Language of document : ECLI:EU:T:2011:286

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

16. Juni 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Preisfestsetzung – Marktaufteilung – Manipulation von Ausschreibungen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006“

In den verbundenen Rechtssachen T‑204/08 und T‑212/08

Team Relocations NV mit Sitz in Zaventem (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Gilliams und J. Bocken,

Klägerin in der Rechtssache T‑204/08,

Amertranseuro International Holdings Ltd,

Trans Euro Ltd,

Team Relocations Ltd

mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Gyselen,

Klägerinnen in der Rechtssache T‑212/08,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet, A. Antoniadis und N. von Lingen als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung C (2008) 926 final der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) und, hilfsweise, Aufhebung oder Ermäßigung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters S. Papasavvas in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter N. Wahl und A. Dittrich (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2010

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1.     Gegenstand des Rechtsstreits

1        Nach der Entscheidung C (2008) 926 final der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) (im Folgenden: Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 11. August 2009 (ABl. C 188, S. 16) veröffentlicht wurde, beteiligte sich die Team Relocations NV an einem auf dem Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien bestehenden Kartell zur unmittelbaren und mittelbaren Preisfestsetzung, zur Marktaufteilung und zur Manipulation des Verfahrens zur Einreichung von Angeboten. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften führt aus, dass das Kartell fast 19 Jahre lang bestanden habe (von Oktober 1984 bis September 2003). Die Teilnehmer hätten Preise festgesetzt, den Kunden unechte Kostenvoranschläge (sogenannte Schutzangebote) vorgelegt und sich untereinander über ein System von Abstandszahlungen (im Folgenden: Provisionen) für abgelehnte Angebote entschädigt.

2.     Klägerinnen

2        Team Relocations wurde am 7. Mai 1993 unter dem Namen Transeuro Worldwide Movers NV (Belgium) gegründet. Ihr Name wurde am 5. September 2002 geändert. Seit Januar 1994 ist hundertprozentige Muttergesellschaft von Team Relocations die Team Relocations Ltd, eine im Sektor für Umzugsdienste tätige Gesellschaft, deren Anteile zu 100 % von der Trans Euro Ltd gehalten werden. Seit dem 8. September 2000 werden die Anteile an Trans Euro zu 100 % von der Amertranseuro International Holdings Ltd (im Folgenden: Amertranseuro) gehalten.

3        Amertranseuro erzielte in dem am 30. September 2006 abgeschlossenen Geschäftsjahr einen weltweiten konsolidierten Umsatz von 44 352 733 Euro.

3.     Verwaltungsverfahren

4        Der Entscheidung zufolge leitete die Kommission das Verfahren auf eigene Initiative ein, da sie über Informationen verfügte, die darauf hinwiesen, dass sich einige im Sektor für internationale Umzüge tätige belgische Gesellschaften an Vereinbarungen beteiligten, die geeignet waren, unter das Verbot des Art. 81 EG zu fallen.

5        Daher wurden auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. Nr. 13, S. 204), im September 2003 bei Allied Arthur Pierre NV, Interdean NV, Transworld International NV und Ziegler Nachprüfungen durchgeführt. Im Anschluss an diese Nachprüfungen beantragte Allied Arthur Pierre den Erlass oder die Ermäßigung ihrer Geldbuße gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002). Allied Arthur Pierre räumte ihre Beteiligung an Provisions‑ und Schutzangebotsvereinbarungen ein, benannte die beteiligten Wettbewerber, insbesondere einen den Dienststellen der Kommission vorher nicht bekannten Beteiligten, und legte Dokumente vor, die ihre mündlichen Angaben bestätigten.

6        Die an den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligten Unternehmen, die Wettbewerber und ein Berufsverband wurden gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) schriftlich ersucht, Auskünfte zu erteilen. Am 18. Oktober 2006 erging die Mitteilung der Beschwerdepunkte und wurde mehreren Gesellschaften übermittelt. Alle Adressaten antworteten auf diese Mitteilung. Ihre Vertreter, mit Ausnahme derjenigen von Amertranseuro, der Stichting Administratiekantoor Portielje, der Team Relocations Ltd und von Trans Euro, machten ihr Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Kommissionsakte geltend, die lediglich in den Diensträumen der Kommission einsehbar waren. Der Zugang wurde ihnen vom 6. bis 29. November 2006 gewährt. Die mündliche Anhörung fand am 22. März 2007 statt.

7        Am 11. März 2008 erließ die Kommission die Entscheidung.

4.     Entscheidung

8        Die Kommission stellt fest, dass die Adressaten der Entscheidung, darunter die Klägerinnen, Team Relocations, Amertranseuro, Trans Euro und Team Relocations Ltd, an einem Kartell im Sektor für internationale Umzugsdienste in Belgien beteiligt gewesen seien oder dafür haftbar gemacht würden. Die Kartellteilnehmer hätten mindestens von 1984 bis 2003 Preise festgesetzt, Kunden untereinander aufgeteilt und die Einreichung von Angeboten manipuliert. Damit hätten sie eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG begangen.

9        Die betreffenden Dienstleistungen würden sowohl für natürliche Personen – Privatpersonen oder Mitarbeiter von Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen – als auch für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen erbracht. Dabei bilde Belgien entweder den Ausgangs‑ oder den Zielort der Umzüge. Da zudem die fraglichen internationalen Umzugsunternehmen alle ihren Sitz in Belgien hätten und das Kartell seine Tätigkeit in Belgien entfalte, sei Belgien als das geografische Zentrum des Kartells anzusehen.

10      Die mit internationalen Umzugsdiensten in Belgien erzielten kumulierten Umsätze aller Kartellteilnehmer schätzte die Kommission für 2002 auf 41 Millionen Euro. Da sie die Größe des Sektors auf ungefähr 83 Millionen Euro schätzte, setzte sie den kumulierten Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf etwa 50 % fest.

11      Nach Ansicht der Kommission war das Kartell u. a. darauf gerichtet, erhöhte Preise zu etablieren und aufrechtzuerhalten und den Markt gleichzeitig oder nachfolgend untereinander aufzuteilen, und zwar in verschiedenen Formen: Preisvereinbarungen, Vereinbarungen über die Marktaufteilung mittels eines Systems von Schutzangeboten und Vereinbarungen über ein System von Abstandszahlungen für abgelehnte oder unterlassene Angebote (Provisionen).

12      Von 1984 bis Anfang der 90er Jahre habe das Kartell insbesondere auf der Grundlage von schriftlichen Vereinbarungen über die Festsetzung von Preisen funktioniert. Parallel dazu seien die Provisionen und Schutzangebote eingeführt worden. Eine Provision sei ein versteckter Bestandteil des Endpreises, den der Verbraucher habe zahlen müssen, ohne eine entsprechende Leistung zu erhalten. Es handele sich nämlich um einen Geldbetrag, den das Umzugsunternehmen, das den Vertrag über einen internationalen Umzug erhalten habe, den Wettbewerbern geschuldet habe, die den Vertrag nicht erhalten hätten, gleichviel, ob diese ebenfalls ein Angebot abgegeben hätten oder nicht. Es handele sich also um eine Art finanzieller Entschädigung für die Umzugsunternehmen, die den Vertrag nicht erhalten hätten. Die Kartellmitglieder hätten sich gegenseitig Rechnungen über die Provisionen für die abgelehnten oder nicht abgegebenen Angebote ausgestellt, dabei fiktive Leistungen aufgeführt und den Kunden den Betrag dieser Provisionen in Rechnung gestellt. Diese Praxis sei als eine mittelbare Festsetzung der Preise für internationale Umzugsdienste in Belgien anzusehen.

13      Die Kartellmitglieder hätten ferner zusammengearbeitet, um Schutzangebote abzugeben, die den Kunden, d. h. den Arbeitgebern, die den Umzug bezahlt hätten, den irrigen Eindruck vermittelt hätten, sie könnten anhand von wettbewerbsbasierten Kriterien eine Wahl treffen. Bei einem Schutzangebot handele es sich um einen unechten Kostenvoranschlag, den ein Umzugsunternehmen einem Kunden oder dem Umziehenden vorgelegt habe, ohne die Absicht zu haben, den Umzug durchzuführen. Für die Abgabe von Schutzangeboten habe das Umzugsunternehmen, das den Vertrag habe abschließen wollen (im Folgenden: anforderndes Unternehmen) dafür gesorgt, dass die Einrichtung oder das Unternehmen mehrere Kostenvoranschläge erhalten habe, entweder unmittelbar oder über die Person, die habe umziehen wollen. Dafür habe das anfordernde Unternehmen seinen Wettbewerbern den Preis, den Versicherungstarif und die Einlagerungskosten mitgeteilt, die sie für die Leistung in Rechnung stellen sollten. Dieser im Vergleich zu dem des anfordernden Unternehmens höhere Preis sei dann in den Schutzangeboten angegeben worden. Da ein Arbeitgeber gewöhnlich das Umzugsunternehmen wähle, das das günstigste Angebot abgebe, hätten die für denselben internationalen Umzug bietenden Unternehmen grundsätzlich im Voraus gewusst, wer von ihnen den Vertrag für diesen Umzug erhalten werde.

14      Nach Auffassung der Kommission konnte der von dem anfordernden Unternehmen verlangte Preis zudem höher sein, als er es sonst gewesen wäre, weil die anderen für denselben Umzug bietenden Unternehmen Schutzangebote abgegeben hätten, in denen der vom anfordernden Unternehmen vorgegebene Preis genannt gewesen sei. Als Beispiel führt die Kommission im 233. Erwägungsgrund der Entscheidung eine interne E-Mail von Allied Arthur Pierre vom 11. Juli 1997 an, in der es heißt: „[D]er Kunde hat zwei [Schutzangebote] angefordert, wir können also einen höheren Preis verlangen.“ Die Kommission ist daher der Meinung, dass die Abgabe von Schutzangeboten gegenüber Kunden eine Manipulation des Verfahrens zur Einreichung von Angeboten dargestellt habe, so dass die Preise in allen Angeboten absichtlich höher gewesen seien als der Preis des anfordernden Unternehmens und jedenfalls höher als sie es in einem Umfeld mit funktionierendem Wettbewerb gewesen wären.

15      Solche Absprachen seien bis 2003 getroffen worden. Diese komplexen Tätigkeiten hätten dasselbe Ziel gehabt, nämlich die Preise festzusetzen und den Markt aufzuteilen und damit den Wettbewerb zu verfälschen.

16      Im Ergebnis stellte die Kommission in Art. 1 des verfügenden Teils der Entscheidung fest:

„Die folgenden Unternehmen haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, indem sie während der nachstehenden Zeiträume unmittelbar und mittelbar Preise für Auslandsumzüge von und nach Belgien festsetzten, den Markt teilweise untereinander aufteilten und das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipulierten:

g)      [Team Relocations] vom 20. Januar 1997 bis 10. September 2003; gesamtschuldnerisch mit Trans Euro … und Team Relocations [Ltd] vom 20. Januar 1997 bis 7. September 2003; gesamtschuldnerisch mit [Amertranseuro], Trans Euro … und Team Relocations [Ltd] vom 8. September 2000 bis 10. September 2003;

…“

17      Die Kommission verhängte deshalb in Art. 2 Buchst. i der Entscheidung gegen Team Relocations eine Geldbuße in Höhe von 3,49 Millionen Euro, wobei Trans Euro und Team Relocations Ltd für einen Betrag von 3 Millionen Euro und Amertranseuro, Trans Euro und Team Relocations Ltd (im Folgenden gemeinsam: Amertranseuro-Gruppe) für 1,3 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mithaften.

18      Für die Berechnung der Höhe der Geldbußen bediente sich die Kommission in der Entscheidung der Methode, die in ihren Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) dargestellt ist.

 Verfahren und Anträge der Parteien

19      Die Klägerinnen haben mit Klageschriften, die am 4. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegenden Klagen erhoben.

20      Mit Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 5. März 2010 sind die Rechtssachen T‑204/08 und T‑212/08 gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

21      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) die mündliche Verhandlung eröffnet. In der Sitzung am 28. April 2010 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Mit Schriftsatz, der am 6. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Team Relocations die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt. Dieser Antrag ist mit Entscheidung vom 23. September 2010 zurückgewiesen worden.

22      In der Rechtssache T‑204/08 beantragt Team Relocations,

–        Art. 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        Art. 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit gegen sie darin eine Geldbuße in Höhe von 3,49 Millionen Euro verhängt wird;

–        hilfsweise, die mit der Entscheidung verhängte Geldbuße erheblich zu ermäßigen;

–        jedenfalls der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23      Team Relocations beantragt außerdem, der Kommission aufzugeben, die Faktoren offenzulegen, die sie für die Ermäßigung der Geldbuße, die sonst gegen Interdean verhängt worden wäre, um 70 % herangezogen hat.

24      In der Rechtssache T‑212/08 beantragen Amertranseuro, Trans Euro und Team Relocations Ltd,

–        Art. 2 Buchst. i der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass sie für den von Team Relocations in der Zeit von Januar 1997 bis September 2003 mutmaßlich begangenen Verstoß gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen gesamtschuldnerisch mithaften;

–        hilfsweise, Art. 2 Buchst. i der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die gesamtschuldnerische Haftung von Amertranseuro nicht wirksam auf 1,3 Millionen Euro begrenzt wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25      Die Kommission beantragt in den Rechtssachen T‑204/08 und T‑212/08,

–        die Klagen abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

26      Team Relocations führt für die Nichtigerklärung der Entscheidung und für die Aufhebung oder Ermäßigung der Geldbuße acht Klagegründe an. Amertranseuro, Trans Euro und die Team Relocations Ltd machen zwei Klagegründe geltend, die sie darauf stützen, dass ihnen die von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen nicht zurechenbar seien und dass sie nicht in der Lage seien, die Geldbuße zu zahlen. Da die beiden letztgenannten Klagegründe mit dem ersten Teil des siebten Klagegrundes und mit dem achten Klagegrund von Team Relocations übereinstimmen, sind sie im Rahmen der Prüfung dieser Rügen zu behandeln.

1.     Zum ersten Klagegrund: Team Relocations habe nicht an der in der Entscheidung beschriebenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen

27      Mit diesem Klagegrund bestreitet Team Relocations ihre Beteiligung an der in der Entscheidung beschriebenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung.

 Vorbringen der Parteien

28      Team Relocations trägt vor, dass die Kommission, um ihr die Verantwortung für die von der Entscheidung erfasste einheitliche Zuwiderhandlung auferlegen zu können, erstens beweisen müsse, dass sie von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer Kenntnis gehabt habe oder es vernünftigerweise habe vorhersehen können und dass sie bereit gewesen sei, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, und zweitens, dass die verschiedenen in der Entscheidung beschriebenen Verhaltensweisen gemeinsamen Zielen dienten und sie mit ihrem eigenen Verhalten zum Erreichen dieser Ziele habe beitragen wollen.

29      Die Kommission habe nicht dargetan, dass diese Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Erstens habe Team Relocations keine Kenntnis von einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gehabt. In der Entscheidung werde nicht auf schriftliche Beweise Bezug genommen, die belegten, dass sie Kenntnis von den Preisvereinbarungen und den Schutzangeboten gehabt habe oder zwangsläufig hätte haben müssen, als sie ab 1997 zuweilen Provisionen zugestimmt habe. Erst im Februar 2002 habe sie das erste Mal ein Schutzangebot abgegeben oder angefordert. Sie habe auch nicht an wettbewerbswidrigen Zusammenkünften teilgenommen, in denen ein umfassender wettbewerbswidriger Plan gefasst worden wäre.

30      Zweitens sei sie weder an einem umfassenden Plan noch an einer „fortgesetzten“ Zuwiderhandlung beteiligt gewesen. Sie habe sich an keiner der schriftlichen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen beteiligt. Die Provisionen, mit denen sie sich einverstanden erklärt habe, seien dafür gedacht gewesen, den einzelnen Umzugsunternehmen zu ermöglichen, die Kosten für die Bewerbung um einen bestimmten Umzug ersetzt zu bekommen, und nicht, Preise festzusetzen oder Kunden oder den Markt untereinander aufzuteilen. Diese Provisionsabsprachen seien ad hoc erfolgt und nicht allgemein oder automatisch zur Anwendung gekommen. Die Schutzangebote seien stets auf Verlangen oder zumindest mit dem Einverständnis der natürlichen Person, die umgezogen sei, eingeholt worden und seien erst abgegeben worden, nachdem der Kunde das Umzugsunternehmen ausgewählt habe.

31      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und vertritt die Auffassung, dass Team Relocations durch ihre Teilnahme an mindestens zwei dieser Vereinbarungen von dem der einheitlichen Zuwiderhandlung zugrunde liegenden umfassenden Plan Kenntnis gehabt habe oder zwangsläufig hätte haben müssen. Zudem berühre die Behauptung, Team Relocations sei an der schriftlichen Preisvereinbarung nicht beteiligt gewesen, nicht die ihr aufzuerlegende Verantwortung für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung.

 Würdigung durch das Gericht

32      Mit diesem Klagegrund bestreitet Team Relocations nicht, Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG begangen zu haben. Sie macht hingegen geltend, an der in der Entscheidung beschriebenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nicht beteiligt gewesen zu sein. Daher ist zunächst der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Erinnerung zu rufen.

 Zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

33      In seinem Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni (C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 82), hat der Gerichtshof festgestellt, dass es gekünstelt wäre, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert hat.

34      Unter solchen Umständen ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt haben und zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 83).

35      Diesem Urteil ist zu entnehmen, dass die Kommission, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen hat, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 87).

36      Kartelle können nämlich nur dann als Bestandteile einer einheitlichen wettbewerbswidrigen Vereinbarung angesehen werden, wenn erwiesen ist, dass sie zu einem Gesamtplan gehörten, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Zudem kann die Teilnahme eines Unternehmens an den betreffenden Kartellen nur dann Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein, wenn es, als es an diesen Kartellen teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in die einheitliche Vereinbarung eingliederte (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnrn. 4027 und 4112).

37      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich somit, dass für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag dieses Unternehmens zu diesem Plan und die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer.

38      Der vorliegende Klagegrund ist daher anhand dieser Voraussetzungen zu prüfen.

 Zur Einordnung des fraglichen rechtswidrigen Verhaltens

–       Zum Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird

39      Erstens macht die Kommission zum Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, geltend, dass die betreffenden Unternehmen ein einziges wirtschaftliches Ziel – die Verfälschung der Preisentwicklung – verfolgt hätten.

40      Der Begriff des gemeinsamen Ziels kann jedoch nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des gemeinsamen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einheitlichen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es sind somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung alle Umstände zu berücksichtigen, die ein Komplementaritätsverhältnis nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnrn. 179 bis 181).

41      Im vorliegenden Fall ist der Entscheidung zu entnehmen, dass das gemeinsame Ziel, das auf verschiedene, einem Gesamtplan zugehörige Arten verfolgt wurde, darin bestand, ein erhöhtes Preisniveau für die Erbringung von internationalen Umzugsdiensten in Belgien zu etablieren und aufrechtzuerhalten und diesen Markt aufzuteilen. Dieses gemeinsame Ziel wird in den Erwägungsgründen 314 und 322 bis 344 der Entscheidung ausführlich dargestellt.

42      Das Vorbringen von Team Relocations ist nicht geeignet, diesen Befund in Frage zu stellen.

43      Bei dem Provisionssystem handelt es sich um ein System von Abstandszahlungen, das dem Bereich der Kundenaufteilung zuzuordnen ist, und die Abgabe von Schutzangeboten ist ein wesentlicher Bestandteil der Kundenaufteilung, wenn die Kunden Angebote von mehreren Kartellteilnehmern einholen möchten.

44      Entgegen der Auffassung von Team Relocations betrafen die Absprachen über die Provisionen und die Schutzangebote die Preise. Zahl und Höhe der Provisionen wurden im Voraus festgelegt, noch bevor die Umzugsgesellschaften den Kunden ihre Kostenvoranschläge unterbreiteten. Selbst wenn die Provisionen, wie Team Relocations behauptet, nicht unmittelbar auf die Umzugspreise aufgeschlagen wurden, ist es unvermeidbar, dass sie Eingang in die Berechnungen der Unternehmen fanden und ihre Dienste verteuerten. Bei den Schutzangeboten wurde der im „unechten“ Angebot angegebene Preis von der Gesellschaft vorgegeben, die dieses angefordert hatte, und von der Gesellschaft, die es abgab, akzeptiert, was es der erstgenannten Gesellschaft erlaubte, ihren Preis höher anzusetzen, als er in einem freien Wettbewerb wäre, nämlich nahe an dem gemeinsam vereinbarten „unechten“ Preis. Im 233. Erwägungsgrund der Entscheidung hat die Kommission diese Wirkung der Schutzangebotspraxis auf die Preise nachgewiesen (siehe oben, Randnr. 14).

45      Wie auch die schriftliche Preisvereinbarung verfolgten die beiden Verhaltensweisen ein gemeinsames Ziel, nämlich eine Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Kartellteilnehmern durch ein höheres Preisniveau, als dies ohne Vereinbarungen der Fall gewesen wäre. Die Provisionen, die den Wettbewerbern, die den Vertrag nicht erhielten, gezahlt wurden, hielten sie davon ab, einen wettbewerbsfähigen Preis anzubieten, und indem sie im Rahmen der Schutzangebote Informationen über ihre Angebote austauschten, beschränkten die Kartellmitglieder den Preiswettbewerb. Zudem erlaubte die Vereinbarung über die Schutzangebote den Kartellteilnehmern, die Preise auf einem höheren Niveau als ohne diese Vereinbarung zu halten.

46      Zu dem Vorbringen, die Schutzangebote seien erst abgegeben worden, nachdem der Kunde seine Wahl getroffen habe, ist darauf hinzuweisen, dass derjenige, der mit dem Auftragnehmer in Kontakt tritt, z. B. der Bedienstete der Kommission, nicht der eigentliche Kunde der Umzugsunternehmen ist. Es ist nämlich Sache des Unternehmens oder der Einrichtung, die den Umzug finanziert, ein Umzugsunternehmen auszusuchen. Gerade um sich eine Wahl offenzuhalten, verlangen viele Unternehmen und öffentliche Einrichtungen die Einreichung mehrerer Angebote.

–       Zum vorsätzlichen Beitrag von Team Relocations zum Gesamtplan

47      Was zweitens den Beitrag von Team Relocations zur Zuwiderhandlung betrifft, hat sie unbestritten an zwei der drei in der Entscheidung beschriebenen Verhaltensweisen teilgenommen – an der Vereinbarung über die Provisionen und an der Vereinbarung über die Schutzangebote.

48      An der schriftlichen Preisvereinbarung war Team Relocations dagegen zu keiner Zeit beteiligt. Zwar kann ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen an einer Zuwiderhandlung beteiligt hat, auch für das Verhalten zur Verantwortung gezogen werden, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten, doch gilt dies nur für die Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 83). Folglich kann Team Relocations nicht für Verhaltensweisen zur Verantwortung gezogen werden, die mehr als fünf Jahre vor ihrem Beitritt zum Kartell eingestellt wurden.

49      Jedoch hat die Kommission in der Entscheidung eine Zuwiderhandlung von Team Relocations gegen Art. 81 Abs. 1 EG nur für die Zeit vom 20. Januar 1997 bis 10. September 2003 festgestellt, also für den Zeitraum, in dem Team Relocations an allen Handlungen des Kartells beteiligt war. Daher hat die Kommission die Tatsache, dass Team Relocations erst ab 1997 am Kartell teilnahm, angemessen berücksichtigt.

50      Zudem ist das Vorbringen von Team Relocations, die Provisions- und Schutzangebotsvereinbarungen seien nicht gleichzeitig zur Anwendung gekommen und die Absprachen über die Provisionen seien ad hoc erfolgt, unerheblich, da entgegen der Auffassung von Team Relocations diese beiden Verhaltensweisen dasselbe Ziel hatten.

–       Zur Kenntnis von Team Relocations vom rechtswidrigen Verhalten

51      Was drittens die Frage angeht, ob Team Relocations Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Kartellteilnehmer hatte, trifft es zwar zu, dass während ihrer Beteiligung keine wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte stattgefunden haben. Dass Team Relocations zu keiner Zeit an einer solchen Zusammenkunft teilgenommen hat, ist jedoch nicht entscheidend, da die Funktionsweise des Kartells zeigt, dass seine Mitglieder nicht an Zusammenkünften teilnehmen mussten, um über die Provisions- oder Schutzangebotsvereinbarungen informiert zu sein oder an ihnen teilzunehmen. Die Vereinbarungen erfolgten im Allgemeinen mittels Telefon, E-Mail und/oder Telefax.

52      Zudem musste Team Relocations zwangsläufig Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer haben, da die Provisions- und Schutzangebotspraxis auf einer wechselseitigen Zusammenarbeit mit bei jedem Anlass wechselnden Partnern beruhte. Dieses System beruhte nämlich auf dem Grundsatz do ut des, denn jedes Unternehmen, das eine Provision zahlte oder ein Schutzangebot abgab, erwartete, in der Zukunft selbst von diesem System zu profitieren und Provisionen oder Schutzangebote zu erhalten. Daher erfolgten diese Absprachen entgegen dem Vorbringen von Team Relocations nicht ad hoc, sondern wiesen ein Komplementaritätsverhältnis auf.

53      Die Behauptung von Team Relocations, sie habe von den schriftlichen Vereinbarungen nichts gewusst und vor 1997 keine Kenntnis von der Provisionspraxis gehabt, ist unerheblich, da die Entscheidung Team Relocations für die Zuwiderhandlung erst ab diesem Datum haftbar macht. Spätestens 1997, als sie ihre erste Provision annahm, erfuhr Team Relocations davon, dass keines der Unternehmen seine Tätigkeit unter normalen Wettbewerbsbedingungen ausübt. Sie hatte demnach Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten und von dem wettbewerbswidrigen Ziel, das von den anderen Unternehmen verfolgt wurde. Unter diesen Umständen ist es nicht glaubhaft, dass Team Relocations erst 2002 von der Schutzangebotspraxis erfahren hat.

54      Folglich durfte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass Team Relocations Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Kartellnehmer hatte oder hätte haben müssen.

55      Nach alledem hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass Team Relocations an der in der Entscheidung beschriebenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt war. Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Klagegrund: Berechnung des Umsatzes von Team Relocations

 Vorbringen der Parteien

56      Mit ihrem zweiten Klagegrund bestreitet Team Relocations die Höhe des Umsatzes, der bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegt wurde.

57      Sie macht geltend, dass allein der Umsatz mit Umzügen, die tatsächlich von den rechtswidrigen Verhaltensweisen betroffen gewesen seien, bei der Berechnung der im Sinne der Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 relevanten Umsätze zugrunde gelegt werden könne und nicht ihr gesamter Umsatz auf dem belgischen Markt für internationale Umzugsdienste.

58      Hilfsweise trägt Team Relocations vor, dass der relevante Umsatz nicht den Umsatz mit Umzügen von Privatpersonen, d. h. natürlichen Personen, die die Kosten ihres Umzugs selbst tragen müssten, umfasse. Es sei unbestritten, dass in Bezug auf Team Relocations nie Provisionen oder Schutzangebote für Umzüge von Privatpersonen vereinbart oder angewandt worden seien. Im 528. Erwägungsgrund der Entscheidung habe die Kommission akzeptiert, Dienstleistungen im Rahmen von Militärumzügen nicht in den Umsatz von Gosselin einzurechnen, weil sie nicht von der Zuwiderhandlung betroffen gewesen seien. Daher könne der Umsatz mit Umzügen von Privatpersonen bei der Berechnung des relevanten Umsatzes von Team Relocations ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

59      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

60      Team Relocations wendet sich gegen die Berechnung des relevanten Umsatzes und trägt hilfsweise vor, dass der Umsatz mit Umzügen, die von Privatpersonen finanziert worden seien, darin nicht eingerechnet werden dürfe.

 Zum relevanten Umsatz

61      Zu dem Umsatz, der bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde zu legen ist und dessen Höhe im ersten Teil des Klagegrundes bestritten wird, sieht Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 vor:

„Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen … verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen …“

62      Entgegen der Auffassung von Team Relocations ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen, dass allein der Umsatz mit Umzügen, die tatsächlich von den rechtswidrigen Verhaltensweisen betroffen sind, bei der Berechnung des relevanten Umsatzes berücksichtigt werden kann.

63      So verweist der Wortlaut der Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 auf die „verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“ und nicht auf die „vom Verstoß betroffenen Waren oder Dienstleistungen“. Mit der Formulierung in Ziff. 13 ist also der auf dem relevanten Markt erzielte Umsatz gemeint. Dies ergibt sich im Übrigen sehr klar aus der deutschen Fassung der Ziff. 6 der Leitlinien von 2006, in der vom „Umsatz auf den vom Verstoß betroffenen Märkten“ die Rede ist. Erst recht sind von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 nicht nur die Fälle erfasst, in denen die Kommission über schriftliche Beweise für die Zuwiderhandlung verfügt.

64      Diese Auslegung wird durch den Zweck der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln gestützt. Die von Team Relocations vorgeschlagene Auslegung würde bedeuten, dass die Kommission für die Bestimmung des Grundbetrags der in Kartellsachen zu verhängenden Geldbußen in jedem Fall die einzelnen Vorgänge benennen müsste, die vom Kartell betroffen waren. Die Unionsgerichte haben ihr eine solche Pflicht nie auferlegt, und nichts weist darauf hin, dass sich die Kommission in den Leitlinien von 2006 eine solche Pflicht selbst auferlegen wollte.

65      Zudem ist es in Kartellsachen, in denen es um naturgemäß heimliche Vorgänge geht, unvermeidbar, dass bestimmte Schriftstücke, die jeweils Teilhandlungen der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen belegen, nicht entdeckt werden. Im vorliegenden Fall wäre es tatsächlich nicht möglich, für jeden einzelnen der betroffenen Umzüge Belege zu finden. So bestätigt Team Relocations in der Klageschrift, dass die „[Schutzangebote] und die Provisionen nicht in den Systemen der Klägerin verzeichnet waren, so dass nur die mit der Akte befassten Personen sie auffinden konnten“.

66      Schließlich kann nach ständiger Rechtsprechung der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 121). Insbesondere stellt der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, British Steel/Kommission, T‑151/94, Slg. 1999, II‑629, Randnr. 643, und vom 8. Juli 2008, Saint-Gobain Gyproc Belgium/Kommission, T‑50/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 84). Dieser Grundsatz fand Eingang in die Leitlinien von 2006.

67      In der mündlichen Verhandlung hat Team Relocations vorgetragen, dass die Kommission in der Entscheidung in der Sache „Carglass“ (Sache COMP/39.125 – Automobilglas), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 25. Juli 2009 (ABl. C 173, S. 13) veröffentlicht worden ist, anders als im vorliegenden Fall als für die Berechnung der Geldbuße relevante Umsätze nur die Verkäufe der Glashersteller an Autohersteller gezählt habe, für die sie direkte Beweise für das Kartell gehabt habe. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 663. Erwägungsgrund der „Carglass“‑Entscheidung davon ausgeht, dass der Umstand, dass nicht für jede einzelne Diskussion über die „Fahrzeugrechnungen“ spezifische Beweise verfügbar seien, die Bestimmung des Umsatzes nicht auf die Aufträge begrenze, für die direkte Beweise vorlägen, da Kartellabsprachen naturgemäß geheime Vereinbarungen seien und die Beweise in den meisten Fällen, wenn nicht sogar immer, unvollständig blieben. Zwar hat die Kommission diesen Grundsatz später in den Erwägungsgründen 664 bis 667 dieser Entscheidung weiter differenziert, doch hat sie dies nur für zwei ganz besondere Zeitabschnitte getan, nämlich für den Beginn und das Ende des Zuwiderhandlungszeitraums, weil sie der Auffassung war, dass die Automobilglashersteller in diesen beiden Zeitabschnitten nur ihre Angebote für ausgewählte Großaufträge geändert hätten. Demnach steht der von der Kommission in jener Entscheidung verfolgte Ansatz dem in der Entscheidung verfolgten Ansatz nicht entgegen.

68      Schließlich können nach ständiger Rechtsprechung in anderen Fällen ergangene Entscheidungen nur Hinweischarakter für das eventuelle Vorliegen einer Diskriminierung haben, da es wenig wahrscheinlich ist, dass die für sie kennzeichnenden Umstände wie die Märkte, die Waren, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind (Urteile des Gerichtshofs vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnrn. 201 und 205, und vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Randnr. 60). In Anbetracht der in den Erwägungsgründen 664 bis 667 der „Carglass“-Entscheidung genannten Umstände genügt das Vorbringen von Team Relocations nicht für die Feststellung, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt waren.

69      Daher ist der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zu den Umzügen, die von Privatpersonen finanziert wurden

70      Zu dem hilfsweise vorgetragenen Argument, der relevante Umsatz dürfe nicht den Umsatz umfassen, der mit Umzügen von Privatpersonen erzielt worden sei, also mit Umzügen, deren Kosten nicht von Dritten übernommen worden seien, ist festzustellen, dass für diese Art von Umzügen nie Schutzangebote abgegeben wurden, weil eine Privatperson nie mehrere Kostenvoranschläge einer einzigen Umzugsgesellschaft akzeptiert hätte. Schutzangebote wurden nur bei den Umzügen eingesetzt, für die der Arbeitgeber des Umziehenden Kostenvoranschläge von mindestens einem weiteren Umzugsunternehmen als Bedingung für die Umzugskostenübernahme verlangte.

71      Dem 537. Erwägungsgrund der Entscheidung ist aber zu entnehmen, dass sich einige der anderen Adressaten der Entscheidung offenbar bereit erklärt hatten, Provisionen für von Privatpersonen finanzierte internationale Umzüge zu zahlen. Anders als bei Umzügen im militärischen Bereich, bei denen Gosselin als Subunternehmer amerikanischer Umzugsunternehmen auftrat, ist daher nicht auszuschließen, dass einige private Umzüge von der fraglichen einheitlichen Zuwiderhandlung betroffen waren. Der entscheidende Unterschied zwischen Umzügen im militärischen Bereich und Umzügen von Privatpersonen ist nämlich, dass die Kartellteilnehmer für die Umzüge im militärischen Bereich nicht selbst die Geschäftsverhandlungen führten und daher keinerlei Einfluss auf den Hauptvertrag hatten. Eine solche strukturelle Garantie, die jede potenzielle Beeinträchtigung ausschließt, gibt es bei privaten Umzügen nicht. Daher hat die Kommission nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, als sie die eine Kategorie von Umzügen ausschloss, die andere aber nicht.

72      Es trifft zwar zu, dass die Kommission in Bezug auf Team Relocations nicht dargetan hat, dass bei Umzügen von Privatpersonen Provisionen vereinbart oder angewandt wurden. Ließe man dieses Argument gelten, verpflichtete man jedoch letztlich die Kommission dazu, in den relevanten Umsatz nur die einzelnen Vorgänge einzubeziehen, die vom Kartell betroffen waren und für die sie über schriftliche Beweise verfügt. Das Bestehen einer solchen Pflicht wurde bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes verneint.

73      Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3.     Zum dritten Klagegrund: Zugrundelegung eines Satzes von 17 % des Umsatzes von Team Relocations für die Festsetzung des Grundbetrags ihrer Geldbuße

74      Dieser Klagegrund besteht aus vier Teilen. Die ersten beiden betreffen eine Verletzung der Pflicht, die Höhe der Geldbuße nach der individuellen Rolle zu bestimmen, die Team Relocations bei der Zuwiderhandlung gespielt hat, und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit dem dritten Teil macht Team Relocations geltend, dass die Festlegung des Satzes auf 17 % gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Im vierten Teil dieses Klagegrundes geht es um einen Begründungsmangel.

 Vorbringen der Parteien

75      Team Relocations trägt erstens vor, dass eine Geldbuße nach ständiger Rechtsprechung der Schwere der tatsächlich von dem einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung genau entsprechen müsse (Urteile des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 280, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg. 2007, II‑947, Randnr. 429, und vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 207 und 209). Im vorliegenden Fall hätten bei der Beurteilung der Schwere der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlung mehrere besondere oder außergewöhnliche Umstände berücksichtigt werden müssen. Insbesondere habe sie vor 2002 kein Schutzangebot abgegeben oder angefordert und zu keiner Zeit an den schriftlichen Vereinbarungen über Preise oder andere Bedingungen für die Erbringung von internationalen Umzugsdiensten in Belgien teilgenommen. Die Kommission habe die individuelle Rolle, die Team Relocations bei den von der Entscheidung erfassten Verhaltensweisen gespielt habe, nicht dargetan. Aufgrund dieser fehlerhaften Beurteilung sei der ermittelte Umsatzanteil (17 %) und damit die gegen Team Relocations verhängte Geldbuße offensichtlich zu hoch.

76      Zweitens macht Team Relocations geltend, dass ihre Zuwiderhandlung im Vergleich zu den allgemeinen schriftlichen Preisvereinbarungen, die zwischen einigen der anderen Adressaten der Entscheidung abgeschlossen worden seien, ganz anderer und deutlich weniger schwerwiegender Art gewesen sei. Indem die Kommission für die Berechnung sowohl der Geldbuße von Team Relocations als auch der Geldbußen der anderen Adressaten der Entscheidung denselben Umsatzanteil (17 %) festgesetzt habe, habe sie daher ihre Pflicht verletzt, die Höhe der Geldbußen diskriminierungsfrei festzusetzen.

77      Drittens führe die Zugrundelegung von 17 % des Umsatzes zwangsläufig zu einem Geldbußenbetrag, der in mehrerlei Hinsicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem tatsächlichen Schweregrad ihres Verhaltens stehe, nämlich zu ihrer tatsächlichen Verantwortlichkeit sowie zur begrenzten Schwere und geringen wirtschaftlichen Bedeutung ihrer Zuwiderhandlung.

78      Viertens enthalte die Entscheidung keinen Hinweis, warum die Kommission nicht berücksichtigt habe, dass Team Relocations nicht an allen Handlungen der Zuwiderhandlung teilgenommen habe. Die Begründung für die Festsetzung des Umsatzanteils sei unzureichend und widersprüchlich.

79      Die Kommission vertritt die Ansicht, dass sie für Team Relocations denselben Umsatzanteil von 17 % habe zugrunde legen dürfen wie für die anderen Kartellmitglieder, da Team Relocations an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen habe, die als besonders schwere Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG zu qualifizieren sei. Die individuelle Rolle, die ein Unternehmen bei einer Zuwiderhandlung gespielt habe, werde nicht bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt, sondern bei der Anpassung der Geldbuße, um mildernden und/oder erschwerenden Umständen Rechnung zu tragen. Schließlich sei sie auch ihrer Begründungspflicht nachgekommen, denn sie habe in der Entscheidung die Beurteilungskriterien angegeben, die es ihr ermöglicht hätten, die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung zu ermessen.

 Würdigung durch das Gericht

80      Im Rahmen dieses Klagegrundes wendet sich Team Relocations im Wesentlichen dagegen, dass bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung bei allen betreffenden Unternehmen einheitlich ein Satz von 17 % zugrunde gelegt wurde. Hierbei sind insbesondere zwei verschiedene Problembereiche zu unterscheiden, nämlich zum einen die Frage, ob Team Relocations im Vergleich zu den anderen Kartellteilnehmern angemessen behandelt wurde (erster und zweiter Teil), und zum anderen die Frage, ob der von der Kommission zugrunde gelegte Satz – isoliert betrachtet – dem Verhalten von Team Relocations angemessen war (dritter Teil).

 Zur Pflicht, den Grundbetrag der Geldbuße entsprechend der individuellen Rolle von Team Relocations zu bestimmen

81      Zu den ersten beiden Teilen des Klagegrundes, die zusammen zu prüfen sind, weil sie eng miteinander verbunden sind, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Grundsatz der Nichtdiskriminierung oder der Gleichbehandlung, der einen fundamentalen Rechtsgrundsatz bildet, nicht nur verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich, sondern auch, unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 8. Oktober 1986, Christ-Clemen u. a./Kommission, 91/85, Slg. 1986, 2853, Randnr. 10, und vom 28. Juni 1990, Hoche, C‑174/89, Slg. 1990, I‑2681, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Die Kommission hat die Kartellteilnehmer bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Wahl des zugrunde gelegten Umsatzanteils aber nicht unterschiedlich behandelt, sondern für alle betroffenen Unternehmen einen einheitlichen Satz von 17 % festgesetzt. Die Kommission rechtfertigt diesen Ansatz damit, dass es sich um eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gehandelt habe.

83      Mithin stellt sich die Frage, ob die Kommission im Licht der von Team Relocations angeführten Rechtsprechung für die Bestimmung der Schwere der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlung auf jegliche Unterscheidung zwischen den an der Zuwiderhandlung Beteiligten und jede Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verzichten durfte.

84      Hierzu ist der Rechtsprechung zu entnehmen, dass bei Begehung einer Zuwiderhandlung durch mehrere Unternehmen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu der Zuwiderhandlung zu prüfen ist (Urteile des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 150). Dies ist die logische Folge des Grundsatzes der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen, wonach ein Unternehmen nur für Handlungen bestraft werden darf, die ihm individuell zur Last gelegt werden; dieser Grundsatz gilt in allen Verwaltungsverfahren, die zu Sanktionen nach den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft führen können (Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T‑62/02, Slg. 2005, II‑5057, Randnr. 119).

85      Aus zahlreichen Urteilen des Gerichtshofs und des Gerichts ergibt sich zudem, dass die Schwere der Zuwiderhandlung individuell zu beurteilen ist, und zwar anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören (vgl. Urteile des Gerichtshofs Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 106, und vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnrn. 83 ff.). So hat der Gerichtshof entschieden, dass die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt oder aber bei seiner Beteiligung eine weniger bedeutende Rolle gespielt hat, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 90, und Urteil Bolloré u. a./Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 429 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      In der Spruchpraxis des Gerichts erfolgt die Beurteilung der individuellen Umstände jedoch nicht im Rahmen der Prüfung der Schwere der Zuwiderhandlung, also bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße, sondern im Rahmen der Anpassung des Grundbetrags anhand von mildernden und erschwerenden Umständen (Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone‑Lorraine/Kommission, T‑73/04, Slg. 2008, II‑2661, Randnrn. 100 ff., im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, C‑554/08 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht). Auch wenn also in den von Team Relocations angeführten Passagen der Urteile BASF/Kommission und Coats Holdings und Coats/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, der Begriff der Schwere benutzt wird, betrifft er nicht die Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße, sondern vielmehr die Frage, ob die Kommission die Anführerrolle als erschwerenden Umstand (Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 280) bzw. eine untergeordnete Rolle, die sich darüber hinaus der eines Schlichters angenähert hatte, als einen mildernden Umstand (Urteil Coats Holdings und Coats/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 214) berücksichtigen durfte.

87      Diese Rechtsprechung steht indes im Einklang mit der oben in den Randnrn. 84 und 85 angeführten Rechtsprechung. In diesen Urteilen wurde der Begriff der Schwere nämlich allgemein verwendet, um die Intensität der Zuwiderhandlung zu beschreiben, und nicht im technischen Sinne der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen. Daher stand es der Kommission frei, bestimmte Aspekte der „Schwere“ im Sinne des Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 im Rahmen der mildernden und erschwerenden Umstände und nicht im Rahmen der „Schwere“ im Sinne ihrer Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen zu berücksichtigen.

88      Dies gilt insbesondere für die Beurteilung der relativen Schwere des Tatbeitrags zu einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, die von mehreren Unternehmen begangen wurde. Hierzu hat der Gerichtshof in Bezug auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), bestätigt, dass die relative Schwere des Tatbeitrags jedes betroffenen Unternehmens im Rahmen der etwaigen Berücksichtigung erschwerender oder mildernder Umstände zu prüfen ist (Urteil vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, Randnr. 27). Daher bezieht sich der Begriff „Verstoß“, wie er in den Leitlinien von 1998 verwendet wird, im Fall einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf die gesamte Zuwiderhandlung, an der mehrere Unternehmen beteiligt sind, und die „Schwere“ dieser einheitlichen Zuwiderhandlung ist für alle Teilnehmer gleich.

89      Das Urteil vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 86 angeführt, bezieht sich allerdings auf die Leitlinien von 1998. Die Leitlinien von 2006 haben zu einer grundlegenden Änderung der Berechnungsmethode für Geldbußen geführt. Erstens wurde die Einteilung der Zuwiderhandlungen in drei Kategorien („minder schwer“, „schwer“ und „sehr schwer“) aufgegeben. Das derzeitige System, das eine Bandbreite von 0 % bis 30 % vorsieht, ermöglicht eine feinere Abstufung nach der Schwere der Zuwiderhandlungen.

90      Zweitens wurden die Pauschalbeträge abgeschafft. Seither errechnet sich der Grundbetrag anhand des mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehenden Umsatzes jedes einzelnen Unternehmens. Mit dieser neuen Methode kann daher das Ausmaß der individuellen Beteiligung des einzelnen Unternehmens an der Zuwiderhandlung im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung einfacher berücksichtigt werden. Mit ihr kann auch einer etwaigen Verringerung der Schwere einer einheitlichen Zuwiderhandlung im Laufe der Zeit Rechnung getragen werden.

91      Drittens hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie in ihrer Entscheidungspraxis nicht mehr zwangsläufig einen einheitlichen Satz auf alle an einer solchen Zuwiderhandlung Beteiligten anwendet. Die Kommission hat nämlich in den Entscheidungen „Candle waxes“, C (2008) 5476, vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/C.39.181 – Kerzenwachse), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 4. Dezember 2009 (ABl. C 295, S. 17) veröffentlicht wurde, und „Heat stabilisers“, C (2009) 8682, vom 11. November 2009, in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.589 – Wärmestabilisatoren), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 12. November 2010 (ABl. C 307, S. 9) veröffentlicht wurde, auf unterschiedliche Kategorien von Kartellteilnehmern je nach der relativen Schwere ihres Tatbeitrags zur Zuwiderhandlung unterschiedliche Sätze angewandt. Insbesondere in der letztgenannten Sache wurde gegen die Unternehmen, die nicht nur an einer Preisfestsetzung, sondern auch an einer Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte teilgenommen hatten, ein höherer Satz festgesetzt.

92      Die neue Methode schreibt einen solchen Ansatz jedoch nicht vor. Nach der oben in den Randnrn. 84 und 85 angeführten Rechtsprechung sind zwar die relative Schwere des Tatbeitrags zur Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände der Sache zu berücksichtigen, doch steht es der Kommission in Anwendung der Leitlinien von 2006 frei, dies bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung oder bei der Anpassung des Grundbetrags anhand von mildernden und erschwerenden Umständen zu tun. In den Fällen, in denen die Kommission diesen letzteren Ansatz wählt, muss die Beurteilung der mildernden und erschwerenden Umstände jedoch eine angemessene Berücksichtigung der relativen Schwere des Tatbeitrags zu einer einheitlichen Zuwiderhandlung und einer etwaigen Veränderung dieser Schwere im Laufe der Zeit zulassen.

93      Im vorliegenden Fall hat die Kommission einen einheitlichen Satz von 17 % für alle betreffenden Unternehmen festgesetzt. Soweit Team Relocations vorträgt, dass die relative Schwere ihres Tatbeitrags geringer als die anderer beteiligter Unternehmen sei und dass mehrere besondere oder außergewöhnliche Umstände hätten berücksichtigt werden müssen, wird die zur Stützung dieser Behauptung entwickelte Argumentation daher im Rahmen der Rügen gegen die fehlerhafte Beurteilung der mildernden Umstände durch die Kommission geprüft. Team Relocations nahm an allen Handlungen des Kartells teil, die während der Zeit ihrer Beteiligung am Kartell stattfanden, und macht nur eine geringere Intensität ihrer Beteiligung geltend. Daher sind der erste und der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen, und das Vorbringen von Team Relocations ist im Rahmen der Prüfung des sechsten Klagegrundes zu berücksichtigen (unten, Randnrn. 125 ff.).

 Zum Vorwurf des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

94      Was den Vorwurf des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anbelangt, ist das Gericht der Auffassung, dass ein Satz von 17 % für sich genommen zur tatsächlichen Verantwortlichkeit von Team Relocations für die Zuwiderhandlung, die u. a. in einer Marktaufteilung und Manipulation von Auftragsvergaben bestanden hat, nicht außer Verhältnis steht. Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 weist klar darauf hin, dass für horizontale Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen und Aufteilung der Märkte grundsätzlich ein Betrag „am oberen Ende dieser Bandbreite“ anzusetzen ist. Die Kommission durfte daher einen Satz von 17 % verhängen, der sich im unteren Teil des „oberen Endes der Bandbreite“ befindet.

 Zum Vorwurf des Begründungsmangels

95      Zum vierten Teil des vorliegenden Klagegrundes ist festzustellen, dass die Begründung für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße tatsächlich nicht sehr ausführlich ist. Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die Kommission ihrer Begründungspflicht bereits genügt, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglicht haben, die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung zu ermessen, und dass sie nicht verpflichtet ist, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 252 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 542. Erwägungsgrund der Entscheidung die Gründe angeführt, die sie dazu bewogen haben, die Zuwiderhandlung als besonders schwerwiegend einzustufen, nämlich die Art der offenkundigen Beschränkungen des Wettbewerbs selbst. Sie hat dort außerdem erläutert, warum sie die räumliche Ausdehnung und die Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht geprüft hat, und auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach im Fall von Kernbeschränkungen die Zuwiderhandlung als besonders schwerwiegend eingestuft werden kann, ohne dass diese Verhaltensweisen durch eine besondere geografische Ausdehnung oder besondere Auswirkungen gekennzeichnet zu sein brauchten (Urteile des Gerichts Scandinavian Airlines System/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnrn. 84 und 85, und vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnrn. 178 und 179). Im Licht dieser Rechtsprechung hat die Kommission die Einordnung der Zuwiderhandlung als „sehr schwer“ daher hinreichend begründet.

97      Dennoch erscheint es erstens wünschenswert, dass die Kommission die Berechnung der Geldbußen ausführlicher begründet, damit die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße im Detail nachvollziehen können. Allgemein gesehen kann dies zur Transparenz des Verwaltungshandelns beitragen und dem Gericht die Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung erleichtern, in deren Rahmen es außer der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auch die Angemessenheit der festgesetzten Geldbuße zu beurteilen hat (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, C‑248/98 P, Slg. 2000, I‑9641, Randnr. 46).

98      Zweitens bezieht sich die von der Kommission angeführte Rechtsprechung auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), und geht auf die Zeit vor dem Erlass von Leitlinien zurück. Die Leitlinien von 2006 haben aber zu einer grundlegenden Änderung der Berechnungsmethode für Geldbußen geführt. Insbesondere wurde die Einteilung der Zuwiderhandlungen in drei Kategorien („minder schwer“, „schwer“ und „sehr schwer“) aufgegeben und eine Bandbreite von 0 % bis 30 % eingeführt, um eine feinere Abstufung zu ermöglichen. Zudem wird zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße seitdem „ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert“ (Ziff. 19 der Leitlinien von 2006). Grundsätzlich „kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden“ (Ziff. 21). Für horizontale Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung, die „ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen“ gehören, ist grundsätzlich „ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite“ anzusetzen (Ziff. 23).

99      Unter diesen Umständen kann sich die Kommission grundsätzlich nicht mehr damit begnügen, nur die Einordnung einer Zuwiderhandlung als „sehr schwerwiegend“ und nicht die Wahl des zugrunde gelegten Umsatzanteils zu begründen. Wie nämlich oben ausgeführt, ist die Pflicht zur Lieferung einer Begründung, die dem Betroffenen ermöglicht, die Gründe für den Erlass der Maßnahme zu erkennen, und dem Gericht, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen, die logische Konsequenz des der Kommission im Geldbußenbereich eingeräumten Ermessens.

100    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 543. Erwägungsgrund der Entscheidung diesen Anteil auf kaum mehr als die Hälfte dieser Bandbreite festgesetzt, nämlich auf 17 %, und dies nur mit dem „sehr schwerwiegenden“ Charakter der Zuwiderhandlung begründet. Sie hat nicht näher erläutert, wie sie die Einordnung der Zuwiderhandlung als „sehr schwerwiegend“ dazu veranlasst hat, den Satz auf 17 % festzusetzen und nicht deutlich mehr „am oberen Ende [der] Bandbreite“. Diese Begründung kann nur dann genügen, wenn die Kommission einen Satz wählt, der sich nahe an der unteren Grenze der für die schwerwiegendsten Verstöße vorgesehenen Marge bewegt und der darüber hinaus für die Klägerin sehr günstig ausfällt. In diesem Fall nämlich ist eine zusätzliche Begründung, die über die schon in den Leitlinien enthaltene Begründung hinausgeht, nicht erforderlich. Hätte die Kommission einen höheren Satz anwenden wollen, hätte sie dagegen eine ausführlichere Begründung liefern müssen, wie sie es in den Entscheidungen „Carglass“ (Erwägungsgründe 669 bis 678), „Heat stabilisers“ und „Candle waxes“ (Erwägungsgründe 641 bis 653) getan hat.

101    Zur Begründung für die Festsetzung des undifferenzierten Satzes von 17 % kann der Entscheidung entnommen werden, dass die Kommission davon ausgeht, die Feststellung einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung rechtfertige die Anwendung eines einheitlichen Satzes. Diese Feststellung ist hinreichend begründet und sachlich richtig (siehe oben, Randnrn. 39 ff.).

102    Der vierte Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

103    Nach alledem ist der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

4.     Zum vierten Klagegrund: fehlende Grundlage für die Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

104    Team Relocations trägt vor, dass Ziff. 24 der Leitlinien von 2006, die die systematische Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre, die ein Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, vorsehe, der behaupteten Dauer der Zuwiderhandlung im Vergleich zu den anderen relevanten Faktoren und insbesondere im Vergleich zur Schwere der Zuwiderhandlung eine unverhältnismäßige Bedeutung beimesse. Diese Bestimmung trage deshalb dem Erfordernis, dass die Höhe der gegen jedes Unternehmen verhängten Geldbuße an den Einzelfall angepasst sein müsse, nicht ausreichend Rechnung und sehe eine Berechnungsformel für die Geldbuße vor, die der Dauer der Zuwiderhandlung eine offensichtlich unverhältnismäßige Bedeutung beimesse.

105    Hilfsweise beantragt Team Relocations, das Gericht möge einen Multiplikationskoeffizienten wählen, der 2 nicht übersteige. Jedenfalls macht Team Relocations für den Fall, dass das Gericht eine Multiplikation mit 7 bestätigen sollte, geltend, dass in ihrem Fall der Umsatzanteil für die ersten fünf Jahre (von 1997 bis 2001) auf maximal 5 % festzusetzen sei, weil sie sich in diesen Jahren nicht an den Schutzangeboten beteiligt habe, und für die beiden letzten Jahre (2002 und 2003) auf höchstens 12 %.

106    Die Kommission beantragt, diese Anträge zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

107    Obwohl Team Relocations eine „fehlende Grundlage“ für die Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung geltend macht, bestreitet sie nicht, dass diese Methode in den Bestimmungen der Leitlinien von 2006 ihre Grundlage findet. Daher betrifft der vorliegende Klagegrund vielmehr den Vorwurf einer Unverhältnismäßigkeit der Ziff. 24 der Leitlinien von 2006, soweit sie eine solche Multiplikation vorsieht.

108    Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt dazu nur, dass „[b]ei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße … sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen [ist]“, ohne Hinweis darauf, wie die Berücksichtigung der Dauer konkret zu erfolgen hat. Diese allgemeine Bestimmung ist in den verschiedenen Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen konkretisiert worden. Im Einzelnen sahen die Leitlinien von 1998 für Verstöße von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre) eine Erhöhung des für die Schwere des Verstoßes ermittelten Betrags um 10 % für jedes Jahr vor. Dagegen entspricht die in den Leitlinien von 2006 vorgesehene Multiplikation mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung einer Erhöhung des Betrags um 100 % pro Jahr.

109    Dieser Ansatz stellt einen grundlegenden Methodenwechsel für die Berücksichtigung der Dauer des Kartells dar. Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 steht einer solchen Fortentwicklung jedoch nicht entgegen. Zwar scheint die französische Fassung dieser Bestimmung die Dauer im Vergleich zur Schwere für die Bemessung der Geldbuße als zweitrangig anzusehen. Andere Sprachfassungen wie die englische („… regard shall be had both to the gravity and to the duration of the infringement“) und die deutsche („… ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen“) weisen hingegen darauf hin, dass diese Bestimmung der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung das gleiche Gewicht beimisst.

110    Zu den hilfsweise vorgetragenen Anträgen genügt die Feststellung, dass der Kommission, auch wenn sie in der Vergangenheit bei der Erhöhung der Geldbuße anhand der Dauer zuweilen die im Laufe der Zeit eingetretene Entwicklung einer Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, keine Bestimmung der Leitlinien von 2006 vorschreibt, in einem solchen Fall einen Multiplikationskoeffizienten zu wählen, der 2 nicht übersteigt, oder den anhand der Schwere ermittelten Umsatzanteil zu ermäßigen. Das Gericht ist in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, dass die Ermäßigung, die Gegenstand des ersten Antrags von Team Relocations ist, nicht zu gewähren ist. Auf den zweiten Antrag wird unten in den Randnrn. 125 ff. eingegangen.

111    Vorbehaltlich dieses letzten Punktes ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

5.     Zum fünften Klagegrund: fehlende Grundlage für die Erhebung eines Zusatzbetrags

112    Im Rahmen dieses Klagegrundes macht Team Relocations Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend.

 Vorbringen der Parteien

113    Team Relocations trägt erstens vor, dass die Hinzufügung eines Zusatzbetrags nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, da sie im Gegensatz zu einigen anderen Adressaten der Entscheidung nicht zugleich Vereinbarungen über die Preise und über die Aufteilung der Märkte geschlossen habe. Die von Team Relocations an den Tag gelegten Verhaltensweisen fielen außerdem nicht in die Kategorien von Zuwiderhandlungen, die die Hinzufügung eines Zusatzbetrags zum Grundbetrag der Geldbuße rechtfertigen könnten.

114    Zweitens verstoße die Entscheidung in Anbetracht der geringen Schwere der von ihr begangenen Zuwiderhandlung durch die Festsetzung des Zusatzbetrags auf 17 % der Umsätze gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

115    Die Kommission hält den Aufschlag von 17 % für gerechtfertigt.

 Würdigung durch das Gericht

116    Team Relocations macht in Bezug auf die Berechnung des Zusatzbetrags einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (erster Teil) und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (zweiter Teil) geltend. In diesem Zusammenhang heißt es in Ziff. 25 der Leitlinien von 2006:

„[U]nabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu, um die Unternehmen von vornherein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken.“

117    Zum ersten Teil des Klagegrundes ist festzustellen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist, da die Kommission bei allen Adressaten der Entscheidung denselben Zusatzbetrag festgesetzt und dies damit begründet hat, dass sie alle an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, die eine Preisfestsetzung und das eine Marktaufteilung umfasst habe. Ferner zeigt der Wortlaut der Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 („inclura“, „will include“ und „fügt hinzu“), dass die Erhebung eines Zusatzbetrags bei offenkundigen Zuwiderhandlungen ein automatischer Vorgang ist, der nicht das Vorliegen weiterer Faktoren voraussetzt. Im Übrigen ist auf die in den vorstehenden Randnrn. 81 ff. entwickelte Argumentation zu verweisen, die für die Erhebung eines Zusatzbetrags entsprechend gilt.

118    Hinsichtlich des zweiten Teils des Klagegrundes ist auf die vorstehende Randnr. 94 zu verweisen, in der das Gericht befunden hat, dass ein Satz von 17 % für sich genommen nicht außer Verhältnis zu der tatsächlichen Verantwortlichkeit von Team Relocations für die Zuwiderhandlung steht. Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für den Zusatzbetrag, der ebenfalls auf 17 % festgesetzt wurde. Das Gericht ist außerdem der Ansicht, dass ein Satz von 17 % geeignet ist, eine angemessene abschreckende Wirkung zu gewährleisten. Dass die von den Leitlinien von 2006 vorgesehene Bandbreite für den Zusatzbetrag von 15 % bis 25 % reicht und nicht von 0 % bis 30 %, ändert hieran nichts.

119    Daher ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

6.     Zum sechsten Klagegrund: Vorliegen mildernder Umstände

 Vorbringen der Parteien

120    Nach Ansicht der Klägerin liegen mehrere mildernde Umstände vor, die eine wesentliche Ermäßigung ihrer Geldbuße nach den Ziff. 20 und 29 der Leitlinien von 2006 rechtfertigten. Die begrenzte Beteiligung des Unternehmens an der Zuwiderhandlung stelle einen solchen mildernden Umstand dar. Im vorliegenden Fall habe sie sich nicht aktiv am Zustandekommen wettbewerbswidriger Absprachen beteiligt, habe nie an einer Zusammenkunft teilgenommen, deren Gegenstand eine Beschränkung des Wettbewerbs gewesen sei, sei nie an den gravierendsten Handlungen der Zuwiderhandlung – den schriftlichen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen und den für Büroumzüge getroffenen Absprachen über die Provisionen – beteiligt gewesen, habe nur gelegentlich und ad hoc Provisionen zugestimmt oder Schutzangebote abgegeben oder angefordert, und dies auch nur für eine sehr geringe Zahl von Kunden und Umzügen, und vor 2002 kein Schutzangebot abgegeben oder angefordert. Die Tatsache, dass ihre Beteiligung begrenzt gewesen sei, sei aber überhaupt nicht berücksichtigt worden – weder bei der Beurteilung der Schwere oder der Dauer der Zuwiderhandlung noch bei der Prüfung der mildernden Umstände.

121    Ferner seien mehrere der Schutzangebote von Bediensteten der Kommission angefordert worden. Die Erklärungen von Allied Arthur Pierre bestätigten eindeutig, dass die Schutzangebote bei den Bediensteten der Kommission auf allen Hierarchieebenen weithin bekannt gewesen und sogar von ihnen angefordert worden seien. Die Kommission könne ihre Verantwortung für die Verhaltensweisen in Bezug auf die Schutzangebote nicht leugnen, die mit Einverständnis oder auf Betreiben ihrer eigenen Bediensteten stattgefunden hätten.

122    Die Kommission vertritt die Auffassung, dass das Vorbringen von Team Relocations unerheblich sei, ins Leere gehe und/oder irreführend sei. Insbesondere seien die Absprachen, an denen Team Relocations beteiligt gewesen sei, nicht weniger schwerwiegend als die schriftlichen Preisvereinbarungen.

 Würdigung durch das Gericht

123    Aus der Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission keinen mildernden Umstand festgestellt hat. Team Relocations macht jedoch geltend, dass es mehrere Umstände gebe, die ihre Zuwiderhandlung von der der anderen beteiligten Unternehmen unterschieden und zeigten, dass sie nur begrenzt beteiligt gewesen sei, oder die mit dem Verhalten der Kommission im Zusammenhang stünden.

 Zur Beteiligung am Zustandekommen wettbewerbswidriger Absprachen

124    Erstens ist zu dem Argument, Team Relocations habe sich nicht aktiv am Zustandekommen der fraglichen wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt, festzustellen, dass ihre erste dokumentierte Teilnahme an der Durchführung der Provisionsvereinbarung tatsächlich 1997 erfolgte, diese Verhaltensweisen aber bereits in den 80er Jahren begannen. Dieser Gesichtspunkt ist allerdings nur im Rahmen der Frage erheblich, ob ein Unternehmen die Rolle eines Anführers oder eines Anstifters gespielt hat, eine Rolle, die nach Ziff. 28 der Leitlinien von 2006 als erschwerender Umstand angesehen werden kann. Nicht aktiv am Zustandekommen der fraglichen wettbewerbswidrigen Absprachen teilgenommen zu haben, stellt hingegen für sich genommen keinen mildernden Umstand dar.

 Angeblich begrenzte Beteiligung von Team Relocations an der Zuwiderhandlung

125    Was zweitens das Argument von Team Relocations anbelangt, sie habe sich nur sehr begrenzt an der Zuwiderhandlung beteiligt, steht fest, dass sie zu keiner Zeit an schriftlichen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, an Zusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Gegenstand, an der Ad-hoc-Festsetzung von Preisen für einen bestimmten Umzug und an den Absprachen über die Provisionen für Büroumzüge teilnahm. Zudem beteiligte sie sich an den die Schutzangebote betreffenden Verhaltensweisen nur von Februar 2002 bis September 2003.

126    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das betroffene Unternehmen nach Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006, um in den Genuss einer Ermäßigung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände zu kommen, „Beweise [erbringen muss], dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem sie ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat“. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.

127    Die Formulierung „wie beispielsweise“ zeigt indes, dass die Liste der Umstände in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 nicht erschöpfend ist. Wie im Rahmen des dritten Klagegrundes bereits festgestellt, sind ferner die besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Frage, ob ein Unternehmen an allen Bestandteilen einer Zuwiderhandlung teilgenommen hat oder nicht, zu berücksichtigen, wenn nicht bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung, dann zumindest im Rahmen der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder oder erschwerender Umstände. Diese Verpflichtung war nämlich einer der Gründe, die dem Gerichtshof die Feststellung ermöglicht haben, dass der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nicht dem Grundsatz widerspricht, dass die Verantwortlichkeit für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht persönlichen Charakter hat (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 84). Die im dritten Gedankenstrich der Ziff. 29 genannten Kriterien allein sind nicht geeignet, diese Möglichkeit zu gewährleisten. Daher sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

128    Dabei steht fest, dass sich die fragliche Zuwiderhandlung im Laufe der Zeit entwickelt hat. Die schriftlichen Vereinbarungen fanden in der ersten Phase der Zuwiderhandlung von 1984 bis Anfang der 90er Jahre Anwendung und wurden dann aufgegeben. Die zweite Phase der Zuwiderhandlung ist durch den Rückgriff auf Schutzangebote und Provisionen gekennzeichnet. Daher könnte der nach Ziff. 19 der Leitlinien von 2006 zu ermittelnde Umsatzanteil grundsätzlich zeitlich gestaffelt werden. Dies könnte auch eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände rechtfertigen.

129    Jedoch stellt das Verhalten, an dem sich Team Relocations beteiligt hat, keine weniger schweren Zuwiderhandlungen dar als die schriftlichen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen oder die Ad-hoc-Festsetzung von Preisen für bestimmte Umzüge. Entgegen der Auffassung von Team Relocations wirkten sich die Schutzangebote und die Provisionen auch auf die Preise aus (siehe oben, Randnr. 44). Ebenso ist die Tatsache, dass Team Relocations an den Absprachen über die Provisionen für Büroumzüge nicht beteiligt war und am Schutzangebotssystem nicht vor Februar 2002, unter den Umständen des vorliegenden Falles für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eher unerheblich. Dies gilt auch für den Verzicht auf die Teilnahme an Zusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Ziel, da das Kartell mit Hilfe von Mechanismen funktionierte, die solche Zusammenkünfte überflüssig machten.

130    Folglich durfte die Kommission für die gesamte Dauer der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung einen einheitlichen Satz festsetzen und die im Laufe der Zeit eingetretene Entwicklung dieser Zuwiderhandlung als mildernden Umstand unberücksichtigt lassen.

 Zur angeblichen Genehmigung des Verhaltens

131    Drittens ist zu dem Argument, die Kommission habe die Schutzangebotspraxis genehmigt oder ermutigt, festzustellen, dass nach Ziff. 29 letzter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 „[d]er Grundbetrag der Geldbuße … verringert werden [kann], wenn die Kommission … [eine] Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften [feststellt]“.

132    Der Akte ist kein Beleg dafür zu entnehmen, dass die Kommission als Organ Schutzangebote genehmigt, angeregt oder angefordert hat. Tatsächlich hätte die Kommission gar kein Interesse daran gehabt, das Schutzangebotssystem anzuregen oder zu tolerieren, da es gegen ihre Interessen verstieß. Dass einige Bedienstete Schutzangebote für einen letztlich von der Kommission finanzierten Umzug angefordert haben mögen, bedeutet nicht, dass das Organ Kenntnis von dieser Praxis hatte oder daran teilnahm, denn es ist zwischen den Bediensteten der Kommission und der Kommission als Organ zu unterscheiden.

133    Selbst wenn ein Bediensteter eines Organs Schutzangebote angefordert hätte, hätte Team Relocations wissen müssen, dass solche Aufforderungen nicht im Namen und auf Betreiben der Organe ergehen konnten, da sie deren finanziellen Interessen offensichtlich widersprachen. Das Erfordernis, zwei oder drei Kostenvoranschläge vorzulegen, dient gerade dazu, ein Minimum an Wettbewerb sicherzustellen und zu verhindern, dass der Preis für einen Umzug von einem einzigen Umzugsunternehmen einseitig festgelegt werden konnte.

134    Zudem schlösse die Kenntnis des wettbewerbswidrigen Verhaltens allein nicht die stillschweigende „Genehmigung oder Ermutigung“ dieses Verhaltens durch die Kommission im Sinne der Ziff. 29 letzter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 ein. Ein mutmaßliches Unterlassen kann nämlich nicht mit einem positiven Tun wie einer Genehmigung oder Ermutigung gleichgesetzt werden.

135    Jedenfalls bezieht sich das Vorbringen von Team Relocations nur auf die Schutzangebote. Die Schutzangebotspraxis ist aber nur eine der Komponenten einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung. Die Provisionszahlungen können mit den vorgebrachten Argumenten keinesfalls gerechtfertigt werden.

136    Daher sind diese Argumente und damit der sechste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

7.     Zum siebten Klagegrund von Team Relocations und zum ersten Klagegrund der Amertranseuro-Gruppe: keine Zurechenbarkeit der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen an Amertranseuro

137    Mit ihrem siebten Klagegrund macht Team Relocations im Wesentlichen geltend, dass die Kommission für die Festsetzung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % zu Unrecht die Umsätze von Amertranseuro zugrunde gelegt habe, da diese von den wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen ihrer Tochtergesellschaft keine Kenntnis gehabt habe. Die Amertranseuro-Gruppe beruft sich allgemeiner darauf, dass ihr die von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen nicht zugerechnet werden könnten.

 Vorbringen der Parteien

138    Team Relocations ist der Auffassung, dass sie die einzige juristische Person sei, die als für das Verhalten einiger ihrer Beschäftigten verantwortlich angesehen werden könne. Doch übersteige die Geldbuße ihren Gesamtumsatz um mehr als 60 %. Weder Amertranseuro noch Trans Euro oder Team Relocations Ltd seien für diese Verhaltensweisen verantwortlich. Ihre Muttergesellschaften hätten zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von den gelegentlichen Vereinbarungen über Provisionen und Schutzangebote gehabt und hätten auch keinen Grund gehabt, ihre Existenz zu argwöhnen. Sollte das Gericht der Meinung sein, dass die Kommission einen Teil der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlung deren Muttergesellschaften habe zurechnen dürfen, sei es jedoch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar, die Obergrenze von 10 % mit Blick auf den konsolidierten Umsatz von Amertranseuro festzusetzen.

139    Die Amertranseuro-Gruppe macht erstens geltend, dass die Kommission die gesamtschuldnerische Haftung der Klägerinnen damit begründet habe, dass die drei Muttergesellschaften alle in einer Position gewesen seien, die es ihnen erlaubt habe, bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von Team Relocations zu nehmen. Der Gerichtshof und das Gericht hätten den Umfang der Möglichkeit, bestimmenden Einfluss auszuüben, häufig wesentlich enger gefasst als die Kommission im 394. Erwägungsgrund der Entscheidung.

140    Zweitens führe ein zu enger Begriff der Möglichkeit der Muttergesellschaften, bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften auszuüben, zu einer nahezu unwiderleglichen Haftungsvermutung. Ihre Haftung werde in Wirklichkeit zu einer verschuldensunabhängigen Haftung (strict liability). Nur einfache Finanzinvestoren, die kein Interesse daran hätten, das strategische Verhalten der Gesellschaften zu bestimmen, in die sie investiert hätten, entgingen dieser Haftung.

141    Drittens sei Team Relocations bei der Führung des Unternehmens vollkommen selbständig gewesen, und keine der drei Muttergesellschaften habe Kenntnis von den fraglichen Verhaltensweisen gehabt. Sie hätten also ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt.

142    Viertens wirft die Amertranseuro-Gruppe der Kommission vor, in Bezug auf die Haftung der Muttergesellschaften im vorliegenden Fall einen „asymmetrischen“ Ansatz verfolgt zu haben. Für die Zeit vor dem 8. September 2000 habe sie zwei zwischengeschaltete Muttergesellschaften von Team Relocations (Team Relocations Ltd und Trans Euro), aber nicht Herrn E., den letzten Eigentümer an der Spitze dieser Gruppe, haftbar gemacht. Für die Zeit ab dem 8. September 2000 habe die Kommission hingegen nicht nur die Haftung dieser beiden zwischengeschalteten Muttergesellschaften, sondern auch die Haftung von Amertranseuro, der neuen Eigentümerin von Trans Euro, angenommen. Da Amertranseuro das gesamte Kapital der beiden zwischengeschalteten Muttergesellschaften halte, bedeute dies, dass ihre Anteilseigner de facto für die gesamte Zuwiderhandlung hafteten.

143    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

144    Mit diesem Klagegrund macht Team Relocations geltend, dass die Kommission gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 (erster Teil) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (zweiter Teil) verstoßen habe, indem sie ihr eine Geldbuße auferlegt habe, deren Betrag 10 % ihres Umsatzes übersteige. Da die Begründetheit des ersten Teils davon abhängt, ob die Umsätze von Amertranseuro für die Bestimmung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % berücksichtigt werden können, ist diese Rüge gemeinsam mit dem ersten Klagegrund der Amertranseuro-Gruppe zu prüfen, den diese darauf stützt, dass die von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen den Mitgliedern der Amertranseuro- Gruppe nicht zugerechnet werden könnten.

 Zur Zurechnung der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen an die Mitglieder der Amertranseuro-Gruppe

145    Nach dem Wettbewerbsrecht der Union stellen verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmen (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnrn. 132 und 133, und Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 290). Das wettbewerbswidrige Verhalten eines Unternehmens, das sein Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu einem anderen Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt hat, kann daher dem anderen Unternehmen zugerechnet werden (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 117).

146    Somit stellt sich die Frage, wann ein Unternehmen sein Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern im Wesentlichen den Weisungen seiner Muttergesellschaft folgt.

147    Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass zwei kumulative Voraussetzungen vorliegen müssen: Zum einen muss die Muttergesellschaft in der Lage sein, bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft zu nehmen, und zum anderen muss sie diesen Einfluss auch tatsächlich ausüben (Urteil Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 137).

148    Hinsichtlich der ersten Voraussetzung besteht kein Zweifel daran, dass eine Muttergesellschaft jedenfalls dann bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft nehmen kann, wenn sie – wie hier Amertranseuro – diese zu 100 % kontrolliert, sei es mittels einer direkten Beteiligung oder über ihre Beteiligungen an anderen Gesellschaften.

149    Was die Frage anbelangt, welche Anforderungen an den Nachweis der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft zu stellen sind, sind die Klägerinnen der Meinung, dass die Muttergesellschaft nur dann für eine Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werden könne, wenn sie über die hundertprozentige Beteiligung hinaus Kenntnis von den geahndeten Verhaltensweisen gehabt habe oder ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei.

150    Die Kommission stützt sich ihrerseits im 386. Erwägungsgrund der Entscheidung auf die Rechtsprechung, wonach in dem besonderen Fall, dass – wie hier – eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die ein wettbewerbswidriges Verhalten an den Tag gelegt hat, eine widerlegliche Vermutung besteht, dass eine solche Muttergesellschaft auch tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG-Telefunken/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 50, und vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925, Randnr. 29, und Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 961 und 984, und vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑112/05, Slg. 2007, II‑5049, Randnr. 62).

151    Diese Rechtsprechung ist vom Gerichtshof im Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (C‑97/08 P, Slg. 2008, I‑8237), bestätigt worden. Der Gerichtshof hat darin u. a. darauf hingewiesen, dass er zwar in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, neben der hundertprozentigen Kapitalbeteiligung an dem Tochterunternehmen weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des vom Mutterunternehmen auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren, angeführt hat, doch wurden diese Umstände nur erwähnt, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und nicht, um die Geltung der vorgenannten Vermutung von der Beibringung zusätzlicher Indizien für die tatsächliche Einflussnahme durch die Muttergesellschaft abhängig zu machen (Randnr. 62 des Urteils).

152    Im vorliegenden Fall ist es den Klägerinnen nicht gelungen, die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen, da ihr Vorbringen auf politischen Erwägungen und bloßen Behauptungen wie der angeblichen Selbständigkeit von Team Relocations bei der Führung des Unternehmens beruht. Jedenfalls ergibt sich aus den Erwägungsgründen 490 und 491 der Entscheidung, dass die Kommission, um Amertranseuro die Verantwortung für die Kartellbeteiligung von Team Relocations aufzuerlegen, nicht ausschließlich auf die unbestrittene hundertprozentige Beteiligung von Amertranseuro am Kapital von Team Relocations abgestellt hat, sondern auch auf weitere tatsächliche Gesichtspunkte, die den bestimmenden Einfluss von Amertranseuro auf die Geschäftspolitik von Team Relocations belegen sollten.

153    So fanden von 1994 bis September 2001 monatliche Zusammenkünfte statt zwischen dem Management von Team Relocations und den mit der operationellen und finanziellen Leitung der belgischen Tochtergesellschaft betrauten Vertretern von Trans Euro sowie mit dem damaligen Eigentümer der Trans-Euro-Gruppe, der die Gruppe mit Gesamtverantwortung für die belgische Tochtergesellschaft leitete. Vom 6. September 2001 bis September 2003 fanden auch zwischen Team Relocations und dem Vertreter von Amertranseuro, der die Gruppe mit Gesamtverantwortung für die belgische Tochtergesellschaft leitete, informelle Zusammenkünfte statt. Die Kommission hat außerdem festgestellt, dass Team Relocations mehrere Berichte, u. a. die jährlichen Betriebsergebnisse, vorzulegen hatte, und zwar der Team Relocations Ltd vom 1. Januar 1994 bis 7. September 2000 und Amertranseuro vom 8. September 2000 an, also während ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung.

154    Unter diesen Umständen durfte die Kommission die von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen Amertranseuro zurechnen, denn die Klägerinnen stellen eine wirtschaftliche Einheit und damit ein Unternehmen im Sinne des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts dar. Daher können die Umsätze von Amertranseuro für die Bestimmung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % berücksichtigt werden. Die gegen diese Berücksichtigung erhobenen Rügen sind somit zurückzuweisen.

 Zum Vorwurf des „asymmetrischen“ Ansatzes der Kommission

155    Die Amertranseuro-Gruppe wirft der Kommission vor, einen „asymmetrischen“ Ansatz verfolgt zu haben, indem sie Amertranseuro ab dem Zeitpunkt, zu dem sie die Trans-Euro-Gruppe erworben habe, also ab dem 8. September 2000, haftbar gemacht habe, während sie den vormaligen Eigentümer der Trans-Euro-Gruppe, Herrn E., für die Zeit vor dem 8. September 2000 nicht habe haften lassen.

156    Soweit die Amertranseuro-Gruppe geltend macht, die Kommission hätte auch Herrn E. für die Zuwiderhandlung bis zum 7. September 2000 haftbar machen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission dies zwar hätte tun können, die Tatsache, dass sie es nicht getan hat, von den Klägerinnen jedoch nicht als Beleg für die Rechtswidrigkeit der Entscheidung herangezogen werden kann. Aus der Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die Kommission über einen Wertungsspielraum verfügt, um die Haftung für eine Zuwiderhandlung zusätzlich zur unmittelbar an dem wettbewerbswidrigen Verhalten beteiligten Gesellschaft auf die Muttergesellschaft zu erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnrn. 331 und 332). Dieser Wertungsspielraum erstreckt sich auch darauf, dass sich die Kommission dafür entscheiden kann, die Entscheidung nur an die derzeitigen Muttergesellschaften des fraglichen Unternehmens zu richten und nicht an die ehemaligen Eigentümer der Gruppe.

157    Im Übrigen hat die Kommission die Haftung für die fragliche Zuwiderhandlung auch nicht auf die Zenic International Holdings Ltd erstreckt, die derzeitige oberste Muttergesellschaft der Klägerinnen. Daher kann die Entscheidung nicht als „asymmetrisch“ angesehen werden.

158    Diese Rüge ist deshalb zurückzuweisen.

 Zum Vorbringen bezüglich des zweiten Antrags der Amertranseuro‑Gruppe

159    In ihren Schlussfolgerungen und im Rahmen ihres ersten Klagegrundes scheint die Amertranseuro-Gruppe geltend zu machen, dass Amertranseuro, obwohl sie nur für einen Betrag von 1,3 Millionen Euro haftbar gemacht worden sei, der ihre Verantwortlichkeit für eine begrenzte Dauer, d. h. ab dem 8. September 2000, widerspiegele, in Wirklichkeit für den gesamten Geldbußenbetrag haftbar gemacht worden sei, da sie Eigentümerin und Aktionärin von Trans Euro und Team Relocations Ltd sei.

160    Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung in Frage zu stellen, da es nur einige der Konsequenzen beschreibt, die sich für Amertranseuro aus dieser ergeben sollen. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

 Zum Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

161    Zum zweiten Teil des Klagegrundes von Team Relocations genügt der Verweis auf die Erwägungen in der vorstehenden Randnr. 94, wonach der zugrunde gelegte Satz von 17 % nicht außer Verhältnis zu der tatsächlichen Verantwortlichkeit von Team Relocations für die Zuwiderhandlung steht. Dass der Betrag der Team Relocations auferlegten Geldbuße 10 % ihres Umsatzes übersteigt, ist unerheblich, da dieser Betrag deutlich unter der Grenze von 10 % der Umsätze der Amertranseuro-Gruppe bleibt.

162    Nach alledem sind der siebte Klagegrund von Team Relocations und der erste Klagegrund der Amertranseuro-Gruppe zurückzuweisen.

8.     Zum achten Klagegrund von Team Relocations und zum zweiten Klagegrund der Amertranseuro-Gruppe: fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerinnen und Ermessensmissbrauch

 Vorbringen der Parteien

163    Team Relocations trägt vor, dass sich aus ihren vorläufigen Jahresrechnungen für das am 30. September 2007 abgeschlossene Wirtschaftsjahr ergebe, dass der Betrag ihres Eigenkapitals unabhängig von einer eventuell an die Kommission zu zahlenden Geldbuße negativ sei, dass es in diesem Wirtschaftsjahr zu einem Verlust von 363 432 Euro gekommen sei und ihre Brutto-Selbstfinanzierungsquote negativ gewesen sei. Die Aktiva der Gesellschaft seien vollständig verpfändet gewesen. Sie sei nicht in der Lage, eine zusätzliche Finanzierung zu gewährleisten und daher außerstande, die von der Kommission gegen sie verhängte Geldbuße zu begleichen.

164    Nach Ansicht von Team Relocations wusste die Kommission von ihrer prekären finanziellen Lage, so dass die Kommission ihr Ermessen missbraucht habe, indem sie eine Geldbuße in einer Höhe verhängt habe, die Team Relocations offensichtlich nicht habe begleichen können und die ihren Rückzug vom Markt zur Folge hätte. Außerdem habe die Kommission den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. In diesem Zusammenhang beantragt Team Relocations, die Geldbuße um einen Betrag zu ermäßigen, der auf denselben Grundsätzen beruhe, wie sie die Kommission bei Interdean angewandt habe, und der Kommission nach den Art. 58 und 65 der Verfahrensordnung aufzugeben, die Faktoren offenzulegen, die sie für die Ermäßigung der Geldbuße von Interdean um 70 % herangezogen habe.

165    Die Amertranseuro-Gruppe macht geltend, dass die gegen Team Relocations verhängte Geldbuße – die zwei Dritteln ihres 2006 erzielten Jahresumsatzes entspreche und der in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen absoluten Obergrenze von 10 % nahekomme – vollkommen unverhältnismäßig sei. Nach dem konsolidierten Jahresabschluss von Amertranseuro vom 30. September 2006 hätten sich die gesamten Schulden der Gruppe auf 35 Millionen Pfund Sterling (GBP) belaufen. Amertranseuro habe überdies einen Verlust bei der normalen Geschäftstätigkeit nach Abzug der Steuern erlitten, ihr Nettosachvermögen sei negativ und ihre gesamten Aktiva seien vollständig verpfändet. Folglich sei die Gruppe nicht in der Lage, die Geldbuße von 3,49 Millionen Euro zu zahlen oder eine Bankbürgschaft zu erhalten, um diese Zahlung später vorzunehmen.

166    In der Erwiderung fügt die Amertranseuro-Gruppe hinzu, dass die Kommission, was das Erfordernis eines Antrags für die Anwendung der Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 angeht, zu dem in den Leitlinien von 1998 verwendeten Ansatz zurückkehren und die Zahlungsunfähigkeit von Amts wegen als einen Grund für die Ermäßigung der Geldbuße berücksichtigen müsse, wie sie dies in der Vergangenheit getan habe. Zudem habe sich die finanzielle Lage der Gruppe im Laufe des am 30. September 2007 abgeschlossenen Wirtschaftsjahrs noch weiter verschlechtert.

167    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

168    Mit ihrem letzten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe, indem sie ihnen eine Geldbuße auferlegt habe, die ihre Leistungsfähigkeit übersteige, ihr Ermessen missbraucht, gegen Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 verstoßen und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

169    Zum Vorwurf des Ermessensmissbrauchs ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtshandlung nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

170    Die Klägerinnen machen im vorliegenden Fall aber nicht geltend, die Kommission habe gegen sie eine Geldbuße zu anderen als den angegebenen Zwecken, d. h. zur Durchsetzung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts, oder mit dem Ziel verhängt, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht. Daher weist die Entscheidung keinen Ermessensmissbrauch auf.

171    Zur Ermäßigung der Geldbuße nach Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 ist festzustellen, dass eine solche Ermäßigung unter drei kumulativen Voraussetzungen in Betracht kommt:

–        Antragstellung im Verwaltungsverfahren;

–        besonderes soziales und ökonomisches Umfeld;

–        fehlende Leistungsfähigkeit des Unternehmens, wobei dieses eindeutig nachweisen muss, dass die Verhängung einer Geldbuße seine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit unwiderruflich gefährden und seine Aktiva jeglichen Wertes berauben würde.

172    Mindestens zwei dieser drei kumulativen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Erstens haben die Klägerinnen im Gegensatz zu anderen betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren keinen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße wegen fehlender Leistungsfähigkeit gestellt, obwohl die Leitlinien von 2006 einen solchen Antrag vorschreiben. In diesem Zusammenhang ist das Argument, die Kommission habe nach den Leitlinien von 1998 die Zahlungsunfähigkeit von Amts wegen als einen Grund für die Ermäßigung der Geldbuße berücksichtigen können, unbeachtlich, da es nicht geeignet ist, die Behauptung eines Verstoßes gegen die Leitlinien von 2006 zu stützen. Sofern mit diesem Argument geltend gemacht werden soll, dass die Kommission unabhängig von Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 verpflichtet sei, die Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen von Amts wegen zu prüfen, ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsprechung eine solche Pflicht nicht zu entnehmen ist.

173    Mit Schreiben an die Kanzlei vom 6. August 2010 hat Team Relocations die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung mit der Begründung beantragt, die Kommission habe ihre Praxis bezüglich der Notwendigkeit der Antragstellung im Verwaltungsverfahren nach Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 geändert. Dieser Antrag ist mit Entscheidung vom 23. September 2010 zurückgewiesen worden, da in den von Team Relocations angeführten Rechtssachen entgegen deren Auffassung die Anträge im Verwaltungsverfahren gestellt worden waren. Zwar ergibt sich aus einem Presseartikel, dass die Kommission „eine formelle Änderung ihrer Leitlinien in Betracht zieht“, um nach Erlass der Entscheidung eingetretene Entwicklungen berücksichtigen zu können, doch ist diese Änderung noch nicht erfolgt. Jedenfalls könnte eine Änderung der Auslegung der Leitlinien von 2006 eine vor dieser Änderung ergangene Entscheidung nicht rechtswidrig machen.

174    Zweitens sind die Klägerinnen der Feststellung der Kommission im 651. Erwägungsgrund der Entscheidung, dass es im vorliegenden Fall an einem „[besonderen] sozialen und ökonomischen Umfeld“ im Sinne der Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 fehle, nicht entgegengetreten.

175    Unter diesen Umständen war die Kommission, ohne dass geprüft werden müsste, ob die dritte Voraussetzung, also die geltend gemachte fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerinnen, im vorliegenden Fall erfüllt ist, zu Recht der Auffassung, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 nicht erfüllt waren.

176    Zur Rüge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz genügt die Feststellung, dass die Klägerinnen im Gegensatz zu Interdean die Frage nach ihrer Leistungsfähigkeit im Stadium des Verwaltungsverfahrens nicht aufgeworfen und keinen Antrag auf Ermäßigung ihrer Geldbußen aus diesem Grund gestellt haben. Daher ist ihre Situation nicht mit der Situation von Interdean vergleichbar. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Stellung eines Antrags auf Ermäßigung der Geldbuße kein bloßes Formerfordernis ist, sondern ein Erfordernis, ohne das keine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Situation erfolgen kann, da die Kommission dann nicht über die relevanten Informationen wie z. B. interne Daten des betreffenden Unternehmens verfügt, die eine Beurteilung seiner wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit ermöglichen.

177    Daher sind der letzte Klagegrund der Klägerinnen und der Antrag von Team Relocations, der Kommission aufzugeben, die Faktoren offenzulegen, die sie für die Ermäßigung der Geldbuße von Interdean um 70 % herangezogen hat, zurückzuweisen.

178    Da alle Klagegründe zurückgewiesen worden sind, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

179    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klagen werden abgewiesen.

2.      Die Team Relocations NV, die Amertranseuro International Holdings Ltd, die Trans Euro Ltd und die Team Relocations Ltd tragen die Kosten.

Papasavvas

Wahl

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juni 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

1.  Gegenstand des Rechtsstreits

2.  Klägerinnen

3.  Verwaltungsverfahren

4.  Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zum ersten Klagegrund: Team Relocations habe nicht an der in der Entscheidung beschriebenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

Zur Einordnung des fraglichen rechtswidrigen Verhaltens

–  Zum Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird

–  Zum vorsätzlichen Beitrag von Team Relocations zum Gesamtplan

–  Zur Kenntnis von Team Relocations vom rechtswidrigen Verhalten

2.  Zum zweiten Klagegrund: Berechnung des Umsatzes von Team Relocations

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum relevanten Umsatz

Zu den Umzügen, die von Privatpersonen finanziert wurden

3.  Zum dritten Klagegrund: Zugrundelegung eines Satzes von 17 % des Umsatzes von Team Relocations für die Festsetzung des Grundbetrags ihrer Geldbuße

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Pflicht, den Grundbetrag der Geldbuße entsprechend der individuellen Rolle von Team Relocations zu bestimmen

Zum Vorwurf des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Zum Vorwurf des Begründungsmangels

4.  Zum vierten Klagegrund: fehlende Grundlage für die Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

5.  Zum fünften Klagegrund: fehlende Grundlage für die Erhebung eines Zusatzbetrags

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

6.  Zum sechsten Klagegrund: Vorliegen mildernder Umstände

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Beteiligung am Zustandekommen wettbewerbswidriger Absprachen

Angeblich begrenzte Beteiligung von Team Relocations an der Zuwiderhandlung

Zur angeblichen Genehmigung des Verhaltens

7.  Zum siebten Klagegrund von Team Relocations und zum ersten Klagegrund der Amertranseuro-Gruppe: keine Zurechenbarkeit der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen an Amertranseuro

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Zurechnung der von Team Relocations begangenen Zuwiderhandlungen an die Mitglieder der Amertranseuro-Gruppe

Zum Vorwurf des „asymmetrischen“ Ansatzes der Kommission

Zum Vorbringen bezüglich des zweiten Antrags der Amertranseuro‑Gruppe

Zum Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

8.  Zum achten Klagegrund von Team Relocations und zum zweiten Klagegrund der Amertranseuro-Gruppe: fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerinnen und Ermessensmissbrauch

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.