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Rechtsmittel der Kaimer GmbH & Co. Holding KG u.a. gegen das Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 24. März 2011 in der Rechtssache T-379/06, Kaimer GmbH & Co. Holding KG, Sanha Kaimer GmbH & Co. KG, Sanha Italia Srl. gegen Europäische Kommission, eingelegt am 27. Mai 2011

(Rechtssache C-264/11 P)

Verfahrenssprache: Deutsch

Verfahrensbeteiligte

Rechtsmittelführerinnen: Kaimer GmbH & Co. Holding KG, Sanha Kaimer GmbH & Co. KG, Sanha Italia Srl. (Prozessbevollmächtigter: J. Brück, Rechtsanwalt)

Andere Verfahrensbeteiligte: Europäische Kommission

Anträge der Rechtsmittelführerinnen

Die Rechtsmittelführerinnen beantragen, das Urteil des Gerichts vom 24. März 2011 in der Rechtssache T-379/06 (Kaimer u.a./Kommission) insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und die Entscheidung der Rechtsmittelgegnerin vom 20. September 2006 (Aktenzeichen K(2006) 4180, Sache COMP/F-1/38.121 - Rohrverbindungen) für nichtig zu erklären;

hilfsweise das Urteil des Gerichts vom 24. März 2011 in der Rechtssache T-379/06 (Kaimer u.a./Kommission) insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde, und die in Artikel 2 der Entscheidung der Rechtsmittelgegnerin vom 20. September 2006 (Aktenzeichen K(2006) 4180, Sache COMP/F-1/38.121 - Rohrverbindungen), festgesetzte Geldbuße herabzusetzen;

weiter hilfsweise, den Rechtsstreit zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

die Kosten des Verfahrens der Rechtsmittelgegnerin aufzuerlegen.

Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente

Das vorliegende Rechtsmittel richtet sich gegen das Urteil des Gerichts, mit dem dieses die gegen die Entscheidung K(2006) 4180 endg. der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F-1/38.121 - Rohrverbindungen) erhobene Klage der Rechtsmittelführerinnen teilweise abgewiesen hat.

Die Rechtsmittelführerinnen machen insgesamt drei Rechtsmittelgründe geltend:

In ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen die Verfälschung von Beweismitteln durch das Gericht. Das Gericht begründe den von ihm angenommenen Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung mit einem bestimmten Beweismittel. Entgegen dem eindeutigen Wortlaut dieses Beweismittels deute das Gericht dieses als Nachweis für den Beginn der Zuwiderhandlung. Bei zutreffender Würdigung des Beweismittels ergebe sich exakt das Gegenteil, nämlich dass über das Marktverhalten der Rechtsmittelführerinnen Unsicherheit im Markt bestand. Eine zutreffende Beweiswürdigung sei ohne weitere Beweiserhebung direkt aus dem Schriftstück heraus möglich.

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen die fehlerhafte Beurteilung des Beweiswerts von Kronzeugenaussagen. Der zweite Rechtsmittelgrund enthalte zwei Begründungsansätze. Zum einen habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es den Kronzeugenerklärungen besonderen Beweiswert zumesse. Bei den im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Kronzeugenerklärungen handele es sich um Kronzeugen, die der Kommission einen Mehrwert liefern mussten, um eine möglichst hohe Reduktion der Buße zu erhalten. Diese Situation führe zu einer überschießenden Belastungstendenz in den Aussagen und damit gerade nicht zu einem besonderen Beweiswert. Auf diesen Umstand sei das Gericht in seiner Urteilsbegründung nicht eingegangen.

Zum anderen habe das Gericht einen Widerspruch zwischen den einzelnen Kronzeugenaussagen nicht aufgeklärt, was zu einer fehler- und lückenhaften Urteilsbegründung führe. Der erste Kronzeuge in dem Verfahren habe die Rechtsmittelführerinnen nicht als Teilnehmerinnen an der Zuwiderhandlung benannt, obwohl er vollständig ausgesagt und damit einen vollständigen Erlass der Geldbuße erwirkt habe. Die Tatvorwürfe gegen die Rechtsmittelführerinnen basieren auf den Aussagen der nachfolgenden Kronzeugen. Gerade wenn man der Erklärung des ersten Unternehmens, das mit der Kommission kooperiert, besonderen Beweiswert zumesse, hätte dieser Widerspruch geklärt werden müssen.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen eine Verletzung der Charta der Grundrechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention ("EMRK"). Die Rechtsmittelführerinnen sehen die Verletzung dieser übergeordneten Rechtsvorschriften in zwei Punkten. Zum einen genüge die Plausibilitätskontrolle, die das Gericht in Kartellbußgeldverfahren anstellt, nicht den Anforderungen der Charta der Grundrechte und der EMRK an einen wirksamen Rechtsbehelf. In diesem Zusammenhang verweisen die Rechtsmittelführerinnen auf den zumindest strafrechtsähnlichen Charakter der Bußgeldentscheidungen der Kommission. Zum anderen entspreche auch das Verfahren bei der Kommission selbst nicht den Vorgaben der EMRK und der Charta der Grundrechte. Zur Begründung führen die Rechtsmittelführerinnen an, dass die Kommission den relevanten Sachverhalt ermittele, die Unternehmen anklage und anschließend auch noch selbst über die Sanktion und deren Höhe entscheide. Ein solches Verfahren wäre nur dann hinnehmbar, wenn die Kommissionsentscheidungen vollständig durch ein Gericht überprüft würden. Wie im ersten Begründungselement zum dritten Rechtsmittelgrund ausgeführt, beschränke sich das Gericht aber bei einer Nachprüfung der Kommissionsentscheidungen auf offensichtliche Widersprüche und treffe keine eigenen unmittelbaren Feststellungen zum Sachverhalt.

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