Language of document : ECLI:EU:C:2006:231

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTONIO TIZZANO

vom 6. April 20061(1)

Rechtssache C‑145/04

Königreich Spanien

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

unterstützt durch

Kommission der Europäischen Gemeinschaften


und

Rechtssache C‑300/04

Eman und Sevinger

gegen

College van burgemeester en wethouders van Den Haag

(Vorabentscheidungsersuchen des niederländischen Raad van State)

„Europäisches Parlament – Wahlen – Staatsangehörige von Drittstaaten, die ihren Wohnsitz in einem europäischen Gebiet haben – Gibraltar – Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die ihren Wohnsitz in einem mit der Gemeinschaft assoziierten überseeischen Gebiet haben – Aruba – Wahlrecht – Voraussetzungen“






Inhaltsverzeichnis

I – Rechtlicher Rahmen

A – Völkerrecht

B – Gemeinschaftsrecht

i) Die Unionsbürgerschaft

ii) Die Wahlen zum Europäischen Parlament

iii) Der territoriale Geltungsbereich des EG-Vertrags

C – Nationales Recht

In der Rechtssache C‑145/04

Das Statut von Gibraltar

EPRA 2003

In der Rechtssache C‑300/04

Die Verfassungsordnung des Königreichs der Niederlande

Das niederländische Wahlrecht

II – Sachverhalt und Verfahren

In der Rechtssache C‑145/04

In der Rechtssache C‑300/04

III – Rechtliche Prüfung

A – Vorbemerkungen

B – Rechtssache C‑145/04

Einführung

Zur ersten Rüge

i) Vorbemerkungen

ii) Zum Wahlrecht der Gemeinschaftsbürger bei den Europäischen Wahlen

iii) Zur Möglichkeit der Erstreckung des Wahlrechts auf Drittstaatsangehörige

iv) Zu den Bedingungen der Erstreckung dieses Rechts

v) Zu den Grenzen der Erstreckung des Wahlrechts

Zur zweiten Rüge

C – Rechtssache C‑300/04

Einführung

Zu den ersten vier Fragen

Zur fünften Frage

IV – Zu den Kosten in der Rechtssache C‑145/04

V – Ergebnis

1.        In der Rechtssache C‑145/04, die auf einer Klage gemäß Artikel 227 EG beruht, rügt das Königreich Spanien, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland das Gemeinschaftsrecht durch die Modalitäten verletzt habe, mit denen es die Teilnahme der Einwohner von Gibraltar an den Wahlen zum Europäischen Parlament ausgestaltet habe, insbesondere, dass es auch Personen habe wählen lassen, die in diesem Gebiet wohnten, jedoch nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaats seien und damit nicht die Unionsbürgerschaft besessen hätten.

2.        In der Rechtssache C‑300/04 hat der niederländische Raad van State mit Beschluss vom 13. Juli 2004 dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen danach vorgelegt, ob ein Mitgliedstaat (im konkreten Fall die Niederlande) Personen, die zwar seine Staatsbürgerschaft besäßen, jedoch in einem überseeischen Gebiet (im konkreten Fall Aruba) wohnten, das Gegenstand einer besonderen Assoziationsregelung mit der Gemeinschaft ist, das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament zubilligen müsse.

3.        Zwar weisen beide Rechtssachen offensichtlich Eigenheiten auf, doch halte ich es für angebracht, sie gemeinsam zu behandeln, weil ihnen, wie mir scheint, gemein ist, dass sie von zwar unterschiedlichen, um nicht zu sagen entgegengesetzten Standpunkten aus wichtige Fragen zum Recht der Wahlen zum Europäischen Parlament und insbesondere dazu aufwerfen, wer dieses Wahlrecht unter welchen Bedingungen ausüben kann.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Völkerrecht

4.        Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens sei insbesondere auf Artikel 3 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: ZP1) hingewiesen, der Folgendes bestimmt:

„Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, welche die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften gewährleisten.“

B –    Gemeinschaftsrecht

5.        Daneben sind drei Gruppen von Gemeinschaftsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft, über die Wahlen zum Europäischen Parlament und über den territorialen Anwendungsbereich des EG-Vertrags einschlägig.

i)      Die Unionsbürgerschaft

6.        Artikel 17 EG lautet:

„(1)      Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht.

(2)      Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten.“

7.        Dabei wird „die Frage, welchem Mitgliedstaat eine Person angehört, allein durch Bezug auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats geregelt. Die Mitgliedstaaten können zur Unterrichtung in einer Erklärung gegenüber dem Vorsitz angeben, wer für die Zwecke der Gemeinschaft als ihr Staatsangehöriger anzusehen ist, und ihre Erklärung erforderlichenfalls ändern“(2).

8.        Artikel 19 Absatz 2 EG sieht vor:

„Unbeschadet des Artikels 190 Absatz 4 und der Bestimmungen zu dessen Durchführung besitzt jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats. Dieses Recht wird vorbehaltlich der Einzelheiten ausgeübt, die vom Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments festgelegt werden; in diesen können Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, wenn dies aufgrund besonderer Probleme eines Mitgliedstaats gerechtfertigt ist.“(3)

ii)     Die Wahlen zum Europäischen Parlament

9.        Artikel 189 Absatz 1 EG bestimmt:

„Das Europäische Parlament besteht aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten; es übt die Befugnisse aus, die ihm nach diesem Vertrag zustehen.“

10.      Artikel 190 EG fügt hinzu:

„(1)      Die Abgeordneten der Völker der in der Gemeinschaft vereinigten Staaten im Europäischen Parlament werden in allgemeiner unmittelbarer Wahl gewählt.

(4)      Das Europäische Parlament arbeitet einen Entwurf für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten oder im Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen aus.

Der Rat erlässt nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, die mit der Mehrheit seiner Mitglieder erteilt wird, einstimmig die entsprechenden Bestimmungen und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.“

11.      Um allgemeine unmittelbare Wahlen zum Europäischen Parlament (damals als Versammlung bezeichnet) zu ermöglichen, wurde der Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten 76/787/EGKS, EWG, Euratom vom 20. September 1976 mit dem „Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung“(4), zuletzt geändert durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom des Rates(5) (im Folgenden: Akt von 1976), erlassen. Mit diesem Beschluss wurde jedoch kein einheitliches Wahlverfahren, sondern nur einige „allen Mitgliedstaaten gemeinsame Grundsätze“ eingeführt, die u. a. das Verhältniswahlsystem (Artikel 1), die Dauer der Wahlperiode (Artikel 3), die Unvereinbarkeiten der Abgeordneten (Artikel 6), den Zeitraum, in dem Wahlen stattfinden (Artikel 10), und den Zeitpunkt des Beginns der Auszählung (Artikel 11) betreffen.

12.      In Bezug auf die „Aspekte, die nicht durch diesen Beschluss geregelt sind“, steht es den Mitgliedstaaten frei, „ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“ (Begründungserwägung 1 des Beschlusses 2002/772).

13.      Artikel 8 des Aktes von 1976 bestimmt nämlich:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Akts bestimmt sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften.

Diese innerstaatlichen Vorschriften, die gegebenenfalls den Besonderheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen können, dürfen das Verhältniswahlsystem insgesamt nicht in Frage stellen.“

14.      Schließlich bestimmt Anhang II des Aktes von 1976:

„Das Vereinigte Königreich wird die Vorschriften dieses Akts nur auf das Vereinigte Königreich anwenden.“

iii)  Der territoriale Geltungsbereich des EG-Vertrags

15.      Artikel 299 EG legt den territorialen Geltungsbereich des EG-Vertrags fest und bestimmt allgemein, dass dieser in den Mitgliedstaaten gilt (Absatz 1).

16.      Hier von Bedeutung ist insbesondere Artikel 299 Absätze 3 und 4:

„(3)      Für die in Anhang II zu diesem Vertrag aufgeführten überseeischen Länder und Hoheitsgebiete gilt das besondere Assoziierungssystem, das im Vierten Teil dieses Vertrags festgelegt ist.

(4)      Dieser Vertrag findet auf die europäischen Hoheitsgebiete Anwendung, deren auswärtige Beziehungen ein Mitgliedstaat wahrnimmt.

…“

17.      Für die Zwecke der Rechtssache C‑145/04 sei noch daran erinnert, dass Gibraltar ein europäisches Hoheitsgebiet darstellt, dessen auswärtige Beziehungen das Vereinigte Königreich wahrnimmt; daher gilt der Vertrag gemäß Artikel 299 Absatz 4 EG grundsätzlich in Gibraltar(6).

18.      Für die Zwecke der Rechtssache C‑300/04 sei dagegen darauf hingewiesen, dass Aruba ein überseeisches Hoheitsgebiet im Sinne von Artikel 299 Absatz 3 EG ist, das in Anhang II des Vertrages aufgeführt ist.

C –    Nationales Recht


 In der Rechtssache C‑145/04

 Das Statut von Gibraltar

19.      Der König von Spanien trat gemäß Artikel X des Vertrages von Utrecht von 1713 Gibraltar an die britische Krone ab. Seit 1830 hat Gibraltar den Status einer Crown Colony (British Overseas Territory)(7). Für die Stadt gilt bekanntlich die Gibraltar Constitution Order 1969, die sie in ihrer Präambel als „part of Her Majesty’s dominions“ definiert. Trotz einer umfangreichen Übertragung von Selbstregierungsbefugnissen an demokratisch gewählte lokale Einrichtungen verbleiben der Krone die Zuständigkeiten im Bereich der Außenpolitik, der Verteidigung und der öffentlichen Sicherheit.

 EPRA 2003

20.      Am 8. Mai 2003 erließ das Vereinigte Königreich den European Parliament (Representation) Act 2003 (im Folgenden: EPRA 2003).

21.      Um auch den Einwohnern Gibraltars die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu ermöglichen (aus den Gründen, die ich in den Nrn. 31 ff. behandeln werde), führte Section 9 dieses Gesetzes einen Wahlbezirk (d. h. einen kombinierten Wahlbezirk [Combined Region]) ein, der Gibraltar und einen bestehenden Wahlbezirk in England oder Wales umfasst. Konkret hat dann die European Parliamentary Elections (Combined Region and Campaign Expenditure) (United Kingdom and Gibraltar) Order 2004 Gibraltar dem Wahlbezirk Südwest-England angegliedert(8).

22.      Zum selben Zweck schufen Section 14 und 15 für Gibraltar ein eigenes Wählerverzeichnis, das von einem örtlichen Beamten (dem Clerk of the House of Assembly of Gibraltar) geführt wird und in das die Wahlberechtigten aufzunehmen sind, die sich an den Wahlen beteiligen wollen.

23.      Im Sinne von Section 16 (1) haben Anspruch auf Aufnahme in das Verzeichnis Personen, die kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

–        Sie haben ihren Wohnsitz in Gibraltar;

–        ihnen ist das Wahlrecht nicht aberkannt worden;

–        sie haben das 18. Lebensjahr vollendet;

–        und sie sind Bürger der Europäischen Union oder Bürger des Commonwealth, die besondere Voraussetzungen erfüllen („Qualifying Commonwealth Citizens“, im Folgenden: QCC).

24.      Gemäß Section 16 (5) sind QCC Personen,

–        die nach dem Recht von Gibraltar nicht über einen Ausweis oder eine Erlaubnis für die Einreise nach Gibraltar und den Aufenthalt in Gibraltar verfügen müssen;

–        die über einen Ausweis oder eine Erlaubnis verfügen, die sie zur Einreise nach Gibraltar und zum Aufenthalt in Gibraltar berechtigt (oder die nach dem Recht von Gibraltar Anspruch auf einen solchen Ausweis oder eine solche Erlaubnis haben).

25.      QCC sind keine Bürger des Vereinigten Königreichs.

 In der Rechtssache C‑300/04

 Die Verfassungsordnung des Königreichs der Niederlande

26.      Das Königreich der Niederlande besteht aus drei Gebietskörperschaften, von denen jede über eine eigene Verfassung verfügt und eigene Institutionen hat. Es handelt sich um die Niederlande, die Niederländischen Antillen und Aruba.

27.      Im Königreich der Niederlande besteht jedoch eine einheitliche Staatsangehörigkeit, die alle Bürger des Königreichs besitzen, nämlich die niederländische Staatsangehörigkeit.

 Das niederländische Wahlrecht

28.      Im Königreich der Niederlande werden die Wahlen zum Europäischen Parlament nur in der Festlandsregion (den Niederlanden) und nicht auch in den Inselregionen (den Antillen und Aruba) abgehalten. Das Wahlverfahren regelt sich nach der Nederlandse Kieswet (niederländisches Wahlgesetz), das die Wahlberechtigung durch Verweisung auf die Bestimmungen zu den nationalen Parlamentswahlen festlegt.

29.      Für die Wahlen zum Nationalparlament der Niederlande bestimmt Artikel B1:

„1.      Die Mitglieder der Zweiten Kammer der Generalstaaten werden unter den Personen gewählt, die am Tag der Einreichung der Kandidaturen niederländische Staatsangehörige sind und die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, mit Ausnahme derjenigen, die am Tag der Einreichung der Kandidatur ihren tatsächlichen Wohnsitz auf den niederländischen Antillen oder in Aruba hatten.

2.      Diese Ausnahme gilt nicht für:

a)      niederländische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz mindestens zehn Jahre lang in den Niederlanden gehabt haben;

b)      niederländische Staatsangehörige, die auf den Niederländischen Antillen oder auf Aruba im niederländischen öffentlichen Dienst tätig sind, sowie ihre niederländischen Ehegatten, ihre registrierten Partner oder ihre Lebensgefährten und Kinder, sofern diese mit ihnen einen gemeinschaftlichen Haushalt führen.“

30.      Für die Wahlen zum Europäischen Parlament sieht Artikel Y3 Folgendes vor:

„Wahlberechtigt sind:

a)      Personen, die bei den Wahlen zur zweiten Kammer der Generalstaaten wahlberechtigt sind;

b)      Personen, die nicht niederländische Staatsangehörige, sondern Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, sofern sie:

1.      am Tag der Einreichung der Kandidatur ihren tatsächlichen Wohnsitz in den Niederlanden haben,

2.      am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und

3.      weder in den Niederlanden noch in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörige sie sind, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.“

II – Sachverhalt und Verfahren

 In der Rechtssache C‑145/04

31.      Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat aufgrund der Klage einer britischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Gibraltar mit Urteil vom 18. Februar 1999 festgestellt, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen Artikel 3 ZP1 verstoßen habe, dass es in Gibraltar die Wahlen zum Europäischen Parlament nicht veranstaltet habe(9).

32.      Das Vereinigte Königreich wollte diesem Urteil nachkommen und schlug 2002 eine Änderung des Anhangs II des Aktes von 1976 vor, der, wie wir gesehen haben (vgl. oben, Nr. 14), das Vereinigte Königreich verpflichtet, die Vorschriften dieses Aktes nur auf das Vereinigte Königreich anzuwenden.

33.      Der energische Widerspruch Spaniens verhinderte jedoch die Billigung des britischen Vorschlags.

34.      In der Tagung des Rates vom 18. Februar 2002 ließ das Vereinigte Königreich die folgende Erklärung zu Protokoll nehmen, die der Rat und die Kommission zur Kenntnis genommen haben:

„Unter Hinweis auf Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union – ‚Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben‘ – wird das Vereinigte Königreich daher dafür Sorge tragen, dass die notwendigen Änderungen vorgenommen werden, um den Wählern Gibraltars die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament als Teil der Wähler eines bestehenden Wahlbezirks des Vereinigten Königreichs und zu den für diese geltenden Bedingungen zu ermöglichen, um seiner Pflicht zu genügen, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Rechtssache Matthews/Vereinigtes Königreich entsprechend dem Recht der EU umzusetzen.“(10)

35.      Nach der Abgabe dieser Erklärung erließ das Vereinigte Königreich den (oben, Nrn. 20 ff.) dargestellten EPRA 2003.

36.      Das Königreich Spanien wandte hiergegen ein, dass dieses Gesetz wegen der dort vorgesehenen Modalitäten der Teilnahme der Einwohner Gibraltars an den Wahlen zum Europäischen Parlament und insbesondere deshalb gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, weil es auch Personen, die ihren Wohnsitz in diesem Gebiet hätten, jedoch nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats und damit die Unionsbürgerschaft besäßen, zur Wahl zulasse.

37.      Da diesen Einwänden keine Folge gegeben wurde, hat Spanien am 28. Juli 2003 gemäß Artikel 227 EG die Kommission befasst.

38.      Diese gab den beteiligten Staaten Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren und gab daraufhin die folgende Erklärung ab:

„Nach eingehender Prüfung der Beschwerde Spaniens und nach einer Anhörung am 1. Oktober ist die Kommission der Auffassung, dass das Vereinigte Königreich die Erstreckung des Wahlrechts auf Personen mit Wohnsitz in Gibraltar im Rahmen des Ermessens vorgenommen hat, das den Mitgliedstaaten derzeit nach Gemeinschaftsrecht zusteht. Allerdings sieht die Kommission angesichts des heiklen Charakters der zugrunde liegenden bilateralen Frage in dieser Phase vom Erlass einer mit Gründen versehenen Stellungnahme im Sinne von Artikel 227 des Vertrages ab und fordert die Parteien auf, eine gütliche Lösung zu finden.“(11)

39.      Spanien war mit der Erklärung der Kommission nicht zufrieden und hat daher mit Klageschrift, die am 18. März 2004 eingegangen ist, beim Gerichtshof Klage mit dem Antrag erhoben,

„festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 189 EG, 190 EG, 17 EG und 19 EG sowie aus dem Akt von 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 verstoßen hat, dass es den European Parliament (Representation) Act 2003 erlassen hat“.

40.      Der Präsident des Gerichtshofes hat mit Beschluss vom 8. September 2004 in der Rechtssache C‑145/04 die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Vereinigten Königreichs zugelassen.

41.      Die Regierungen Spaniens und des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission haben in der Sitzung des Gerichtshofes vom 5. Juli 2005 mündlich verhandelt.

 In der Rechtssache C‑300/04

42.      Die Kläger Eman und Sevinger sind niederländische Staatsangehörige, die ihren tatsächlichen Wohnsitz auf der Insel Aruba haben.

43.      Da sie an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen wollten, beantragten sie am 31. März 2004 ihre Eintragung im entsprechenden Wahlregister in den Niederlanden.

44.      Das College van burgemeester en wethouders van Den Haag lehnte mit Bescheid vom 3. Mai 2004 diesen Antrag gestützt auf Artikel B1 Absätze 1 und 2 sowie Artikel Y3 Buchstabe a der Kieswet ab, da die Kläger zwar niederländische Staatsbürger seien, jedoch ihren tatsächlichen Wohnsitz auf Aruba hätten und nicht mindestens 10 Jahre lang in den Niederlanden gewohnt hätten.

45.      Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 28. Mai 2004 Klage beim Raad van State; zur Begründung machten sie geltend, dass das niederländische Wahlgesetz gegen die Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union in ihrer Auslegung entsprechend Artikel 3 ZP1 verstoße. Diese Bestimmungen hätten das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament allen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, einschließlich derjenigen zuerkannt, die ihren Wohnsitz in den überseeischen Ländern und Gebieten (im Folgenden auch: ÜLG) hätten.

46.      Der Raad van State konnte zwar nicht vor der Abhaltung der Europäischen Wahlen von Juni 2004 entscheiden, hat jedoch gleichwohl dem Gerichtshof fünf Fragen vorgelegt, um seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Kläger von der Wahl darzulegen (vgl. für den Wortlaut, unten, Nr. 137).

47.      Ferner hat er den Gerichtshof mit Schreiben vom 13. Juli 2004 im Hinblick auf die mögliche Anberaumung einer Volksabstimmung über den Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa(12) in den Niederlanden unter Berücksichtigung der Gefahr eines Ausschlusses der Kläger auch von dieser Volksbefragung gebeten, die Vorlagefragen im beschleunigten Verfahren gemäß Artikel 104a der Verfahrensordnung zu prüfen.

48.      Der Präsident des Gerichtshofes hat diesen Antrag mit Beschluss vom 23. August 2004 zurückgewiesen, da er einen Bereich (die Bedingungen für die Teilnahme an der Volksabstimmung über die Verfassung) betreffe, der nichts mit der Hauptsache (die das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament betreffe) zu tun habe, und ein Ereignis (die Verabschiedung eines Gesetzes über die Anberaumung dieser Volksabstimmung) zur Voraussetzung habe, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten war.

49.      Mit Schreiben vom 22. Februar 2005 hat der Raad van State den Gerichtshof vom Inkrafttreten des Gesetzes über die konsultative Volksabstimmung über den Vertrag über eine Verfassung für Europa(13) unterrichtet und daher erneut beantragt, die aufgeworfenen Fragen im beschleunigten Verfahren zu prüfen. Das neue Gesetz bestimmte entsprechend dem Gesetz über die Wahlen zum Europäischen Parlament in der Tat, dass an der Volksabstimmung nur Personen teilnehmen könnten, die das Wahlrecht bei den Wahlen zum nationalen Parlament der Niederlande besäßen.

50.      Da der Antrag auf das beschleunigte Verfahren gleichwohl einen Bereich betraf, der nichts mit der Hauptsache zu tun hatte, hat der Präsident des Gerichtshofes mit Beschluss vom 18. März 2005 auch diesen zweiten Antrag zurückgewiesen.

51.      In der Rechtssache C‑300/04 haben die niederländische, die französische, die spanische und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

52.      In der Sitzung vom 5. Juli 2005 haben der Kläger Eman, die niederländische, die französische, die spanische und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

III – Rechtliche Prüfung

A –    Vorbemerkungen

53.      Wie ausgeführt, weisen die Rechtssachen C‑145/04 und C‑300/04 neben je spezifischen Problemen einige gemeinsame Gesichtspunkte auf, die ich gemeinsam behandeln werde.

54.      Denn in der Rechtssache C‑145/04, die auf einer Klage Spaniens gemäß Artikel 227 EG beruht, ist der Gerichtshof aufgerufen, u. a. zu entscheiden, ob das Vereinigte Königreich berechtigt war, Personen, die ihren Wohnsitz in Gibraltar (einem europäischen Gebiet, in dem das Gemeinschaftsrecht Anwendung findet) haben, jedoch nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats und damit die Unionsbürgerschaft besitzen, das Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen zu gewähren. Umgekehrt möchte das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑300/04 wissen, ob ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, Personen das Wahlrecht zu gewähren, die die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzen und damit Unionsbürger sind, ihren Wohnsitz jedoch in einem Gebiet wie Aruba haben, bei dem es sich um ein überseeisches Gebiet handelt, für das eine spezielle Assoziationsregelung mit der Gemeinschaft gilt.

55.      Beide Rechtssachen erfordern daher, wenn auch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, die Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Unionsbürgerschaft und die Wahl zum Europäischen Parlament insbesondere mit Bezug auf die Verleihung und die Ausübung des entsprechenden Wahlrechts.

B –    Rechtssache C‑145/04


 Einführung

56.      Diese Rechtssache ist Teil des jahrelangen Streits zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich über die Herrschaft über Gibraltar und bildet in gewissem Sinne die natürliche Folge des Urteils Matthews des EGMR (vgl. oben, Nr. 31). In diesem Urteil hat der EGMR, wie ausgeführt, der Klage einer in Gibraltar wohnhaften britischen Staatsangehörigen stattgegeben und festgestellt, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen Artikel 3 ZP1 verstoßen habe, dass es die Wahlen zum Europäischen Parlament nicht in Gibraltar veranstaltet habe.

57.      Dabei hat der EGMR ausgeführt, dass das Europäische Parlament aufgrund der vom Vertrag von Maastricht eingeführten Änderungen „so weitgehend in das spezifische Gesetzgebungsverfahren, das zum Erlass der Rechtsakte nach Artikel 189b und Artikel 189c EG [jetzt Artikel 251 EG und 252 EG] führt, und in die allgemeine demokratische Überwachung der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften eingebunden ist, dass es Teil des ‚Gesetzgebers‘(14)“ für Gebiete wie Gibraltar darstellt, in dem die unter maßgeblichem Einfluss dieses Parlaments erlassenen Rechtsakte „unmittelbaren Einfluss“(15) in dem Sinne haben, dass sie „unmittelbare Wirkung“ entfalten, indem sie die örtliche Bevölkerung in der gleichen Weise wie die von den örtlichen gesetzgebenden Versammlungen verabschiedeten Rechtsakte „betreffen“(16).

58.      Aus diesem Grund, so hat der EGMR weiter ausgeführt, hätten die Europäischen Wahlen auch in Gibraltar veranstaltet werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, „wurde der Klägerin als Bewohnerin von Gibraltar jede Möglichkeit genommen, bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen“. Damit, so schloss der EGMR, wurde „das Wahlrecht, das der Klägerin durch Artikel 3 ZP1 gewährleistet ist, in seinem Wesensgehalt verletzt“(17).

59.      Aufgrund dieses Urteils hat sich das Vereinigte Königreich, wie wir gesehen haben (Nr. 34), mit einer Erklärung vom 18. Februar 2002 verpflichtet, alles Notwendige zu unternehmen, „um den Wählern Gibraltars die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament als Teil der Wähler eines bestehenden Wahlbezirks im Vereinigten Königreich und zu den für diese geltenden Bedingungen zu ermöglichen“.

60.      Nicht nur, aber auch als Folge dieser Erklärung erließ es sodann den EPRA 2003. Mit diesem Gesetz wurde, wie wir gesehen haben (vgl. oben, Nrn. 20 ff.), ein neuer Wahlbezirk eingeführt, der Gibraltar und einen bestehenden Wahlbezirk in England oder Wales umfasst (sog. kombinierter Wahlbezirk); es wurde ein eigenes Wählerverzeichnis geschaffen, das von einem örtlichen Beamten (dem „Clerk of the House of Assembly of Gibraltar“) geführt wird und in dem die Wahlberechtigten einzutragen sind. Zu diesen gehören auch die so genannten QCC („Qualifying Commonwealth Citizens“), also die Bürger der Commonwealth-Staaten, die für die Einreise nach Gibraltar und den Aufenthalt in Gibraltar keinen Ausweis und keine Erlaubnis benötigen oder die einen Ausweis oder eine Erlaubnis für die Einreise nach Gibraltar besitzen (vgl. oben, Nr. 24).

61.      Gegen den EPRA 2003 erhebt die spanische Regierung in ihrer Klage gemäß Artikel 227 EG zwei Rügen:

–        mit der ersten Rüge macht sie geltend, dass die Erstreckung des Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament auf Personen wie die QCC, die keine Staatsbürger des Vereinigten Königreichs seien, gegen die Artikel 17 EG, 19 EG, 189 EG und 190 EG verstoße;

–        mit der zweiten Rüge greift sie diese Erstreckung und die Aufnahme Gibraltars in einen bestehenden Wahlbezirk in England oder Wales unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Anhang II des Aktes von 1976 und gegen die Verpflichtungen an, die das Vereinigte Königreich mit der Erklärung vom 18. Februar 2002 übernommen habe (vgl. oben, Nr. 34).

 Zur ersten Rüge

i)      Vorbemerkungen

62.      Mit dieser Rüge macht die spanische Regierung geltend, dass die Artikel 17 EG, 19 EG, 189 EG und 190 EG bei systematischer Betrachtung das Wahlrecht nur Bürgern der Europäischen Union zubilligten und es daher den Mitgliedstaaten untersagten, es auf andere Personen zu erstrecken. Daraus folge, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen diese Bestimmungen verstoßen habe, dass es das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament Personen wie den QCC zugebilligt habe, die nicht seine Staatsbürger seien.

63.      Die britische Regierung hält dem entgegen, dass die Entscheidung über die fragliche Wahlberechtigung ausschließlich Sache der Mitgliedstaaten sei. Bei den Europäischen Wahlen fänden bei allen „Aspekten, die nicht durch diesen Beschluss geregelt sind“, die „nationalen Vorschriften“ der einzelnen Mitgliedstaaten Anwendung (vgl. erste Begründungserwägung des Beschlusses 2002/772 und Artikel 8 des Aktes von 1976). In Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung sei es daher Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, wer an europäischen Abstimmungen teilnehmen könne, und damit auch diese Teilnahme auf Personen wie die QCC zu erstrecken, die Staatsangehörige von Drittstaaten seien. Kurz, es handele sich um die rechtmäßige Ausübung des Ermessens, das das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang zubillige.

64.      Mit der spanischen Regierung und der Kommission kann ich mich der Auffassung nicht vollständig anschließen, dass die Mitgliedstaaten im untersuchten Bereich völlige Freiheit hätten. Obwohl nämlich die Regelung dieses Gebietes bis jetzt recht beschränkt ist, lassen sich dem Gemeinschaftsrecht einige bestimmte zweckdienliche Anhaltspunkte und insbesondere einige Beschränkungen der Befugnis der Mitgliedstaaten entnehmen, das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament zu verleihen (oder nicht zu verleihen).

65.      Diese Anhaltspunkte gehen meines Erachtens in zwei Richtungen: positiv in dem Sinne, dass der Freiheit der Mitgliedstaaten, dieses Recht zu versagen, Grenzen gezogen werden; negativ in dem Sinne, dass ihrer Freiheit, es zuzubilligen, Grenzen gesetzt werden.

66.      Obwohl in dieser Rechtssache (im Unterschied zur Rechtssache C‑300/04) im Wesentlichen der zweite Fall erheblich ist, möchte ich mich kurz auch zum ersten Fall verhalten, um die Untersuchung beider Fälle (und beider Rechtssachen) im Rahmen einer umfassenderen Würdigung des Systems und der Grundsätze zu behandeln, die ihm zugrunde liegen.

ii)    Zum Wahlrecht der Gemeinschaftsbürger bei den Europäischen Wahlen

67.      Daher möchte ich mit den Grenzen im positiven Sinne beginnen und stelle fest, dass sich aus der Gesamtheit der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze und Normen und damit auch entgegen etwa anders lautenden nationalen Bestimmungen unmittelbar die Verpflichtung ableiten lässt, das in Rede stehende Wahlrecht Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und daher Unionsbürgern zuzubilligen.

68.      Tatsächlich besagt keine Gemeinschaftsbestimmung offen und direkt, dass dieses Recht zu denen gehört, die die Unionsbürger nach Artikel 17 Absatz 2 EG haben. Allerdings setzt Artikel 19 Absatz 2 EG die Zubilligung des Rechts an die Unionsbürger in gewisser Weise dadurch voraus, dass er den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats das Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, unter denselben Bedingungen zubilligt wie den Staatsangehörigen dieses Staates. Weiter ließen sich hierfür Artikel 189 EG und 190 EG anführen, nach denen das Europäische Parlament aus Vertretern der „Völker“ und daher (zumindest) der Bürger „der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten“ besteht.

69.      Von diesen und anderen Anhaltspunkten abgesehen, dürfte sich das aktive Wahlrecht bei Europäischen Wahlen für die Bürger der Union vor allem aus den Grundsätzen der Demokratie, auf denen diese beruht(18), und insbesondere, um die Worte des EGMR zu übernehmen, aus dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl ergeben, der „zum Grundprinzip“ moderner demokratischer Staaten geworden ist(19) und auch im Gemeinschaftsrecht in Artikel 190 Absatz 1 EG und Artikel 1 des Aktes von 1976 kodifiziert wurde, nach denen die Mitglieder des Europäischen Parlaments „in allgemeiner und unmittelbarer Wahl“ gewählt werden. Diese Regel spricht in der Tat für die Zubilligung des Wahlrechts „an so viele Personen wie möglich“(20), und damit wenigstens grundsätzlich an alle in der staatlichen Gemeinschaft vereinigten Personen.

70.      Diesem Grundsatz entspricht es auch, dass das in Rede stehende Recht durch die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere durch Artikel 3 ZP1, garantiert wird, wonach sich die „Hohen Vertragsparteien verpflichten …, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, welche die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften gewährleisten“. Es handelt sich daher um „eines der wesentlichen Instrumente, die die Erhaltung einer ‚wirklichen politischen Demokratie‘ erlauben(21), genauer um ein „subjektives Recht“, das „für die Errichtung und Beibehaltung der Grundlagen einer wirklichen rechtsstaatlichen Demokratie elementar ist“(22).

71.      Ich glaube daher, sagen zu können, dass die Unionsbürger bereits nach den erwähnten Grundprinzipien und Bestimmungen(23) sozusagen „geborene“ Inhaber des Wahlrechts für die Wahlen zum Europäischen Parlament in dem Sinne sind, dass sie zumindest grundsätzlich alle dieses Recht beanspruchen können. Dies gilt jedoch unbeschadet der einschlägigen üblichen rechtlichen Beschränkungen (Alter, Wohnsitz, Wählbarkeitsvoraussetzungen, Unvereinbarkeiten usw.) sowie gegebenenfalls von Sonderfällen (wie die im Folgenden behandelten: vgl. unten, Nr. 153).

iii) Zur Möglichkeit der Erstreckung des Wahlrechts auf Drittstaatsangehörige

72.      Ich gehe nun zu den negativen Beschränkungen über, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben.

73.      In der vorliegenden Rechtssache leitet die spanische Regierung aus der Rechtslage einen Anhaltspunkt dieser Art ab. Insbesondere macht sie geltend, dass die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt seien, das Wahlrecht Personen zu gewähren, die (wie im vorliegenden Fall die QCC) nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats und damit nicht die Unionsbürgerschaft besäßen.

74.      Sie beruft sich hierfür auf die wiederholt erwähnten Artikel 17 EG, 19 EG, 189 EG und 190 EG sowie den Anhang II des Aktes von 1976. Ich muss jedoch klarstellen, dass die erwähnten Artikel des EG‑Vertrags im Zusammenhang mit der ersten Rüge, Anhang II aber im Rahmen der zweiten Rüge erwähnt wurden. Im folgenden Teil der Erörterung werde auch ich diese Unterscheidung beibehalten, nicht nur wegen der Gliederung der Klage, sondern auch und vor allem, weil, wie wir sehen werden, die Fragestellung in beiden Fällen und ihre Beantwortung sie unterscheiden.

75.      Erstens führt also die spanische Regierung aus, dass Artikel 17 EG, wonach Unionsbürger sei, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitze, und die Letztgenannten die im EG-Vertrag vorgesehenen Rechte hätten, einen engen Zusammenhang zwischen der Unionsbürgerschaft und der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats einerseits und dem Genuss der im EG-Vertrag vorgesehenen Rechte andererseits herstelle. Wegen dieses Zusammenhangs könne das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament nur den Unionsbürgern zustehen. Dieser Zusammenhang werde auch durch Artikel 19 Absatz 2 EG bestätigt, der nur den „Unionsbürgern“ das aktive Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen in dem Mitgliedstaat gewähre, dessen Staatsangehörige sie nicht seien, in dem sie aber ihren Wohnsitz hätten.

76.      Zweitens, so fährt die spanische Regierung fort, sähen die Artikel 189 EG und 190 EG zwar vor, dass das Europäische Parlament aus Vertretern der „Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten“ bestehe, doch sei damit nicht allgemein die Bevölkerung gemeint, die in einem bestimmten Gebiet wohne, sondern die Personen, die die gleiche Staatsangehörigkeit teilten, nämlich die Bürger dieser Staaten. Die Verwendung des Begriffes „Volk“ im Sinne von „Nation“ in vielen Verfassungen der Mitgliedstaaten sei dafür der klare Beweis.

77.      Unabhängig von der besonderen Frage der QCC (bei der ich, wie wir im Folgenden sehen werden, die spanischen Einwände für berechtigt halte) glaube ich nicht, dass sich aus den allgemeinen Prinzipien und Bestimmungen des EG-Vertrags ableiten lässt, dass eine Erweiterung des Wahlrechts über den Kreis der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten hinaus ausgeschlossen wäre, wie die spanische Regierung vorträgt. Ich will das erläutern.

78.      Wenig überzeugend erscheint mir in dieser Hinsicht, um damit zu beginnen, der Schluss, den, wie wir gerade gesehen haben, diese Regierung aus der Wendung „Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen bzw. vereinigten Staaten“ in den Artikeln 189 EG und 190 EG zieht.

79.      Sehr zweifelhaft ist zunächst der Versuch, jenem Ausdruck den Sinn einer sozusagen ideologischen Entscheidung beizumessen, indem der Begriff „Volk“, der in diesen Artikeln verwendet wird, mit dem Begriff der „Nation“ („nazione“) identifiziert wird. Ohne längere theoretische Ausführungen möchte ich nur bemerken, dass unter „Nation“ („nazione“) gewöhnlich unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum selben Staat (und daher unabhängig von ihrer Stellung als dessen Bürger) die Gesamtheit der Individuen verstanden wird, die untereinander durch gemeinsame Traditionen, Kultur, Sprache, Volkszugehörigkeit, Religion u. a. verbunden sind. Das kann aber offensichtlich nicht die Bedeutung sein, mit der die erwähnten Artikel des EG-Vertrags den Begriff „Volk“ verbinden. Sonst müssten nämlich unter diesen Begriff auch Personen fallen, die nicht Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, da zur „Nation“ („nazione“) alle Personen gehören, die die erwähnten Gemeinsamkeiten haben, auch wenn sie aus historisch-politischen Gründen anderen Staaten angehören. Zum anderen müssten diejenigen Personen (oder sogar ganzen Gemeinschaften!) ausgeschlossen werden, die nicht der „Nation“ („nazione“) angehören, auch wenn sie Bürger des Staates sind (ich denke beispielsweise an völkische und sprachliche Minderheiten). Dies ist ganz offensichtlich und abgesehen von allen anderen Erwägungen nicht das mit dem EG-Vertrag gewollte Ergebnis, und auch nicht das, was in der Praxis geschieht; ich glaube auch nicht, dass die klagende Regierung dieses Ergebnis anstrebt.

80.      Wenn also dem Ausdruck „Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen bzw. vereinigten Staaten“ eine bestimmte rechtliche Bedeutung zukommen soll (was ich in Wahrheit bezweifle), so liegt es viel näher, ihn als Verweisung auf den Begriff „Volk“ zu sehen, d. h. auf die Gemeinschaft von Einzelpersonen, die politisch in einem bestimmten Gebiet organisiert und durch das rechtliche Band der Staatsangehörigkeit verbunden ist. Es kann daher festgehalten werden, dass sich die Begriffe „Volk“ und „Staatsangehörige“ grundsätzlich decken.

81.      Damit ist jedoch wenig oder nichts zu dem vorliegenden Thema gesagt, nämlich die Begrenzung des Wahlrechts bei den Europäischen Wahlen. Der Grund ist, dass sich diese Deckungsgleichheit nicht ohne weiteres im Wege einer Art Osmose dergestalt auf das Verhältnis zwischen „Volk“ und „Wahlvolk“ übertragen lässt, dass die beiden Begriffe völlig deckungsgleich und eine Erweiterung des zweiten Begriffes über die Grenzen des ersten damit verboten wären.

82.      Es gibt viele Gründe, dieses Ergebnis abzulehnen. Ich möchte nur sagen, dass sich anderenfalls die Beschränkungen kaum rechtfertigen ließen, die, wie wir gesehen haben, im Wahlrecht üblich sind, wie sich auch umgekehrt gelegentlich großzügigere Regelungen der Mitgliedstaaten kaum oder nicht rechtfertigen ließen. Ganz zu schweigen ferner von dem Paradox, dass einerseits dem Staat ein weites Ermessen bei der Entscheidung über die Kriterien, die Grenzen und die Art und Weise der Verleihung seiner Staatsangehörigkeit und damit auch über die Verleihung des Status des Unionsbürgers in dessen vollem Umfang zugebilligt würde, ihm aber andererseits die Befugnis versagt würde, ein einziges (wenn auch vielleicht das wichtigste) der mit diesem Status verbundenen Rechte zu gewähren.

83.      Wenn es sich so verhält, dann sind „Volk/Staatsangehörige“ und „Wahlvolk“ nicht absolut und unteilbar deckungsgleich. Sicherlich (wie bereits ausgeführt) muss den Staatsangehörigen grundsätzlich das Wahlrecht zugebilligt werden; dies bedeutet jedoch nicht umgekehrt, dass dieses Recht ihnen allen zustünde oder ihnen ausschließlich vorbehalten sei.

84.      Mit anderen Worten, die Deckungsgleichheit ist nicht nur nicht absolut, sondern sie kann in beiden Richtungen fehlen. Zwar beruht das im Allgemeinen auf einer Beschränkung des Kreises der Staatsangehörigen, denen das Wahlrecht zukommt, da die Staaten generell (und gerade in Bezug auf die Staatsangehörigen) bestrebt sind, die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts und damit für die Zugehörigkeit zum „Wahlvolk“ festzulegen (vgl. oben, Nr. 71, und insbesondere unten, Nrn. 148 ff. zur Rechtssache C‑300/04). Jedoch lässt sich, aufgrund besonderer nationaler Gegebenheiten oder politischer Entscheidungen des Gesetzgebers, auch eine Erweiterung der Wählerbasis nicht ausschließen.

85.      Dem entsprechen im Übrigen, wie das Vereinigte Königreich und die Kommission ausgeführt haben, die Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten. Zwar überwiegt bei weitem die Neigung, das Wahlrecht allein den Staatsbürgern vorzubehalten (wenn auch nicht allen), doch fehlt es nicht an Fällen, in denen das Wahlvolk umfassender definiert ist.

86.      Das ist etwa der Fall des Vereinigten Königreichs, wo nicht nur die britischen Staatsbürger, sondern auch – soweit sie ansässig sind – irische Staatsangehörige und QCC, also die Staatsangehörigen der Commonwealth-Staaten, die für die Einreise in das Vereinigte Königreich und den Aufenthalt dort keinen Ausweis und keine Erlaubnis benötigen oder die über einen Ausweis oder eine Erlaubnis verfügen, die es ihnen gestatten, in das Vereinigte Königreich einzureisen und sich dort aufzuhalten, an allen Wahlen teilnehmen können.

87.      Ich könnte aber auch auf die Erörterungen (und manchmal sogar ausformulierten Vorschläge) in mehr als einem Mitgliedstaat verweisen, nach denen Ausländer (die nicht aus der Gemeinschaft stammen), die eine gewisse Zeit in dem betreffenden Staat gewohnt haben, unter bestimmten Voraussetzungen das Wahlrecht erhalten sollen.

88.      All dies veranlasst mich zu der Feststellung, dass die Artikel 189 EG und 190 EG, die bestimmen, dass das Europäische Parlament „aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen bzw. vereinigten Staaten [besteht]“, zum einen (aus den soeben angeführten Gründen) offensichtlich nicht bezwecken, dass alle Staatsangehörigen dieser Staaten tatsächlich das Wahlrecht haben und in dieser Versammlung vertreten sind, zum anderen dieses Recht nicht zwangsläufig den Staatsangehörigen vorbehalten.

89.      Dies vorausgeschickt und bevor ich zum übrigen Vorbringen der spanischen Regierung komme, muss ich hinzufügen, dass dem erwähnten Ergebnis nicht, wie diese Regierung geltend macht, entgegensteht, dass Artikel 9 Absatz 2 EG nur den „Unionsbürgern“ das Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen in dem Mitgliedstaat zugesteht, in dem sie ihren Wohnsitz haben, auch wenn sie nicht dessen Staatsangehörige sind. Es handelt sich nämlich hier um eine besondere Begünstigung, die (hier ganz sicher) allein Unionsbürgern gewährt wird und in deren Genuss somit andere Personen nicht gelangen können. Aber dies hat nichts damit zu tun, dass der Staat solchen anderen Personen das Wahlrecht in seinem eigenen Hoheitsgebiet gewähren kann.

90.      Auch scheint mir ganz allgemein nicht, dass Artikel 17 EG für das Gegenteil spräche. Wenn dieser Artikel bestimmt: „Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten“, so billigt er, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission ausgeführt haben, diesem Personenkreis eine Reihe anderweitig (insbesondere in den Artikeln 18 EG bis 21 EG) näher aufgeführter Rechte zu. Hieraus folgt jedoch nicht, dass nur die Unionsbürger über solche Rechte verfügen könnten.

91.      Dies ergibt sich im Übrigen aus dem EG-Vertrag selbst, der einige dieser Rechte ausdrücklich über den Kreis der Unionsbürger hinaus erweitert. Als Beispiel soll genügen, dass im Sinne der Artikel 194 EG und 195 EG das Petitionsrecht zum Europäischen Parlament und das Recht auf Beschwerde beim Bürgerbeauftragten „jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat“ verliehen wird.

92.      Die Erstreckung der in den Artikeln 18 EG bis 21 EG aufgeführten Rechte auch auf Personen, die nicht den Status eines Unionsbürgers besitzen, ist daher nicht – wie die spanische Regierung geltend macht – eine Ausnahmeerscheinung, die die Einheitlichkeit des Begriffes der Bürgerschaft „zerstückelt“. Im Gegenteil bestätigt der Umstand, dass einige dieser Rechte, die die Rechtsstellung der Unionsbürger kennzeichnen, vom Gemeinschaftsrecht über diesen Kreis hinaus erweitert werden, dass diese nicht zwangsläufig ein ausschließliches Privileg der Unionsbürger sind. Es ließe sich sogar daraus ableiten, dass sich, da das Gemeinschaftsrecht diese Erweiterung für einige Rechte selbst vornimmt, nicht grundsätzlich ausschließen lässt, dass ein Mitgliedstaat bei anderen (wie gerade beim Wahlrecht) selbständig handeln kann.

93.      Zudem steht diese Erweiterung mit dem demokratischen Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts im Einklang, auf dem auch die Europäische Union beruht. Dieser Grundsatz spricht nämlich – wie wir oben gesehen haben (vgl. Nr. 69) – für die Zubilligung des Wahlrechts „an den größtmöglichen Personenkreis“(24), und daher gegebenenfalls an die in einem bestimmten Staat niedergelassenen Ausländer(25), die, wie die Staatsangehörigen, tatsächlich den von den nationalen und gemeinschaftlichen Gesetzgebungsorganen erlassenen Rechtsakten unterworfen sind.

iv)    Zu den Bedingungen der Erstreckung dieses Rechts

94.      Dies vorausgeschickt, bleibt jedoch noch zu bestimmen, wer unter welchen Bedingungen das Wahlrecht auf Nichtunionsbürger erstrecken kann.

95.      Die spanische Regierung macht geltend, wenn das überhaupt zulässig sei, so müsse es der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft unterliegen und sich ausdrücklich aus dem EG-Vertrag selbst oder aus Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts ergeben. Andernfalls gäbe es im Gemeinschaftsrecht bis zu 25 unterschiedliche Regelungen über die Definitionen der Wählerschaft des Europäischen Parlaments und damit ebenso viele über die Verleihung eines Rechts mit Gemeinschaftsursprung wie des Wahlrechts.

96.      Dieses Vorbringen der spanischen Regierung überzeugt mich nicht. Es übersieht nämlich, dass die gerügte Unterschiedlichkeit der Regelungen vor allem auf einer Lage beruht, die sozusagen vom EG‑Vertrag selbst wie auch vom Gemeinschaftsgesetzgeber legitimiert ist.

97.      Dieser hat bekanntlich dem Europäischen Parlament die Aufgabe übertragen, einen Entwurf für allgemeine unmittelbare Wahlen „nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten“ auszuarbeiten, der dann vom Rat gebilligt und den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen werden sollte (Artikel 190 Absatz 4 EG).

98.      Es ist jedoch allgemein bekannt, dass ein einheitliches Verfahren bis jetzt noch nicht erreicht ist. Der Akt von 1976 über die Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments in der zuletzt durch den Beschluss 2002/772 geänderten Fassung ist der zweiten in Artikel 190 Absatz 4 EG vorgesehenen Möglichkeit gefolgt und hat sich daher darauf beschränkt, einige „gemeinsame Grundsätze“ zu regeln(26), die insbesondere Verhältniswahl (Artikel 1), die Dauer der Legislaturperiode (Artikel 5), die Unvereinbarkeiten der gewählten Abgeordneten (Artikel 7), den Zeitraum für die Abhaltung von Wahlen (Artikel 10) und den Zeitpunkt des Beginns der Ermittlung des Wahlergebnisses (Artikel 11) betreffen.

99.      In Bezug auf alle anderen „Aspekte, die nicht … geregelt sind“, erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, „ihre jeweiligen nationalen Vorschriften anzuwenden“ (Begründungserwägung 1 des Beschlusses 2002/772). Denn im Sinne von Artikel 8 „bestimmt sich das Wahlverfahren“ „[v]orbehaltlich der Vorschriften dieses Akts“ „in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften“, „die gegebenenfalls den Besonderheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen können“.

100. Daraus folgt, dass bis jetzt die Regelungen der Mitgliedstaaten über das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament nicht übereinstimmen, was auch für das passive Wahlrecht gilt, da Artikel 7 des Aktes von 1976 einige Fälle der Unvereinbarkeit mit dem Mandat eines Europäischen Parlamentariers aufzählt, im Übrigen jedoch auf die Mitgliedstaaten verweist, was andere mögliche Gründe der Unvereinbarkeit (aber auch der fehlenden Wählbarkeit) angeht.

101. Ich meine daher, dass in diesem Zusammenhang bis zur Annahme eines einheitlichen Wahlgesetzes einem Mitgliedstaat nicht die Befugnis versagt werden kann, für seinen Bereich das aktive Wahlrecht für die Europäischen Wahlen festzulegen und gemäß den Besonderheiten der eigenen Rechtsordnung den Kreis der Wahlberechtigten dabei gegenüber dem Kreis der eigenen Staatsangehörigen zu erweitern (oder, wie wir sehen werden, zu beschränken).

v)      Zu den Grenzen der Erstreckung des Wahlrechts

102. Natürlich kann die Ausübung dieser Befugnis nicht unbegrenzt sein: Sei es im Allgemeinen, weil die Wahl zum Europäischen Parlament nicht die Angelegenheit eines einzelnen Mitgliedstaats ist, sondern die gesamte Union betrifft und sich auf sie auswirkt; sei es im Besonderen, weil die bisher betrachteten Gemeinschaftsregelungen klar auf den „Normalfall“ hindeuten, dass das Wahlrecht den Unionsbürgern zusteht.

103. Daher kann diese Befugnis nur ausnahmsweise und innerhalb von Grenzen und zu Bedingungen ausgeübt werden, die mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Dies bedeutet, dass in jedem Fall die allgemeinen Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung – wie insbesondere im vorliegenden Fall die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung – und, wohl verstanden, möglicher spezifischer Gemeinschaftsbestimmungen in diesem Bereich (wie z. B. derjenigen, die sich für das Vereinigte Königreich aus Anhang II des Aktes von 1976 ergeben, vgl. zu diesen unten, Nrn. 112 ff.) zu wahren sind.

104. Mit diesen Grundsätzen steht es beispielsweise im Einklang, auszuschließen, dass das Wahlrecht auf Personen erstreckt wird, die keine effektive Bindung an die Gemeinschaft haben; dies entspricht auch der Sachlogik und meines Erachtens den Bestimmungen, die, wie wir soeben (Nr. 91) gesehen haben, gerade aufgrund dieses Kriteriums die Rechte der Unionsbürger auch anderen Personen einräumen.

105. Ebenso erscheint es mir, immer noch nach den erwähnten Kriterien, geboten, die Erstreckung des Wahlrechts auf die Fälle zu begrenzen, in denen dies auch bei den Wahlen zum nationalen Parlament vorgesehen ist.

106. All dies wird sicherlich bestimmte Asymmetrien beim weiteren Fehlen einer umfassenden Gemeinschaftsregelung nicht verringern. Es wird daher noch Mitgliedstaaten geben, in denen die dort wohnhaften Ausländer und/oder die in Drittländern wohnhaften Staatsangehörigen wählen können, während in anderen einer der beiden Fälle oder beide ausgeschlossen sein werden. Ebenso werden in einigen Mitgliedstaaten Staatsangehörige eines bestimmten Alters wählen oder gewählt werden oder bestimmte Voraussetzungen der Unvereinbarkeit oder der fehlenden Wählbarkeit vorgesehen werden können, und in anderen nicht.

107. Aber all dies ist eine negative Folge der Unvollständigkeit der einschlägigen Gemeinschaftsregelung, stellt jedoch in keinem der beiden Fälle eine Verletzung dieser Regelung dar.

108. Nach allem stelle ich daher fest, dass die Artikel 17 EG, 19 EG, 189 EG und 190 EG grundsätzlich das Vereinigte Königreich – entsprechend dem, was für die Wahlen zum nationalen Parlament vorgesehen ist – nicht daran hindern, Personen wie den QCC, die Staatsangehörige weder des Vereinigten Königreichs noch anderer Mitgliedstaaten sind, jedoch im Vereinigten Königreich oder in einem Gebiet wie Gibraltar leben, dessen auswärtige Beziehungen das Vereinigte Königreich wahrnimmt, das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament zuzubilligen.

109. Natürlich scheitert an diesem Ergebnis auch der Einwand der spanischen Regierung, die Erklärung des Vereinigten Königreichs von 1982 beziehe die QCC nicht in die Kategorie von Personen ein, die als „Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs“ im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu betrachten sind(27), weil die bisherige Erörterung gerade die Verleihung des Wahlrechts an andere Personen als diese Staatsangehörigen betrifft.

110. Ich komme daher in diesem Punkt zu dem Ergebnis, dass die Rüge Spaniens in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Erstreckung des Wahlrechts auf Personen wie die QCC wegen Verstoßes gegen die Artikel 17 EG, 19 EG, 189 EG und 190 EG nicht durchgreifen kann.

111. Zu erörtern bleibt noch, ob diese Rüge auf eine Verletzung des Anhangs II des Aktes von 1976 gestützt werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich jedoch, wie ich bereits ausgeführt habe (vgl. oben, Nr. 74), die Frage anders; in der Tat ist sie in der Klage eng mit der zweiten Rüge Spaniens verbunden; ich werde mich daher im Folgenden bei der Prüfung dieser Rüge damit befassen.

 Zur zweiten Rüge

112. Mit der zweiten Rüge macht Spanien geltend, dass der EPRA 2003 durch die Aufnahme von Gibraltar in einen bestehenden Wahlbezirk des Vereinigten Königreichs gegen den Akt von 1976 und die Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs vom 18. Februar 2002 verstoßen habe.

113. Nach Anhang II dürfe das Vereinigte Königreich die Bestimmungen des Aktes von 1976 über die Wahl zum Europäischen Parlament „nur auf das Vereinigte Königreich anwenden“, also nicht auch auf Gibraltar, das niemals Teil des Vereinigten Königreichs gewesen sei. Dies bedeute nicht, dass das Vereinigte Königreich dem Urteil Matthews nicht nachkommen und damit die Europäischen Wahlen nicht auch in der Kolonie abhalten dürfe; jedoch dürfe es dies nur mit den von der Regierung des Vereinigten Königreichs selbst in der Erklärung vom 18. Februar 2002 angegebenen Modalitäten tun, also dadurch, dass es „den Wählern in Gibraltar die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Rahmen eines bestehenden Wahlbezirks im Vereinigten Königreich zugesteht“(28).

114. Mit anderen Worten: Nach Ansicht der spanischen Regierung hätte das Vereinigte Königreich zur Durchführung des Urteils Matthews ohne Verstoß gegen den Anhang und die Erklärung von 2002 nicht das Gebiet Gibraltar, sondern nur die Wähler in Gibraltar, die die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs besitzen, in einen bestehenden Wahlbezirk aufnehmen dürfen und hätte dies tun müssen, ohne die Behörden der Kolonie in irgendeiner Weise in das Wahlverfahren einzubeziehen.

115. Zusammengefasst hätte das Vereinigte Königreich nach Ansicht der klagenden Regierung Folgendes nicht tun dürfen:

–        für die Europäischen Wahlen einen neuen Wahlbezirk schaffen, der Gibraltar mit einem Wahlbezirk von England oder Wales zusammenfasst (Section 9 EPRA 2003) und der daher das Gebiet der Kolonie de facto mit dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs verknüpfe;

–        die Wahl in Gibraltar zulassen (Section 15);

–        dieses Recht auf die Wähler erstrecken, die nicht die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs oder anderer Mitgliedstaaten der Union besitzen (Section 16);

–        in Gibraltar ein von einem örtlichen Beamten geführtes Wählerverzeichnis einführen (Sections 13 und 14);

–        den Gerichten in Gibraltar Zuständigkeiten irgendeiner Art verleihen.

116. Auf diese Rügen erwidert das Vereinigte Königreich, unterstützt von der Kommission, dass Anhang II des Aktes von 1976 in Übereinstimmung mit den Grundrechten auszulegen sei, wie sie durch die EMRK garantiert und vom EGMR im Urteil Matthews ausgelegt worden seien. Zum anderen sei es in einem System wie dem englischen, das auf regionalen Wahlbezirken beruhe, nur unter Schaffung eines kombinierten Wahlbezirks, der die Kolonie mit einem bestehenden Wahlbezirk des Vereinigten Königreichs verbinde, möglich gewesen, die Wahlen in Gibraltar zu veranstalten (und damit die Ausübung dieses Rechts zu gewährleisten). Aus diesem Grund sei es auch notwendig geworden, in Gibraltar ein Wählerverzeichnis zu erstellen und vorzusehen, dass Rechtsbehelfe im Wahlverfahren vor den Gerichten der Kolonie eingelegt werden könnten. Hätte man solche Zuständigkeiten den Behörden im Vereinigten Königreich, Tausende von Kilometern entfernt, verliehen, so wäre damit gegen die grundlegenden Anforderungen der Praktikabilität und der Transparenz des Verfahrens verstoßen worden.

117. Ich möchte vor allem hervorheben, dass in der vorliegenden Rechtssache nicht bestritten ist, dass der oben erwähnte (vgl. Nr. 113) Anhang II dem Vereinigten Königreich bis zum Erlass des Urteils Matthews die Veranstaltung der Wahlen zum Europäischen Parlament nur im Gebiet des Vereinigten Königreichs gestattet hat. Ebenso wenig ist jedoch bestritten, dass die britische Regierung seit diesem Urteil verpflichtet ist, Europäische Wahlen auch in Gibraltar abzuhalten, und daher die zu diesem Zweck notwendigen Regelungen erlassen musste.

118. Somit stellt sich vor allem die Frage, ob das Vereinigte Königreich auch in Ermangelung einer förmlichen Änderung des erwähnten Anhangs II im erwähnten Sinne verfahren konnte. Diese Frage muss zweifellos bejaht werden, wenn man die herausragende Stellung des Schutzes der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht bedenkt.

119. Bekanntlich erklärte nämlich Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union (jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU) unter praktisch wörtlicher Übernahme einer klaren Vorgabe der Rechtsprechung, die bereits in der Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte umgesetzt worden war: „Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.“

120. Ebenso ist in der ständigen Rechtsprechung verankert, dass „die Grundrechte … zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat; dabei lässt sich der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind“. Hierbei kommt der EMRK „besondere Bedeutung“ zu(29).

121. Daraus folgt, dass die im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundrechte in erster Linie „sowohl von der Gemeinschaft als auch von ihren Mitgliedstaaten zu beachten sind“(30) und daher in diesem Recht „keine Maßnahmen als rechtens anerkannt werden können, die mit der Beachtung“ dieser Rechte „unvereinbar sind“(31).

122. Dies gilt im vorliegenden Fall in besonderem Maße, da es um ein Urteil des EGMR geht, das gerade die Frage des Wahlrechts zum Europäischen Parlament in Bezug auf den Status von Gibraltar behandelt und „eine Verletzung der Konvention“ aufgrund des „Anhangs zum Akt von 1976, den das Vereinigte Königreich unterzeichnet hat“(32), feststellt, die darin besteht, dass einer britischen Staatsangehörigen „als Bewohnerin von Gibraltar jede Möglichkeit genommen wurde, bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen“(33).

123. Daher war das Vereinigte Königreich, wie dies die Verfahrensbeteiligten trotz der unterbliebenen Änderung des Anhangs II im Kern auch einräumen, nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige und tatsächliche Beachtung dieses Grundrechts sicherzustellen.

124. Dies vorausgeschickt, ist jetzt besonders die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen spezifisch im Licht der erwähnten spanischen Rügen zu prüfen.

125. Dabei kann die englische Regelung nur teilweise Bestand haben. So erscheinen mir mit den soeben erwähnten Grundsätzen vereinbar und damit legitim die Schaffung des kombinierten Wahlbezirks, die Auszählung der Stimmen in Gibraltar, die Einrichtung – immer noch in Gibraltar – des Wählerverzeichnisses und schließlich die Regelung, dass Rechtsbehelfe im Wahlverfahren vor den Gerichten der Kolonie geltend zu machen sind. Nicht legitim erscheint mir dagegen die Zulassung von Personen wie den QCC, die keine Unionsbürger sind, zu den Wahlen.

126. Ich möchte dies erläutern. Was den kombinierten Wahlbezirk betrifft, stimme ich mit dem Vereinigten Königreich und der Kommission darin überein, dass in einem System wie dem englischen, in dem die Wähler ihre Stimme im Rahmen regionaler Wahlbezirke mit Verhältniswahl abgeben, die einzige Möglichkeit, das Wahlrecht auf die Wähler von Gibraltar zu erstrecken, darin bestand, einen der bereits bestehenden Wahlbezirke im Vereinigten Königreich dahin umzubilden, dass er auch die Kolonie umfasst. Da das Vereinigte Königreich – wegen der geringen Anzahl der Wähler in Gibraltar – dort keinen selbständigen Wahlbezirk einrichten konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als einen der bestehenden Wahlbezirke um die Kolonie zu „erweitern“. Das Königreich Spanien hat diese Wertungen nicht angegriffen und auch nicht angegeben, welche konkrete Alternative sich dem Vereinigten Königreich geboten hätte.

127. Was die anderen mit der Wahl in der Kolonie zusammenhängenden Maßnahmen angeht (Schaffung eines Verzeichnisses, Anerkennung gerichtlicher Zuständigkeiten, Auszählung der Stimmen im Gebiet der Kolonie), bringen das Vereinigte Königreich und die Kommission zu Recht vor, dass diese notwendig seien, um die Wirksamkeit des Wahlrechts zu gewährleisten. Meines Erachtens würde nämlich das Urteil Matthews nicht vollständig und ordnungsgemäß durchgeführt, wenn die Wähler gezwungen würden, sich in das Vereinigte Königreich zu begeben oder die mit der Wahl verbundenen Vorgänge (Eintragung im Wählerverzeichnis, Stimmabgabe, etwaige Anfechtungen) schriftlich zu erledigen. Damit würde nämlich die Ausübung des fraglichen Rechts übermäßig schwierig und mühsam und vielleicht auch weniger transparent. Zum anderen wäre es, wie die Kommission ausgeführt hat, nicht gerechtfertigt, die Wähler in Gibraltar zur Briefwahl zu zwingen, wo doch diese Modalität im Allgemeinen nur dann genutzt wird, wenn es an anderen möglichen Lösungen fehlt (im Fall beispielsweise von Personen, die stationär im Krankenhaus behandelt werden, von Gefangenen und von im Ausland wohnhaften Wählern)(34).

128. Nicht folgen kann ich jedoch der Auffassung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, soweit es um die Erstreckung des Wahlrechts auf Personen wie die QCC geht, die keine Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs oder anderer Mitgliedstaaten der Union sind. Diese Erstreckung ist nämlich zur Ausübung eines Grundrechts nicht erforderlich und daher nicht als Ausnahme von Anhang II gerechtfertigt.

129. Wie bereits ausgeführt, ist eine solche Ausnahme nur insoweit zulässig, als sie durch eine höherrangige Rechtsnorm geboten ist, wie sie beispielsweise zum Schutz eines Grundrechts erlassen wurde. Im vorliegenden Zusammenhang besteht jedoch keine derartige Norm.

130. Wohl erlaubt nämlich, wie oben dargelegt, die Entwicklung der modernen demokratischen Systeme unter bestimmten Voraussetzungen, die Gewährung politischer Beteiligungsrechte auf die im Staat niedergelassenen Ausländer zu erstrecken (vgl. oben, Nr. 93). Und wohl stellt diese Möglichkeit immer noch die Frucht einer freien politischen Entscheidung dar, von der die Mitgliedstaaten bisher kaum Gebrauch gemacht haben. Damit kann der Ausschluss von Drittstaatsangehörigen vom Wahlrecht in der nationalen Wahlgesetzgebung vorgesehen werden, ohne dass, wie schon ausgeführt, deswegen eine Gefahr der Kollision mit den Grundsätzen der EMRK bestünde(35).

131. Daraus folgt, dass die EMRK zwar aus den bereits angeführten Gründen die Teilnahme der Unionsbürger an in Gibraltar abgehaltenen Wahlen zum Europäischen Parlament vorschreibt und insoweit zu einer Ausnahme von Anhang II führt, doch gilt dies nicht für die Teilnahme von Drittstaatsgehörigen wie den QCC an diesen Wahlen. Für diese behält nämlich der erwähnte Anhang seinen Verbotscharakter und macht daher die Bestimmung des englischen Gesetzes, die diese Teilnahme gestattet, rechtswidrig.

132. Aus diesem Grund gelange ich zu dem Ergebnis, dass der zweiten Rüge Spaniens insoweit zu folgen ist, als damit die Rechtswidrigkeit der Zubilligung des Wahlrechts in Gibraltar an Personen wie die QCC, die nicht die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs oder anderer Mitgliedstaaten der Union haben (Section 16, Subsections 1 und 5 EPRA 2003) wegen Verstoßes gegen Anhang II geltend gemacht wird.

133. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Anhang II des Aktes von 1976 verstoßen hat, dass es Personen wie den QCC, die weder die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs noch anderer Mitgliedstaaten der Union besitzen, das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament in Gibraltar zugebilligt hat (Section 16, Subsections 1 und 5 EPRA 2003).

C –    Rechtssache C‑300/04


 Einführung

134. Wie bereits ausgeführt, betrifft auch das Vorabentscheidungsverfahren C‑300/04 das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Es beruht nämlich auf den Sonderbestimmungen des niederländischen Wahlgesetzes, die das Wahlrecht von Staatsangehörigen nach Maßgabe des Teils des Staates regeln, in dem diese ihren Wohnsitz haben.

135. Wie oben (vgl. Nrn. 26 und 27) gesehen, weist die Verfassungsordnung des Königreichs der Niederlande zwei Besonderheiten auf: zum einen die Aufteilung des Königreichs in drei staatliche Einheiten, nämlich die Niederlande, die Niederländischen Antillen und Aruba; zum anderen die Regelung einer einzigen ungeteilten, nämlich der niederländischen Staatsangehörigkeit.

136. Diese Besonderheiten schlagen sich im Wahlrecht der Staatsangehörigen nieder. Nach dem niederländischen Wahlgesetz können sich nämlich an den Wahlen zum Parlament der Niederlande nur diejenigen niederländischen Staatsangehörigen beteiligen, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden oder in Drittländern haben, nicht dagegen diejenigen, die ihren Wohnsitz auf den Niederländischen Antillen oder auf Aruba haben(36) (Artikel B1 Absätze 1 und 2). Das Gleiche gilt auch für die Europäischen Wahlen, da bei diesen nur wahlberechtigt ist, wer das Wahlrecht für die Parlamentswahlen der Niederlande hat (Artikel Y3 Buchstabe a).

137. Aufgrund dieser Bestimmungen wurden die Kläger, in Aruba wohnhafte niederländische Staatsangehörige, nicht in die Wählerverzeichnisse aufgenommen und damit von der Stimmabgabe bei den Europäischen Wahlen von Juni 2004 ausgeschlossen. Im Rahmen des deswegen eingeleiteten Gerichtsverfahrens hat der niederländische Raad van State beschlossen, dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist der Zweite Teil des EG-Vertrags auf Personen anwendbar, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und in einem Gebiet ansässig oder wohnhaft sind, das zu den ÜLG im Sinne des Artikels 299 Absatz 3 EG gehört und besondere Beziehungen zu diesem Mitgliedstaat unterhält?

2.      Falls nicht, steht es den Mitgliedstaaten angesichts des Artikels 17 Absatz 1 Satz 2 EG frei, ihre Staatsangehörigkeit den in dem ÜLG im Sinne des Artikels 299 Absatz 3 EG ansässigen oder wohnhaften Personen zu verleihen?

3.      Ist Artikel 19 Absatz 2 EG in Verbindung mit den Artikeln 189 EG und 190 Absatz 1 EG so auszulegen, dass – abgesehen von in nationalen Rechtssystemen nicht unüblichen Ausnahmen, wie z. B. der Aberkennung des Wahlrechts aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder aufgrund von Geschäftsunfähigkeit – die Eigenschaft als Unionsbürger, selbst wenn die Person in dem ÜLG ansässig oder wohnhaft ist, ohne weiteres mit dem aktiven und passiven Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament einhergeht?

4.      Steht Artikel 17 EG in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 2 EG, im Licht des Artikels 3 Absatz 1 des ZP1 in der Auslegung des EGMR betrachtet, dem entgegen, dass Personen, die keine Unionsbürger sind, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament besitzen?

5.      Stellt das Gemeinschaftsrecht Anforderungen an die Art der Herstellung eines ordnungsgemäßen Rechtszustands, wenn das nationale Gericht – auch auf der Grundlage der Antworten des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf die oben angeführten Fragen – zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Eintragung von Personen, die in den Niederländischen Antillen oder in Aruba ansässig oder wohnhaft sind und die die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen, im Hinblick auf die Wahlen vom 10. Juni 2004 zu Unrecht unterblieben ist?

 Zu den ersten vier Fragen

138. Bevor ich auf diese Fragen eingehe, ist zu bemerken, dass einige von ihnen etwas unklar formuliert sind und daher mehr als einen Zweifel an ihrer tatsächlichen Bedeutung bestehen lassen.

139. Das gilt nicht für die erste Frage, mit der der Raad van State klar wissen möchte, ob der Zweite Teil des Vertrages auf Personen anwendbar ist, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und in einem überseeischen Gebiet wohnen, das besondere Beziehungen zu diesem Staat unterhält.

140. Im Anschluss daran möchte das niederländische Gericht jedoch wissen, ob, falls diese Frage verneint wird (also, beim Wort genommen, falls davon ausgegangen wird, dass der Zweite Teil des Vertrages keine Anwendung auf die erwähnten Personen findet), der Staat seine eigene Staatsangehörigkeit den Personen verleihen kann, die in einem solchen Gebiet ansässig oder wohnhaft sind (zweite Frage).

141. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder bezieht sich die Frage, wie es den Anschein hat, auf Personen, die sich in der in der ersten Frage beschriebenen Situation befinden, und dann ist ihre Zweckdienlichkeit nicht ersichtlich, weil diese Personen schon die Staatsangehörigkeit des in Rede stehenden Staates haben. Oder sie soll sich entgegen ihrer Formulierung auf Personen beziehen, die, obwohl sie im erwähnten Gebiet ansässig sind, nicht die Staatsangehörigkeit dieses Staates haben, und es wird Auskunft darüber begehrt, ob diese Staatsangehörigkeit ihnen zusammen mit den entsprechenden Rechten des Zweiten Teils des Vertrages verliehen werden kann. Dann frage ich mich jedoch, welcher Zusammenhang zwischen dieser Frage und dem vorliegenden Fall besteht, da wir doch mit Personen befasst sind, die diese Staatsangehörigkeit bereits besitzen.

142. Wenig klar scheint mir auch die dritte Frage, mit der der Raad van State wissen möchte, ob Artikel 19 Absatz 2 EG in Verbindung mit den Artikeln 189 EG und 190 Absatz 1 EG dahin auszulegen ist, dass die Eigenschaft eines in den ÜLG ansässigen Unionsbürgers das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zur Folge hat.

143. Denn, wie auch die niederländische, die französische und die britische Regierung ausgeführt haben, Artikel 19 Absatz 2 EG ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Wie ich bereits ausgeführt habe, besitzt nach dieser Bestimmung „jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt“, das aktive und passive Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, zu den gleichen Bedingungen wie die Bürger dieses Staates. Im vorliegenden Fall beanspruchen jedoch niederländische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz im Königreich der Niederlande (genauer: in einem Teilgebiet dieses Königreichs) haben, das Wahlrecht, also Personen, die ihren Wohnsitz in dem Mitgliedstaat haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Diese Personen können sich also auf die erwähnte Bestimmung nicht berufen, und daher scheint es nicht zweckdienlich, sich damit zu befassen.

144. Unerheblich erscheint mir auch die vierte Frage, mit der das niederländische Gericht Auskunft darüber begehrt, ob die Artikel 17 EG und 19 Absatz 2 EG in Verbindung mit Artikel 3 ZP1 der Zubilligung des aktiven und passiven Wahlrechts für die Wahlen zum Europäischen Parlament an Personen entgegenstehen, die keine Unionsbürger sind. Wie ich und wie auch die niederländische Regierung und die Kommission ausgeführt haben, besitzen im vorliegenden Fall die Personen, die das Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen begehren, die niederländische Staatsangehörigkeit und sind daher Unionsbürger. Zur Entscheidung des von diesen Personen anhängig gemachten Ausgangsverfahrens ist es daher nicht notwendig, zu klären, ob dieses Recht gegebenenfalls Personen verliehen werden kann, die keine Staatsangehörige sind(37).

145. Tatsächlich ergibt sich jenseits dieser Fragen aus dem Vorlagebeschluss ganz klar ein Problem, und zu diesem ist dem niederländischen Gericht eine Antwort zu geben. Der Gerichtshof muss also klären, ob ein Mitgliedstaat, der das Wahlrecht bei den nationalen Wahlen und dementsprechend bei den Europäischen Wahlen den eigenen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz im europäischen Gebiet des Staates haben, gewährt (wie auch denjenigen, die ihren Wohnsitz in Drittländern haben), dieses Recht den eigenen Staatsangehörigen versagen kann, die ihren Wohnsitz in einem Teil des Staates haben, der ein mit der Gemeinschaft assoziiertes überseeisches Land oder Gebiet darstellt.

146. Das ist die Kernfrage. Nun kann zur ersten Frage zunächst gesagt werden, dass die Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, Unionsbürger sind und daher grundsätzlich und unabhängig von ihrem Wohnsitz alle für diese Staatsangehörigen vorgesehenen Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht natürlich einschließlich des Zweiten Teils des EG-Vertrags besitzen.

147. Zu diesen Rechten gehört, wie ich oben bei der Erörterung der Rechtssache C‑145/04 (vgl. oben, Nrn. 67 bis 71) darzulegen bestrebt war, das Recht auf Stimmabgabe bei den Wahlen zum Europäischen Parlament; die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und damit die Unionsbürger sind gerade aufgrund des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich als Inhaber dieses Rechts zu betrachten.

148. Bei der Erörterung jener Rechtssache war ich weiter bestrebt, darzulegen, dass das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten innerhalb bestimmter Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen nicht daran hindert, den Kreis der Wahlberechtigten zu erweitern und damit auch Drittstaatsangehörige zur Wahl zuzulassen (vgl. oben, Nrn. 72 bis 107). In der vorliegenden Rechtssache geht die Frage jedoch dahin, ob und unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten im Gegenteil, und ich möchte auch hier sagen, ausnahmsweise, den Anspruch auf dieses Recht durch Ausschluss einiger Kategorien eigener Staatsangehöriger beschränken können.

149. Aus den Gründen, die ich im Folgenden auseinandersetzen möchte, glaube ich, dass auch diese Frage zu bejahen ist.

150. Ich gehe von der wohl allgemein anerkannten Annahme aus, dass der EG-Vertrag den Mitgliedstaaten nicht die Befugnis entzogen hat, den Kreis ihrer eigenen Staatsangehörigkeit zu bestimmen; vielmehr behalten sie diese Zuständigkeit „nach Völkerrecht“, auch wenn sie verpflichtet sind, sie „unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts“ auszuüben(38). Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der EG-Vertrag „auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten“ bezieht, die Frage, welchem Mitgliedstaat eine Person angehört, allein durch Bezug auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats geregelt wird, und dass daher die Unionsbürgerschaft zumindest beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht auf der Grundlage autonomer Kriterien dieses Rechts geregelt werden kann, sondern „allein durch Bezug auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats geregelt wird“, das auch abgeändert werden kann(39).

151. Wenn also Artikel 17 EG erklärt, dass „Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“, und dass „die Unionsbürger … die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten [haben]“, so verweist er in Wirklichkeit für die Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs der Unionsbürgerschaft nur auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten. Mit anderen Worten: Das nationale Recht wird vom Gemeinschaftsrecht als vorgegeben angenommen und als solches von diesem für die Zwecke der Bestimmung der Unionsbürger übernommen.

152. Richtig betrachtet, bedeutet diese Verweisung jedoch nicht nur die Definition der Stellung eines Unionsbürgers, sondern auch die mögliche Gestaltung der mit dieser Stellung verbundenen Rechte in dem Sinne, dass auf das einschlägige nationale Recht nicht nur für die Frage Bezug genommen werden muss, ob eine Person die Unionsbürgerschaft besitzt, sondern auch für die Prüfung, ob diese Person gemäß dem, was gegebenenfalls im nationalen Recht vorgesehen ist, über alle mit dieser Stellung verbundenen Rechte verfügt.

153. Mit anderen Worten: Wenn die Regelung eines Mitgliedstaats auf der Grundlage objektiver Kriterien (die beispielsweise, wie im vorliegenden Fall, mit der Verfassungsstruktur des Staates zusammenhängen) Beschränkungen für die Rechte der Staatsangehörigen einführt, so übernimmt das Gemeinschaftsrecht – sofern seine Grundprinzipien beachtet sind – diese Beschränkungen auch für die Zwecke der Gestaltung der mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte.

154. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Gemeinschaftsrecht als Regelung nicht nur die Entscheidungen des Königreichs der Niederlande in Bezug auf die Verleihung seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Ausgestaltungen dieses Rechts übernimmt, die dieser Staat aufgrund seiner besonderen Beziehungen zu den Gebieten Aruba und Niederländische Antillen vorgenommen hat. Es wäre nämlich berechtigt gewesen, die Staatsangehörigkeit allein den Staatsangehörigen auf dem europäischen Festland zu verleihen oder sie später und in unterschiedlicher Weise zwischen diesen und den Einwohnern der ÜLG aufzuteilen. Es hat sich jedoch aus Gründen, die seiner souveränen Entscheidung unterliegen, entschieden, eine formell einheitliche Staatsangehörigkeit einzuführen, die in Wirklichkeit jedoch, was die Ausübung der damit verbundenen Rechte (u. a. das Wahlrecht, sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene) betrifft, unterschiedlich ist.

155. Das Gemeinschaftsrecht kommt also nicht umhin, diese Ausgestaltung der Stellung der Staatsbürger in diesem Mitgliedstaat anzuerkennen. Dies gilt umso mehr, als diese nicht nur zu Beschränkungen bei der Ausübung (allein) der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte führt, sondern genau die im nationalen Bereich bestehenden Beschränkungen umsetzt.

156. Zum anderen möchte ich daran erinnern, dass der EGMR anerkannt hat, dass die Wahlrechte für „Gruppen oder Kategorien der Bevölkerung“ beschränkt werden können, sofern die Beschränkungen ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln erreichen sollen und die Wahl der Rechte gleichwohl nicht „so weit beschränken, dass ihr Wesensgestalt berührt wird und sie ihrer Wirksamkeit beraubt werden“(40).

157. Insbesondere hat der EGMR festgestellt, dass die Vertragsstaaten das Kriterium des Wohnsitzes für die Festlegung des Kreises der Wahlberechtigten heranziehen können und daher dieses Recht nur „Personen, die eine hinreichend enge und stetige Bindung an das Land besitzen“, verleihen können(41). Weiter hat er ausgeführt, dass der Ausschluss Gebietsfremder aus verschiedenen „Gründen“ gerechtfertigt sein kann, wie dem Umstand, dass ein gebietsfremder Staatsangehöriger „von den Handlungen der politischen Institutionen nicht unmittelbar betroffen ist“, die zu wählen sind, und dass dieser ganz allgemein im Vergleich zu den Gebietsansässigen „weniger unmittelbar und weniger stetig von den täglichen Problemen des … Landes berührt wird“(42).

158. Meines Erachtens stehen die im niederländischen Wahlgesetz eingeführten Beschränkungen im Großen und Ganzen im Einklang mit diesen Aussagen. Dieses Gesetz gliedert das Wahlrecht anhand der Kriterien des Wohnsitzes der niederländischen Staatsangehörigen und schließt von den Wahlen (in den Niederlanden und dementsprechend von den Europäischen) diejenigen aus, die ihren Wohnsitz in einem Teil des Königreichs (auf Aruba und den Niederländischen Antillen) haben, der von den Entscheidungen der zu wählenden Versammlungen, also dem Parlament der Niederlande und dem Europäischen Parlament, nicht unmittelbar berührt wird.

159. Anderer Ansicht ist allerdings der Kläger Eman. Er hat nämlich in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass Aruba von den unter Beteiligung des Europäischen Parlaments angenommenen Rechtsakten berührt werde, indem – wenn ich dies richtig verstanden habe – sich der örtliche Gesetzgeber von diesen leiten lasse, wenn er auf der Insel geltende Gesetze beschließe. Dies soll, wenn ich dies weiterhin richtig verstanden habe, beispielsweise im Bereich des Sparkassenwesens geschehen sein. In diesem Bereich soll der Gesetzgeber von Aruba das örtliche Recht freiwillig dem Gemeinschaftsrecht angepasst haben, so dass Letzteres, wenn auch mittelbar, in gewisser Weise in diesem Gebiet angewandt werde. Daher müsse das Europäische Parlament als Teil der „Gesetzgebungskörperschaft“ von Aruba angesehen werden, an dessen Wahl im Sinne von Artikel 3 des ZP1 auch die auf der Insel wohnhaften niederländischen Staatsangehörigen teilnehmen können müssten.

160. Dem kann nicht gefolgt werden.

161. Ich möchte nur daran erinnern, dass der EGMR in der Rechtssache Matthews entschieden hat, dass es für die Annahme, dass das Europäische Parlament als „Gesetzgeber“ in Bezug auf ein bestimmtes Gebiet betrachtet werden könne, nicht ausreiche, dass die mit seiner grundlegenden Beteiligung gebilligten Rechtsakte einen bloß mittelbaren Einfluss hätten, wie dies bei den Gemeinschaftsmaßnahmen auf Aruba der Fall ist. Vielmehr ist es notwendig (wie dies auf den untersuchten Fall von Gibraltar zutrifft), dass diese Maßnahmen in dem in Rede stehenden Gebiet „unmittelbare Wirkungen entfalten“ und „die Bevölkerung“ des Ortes in gleicher Weise wie die von der örtlichen gesetzgebenden Versammlung verabschiedeten Rechtsakte „betreffen“(43).

162. Rechtsakte des Europäischen Parlaments, die Auswirkungen dieser Art für Aruba hervorrufen, gibt es nicht. Wie die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission richtig ausgeführt haben, ist Aruba unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts ein überseeisches Gebiet, auf das in der Regel die Bestimmungen des EG-Vertrags oder des abgeleiteten Rechts keine Anwendung finden(44), und zwar unabhängig davon, ob sie mit oder ohne die grundlegende Beteiligung des Europäischen Parlaments erlassen wurden. Im Sinne von Artikel 299 Absatz 3 EG gelten nämlich für diese Insel nur diejenigen Bestimmungen des Vierten Teils des EG-Vertrags, die ein besonderes System der Assoziierung der ÜLG mit der Gemeinschaft regeln (Artikel 182 EG bis 188 EG), und die besonderen Maßnahmen, die der Rat ergriffen hat, um Verfahren und Modalitäten dieser Assoziierung zu regeln (vgl. Artikel 187 EG)(45).

163. Aus den angestellten Erwägungen ergibt sich somit, dass ein Mitgliedstaat unter Berücksichtigung seiner besonderen verfassungsmäßigen Ausgestaltung grundsätzlich das Wahlrecht bei den nationalen Wahlen und entsprechend das Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen nur den eigenen Staatsangehörigen zubilligen kann, die ihren Wohnsitz im europäischen Gebiet des Staates haben, und dieses Recht den eigenen Staatsangehörige mit Wohnsitz in einem Teil des Staates, der ein mit der Gemeinschaft assoziiertes überseeisches Land oder Gebiet bildet, versagen kann.

164. Dies vorausgeschickt, muss ich jedoch der Kommission darin beipflichten, dass die in Rede stehende niederländische Regelung dennoch ein Problem der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht aufwirft. Sie könnte einen Verstoß gegen ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts, den Gleichheitssatz, darstellen, wonach bekanntlich den Unionsbürgern, „wenn sie sich in der gleichen Situation befinden, … gleiche rechtliche Behandlung“ zu gewährleisten ist(46), sofern eine unterschiedliche Regelung nicht „objektiv gerechtfertigt ist“(47).

165. Genau betrachtet, verleiht nämlich die erwähnte Regelung das Wahlrecht bei den Europäischen Wahlen nicht nur den niederländischen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz in den Niederlanden haben, sondern auch denjenigen, die ihren Wohnsitz in Drittländern haben, und versagt es letztlich nur denjenigen, die ihren Wohnsitz auf Aruba und auf den Niederländischen Antillen haben. Damit verleiht es dieses Recht den niederländischen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz in Staaten haben, die im Vergleich zu den Niederlanden und zur Gemeinschaft Drittstaaten sind, versagt es jedoch denjenigen, die ihren Wohnsitz auf den erwähnten Inseln haben, auch wenn sie sich in der gleichen Situation wie die anderen befinden (auch diese sind niederländische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz außerhalb der Niederlande haben) und sogar geltend machen können, ihren Wohnsitz in Gebieten zu haben, die besondere Beziehungen zu den Niederlanden und der Gemeinschaft unterhalten.

166. Damit nicht genug, ergibt sich aus der in Rede stehenden niederländischen Regelung eine weitere, wahrhaft paradoxe Folge. Wie nämlich die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, versagt diese Regelung auf der einen Seite den niederländischen Staatsbürgern, die ihren Wohnsitz auf Aruba und auf den Niederländischen Antillen haben, das Wahlrecht, auf der anderen Seite verleiht es ihnen dieses Recht, wenn sie diese Inseln verlassen und ihren Wohnsitz in einem Drittstaat nehmen. Dies führt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass ein Einwohner von Aruba seine Stimme bei den Wahlen zum Europäischen Parlament nicht abgeben kann, wenn er auf der Insel bleibt, dies jedoch dann tun kann, wenn er, auch endgültig, in ein Drittland umzieht.

167. In diesem Kontext lässt sich meines Erachtens zur Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung nicht der Umstand heranziehen, dass der niederländische Gesetzgeber damit die Absicht verfolgt, denjenigen niederländischen Staatsbürgern das Wahlrecht zu bewahren, die, obwohl sie die Niederlande verlassen haben, später dorthin zurückkehren möchten. Diese Rechtfertigung verträgt sich nämlich schlecht mit dem Umstand, dass dieses Recht auch den niederländischen Staatsangehörigen mit Herkunft in Aruba zusteht, die sich niemals nach Europa begeben haben und die dennoch ihren ständigen Wohnsitz in einem Drittland haben. Es ist daher unverständlich, weshalb von dem in Rede stehenden Recht nur diejenigen niederländischen Staatsangehörigen ausgeschlossen sein sollten, die weiterhin auf der Insel wohnen.

168. Nach allem kann ich wohl zu dem Schluss gelangen, dass das Gemeinschaftsrecht und insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat das Wahlrecht bei den nationalen Wahlen, und dementsprechend bei den Europäischen Wahlen, den eigenen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz im europäischen Gebiet des Staates haben, und denjenigen, die ihren Wohnsitz in Drittländern haben, verleiht, es aber den eigenen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Teil des Staates haben, der ein mit der Gemeinschaft assoziiertes überseeisches Land oder Gebiet darstellt, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ohne objektive Rechtfertigung versagt.

 Zur fünften Frage

169. Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht schließlich wissen, ob das Gemeinschaftsrecht Anforderungen an die „Art der Herstellung eines ordnungsgemäßen Rechtszustands“ stellt, der einer Person zu gewähren ist, die aufgrund einer gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Bestimmung nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen und auf diese Weise von der Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen worden ist.

170. Ich muss gestehen, dass ich nicht recht verstehe, was der niederländische Raad van State im Sinne hat, wenn er von „Herstellung eines ordnungsgemäßen Rechtszustands“ spricht. Insbesondere frage ich mich, ob er an einen Ersatz des immateriellen Schadens, eine Korrektur der Wahlergebnisse, die Wiederholung der Wahlen o. Ä. denkt.

171. Wie auch immer: In Ermangelung einer einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung bin ich mit der niederländischen Regierung und der Kommission der Ansicht, dass die Regelung der Abhilfemöglichkeiten für die festgestellte Rechtswidrigkeit der nationalen Gesetzgebung der Mitgliedstaaten überlassen bleibt.

172. Dies gilt allerdings mit den bekannten Beschränkungen, die der Gerichtshof seit langem im Hinblick auf die Gewährleistung der auf Gemeinschaftsbestimmungen beruhenden Rechte entwickelt hat. Daher muss diese Regelung die Prinzipien der Äquivalenz (die Verfahren „dürfen … nicht ungünstiger gestaltet werden als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen“) und der Effektivität des Schutzes (er darf keinen Beschränkungen unterliegen, die „die Ausübung“ des Rechts „praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren“) wahren(48).

173. Nach allem glaube ich, dass dem vorlegenden Gericht geantwortet werden sollte, dass es in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung Sache der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats ist, die Maßnahmen für die Herstellung eines ordnungsgemäßen Rechtszustands bei einer Person festzulegen, die wegen einer gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Bestimmung nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen und daher von der Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen worden ist. Bei diesen Maßnahmen müssen das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip eingehalten werden.

IV – Zu den Kosten in der Rechtssache C‑145/04

174. Da ich in der Rechtssache C‑145/04 zu dem Ergebnis gelange, dass das Königreich Spanien und das Vereinigte Königreich teilweise unterlegen sind, erscheint es mir angebracht, zu entscheiden, dass gemäß Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung jede dieser Parteien ihre eigenen Kosten trägt.

175. Nach Artikel 69 § 4 hat auch die Kommission, die dem Verfahren als Streithelferin beigetreten ist, ihre eigenen Kosten zu tragen.

V –    Ergebnis

176. Nach allem schlage ich vor,

–        in der Rechtssache C‑145/04 festzustellen:

1.      Das Vereinigte Königreich hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Anhang II des Beschlusses der im Rat vereinten Vertreter der Mitgliedstaaten 76/787/EGKS, EWG, Euratom vom 20. September 1976, „Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Parlaments“, verstoßen, dass es Personen wie den Qualifying Commonwealth Citizens, die weder die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs noch anderer Mitgliedstaaten der Union haben, das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in Gibraltar verliehen hat (Section 16 [1] und [5] des European Parliament [Representation] Act 2003).

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Das Königreich Spanien und das Vereinigte Königreich tragen ihre eigenen Kosten.

4.      Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

–        in der Rechtssache C‑300/04 für Recht zu erkennen:

1.      Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz, steht dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat das Wahlrecht bei den nationalen Wahlen, und dementsprechend bei den Europäischen Wahlen, den eigenen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz im europäischen Gebiet des Staates haben, und denjenigen, die ihren Wohnsitz in Drittländern haben, verleiht, es aber den eigenen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Teil des Staates haben, der ein mit der Gemeinschaft assoziiertes überseeisches Land oder Gebiet darstellt, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ohne objektive Rechtfertigung versagt.

2.      In Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung ist es Sache der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats, die Maßnahmen für die Herstellung eines ordnungsgemäßen Rechtszustands bei einer Person festzulegen, die wegen einer gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Bestimmung nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen und daher von der Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen worden ist. Bei diesen Maßnahmen müssen das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip eingehalten werden.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2 – Vgl. Erklärungen Nr. 2 zur Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats im Anhang zum Vertrag von Maastricht (ABl. 1992, C 191, S. 45).


3–      Gemäß dieser Bestimmung hat der Rat die Richtlinie 93/109/EG vom 6. Dezember 1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (ABl. L 329, S. 34), erlassen.


4 – ABl. L 278, S. 1.


5 – Beschluss 2002/772/EG, Euratom des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom (ABl. L 283, S. 1).


6 – Für eine vollständige Darstellung des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens in Bezug auf Gibraltar verweise ich auf meine Schlussanträge vom 16. Januar 2003 in der Rechtssache C‑30/01, die mit Urteil vom 23. September 2003 abgeschlossen worden ist (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2003, I‑9481, I‑9483).


7 – Zur kolonialen Situation von Gibraltar vgl. Entschließung 2429 (XXIII) der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1968.


8 – SI 2004/366.


9 – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 18. Februar 1999 (GK), Matthews/Vereinigtes Königreich, Nr. 24833/94, Rep. 1999-I.


10 –      Nichtamtliche Übersetzung.


11 –       Nichtamtliche Übersetzung.


12 – ABl. C 310 vom 16. Dezember 2004.


13 – Wet raadplegend referendum Europese Grondwet (Stbl. 2005, S. 44).


14 – EGMR, Urteil Matthews, § 54. Nichtamtliche Übersetzung.


15 – EGMR, Urteil Matthews, § 53. Nichtamtliche Übersetzung.


16 – EGMR, Urteil Matthews, §§ 34 und 64. Nichtamtliche Übersetzung.


17 – Urteil Matthews, §§ 64 f. Nichtamtliche Übersetzung.


18 – Nach Artikel 6 Absatz 1 EU beruht die „Union … auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam“.


19 – EGMR, Urteil vom 2. März 1987, Mathieu-Mohin und Clerfayt/Belgien, Serie A Nr. 11, S. 22 f., § 51, und EGMR, Urteil vom 6. Oktober 2005, Hirst/Vereinigtes Königreich (Nr. 2), Nr. 74025/01, § 59. Nichtamtliche Übersetzung.


20 – EGMR, Urteil Mathieu-Mohin, § 51, und Urteil Hirst, § 59. Nichtamtliche Übersetzung.


21 – EGMR, Urteil Matthews, § 43. Nichtamtliche Übersetzung.


22 – EGMR, Urteil Hirst, § 58. Nichtamtliche Übersetzung.


23 – An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 6 Absatz 2 EU die „Union … die Grundrechte [achtet], wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben“.


24 – EGMR, Urteile Mathieu-Mohin, § 51, und Hirst, § 59. Nichtamtliche Übersetzung.


25 – Vgl. Leitlinien des Verhaltenskodex für Wahlen der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht beim Europarat (bekannt als Venedig-Kommission) in ihrer 52. Sitzung (Venedig, 18. bis 19. Oktober 2002) (Nr. 1) und den Erläuternden Bericht hierzu (Nr. 1).


26 – Artikel 138 Absatz 3 EG-Vertrag sah in seiner ursprünglichen Fassung diese zweite Möglichkeit nicht ausdrücklich vor und bestimmte nur: „Das Europäische Parlament arbeitet Entwürfe für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten aus.“ Der Rat und das Parlament haben diese Bestimmung jedoch in dem Sinne ausgelegt, dass sie die schrittweise Einführung eines einheitlichen Verfahrens erlaube.


27 – In der „Neuen Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Bestimmung des Begriffs ‚Staatsangehörige‘“ (ABl 1983, C 23, S. 1) von 1982, die ab 1. Januar 1983 die entsprechende Erklärung von 1972 im Anhang der Akte für den Beitritt des Vereinigten Königreichs ersetzt hat, heißt es: „In Bezug auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ist unter dem Begriff ‚Staatsangehörige‘, ‚Staatsangehörige von Mitgliedstaaten‘ oder ‚Staatsangehörige von Mitgliedstaaten und überseeischen Ländern und Gebieten‘, wo immer sie in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft oder dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl oder in einem der sich von diesen Verträgen herleitenden Rechtsakte der Gemeinschaft verwendet werden, Folgendes zu verstehen: a) britische Bürger; b) Personen, die gemäß Abschnitt IV der ‚British Nationality 1981‘ britische Untertanen sind und das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzen und aufgrund dieser Tatsache von der Einwanderungskontrolle des Vereinigten Königreichs befreit sind; c) Bürger der ‚British Dependent Territories‘, die ihre Staatsbürgerschaft aufgrund einer Verbindung mit Gibraltar erwerben.“


28 – Nichtamtliche Übersetzung. Hervorhebung hinzugefügt.


29 – Urteil vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑36/02 (Omega, Slg. 2004, I‑9609, Randnr. 33). Es handelt sich um ständige Rechtsprechung: Vgl. unter den neuesten Entscheidungen die Urteile vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C‑260/89 (ERT, Slg. 1991, I‑2925, Randnr. 41), vom 6. März 2001 in der Rechtssache C‑274/99 P (Connolly/Kommission, Slg. 2001, I‑1611, Randnr. 37), vom 22. Oktober 2002 in der Rechtssache C‑94/00 (Roquette Frères, Slg. 2002, I‑9011, Randnr. 25) und vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C‑112/00 (Schmidberger, Slg. 2003, I‑5659, Randnr. 71).


30 – Urteile Schmidberger, Randnr. 74, und Omega, Randnr. 35.


31 – Urteile Schmidberger, Randnr. 73; ERT, Randnr. 41, und vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C‑299/95 (Kremzow, Slg. 1997, I‑2629, Randnr. 14).


32 – Urteil Matthews, § 33. Nichtamtliche Übersetzung.


33 – Urteil Matthews, § 64. Nichtamtliche Übersetzung.


34 – Zum Ausnahmecharakter des Rückgriffs auf die Briefwahl vgl. Leitlinien des Verhaltenskodex für Wahlen,Erläuternder Bericht (Nr. 38), angeführt in Fußnote 25.


35 – Vgl. hierzu Leitlinien des Verhaltenskodex für Wahlen (Nr. 1.1b) und Erläuternder Bericht (Nr. 1.1b), angeführt in Fußnote 25.


36 – Mit Ausnahme derjenigen, die ihren Wohnsitz mindestens 10 Jahre lang in den Niederlanden gehabt haben oder im öffentlichen Dienst tätig sind.


37 – Zu diesem Problem habe ich jedoch bereits im Rahmen der ersten Rüge der spanischen Regierung in der Rechtssache C‑145/04 Ausführungen gemacht (vgl. oben, Nrn. 62 ff.).


38 – Urteile vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C‑369/90 (Micheletti u. a., Slg. 1992, I‑4239, Randnr. 10), vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache C‑192/99 (Kaur, Slg. 2001, I‑1237, Randnr. 19) und vom 19. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑200/02 (Zhu und Chen, Slg. 2004, I‑9925, Randnr. 37).


39 – Erklärung Nr. 2 zur Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats im Anhang des Vertrages von Maastricht.


40 – EGMR, Urteil Hirst, § 62. Nichtamtliche Übersetzung.


41 – EGMR, Entscheidung Hilbe/Liechtenstein, Nr. 31981/96, Rep. 1999‑VI; Urteile vom 19. Oktober 2004, Melnitchenko/Ukraine, Nr. 17707/02, Rep. 2004‑X § 56 und Hirst, § 62. Nichtamtliche Übersetzung.


42 – EGMR, Urteil Melnitchenko, § 56.


43 – EGMR, Urteil Matthews, §§ 34 und 64. Nichtamtliche Übersetzung.


44 – Vgl. Urteile vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache C‑260/90 (Leplat, Slg. 1992, I‑643, Randnr. 10) und vom 22. November 2001 in der Rechtssache C‑110/97 (Niederlande/Rat, Slg. 2001, I‑8763, Randnr. 49).


45 – Vgl. zuletzt Beschluss 2001/822/EG des Rates vom 27. November 2001 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Gemeinschaft („Übersee-Assoziierungsbeschluss“) (ABl. L 314, S. 1).


46 – Urteile vom 20. September 2001 in der Rechtssache C‑184/99 (Grzelczyk, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 31) und vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑224/98 (D’Hoop, Slg. 2002, I‑6191, Randnr. 28).


47 – Urteile vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache C‑56/94 (SCAC, Slg. 1995, I‑1769, Randnr. 27), vom 17. April 1997 in der Rechtssache C‑15/95 (EARL de Kerlast, Slg. 1997, I‑1961, Randnr. 35), vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C‑354/95 (National Farmers’ Union u. a., Slg. 1997, I‑4559, Randnr. 61) und vom 13. April 2000 in der Rechtssache C‑292/97 (Karlsson u. a., Slg. 2000, I‑2737, Randnr. 39).


48 – Urteile vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑312/93 (Peterbroeck, Slg. 1995, I‑4599, Randnr. 12). In diesem Sinne vgl. auch Urteile vom 16. Dezember 1976 in der Rechtssache 33/76 (Rewe/Landwirtschaftskammer Saarland, Slg. 1976,  1989, Randnr. 5) und Rechtssache 45/76 (Comet/Produktschap voor Siergewassen, Slg. 1976, 2043, Randnr. 12-16), vom 27. Februar 1980 in der Rechtssache 68/79 (Just, Slg. 1980, 501, Randnr. 25), vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82 (Amministrazione delle finanze dello Stato/San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 14), vom 25. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 331/85, 376/85 und 378/85 (Bianco und Girard, Slg. 1988, 1099, Randnr. 12), vom 24. März 1988 in der Rechtssache 104/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 1799, Randnr. 7), vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 123/87 und 330/87 (Jeunehomme u. a. /Belgischer Staat, Slg. 1988, 4517, Randnr. 17) und vom 9. Juni 1992 in der Rechtssache C‑96/91 (Kommission/Spanien, Slg. 1992, I‑3789, Randnr. 12).