Language of document : ECLI:EU:C:2009:650

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 22. Oktober 2009(1)

Rechtssache C‑378/08

Raffinerie Mediterranee SpA (ERG),

Polimeri Europa SpA,

Syndial SpA

gegen

Ministero dello Sviluppo Economico u.a.

sowie

Rechtssachen C‑379/08 und C‑380/08

Raffinerie Mediterranee SpA (ERG)

Polimeri Europa SpA

Syndial SpA

gegen

Ministero dello Sviluppo Economico u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Amministrativo Regionale della Sicilia, Italien)

„Richtlinie 2004/35/EG – Gebiet von nationalem Interesse „Priolo“ – Zeitliche Anwendbarkeit – Umwelthaftung betreffend die Sanierung von Umweltschäden – Verursacherprinzip – Maßnahmen zur Beseitigung von Umweltschäden – Zusätzliche, von Amts wegen angeordnete Maßnahmen – Vergabe öffentlicher Aufträge“





I –    Einleitung

„δός μοί (φησι) ποῦ στῶ καὶ κινῶ τὴν γῆν“(2)

1.        Dieser Satz wird dem griechischen Gelehrten Archimedes zugeschrieben. Er illustriert die Wirkung seiner Hebelgesetze.

2.        Archimedes lebte in der sizilianischen Stadt Syrakus. Nicht weit davon befindet sich eine Bucht, die Rada di Augusta, ein seit vielen Jahren sehr stark durch schädliche Substanzen verschmutztes Gebiet. Die Bemühungen, diese Umweltschäden zu beseitigen, gaben den Anlass für die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen.(3)

3.        Es gilt zwar nicht, einen Punkt zu finden, mit dessen Hilfe man die Erde aus den Angeln hebeln könnte. Allerdings wird die Frage aufgeworfen, woran die Haftung für Umweltschäden anknüpfen darf. Können nur diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die die Schäden verursacht haben oder haften möglicherweise auch andere, die in dem fraglichen Gebiet Flächen besitzen oder dort industriell aktiv sind?

4.        Im Ausgangsfall, der Rechtssache C-378/08, wird nämlich behauptet, die zuständigen Stellen hätten in dem fraglichen Gebiet tätige Unternehmen zur Sanierung von Umweltschäden verpflichtet, ohne einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Unternehmen und dem Umweltschaden oder ein Verschulden der Unternehmen untersucht und nachgewiesen zu haben.

5.        Das vorlegende Gericht stellt diese Frage insbesondere im Zusammenhang mit der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden(4) (im Folgenden: Umwelthaftungsrichtlinie). Allerdings ist zunächst zu klären, inwieweit diese Richtlinie für Schäden von Bedeutung ist, die weit überwiegend verursacht wurden, bevor die Richtlinie in Kraft trat.

6.        Weitere Fragen ergeben sich aus den angeordneten Maßnahmen zur Sanierung der Schäden. Angeblich haben die zuständigen Stellen ein bereits verabschiedetes Sanierungskonzept nachträglich erheblich abgeändert, ohne die betroffenen Unternehmen anzuhören, die Auswirkungen dieser Änderungen zu untersuchen oder diese Vorgehensweise zu begründen. Daher wird gefragt, ob dies mit der Umwelthaftungsrichtlinie vereinbar sei.

7.        Schließlich wird die vergaberechtliche Frage aufgeworfen, unter welchen Bedingungen die öffentliche Verwaltung Aufträge hinsichtlich der Planung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen vergeben darf, ohne ein öffentliches Vergabeverfahren durchzuführen.

II – Rechtlicher Rahmen

8.        Die umweltpolitischen Grundsätze der Gemeinschaft, insbesondere das Verursacherprinzip, sind in Art. 174 EG niedergelegt:

„Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab.

Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.

…“

9.        Die Umwelthaftungsrichtlinie knüpft nach ihrer in Art. 1 niedergelegten Zielsetzung an das Verursacherprinzip an:

„Ziel dieser Richtlinie ist, auf der Grundlage des Verursacherprinzips einen Rahmen für die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden zu schaffen.“

10.      Gemäß Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie für

„a)      Umweltschäden, die durch die Ausübung einer der in Anhang III aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden, und jede unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die aufgrund dieser Tätigkeiten eintritt;

b)      Schädigungen geschützter Arten und natürlicher Lebensräume, die durch die Ausübung einer anderen als der in Anhang III aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden, und jede unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die aufgrund dieser Tätigkeiten eintritt, sofern der Betreiber vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.“

11.      Ausnahmen vom Geltungsbereich der Richtlinie sind in Art. 4 festgelegt. In Art. 4 Abs. 5 heißt es:

„Diese Richtlinie gilt nur dann für Umweltschäden sowie die unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die durch eine nicht klar abgegrenzte Verschmutzung verursacht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und den Tätigkeiten einzelner Betreiber festgestellt werden kann.“

12.      Hinsichtlich der Kosten der Sanierungsmaßnahmen bestimmt Art. 8 Abs. 1:

„Der Betreiber trägt die Kosten der gemäß dieser Richtlinie durchgeführten Vermeidungs- und Sanierungstätigkeiten.“

13.      Der Begriff Betreiber wird in Art. 2 Nr. 6 wie folgt definiert:

„(J)ede natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die die berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt oder der — sofern dies in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist — die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über die technische Durchführung einer solchen Tätigkeit übertragen wurde, einschließlich des Inhabers einer Zulassung oder Genehmigung für eine solche Tätigkeit oder der Person, die die Anmeldung oder Notifizierung einer solchen Tätigkeit vornimmt“.

14.      Art. 16 Abs. 1 regelt den Erlass strengerer Vorschriften durch die Mitgliedstaaten:

„Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Vorschriften für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden beizubehalten oder zu erlassen, einschließlich der Festlegung zusätzlicher Tätigkeiten, die den Bestimmungen dieser Richtlinie über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden unterliegen, und der Bestimmung zusätzlicher verantwortlicher Parteien.“

15.      Die zeitliche Anwendbarkeit der Richtlinie wird in Art. 17 begrenzt:

„Diese Richtlinie gilt nicht für

–        Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die vor dem in Art. 19 Abs. 1 angegebenen Datum stattgefunden haben;

–        Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die nach dem in Art. 19 Abs. 1 angegebenen Datum stattgefunden haben, sofern sie auf eine spezielle Tätigkeit zurückzuführen sind, die vor dem genannten Datum stattgefunden und geendet hat;

–        ...“

16.      Art. 19 Abs. 1 legt die Umsetzungsfrist fest:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 30. April 2007 nachzukommen.“

17.      Das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑378/08 bezieht sich außerdem auf die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge(5), die Richtlinie 93/37/EWG(6) des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge(7) und die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge(8) zum öffentlichen Auftragswesen. Auf die Wiedergabe einzelner Bestimmungen dieser Richtlinien kann jedoch verzichtet werden.

III – Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

A –    Die Rechtssache C-378/08

18.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-378/08 ergibt sich folgender Sachverhalt:

19.      Das Gebiet der Rada di Augusta ist durch Phänomene gekennzeichnet, die auf einer Umweltverschmutzung beruhen, welche vermutlich schon vor längerer Zeit begonnen hat, anscheinend spätestens nach dem zweiten Weltkrieg. Insbesondere ist der Meeresboden in diesem Gebiet in erheblichem Umfang durch Schadstoffe kontaminiert.

20.      In dem Zeitraum, über den die Verschmutzung vermutlich entstanden ist, sind in dem Gebiet der Rada di Augusta eine Vielzahl von Industrieunternehmen und Ölfirmen parallel und/oder aufeinander folgend tätig geworden. Dies kann nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts dazu führen, dass die konkrete Feststellung einer individuellen Verantwortlichkeit einzelner Unternehmen für die Verschmutzung unmöglich ist.

21.      Die italienische Verwaltung hat in mehreren aufeinander folgenden Entscheidungen die derzeit in der Nähe der Rada di Augusta tätigen Unternehmen verpflichtet, den kontaminierten Meeresboden zu sanieren. Für den Fall, dass die Unternehmen der Entscheidung nicht nachkommen, hat die Verwaltung angedroht, dass sie die Sanierungsarbeiten auf Kosten der Unternehmen durchführen lassen werde.

22.      Die zur Sanierung herangezogenen Unternehmen üben Tätigkeiten aus, die mit der Verwendung oder Aufbereitung von umweltverschmutzenden Substanzen verbunden sind.

23.      Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hat die Verwaltung die an der Rada di Augusta tätigen Unternehmen zur Sanierung der bestehenden Umweltverschmutzung verpflichtet, ohne zwischen vorausgegangener und gegenwärtiger Verschmutzung zu unterscheiden und ohne festzustellen, inwieweit jedes einzelne Unternehmen eine Verantwortlichkeit für die Verursachung der Verschmutzung trifft.

24.      Diese Entscheidungen sind von einigen betroffenen Unternehmen angefochten worden. Bevor es die vorliegenden Ersuchen an den Gerichtshof richtete, hat das Tribunale Amministrativo Regionale della Sicilia bereits mehrere der angefochtenen Entscheidungen in verschiedenen Urteilen für rechtswidrig erklärt, u. a. wegen Verstoßes gegen das gemeinschaftsrechtliche Verursacherprinzip. Das Berufungsgericht, der Consiglio di Giustizia Amministrativa per la Regione Siciliana, hat demgegenüber die Heranziehung der an der Rada di Augusta ansässigen Unternehmen für rechtmäßig gehalten, und deshalb in einem Verfahren die Vollstreckung eines Urteils des Tribunale Amministrativo Regionale della Sicilia ausgesetzt.

25.      In dem der Rechtssache C-378/08 zugrunde liegenden Verfahren wenden sich mehrere an der Rada di Augusta tätige Unternehmen gegen die zuletzt ergangene Entscheidung vom 20. Dezember 2007, welche sie zur Sanierung des Meeresbodens verpflichtet.

26.      Die Sanierung des Meeresbodens soll nach einem von der Società Sviluppo Italia Aree Produttive (im Folgenden: Sviluppo Italia) erstellten Plan erfolgen. Diesem Plan zufolge sollen die kontaminierten Sedimente ausgebaggert und nach ihrer Aufbereitung zum Bau einer künstlichen Insel im Meer verwendet werden. Die künstliche Insel soll als „Hubhafen“ für Containerschiffe unterschiedlicher Größe dienen.

27.      Sviluppo Italia ist ein vom Staat gebildetes, am Markt tätiges Unternehmen. Die italienische Verwaltung hat Sviluppo Italia mit der Planung und – sollten die Unternehmen untätig bleiben – anschließenden Durchführung der streitigen Sanierungsmaßnahmen beauftragt, ohne zuvor ein öffentliches Vergabeverfahren durchzuführen. Nach Einschätzung des nationalen Gerichts sind die vergebenen Arbeiten „von sehr hohem wirtschaftlichem Wert“.

28.      Die klagenden Unternehmen haben – neben der Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung beantragt.

29.      Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes legt das Tribunale Amministrativo Regionale della Sicilia dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.         Stehen das Verursacherprinzip (Art. 174 EG, früher Art. 130r Abs. 2 EG-Vertrag) und die Richtlinie 2004/35/EG einer nationalen Regelung entgegen, die der öffentlichen Verwaltung erlaubt, privaten Unternehmen – allein aufgrund der Tatsache, dass diese ihre Tätigkeit derzeit in einem seit langem verschmutzten Gebiet oder in einem an ein solches angrenzenden Gebiet ausüben – die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen aufzuerlegen, ohne eine Untersuchung durchzuführen, um festzustellen, wer für die Verschmutzung verantwortlich ist?

2.         Stehen das Verursacherprinzip (Art. 174 EG, früher Art. 130r Abs. 2 EG-Vertrag) und die Richtlinie 2004/35 einer nationalen Regelung entgegen, die es der öffentlichen Verwaltung erlaubt, die Verantwortung für die Beseitigung von Umweltschäden in spezifischer Form demjenigen, der Inhaber dinglicher Rechte ist, und/oder demjenigen aufzuerlegen, der in dem verschmutzten Gebiet eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, und zwar ohne vorher das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten der Person und der Verschmutzung nachweisen zu müssen, sondern allein aufgrund der bloßen „Stellung“, in der sich diese Person befindet (d. h., weil es sich um einen innerhalb des Gebiets tätigen Wirtschaftsteilnehmer handelt)?

3.         Stehen Art. 174 EG (früher Art. 130r Abs. 2 EG-Vertrag) und die Richtlinie 2004/35 einer nationalen Regelung entgegen, die der öffentlichen Verwaltung erlaubt, die Verantwortung für die Beseitigung von Umweltschäden entgegen dem Verursacherprinzip in spezifischer Form demjenigen, der Inhaber dinglicher Rechte und/oder eines Unternehmens in dem verschmutzten Gebiet ist, aufzuerlegen, und zwar ohne vorher nachweisen zu müssen, ob über den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Person und der Verschmutzung hinaus auch das subjektive Erfordernis des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit gegeben ist?

4.         Stehen die in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgelegten gemeinschaftlichen Grundsätze und die Richtlinien 2004/18/EG, 93/37/EWG und 89/665/EWG einer nationalen Regelung entgegen, die der öffentlichen Verwaltung erlaubt, mit Tätigkeiten, die die Prüfung, Planung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen – richtig: die Durchführung von öffentlichen Arbeiten – in dem Staat gehörenden Gebieten umfassen, unmittelbar Personen des Privatrechts (Società Sviluppo S.p.A. und Sviluppo Italia Aree Produttive S.p.A.) zu beauftragen, ohne zuvor die erforderlichen öffentlichen Vergabeverfahren einzuleiten?

B –    Die verbundenen Rechtssachen C-379/08 und C-380/08

30.      Diese Verfahren betreffen zwei Maßnahmen, die mit einer Entscheidung vom 16. April 2008 zur Beseitigung der Schäden angeordnet wurden:

31.      Erstens seien die klagenden Unternehmen verpflichtet worden, die in ihrem Eigentum befindlichen, an der Rada di Augusta liegenden Gelände mit einer physischen Barriere im Boden vom Meer abzutrennen. Zweitens sei die Genehmigung der Nutzung von Flächen in dem Sanierungsgebiet von der Sanierung der Umweltschäden und der Errichtung der genannten Barriere abhängig gemacht worden. Diese Bedingungen beträfen auch gereinigte Flächen und Flächen, die nicht verschmutzt seien.

32.      Die klagenden Unternehmen tragen vor, diese Anordnungen würden frühere Entscheidungen abändern und seien ohne Anhörung, Begründung oder angemessene Untersuchung ihrer Auswirkungen getroffen worden.

33.      Das Tribunale Amministrativo Regionale della Sicilia legt dem Gerichtshof daher im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Steht die Gemeinschaftsrichtlinie über die Wiedergutmachung von Umweltschäden (Richtlinie 2004/35/EG, insbesondere Art. 7 und Anhang II) einer nationalen Regelung entgegen, wonach die öffentliche Verwaltung als „angemessene Optionen für die Sanierung von Umweltschäden“ andere Maßnahmen in Bezug auf die Umweltmatrix (die im vorliegenden Fall in einer an der gesamten Küste entlang führenden „physischen Abgrenzung“ des Grundwassers bestehen) vorschreiben kann als die, die zuvor nach einer geeigneten kontradiktorischen Prüfung ausgewählt wurden und bereits genehmigt, durchgeführt und im Stadium der Durchführung waren?

2.      Steht die Gemeinschaftsrichtlinie über die Wiedergutmachung von Umweltschäden (Richtlinie 2004/35, insbesondere Art. 7 und Anhang II) einer nationalen Regelung entgegen, wonach die öffentliche Verwaltung von Amts wegen derartige Anordnungen treffen kann, d. h., ohne die geländespezifischen Bedingungen, die Kosten für die Durchführung im Verhältnis zu den berechtigterweise zu erwartenden Vorteilen, die möglichen oder wahrscheinlichen zusätzlichen Schäden und die Auswirkungen auf die Gesundheit und die öffentliche Sicherheit sowie die für die Durchführung erforderliche Zeit bewertet zu haben?

3.      Steht in Anbetracht der Besonderheit der im Gebiet von nationalem Interesse Priolo bestehenden Situation die Gemeinschaftsrichtlinie über die Wiedergutmachung von Umweltschäden (Richtlinie 2004/35, insbesondere Art. 7 und Anhang II) einer nationalen Regelung entgegen, wonach die öffentliche Verwaltung von Amts wegen derartige Anordnungen treffen kann als Bedingungen für die Genehmigung einer ordnungsgemäßen Nutzung von innerhalb des Perimeters des Gebiets von nationalem Interesse Priolo befindlichen Geländen, die von der Sanierung nicht unmittelbar betroffen sind, da sie bereits saniert wurden oder jedenfalls nicht verunreinigt sind?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

34.      Am schriftlichen Verfahren haben sich die Polimeri Europa S.p.A. und die Syndial S.p.A. mit einem gemeinsamen Schriftsatz in der Rechtssache C-378/08 (im Folgenden zusammengefasst als: Polimeri u. a.) und die ENI S.p.A., die Polimeri Europa S.p.A. und die Syndial S.p.A. mit einem gemeinsamen Schriftsatz im Verfahren C-379/08 und C-380/08 (im Folgenden zusammengefasst als: ENI u. a.) sowie die ERG Raffinerie Mediterranee S.p.A. (im Folgenden: ERG) als Klägerinnen der Ausgangsverfahren beteiligt, außerdem die Republik Italien und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Das Königreich der Niederlande und die Republik Griechenland reichten zu der Rechtssache C‑378/08 schriftliche Stellungnahmen ein.

35.      An der gemeinsamen mündlichen Verhandlung aller drei Rechtssachen am 15. September 2009 nahmen als Beteiligte der Ausgangsverfahren Polimeri u. a., ENI u. a., ERG und Sviluppo Italia sowie Italien, Griechenland, die Niederlande und die Kommission teil.

V –    Rechtliche Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen

36.      Zunächst werde ich die Einwände Italiens gegen die Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen insgesamt kurz ansprechen. Soweit spezifische Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einzelner Fragen bestehen, werde ich sie jeweils im Zusammenhang mit diesen Fragen untersuchen.

1.      Zu Zweck und Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen

37.      Die italienische Regierung trägt vor, das Vorabentscheidungsersuchen diene primär dazu, die von der Auslegung des Berufungsgerichts abweichende Auslegung des innerstaatlichen Rechts durch den vorlegenden Richter zu bestätigen, und verfolge damit einen in Art. 234 EG nicht vorgesehenen Zweck.

38.      Es trifft zwar zu, dass das in Art. 234 EG vorgesehene Verfahren nur die Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder die Gültigkeit abgeleiteten Rechts zum Gegenstand haben kann.(9) Doch die vorliegenden Ersuchen richten sich ausdrücklich auf die Auslegung von primär- und sekundärrechtlichen Normen des Gemeinschaftsrechts. Dieses Vorbringen entbehrt daher jeder Grundlage.

39.      Auch die Abweichung von der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Ersuchen nicht entgehen. Das Vorabentscheidungsersuchen soll nämlich Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ausräumen.(10) Meinungsunterschiede zwischen Gerichten über die Fragen des Gemeinschaftsrechts sind Anhaltspunkte dafür, dass das Vorabentscheidungsersuchen auf echten Zweifeln beruht.

2.      Zum Inhalt der Vorabentscheidungsersuchen

40.      Die italienische Regierung hält die Fragen darüber hinaus für zu detailliert und beanstandet zugleich die Darstellung des Sachverhalts als unzutreffend und tendenziös.

41.      Ob Fragen zu detailliert sind, kann für die Zulässigkeit von Vorabentscheidungsersuchen nur insofern von Bedeutung sein, als der Gerichtshof im Verfahren nach Art. 234 EG nicht befugt ist, die Normen des Gemeinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden.(11) Vorliegend müssen jedoch nur Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf die Umstände des Falls ausgelegt werden. Die Anwendung des Rechts auf den Einzelfall bleibt dem innerstaatlichen Gericht überlassen.

42.      Ob das vorlegende Gericht die Tatsachen zutreffend mitteilt, ist im Vorabentscheidungsverfahren nicht vom Gerichtshof aufzuklären.(12) Vielmehr bleibt die Feststellung der Tatsachen den zuständigen innerstaatlichen Gerichten überlassen.

43.      Somit greifen die Einwände Italiens gegen die Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen nicht durch.

B –    Zu den ersten drei Vorlagefragen in der Rechtssache C-378/08

44.      Mit den ersten drei Fragen in der Rechtssache C-378/08 soll geklärt werden, ob es mit dem Verursacherprinzip nach Art. 174 EG und der Umwelthaftungsrichtlinie vereinbar ist, bestimmten Personen die Verantwortung für die Beseitigung von Umweltschäden aufgrund ihrer unternehmerischen Tätigkeit oder ihrer Stellung als Eigentümer von Flächen aufzuerlegen, und das unabhängig von einem etwaigen Verursachungsbeitrag oder von Verschulden.

45.      Das Vorabentscheidungsersuchen nennt zwar Art. 174 EG, doch bedarf diese Bestimmung keiner gesonderten Prüfung. Sie beschränkt sich darauf, die allgemeinen Ziele der Gemeinschaft im Umweltbereich festzulegen, die durch den Gemeinschaftsgesetzgeber verwirklicht werden müssen, bevor sie die Mitgliedstaaten binden.(13) Art. 174 EG ist daher kein Maßstab für die Anwendbarkeit innerstaatlicher Haftungsregeln.

46.      Dagegen ist es nicht auszuschließen, dass die Umwelthaftungsrichtlinie innerstaatlichen Haftungsregeln entgegensteht. Im Rahmen der Auslegung dieser Richtlinie kommt es insbesondere auf Art. 174 EG und das dort niedergelegte Verursacherprinzip an, da sie die umweltpolitischen Leitprinzipien der Gemeinschaft verwirklicht.

47.      Die im Vorabentscheidungsersuchen dargestellte Haftung nach italienischem Recht muss nach der Umwelthaftungsrichtlinie weder eingeführt werden noch wird sie ausdrücklich untersagt. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten nach Art. 16 nicht daran gehindert, strengere Vorschriften für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden beizubehalten oder zu erlassen, einschließlich der Bestimmung zusätzlicher verantwortlicher Parteien.

48.      Art. 16 der Umwelthaftungsrichtlinie greift Art. 176 EG auf. Danach hindern Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 175 EG, d. h. rein umweltrechtliche Regelungen der Gemeinschaft,(14) wie die Umwelthaftungsrichtlinie, die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen.

49.      Eine verstärkte mitgliedstaatliche Schutzmaßnahme im Sinne von Art. 176 EG muss nach dem Gerichtshof derselben Ausrichtung auf den Umweltschutz folgen wie die fragliche Richtlinie(15) oder im Einklang mit ihr stehen.(16) Maßnahmen, die diesen Anforderungen nicht genügen, widersprechen entweder der Richtlinie oder sie betreffen Fragen, die in der Richtlinie nicht geregelt werden.

50.      Es wäre mit der zwingenden rechtlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts unvereinbar, wenn die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen dürften, die der Richtlinie widersprechen. Derartigen Maßnahmen steht die Richtlinie entgegen.

51.      Dagegen ist der Rückgriff auf Art. 176 EG ausgeschlossen, wenn die mitgliedstaatliche Maßnahme eine Frage betrifft, die in der Richtlinie nicht geregelt ist. Der Begriff der verstärkten Schutzmaßnahmen setzt logisch einen Vergleich voraus. Voraussetzung einer „verstärkten Schutzmaßnahme“ ist das Vorliegen einer potenziell weniger starken Maßnahme im Gemeinschaftsrecht. Existiert keine solche Maßnahme, so kann auch keine verstärkte Maßnahme vorliegen. Da der Mitgliedstaat aber in Ermangelung von einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nur seine eigenen Kompetenzen ausübt, können rein umweltrechtliche Bestimmungen der Gemeinschaft der Wirkung innerstaatlicher Regelungen in diesem Fall nicht entgegenstehen. Inwieweit andere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen innerstaatlichen Maßnahmen entgegenstehen, ist nicht Gegenstand von Art. 176 EG.

52.      Diese Erwägungen müssen nicht nur für verstärkte Schutzmaßnahmen nach Art. 176 EG, sondern auch für strengere Maßnahmen nach Art. 16 der Umwelthaftungsrichtlinie gelten.

1.      Zur Anwendbarkeit der Umwelthaftungsrichtlinie

53.      Die Umwelthaftungsrichtlinie kann somit nur als Vergleichsmaßstab für strengere Maßnahmen herangezogen werden, soweit sie anwendbar ist. Sowohl ihre zeitliche als auch die sachliche Anwendbarkeit auf die Ausgangsfälle werden jedoch in Zweifel gezogen.

a)      Zum zeitlichen Anwendungsbereich der Umwelthaftungsrichtlinie

54.      Gemäß Art. 17 und Art. 19 Abs. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie gilt die Richtlinie nicht für Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die vor dem 30. April 2007 stattgefunden haben. Ebenso gilt sie nicht für Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle nach diesem Zeitpunkt verursacht wurden, sofern sie auf eine spezielle Tätigkeit zurückzuführen sind, die vor diesem Datum stattgefunden und geendet hat.

55.      Die italienische und die niederländische Regierung sowie die Kommission äußern deshalb in ihren Stellungnahmen Zweifel an der Anwendbarkeit der Umwelthaftungsrichtlinie ratione temporis. Sie gehen davon aus, dass die zu sanierenden Umweltschäden sämtlich vor dem 30. April 2007 aufgetreten sind. Wenn diese Annahme zutrifft, ist diesen Regierungen zuzustimmen.

56.      Die niederländische Regierung hebt zutreffend hervor, dass die im Ausgangsverfahren angefochtene Entscheidung u. a. auf einer Untersuchung beruht, die bereits im April 2007 vorgelegt wurde, also vor dem maßgeblichen Zeitpunkt. Im Übrigen ist das Gebiet der Rada di Augusta gemäß der knappen Beschreibung der Umweltschäden im Vorabentscheidungsersuchen durch Phänomene einer Umweltverschmutzung gekennzeichnet, die vermutlich bereits vor längerer Zeit begonnen hat.(17)

57.      Die Tätigkeiten, von denen angenommen wird, dass sie die Schäden verursacht haben, werden allerdings anscheinend weiter ausgeübt. Daraus schließe ich, dass es sich bei den zu sanierenden Umweltschäden nach der bisherigen Einschätzung des vorlegenden Gerichts um kumulative Schäden handelt, die zwar zu einem Großteil bereits vor dem 30. April 2007 entstanden sind, was es aber nicht ausschließt, dass seitdem weitere Umweltverschmutzungen hinzukommen. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist im Vorabentscheidungsverfahren nicht vom Gerichtshof aufzuklären.(18) Vielmehr bleibt die Feststellung der Tatsachen den zuständigen innerstaatlichen Gerichten überlassen.

58.      Der Wortlaut von Art. 17 erster und zweiter Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie sowie der systematische Zusammenhang der Richtlinie zeigen, dass sie in einer solchen Situation kumulativer Schäden auf den Schadensanteil anwendbar ist, der nach dem 30. April 2007 entstanden ist oder zu entstehen droht.

59.      Nach Art. 17 erster Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie ist eine Anwendung auf Schäden ausgeschlossen, die vor dem maßgeblichen Zeitpunkt verursacht wurden (Altschäden).

60.      Darüber hinaus schließt Art. 17 zweiter Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie Schäden aus, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die nach dem maßgeblichen Zeitpunkt stattfinden, sofern sie auf eine spezielle Tätigkeit zurückzuführen sind, die davor stattgefunden und geendet hat.

61.      Typische Anwendungsfälle dieser zweiten Regelung sind vermutlich vor allem alte Verschmutzungen, die neue Schäden auslösen, etwa wenn aus einer Abfalldeponie schädliche Substanzen austreten und ein benachbartes Gewässer verschmutzen. Auch diese Form der Verbreitung von Schadstoffen kann als Emission angesehen werden.(19) Im deutschen Recht der Gewährleistung hat man für diese Art des Schadens den illustrativen Begriff des „Weiterfressens“ entwickelt.(20)

62.      Art. 17 erster und zweiter Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie sollen eine rückwirkende Anwendung der Umwelthaftungsrichtlinie ausschließen. Dieses Ziel hat die Kommission bereits während der Vorarbeiten zur Umwelthaftungsrichtlinie verfolgt.(21) Der 30. Erwägungsgrund der Richtlinie nimmt den Gedanken auf, indem er feststellt, dass Schäden, die vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie verursacht wurden, nicht von ihren Bestimmungen erfasst werden sollten.

63.      Hintergrund der Verhinderung einer Rückwirkung ist der Grundsatz der Rechtssicherheit, der es im Allgemeinen verbietet, den Beginn der Geltungsdauer eines Gemeinschaftsrechtsakts auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. Dies kann nur ausnahmsweise dann anders sein, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist.(22) Der Gesetzgeber wollte der Umwelthaftungsrichtlinie allerdings ausdrücklich keine solche Rückwirkung beimessen.

64.      Andererseits kann eine neue Vorschrift unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts gelten, der zuvor entstanden ist.(23) Der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes darf nämlich nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von zuvor entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist.(24)

65.      In diesem Licht gelesen definiert Art. 17 erster Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie die vor dem 30. April 2007 entstandenen Schäden als abgeschlossene Sachverhalte, die von der Richtlinie nicht mehr erfasst werden.

66.      Dies gilt entgegen der Auffassung der griechischen Regierung im schriftlichen Verfahren auch, wenn die ursächliche Tätigkeit zwar vor dem maßgeblichen Zeitpunkt begann, aber danach fortgeführt wurde. Zwar werden diese Fälle von Art. 17 zweiter Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie nicht erfasst, da danach die Tätigkeit vor dem 30. April 2007 beendet werden muss. Doch kann der erste Spiegelstrich derartige Tätigkeiten von der Anwendung der Richtlinie ausschließen, soweit sie vor dem maßgeblichen Zeitpunkt stattfanden.

67.      Wie die Kommission zu Recht darlegt, muss die Umwelthaftungsrichtlinie dagegen Anwendung finden, wenn eine fortgeführte Tätigkeit zu neuen Schäden führt. Dies ist schon deshalb geboten, um die Pflicht, nach Art. 5, Umweltschäden zu vermeiden, zur Geltung zu bringen. Diese Regelung verwirklicht neben dem Verursacherprinzip zwei weitere Grundsätze des Umweltrechts der Gemeinschaft gemäß Art. 174 Abs. 2 EG: die Vorbeugung und die Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen an der Quelle.

68.      Der Umstand, dass eine Tätigkeit bereits vor Inkrafttreten der Umwelthaftungsrichtlinie begonnen wurde, kann der Vermeidungspflicht nicht entgegenstehen. Wenn z. B. eine Anlage im Normalbetrieb seit langer Zeit Umweltschäden verursacht, so müssen diese nach der Richtlinie seit dem 30. April 2007 grundsätzlich vermieden werden.

69.      Im vorliegenden Fall ist insbesondere nicht auszuschließen, dass die in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 umstrittene Anordnung, eine physische Barriere zu errichten, auch der Vermeidung künftiger Umweltschäden aufgrund des fortdauernden Betriebs von Anlagen dienen soll. Ob diese Maßnahme geeignet wäre, das Ziel zu erreichen, ist ggf. von den zuständigen innerstaatlichen Gerichten zu klären.

70.      Die Anwendung der Vermeidungspflicht impliziert zugleich, dass Schäden, die hätten vermieden werden sollen, aber trotzdem entstanden sind, saniert werden müssen. Dementsprechend sind die seit dem maßgeblichen Zeitpunkt durch fortgeführte Tätigkeiten verursachten Schäden nach der Umwelthaftungsrichtlinie zu sanieren. Soweit diese Tätigkeiten dem geltenden Recht und/oder dem Stand der Technik entsprechen, ermöglicht Art. 8 Abs. 4 jedoch eine Befreiung von den Kosten.

71.      Bei kumulativen Schäden mag es zwar praktisch schwierig sein, die Anteile neuer Schäden von den Altschäden abzugrenzen, doch ist das Problem kumulativer Schadensverursachung aus anderen Bereichen des Schadensrechts bekannt und keineswegs unlösbar. Art. 9 der Umwelthaftungsrichtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten insofern erhebliche Gestaltungsspielräume, indem er klarstellt, dass die Richtlinie innerstaatliche Regelungen über die Kostenverteilung zwischen mehreren Verursachern unberührt lässt. Darunter lassen sich auch Verursacher fassen, die in ihrer Eigenschaft als Verursacher von Altschäden nicht unter die Richtlinie fallen, aber als Verursacher neuer Schäden erfasst werden.

72.      Somit bleibt noch zu klären, ob neu entstehende Anteile weiterfressender Altschäden unter die Umwelthaftungsrichtlinie fallen, wenn die ursächliche Tätigkeit fortgeführt wird.

73.      Eine solche Auslegung könnte sich in Anlehnung an die griechische Auffassung auf den Wortlaut von Art. 17 zweiter Spiegelstrich der Umwelthaftungsrichtlinie stützen, da die ursächliche Tätigkeit nicht geendet hat, sondern fortgeführt wird. Ihre weitere Ausübung wäre das Merkmal eines noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts, der für die Zukunft neu geregelt wird. Zugleich wäre für die Zukunft sicher gestellt, dass derartige weiterfressenden Schäden nach Maßgabe der Richtlinie eingedämmt werden.

74.      Allerdings würde die Richtlinienwirkung indirekt doch auf Tätigkeiten erstreckt werden, die vor dem Beginn ihrer Wirkung ausgeübt wurden. Genau das soll durch die Regelungen über die zeitliche Anwendung der Richtlinie verhindert werden.

75.      Die Pflicht zur Vermeidung von Umweltschäden führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Vermeidung von Umweltschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit hat eine gänzlich andere Qualität als die Verhinderung des Weiterfressens von Altschäden. Maßnahmen zur Verhinderung des Weiterfressens können kaum noch als Vorbeugung oder Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen an der Quelle angesehen werden. Sie werden sich häufig einer Sanierung des Altschadens annähern. Eine solche Pflicht des Betreibers begründet die Umwelthaftungsrichtlinie jedoch gerade nicht. Die Vermeidung künftiger Neuschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit setzt dagegen gerade an der Tätigkeit an. Dass diese Tätigkeit für die Zukunft keine Schäden mehr verursachen soll, ist das ausdrückliche Ziel der Richtlinie.

76.      Die Umwelthaftungsrichtlinie gilt daher nicht für Umweltschäden, soweit diese Schäden durch Tätigkeiten verursacht wurden, die vor dem 30. April 2007 ausgeübt wurden. Sie steht somit innerstaatlichen Regelungen über die Sanierung solcher Schäden nicht entgegen.

b)      Zur sachlichen Anwendbarkeit der Umwelthaftungsrichtlinie

77.      Weiterhin äußert die Kommission Zweifel an der sachlichen Anwendbarkeit der Umwelthaftungsrichtlinie auf den Sachverhalt der Ausgangsverfahren. Diese Zweifel gründen sich darauf, dass nach der Einschätzung des nationalen Gerichts wegen der Vielzahl von an der Rada di Augusta tätig gewordenen Unternehmen die Feststellung einer individuellen Verantwortung unmöglich sein könnte.

78.      Nach Art. 4 Abs. 5 gilt die Umwelthaftungsrichtlinie nur für Umweltschäden, die durch eine nicht klar abgegrenzte Verschmutzung verursacht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und den Tätigkeiten einzelner Betreiber festgestellt werden kann.

79.      Diese Bestimmung ist zwar Teil der Ausnahmen zur Umwelthaftungsrichtlinie. Tatsächlich handelt es sich jedoch eher um eine Klarstellung der Reichweite der allgemeinen Regelungen über die Anwendung der Richtlinie nach Art. 3 Abs. 1: Danach gilt die Richtlinie für Umweltschäden, die durch eine berufliche Tätigkeit verursacht wurden. Art. 4 Abs. 5 stellt klar, dass auch Schäden erfasst werden, die auf eine nicht klar abgrenzbare Verschmutzung zurückgehen. Solche Verschmutzungen sind somit im Prinzip kein Anwendungshindernis, solange der notwendige Kausalzusammenhang feststellbar ist.

80.      Art. 4 Abs. 5 der Umwelthaftungsrichtlinie beruht auf der Erwägung, dass es praktisch besonders schwierig sein kann, bei nicht klar abgrenzbaren Verschmutzungen den Nachweis einer konkreten Verursachung zu führen. Dies zeigen die Beispiele, die der Kommission vor Augen standen, als sie die Regelung vorbereitete: Klimaveränderungen, die durch Kohlendioxid und andere Emissionen hervorgerufen werden, das Waldsterben infolge des sauren Regens und die verkehrsbedingte Luftverschmutzung.(25) Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie wird dadurch aber nicht verändert.

81.      Allerdings muss die in Art. 3 Abs. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie vorgesehene Voraussetzung ihrer Geltung, dass der fragliche Umweltschaden durch eine berufliche Tätigkeit verursacht wurde, einschränkend ausgelegt werden. Die Richtlinie sieht nämlich auch die Untersuchung der Schadensursachen vor. Nach Art. 11 Abs. 2 obliegt es der zuständigen Behörde, festzustellen, welcher Betreiber den Schaden oder die unmittelbare Gefahr eines Schadens verursacht hat. Darüber hinaus erlauben Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 3 sowie Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 Maßnahmen, wenn der Verursacher nicht ermittelt werden kann. Diese Bestimmungen, auf die nachfolgend weiter einzugehen ist,(26) würden leer laufen, wenn die Richtlinie nicht anwendbar wäre, solange die Ursache eines Schadens nicht feststeht.

82.      Richtigerweise ist die Verursachung eines Schadens durch eine berufliche Tätigkeit daher primär die Voraussetzung einer Haftung für Umweltschäden im Sinne der Richtlinie. Andere Bestimmungen der Umwelthaftungsrichtlinie können dagegen anwendbar sein, obwohl (noch) nicht feststeht, dass die fraglichen Umweltschäden durch eine solche Tätigkeit verursacht wurden.

c)      Zur Verantwortung nach der Umwelthaftungsrichtlinie

83.      Soweit die Umwelthaftungsrichtlinie auf den Ausgangsfall anwendbar ist, ergeben sich etwaige Sperrwirkungen aus ihrer Regelung der Verantwortung für die Sanierung von Umweltschäden im Licht des Verursacherprinzips.

84.      Nach Art. 174 Abs. 2 EG ist das Verursacherprinzip eine Grundlage der gemeinschaftlichen Umweltpolitik. Art. 1 und der zweite Erwägungsgrund der Umwelthaftungsrichtlinie stellen in diesem Sinne fest, dass sich die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden an diesem Prinzip orientieren sollten. Das Verursacherprinzip ist damit das Leitprinzip der Umwelthaftungsrichtlinie.

85.      Das Verursacherprinzip sieht vor, dass derjenige, der eine Verschmutzung verursacht hat, für ihre Beseitigung verantwortlich ist. Andere Sprachfassungen, die besagen, dass „der Verschmutzer zahlt“ („polluter-pays“ principle, principe du „polleur-payeur“), unterstreichen, dass es sich beim Verursacherprinzip um ein Prinzip der Kostenverteilung handelt.(27) Nicht die Gesellschaft oder Dritte, sondern der Verschmutzer soll die Kosten der Beseitigung einer Verschmutzung tragen. In der Konsequenz findet eine Internalisierung der Umweltkosten statt, d.h. die Umweltkosten werden in die Produktionskosten des verschmutzenden Unternehmens einbezogen.(28)

86.      Dadurch entsteht für potenzielle Verursacher von Umweltschäden ein Anreiz, Umweltverschmutzungen zu vermeiden.(29) Neben der Funktion, die Kosten gerecht zu verteilen, enthält das Verursacherprinzip also auch eine Anreizfunktion und dient dem Prinzip der Vorbeugung.(30)

87.      Die Umwelthaftungsrichtlinie konkretisiert das Verursacherprinzip insbesondere, indem sie den verantwortlichen Betreiber gemäß Art. 6 zur Sanierung verpflichtet und in Art. 8 Abs. 1 festlegt, dass der Betreiber die Kosten der gemäß dieser Richtlinie durchgeführten Vermeidungs- und Sanierungstätigkeiten trägt. Betreiber ist nach Art. 2 Nr. 6 derjenige, der die Verantwortung für die Tätigkeit trägt, die den Schaden verursacht hat. Er ist derjenige, der Umweltschäden aufgrund seiner Tätigkeit grundsätzlich am Besten vorbeugen kann.

88.      Praktisch dürfte weiterer Regelungsbedarf bei Schäden auf fremden Grundstücken bestehen. Deren Eigentümer bindet die Richtlinie im Wege der Anhörung nach Art. 7 Abs. 4 ein. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Sanierungspflichtige ohne Weiteres Maßnahmen auf fremdem Grund und Boden ergreifen kann.

89.      Die Umwelthaftungsrichtlinie legt im Übrigen nach Art. 3 Abs. 1 nicht für alle Umweltschäden eine Haftung fest und unterscheidet außerdem hinsichtlich dieser Haftung zwischen verschiedenen Schäden.

90.      Erfasst werden einerseits Umweltschäden, die durch die Ausübung einer der in Anhang III aufgeführten beruflichen Tätigkeiten verursacht werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Umwelthaftungsrichtlinie). Anhang III zählt verschiedene Tätigkeiten auf, die gemäß anderer Bestimmungen des Umweltrechts der Gemeinschaft mit besonderen Umweltrisiken verbunden sind. Im vorliegenden Fall dürften z. B. Nr. 1 und/oder Nr. 7 dieses Anhangs einschlägig sein, d. h. der Betrieb von Anlagen, der eine Genehmigung gemäß der Richtlinie 96/61(31) voraussetzt, oder die Herstellung, Verwendung, Lagerung, Verarbeitung, das Abfüllen, die Freisetzung in die Umwelt und die innerbetriebliche Beförderung bestimmter gefährlicher Stoffe.

91.      Daneben sieht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Umwelthaftungsrichtlinie eine Haftung für vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten bei anderen Tätigkeiten vor, soweit geschützte Arten oder natürliche Lebensräume geschädigt werden, die nach Art. 6 Abs. 3 und 4 oder Art. 16 der Habitatrichtlinie(32) oder Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie(33) geschützt werden. Für solche Schäden wurden allerdings keine Anhaltspunkte mitgeteilt oder vorgetragen.

92.      Da die Haftung für die Schädigung geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume ausdrücklich an Verschulden anknüpft, greift im Umkehrschluss die Haftung für Schäden aufgrund von Tätigkeiten des Anhangs III im Prinzip unabhängig von einem Verschulden ein. Dies bestätigen die den Mitgliedstaaten in Art. 8 Abs. 4 eröffneten Optionen, eine Befreiung von den Sanierungskosten vorzusehen, wenn der Betreiber nicht schuldhaft gehandelt hat und die ursächliche Tätigkeit genehmigt war oder nach dem Stand der Technik durchgeführt wurde. Der strenge Haftungsmaßstab einer verschuldensunabhängigen Haftung entspricht den besonderen Risiken, die bei der Ausübung der fraglichen – ihrer Natur nach gefahrgeneigten – Tätigkeiten für die Umwelt in Kauf genommen werden.

93.      In beiden Fällen setzt eine Haftung nach Art. 3 Abs. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie zumindest voraus, dass die Schäden von den jeweils erfassten Tätigkeiten verursacht werden. Es obliegt nach Art. 11 Abs. 2 der zuständigen innerstaatlichen Behörde, festzustellen, welcher Betreiber den Schaden verursacht hat. Unabhängig von einer solchen Feststellung ist der Betreiber nach Art. 5 bis 7 verpflichtet, Umweltschäden zu vermeiden, sie ggf. zu sanieren und die zuständigen Stellen zu informieren. Eingeschränkt wird diese Haftung durch Art. 8 Abs. 3, wenn der Betreiber nachweist, dass Dritte die Schäden verursacht haben oder sie auf Anordnungen von Behörden zurückzuführen sind.

94.      Die Umwelthaftungsrichtlinie ist somit darauf ausgerichtet, das Verursacherprinzip in einer bestimmten Form zu konkretisieren. Grundsätzlich sollen Betreiber die Kosten von Umweltschäden tragen, die sie verursachen. Diese Kostenzuweisung schafft einen Anreiz, als Betreiber Umweltschäden vorzubeugen. Sie ist insoweit gerecht, als die Betreiber, insbesondere im Fall der verschuldensunabhängigen Haftung, eine gefahrengeneigte Tätigkeit betreiben und in der Regel auch den wirtschaftlichen Ertrag dieser Tätigkeit genießen.

95.      Solange die Verursacher der Schäden nicht bekannt sind, ergibt sich aus der Richtlinie dagegen keine Sanierungspflicht. Da dies nach dem Vorabentscheidungsersuchen in den Ausgangsfällen der Fall ist, muss angenommen werden, dass die streitgegenständlichen Sanierungsanordnungen nicht als Anwendung der Umwelthaftungsrichtlinie anzusehen sind.

d)      Zur Haftung ohne Verursachung des Schadens

96.      Mit der zweiten Frage in der Rechtssache C‑378/08 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob es zulässig ist, die Verantwortung für die Beseitigung von Umweltschäden demjenigen aufzuerlegen, der Inhaber dinglicher Rechte ist, und/oder demjenigen, der in dem verschmutzten Gebiet eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Das Gericht präzisiert diese Fragestellung dahin gehend, dass die Haftung allein aufgrund der bloßen „Stellung“, in der sich diese Person befindet (d. h., weil es sich um einen innerhalb des Gebiets tätigen Wirtschaftsteilnehmer handelt), zugewiesen wird. Das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten der Person und der Verschmutzung müsse nicht nachgewiesen werden.

97.      Die Kommission vertritt die Auffassung, eine solche Haftung sei als strengere Maßnahme nach Art. 176 EG und Art. 16 der Umwelthaftungsrichtlinie zulässig.

98.      Dem kann ich allerdings nicht uneingeschränkt zustimmen: Eine Haftung unabhängig von einem Verursachungsbeitrag würde nicht der Ausrichtung der Umwelthaftungsrichtlinie folgen und auch nicht im Einklang mit ihr stehen, wenn sie die Verantwortung desjenigen mindert, der nach der Richtlinie für den Umweltschaden verantwortlich ist. Denn die Richtlinie begründet gerade für den verantwortlichen Betreiber einen Anreiz zur Vermeidung von Umweltschäden und legt fest, dass dieser die Kosten der Sanierung trotzdem entstehender Schäden tragen soll.

99.      Unter welchen Umständen der verursachende Betreiber die Kosten nicht tragen muss, ist insbesondere in Art. 8 der Umwelthaftungsrichtlinie geregelt. Weitergehende Befreiungen von den Kosten würden in der Regel die Konkretisierung des Verursacherprinzips durch die Richtlinie untergraben. Sie würden die Anreizwirkung der vorgesehenen Haftung mindern und die vom Gemeinschaftsgesetzgeber als gerecht angesehene Kostenverteilung modifizieren.

100. Allerdings zeigt schon Art. 16 Abs. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie, dass der verursachende Betreiber nicht die einzig mögliche verantwortliche Partei sein kann. Diese Bestimmung erlaubt es den Mitgliedstaaten ausdrücklich, zusätzliche verantwortliche Parteien zu bestimmen.

101. Die Zulässigkeit ergänzender Haftungsregelungen illustrieren darüber hinaus Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Umwelthaftungsrichtlinie. Danach kann die zuständige Behörde selbst und ggf. auf eigene Kosten Sanierungs- oder Vermeidungsmaßnahmen ergreifen, wenn der verursachende Betreiber nicht ermittelt werden kann. Diese im Kommissionsvorschlag nicht enthaltenen Regelungen hat der Rat auf Wunsch verschiedener Mitgliedstaaten eingeführt.(34)

102. Wenn die vorrangige Haftung des verantwortlichen Betreibers nicht ausgehöhlt werden soll, ist Art. 16 Abs. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie nicht in dem Sinne auszulegen, dass die Mitgliedstaaten andere(35) verantwortliche Parteien bestimmen können, die an seine Stelle treten. Auch zusätzliche(36) verantwortliche Parteien, die gleichrangig mit ihm haften und seine Haftung mindern, sind abzulehnen.

103. Es wäre darüber hinaus bedenklich, zunächst ohne Not eine andere Partei heranzuziehen, die anschließend ihre Kosten beim verantwortlichen Betreiber geltend machen müsste. Zwar scheint Art. 8 Abs. 3 der Umwelthaftungsrichtlinie diese Möglichkeit anzudeuten, da die Mitgliedstaaten danach eine Erstattung der Sanierungskosten des Betreibers vorsehen müssen, wenn er nachweist, dass die Schäden von Dritten oder aufgrund hoheitlicher Anordnungen verursacht wurden. Dies erklärt sich jedoch daraus, dass der Betreiber regelmäßig in der besten Position ist, eine Sanierung durchzuführen, weil er über die Schadensquelle und zumindest die zunächst betroffenen Flächen verfügt. Andere Verursacher können dagegen meist nur für die Kosten herangezogen werden.

104. Die Haftung weiterer Parteien muss vielmehr ergänzender Natur sein. Sie darf erst eingreifen, wenn kein verursachender Betreiber herangezogen werden kann.

105. Mit dieser Einschränkung können die Mitgliedstaaten sowohl das Verursacherprinzip in anderer Weise konkretisieren, als dies in der Umwelthaftungsrichtlinie geschehen ist [dazu unter i)], als auch Haftungsregelungen entwickeln, die unabhängig von einem Verursachungsbeitrag eingreifen [dazu unter ii)].

i)      Ergänzende Haftungsmodelle auf Basis des Verursacherprinzips

106. Es liegt nahe, ergänzende Verantwortliche zunächst ebenfalls nach dem Verursacherprinzip zu bestimmen. Aufgrund der möglichen Komplexität der Ursachen von Umweltschäden besteht insofern ein weiter Gestaltungsspielraum sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Gemeinschaft.(37) Den gemeinschaftsrechtlichen Spielraum schöpft die Umwelthaftungsrichtlinie nicht aus. Sie zieht nur den verantwortlichen Betreiber als Verursacher heran, belässt aber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, weitere Verursacher in die Haftung einzubeziehen. Art. 16 Abs. 1 nennt beispielhaft die Einbeziehung weiterer Tätigkeiten.

107. Vorliegend könnte man darüber hinaus z. B. daran denken, den Eigentümer oder Nutzer eines Grundstücks, dessen Zustand – etwa im Sinne eines Weiterfressens – Umweltschäden verursacht, unabhängig von einer beruflichen Tätigkeit als Verursacher anzusehen. Denn die Ursache des Schadens befindet sich in seinem Herrschaftsbereich und ihre Beseitigung bedarf seiner Mitwirkung. Es widerspräche daher nicht dem Verursacherprinzip, für diesen Schaden den Eigentümer oder den Nutzer des Grundstücks heranzuziehen.

108. Es würde dem Verursacherprinzip auch nicht widersprechen, den Rechtsnachfolger des Verursachers eines Schadens ebenfalls als Verursacher anzusehen, jedenfalls wenn der ursprüngliche Verursacher nicht mehr herangezogen werden kann.

109. Darüber hinaus entspricht eine Kostenverantwortung grundsätzlich auch dann dem Verursacherprinzip, wenn sich überhaupt ein Verursachungsbeitrag, aber nicht sein Umfang feststellen lässt. Häufig wird es nämlich praktisch schwierig oder sogar unmöglich sein, den Verursachungsbeitrag Einzelner zu bestimmten Umweltschäden exakt zu beziffern. Wenn sie insgesamt von ihrer Verantwortung entlastet würden, wäre das Verursacherprinzip geschwächt. In derartigen Fällen könnten die Mitgliedstaten den identifizierbaren Verursachern die Kosten gemeinsam auferlegen. Das innerstaatliche Recht müsste in diesem Zusammenhang die notwendigen Regelungen über Lastenverteilung zwischen den einzelnen Verursachern treffen und könnte sich an den entsprechenden Bestimmungen für andere Bereiche des Schadensersatzrechts orientieren. Diese mitgliedstaatliche Zuständigkeit entspricht der Wertung des Art. 9 der Umwelthaftungsrichtlinie.

110. Die Kommission ging offenbar im Gesetzgebungsverfahren noch davon aus, dass es mit dem Verursacherprinzip vereinbar wäre, einem möglichen Schadensverursacher die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass er einen Schaden nicht verursacht hat.(38) Sie schlug schließlich eine Beweiserleichterung zumindest dafür vor, dass Schäden in den zeitlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fielen.(39) Auch wenn diese Regelung nicht in die Endfassung der Richtlinie einfloss, wären in diesem Sinne – vorbehaltlich der noch zu diskutierenden Regeln der Umwelthaftungsrichtlinie über die Ermittlung von Schadensursachen(40) – innerstaatliche Regeln vorstellbar, die widerlegbare Vermutungen über die Verursachung von Schäden begründen.

ii)    Ergänzende Haftungsmodelle unabhängig von einem Verursachungsbeitrag

111. Eine Haftung, die keinen Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Haftenden und dem Schaden voraussetzt, würde dagegen nach der Auffassung von Polimeri u. a. dem in der Umwelthaftungsrichtlinie verankerten Verursacherprinzip widersprechen. Dem ist insoweit zuzustimmen, als die diesem Prinzip zuzuordnende Funktion der gerechten Kostenverteilung geschwächt wird, wenn Sanierungskosten jemandem aufgebürdet würden, der den Schaden nicht verursacht hat.(41)

112. Dem Verursacherprinzip kann jedoch kein absolutes Verbot entnommen werden, anderen als den Verursachern die Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden aufzuerlegen. Ein derartiges Verbot würde darauf hinauslaufen, Umweltschäden hinzunehmen, wenn der Verursacher nicht herangezogen werden kann. Denn auch bei einer Sanierung zu Lasten der Allgemeinheit müssten die Kosten von jemandem getragen werden, der für den Schaden nicht verantwortlich ist. Die Hinnahme von Umweltschäden wäre jedoch mit dem Ziel unvereinbar, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität zu fördern. Das Verursacherprinzip hat gegenüber diesem – nicht nur in Art. 174 Abs. 2 EG, sondern auch in Abs. 1 dieser Bestimmung und vor allem in Art. 2 EG niedergelegten – Ziel eine dienende Funktion. Das Verursacherprinzip darf nicht so verstanden werden, dass es im Ergebnis dem Umweltschutz widerspricht, etwa indem es die Sanierung von Umweltschäden verhindert, wenn der Verursacher nicht herangezogen werden kann.

113. Dementsprechend nimmt auch die Umwelthaftungsrichtlinie in Kauf, dass Sanierungskosten von anderen als dem verantwortlichen Betreiber getragen werden. Sie lässt es nämlich zu, dass der Staat auf eigene Kosten Maßnahmen ergreift, wenn der Verursacher nicht ermittelt werden kann oder nicht ausreichend leistungsfähig ist.(42)

114. Wenn ein Verursacher nicht ermittelt werden kann, würde es die gerechte Kostenverteilung im Übrigen rechtfertigen, dem Eigentümer sanierter Flächen, die Kosten der Sanierung insoweit anzulasten, als der Wert dieser Flächen gesteigert wird. Andernfalls würde er auf Kosten Anderer ohne vernünftigen Grund bereichert.

115. Ausgehend von den Angaben des Vorabentscheidungsersuchens kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob ergänzende Haftungsregelungen unabhängig von einem Verursachungsbeitrag vorstellbar sind, die aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts zu beanstanden wären. Eine mögliche Grenze könnte im Prinzip der Verhältnismäßigkeit liegen, mit dem offensichtlich unangemessene Ergebnisse unvereinbar sind.(43) Ob dieses Prinzip des Gemeinschaftsrechts auf strengere Maßnahmen im Sinne von Art. 176 EG angewendet werden kann, ist jedoch zweifelhaft.(44) Wenn die vorrangige Haftung des verantwortlichen Betreibers respektiert wird, sind vorliegend jedenfalls keine offensichtlich unangemessenen Haftungsregelungen erkennbar.

iii) Antwort auf die zweite Frage in der Rechtssache C-378/08

116. Um auf den einleitend zitierten Satz von Archimedes zurückzukommen: Die Haftung für Umweltschäden setzt nicht zwingend einen festen Punkt in Form einer Verursachung voraus, wie sie in der Umwelthaftungsrichtlinie geregelt ist. Vielmehr verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Festlegung ergänzender Haftungsregeln.

117. In diesem Sinne ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Umwelthaftungsrichtlinie einer Haftung für Umweltschäden unabhängig von einem Verursachungsbeitrag nur entgegensteht, soweit eine solche Haftung die vorrangige Haftung des verursachenden Betreibers untergraben würde.

e)      Zum Verzicht auf die Ermittlung der Ursachen

118. Die erste Frage in der Rechtssache C‑378/08 soll aufklären, ob derzeit in einem seit langem verschmutzten Gebiet oder in einem an ein solches angrenzenden Gebiet tätigen Unternehmen Sanierungsmaßnahmen auferlegt werden dürfen, ohne eine Untersuchung durchzuführen, um festzustellen, wer für die Verschmutzung verantwortlich ist.

119. Nach Art. 11 Abs. 2 der Umwelthaftungsrichtlinie obliegt es der zuständigen Behörde, festzustellen, welcher Betreiber den Schaden oder die unmittelbare Gefahr eines Schadens verursacht hat. Diese Verpflichtung ist von zentraler Bedeutung für die Durchsetzung des Verursacherprinzips, wie es in der Richtlinie konkretisiert wird. Wenn potenzielle Schadensverursacher nicht fürchten müssen, entdeckt zu werden, besteht kein Anreiz, Schäden zu vermeiden. Auch ist eine gerechte Verteilung der Kosten unmöglich, wenn der Verursacher unbekannt bleibt.

120. Darüber hinaus würde das in Art. 12 der Umwelthaftungsrichtlinie vorgesehene Beschwerdeverfahren wegen möglicher Umweltschäden („Aufforderung zum Tätigwerden“), weitgehend leerlaufen, wenn die zuständigen Behörden nicht verpflichtet wären, Umweltschäden zu untersuchen. Dementsprechend wird das vorlegende Gericht dem Hinweis von ERG, ENI u. a. sowie Polimeri u. a. nachgehen müssen, dass in anderen Verfahren ein anderes Unternehmen als Verursacher des Umweltschadens identifiziert worden sei

121. Das Vorabentscheidungsersuchen illustriert allerdings, dass die Feststellung des Verursachers mit großen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Dementsprechend erkennt die Umwelthaftungsrichtlinie ausdrücklich an, dass der verantwortliche Betreiber möglicherweise nicht ermittelt werden kann. Auf eine nicht klar abgegrenzte Verschmutzung ist sie nach Art. 4 Abs. 5 nicht anwendbar, wenn kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und den Tätigkeiten einzelner Betreiber festgestellt werden kann. Bei anderen Verschmutzungen erlauben die Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2, dass die zuständige Behörde selbst, d. h. auf eigene Kosten, Sanierungs- oder Vermeidungsmaßnahmen ergreifen kann, falls sie keinen Betreiber identifizieren kann und ihr keine weiteren Mittel bleiben.

122. Daraus ist zu schließen, dass die Umwelthaftungsrichtlinie es zulässt, von der Ermittlung der Schadensursache abzusehen, wenn weitere Untersuchungen keinen Erfolg versprechen.

123. Vorstellbar ist es auch, Eilmaßnahmen zu ergreifen, bevor die Untersuchungen abgeschlossen sind oder überhaupt eingeleitet wurden. Wie vorzugehen ist, müssen die zuständigen Stellen nach umfassender Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entscheiden.

124. Da diese Entscheidungen eine komplexe Prognoseentscheidung voraussetzen, kommt den zuständigen Stellen ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Sie müssen sich allerdings – wie generell bei der Anwendung des europäischen Umweltrechts von Art. 174 Abs. 3 EG gefordert – auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten stützen.(45)

125. Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass die Umwelthaftungsrichtlinie es erlaubt,

–      von der Ermittlung der Schadensursache abzusehen, wenn weitere Untersuchungen keinen Erfolg versprechen, und

–      vor Abschluss der Untersuchungen Eilmaßnahmen zu ergreifen.

f)      Zur verschuldensunabhängigen Haftung

126. Mit der dritten Frage will das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob die Umwelthaftungsrichtlinie nationalen Regelungen entgegensteht, die eine verschuldensunabhängige Haftung für Umweltschäden vorsehen.

127. Die Umwelthaftungsrichtlinie selbst kennt zwei Arten der Haftung für Umweltschäden: Eine objektive, verschuldensunabhängige Haftung gilt gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a für bestimmte Tätigkeiten, die mit besonderen Risiken verbunden sind. Daneben unterliegen alle beruflichen Tätigkeiten einer verschuldensabhängigen Haftung gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b für bestimmte Schädigungen geschützter Arten und natürlicher Lebensräume.

128. Eine über die Tätigkeiten des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Umwelthaftungsrichtlinie hinausgehende verschuldensunabhängige Haftung des Verursachers würde derselben Ausrichtung auf den Umweltschutz folgen und im Einklang mit ihr stehen. Soweit die Umwelthaftungsrichtlinie ein Verschulden voraussetzt, schränkt sie nämlich das Verursacherprinzip ein. Die Mitgliedstaaten müssen berechtigt sein, im Rahmen strengerer Maßnahmen auf diese Beschränkung zu verzichten. Praktisch bewirkt eine verschuldensunabhängige Haftung nämlich im Wesentlichen strengere Sorgfaltspflichten der in Anspruch genommenen Parteien gegenüber der Umwelt. Dies gilt nicht nur für die in der Umwelthaftungsrichtlinie vorgesehenen Haftungsmodelle, sondern auch für etwaige ergänzenden Haftungsregelungen der Mitgliedstaaten.

129. Daraus ist im Hinblick auf die dritte Frage in der Rechtssache C-378/08 zu schließen, dass die Umwelthaftungsrichtlinie Haftungsregelungen für Umweltschäden, die kein Verschulden voraussetzen, nicht entgegensteht.

2.      Zur Relevanz des Verursacherprinzips im Rahmen der Abfallrahmenrichtlinie

130. Unabhängig von der Umwelthaftungsrichtlinie sind die Fragen zum Verursacherprinzip auch deshalb von Bedeutung für die Ausgangsfälle, weil möglicherweise die Abfallrahmenrichtlinie(46) anwendbar ist.

131. Die Abfallrahmenrichtlinie ist zwar erst seit 1977 anwendbar(47) und deckt damit ebenfalls aller Voraussicht nach nicht alle Verunreinigungen ab, die zu den streitgegenständlichen Umweltschäden geführt haben. Doch in den 30 Jahren bis zum Beginn der Anwendbarkeit der Umwelthaftungsrichtlinie könnten deutlich größere Anteile der Umweltschäden verursacht worden sein als in den beiden Jahren der Anwendbarkeit der Umwelthaftungsrichtlinie. Inwieweit die Abfallrahmenrichtlinie weiterhin gilt, nachdem die Umwelthaftungsrichtlinie anwendbar wurde, und welche künftigen Auswirkungen ihre Neufassung hat,(48) ist vorliegend nicht gefragt und muss auch nicht geklärt werden.

132. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass unabsichtlich in den Boden, das Grundwasser oder das Meer ausgebrachte Kohlenwasserstoffe, die nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden können, als Abfall anzusehen sind.(49) Ebenfalls als Abfall ist das infolge eines unbeabsichtigten Ausbringens dieser Stoffe kontaminierte Erdreich einzustufen.(50) Für andere Schadstoffe dürften die gleichen Erwägungen gelten.

133. Abfälle müssen nach Art. 4 der Abfallrahmenrichtlinie verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können. Die Beseitigung oder Verwertung der Schadstoffe, die zu den streitgegenständlichen Umweltschäden geführt haben, und des kontaminierten Erdreichs dürfte häufig bereits Teile einer Schadenssanierung einschließen.

134. Nach Art. 15 der Abfallrahmenrichtlinie sind gemäß dem Verursacherprinzip die Kosten für die Beseitigung der Abfälle von dem Abfallbesitzer zu tragen, der seine Abfälle einem Sammelunternehmen oder einem Beseitigungsunternehmen übergibt, und/oder den früheren Besitzern oder dem Hersteller des Erzeugnisses, von dem die Abfälle herrühren. Ein Verschulden ist nach der Abfallrahmenrichtlinie der Haftung nicht vorausgesetzt.

135. Im Unterschied zur Umwelthaftungsrichtlinie konkretisiert diese Regelung nicht, welche dieser Personen die Kosten für die Beseitigung der Abfälle trägt. Gleichwohl ging der Gerichtshof in Bezug auf Kohlenwasserstoffe, die beim Betrieb einer Tankstelle austraten, davon aus, dass grundsätzlich die Betreiberin der Tankstelle als Besitzerin und Erzeugerin dieser Abfälle verantwortlich war.(51) Im Fall unabsichtlich bei einer Tankerhavarie ins Meer ausgebrachter Kohlenwasserstoffe hat der Eigentümer des Schiffes, das diese Kohlenwasserstoffe befördert, diese unmittelbar vor ihrer Verwandlung in Abfall in seinem Besitz. Im Prinzip haftet er daher für die Kosten der Beseitigung.(52)

136. Eine Haftung anderer Parteien ist allerdings möglich, wenn Sie aufgrund besonderer Umstände für die Entstehung der Abfälle verantwortlich sind.(53)

137. Daher spricht viel dafür, dass in den Ausgangsfällen nach der Abfallrahmenrichtlinie die Unternehmen für die Beseitigung der Schadstoffe verantwortlich sind, bei deren Tätigkeit sie aus den Produktionsanlagen in die Umwelt austraten.

138. Abweichenden Regelungen steht die Abfallrahmenrichtlinie im Prinzip genauso entgegen wie die Umwelthaftungsrichtlinie. D. h. die vorrangige Haftung der nach dem Verursacherprinzip primär Verantwortlichen darf zwar ergänzt, aber nicht ersetzt oder geschmälert werden. Dementsprechend darf auch nicht ohne Weiteres auf die Ermittlung der Verantwortlichen verzichtet werden.

C –    Zu den Fragen in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08

139. Die Fragen in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 betreffen nicht die grundsätzliche Haftung für Umweltschäden, sondern die Festlegung von Sanierungsmaßnahmen nach der Umwelthaftungsrichtlinie. Da zumindest für Teile der betroffenen Umweltschäden nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Richtlinie anwendbar ist,(54) sind auch diese Fragen vom Gerichtshof zu beantworten.

1.      Zur ersten Frage in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 – Änderung von Sanierungsmaßnahmen

140. Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die Umwelthaftungsrichtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es der öffentlichen Verwaltung erlaubt, statt der Sanierungsmaßnahmen, die zuvor nach einer geeigneten kontradiktorischen Prüfung ausgewählt wurden und bereits genehmigt, durchgeführt oder im Stadium der Durchführung waren, andere Sanierungsmaßnahmen anzuordnen.

141. Die Umwelthaftungsrichtlinie enthält keine ausdrückliche Regelung über die Änderung von Sanierungsanordnungen. Art. 7 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 besagen nur, dass die zuständige Behörde über die Sanierungsmaßnahmen entscheidet. Diese Formulierung lässt sich problemlos so verstehen, dass geänderte oder zusätzliche(55) Sanierungsmaßnahmen eingeschlossen sind.

142. Diese Auslegung ist schon deshalb geboten, weil sich die Einschätzung der Wirksamkeit von Sanierungsmaßnahmen während oder nach ihrer Durchführung verändern kann. Es wäre daher mit dem Ziel eines hohen Umweltschutzniveaus unvereinbar und im Übrigen auch potenziell unverhältnismäßig, an einmal angeordneten Sanierungsanordnungen immer unverändert festhalten zu müssen, auch wenn ihre Wirksamkeit zunehmend zweifelhaft wird.

143. Soweit der Richtlinie einschlägige Regelungen über die Änderung von Sanierungsanordnungen fehlen, obliegt es den Mitgliedstaaten, diese Frage zu regeln. Sie müssen dabei allerdings den Rahmen beachten, den die maßgeblichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts vorgeben, die bei der Umsetzung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu beachten sind,(56) etwa den Vertrauensschutz(57) oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.(58)

144. Schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand von Sanierungsanordnungen kann danach entstehen, wenn die Handlungen der Verwaltungsbehörden in der Vorstellung eines umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmers vernünftige Erwartungen begründet haben, dass diese nicht mehr geändert würden.(59) Angesichts der wissenschaftlichen Ungewissheit, die bei der Sanierung von Umweltschäden besteht, dürfte ein schutzwürdiges Vertrauen jedoch nur selten entstehen.

145. Nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen zur Sanierung von Umweltschäden nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Wiederherstellung der Umwelt geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.(60)

146. In seiner Frage hebt das vorlegende Gericht insbesondere hervor, dass die geänderten Maßnahmen bereits durchgeführt würden. Dieser Umstand ist im Rahmen der Entscheidung über die Änderung der Maßnahme sicherlich zu berücksichtigen, kann eine Änderung allerdings nicht zwingend ausschließen. Zwar mag es unverhältnismäßig sein, wenn die zuständigen Behörden bestimmte Sanierungsmaßnahmen nachträglich entwerten, indem sie andere Maßnahmen anordnen, ohne dass diese einen ausreichenden Mehrwert versprechen. Wenn sich während der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen jedoch zeigt, dass sie nicht ausreichen, muss es möglich sein, geänderte oder zusätzliche Maßnahmen anzuordnen, um den Erfolg der Sanierung sicherzustellen.

147. Zur ersten Frage ist daher festzuhalten, dass die Umwelthaftungsrichtlinie einer Änderung von Sanierungsanordnungen nicht entgegensteht, soweit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachtet werden.

2.      Zur zweiten Frage in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 – Verzicht auf eine Prüfung der Auswirkungen

148. Zwar dürfen somit die zuständigen Stellen Sanierungsanordnungen grundsätzlich ändern, doch ist noch unklar, unter welchen Bedingungen dies möglich ist. Ein Teil dieser Bedingungen ist Gegenstand der zweiten Frage, ob die zuständigen Stellen Sanierungsanordnungen von Amts wegen ändern und darauf verzichten dürfen, die geländespezifischen Bedingungen, die Kosten für die Durchführung im Verhältnis zu den berechtigterweise zu erwartenden Vorteilen, die möglichen oder wahrscheinlichen zusätzlichen Schäden und die Auswirkungen auf die Gesundheit und die öffentliche Sicherheit sowie die für die Durchführung erforderliche Zeit zu bewerten.

a)      Zur Anordnung von Amts wegen

149. Wie ENI u. a. und ERG betonen, schlägt nach Art. 7 Abs. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie grundsätzlich der verantwortliche Betreiber Sanierungsmaßnahmen vor. Die Bestimmung nennt ausdrücklich als Ausnahme, dass die Behörde selbst die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ergreift (Art. 6 Abs. 2 Buchst. e), insbesondere falls der Betreiber nicht in Anspruch genommen werden kann (Art. 6 Abs. 3).

150. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Behörden ansonsten immer Vorschläge des Betreibers abwarten müssten. Andernfalls könnten Betreiber die Sanierung von Umweltschäden durch Untätigkeit blockieren oder zumindest behindern.

151. Dementsprechend ermächtigen Art. 6 Abs. 2 Buchst. b bis d der Umwelthaftungsrichtlinien die Behörden, dem Betreiber jederzeit Sanierungsmaßnahmen aufzugeben. Auch betont Art. 11 Abs. 2, dass die zuständige Behörde bestimmt, welche Sanierungsmaßnahmen zu treffen sind. Diese Entscheidung steht nach dem 24. Erwägungsgrund ausdrücklich in ihrem Ermessen.

152. Zwar ermächtigt Art. 11 Abs. 2 der Umwelthaftungsrichtlinie die Behörde dazu, von dem betreffenden Betreiber die Durchführung einer eigenen Bewertung und die Bereitstellung aller erforderlichen Informationen und Daten zu verlangen. Die Behörde ist jedoch nicht verpflichtet, in diesem Sinne auf den Betreiber zurückzugreifen.

153. Somit ist keine Bestimmung der Umwelthaftungsrichtlinie ersichtlich, die die zuständige Behörde daran hindern würde, Sanierungsmaßnahmen von Amts zu ändern.

b)      Zur Bewertung der Auswirkungen

154. Die Bewertung der Auswirkungen ist in Nr. 1.3.1. des Anhangs II vorgesehen. Neben anderen Kriterien werden auch die vom vorlegenden Gericht in seiner Frage angeführten Gesichtspunkte erfasst.

155. Anhang II ist bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen gemäß Art. 7 Abs. 2 und nach der Einleitung des Anhangs grundsätzlich verbindlich. Nr. 1.3.1. besagt jedoch nur, dass angemessene Sanierungsoptionen bewertet werden „sollten“. Der Kommissionsvorschlag ging noch davon aus, dass diese Bewertung immer stattfindet,(61) doch der Rat hat diese Regelung stark überarbeitet und dabei offenbar bewusst eine zwingende Formulierung vermieden.(62)

156. Diese Regelungstechnik kann allerdings nicht dahin gehend verstanden werden, dass die zuständigen Behörden bei der Auswahl von Sanierungsmaßnahmen keine Bewertung durchführen müssten. Vielmehr setzt jede Auswahlentscheidung eine Bewertung der verschiedenen Varianten voraus. Dies illustriert insbesondere Art. 7 Abs. 3 der Umwelthaftungsrichtlinie, der für den Fall, dass zwischen der Sanierung verschiedener Schäden ausgewählt werden muss, zwingend die Berücksichtigung bestimmter Kriterien vorsieht. Die Auswahl zwischen verschiedenen möglichen Sanierungsmaßnahmen für einen Schaden ist grundsätzlich von vergleichbarer Qualität.

157. Insbesondere muss das von ENI u. a. genannte Prinzip der Verhältnismäßigkeit(63) in die Bewertung einbezogen werden. Die Kriterien nach Anhang II, Nr. 1.3.1. der Umwelthaftungsrichtlinie sind nach der Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers besonders geeignet, eine verhältnismäßige Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen herbeizuführen. Allerdings eröffnet diese Bestimmung ein Ermessen bei der Auswahl der Bewertungskriterien. Dieses soll zwar in der Regel in dem Sinne ausgeübt werden, dass die ausdrücklich genannten Kriterien herangezogen werden, doch können die zuständigen Behörden aus begründetem Anlass ganz oder teilweise von ihnen abweichen.

158. Es ist z. B. vorstellbar, dass besonders dringliche Maßnahmen festgelegt werden müssen, ohne zuvor eine umfassende Bewertung nach Anhang II, Nr. 1.3.1. der Umwelthaftungsrichtlinie durchzuführen. Auch ist nicht auszuschließen, dass – etwa aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls oder neuerer Erkenntnisse – zusätzliche Bewertungskriterien in die Auswahl einfließen.

159. In jedem Fall müssen die herangezogenen Bewertungskriterien, das Ergebnis der Bewertung und die Gründe für den Verzicht auf bestimmte Kriterien nach Anhang II, Nr. 1.3.1. der Umwelthaftungsrichtlinie in der Begründung der Entscheidung über die Sanierungsmaßnahmen dargestellt werden. Art. 11 Abs. 4 verlangt nämlich vor dem Hintergrund eines effektiven Rechtsschutzes eine „genaue Begründung“ von Entscheidungen über Sanierungsmaßnahmen. Diese Begründung ist notwendig, damit die zuständigen innerstaatlichen Gerichte die Entscheidung überprüfen können.(64)

160. Da die Kläger der Ausgangsverfahren nach dem Vorabentscheidungsersuchen vortragen, sie seien zu den beanstandeten Maßnahmen nicht angehört worden, ist außerdem auf Art. 7 Abs. 4 der Umwelthaftungsrichtlinie hinzuweisen. Danach gibt die zuständige Behörde in jedem Fall denjenigen Personen, auf deren Grundstücken Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, Gelegenheit, ihre Bemerkungen mitzuteilen, und berücksichtigt diese.

161. Selbst wenn die Sanierungsverantwortlichen ausnahmsweise nicht Grundstückseigentümer in diesem Sinne sein sollten, so müssen sie doch ebenfalls angehört werden. Die Umwelthaftungsrichtlinie geht nämlich davon aus, dass sie sich in der Regel noch stärker an der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen beteiligen. Sie sollen nach Art. 7 Abs. 1 die Sanierungsmaßnahmen ermitteln und vorschlagen. Wenn die zuständige Behörde davon abweichend selbst Maßnahmen ermittelt, muss sie den Sanierungsverantwortlichen vor einer Entscheidung zumindest Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

162. ENI u. a. betonen mit Recht, dass die vorgenannten verfahrensrechtlichen Anforderungen in verstärkter Form für die Änderung von Sanierungsanordnungen gelten. Wenn Sanierungsmaßnahmen zunächst aufgrund einer umfassenden Bewertung angeordnet werden, muss ihre Änderung auf Gründen beruhen, die gegenüber der ursprünglich getroffenen Bewertung überwiegen. Dies setzt insbesondere voraus, dass die neuen Gründe auf einem vergleichbaren wissenschaftlichen Fundament beruhen.

163. Gleichwohl kann der Aufwand für die Bewertung einer Änderung von Sanierungsmaßnahmen schon deshalb gemindert sein, weil im Rahmen der Bewertung der ursprünglichen Sanierungsmaßnahmen wichtige Informationen gesammelt wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass relativ begrenzte neue Informationen, die etwa bei der Beobachtung von Sanierungsmaßnahmen anfallen, die bisherigen Ergebnisse in Frage stellen und zusammen mit den bekannten Informationen eine Neuorientierung der Sanierung gebieten.

164. Schließlich ist klarzustellen, dass Einschränkungen der Bewertung von Sanierungsmaßnahmen, der Begründung einer Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen und der Anhörung des verantwortlichen Betreibers weder eine „verstärkte Schutzmaßnahme“ im Sinne von Art. 176 EG noch eine „strengere Vorschrift“ im Sinne von Art. 16 der Umwelthaftungsrichtlinie sein können. Der Verzicht auf diese verfahrensrechtlichen Schritte wäre nicht geeignet, einen stärkeren Schutz der Umwelt zu bewirken, sondern würde ihn vielmehr gefährden. Die Bewertung und die Anhörung sind geeignet, die Informationsbasis der Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen zu verbessern. Die Darstellung der Gründe einer Entscheidung enthält dagegen ein Element der Selbstkontrolle.(65) Wenn es nicht gelingt, überzeugende Gründe zu formulieren, besteht Anlass, die Entscheidung zu überprüfen.

c)      Antwort auf die zweite Frage in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08

165. Die Umwelthaftungsrichtlinie steht somit einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es der zuständigen Behörde erlaubt, von Amts wegen Sanierungsanordnungen zu ändern. Für diese Entscheidung müssen in der Regel die geländespezifischen Bedingungen, die Kosten für die Durchführung im Verhältnis zu den berechtigterweise zu erwartenden Vorteilen, die möglichen oder wahrscheinlichen zusätzlichen Schäden und die Auswirkungen auf die Gesundheit und die öffentliche Sicherheit sowie die für die Durchführung erforderliche Zeit bewertet werden. Jedoch kann die zuständige Behörde davon in besonderen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise absehen, wenn diese Entscheidung auf Grundlage einer Anhörung der Betroffenen getroffen und sorgfältig begründet wird.

3.      Zur dritten Frage in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 – Verknüpfung von Sanierungsmaßnahmen mit der Nutzung von Flächen

166. In der dritten Frage der Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 geht es um die Verknüpfung von Sanierungsmaßnahmen mit der Nutzung von Flächen. Das vorlegende Gericht möchte erfahren, ob es mit der Umwelthaftungsrichtlinie vereinbar ist, geänderte Sanierungsanordnungen als Bedingungen für die Genehmigung einer ordnungsgemäßen Nutzung von Geländen festzusetzen, die von der Sanierung nicht unmittelbar betroffen sind, da sie bereits saniert wurden oder jedenfalls nicht verunreinigt sind.

167. Die Umwelthaftungsrichtlinie betrifft die Nutzung von Flächen unmittelbar nur insoweit, als sie mit Vermeidungs- oder Sanierungsmaßnahmen zusammen hängt. Insbesondere Vermeidungsmaßnahmen können die auf der Fläche ausgeübte Tätigkeit unmittelbar berühren, z. B. wenn Grenzwerte eingehalten werden müssen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen festzulegen, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um Sanierungsflächen zu nutzen. Wie Italien darlegt, müssen etwaige Konflikte zwischen Nutzung und Sanierung verhindert werden. Daneben illustriert etwa Anhang II, Nr. 2 der Umwelthaftungsrichtlinie die Notwendigkeit, Maßnahmen zu treffen, um Gefahren für die Nutzung auszuschließen, die von der Verunreinigung einer Fläche ausgehen könnten.

168. Derartige Anordnungen müssen die Anforderungen der Umwelthaftungsrichtlinie respektieren, insbesondere die bereits dargestellten verfahrensrechtlichen Vorgaben.

169. Wenn dagegen – wie die Vorlagefragen andeuten – die fraglichen Flächen keine Umweltschäden (mehr) aufweisen oder verursachen, so enthält die Umwelthaftungsrichtlinie keine anwendbaren Regeln. Entgegen der Auffassung von ERG kann ihr insbesondere kein Verbot entnommen werden, die Nutzung vollständig sanierter Flächen einzuschränken. Im Gegenteil: Wenn Nutzungseinschränkungen solcher Flächen ein wirksames und verhältnismäßiges Mittel zur Durchsetzungen der Verpflichtungen aus der Umwelthaftungsrichtlinie sind, kann es sogar gemeinschaftsrechtlich geboten sein, sie zu erlassen.(66)

170. Es widerspricht somit nicht der Umwelthaftungsrichtlinie, geänderte Sanierungsanordnungen als Bedingungen für die Genehmigung einer ordnungsgemäßen Nutzung von Flächen festzusetzen, die von der Sanierung nicht unmittelbar betroffen sind, da sie bereits saniert wurden oder jedenfalls nicht verunreinigt sind.

D –    Zur vierten Frage in der Rechtssache C-378/08 – Notwendigkeit einer öffentlichen Ausschreibung

1.      Zur Zulässigkeit

171. Die Kommission äußert starke Zweifel an der Zulässigkeit der vierten Frage in der Rechtssache C-378/08, da das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich die vierte Frage stellt, nicht hinreichend dargelegt habe.

172. In der Tat macht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht sachdienlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich, dass das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen.(67)

173. Diesen Anforderungen genügt das Vorabentscheidungsersuchen nicht. Das vorlegende Gericht legt nämlich lediglich dar, dass Sviluppo Italia ohne öffentliches Vergabeverfahren mit der Planung und – sollten die Unternehmen untätig bleiben – anschließenden Durchführung der Sanierungsmaßnahmen beauftragt worden ist, und dass es sich bei Sviluppo Italia um ein vom Staat gebildetes, am Markt tätiges Unternehmen handelt.

174. Genauere Angaben zur Vergabe des Auftrags fehlen. Es ist nicht ersichtlich, wann, in welcher Form und mit welchem genauen Inhalt der Auftrag vergeben wurde und welchen Wert er hat. Vielmehr beschränkt sich das vorlegende Gericht darauf, die in Auftrag gegebenen Arbeiten in sehr allgemeiner Weise als „Arbeiten mit erheblicher Auswirkung auf die Umwelt und von sehr hohem wirtschaftlichem Wert“ zu beschreiben. Auch fehlen Angaben dazu, in welchem Maß Sviluppo Italia staatlich kontrolliert ist. Nicht zuletzt versäumt das vorlegende Gericht, darzulegen, welche Vorschriften des italienischen Rechts für die Vergabe des Auftrags einschlägig sind.

175. Auf der Basis dieser ungenauen Darlegungen kann der Gerichtshof nicht genau bestimmen, auf welche Vorschriften des Gemeinschaftsrechts es für die rechtliche Beurteilung der Auftragsvergabe überhaupt ankommt, und erst recht keine Auslegung im Hinblick auf die Tatsachen des Ausgangsverfahren vornehmen. Folglich erlauben es die Angaben des Vorlagebeschlusses dem Gerichtshof nicht, dem nationalen Gericht eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben.

176. Somit ist die vierte Frage meines Erachtens als unzulässig zurückzuweisen.

2.      Ergänzende Überlegungen zur Beantwortung der Frage

177. Für den Fall, dass der Gerichtshof die vierte Vorlagefrage zur Entscheidung annehmen möchte, nehme ich in meine Schlussanträge allerdings trotzdem einige Hinweise zum gemeinschaftsrechtlichen Rahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf, die dem nationalen Gericht die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung der Tatsachen des Ausgangsverfahrens erleichtern können.

178. Das vorlegende Gericht fragt nach der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, welche die Vergabe der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ohne öffentliches Vergabeverfahren erlaubt, mit der Richtlinie 2004/18, der Richtlinie 93/37 und der Richtlinie 89/665.

179. Wie die Kommission zutreffend ausführt, ist die Richtlinie 89/665 für die Beurteilung der Frage, ob die Vergabe der Sanierungsmaßnahmen im Ausgangsverfahren in gemeinschaftsrechtskonformer Weise erfolgt ist, nicht einschlägig. Die Richtlinie 89/665 enthält nämlich lediglich verfahrensrechtliche Vorschriften über Rechtsbehelfe gegen die mögliche Verletzung von vergaberechtlichen Vorschriften. Demgegenüber enthält die Richtlinie 89/665 keine inhaltlichen Vorgaben für das Vergabeverfahren selbst.

180. Richtigerweise weist die Kommission außerdem darauf hin, dass die Richtlinie 93/37 zeitlich nicht anwendbar zu sein scheint. Gemäß Art. 82 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 wurde die Richtlinie 93/37 nämlich mit Wirkung ab dem 31. Januar 2006 aufgehoben. Die Richtlinie 93/37 wird durch die Richtlinie 2004/18 ersetzt.(68) Obwohl das vorlegende Gericht das Datum der Auftragsvergabe an Sviluppo Italia nicht nennt, steht nach den Darlegungen im Vorlagebeschluss zu vermuten, dass die Vergabe nach dem 31. Januar 2006 stattfand. Bei dem von Sviluppo Italia erstellten Plan, der u. a. den Bau einer künstlichen Insel vorsieht, scheint es sich nämlich um jüngere Planungen zu handeln, über die erstmals am 20. Dezember 2007 entschieden wurde.

181. Das nationale Gericht wird daher zunächst feststellen müssen, ob der Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 eröffnet ist. Dazu müsste ein „öffentlicher Auftrag“ gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 vorliegen, und der Anwendungsbereich der Richtlinie müsste nach den Vorschriften von Titel II, Kapitel II eröffnet sein. Die Angaben des Vorabentscheidungsersuchens reichen nicht, um dies zu prüfen. Der Gesamtzusammenhang des Ausgangsfalls spricht allerdings dafür, dass es sich um Dienstleistungs- und Bauaufträge handelt, die die Schwellenwerte übersteigen. Wenn dies zutrifft, hätte grundsätzlich das Vergabeverfahren nach der Richtlinie 2004/18 angewendet werden müssen. Die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens entfällt auch nicht zwangsläufig, wenn der fragliche Auftrag erteilt wird, weil eine vorrangig zur Durchführung der Arbeiten verpflichtete Partei dieser Pflicht nicht nachkommt („Ersatzvornahme“).

182. Die italienische Regierung trägt allerdings vor, dass die Auftragsvergabe als ein so genanntes Inhouse-Geschäft nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 fällt. Polimeri widerspricht dieser Auffassung.

183. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die vergaberechtlichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auf so genannte Inhouse-Geschäfte nicht anwendbar, da bei Inhouse-Geschäften kein Vertrag zwischen zwei verschiedenen Personen geschlossen wird. Ein Inhouse-Geschäft liegt vor, wenn folgende zwei Kriterien erfüllt sind: Erstens muss der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung, an die der Auftrag vergeben wird, eine ähnliche Kontrolle ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. Die Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital der fraglichen Einrichtung schließt es aus, dass der öffentliche Auftraggeber über die Einrichtung eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt. Zweitens muss die fragliche Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber verrichten, der ihre Anteile innehat.(69)

184. Polimeri behauptet, dass das Kapital an Sviluppo Italia nicht vollständig von der öffentlichen Verwaltung gehalten wird, und dass Sviluppo Italia auch nicht im Wesentlichen für die öffentliche Verwaltung tätig wird. Der Gerichtshof kann diesem Vorbringen jedoch mangels entsprechender Angaben im Vorabentscheidungsersuchen nicht nachgehen. Diese Beurteilung obliegt dem nationalen Gericht.

185. Liegt kein Inhouse-Geschäft vor und ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 auch im Übrigen nicht eröffnet, so darf ein Auftrag nur in den in Art. 31 aufgelisteten Fällen ohne öffentliche Bekanntmachung vergeben werden.

186. Einzig einschlägig könnte vorliegend Art. 31 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 sein. Ein Auftrag kann demnach im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, soweit dies unbedingt erforderlich ist, wenn dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die die betreffenden öffentlichen Auftraggeber nicht voraussehen konnten, die Einhaltung von Fristen nicht zulassen. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass die Planung und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen dringlich geworden ist, ohne dass die Verwaltung dies voraussehen konnte. Die Umweltverschmutzung besteht schließlich schon seit langer Zeit und war sogar bereits Gegenstand anderer Sanierungsmaßnahmen. Aber auch dies kann letztlich nur das innerstaatliche Gericht beurteilen.

VI – Ergebnis

187. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-378/08 wie folgt zu beantworten:

1.      Die Richtlinie 2004/35/EG vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden gilt nicht für Umweltschäden, soweit diese durch Tätigkeiten verursacht wurden, die vor dem 30. April 2007 ausgeübt wurden. Sie steht daher innerstaatlichen Regelungen über die Sanierung solcher Schäden nicht entgegen.

2.      Die Richtlinie 2004/35 steht einer Haftung für Umweltschäden unabhängig von einem Verursachungsbeitrag nur entgegen, soweit eine solche Haftung die vorrangige Haftung des verursachenden Betreibers untergraben würde.

3.      Die Richtlinie 2004/35 erlaubt,

–      von der Ermittlung der Schadensursache abzusehen, wenn weitere Untersuchungen keinen Erfolg versprechen, und

–      vor Abschluss der Untersuchungen Eilmaßnahmen zu ergreifen.

4.      Die Richtlinie 2004/35 steht Haftungsregelungen für Umweltschäden, die kein Verschulden voraussetzen, nicht entgegen.

5.      Die vierte Frage ist unzulässig.

188. Die Fragen in den Rechtssachen C-379/08 und C-380/08 sollte der Gerichtshof wie folgt beantworten:

1.      Die Richtlinie 2004/35 steht der Änderung von Sanierungsanordnungen nicht entgegen, soweit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachtet werden.

2.      Die Richtlinie 2004/35 steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es der zuständigen Behörde erlaubt, von Amts wegen Sanierungsanordnungen zu ändern. Für diese Entscheidung müssen in der Regel die geländespezifischen Bedingungen, die Kosten für die Durchführung im Verhältnis zu den berechtigterweise zu erwartenden Vorteilen, die möglichen oder wahrscheinlichen zusätzlichen Schäden und die Auswirkungen auf die Gesundheit und die öffentliche Sicherheit sowie die für die Durchführung erforderliche Zeit bewertet werden. Jedoch kann die zuständige Behörde davon in besonderen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise absehen, wenn diese Entscheidung auf Grundlage einer Anhörung der Betroffenen getroffen und sorgfältig begründet wird.

3.      Es widerspricht nicht der Richtlinie 2004/35, geänderte Sanierungsanordnungen als Bedingungen für die Genehmigung einer ordnungsgemäßen Nutzung von Flächen festzusetzen, die von der Sanierung nicht unmittelbar betroffen sind, da sie bereits saniert wurden oder jedenfalls nicht verunreinigt sind.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 –      „Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich bewege die Erde!“ Zitiert nach Pappus Alexandrinus, Collectionis quae supersunt, Voluminis 3, Tomus 1, herausgegeben von Friedrich Hultsch, 1878, S. 1060 (http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k99429t.image.f62.pagination, zuletzt besucht am 2. September 2009).


3 – Neben den drei hier untersuchten Rechtssachen sind zwei weitere, miteinander verbundene Rechtssachen mit Bezug zu diesem Schadensgebiet beim Gerichtshof anhängig: Buzzi Unicem u. a. (C-478/08 und C-479/08, mitgeteilt im ABl. 2009, C 19, S. 14 f.).


4 – ABl. L 143, S. 56.


5 – ABl. L 134, S. 114.


6 – Im Vorabentscheidungsersuchen fragt das nationale Gericht zwar nach der Vereinbarkeit mit der Richtlinie 93/97/EWG. Die Richtlinie 93/97/EWG zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen ist jedoch offensichtlich irrelevant für das Ausgangsverfahren, so dass davon auszugehen ist, dass es sich um einen Tippfehler handelt und das nationale Gericht tatsächlich nach der Vereinbarkeit mit der Richtlinie 93/37/EWG fragen wollte.


7 – ABl. L 199, S. 54.


8 – ABl. L 395, S. 33.


9 – Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, Slg. 2006, I‑8613, Randnr. 34).


10 – Vgl. das Urteil vom 15. September 2005, Intermodal Transports (C‑495/03, Slg. 2005, I‑8151, Randnr. 33).


11 – Urteile vom 24. September 1987, Coenen (37/86, Slg. 1987, 3589, Randnr. 8), und vom 5. März 2009, Kattner Stahlbau (C‑350/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 24).


12 – Urteile vom 13. November 2003, Neri (C‑153/02, Slg. 2003, I‑13555, Randnrn. 34 f.), vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, Slg. 2004, I‑5257, Randnr. 42), und vom 12. Januar 2006, Turn- und Sportunion Waldburg (C‑246/04, Slg. 2006, I‑589, Randnr. 21).


13 – Urteil vom 14. Juli 1994, Peralta (C‑379/92, Slg. 1994, I‑3453, Randnrn. 57 f.).


14 – Zur Abweichung von umweltrechtlichen Maßnahmen, die zumindest auch auf Art. 95 EG gestützt werden, enthalten die Abs. 4 bis 6 dieser Bestimmung besondere Regelungen.


15 – Urteil vom 14. April 2005, Deponiezweckverband Eiterköpfe (C‑6/03, Slg. 2005, I‑2753, Randnr. 41).


16 – Urteil Deponiezweckverband Eiterköpfe (zitiert in Fn. 15, Randnr. 52).


17 – Polimeri u. a. trugen in der mündlichen Verhandlung sogar vor, der Schaden ginge auf Verunreinigungen aus den Jahren 1958 – 1979 zurück.


18 – Siehe die Nachweise in Fn. 12.


19 – Vgl. die Definition in Art. 2 Nr. 8 der Umwelthaftungsrichtlinie: „die Freisetzung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen in die Umwelt infolge menschlicher Tätigkeiten“.


20 – Vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. November 1976 (VIII ZR 137/75, Neue Juristische Wochenschrift 1977, S. 379 [381]).


21 – Das Weißbuch der Kommission zur Umwelthaftung (KOM(2000) 66 endgültig vom 9. Februar 2000, S. 14 f.) und der Vorschlag der Kommission vom 23. Januar 2002 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt (KOM(2002) 17 endgültig vom 23. Januar 2002, S. 17 und 24) lehnen eine rückwirkende Anwendung ausdrücklich ab.


22 – Urteile vom 25. Januar 1979, Racke (98/78, Slg. 1979, 69, Randnr. 20), vom 22. November 2001, Niederlande/Rat (C‑110/97, Slg. 2001, I‑8763, Randnr. 151), und vom 29. April 2004, Sudholz (C‑17/01, Slg. 2004, I‑4243, Randnr. 33).


23 – Urteile vom 5. Dezember 1973, SOPAD (143/73, Slg. 1973, 1433, Randnr. 8), vom 10. Juli 1986, Licata/EWS (270/84, Slg. 1986, 2305, Randnr. 31), vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS (C‑122/96, Slg. 1997, I‑5325, Randnr. 14), vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer (C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 50), und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen (C‑334/07 P, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 43).


24 – Urteile vom 16. Mai 1979, Tomadini (84/78, Slg. 1979, 1801, Randnr. 21), vom 14. Januar 1987, Deutschland/Kommission (278/84, Slg. 1987, 1, Randnr. 36), vom 29. Juni 1999, Butterfly Music (C‑60/98, Slg. 1999, I‑3939, Randnr. 25), und Pokrzeptowicz-Meyer (zitiert in Fn. 23, Randnr. 55).


25 – Weißbuch (zitiert in Fn. 21, S. 11).


26 – Siehe unten, Nrn. 118 ff.


27 – Siehe dazu meine Schlussanträge vom 13. März 2008, Commune de Mesquer (C-188/07, Slg. 2008, I-4501, Nr. 120).


28 – Siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 30. April 2002, GEMO (C-126/01, Slg. 2003, I-13769, Nr. 66).


29 – Vgl. Nr. 1 des Anhangs der Empfehlung 75/436/Euratom, EGKS, Euratom des Rates vom 3. März 1975 über die Kostenzurechnung und die Intervention der öffentlichen Hand bei Umweltschutzmaßnahmen, ABl. L 194, S.94.


30 – Vgl. meine Ausführungen zu den Funktionen des Verursacherprinzips in meinen Schlussanträgen vom 23. April 2009, Futura Immobiliare u.a. (C-254/08, Slg. 2009, I-0000, Nrn. 30 ff.).


31 – Richtlinie des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 257, S. 26), kodifiziert durch die Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 24, S. 8).


32 – Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7).


33 – Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1).


34 – Vgl. Art. 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 und 6bis Abs. 4 des Entwurfs vom 16. April 2002, Ratsdokument Nr. 7771/02, sowie Art. 8 Abs. 4 des Entwurfs vom 7. Mai 2002, Ratsdokument Nr. 8647/02.


35 – So insbesondere die französische, italienische, spanische, portugiesische und rumänische Fassung der Umwelthaftungsrichtlinie.


36 – So insbesondere die deutsche und englische Fassung.


37 – Vgl. meine Schlussanträge Futura Immobiliare u. a. (zitiert in Fn. 30, Nrn. 52 ff., insbesondere Nr. 58).


38 – Weißbuch (zitiert in Fn. 21, S. 19).


39 – Art. 19 Abs. 2 des Vorschlags (zitiert in Fn. 21, S. 46).


40 – Siehe nachfolgend, Nrn. 118 ff.


41 – Vgl. meine Schlussanträge Commune de Mesquer (zitiert in Fn. 27, Nrn. 141 ff.) und Futura Immobiliare u. a. (zitiert in Fn. 30, Nr. 32).


42 – Siehe oben, Nr. 100.


43 – Vgl. das Urteil vom 16. Juli 2009, Futura Immobiliare u. a. (C‑254/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 56), und meine Schlussanträge in dieser Sache (zitiert in Fn. 30, Nr. 32).


44 – Siehe das Urteil Deponiezweckverband Eiterköpfe (zitiert in Fn. 15, Randnr. 63).


45 – Vgl. die Urteile vom 28. Juni 2007, Kommission/Spanien (C‑235/04, Slg. 2007, I‑5415, Randnr. 25, zu Vogelschutzgebieten), vom 9. Dezember 2004, Kommission/Spanien (C‑79/03, Slg. 2004, I‑11619, Randnr. 41, zu Jagdmengen), und vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission (C‑405/07 P, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 61, zu Maßnahmen der Kommission nach Art. 95 Abs. 5 und 6 EG).


46 – Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. L 114, S. 9). Diese Richtlinie kodifiziert die Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39) und ihre nachfolgenden Änderungen.


47 – In der Fassung der Richtlinie 75/442, die bereits in Art. 11 eine Regelung über die Kostenverantwortung nach dem Verursacherprinzip enthielt.


48 – Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312, S. 3). Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b fallen Böden (in situ), einschließlich nicht ausgehobener kontaminierter Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude nicht in den Anwendungsbereich der neu gefassten Abfallrahmenrichtlinie. Gemäß Art. 41 wird die bisherige Abfallrahmenrichtlinie mit Wirkung vom 12. Dezember 2010 aufgehoben.


49 – Urteile vom 7. September 2004, Van de Walle u. a. (C‑1/03, Slg. 2004, I‑7613, Randnrn. 47 bis 50), und vom 24. Juni 2008, Commune de Mesquer (C‑188/07, Slg. 2008, I‑4501, Randnr. 57 bis 59).


50 – Urteil Van de Walle (zitiert in Fn. 49, Randnr. 52).


51 – Urteil Van de Walle (zitiert in Fn. 49, Randnr. 59).


52 – Urteil Commune de Mesquer (zitiert in Fn. 49, Randnr. 74).


53 – Siehe die in Fn. 49 zitierten Urteile Van de Walle (Randnr. 60) und Commune de Mesquer (Randnrn. 76 ff.).


54 – Siehe oben, Nrn. 54 ff. (insbesondere Nr. 57).


55 – Nicht zu verwechseln mit „ergänzenden Sanierungsmaßnahmen“, die nach Anhang II Nr. 1 Buchst. b den Verlust nicht wieder herstellbarer natürlicher Ressourcen und/oder Funktionen ausgleichen.


56 – Urteile vom 24. März 1994, Bostock (C‑2/92, Slg. 1994, I‑955, Randnr. 16), vom 18. Mai 2000, Rombi und Arkopharma (C‑107/97, Slg. 2000, I‑3367, Randnr. 65), vom 6. November 2003, Lindqvist (C‑101/01, Slg. 2003, I‑12971, Randnr. 87), vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat (C‑540/03, Slg. 2006, I‑5769, Randnr. 105), und vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑305/05, Slg. 2007, I‑5305, Randnr. 28).


57 – Urteile vom 3. Dezember 1998, Belgocodex (C‑381/97, Slg. 1998, I‑8153, Randnr. 26), vom 26. April 2005, Goed Wonen (C‑376/02, Slg. 2005, I‑3445, Randnr. 32), und vom 14. September 2006, Elmeka (C‑181/04 à C‑183/04, Slg. 2006, I‑8167, Randnr. 31).


58 – Urteile vom 17. Dezember 1970, Köster, Berodt & Co. (25/70, Slg. 1970, 1161, Randnrn. 21 f.), vom 18. November 1987, Maizena u. a. (137/85, Slg. 1987, 4587, Randnr. 15), vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 13), vom 7. September 2006, Spanien/Rat (C‑310/04, Slg. 2006, I‑7285, Randnr. 97), und vom 17. Januar 2008, Viamex Agrar Handel (C‑37/06 und C‑58/06, Slg. 2008, I-69, Randnr. 33).


59 – Urteil Elmeka (zitiert in Fn. 57, Randnr. 32).


60 – Siehe in diesem Sinne die in Fn. 58 zitierten Urteile Köster, Berodt & Co., Randnrn. 28 und 32, Fedesa u. a., Randnr. 13, und Viamex Agrar Handel, Randnr. 35, sowie die Urteile vom 11. Juli 1989, Schräder HS Kraftfutter (265/87, Slg. 1989, 2237, Randnr. 21), und vom 12. Juli 2001, Jippes u. a. (C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Randnr. 81).


61 – Siehe Anhang II, Nr. 3.2.1. des Kommissionsvorschlags (zitiert in Fn. 21).


62 – Erstmals scheint dies in der Fassung von Anhang II, Nr. 1.3.1. des Ratsdokuments 6191/03 vom 13. Februar 2003 geschehen zu sein.


63 – Siehen oben, Nr. 145.


64 – Vgl. die Urteile vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a. (222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 15), vom 15. Februar 2007, BVBA Management, Training en Consultancy (C‑239/05, Slg. 2007, I‑1455, Randnr. 36), und vom 30. April 2009, Mellor (C‑75/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 59 m.w.N.).


65 – Vgl. meine Schlussanträge vom 13. Dezember 2007, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala (C‑413/06 P, Slg. 2008, I‑4951, Nr. 97), und vom 22. Januar 2009, Mellor (C‑75/08, Slg. 2009, I-0000, Nr. 32).


66 – Vgl. etwa das Urteil vom 3. Mai 2005, Berlusconi u. a. (C‑387/02, C‑391/02 und C‑403/02, Slg. 2005, I‑3565, Randnr. 65 m.w.N.).


67 – Urteil vom 26. Januar 1993, Telemarsicabruzzo u. a. (C‑320/90 à C‑322/90, Slg. 1993, I‑393, Randnr. 6), Beschlüsse vom 19. März 1993, Banchero (C‑157/92, Slg. 1993, I‑1085, Randnr. 4), vom 30. April 1998, Testa und Modesti (C‑128/97 und C‑137/97, Slg. 1998, I‑2181, Randnr. 5), vom 28. Juni 2000, Laguillaumie (C‑116/00, Slg. 2000, I‑4979, Randnr. 15), und vom 8. Oktober 2002, Viacom (C‑190/02, Slg. 2002, I‑8287, Randnr. 15), Urteile vom 9. September 2004, Carbonati Apuani (C‑72/03, Slg. 2004, I‑8027, Randnr. 10), vom 17. Februar 2005, Viacom Outdoor (C‑134/03, Slg. 2005, I‑1167, Randnr. 22), vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a. (C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnr. 45), vom 14. Dezember 2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio (C‑217/05, Slg. 2006, I‑11987, Randnr. 26), und vom 2. April 2009, Pedro IV Servicios (C‑260/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 29).


68 – Vgl. 1. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18/EG.


69 – Siehe zu beiden Voraussetzungen die Urteile vom 18. November 1999, Teckal (C‑107/98, Slg. 1999, I‑8121, Randnr. 50), vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau (C‑26/03, Slg. 2005, I‑1, Randnr. 49), vom 13. Januar 2005, Kommission/Spanien (C‑84/03, Slg. 2005, I‑139, Randnr. 38), vom 11. Mai 2006, Carbotermo und Consorzio Alisei (C‑340/04, Slg. 2006, I‑4137, Randnr. 33), und vom 9. Juni 2009, Kommission/Deutschland (C‑480/06, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 34).