulden müssen, zu unterscheiden. Somit habe die Kommission die Möglichkeit gehabt, „auf Erkundungsmission“ zu gehen und in den Geschäftsräumen des Unternehmens nach nützlichen Dokumenten und Daten zu suchen, um etwaige wettbewerbsrechtliche Verstöße im Zusammenhang mit sämtlichen Tätigkeiten der Klägerinnen und nicht nur im Zusammenhang mit dem von der Untersuchung erfassten Industriezweig aufzudecken.

36      Mit ihrer zweiten Rüge machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission nur im Hinblick auf den Industriezweig der Hochspannungsseekabel über ausführliche Informationen verfügt habe, die sie das Vorliegen eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes hätten vermuten lassen, was durch das Verhalten der Inspektoren im Laufe der Nachprüfung sowie eine Pressemitteilung der Kommission bestätigt werde.

37      Für die Prüfung der beiden Rügen der Klägerinnen sind zunächst einige Grundsätze in Erinnerung zu rufen, die erstens den obligatorischen Inhalt von Entscheidungen regeln, mit denen die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Nachprüfung anordnet, und zweitens die Kontrolle betreffen, die der Unionsrichter im Hinblick auf die Rechtfertigung einer solchen Nachprüfung ausüben kann.

 Vorbemerkungen

38      Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 definiert die wesentlichen Angaben, die in der Nachprüfungsentscheidung enthalten sein müssen. Diese Vorschrift lautet wie folgt:

„Die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, die Nachprüfungen zu dulden, die die Kommission durch Entscheidung angeordnet hat. Die Entscheidung bezeichnet den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, bestimmt den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung und weist auf die in Artikel 23 und Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof Klage gegen die Entscheidung zu erheben. …“

39      Die Verpflichtung der Kommission zur Angabe von Gegenstand und Zweck der Nachprüfung stellt insofern ein grundlegendes Erfordernis dar, als dadurch erstens die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den betroffenen Unternehmen aufgezeigt werden soll, wodurch diese Unternehmen in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen, und zweitens die Verteidigungsrechte der Unternehmen gewahrt werden sollen (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1989, Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, 97/87 bis 99/87, Slg. 1989, 3165, Randnr. 26).

40      Was die Frage der Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs und den Umfang der Mitwirkungspflicht der betroffenen Unternehmen betrifft, so ist das Erfordernis eines Schutzes vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz ist in Art. 7 der am 7. Dezember 2000 in Nizza verkündeten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) verankert. Art. 7 bestimmt: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

41      Zur Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen ist zunächst festzustellen, dass die Kommission die Verteidigungsrechte sowohl in Verwaltungsverfahren, die zu Sanktionen führen können, als auch in Voruntersuchungsverfahren zu beachten hat, da verhindert werden muss, dass die Verteidigungsrechte in Voruntersuchungsverfahren in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden; insbesondere gilt dies bei Nachprüfungen, die für die Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Randnr. 15).

42      Sodann kann der Umfang der Pflicht zur Begründung von Nachprüfungsentscheidungen nicht aus Gründen der Wirksamkeit der Nachprüfung beschränkt werden, da die Verpflichtung der Kommission, Gegenstand und Zweck der Nachprüfung anzugeben, eine wesentliche Garantie für die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen bildet. Zwar braucht die Kommission weder dem Adressaten einer Nachprüfungsentscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen zu übermitteln, noch muss sie eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen; sie hat aber klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt (Urteil Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 45).

43      Der Unionsrichter kann eine Kontrolle der nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 getroffenen Entscheidung vornehmen, um sich zu vergewissern, dass die Nachprüfungsentscheidung selbst nicht willkürlich, d. h. nicht ohne Vorliegen von Tatsachen, die eine Nachprüfung rechtfertigen könnten, erlassen worden ist. Die Nachprüfungen sollen nämlich der Kommission ermöglichen, die Unterlagen zusammenzustellen, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen, für die die Kommission bereits über Erkenntnisse verfügt. Im Rahmen dieser Kontrolle muss sich der Unionsrichter vergewissern, dass ernsthafte Indizien vorliegen, die für den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln durch das betroffene Unternehmen ausreichen (vgl. Urteil Roquette Frères, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist die Rechtsprechung der Unionsgerichte anzuwenden, wonach erstens die Begründung einer Nachprüfungsentscheidung nicht notwendigerweise eine genaue Abgrenzung des relevanten Markts zu umfassen braucht, sofern die Nachprüfungsentscheidung die oben in Randnr. 38 genannten wesentlichen Angaben enthält (Urteil Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnr. 46), und zweitens die Kommission jedoch verpflichtet ist, in dieser Entscheidung die wesentlichen Merkmale der vermuteten Zuwiderhandlung zu beschreiben und insbesondere den als relevant vermuteten Markt zu bezeichnen (Urteil des Gerichts vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/04, Slg. 2007, II‑573, Randnr. 52).

45      Die Kommission muss nämlich, auch wenn sie den von ihrer Untersuchung betroffenen Markt im Stadium der Nachprüfung nicht genau abgrenzen muss, die Industriezweige, die von der behaupteten Zuwiderhandlung erfasst werden, hinreichend genau bezeichnen, damit erstens das betroffene Unternehmen seine Mitwirkung auf die Tätigkeiten beschränken kann, die es im Zusammenhang mit den Industriezweigen ausübt, für die der Kommission hinreichend ernsthafte Indizien vorliegen, die den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zulassen und einen Eingriff in die Sphäre der privaten Betätigung dieses Unternehmens rechtfertigen, und zweitens der Unionsrichter gegebenenfalls prüfen kann, ob die in diesem Zusammenhang vorliegenden Indizien ausreichen.

 Zur ersten Rüge: Ungenauigkeit der Nachprüfungsentscheidung hinsichtlich der Eingrenzung der betroffenen Produkte

46      Wie oben in den Randnrn. 3 und 5 dargelegt, stellte die Kommission in der Nachprüfungsentscheidung fest, dass der Gegenstand ihrer Untersuchung „mit der Lieferung von Stromkabeln und dazugehörigem Material einschließlich u. a. unterseeischer Hochspannungskabel und in bestimmten Fällen unterirdischer Hochspannungskabel“ zusammenhänge.

47      In ihrer Klagebeantwortung und Gegenerwiderung hat die Kommission zumindest implizit vorgetragen, dass sich die Nachprüfungsentscheidung nicht auf die Gesamtheit der Stromkabel einschließlich dazugehörigen Materials gerichtet habe. Sie hat nämlich geltend gemacht, dass die Begründung der Nachprüfungsentscheidung „und insbesondere die Beschreibung der speziellen Produkte, die vom Überbegriff ‚Stromkabel‘ erfasst werden, es den Klägerinnen erlaubte, ohne Schwierigkeit zu erkennen, dass die Nachprüfung nicht beliebige Stromkabel, sondern speziell die Stromkabel, die in der [Nachprüfungse]ntscheidung beispielhaft aufgezählt wurden, betreffen würde“.

48      Nach Ansicht der Kommission betraf der Gegenstand ihrer Untersuchung vielmehr „Kabel, die für die Stromübertragung verwendet werden, z. B. von Kraftwerken zu Umspannwerken oder an den Schnittstellen zwischen Stromnetzen“, und die Kommission macht geltend, dass die in der Nachprüfungsentscheidung ausdrücklich angeführten Stromkabelarten konkrete Beispiele für diese Kategorie seien, was aus dem Wortlaut der Nachprüfungsentscheidung und ihrem Kontext hinreichend klar hervorgehe.

49      Der in der Nachprüfungsentscheidung definierte Untersuchungsgegenstand kann jedoch nicht so ausgelegt werden, wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung und Gegenerwiderung vorschlägt.

50      Die Begründung der Nachprüfungsentscheidung bezieht sich nämlich eindeutig auf die Gesamtheit der Stromkabel. Aus den Formulierungen „einschließlich u. a.“ sowie „und in bestimmten Fällen“, welche die Kommission bei der Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands verwendete, geht hervor, dass die Kommission die Hochspannungserdkabel und die Hochspannungsseekabel nur als Beispiele für ein umfangreicheres Warenspektrum anführte, das theoretisch jede Art von Stromkabel sowie jegliches dazugehörige Material für die Nutzung oder Installation dieser Stromkabel beinhaltete.

51      Im Übrigen hat die Kommission im Zusammenhang mit den prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 sowie in der mündlichen Verhandlung entgegen ihren Ausführungen in ihrer Klagebeantwortung und ihrer Gegenerwiderung erklärt, dass sich die Nachprüfungsentscheidung auf die Gesamtheit der Stromkabel und nicht nur auf die in der Nachprüfungsentscheidung beispielhaft angeführten Stromkabel gerichtet habe.

52      Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, könnte mit dem Begriff „Stromkabel“ jegliche Art von Kabel gemeint sein, die bei der Stromübertragung verwendet wird. Außerdem wird in der Nachprüfungsentscheidung nicht näher dargelegt, welche Produkte in die Kategorie „dazugehöriges Material“ fallen könnten. Die Nachprüfungsentscheidung betrifft daher eine große Zahl von Produkten. Wie die Klägerinnen zu Recht darlegen, könnte die allgemeine Kategorie „Stromkabel“ so unterschiedliche Produkte wie Telefonkabel, Hochspannungskabel, Stromverteilerkabel für den Haushalt oder Kabel für elektrische Haushaltsgeräte erfassen. Ferner könnten Produkte wie Transformatoren, Schalter und Stromzähler unter die allgemeine Kategorie des zu Stromkabeln gehörenden Materials fallen. Wie die Klägerinnen zu Recht weiter ausführen, könnte die Begründung sämtliche Tätigkeiten eines Unternehmens erfassen, das Kabel zur Stromübertragung herstellt, selbst wenn diese Tätigkeiten ganz unterschiedlichen Industriezweigen zuzuordnen sind.

53      Allerdings ist die Kommission, als sie sich in ihrer Nachprüfungsentscheidung auf die Gesamtheit von Stromkabeln und dazugehörigem Material bezog, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ihrer Verpflichtung zur Beschreibung ihres Untersuchungsgegenstands nachgekommen.

54      Auch wenn es zwar möglich gewesen wäre, Art. 1 und die Begründung der Nachprüfungsentscheidung weniger unklar zu formulieren, war es den Klägerinnen dennoch möglich, diesen Formulierungen den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu entnehmen. Die Klägerinnen konnten erkennen, dass Stromkabel, die in der Nachprüfungsentscheidung nicht ausdrücklich genannt wurden, nicht von der Nachprüfungsentscheidung ausgenommen waren und dass sie grundsätzlich verpflichtet waren, der Kommission alle von ihr angeforderten Informationen zu jeglichen Stromkabeln sowie dazugehörigem Material, das normalerweise mit diesen Stromkabeln verkauft wird oder für eine zusätzliche Verwendung bestimmt ist, zu liefern. Sie konnten der Nachprüfungsentscheidung entnehmen, dass jeglicher Widerstand, mit dem sie verhindern, dass die Kommission Dokumente zu diesen Produkten erhält, oder mit dem sie sich einer Aufforderung zur Vorlage solcher Dokumente widersetzen, gemäß Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sanktioniert werden könnte.

55      Darüber hinaus begrenzt die Nachprüfungsentscheidung den Untersuchungsgegenstand, so dass das Gericht gegebenenfalls prüfen kann, ob der Kommission bei Erlass der Nachprüfungsentscheidung hinreichend ernsthafte Indizien vorlagen, die einen Eingriff in die Sphäre der privaten Betätigung der Klägerinnen, der die Gesamtheit ihrer Tätigkeiten umfasst, rechtfertigen.

56      Die Genauigkeit der Nachprüfungsentscheidung im Hinblick auf die Abgrenzung der von der Nachprüfung erfassten Produkte kann entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Kommission in Entscheidungen, die sie vor der Nachprüfungsentscheidung erlassen hat, und insbesondere in ihrer Entscheidung vom 19. Juli 2000 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens (Sache COMP/M.1882 – Pirelli/BICC) (ABl. 2003, L 70, S. 35), im Hinblick auf die von der Untersuchung betroffenen Produkte zwischen mehreren getrennten Märkten unterschieden hat, nämlich dem Markt für Höchst- und Hochspannungskabel zum einen und zum anderen dem Markt für Nieder‑ und Mittelspannungskabel. Die Kommission war nämlich verpflichtet, gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) in ihrer zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung geänderten Fassung die Märkte, die von dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Zusammenschluss betroffen waren, genau zu definieren, da sie nach dieser Bestimmung verpflichtet war, zu prüfen, ob der fragliche Zusammenschluss geeignet war, eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken, die einen wirksamen Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil davon erheblich behindern könnte. Dagegen ist die Kommission, wie oben in Randnr. 44 dargelegt, im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht verpflichtet, den von ihrer Untersuchung betroffenen Markt genau abzugrenzen.

57      Außerdem spricht nichts gegen die Annahme, dass eine einzige Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht oder verbundene Zuwiderhandlungen Auswirkungen auf unterschiedliche Produktmärkte haben können und – zumindest im Stadium des Erlasses einer Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 – Gegenstand derselben Untersuchung der Kommission sein können.

58      Schließlich hängt die Beantwortung der Frage, ob die Inspektoren, wie die Klägerinnen geltend machen, eine „Erkundungsmission“ in den Geschäftsräumen von Nexans France durchgeführt haben, davon ab, ob der Kommission bei Erlass der Nachprüfungsentscheidung hinreichend ernsthafte Indizien vorlagen, die einen Eingriff in die Sphäre der privaten Betätigung der Klägerinnen rechtfertigten, der sich auf die Gesamtheit der Stromkabel bezog. Daher ist diese Frage im Rahmen der zweiten Rüge zu prüfen.

59      Die erste Rüge ist somit zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: Vorliegen hinreichend ernsthafter Indizien für den Verdacht einer von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nur für den Industriezweig der Hochspannungsseekabel

60      Die Klägerinnen machen geltend, dass sich die der Kommission vorliegenden Informationen auf ein etwaiges wettbewerbswidriges Verhalten bezogen hätten, das nur den Industriezweig der Seekabel betroffen habe. Bestätigt werde dieses Ergebnis erstens durch den Umstand, dass die Kommission am 28. Januar 2009, als sie für die Nachprüfung in den Geschäftsräumen von Nexans France erschienen sei, um ein Gespräch mit bestimmten, in diesem Industriezweig beschäftigten Mitarbeitern von Nexans France gebeten habe, und zweitens durch den Inhalt einer Pressemitteilung, welche die Kommission nach der Nachprüfung veröffentlicht habe. Obwohl die Kommission im Besitz spezieller Informationen gewesen sei, habe sie Gegenstand und Zweck der Nachprüfung übermäßig ausgedehnt und eine „Erkundungsmission“ in den Geschäftsräumen von Nexans France durchgeführt.

61      Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass das Unternehmen, an das eine Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergehe, nicht nur im Hinblick auf den Gegenstand der Nachprüfung, d. h. die von der Entscheidung erfassten Waren oder Dienstleistungen, sondern auch im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Tätigkeiten zur Mitwirkung verpflichtet sei. Außerdem trägt die Kommission vor, sie habe über hinreichend ernsthafte Indizien verfügt, um eine Nachprüfung über die Gesamtheit der Stromkabel und das dazugehörige Material anzuordnen.

62      Insoweit ist erstens festzustellen, dass – wie die Kommission zu Recht vorträgt – ihre Untersuchungsbefugnisse nutzlos wären, wenn sie sich darauf beschränken müsste, die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, die sie schon vorher genau bezeichnen kann. Ein solches Recht impliziert vielmehr die Befugnis, nach anderen Informationsquellen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind. Ohne eine solche Befugnis wäre es der Kommission unmöglich, die für die Nachprüfung erforderlichen Informationen einzuholen, falls die betroffenen Unternehmen die Mitwirkung verweigern oder eine obstruktive Haltung einnehmen (Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 27; Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2003, Ventouris/Kommission, T‑59/99, Slg. 2003, II‑5257, Randnr. 122).

63      Zweitens hat die Kommission durch die Ausübung der Befugnis, nach verschiedenen Informationen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind, die Möglichkeit, bestimmte Geschäftsdokumente des Unternehmens, an das sich eine Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 richtet, zu prüfen, selbst wenn sie nicht weiß, ob sie von den Tätigkeiten, auf die sich die Entscheidung richtet, erfasst sind, um festzustellen, ob dies der Fall ist, und um zu verhindern, dass das fragliche Unternehmen der Kommission Beweise, die für die Untersuchung relevant sind, unter dem Vorwand, dass sie nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, vorenthält.

64      Unbeschadet der vorstehenden Erwägungen ist die Kommission jedoch, wenn sie in den Geschäftsräumen eines Unternehmens eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 durchführt, verpflichtet, ihre Nachforschungen auf diejenigen Tätigkeiten des Unternehmens zu beschränken, die mit den in der Nachprüfungsentscheidung angeführten Industriezweigen verbunden sind, und sie darf, wenn sie nach der Prüfung festgestellt hat, dass ein Dokument oder eine Information nicht von diesen Tätigkeiten erfasst ist, das Dokument bzw. die Information nicht für die Zwecke ihrer Untersuchung verwenden.

65      Unterläge die Kommission nämlich keiner solchen Beschränkung, wäre es ihr praktisch möglich, immer dann, wenn ihr ein Indiz vorliegt, das sie vermuten lässt, dass ein Unternehmen in einem bestimmten Bereich seiner Tätigkeiten eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln begangen hat, eine Nachprüfung durchzuführen, die die Gesamtheit der Tätigkeiten erfasst und letztlich darauf abzielt, jegliche von diesem Unternehmen möglicherweise begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln aufzudecken, was mit dem Schutz der Sphäre der privaten Tätigkeiten juristischer Personen als Grundrecht einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar ist.

66      Zudem würde mit der Verpflichtung der Kommission, Zweck und Gegenstand der Nachprüfung in den Entscheidungen nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 anzugeben, ein rein formelles Ziel verfolgt, wenn die Verpflichtung so ausgestaltet wäre, wie es die Kommission vorschlägt. Die Rechtsprechung, wonach der Zweck dieser Verpflichtung insbesondere darin besteht, die betroffenen Unternehmen in die Lage zu versetzen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erfassen, würde verkannt, da sich die Verpflichtung systematisch auf die Gesamtheit der Tätigkeiten der betroffenen Unternehmen bezöge.

67      Folglich musste die Kommission in der vorliegenden Rechtssache für den Erlass der Nachprüfungsentscheidung über hinreichend ernsthafte Indizien verfügen, die eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen der Klägerinnen rechtfertigten und sich auf die Gesamtheit der Tätigkeiten der Klägerinnen im Zusammenhang mit Stromkabeln und dazugehörigem Material bezogen.

68      In der Klageschrift stützen die Klägerinnen ihr Vorbringen, die Kommission habe nur für den Industriezweig der Hochspannungsseekabel über Informationen zu etwaigem wettbewerbswidrigem Verhalten verfügt, auf zwei Indizien. Erstens habe die Kommission in einer Pressemitteilung vom 3. Februar 2009 bekannt gegeben, dass sie eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen der Hersteller ausschließlich dieser Kabel eingeleitet habe. Zweitens habe sich die Kommission bei der Nachprüfung für bestimmte Mitarbeiter von Nexans France interessiert, die in diesem Industriezweig beschäftigt seien.

69      Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerinnen bis zu dem Tag, an dem die Klageschrift bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, keinen Zugang zu den Indizien erhalten hatten, die der Kommission bei Erlass der Nachprüfungsentscheidung zur Verfügung standen und auf denen der Verdacht der Kommission beruhte. Zudem war die Kommission nicht verpflichtet, ihnen diese Indizien zu übermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, oben in Randnr. 39 angeführt, Randnrn. 45 und 51).

70      Unter diesen Umständen kann von den Klägerinnen nicht verlangt werden, dass sie zusätzlich zu den oben in Randnr. 68 angeführten Indizien weitere Beweise zur Stützung ihres Vorbringens liefern, die Kommission habe nur für den Industriezweig der Hochspannungsseekabel über Informationen zu etwaigem wettbewerbswidrigem Verhalten verfügt.

71      Ein solches Erfordernis hätte nämlich in der Praxis zur Folge, dass ein Unternehmen, an das eine Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 gerichtet ist, nicht in der Lage wäre, die hinreichende Ernsthaftigkeit der Indizien, die der Kommission für den Erlass der Entscheidung vorlagen, in Frage zu stellen, und infolgedessen könnte das Gericht nicht prüfen, ob es sich um eine willkürliche Entscheidung handelt.

72      Folglich muss, zumindest wenn – wie in der vorliegenden Rechtssache – die Unternehmen, an die eine Entscheidung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergeht, bestimmte Umstände darlegen, welche die hinreichende Ernsthaftigkeit der Indizien, die der Kommission für den Erlass der Entscheidung vorlagen, in Frage stellen, der Unionsrichter diese Indizien untersuchen und prüfen, ob sie hinreichend ernsthaft sind.

73      Die Kommission hat dem Gericht im Zusammenhang mit den prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 die Indizien dargelegt, die ihr vor dem Erlass der Nachprüfungsentscheidung vorlagen und ihrer Meinung nach die Anordnung einer Nachprüfung in den Geschäftsräumen der Klägerinnen in Bezug auf die Gesamtheit der Stromkabel rechtfertigten.

74      In diesem Zusammenhang hat die Kommission zunächst vorgetragen, dass ein Wettbewerber der Klägerinnen (im Folgenden: Antragsteller auf Kronzeugenbehandlung) sie am 21. November 2008 im Rahmen der Kronzeugenregelung, die durch ihre Mitteilung vom 8. Dezember 2006 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 298, S. 17) eingeführt worden war, mündlich über das Vorliegen eines Kartells in Bezug auf Hochspannungserd‑ und ‑seekabel, dem die Klägerinnen angehören sollten (im Folgenden: vermutetes Kartell), sowie über das Vorliegen einer „Vereinbarung [vertraulich] über Verträge für Mittelspannungskabel“ informiert habe. Diese Vereinbarung, die als [vertraulich] bezeichnet worden sei, sei dem Bundeskartellamt am [vertraulich] angezeigt worden. Schließlich habe [vertraulich] eine frühere „Vereinbarung [vertraulich]“ mit der Bezeichnung [vertraulich] ersetzt, die dem Bundeskartellamt am [vertraulich] anzeigt worden sei.

75      Die Kommission hat ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 eine Abschrift von zwei Fassungen der Jahre [vertraulich] von [vertraulich] sowie eine Abschrift von [vertraulich] beigefügt.

76      Sie hat sodann ausgeführt, dass sich die Nachprüfung nicht auf die Hochspannungserd‑ und ‑seekabel habe beschränken können, weil

–        [vertraulich] sich auf Mittelspannungskabel [vertraulich] und [vertraulich] auf Kabel für Spannungen bis hinunter auf [vertraulich] bezogen habe;

–        der Antragsteller auf Kronzeugenbehandlung [vertraulich] nicht mehr überprüfen könne [vertraulich], ob ein wettbewerbswidriges Verhalten [vertraulich] in Bezug auf Mittelspannungskabel vorgelegen habe;

–        frühere Untersuchungen der Kommission im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen das Fehlen einer klaren und eindeutigen Unterscheidung zwischen Hoch-, Mittel- und Niederspannungskabeln bestätigt hätten (Entscheidung der Kommission vom 19. Juli 2000 [Sache COMP/M.1882 – Pirelli/BICC], Randnrn. 14 bis 32 [vgl. oben, Randnr. 56]; Entscheidung der Kommission vom 5. Juli 2005 [Sache COMP/M.3836 – Goldman Sachs/Pirelli Cavi e Sistemi Energia/Pirelli Cavi e Sistemi Telecom], Randnrn. 12 und 13; Entscheidung der Kommission vom 6. Januar 2006 [Sache COMP/M.4050 – Goldman Sachs/Cinven/Ahlsell]).

77      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ihre Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 in dieser Hinsicht ergänzt. Sie hat geltend gemacht, dass nach den Informationen, die ihr vom Antragsteller auf Kronzeugenbehandlung am 21. November 2008 übermittelt worden seien, das vermutete Kartell mindestens seit 2001 existiert habe und in Verlängerung von [vertraulich] durchgeführt worden sei. Im Übrigen habe ihr der Antragsteller auf Kronzeugenbehandlung mitgeteilt, er könne nicht garantieren, dass das Kartell keine anderen Kabel außer Hochspannungserd‑ und ‑seekabeln betreffe [vertraulich]. Unter diesen Umständen habe sie das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG in Bezug auf alle Stromkabel vermuten können.

78      Die Klägerinnen haben in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass sie nach dem Eingang der Erwiderung Zugang zur Verwaltungsakte der Kommission erhalten hätten, die [vertraulich], [vertraulich] und die mündliche Erklärung des Antragstellers auf Kronzeugenbehandlung vom 21. November 2008 enthalten habe, und sie haben darauf hingewiesen, dass die Kommission auf der Grundlage dieser Dokumente nicht habe annehmen können, dass das vermutete Kartell die Gesamtheit der Stromkabel betreffe. Erstens seien diese Dokumente nämlich sehr alt und beträfen Vereinbarungen [vertraulich], die einer Wettbewerbsbehörde angezeigt und von dieser genehmigt worden seien. Zweitens habe der Antragsteller auf Kronzeugenbehandlung mitgeteilt, dass ihm für keine anderen Kabel als Hochspannungserd‑ und ‑seekabel eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bekannt sei.

79      Das Gericht hat es für notwendig erachtet, der Akte die Erklärung des Antragstellers auf Kronzeugenbehandlung beizufügen, um zu prüfen, ob die Indizien, die der Kommission vorlagen, hinreichend ernsthaft waren. Wie die Kommission selbst in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 vorgeschlagen hat, wurde sie im Rahmen der oben in Randnr. 21 genannten prozessleitenden Maßnahme zur Vorlage einer Abschrift dieser Erklärung aufgefordert. Die Stellungnahmen, welche die Parteien zur hinreichenden Ernsthaftigkeit der im Besitz der Kommission befindlichen Indizien eingereicht haben, nachdem die Klägerinnen in der Kanzlei des Gerichts Einsicht in die Erklärung des Antragstellers auf Kronzeugenbehandlung nehmen konnten, unterscheiden sich nicht wesentlich von ihren Stellungnahmen in der mündlichen Verhandlung.

80      Schließlich hat das Gericht die Kommission im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen vom 21. Dezember 2011 aufgefordert, in den Fassungen von [vertraulich] und [vertraulich], die sie dem Gericht übermittelt hatte, die Stellen zu kennzeichnen, die für sich genommen oder zusammen mit der mündlichen Erklärung des Antragstellers auf Kronzeugenbehandlung vom 21. November 2008 vor Erlass der Nachprüfungsentscheidung ihren Vermutungen im Hinblick auf die Gesamtheit der Stromkabel zugrunde lagen.

81      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Stellen, welche die Kommission auf diese Aufforderung hin gekennzeichnet hat, in Verbindung mit den der Akte beigefügten Fassungen von [vertraulich] und [vertraulich] sowie den Erklärungen, welche die Kommission zu diesen Vereinbarungen abgegeben hat, deutlich machen, dass [vertraulich] mehrere Hersteller der Gemeinschaft Vereinbarungen getroffen hatten, die dem Bundeskartellamt angezeigt wurden und die Vermarktung einer großen Vielfalt von Hoch-, Mittel- und Niederspannungskabeln außerhalb des Gemeinsamen Marktes betrafen.

82      Diese Vereinbarungen waren [vertraulich].

83      Wie die Kommission im Wesentlichen geltend macht, handelte es sich bei [vertraulich] und [vertraulich], den einzigen der fraglichen Vereinbarungen, die nicht auf Hochspannungssee‑ oder ‑erdkabel beschränkt waren, um Vereinbarungen, die [vertraulich] vorsahen. [vertraulich]

84      Dennoch ist das Vorliegen von [vertraulich] und [vertraulich], bei denen es sich um alte, öffentliche, der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats gemeldete und grundsätzlich mit den Wettbewerbsregeln der Union übereinstimmende Vereinbarungen handelt, für sich genommen kein hinreichend ernsthaftes Indiz dafür, dass bestimmte Unterzeichner dieser Vereinbarungen später mit anderen Herstellern geheime Vereinbarungen getroffen haben sollen, welche die Wettbewerbsregeln der Union verletzen und die gleichen Produkte betreffen.

85      Entgegen dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen, dass das vermutete Kartell [vertraulich] oder [vertraulich] zuzuordnen ist. Ebenso wenig lässt sich den Dokumenten, welche die Kommission dem Gericht vorgelegt hat, entnehmen, dass das vermutete Kartell in Verlängerung dieser Vereinbarungen durchgeführt wurde.

86      Dagegen geht erstens aus der Akte hervor [vertraulich].

87      Zweitens [vertraulich] hatte der Antragsteller auf Kronzeugenbehandlung [vertraulich] in seiner Erklärung vom 21. November 2008 eindeutig darauf hingewiesen, [vertraulich], wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen.

88      Drittens geht aus der Akte hervor [vertraulich].

89      Sodann ist festzustellen, dass die Entscheidung Pirelli/BICC (vgl. oben, Randnr. 56) zu den Entscheidungen im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen gehört, die nach Auffassung der Kommission das Fehlen einer klaren Unterscheidung von Stromkabeln im Hinblick auf ihre Spannung belegen. In Randnr. 32 dieser Entscheidung hat die Kommission jedoch entgegen ihrem Vorbringen in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 festgestellt:

„Die Produktion und der Verkauf von [Niederspannungs- und Mittelspannungsk]abeln sowie von [Hochspannungs- und Höchstspannungsk]abeln [sind] gesonderte Märkte …: erstens nämlich besteht zwischen diesen Produkten keine Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite, und zweitens sind die Kosten und der zeitliche Aufwand für die Umstellung der Produktion von den niedrigen auf die hohen Spannungsbereiche erheblich. Drittens hat die begrenzte Umstellungsflexibilität auf der Angebotsseite keinen Effekt, der sich mit der (fehlenden) Wirkung der Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite vergleichen ließe. … Schließlich muss aber auch zwischen [Niederspannung und Mittelspannung] einerseits und den hohen Spannungsbereichen (Hochspannung und Höchstspannung) andererseits unterschieden werden, da für das Angebot dieser Erzeugnisse und deren Nachfrage unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Doch vertritt die Kommission die Auffassung, dass keine ausreichenden Beweise die Behauptung untermauern, dass Flüssigkeitskabel im Höchstspannungsbereich gegenüber den mit einer anderen Technik (insbesondere XLPE) hergestellten [Höchstspannungsk]abeln ein gesonderter Produktmarkt sind, da alle Hersteller und sehr viele Abnehmer in Europa diese Kabelarten als Substitute betrachten.“

90      Aus dieser Entscheidung geht somit hervor, dass die Kommission entgegen ihrem Vorbringen im Zusammenhang mit den prozessleitenden Maßnahmen vom 20. September 2011 vor dem Erlass der Nachprüfungsentscheidung zu dem Schluss gekommen war, dass es erhebliche Unterschiede zwischen Hoch-, Mittel- und Niederspannungskabeln gebe.

91      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass sie über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, um eine Nachprüfung über die Gesamtheit der Stromkabel und das dazugehörige Material anzuordnen.

92      Bestätigt wird dieses Ergebnis, das ausschließlich auf der Analyse der Informationen beruht, die der Kommission bei Erlass der Nachprüfungsentscheidung vorlagen, auch erstens durch das Vorbringen der Kommission in Randnr. 36 der Gegenerwiderung, dem zufolge die Klägerinnen dem Wortlaut der Nachprüfungsentscheidung hätten entnehmen können, dass die Nachprüfung nicht „beliebige Stromkabel“ betreffen werde, und zweitens durch das Anerkenntnis der Kommission, sie habe ihren Eingriff im Rahmen der Nachprüfung auf Nachforschungen im Hinblick auf die beispielhaft in der Nachprüfungsentscheidung angeführten Stromkabelarten beschränkt.

93      Dagegen ist davon auszugehen, dass die Kommission vor dem Erlass der Nachprüfungsentscheidung über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, um eine Nachprüfung über die Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das dazugehörige Material anzuordnen.

94      Daher ist dem vorliegenden Teil insoweit stattzugeben, als er andere Stromkabel als Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betrifft. Im Übrigen ist der vorliegende Teil zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: übermäßige geografische Reichweite der Nachprüfungsentscheidung

95      Die Klägerinnen machen geltend, dass der einzige Hinweis, den die Nachprüfungsentscheidung zur geografischen Reichweite der Untersuchung enthalte, darin bestehe, dass die von der Nachprüfungsentscheidung erfassten Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen „wahrscheinlich weltweit [gelten]“. Die Nachprüfungsentscheidung enthalte keinen Hinweis darauf, dass bestimmte Vorhaben, die außerhalb der Union angesiedelt seien, den Gemeinsamen Markt betreffen könnten. Dies sei jedoch eine Voraussetzung dafür, dass die Vorhaben von Art. 81 EG erfasst sein könnten. Im Übrigen seien die Vorhaben für Hochspannungsseekabel örtlich genau umrissen. Dennoch habe die Kommission Dokumente kopiert, die Vorhaben im Nahen Osten bzw. in Asien betroffen hätten. Dieses Verhalten sei angesichts des Grades der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Wettbewerbsbehörden „besonders gefährlich“. Nexans France habe sich in Bezug auf die Frage, ob diese Dokumente von der Nachprüfungsentscheidung erfasst seien, ausdrücklich ihre Rechte vorbehalten, doch da ihr der genaue Umfang der Untersuchung nicht bekannt gewesen sei, habe sie den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht nicht erkennen können. Hierin liege ein Verstoß gegen die Grundrechte der Klägerinnen, einschließlich ihrer Verteidigungsrechte, ihres Rechts auf ein faires Verfahren, ihres Rechts, sich nicht selbst belasten zu müssen, und ihres Rechts auf die Unschuldsvermutung.

96      Die Kommission widerspricht dem Vorbringen der Klägerinnen.

97      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat die Kommission den Aktionsradius des vermuteten Kartells substantiiert beschrieben, als sie darauf hinwies, dass die vermuteten Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen „wahrscheinlich weltweit gelten“. Daher ist davon auszugehen, dass die Nachprüfungsentscheidung in Bezug auf die geografische Reichweite etwaiger wettbewerbsrechtlicher Zuwiderhandlungen, deren Vorliegen von der Kommission vermutet wurde, hinreichend genau war.

98      Dessen ungeachtet kann das Vorbringen der Klägerinnen jedoch dahin ausgelegt werden, dass sie der Kommission nicht vorwerfen, die geografische Reichweite des vermuteten Kartells zu vage umrissen zu haben, sondern vielmehr die Möglichkeit beanstanden, Dokumente in Bezug auf geografische Märkte lokaler Natur, die sich außerhalb des Gemeinsamen Marktes befinden, in den Geltungsbereich der Nachprüfungsentscheidung einzubeziehen, ohne zu begründen, wie ein Verhalten des fraglichen Unternehmens in diesen Märkten den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt verzerren könnte.

99      Schon aus dem Titel der Verordnung Nr. 1/2003 geht hervor, dass die Befugnisse, die der Kommission durch die Verordnung übertragen werden, die Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln zum Gegenstand haben. Diese beiden Artikel untersagen bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, soweit sie geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und sofern sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Daher kann die Kommission ihre Nachprüfungsbefugnisse nur für die Aufdeckung solcher Verhaltensweisen einsetzen. Folglich kann die Kommission keine Nachprüfung in den Geschäftsräumen eines Unternehmens durchführen, wenn sie das Vorliegen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise vermutet, die sich ausschließlich auf einen oder mehrere Märkte außerhalb des Gemeinsamen Marktes auswirkt. Allerdings spricht nichts dagegen, dass sie Dokumente zu diesen Märkten prüft, um Verhaltensweisen aufzudecken, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

100    Daher ist der vorliegende Teil zurückzuweisen.

101    Nach alledem ist dem Antrag auf Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung insoweit stattzugeben, als er andere Stromkabel als Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betrifft. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

2.     Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen

 Zur Zulässigkeit

 Zur Zulässigkeit des Rechtsgutachtens in der Anlage zur Erwiderung

102    Die Kommission beruft sich auf die Unzulässigkeit des Rechtsgutachtens, das die Klägerinnen als Anlage zu ihrer Erwiderung vorgelegt haben, um ihr Vorbringen zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen (zweiter und dritter Klageantrag) zu stützen. Sie macht zwei Einreden der Unzulässigkeit geltend. Die erste Einrede stützt sich im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 und 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts, die am 5. Juli 2007 erlassen wurde (ABl. L 232, S. 1), und mit der zweiten Einrede macht die Kommission geltend, dass das streitige Gutachten keine Argumente stütze, die ausdrücklich in der Erwiderung aufgeführt seien, und dass es Erläuterungen enthalte, die in der Erwiderung nicht aufgegriffen würden.

–       Zur ersten Unzulässigkeitseinrede: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 und 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts

103    Die Kommission macht geltend, nach Art. 5 Abs. 3 und 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts sei es den Klägerinnen untersagt, Verfahrensvorgänge anderen Personen als ihren Anwälten zu übermitteln. Die Verfasser des streitigen Rechtsgutachtens, die nicht die Anwälte der Klägerinnen seien, hätten jedoch in die Klagebeantwortung Einsicht genommen.

104    Art. 5 Abs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts bestimmt:

„Die Anwälte oder Bevollmächtigten der Parteien einer Rechtssache vor dem Gericht oder von ihnen ordnungsgemäß bevollmächtigte Personen können die Originalakten der Rechtssache einschließlich der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten in der Kanzlei des Gerichts einsehen und Abschriften der Verfahrensvorgänge und des Registers oder Auszüge daraus verlangen.

…“

105    Ferner heißt es in Art. 5 Abs. 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts:

„Keine dritte Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts kann ohne ausdrückliche, nach Anhörung der Parteien erteilte Genehmigung des Präsidenten oder, wenn die Rechtssache noch anhängig ist, des Präsidenten des mit ihr befassten Spruchkörpers die Akten der Rechtssache oder die Verfahrensvorgänge einsehen. Diese Genehmigung kann nur auf schriftlichen Antrag erteilt werden, dem eine eingehende Begründung für das berechtigte Interesse an der Akteneinsicht beizufügen ist.“

106    In der vorliegenden Rechtssache wurde das streitige Gutachten von zwei Personen unterzeichnet, die nur mit ihrem Namen aufgeführt sind. Aus den Akten geht jedoch nicht hervor, dass es sich bei diesen zwei Personen um Anwälte handelt. Wie die Kommission zu Recht vorträgt, zählen die Unterzeichner des Rechtsgutachtens jedenfalls nicht zu den Anwälten, die von den Klägerinnen bevollmächtigt wurden, sie in der vorliegenden Rechtssache vor dem Gericht zu vertreten, und aus der Akte geht auch nicht hervor, dass die Unterzeichner von den Anwälten zur Akteneinsicht ermächtigt wurden. Die Verfasser des Rechtsgutachtens hatten jedoch insoweit Zugang zur Klagebeantwortung, als sie mehrfach aus ihr zitieren, was die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben.

107    Allerdings lässt sich aus dem Umstand, dass die Verfasser des streitigen Gutachtens keine Anwälte der Parteien oder von diesen zur Akteneinsicht ordnungsgemäß bevollmächtigte Personen sind, nicht folgern, dass es sich um dritte Personen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 und 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts ohne Recht auf Akteneinsicht handelt.

108    Diese Vorschriften, deren Hauptziel darin besteht, den Zugang zu den Akten in den Räumen der Kanzlei des Gerichts zu regeln, sind nämlich im Licht ihres Zwecks auszulegen. Sie sind Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes einer geordneten Rechtspflege, dass die Parteien das Recht haben, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung zu vertreten, und dass eine Partei, die Zugang zu den Verfahrensstücken der anderen Parteien hat, von diesen Stücken nur für die Vertretung ihrer eigenen Interessen und zu keinem anderen Zweck Gebrauch machen darf (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998, Svenska Journalistförbundet/Rat, T‑174/95, Slg. 1998, II‑2289, Randnrn. 135 bis 137, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 16. März 2007, V/Parlament, T‑345/05 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 70 und 71). Daher hat das Gericht festgestellt, dass die Verbreitung von Verfahrensvorgängen durch eine Partei an dritte Personen in einem Fall, in dem diese Verfahrensvorgänge nicht für die Vertretung der Interessen dieser Partei übermittelt wurden, einen Verfahrensmissbrauch darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, Randnr. 139).

109    Dagegen ist es mit Art. 5 Abs. 3 und 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts vereinbar, dass eine Partei einer Rechtssache einem Sachverständigen die Einsichtnahme in einen Verfahrensvorgang gestattet, wenn dies dem Sachverständigen ermöglichen soll, ein Dokument für die Vertretung der Interessen dieser Partei anzufertigen, das ausschließlich für die Zwecke des Verfahrens verwendet wird.

110    Aus alledem folgt, dass die erste Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurückzuweisen ist.

–       Zur zweiten Unzulässigkeitseinrede: keine Stützung der ausdrücklich in der Erwiderung aufgeführten Argumente durch das Rechtsgutachten und fehlende Wiedergabe der Erläuterungen des Rechtsgutachtens in der Erwiderung

111    Die Kommission macht geltend, das streitige Gutachten könne nur insoweit berücksichtigt werden, als es die Argumente stütze, die ausdrücklich in der Erwiderung aufgeführt seien. Es enthalte jedoch Rechtsausführungen zur Zulässigkeit und keine unterstützenden oder ergänzenden Ausführungen zu den tatsächlichen oder rechtlichen Umständen, die ausdrücklich in der Erwiderung erwähnt würden. Darüber hinaus führe das Gutachten Argumente ein, die nicht in der Erwiderung enthalten seien.

112    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung jede Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte der beigefügten Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen wesentlicher Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen. Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    Diese Auslegung von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung gilt auch für die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erwiderung, die nach Art. 47 § 1 der Verfahrensordnung die Klageschrift ergänzen soll (vgl. Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    In der vorliegenden Rechtssache wird das streitige Gutachten in der Erwiderung nur zweimal erwähnt. Zunächst wird in der Erwiderung – ohne nähere Erläuterung – darauf hingewiesen, dass das Ergebnis, zu dem die Verfasser des streitigen Gutachtens nach der Prüfung der Zulässigkeit des zweiten und dritten Klageantrags gelangt seien, mit dem in der Erwiderung dargelegten Ergebnis übereinstimme, ohne auszuführen, auf welche speziellen Punkte dieser 13-seitigen Anlage Bezug genommen wird. Sodann heißt es in der Erwiderung, dass das streitige Gutachten die Aussage stütze, wonach das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, und der Schutz gegen willkürliche Eingriffe in die Sphäre der privaten Betätigung einer Person Grundrechte seien, die zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zählten. Folglich ist das streitige Gutachten nur in Bezug auf die zuletzt genannte Angabe zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. Mai 2007, Duales System Deutschland/Kommission, T‑151/01, Slg. 2007, II‑1607, Randnrn. 78 und 81).

 Zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen

115    Nach ständiger Rechtsprechung sind alle Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, durch die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigt werden, Handlungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG gegeben ist (Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9; und des Gerichts vom 18. Dezember 1992, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑10/92 bis T‑12/92 und T‑15/92, Slg. 1992, II‑2667, Randnr. 28).

116    Grundsätzlich sind daher Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen, keine anfechtbaren Handlungen. Zu den anfechtbaren Handlungen gehören nach der Rechtsprechung jedoch auch Maßnahmen im vorbereitenden Verfahren, die selbst ein besonderes Verfahren endgültig abschließen, das sich von dem, das der Kommission die Entscheidung in der Sache ermöglichen soll, unterscheidet, und die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die geeignet sind, die Interessen des Klägers dadurch zu beeinträchtigen, dass sie seine Rechtsstellung in eindeutiger Weise verändern (Urteil IBM/Kommission, oben in Randnr. 115 angeführt, Randnrn. 10 und 11, und Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2006, Österreichische Postsparkasse und Bank für Arbeit und Wirtschaft/Kommission, T‑213/01 und T‑214/01, Slg. 2006, II‑1601, Randnr. 65).

117    Die Kommission ist der Auffassung, dass die Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen unzulässig sind. Die streitigen Handlungen seien reine Durchführungshandlungen in Bezug auf die Nachprüfungsentscheidung und führten zu keiner eindeutigen Veränderung der Rechtsstellung der Klägerinnen.

118    Die Klägerinnen machen geltend, dass die streitigen Handlungen ihre Rechtsstellung wesentlich verändert hätten und ihre Grundrechte auf Wahrung der Privatsphäre und der Verteidigungsrechte schwer und irreversibel beeinträchtigt seien. Daher seien sie als anfechtbare Handlungen anzusehen. Erstens könne es sich bei diesen Handlungen nicht um Maßnahmen zur Durchführung der Nachprüfungsentscheidung handeln, da sie in der Nachprüfungsentscheidung nicht vorgesehen seien. Zweitens sei die Form einer Maßnahme für die Frage, ob sie verbindliche Rechtswirkungen erzeuge, unerheblich. Die streitigen Handlungen seien für die Klägerinnen jedoch verbindlich, da die Klägerinnen sie dulden müssten, um zu vermeiden, eine Erhöhung des Betrags der Geldbuße, die ihnen gegebenenfalls auferlegt würde, zahlen zu müssen oder gar mit Sanktionen belegt zu werden. Die Handlungen seien daher mit Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vergleichbar. Diese Vorschrift sehe die Anfechtbarkeit solcher Maßnahmen ausdrücklich vor. Drittens hätten die streitigen Handlungen die Möglichkeit der Klägerinnen gefährdet, sich bei Wettbewerbsprüfungen vor anderen Gerichten zu verteidigen. Viertens habe die Entscheidung, Kopien von mehreren Dateien und der Festplatte des Computers von Herrn C anzufertigen, Rechtswirkungen entfaltet, da diese Datenträger personenbezogene Daten – z. B. Mails, Adressen usw. – enthalten hätten, die durch das Recht auf Privatsphäre und das Briefgeheimnis geschützt seien.

119    Zunächst ist festzustellen, dass die streitigen Handlungen Zwischenmaßnahmen sind, die ausschließlich dazu dienen, den Erlass einer abschließenden Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG durch die Kommission vorzubereiten. Aufgrund dieser Handlungen fertigte die Kommission Kopien bestimmter Dateien an, die bei der Nachprüfung entdeckt worden waren, und erhielt Erklärungen zu bestimmten, ebenfalls bei der Nachprüfung entdeckten Dokumenten, um die Richtigkeit und die Tragweite einer Sach- und Rechtslage – das vermutete Kartell – zu überprüfen, für die sie bereits über Erkenntnisse verfügte, und um gegebenenfalls eine abschließende Entscheidung zu dieser Lage vorzubereiten.

120    Schließlich geht aus Art. 20 Abs. 2 Buchst. c und e der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass es sich sowohl bei der Anfertigung von Kopien oder Auszügen gleich welcher Art aus jeglichen Geschäftsunterlagen – unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen – des von einer Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung betroffenen Unternehmens sowie bei der Aufforderung an Mitarbeiter oder Vertreter dieses Unternehmens, Erläuterungen zu Unterlagen abzugeben, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, um Maßnahmen zur Durchführung der Nachprüfungsentscheidung handelt. Die Nachprüfungsentscheidung sah vor, dass Nexans France den Inspektoren erlauben sollte, diese Geschäftsunterlagen zu kopieren, und ihnen vor Ort „Erläuterungen zu Gegenstand und Zweck der Nachprüfung“ geben sollte (vgl. oben, Randnr. 3).

121    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, impliziert jede nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 angeordnete Nachprüfung eine Auswahl an Dokumenten, die zu prüfen und gegebenenfalls zu kopieren sind, sowie eine Auswahl von Fragen, die den Mitarbeitern oder Vertretern der betroffenen Unternehmen zu Gegenstand und Zweck der Nachprüfung zu stellen sind. Die Verpflichtung der Unternehmen, der Kommission das Kopieren der fraglichen Dokumente zu erlauben und ihre Mitarbeiter und Vertreter zur Abgabe der angeforderten Erläuterungen zu ermächtigen, beruht jedoch auf der Nachprüfungsentscheidung und nicht aufgrund einer anderen im Laufe der Nachprüfung erlassenen Maßnahme.

122    Auch aus dem Vergleich von Art. 18 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 2 Buchst. c und e der Verordnung Nr. 1/2003 lässt sich folgern, dass es sich beim Kopieren von Dokumenten und bei der Anforderung von Erläuterungen im Rahmen der Nachprüfungen um Maßnahmen zur Durchführung von Nachprüfungsentscheidungen handelt.

123    Erstens sieht Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nämlich vor, dass Auskunftsersuchen, die nach dieser Vorschrift an Unternehmen gerichtet werden, Gegenstand einer selbständigen Klage sein können. Dagegen enthält die Verordnung Nr. 1/2003 keinen entsprechenden Hinweis zu Erläuterungen, die im Rahmen von Nachprüfungen angefordert werden, und zu Dokumenten, die im Rahmen von Nachprüfungen kopiert werden.

124    Zweitens geht aus Art. 18 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass die Kommission nach dieser Vorschrift von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen kann, dass sie alle erforderlichen Auskünfte erteilen. Dagegen kann die Kommission nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. e der genannten Verordnung nur Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen.

125    Daher ist davon auszugehen, dass jede Kopie eines Dokuments und jede Formulierung einer Frage im Laufe einer Nachprüfung nicht als Maßnahmen angesehen werden können, die von der Nachprüfungsentscheidung getrennt werden können, sondern als Durchführungsmaßnahmen dieser Entscheidung anzusehen sind.

126    Wie schließlich die Kommission zu Recht geltend macht, könnte sie ohne Erlass einer Entscheidung nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 1/2003 die Klägerinnen nicht deshalb, weil sie sich geweigert hätten, ihr das Kopieren der fraglichen Dokumente zu erlauben und die von den Inspektoren an Herrn C gerichteten Fragen vollständig zu beantworten, mit einer Sanktion belegen. Diese Entscheidung, die sich von der Nachprüfungsentscheidung sowie der abschließenden Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG unterscheidet, könnte Gegenstand einer Klage sein, bei der das Gericht zu prüfen hätte, ob das Kopieren der betreffenden Dokumente sowie der Erhalt der von der Kommission gemäß den streitigen Handlungen angeforderten Erläuterungen die Grundrechte der Klägerinnen auf Wahrung der Privatsphäre und der Verteidigungsrechte beeinträchtigt hat, wie dies von den Klägerinnen geltend gemacht wird.

127    Die Klägerinnen tragen im Sinne der oben in Randnr. 116 angeführten Rechtsprechung vor, dass die streitigen Handlungen verbindliche Rechtswirkungen erzeugten, die geeignet seien, ihre Interessen dadurch zu beeinträchtigen, dass sie ihre Rechtsstellung in eindeutiger Weise veränderten, und, hilfsweise, dass die streitigen Handlungen selbst ein besonderes Verfahren endgültig abschlössen, das sich von dem, das der Kommission die Entscheidung in der Sache ermöglichen solle, unterscheide, und berufen sich auf das Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission (155/79, Slg. 1982, 1575), und das Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (T‑125/03 und T‑253/03, Slg. 2007, II‑3523).

128    In den Rechtssachen, die den in Randnr. 127 genannten Urteilen zugrunde lagen, hatten die Klägerinnen in Bezug auf bestimmte Dokumente, deren Vorlage die Kommission von ihnen im Laufe oder infolge einer Nachprüfung verlangt hatte, die nach der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, der Ersten Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), angeordnet worden war, gegenüber der Kommission geltend gemacht, dass diese Dokumente unter das Anwaltsgeheimnis fielen. In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, dass die Entscheidung, mit der die Kommission den Antrag auf Schutz der fraglichen Dokumente zurückwies, insoweit Rechtswirkungen gegenüber den betroffenen Unternehmen erzeugte, als sie ihnen einen vom Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Schutz verweigerte und endgültig und unabhängig von der abschließenden Entscheidung war, die einen Wettbewerbsverstoß feststellte (Urteil Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 127 angeführt, Randnr. 46; vgl. in diesem Sinne auch AM & S Europe/Kommission, oben in Randnr. 127 angeführt, Randnrn. 27 und 29 bis 32).

129    Die Klägerinnen haben jedoch bei Erlass der streitigen Handlungen nicht geltend gemacht, dass das Unionsrecht für die von der Kommission kopierten Dokumente oder die von ihr aufgrund der streitigen Handlungen erlangten Informationen einen vergleichbaren Schutz vorsehe wie für Informationen, die unter das Anwaltsgeheimnis fielen. Folglich hat die Kommission, als sie entschied, die Dokumente zu kopieren und von den Klägerinnen Informationen anzufordern, keine Entscheidung erlassen, mit denen sie den Klägerinnen einen solchen Schutz verweigerte.

130    Was die bei der Nachprüfung kopierten Dokumente betrifft, ist nämlich daran zu erinnern, dass die Klägerinnen die Originale entweder in Papierform oder in elektronischer Form behalten haben und sich über Art und Inhalt dieser Dokumente informieren können. Dennoch haben die Klägerinnen keine genauen Dokumente oder Teile von Dokumenten bezeichnet, die durch das Unionsrecht geschützt sind. Die Klägerinnen machen lediglich geltend, die Kommission sei nicht berechtigt gewesen, die Dokumente zu kopieren, um sie anschließend in ihren Räumlichkeiten zu prüfen. Nach Ansicht der Klägerinnen hätten die Dokumente in den Geschäftsräumen von Nexans France geprüft werden müssen, da die Kommission nur von Dokumenten, die für die Untersuchung maßgeblich gewesen seien, eine Kopie habe anfertigen dürfen. Somit ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, in bestimmte geschützte Dokumente Einsicht genommen oder diese kopiert zu haben, sondern dass sie ihr vorwerfen, diese Dokumente in den Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel und nicht in den Geschäftsräumen von Nexans France geprüft zu haben und sie bis zum Zeitpunkt der Prüfung aufbewahrt zu haben.

131    Was die Fragen betrifft, die Herrn C bei der Nachprüfung gestellt wurden, geht aus den Akten hervor, dass die Klägerinnen, die von ihren Anwälten begleitet wurden, keine Einwände dagegen erhoben, dass der Kommission die angeforderten Informationen geliefert würden. Daher konnte die Kommission bei der Formulierung dieser Fragen keine Entscheidung erlassen haben, mit der sie den Klägerinnen einen vom Unionsrecht vorgesehenen Schutz verweigerte.

132    Somit können die streitigen Handlungen nicht als anfechtbare Handlungen angesehen werden. Die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen könnte – abgesehen von der Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die in Randnr. 126 genannte Entscheidung über die Verhängung einer Sanktion – nur im Rahmen einer Klage gegen die von der Kommission nach Art. 81 Abs. 1 EG gegebenenfalls erlassene Endentscheidung geprüft werden. Die richterliche Überprüfung der Umstände, unter denen eine Nachprüfung durchgeführt worden ist, hat nämlich gegebenenfalls im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen die von der Kommission nach Art. 81 Abs. 1 EG erlassene Endentscheidung zu erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 413 und 414).

133    Im Übrigen können die Klägerinnen gegen die Kommission eine Klage wegen außervertraglicher Haftung erheben, wenn sie der Auffassung sind, dass die Maßnahmen, auf deren Grundlage die Kommission Kopien von mehreren Dateien und der Festplatte des Computers von Herrn C anfertigte, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in ihren Räumlichkeiten durchzusehen, und mit denen sie Herrn C aufforderte, Erläuterungen zu Dokumenten abzugeben, die sie bei der Nachprüfung entdeckt hatte, rechtswidrig sind und ihnen einen Schaden verursacht haben, der die Haftung der Union auslöst. Eine solche Klage ist nicht Bestandteil des Systems der Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Unionshandlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen, steht aber zur Verfügung, wenn eine Partei aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens eines Organs einen Schaden erlitten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, Slg. 2006, I‑7795, Randnrn. 82 und 83).

134    Somit sind die Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen für unzulässig zu erklären.

3.     Zum vierten bis siebten Klageantrag

135    Wie die Klägerinnen selbst darlegen, beantragen sie mit ihrem vierten bis siebten Klageantrag, dass sich das Gericht zu etwaigen Wirkungen einer Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung und der streitigen Handlungen äußert.

136    Somit begehren die Klägerinnen, wie die Kommission zu Recht geltend macht, dass das Gericht eine Feststellung über die Wirkungen eines etwaigen Nichtigkeitsurteils trifft, die auch eine Anordnung an die Kommission hinsichtlich der Umsetzung des Urteils darstellt. Da das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 230 EG nicht befugt ist, Feststellungsurteile zu fällen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 9. Dezember 2003, Italien/Kommission, C‑224/03, Slg. 2003, I‑14751, Randnrn. 20 bis 22) oder Anordnungen zu treffen, auch wenn sie sich auf die Modalitäten der Durchführung seiner Urteile beziehen (Beschluss des Gerichtshofs vom 26. Oktober 1995, Pevasa und Inpesca/Kommission, C‑199/94 P und C‑200/94 P, Slg. 1995, I‑3709, Randnr. 24), ist der Antrag der Klägerinnen für offensichtlich unzulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, Slg. 2009, II‑145, Randnr. 23).

137    Nach alledem ist die Nachprüfungsentscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie andere Stromkabel als Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betrifft. Im Übrigen ist die Klage zurückzuweisen.

 Kosten

138    Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

139    Da die Klägerinnen mit ihren Anträgen im Wesentlichen unterlegen sind, tragen sie neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Kommission.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung K(2009) 92/1 der Kommission vom 9. Januar 2009, mit der gegenüber der Nexans SA und allen von ihr unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen einschließlich der Nexans France SAS angeordnet wurde, eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln zu dulden, wird für nichtig erklärt, soweit sie andere Stromkabel als Hochspannungssee‑ und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betrifft.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Nexans und Nexans France tragen ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind.

4.      Die Kommission trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Truchot

Martins Ribeiro

Kanninen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. November 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Nachprüfungsentscheidung

Zum ersten Teil: zu weite und zu vage Formulierung des von der Nachprüfungsentscheidung betroffenen Warenspektrums

Vorbemerkungen

Zur ersten Rüge: Ungenauigkeit der Nachprüfungsentscheidung hinsichtlich der Eingrenzung der betroffenen Produkte

Zur zweiten Rüge: Vorliegen hinreichend ernsthafter Indizien für den Verdacht einer von den Klägerinnen begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nur für den Industriezweig der Hochspannungsseekabel

Zum zweiten Teil: übermäßige geografische Reichweite der Nachprüfungsentscheidung

2.  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen

Zur Zulässigkeit

Zur Zulässigkeit des Rechtsgutachtens in der Anlage zur Erwiderung

–  Zur ersten Unzulässigkeitseinrede: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 und 7 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts

–  Zur zweiten Unzulässigkeitseinrede: keine Stützung der ausdrücklich in der Erwiderung aufgeführten Argumente durch das Rechtsgutachten und fehlende Wiedergabe der Erläuterungen des Rechtsgutachtens in der Erwiderung

Zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Handlungen

3.  Zum vierten bis siebten Klageantrag

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 – Unkenntlich gemachte vertrauliche Angaben.