Language of document : ECLI:EU:T:2011:357

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

13. Juli 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Butadienkautschuk und Emulsionsstyrol-Butadienkautschuk – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Erschwerende Umstände“

In der Rechtssache T‑42/07

The Dow Chemical Company mit Sitz in Midland, Michigan (Vereinigte Staaten),

Dow Deutschland Inc. mit Sitz in Schwalbach (Deutschland),

Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH mit Sitz in Schwalbach,

Dow Europe GmbH mit Sitz in Horgen (Schweiz),

Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte D. Schroeder, P. Matthey und T. Graf, dann Schroeder und Graf,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch M. Kellerbauer, V. Bottka und J. Samnadda, dann durch M. Kellerbauer, V. Bottka und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 5700 endg. der Kommission vom 29. November 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.638 – Butadienkautschuk und Emulsionsstyrol-Butadienkautschuk), soweit The Dow Chemical Company betroffen ist, oder wegen Nichtigerklärung von Art. 1 dieser Entscheidung, soweit die Dow Deutschland Inc. betroffen ist, oder Herabsetzung der gegen sämtliche Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters F. Dehousse (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters N. Wahl,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2009

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit der Entscheidung K(2006) 5700 endg. vom 29. November 2006 (Sache COMP/F/38.638 – Butadienkautschuk und Emulsionsstyrol-Butadienkautschuk) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass mehrere Unternehmen durch ihre Beteiligung an einem Kartell auf dem Markt für die genannten Produkte gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten.

2        Die angefochtene Entscheidung ist an folgende Unternehmen gerichtet:

–        Bayer AG mit Sitz in Leverkusen (Deutschland);

–        The Dow Chemical Company mit Sitz in Midland, Michigan (Vereinigte Staaten) (im Folgenden: Dow Chemical);

–        Dow Deutschland Inc. mit Sitz in Schwalbach (Deutschland);

–        Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH (vormals Dow Deutschland GmbH & Co. OHG) mit Sitz in Schwalbach;

–        Dow Europe mit Sitz in Horgen (Schweiz);

–        Eni SpA mit Sitz in Rom (Italien);

–        Polimeri Europa SpA mit Sitz in Brindisi (Italien) (im Folgenden: Polimeri);

–        Shell Petroleum NV mit Sitz in Den Haag (Niederlande);

–        Shell Nederland BV mit Sitz in Den Haag;

–        Shell Nederland Chemie BV mit Sitz in Rotterdam (Niederlande);

–        Unipetrol a.s. mit Sitz in Prag (Tschechische Republik);

–        Kaučuk a.s. mit Sitz in Kralupy nad Vltavou (Tschechische Republik);

–        Trade-Stomil sp. z o.o. mit Sitz in Łódź (Polen) (im Folgenden: Stomil).

3        Dow Deutschland, Dow Deutschland Anlagengesellschaft und Dow Europe stehen unmittelbar oder mittelbar vollständig unter der Kontrolle von Dow Chemical (Erwägungsgründe 16 bis 21 der angefochtenen Entscheidung).

4        Der Eni-Geschäftsbereich für die fraglichen Produkte wurde ursprünglich von der EniChem Elastomeri Srl geführt, die von Eni mittelbar durch ihre Tochtergesellschaft EniChem SpA (im Folgenden: EniChem SpA) kontrolliert wurde. Zum 1. November 1997 wurde EniChem Elastomeri in EniChem SpA eingegliedert. Diese wurde zu 99,97 % von Eni kontrolliert. Am 1. Januar 2002 übertrug EniChem SpA ihren strategischen Geschäftsbereich Chemie (einschließlich Butadienkautschuk und Emulsionsstyrol-Butadienkautschuk) auf ihr 100%iges Tochterunternehmen Polimeri. Diese steht seit dem 21. Oktober 2002 unmittelbar vollständig unter der Kontrolle von Eni. Mit Wirkung vom 1. Mai 2003 firmierte EniChem SpA um in Syndial SpA (Erwägungsgründe 26 bis 32 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission verwendet in der angefochtenen Entscheidung die Bezeichnung „EniChem“ für alle im Besitz von Eni stehenden Unternehmen (im Folgenden: EniChem) (36. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5        Shell Nederland Chemie ist eine Tochtergesellschaft von Shell Nederland, die wiederum vollständig unter der Kontrolle von Shell Petroleum steht (im Folgenden zusammen: Shell) (Erwägungsgründe 38 bis 40 der angefochtenen Entscheidung).

6        Die 1997 gegründete Kaučuk ging aus dem Zusammenschluss der Kaučuk Group a.s. und der Chemopetrol Group a.s. hervor. Am 21. Juli 1997 erwarb Unipetrol alle Vermögenswerte, Rechte und Pflichten der zusammengeschlossenen Unternehmen. Unipetrol hält 100 % der Anteile an Kaučuk (Erwägungsgründe 45 und 46 der angefochtenen Entscheidung). Im Übrigen wurde Kaučuk (wie auch ihre Rechtsvorgängerin Kaučuk Group) laut der angefochtenen Entscheidung in Exportangelegenheiten von 1991 bis zum 28. Februar 2003 von der in der Tschechischen Republik niedergelassenen Tavorex s.r.o. (im Folgenden: Tavorex) vertreten. Tavorex habe Kaučuk ab 1996 in allen einschlägigen Sitzungen der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk vertreten (49. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7        Stomil vertrat laut der angefochtenen Entscheidung rund 30 Jahre lang und jedenfalls bis 2001 den polnischen Hersteller Chemical Company Dwory S.A. (im Folgenden: Dwory) in seinen Ausfuhrgeschäften. Stomil habe Dwory von 1997 bis 2000 in den Sitzungen der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk vertreten (51. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

8        Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung wurden folgende Zeiträume berücksichtigt: 20. Mai 1996 bis 28. November 2002 (für Bayer, Eni und Polimeri), 20. Mai 1996 bis 31. Mai 1999 (für Shell Petroleum, Shell Nederland und Shell Nederland Chemie), 1. Juli 1996 bis 28. November 2002 (für Dow Chemical), 1. Juli 1996 bis 27. November 2001 (für Dow Deutschland), 16. November 1999 bis 28. November 2002 (für Unipetrol und Kaučuk), 16. November 1999 bis 22. Februar 2000 (für Stomil), 22. Februar 2001 bis 28. Februar 2002 (für Dow Deutschland Anlagengesellschaft) und 26. November 2001 bis 28. November 2002 (für Dow Europe) (Erwägungsgründe 476 bis 485 und Art. 1 der Einleitung der angefochtenen Entscheidung).

9        Butadienkautschuk (im Folgenden: BR) und Emulsionsstyrol-Butadienkautschuk (im Folgenden: ESBR) sind synthetische Kautschuke, die vor allem in der Reifenproduktion verwendet werden. Sie sind untereinander und auch mit anderen synthetischen Kautschuken sowie mit Naturkautschuk austauschbar (Erwägungsgründe 3 bis 6 der angefochtenen Entscheidung).

10      Neben den Adressaten der angefochtenen Entscheidung verkauften weitere Anbieter aus Asien und Osteuropa begrenzte Mengen von BR und ESBR im Gebiet des EWR. Außerdem stellen die wichtigsten Reifenhersteller große Mengen von BR selbst her (54. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

11      Am 20. Dezember 2002 wandte sich Bayer mit dem Wunsch an die Kommission, mit ihr gemäß ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) in Bezug auf BR und ESBR zusammenzuarbeiten. In Bezug auf ESBR gab Bayer eine mündliche Erklärung ab, in der die Tätigkeit des Kartells beschrieben ist. Diese Erklärung wurde auf Band aufgezeichnet (67. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

12      Am 14. Januar 2003 gab Bayer eine mündliche Erklärung über die Kartelltätigkeit in Bezug auf BR ab. Diese mündliche Erklärung wurde auf Band aufgezeichnet. Bayer übergab auch eine Reihe von Protokollen von Sitzungen des Ausschusses für BR der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk (68. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

13      Am 5. Februar 2003 teilte die Kommission Bayer ihren Beschluss mit, ihr einen bedingten Erlass der Geldbuße zu gewähren (69. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

14      Am 27. März 2003 führte die Kommission eine Nachprüfung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), auf dem Gelände von Dow Deutschland & Co. durch (70. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

15      In der Zeit von September 2003 bis Juli 2006 richtete die Kommission an die Adressaten der angefochtenen Entscheidung mehrere Auskunftsverlangen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 und Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) (71. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16      Am 16. Oktober 2003 besuchten Vertreter von Dow Deutschland und Dow Deutschland & Co. die Kommission und schlugen eine Zusammenarbeit gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit vor. Dabei gaben sie eine mündliche Erklärung über die Kartelltätigkeit in Bezug sowohl auf BR als auch ESBR ab. Diese Erklärung wurde aufgezeichnet. Außerdem übergaben sie der Kommission eine Akte mit Unterlagen zu dem Kartell (72. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17      Am 4. März 2005 teilte die Kommission Dow Deutschland mit, dass sie die Absicht habe, ihr eine Ermäßigung der Geldbuße von 30 % bis 50 % zu gewähren (73. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

18      Am 7. Juni 2005 eröffnete die Kommission das Verfahren und richtete eine erste Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Adressaten der angefochtenen Entscheidung – mit Ausnahme von Unipetrol – sowie an Dwory. Die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte war auch an Tavorex gerichtet, wurde dem Unternehmen jedoch aufgrund seiner Liquidation im Oktober 2004 nicht übermittelt. Das Verfahren gegen Tavorex wurde daher eingestellt (Erwägungsgründe 49 und 74 der angefochtenen Entscheidung).

19      Die betroffenen Unternehmen nahmen zu dieser ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte schriftlich Stellung (75. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Ihnen wurde Einsicht in die Ermittlungsakte in Form einer CD-ROM gewährt, und sie erhielten in den Räumlichkeiten der Kommission Zugang zu den mündlichen Erklärungen und den damit verbundenen Schriftstücken (76. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

20      Am 3. November 2005 beantragte die Manufacture Française des Pneumatiques Michelin (im Folgenden: Michelin), als Intervenientin zugelassen zu werden. Ihre schriftlichen Ausführungen gingen am 13. Januar 2006 ein (78. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

21      Am 6. April 2006 richtete die Kommission an die Adressaten der angefochtenen Entscheidung eine zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die betroffenen Unternehmen nahmen zu dieser schriftlich Stellung (84. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

22      Am 12. Mai 2006 reichte Michelin bei der Kommission eine Beschwerde gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18) ein (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

23      Am 22. Juni 2006 fand vor der Kommission eine mündliche Anhörung statt, an der alle Adressaten der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte – mit Ausnahme von Stomil – sowie Michelin teilnahmen (86. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

24      Mangels Beweisen für eine Mitwirkung von Dwory an der Zuwiderhandlung beschloss die Kommission, das Verfahren gegen dieses Unternehmen einzustellen (88. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Außerdem beschloss die Kommission, das Verfahren gegen Syndial einzustellen (89. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

25      Zudem legte die Kommission, nachdem sie zunächst zwei getrennte Akten (COMP/E-1/38.637 für BR und COMP/E-1/38.638 für ESBR) angelegt hatte, nach der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte die beiden Sachen zu einer einzigen Sache zusammen (COMP/F/38.638) (Erwägungsgründe 90 f. der angefochtenen Entscheidung).

26      Das Verwaltungsverfahren führte am 29. November 2006 zum Erlass der angefochtenen Entscheidung durch die Kommission.

27      Nach Art. 1 der angefochtenen Entscheidung haben folgende Unternehmen gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie während der genannten Zeiträume an einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt waren, in deren Rahmen sie Preisziele für ihre Produkte festlegten, Kunden durch Nichtangriffsvereinbarungen aufteilten und sensible Geschäftsinformationen über Preise, Wettbewerber und Kunden im BR- und im ESBR-Sektor austauschten:

a)      Bayer vom 20. Mai 1996 bis zum 28. November 2002;

b)      Dow Chemical vom 1. Juli 1996 bis 28. November 2002; Dow Deutschland vom 1. Juli 1996 bis 27. November 2001; Dow Deutschland Anlagengesellschaft vom 22. Februar 2001 bis 28. Februar 2002; Dow Europe vom 26. November 2001 bis 28. November 2002;

c)      Eni vom 20. Mai 1996 bis 28. November 2002; Polimeri vom 20. Mai 1996 bis zum 28. November 2002;

d)      Shell Petroleum vom 20. Mai 1996 bis 31. Mai 1999; Shell Nederland vom 20. Mai 1996 bis 31. Mai 1999; Shell Nederland Chemie vom 20. Mai 1996 bis 31. Mai 1999;

e)      Unipetrol vom 16. November 1999 bis 28. November 2002; Kaučuk vom 16. November 1999 bis 28. November 2002;

f)      Stomil vom 16. November 1999 bis zum 22. Februar 2000.

28      Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung in der angefochtenen Entscheidung setzte die Kommission gegen die betroffenen Unternehmen Geldbußen fest, die anhand der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), sowie der in der Mitteilung über Zusammenarbeit beschriebenen Methode berechnet wurden.

29      In Art. 2 der angefochtenen Entscheidung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)      Bayer: 0 Euro;

b)      Dow Chemical: 64,575 Mio. Euro, wobei

i)       Dow Deutschland gesamtschuldnerisch für 60,27 Mio. Euro haftet;

ii)      Dow Deutschland Anlagengesellschaft und Dow Europe jeweils für 47,355 Mio. Euro gesamtschuldnerisch haften.

c)      Eni und Polimeri: gesamtschuldnerisch 272,25 Mio. Euro;

d)      Shell Petroleum, Shell Nederland und Shell Nederland Chemie: gesamtschuldnerisch 160,875 Mio. Euro;

e)       Unipetrol und Kaučuk: gesamtschuldnerisch 17,55 Mio. Euro;

f)       Stomil: 3,8 Mio. Euro.

30      In Art. 3 der angefochtenen Entscheidung wird den in Art. 1 aufgeführten Unternehmen aufgegeben, die dort genannten Zuwiderhandlungen unverzüglich einzustellen, soweit dies nicht bereits geschehen ist, und künftig von der Wiederholung der in Art. 1 genannten Handlungen oder Verhaltensweisen sowie von allen Handlungen oder Verhaltensweisen abzusehen, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben.

 Verfahren und Anträge der Parteien

31      Mit Klageschrift, die am 16. Februar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben Dow Chemical, Dow Deutschland, Dow Deutschland Anlagengesellschaft und Dow Europe (im Folgenden zusammen: Dow) die vorliegende Klage erhoben.

32      Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. April 2009 ist Richter N. Wahl zur Vervollständigung der Kammer nach der Verhinderung eines ihrer Mitglieder bestimmt worden.

33      Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

34      Die Parteien haben in der Sitzung vom 13. Oktober 2009 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

35      Dow Chemical beantragt, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit diese an sie gerichtet ist.

36      Dow Deutschland beantragt, Art. 1 der angefochtenen Entscheidung insofern für nichtig zu erklären, als dass darin eine Verletzung von Art. 81 EG und Art. 53 des EWG-Abkommens durch Dow Deutschland ab dem 1. Juli 1996 festgestellt wird.

37      Alle Klägerinnen (und Dow Chemical hilfsweise) beantragen, den gegen sie verhängten Betrag der Geldbuße deutlich herabzusetzen.

38      Alle Klägerinnen beantragen,

–        der Kommission ihre sämtlichen mit dem vorliegenden Verfahren verbundenen Kosten sowie die Kosten aufzuerlegen, die ihnen für die Bereitstellung einer Bankbürgschaft zur Deckung der durch die angefochtene Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Sache entstanden sind;

–        jede von dem Gericht für sachdienlich gehaltene andere Maßnahme zu ergreifen.

39      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

40      Dow stützt ihre Anträge auf drei Klagegründe. Mit ihrem ersten Klagegrund widerspricht Dow der Zurechnung der Zuwiderhandlung an Dow Chemical durch die Kommission. Mit ihrem zweiten Klagegrund macht Dow geltend, die Kommission habe die Dauer der Teilnahme von Dow Deutschland an der Zuwiderhandlung falsch bestimmt. Mit ihrem dritten Klagegrund macht Dow geltend, die Kommission habe bei der Festlegung der Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße mehrere Fehler begangen.

A –  Zum Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

1.     Zum ersten Klagegrund: rechtswidrige Zurechnung der Zuwiderhandlung an Dow Chemical

41      Der erste Klagegrund von Dow besteht aus drei Teilen. Im Rahmen des ersten Teils meint Dow, die Kommission habe ein falsches Kriterium zur Bewertung der Verantwortlichkeit einer Muttergesellschaft angewandt. Im Rahmen des zweiten Teils macht Dow geltend, Dow Chemical habe auf jeden Fall die gegen sie gerichtete Vermutung widerlegt. Im Rahmen des dritten Teils trägt Dow vor, die Kommission habe einen Fehler begangen, indem sie ihr Ermessen für die Feststellung, ob die angefochtene Entscheidung an Dow Chemical zu richten war, nicht ausgeübt habe und indem sie ihre Entscheidung, die Muttergesellschaft vorliegend verantwortlich zu machen, nicht begründet habe.

a)     Zum ersten Teil: Anwendung eines falschen Kriteriums für die Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft

42      Während der mündlichen Verhandlung hat Dow erklärt, sie nehme angesichts des Urteils des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (C‑97/08 P, Slg. 2009, I‑8237), den ersten Teil ihres ersten Klagegrundes zurück, was zu Protokoll genommen worden ist.

43      Daher ist über den ersten Teil des ersten Klagegrundes von Dow nicht zu entscheiden.

b)     Zum zweiten Teil: Widerlegung der gegen sie gerichteten Vermutung durch Dow Chemical

 Vorbringen der Parteien

44      Dow behauptet, eine etwa bestehende Vermutung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf eine 100%ige Tochtergesellschaft sei vorliegend durch Dow Chemical widerlegt worden. Eine Muttergesellschaft könne die gegen sie gerichtete Vermutung durch den Beweis widerlegen, dass sie keinen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt habe. Sie müsse nicht beweisen, dass sie nicht mehr in der Lage sei, einen bestimmenden Einfluss auf diese auszuüben. Das entscheidende Kriterium sei, ob die Tochtergesellschaft im Hinblick auf ihre „Geschäftspolitik“ „im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt“ (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925). Der Ausdruck „im Wesentlichen“ beinhalte die Frage, ob die Tochtergesellschaft das Wettbewerbsrecht einhalte oder es mit dem Ziel verletze, höhere Preise als die zu erzielen, die sie normalerweise auf dem Markt hätte erzielen können. Die Kommission habe diesen Ansatz in zwei von Dow erwähnten Verfahren angewandt. Die Verantwortlichkeit für einen Kartellverstoß sei nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben (Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003). Die Muttergesellschaft verstoße daher nur dann gegen Art. 81 EG, wenn sie zumindest fahrlässig in Bezug auf die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft gehandelt habe.

45      Hier nehme die Kommission fälschlich und ohne einen Beweis an, dass die Berichtslinien zwischen Dow Chemical und ihren Tochtergesellschaften die Aktivitäten des Kartells umfasst hätten und Dow Chemical über diese informiert gewesen sei.

46      Erstens habe die Kommission die Tatsache nicht berücksichtigt, dass Dow Deutschland, Dow Deutschland Anlagengesellschaft und Dow Europe, wie in den Antworten von Dow auf die Mitteilungen der Beschwerdepunkte angegeben, eigenständig gehandelt hätten. Hierzu unterstreicht Dow, dass nur einige wenige Mitarbeiter dieser Gesellschaften auf niedriger Hierarchiestufe an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien. Der einzige Mitarbeiter in einer höheren Position, der von den Aktivitäten des Kartells Kenntnis gehabt haben könnte, sei der damalige Geschäftsleiter von Dow Deutschland für synthetische Elastomere gewesen. Dieser habe eine Kenntnis von der vorliegenden Zuwiderhandlung jedoch immer bestritten, und es gebe keine gegenteiligen Beweise. Zudem meint Dow unter Verweis auf die Situation der vorliegend betroffenen Mitarbeiter, dass das Kartell und sein schwacher Organisationsgrad zum Zeitpunkt der Beteiligung von Dow Deutschland bereits bestanden hätten. Es habe keine Entscheidung gegeben, Maßnahmen einzuleiten oder Strukturen zu errichten, die zu der Beteiligung von Dow Chemical hätten führen können.

47      Dow Chemical habe nicht automatisch über mögliche wettbewerbswidrige Handlungen informiert werden können, als Dow Deutschland am 1. Juli 1996 als Lieferant von Buna Sow Leuna Olefinverbund GmbH (im Folgenden: BSL) in den betreffenden Markt eingetreten sei. Die betreffende Branche habe einen neuen Tätigkeitsbereich von Dow dargestellt, den diese nicht in die bestehenden Organisationsstrukturen integriert habe. Dow verweist insbesondere darauf, dass BSL bis zum 1. September 1999, als Dow eine 80%ige Kapitalbeteiligung an BSL und die Kontrolle übernommen habe, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) gewesen sei. Zudem sei es nicht sicher gewesen, dass BSL weiterhin BR und ESBR herstellen würde. Im Übrigen sei Dow erst mit dem Erwerb der Sparte „synthetischer Kautschuk“ von Shell am 1. Juni 1999 vollständig zum Hersteller von BR und ESBR geworden.

48      Die Tatsache, dass Dow Chemical nicht über die Preisverhandlungen informiert worden sei, hänge mit der Organisationsstruktur des Konzerns zusammen. Die Leitung der Sparte „synthetische Elastomere“ habe bei Dow Deutschland und Dow Deutschland & Co. (heute, wie oben in Randnr. 2 angeführt, Dow Deutschland Anlagengesellschaft) gelegen. Dieser Bereich sei in keine der bestehenden Organisationsstrukturen integriert worden, sondern ein unabhängiger Bereich geblieben. Der damalige Geschäftsleiter von Dow Deutschland sei Mitarbeitern von Dow Chemical unterstellt worden, die mangels Erfahrung im Bereich synthetischer Kautschuk in die Vertriebsentscheidungen dieses Leiters nicht eingegriffen hätten. Daher seien die industriellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Dow Chemical und ihren Tochtergesellschaften in der betroffenen Sparte nicht so eng gewesen, wie die Kommission dies im 357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung behaupte. Die Tatsache, dass der damalige Geschäftsleiter von Dow Deutschland von Dow Chemical abhängig gewesen sei, bedeute nicht, dass diese tatsächlich Kenntnis von dem Kartell gehabt habe oder fahrlässig gehandelt habe, indem sie das Kartell nicht entdeckt habe.

49      Dow Chemical sei nicht in der Lage gewesen, die Beteiligung der anderen Gesellschaften des Konzerns an der Zuwiderhandlung zu beenden, weil sie davon keine Kenntnis gehabt habe. Hierin liege ein entscheidender Unterschied zwischen dem vorliegenden Fall und dem dem Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission (T‑354/94, Slg. 1998, II‑2111), zugrunde liegenden Fall. Im Gegenteil würden alle für den Vertrieb verantwortlichen Mitarbeiter von Dow regelmäßig im Wettbewerbsrecht geschult. Zudem seien alle betroffenen Mitarbeiter an die Einhaltung des firmeninternen Verhaltenskodex von Dow Chemical gebunden gewesen, der 1999 insbesondere Vorschriften zur „Einhaltung des Wettbewerbsrechts“ enthalten habe, die Dow zitiert. Wenn sich die betroffenen Mitarbeiter an einen Juristen von Dow gewandt hätten, hätte dieser alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die illegalen Aktivitäten umgehend zu beenden.

50      Zweitens behaupte die Kommission, dass ein „Abhängigkeitsverhältnis“ zwischen Dow Chemical und ihren Tochtergesellschaften vorliege, und vermute, dass dieses Verhältnis „alle materiellen Aspekte des BR/ESBR-Geschäftsbereichs abdeckten“, dass „das in Rede stehende Kartell … sicherlich ein wesentlicher Faktor der Geschäftspolitik der im BR/ESBR-Geschäft tätigen Tochtergesellschaften [war] und [dass] ihre Geschäfte … auf keinen Fall ohne Hinweis auf die Existenz des Kartells erörtert worden sein“ könnten (357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Hierfür erbringe die Kommission jedoch keinen Beweis.

51      Entgegen der Behauptung der Kommission im 357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung habe Dow dies nicht allgemein verneint, sondern erklärt, dass es trotz einer umfassenden internen Untersuchung keine Hinweise darauf gegeben habe, dass irgendjemand bei Dow Chemical über die Preisverhandlungen informiert gewesen sei. Für Dow bedeutet die Tatsache, dass es für sämtliche wichtigen Aspekte einer Sparte eine Berichtslinie gegeben hat, nicht, dass diese Struktur dazu benutzt werde, der höheren Hierarchieebene über Kartellpraktiken zu berichten. Wenn das bloße Vorhandensein von Berichtslinien ausreichen würde, um die Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften verantwortlich zu machen, sei es nicht möglich, zu beweisen, dass die Tochtergesellschaften eigenständig gehandelt hätten. Eine Tochtergesellschaft könne selbst dann eigenständig handeln, wenn einige Mitarbeiter an Personen in anderen Gesellschaften des Konzerns berichteten. Dow fügt hinzu, der vorliegende Fall unterscheide sich von dem dem Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission (T‑314/01, Slg. 2006 II‑3085), zugrunde liegenden Fall. In diesem Fall hätten Führungspersonen eines gemeinsamen Unternehmens (der Tochtergesellschaft) zugleich Leitungsfunktionen in den Muttergesellschaften innegehabt. Die Vertreter der Muttergesellschaften seien entweder direkt an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen oder zwangsläufig über diese informiert gewesen. Zudem sei die Tochtergesellschaft mit einer besonderen rechtlichen Form gegründet worden.

52      Drittens regt Dow an, verschiedene Personen als Zeugen zu hören, die (möglicherweise) in der Lage seien, Informationen über die Aktivitäten des Kartells an einen Mitarbeiter von Dow Chemical weiterzugeben und sie zu befragen, ob dies geschehen sei. Dow regt ebenfalls an, die Personen als Zeugen zu befragen, die die Kommission entweder ausdrücklich in Fn. 218 der angefochtenen Entscheidung oder durch Verweis auf das Schreiben von Dow vom 26. Juli 2004 als Personen der betroffenen Hierarchieebenen benenne.

53      Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Sie meint im Kern, die von Dow angeführten Gesichtspunkte reichten nicht aus, um die im vorliegenden Fall bestehende Vermutung zu widerlegen.

 Würdigung durch das Gericht

54      Die Kommission weist in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass einer Muttergesellschaft die Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten einer Tochtergesellschaft zugewiesen werden könne, sofern diese ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimme. Die Kommission bezieht sich hierfür insbesondere auf den Begriff des Unternehmens im Wettbewerbsrecht (Erwägungsgründe 333 und 334 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission gibt außerdem an, sie dürfe vermuten, dass eine 100%ige Tochtergesellschaft im Wesentlichen die Anweisungen befolge, die ihr von ihrer Muttergesellschaft erteilt würden, ohne prüfen zu müssen, ob die Muttergesellschaft tatsächlich diese Befugnis ausgeübt habe. Die Muttergesellschaft oder die Tochtergesellschaft müssten diese Vermutung widerlegen, indem sie Beweise dafür vorlegten, dass die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten eigenständig festgelegt habe, anstatt die Anweisungen ihrer Muttergesellschaft zu befolgen, so dass der Unternehmensbegriff nicht auf sie anwendbar sei (335. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

55      Sodann hält die Kommission fest, dass Dow Deutschland Anlagengesellschaft, Dow Deutschland und Dow Europe für ihre unmittelbare Beteiligung an der Zuwiderhandlung hafteten. Sie betont, dass diese Gesellschaften während der Dauer der Zuwiderhandlung zu 100 % unmittelbar oder mittelbar zu Dow Chemical gehört hätten. Daher könne vermutet werden, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften ausgeübt habe. Diese Vermutung werde vorliegend durch verschiedene Gesichtspunkte bekräftigt. Die Kommission hat daraus geschlossen, dass die angefochtene Entscheidung an Dow Deutschland Anlagengesellschaft, Dow Deutschland, Dow Europe und Dow Chemical zu richten sei, da sie gemeinsam für die Zuwiderhandlung verantwortlich seien (Erwägungsgründe 340 bis 364 der angefochtenen Entscheidung).

56      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verstoßen hat, zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben kann und zum anderen eine widerlegliche Vermutung besteht, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt. Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft alle Anteile der Tochtergesellschaft hält, um zu vermuten, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch heranziehen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 42 angeführt, Randnrn. 60 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Da Dow den ersten Teil ihres ersten Klagegrundes zurückgenommen hat, bestreitet sie nicht, dass die Kommission vermuten durfte, dass Dow Chemical aufgrund der direkten oder indirekten Beteiligung an dem gesamten Kapital ihrer Tochtergesellschaften einen bestimmenden Einfluss auf deren Verhalten ausgeübt hat.

58      Es war somit Sache von Dow Chemical, diese Vermutung zu widerlegen und darzulegen, dass diese Tochterunternehmen ihre Geschäftspolitik selbständig bestimmten und somit keine wirtschaftliche Einheit und folglich kein einheitliches Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG mit ihr bildeten.

59      Insbesondere war es Sache von Dow Chemical, alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihr und ihren Tochterunternehmen zur Würdigung vorzulegen, die ihrer Ansicht nach dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit darstellen. Bei seiner Würdigung muss das Gericht nämlich alle ihm vorgelegten Angaben berücksichtigen, wobei deren Charakter und Bedeutung je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls variieren können (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑112/05, Slg. 2007, II‑5049, Randnr. 65).

60      Erstens behauptet Dow mit ihren Argumenten im Kern, dass sie nicht für die Zuwiderhandlung verantwortlich sei, da sie an dieser weder teilgenommen habe noch darüber informiert gewesen sei. Dow hat jedoch während der mündlichen Verhandlung angegeben, sie sei angesichts des Urteils vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 42 angeführt, nicht in der Lage, die insoweit gegen sie gerichtete Vermutung zu widerlegen, da sich aus diesem Urteil ergebe, dass der bestimmende Einfluss der Muttergesellschaft sich nicht notwendigerweise auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft und somit auf die Zuwiderhandlung beziehen müsse. Dow erkennt dadurch an, dass ihre Argumente nicht geeignet sind, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung insoweit in Frage zu stellen. Dow hat zudem während der mündlichen Verhandlung angegeben, sie ziehe die hierauf bezogenen Argumente des zweiten Teils des ersten Klagegrundes zurück.

61      Zweitens nennt die Kommission zur Ergänzung in der angefochtenen Entscheidung weitere Anhaltspunkte dafür, dass Dow Chemical einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften ausgeübt hat. Die Kommission hebt insbesondere hervor, dass die Mitarbeiter, die an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, gegenüber dem Geschäftsleiter (synthetischer Kautschuk) von Dow Deutschland berichtet hätten und dieser wiederum den Managern der Sparte von Dow Chemical, die schließlich dem CEO Bericht erstattet hätten (Erwägungsgründe 344 bis 352 der angefochtenen Entscheidung). Dow bestreitet diese Tatsachen nicht, meint aber, diese Anhaltspunkte besagten nicht, dass Dow Chemical tatsächlich Kenntnis von dem Kartell gehabt oder durch dessen Nichtentdeckung fahrlässig gehandelt habe. Aus den in der vorstehenden Randnummer erwähnten Gründen sind diese Argumente jedoch nicht geeignet, die gegen Dow Chemical gerichtete Vermutung zu widerlegen, was Dow in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat.

62      Dow hat jedoch während der mündlichen Verhandlung angegeben, die Kommission habe im 357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fälschlicherweise angenommen, Dow Chemical sei über die Aktivitäten des Kartells informiert gewesen. Aus Sicht von Dow wäre Dow Chemical unmittelbar an dem Kartell beteiligt gewesen, wenn die Behauptung der Kommission richtig wäre. Diese Behauptung ginge jedoch über die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft, die 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft besitze, hinaus. Die Kommission habe hierfür keine Beweise vorgelegt. Unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Papierfabrik August Koehler/Kommission (C‑322/07 P, C‑327/07 P und C‑338/07 P, Slg. 2009, I‑7191), und in der Erwägung, dass der vorliegende Fall mit dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall vergleichbar sei, folgert Dow, dass die angefochtene Entscheidung in dieser Hinsicht rechtswidrig sei.

63      Ohne dass eine Entscheidung über die Zulässigkeit der von Dow während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente erforderlich wäre, genügt es, hervorzuheben, dass diese Argumente auf der Prämisse beruhen, dass die Kommission aufgrund der im 357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten Gesichtspunkte auch die Verantwortlichkeit von Dow Chemical für ihre unmittelbare Beteiligung an der Zuwiderhandlung angenommen habe und dass die vorliegende Situation daher mit dem dem Urteil Papierfabrik August Koehler/Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, zugrunde liegenden Fall vergleichbar sei. Es ergibt sich jedoch eindeutig aus den Erwägungsgründen 340 bis 343 der angefochtenen Entscheidung, dass die Verantwortlichkeit von Dow Chemical nur aufgrund der Tatsache angenommen wurde, dass sie direkt oder indirekt die Unternehmen kontrollierte, die direkt an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, nämlich Dow Deutschland Anlagengesellschaft, Dow Deutschland und Dow Europe. Die Prämisse von Dow ist daher falsch.

64      Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Argumente von Dow nicht geeignet sind, die Tatsache zu widerlegen, dass Dow Chemical und ihre Tochtergesellschaften als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen sind. Daher hält das Gericht die von Dow beantragten prozessleitenden Maßnahmen nicht für erforderlich.

65      Angesichts dessen ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

c)     Zum dritten Teil: fehlerhafte Ausübung des Ermessens der Kommission und fehlende Begründung

 Vorbringen der Parteien

66      Dow betont, dass die Kommission angebe, sie verfolge „bei [an der Spitze eines Konzerns stehenden] Muttergesellschaften, … wenn sie an diese eine Entscheidung richtet, eine einheitliche Vorgehensweise, die durch die ständige Rechtsprechung … auch bestätigt wird, und sie sieht keinen zwingenden Grund, von dieser abzugehen“ (362. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

67      Die Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs, auf die sich die Erwägungsgründe 333 bis 336 der angefochtenen Entscheidung beziehen, bestätigten dagegen keine allgemeine Politik der Kommission, eine Entscheidung an die Muttergesellschaft an der Spitze eines Konzerns zu richten. Diese Rechtsprechung besage nur, dass die Kommission im Fall einer einfachen Vermutung, wonach die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf eine 100%ige Tochtergesellschaft ausgeübt habe und soweit diese Muttergesellschaft diese Vermutung nicht widerlegen könne (ohne dass sie dazu verpflichtet wäre), die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft für das Verhalten diese Tochtergesellschaft annehmen dürfe.

68      Unter Verweis auf bestimmte Entscheidungen der Kommission hebt Dow zudem hervor, dass die Kommission in anderen Fällen nicht die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft angenommen habe, obwohl diese eine 100%ige Kapitalbeteiligung an der Tochtergesellschaft gehalten habe, ohne anzugeben, warum sie gegen die Muttergesellschaft keine Geldbuße verhängt habe.

69      Aufgrund all dessen vertritt Dow die Auffassung, die Kommission müsse ihr Ermessen von Fall zu Fall ausüben. Vorliegend habe sie dies jedoch ohne weitere Erklärungen nicht getan, wie sich insbesondere aus dem 362. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergebe. Dow ergänzt, es bestehe ein Unterschied zwischen einer allgemeinen Politik der Bekämpfung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und der Verfolgung der zuwiderhandelnden Unternehmen und einer allgemeinen Politik dergestalt, dass die Muttergesellschaft immer als verantwortlich angesehen werde.

70      Dow erinnert daran, dass sie im Verwaltungsverfahren geltend gemacht habe, zu Unrecht geschädigt zu werden, sollte die Kommission die geplante Entscheidung auch an Dow Chemical richten, da dies wahrscheinlich zu einem ungerechtfertigten zivilrechtlichen Haftungsprozess in den Vereinigten Staaten führen würde. Dow unterstreicht insoweit, dass Dow Chemical wenige Tage nach der Mitteilung des Erlasses der angefochtenen Entscheidung im Rahmen von Sammelverfahren vor mehreren Gerichten der Vereinigten Staaten verklagt worden sei. Zudem habe Dow Chemical vorgetragen, dass die Adressierung der angefochtenen Entscheidung an sie nicht mit der Politik der Kommission im Bereich der Zusammenarbeit übereinstimme, da die Unternehmen weniger kooperationsbereit seien, wenn die Zusammenarbeit sie Schadensersatzklagen von Dritten aussetze. Die Kommission erkenne diesen Gesichtspunkt ausdrücklich in Randnr. 6 der Mitteilung vom 8. Dezember 2006 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 298, S. 17) an.

71      Dow schließt daraus, dass die Kommission diese Argumente nur unzureichend berücksichtigt habe, indem sie sich darauf beschränkt habe, festzustellen, dass diese „eindeutig politisch“ seien. Die Kommission sei jedoch verpflichtet gewesen, sie zu berücksichtigen und sie gegenüber möglichen Argumenten für einen Erlass der angefochtenen Entscheidung gegenüber Dow Chemical abzuwägen. Das habe sie aber nicht getan.

72      Auf jeden Fall leide die angefochtene Entscheidung an einem Begründungsmangel, da die Kommission darin nicht die Gründe angebe, aus denen sie sich letztlich dafür entschieden habe, diese unter den gegebenen Umständen an die Muttergesellschaft zu richten. Es sei nicht erforderlich, dass die Kommission erläutere, warum sie eine Muttergesellschaft nicht als für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften verantwortlich ansehe, da eine solche Entscheidung niemandem schade. Dagegen müsse die Kommission die verschiedenen vorgebrachten Argumente auswerten und die Gründe für ihre Entscheidung ausführen, wenn sie gegen eine Muttergesellschaft wegen der Zuwiderhandlungen einer ihrer Tochtergesellschaften eine Geldbuße verhänge.

73      Nach Auffassung der Kommission ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Sie meint im Kern, dass sie nicht verpflichtet sei, die Auswahl der Adressaten ihrer Entscheidung zu erläutern, wenn die Voraussetzungen für die Zurechnung des Verhaltens von Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft erfüllt seien.

 Würdigung durch das Gericht

74      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission aus den im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes genannten Gründen der Muttergesellschaft die Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung durch eine Tochtergesellschaft zurechnen darf, soweit diese Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmt. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission in dieser Hinsicht keinen Fehler begangen hat. Die Tatsache, dass Dow Chemical an der Spitze des Konzerns steht, kann an dieser Schlussfolgerung nichts ändern, da nicht bestritten wird, dass sie, auch mittelbar, alle Anteile der an der Zuwiderhandlung direkt beteiligten Gesellschaften, nämlich Dow Deutschland Anlagengesellschaft, Dow Deutschland und Dow Europe, hält (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 290). Zudem beherrscht Dow Chemical unmittelbar das gesamte Kapital von Dow Europe, deren Verantwortlichkeit für die direkte Teilnahme an der Zuwiderhandlung von der Kommission angenommen wurde, ohne dass dies im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits bestritten wird.

75      Was den gerügten Widerspruch zwischen der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidungspraxis der Kommission angeht, und soweit Dow eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend macht, ist zunächst festzustellen, dass das Verhalten einer Tochtergesellschaft, die gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, aus den oben in Randnr. 56 angeführten Gründen einer Muttergesellschaft zugerechnet werden kann. Sodann ist hervorzuheben, dass die Zurechnung der Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft im Ermessen der Kommission steht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2009, Erste Bank der österreichischen Sparkassen/Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Randnr. 82, und des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 331). Unter diesen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass einzig die Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis angenommen hat, dass die Umstände eines Falles die Zurechnung eines Verhaltens einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft nicht rechtfertigen, nicht bedeutet, dass sie dieselbe Bewertung auch in einer späteren Entscheidung anwenden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 990). Zur Ergänzung ist darauf zu verweisen, dass ein Unternehmen, das Art. 81 Abs. 1 EG verletzt, einer Sanktion nicht mit der Begründung entgehen kann, dass gegen einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, mit dessen Situation das Gericht nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt worden sei (vgl. Urteil PVC II, Randnr. 1237 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Der Umstand, dass Dow Chemical als Adressatin der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht verletzt sein soll, kann deren Rechtmäßigkeit nicht in Frage stellen, da die Kommission aus den vorstehend erläuterten Gründen Dow Chemical die Verantwortlichkeit für die fragliche Zuwiderhandlung zurechnen durfte.

77      Schließlich ist zum Vorwurf eines Begründungsmangels darauf hinzuweisen, dass die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, weil die Frage, ob sie den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des fraglichen Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Zusammenhangs, in dem dieser Rechtsakt erlassen wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63).

78      Die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, sind erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 73, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 463).

79      Im vorliegenden Fall genügt es, festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 333 bis 338 und 340 bis 364 der angefochtenen Entscheidung eindeutig die Beurteilungsgesichtspunkte herausgestellt hat, die es ihr hier ermöglicht haben, die Verantwortlichkeit von Dow Chemical anzunehmen. Dow bestreitet diese Gesichtspunkte zudem im Rahmen der vorliegenden Klage. Daher geht der von Dow erhobene Vorwurf eines Begründungsmangels fehl.

80      Angesichts dessen ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes von Dow und somit der erste Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Bestimmung der Dauer der Beteiligung von Dow Deutschland an der Zuwiderhandlung

a)     Vorbringen der Parteien

 Vorbringen von Dow

81      Dow trägt vor, die Kommission wähle in der angefochtenen Entscheidung als Anfangspunkt der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung den Zeitpunkt, zu dem ein Mitarbeiter des fraglichen Unternehmens zum ersten Mal an einem der Treffen des Unterausschusses der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk teilgenommen habe. So sei der Beginn der Beteiligung von Dow Deutschland Anlagengesellschaft an der Zuwiderhandlung auf den 22. Februar 2001 und die von Dow Europe auf den 26. November 2001 festgesetzt worden (450. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

82      Auch wenn BSL einen seiner Mitarbeiter ab dem 1. Juli 1996 Dow Deutschland zur Verfügung gestellt habe (100. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), habe dieser erst am 2. und 3. September 1996 erstmals für Dow Deutschland an einem Treffen teilgenommen (167. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Nichts deute in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass dieser Mitarbeiter mit Vertretern der anderen Teilnehmer an dem Kartell zwischen dem 1. Juli 1996 und dem Treffen vom 2. und 3. September 1996 in Kontakt gewesen wäre. Die Methode der Kommission führe zu der Annahme einer rückwirkenden Verantwortlichkeit von Dow für die Teilnahme dieses Mitarbeiters an dem Treffen vom 20. und 21. Mai 1996. Die Kommission benachteilige daher Dow Deutschland gegenüber anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung. Da die (etwaige) Zuwiderhandlung von Dow Chemical auf die ihrer Tochtergesellschaften begrenzt sei, gelte dasselbe für Dow Chemical als Ganzes.

83      Zudem erkläre die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht, warum sie gegenüber Dow Deutschland eine andere Methode angewandt hat, was einen Begründungsfehler darstelle.

 Vorbringen der Kommission

84      Die Kommission meint, der zweite Klagegrund von Dow stütze sich auf die falsche Annahme, dass sie allgemein das Datum der Teilnahme an einem Unterausschuss der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk als Beginn der Beteiligung an der Zuwiderhandlung gewählt habe. Im Gegenteil sei sie jedoch wie sonst auch vorgegangen und habe das Datum gewählt, an dem ein Mitarbeiter des Unternehmens zum ersten Mal an den Aktivitäten des Kartells teilgenommen habe (444. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

85      Im Fall von Dow Deutschland (und somit Dow Chemical) habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass deren Beteiligung an der Zuwiderhandlung begonnen habe, als ein Mitarbeiter von BSL, der bereits an den Aktivitäten des Kartells teilgenommen hatte, zu ihr entsandt worden sei. Dow Deutschland sei daher ab diesem Zeitpunkt für die Beteiligung ihres Mitarbeiters verantwortlich. Dow habe die Beweise, wonach der zu Dow Deutschland entsandte Mitarbeiter bereits an den Aktivitäten des Kartells beteiligt war, nicht bestritten. Desgleichen habe dieser Mitarbeiter auch nach seiner Entsendung zu Dow Deutschland weiter daran teilgenommen (Erwägungsgründe 166, 167 und 169 bis 182 der angefochtenen Entscheidung).

86      Dow bestreite ebenfalls nicht, dass das Kartell in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum nächsten Treffen der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk aufrechterhalten worden sei. Insbesondere sei die Beteiligung an den laufenden Aktivitäten des Kartells in der Zeit, in der weder Treffen stattgefunden hätten noch die Umsetzung von Entscheidungen des Kartells vorgesehen gewesen sei, nicht unterbrochen worden. Um die Beteiligung an einem fortgesetzten Kartell zu beenden, müsse der Beteiligte beweisen, dass er sich eindeutig von dem Kartell distanziert habe, und zwar in einer Form, die gegenüber den ehemaligen mitbeteiligten Gesellschaften keinen Zweifel lasse, dass er das Kartell verlassen habe (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 232; vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnr. 98, und vom 11. Dezember 2003, Marlines/Kommission, T‑56/99, Slg. 2003, II‑5225, Randnr. 56).

87      Was das von Dow geltend gemachte Fehlen der Begründung angeht, verweist die Kommission auf den 444. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung sowie bezüglich des Sachverhaltzusammenhangs auf deren 19. Erwägungsgrund.

 b) Würdigung durch das Gericht

88      In Bezug auf die Beweisführung für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG ist darauf hinzuweisen, dass es der Kommission obliegt, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 86). Dem Richter verbleibende Zweifel gehen zugunsten des Unternehmens, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist. Der Richter kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 215).

89      Nach der Rechtsprechung muss die Kommission zudem nicht nur das Vorliegen eines Kartells, sondern auch dessen Dauer beweisen (Urteile des Gerichts vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T‑43/92, Slg. 1994, II‑441, Randnr. 79, vom 13. Dezember 2001, Acerinox/Kommission, T‑48/98, Slg. 2001, II‑3859, Randnr. 55, und vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T‑62/02, Slg. 2005, II‑5057, Randnr. 36). Für die Berechnung der Dauer einer Zuwiderhandlung, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt, ist zu bestimmen, wie lange die Vereinbarung bestanden hat, d. h. der Zeitraum von ihrem Abschluss bis zu ihrer Beendigung (Urteil des Gerichts vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnr. 185, und vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, Slg. 2006, II‑4567, Randnr. 138). Soweit es an Beweismaterial fehlt, mit dem die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, muss die Kommission zumindest Beweismaterial beibringen, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist (Urteile des Gerichts Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 79, und vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnr. 51).

90      Im vorliegenden Fall stellt die Kommission fest, dass Dow Deutschland ab dem 1. Juli 1996 an der Zuwiderhandlung beteiligt war (Art. 1 der angefochtenen Entscheidung). Im Einzelnen trägt die Kommission vor, dass Herr N. ab dem 1. Juli 1996 von BSL zu Dow Deutschland entsandt worden sei, bevor er ab dem 1. Oktober 1997 Mitarbeiter von Dow geworden sei (100. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Ferner habe BSL im Mai 1996 zum ersten Mal an einem Treffen des Kartells teilgenommen, doch sei die Verantwortlichkeit von Dow für das Verhalten von BSL nicht vor Wirksamwerden der Geschäftsvereinbarung zwischen BSL und Dow, also ab dem 1. Juli 1996, anzunehmen. Schließlich sei Dow nach dem Wirksamwerden der Geschäftsvereinbarung zwischen BSL und Dow „weiterhin“ an dem Kartell beteiligt gewesen. Die Kommission hebt insoweit hervor, dass Herr N. bei dem Treffen am 2. und 3. September 1996 sowohl BSL als auch Dow vertreten habe. Die Beteiligung von Dow an der Zuwiderhandlung habe somit spätestens am 1. Juli 1996 begonnen (444. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

91      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission neben der Zurverfügungstellung von Herrn N. durch BSL keinen weiteren Anhaltspunkt dafür nennt, dass Dow Deutschland zwischen dem 1. Juli und dem 2. September 1996 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. Die Kommission legt insbesondere keinen konkreten Beweis vor, der auf eine Willensübereinstimmung zwischen Dow Deutschland und den übrigen Mitgliedern des Kartells zwischen dem 1. Juli und dem 2. September 1996 schließen lässt.

92      Zudem ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen keine Willensbekundung eines Mitglieds des Kartells gegenüber Dow Deutschland mit einem wettbewerbswidrigen Ziel, das auch umgesetzt worden wäre.

93      Die bloße Tatsache, dass ein Mitarbeiter einer Gesellschaft, die an einem Kartell beteiligt war, zu einer anderen Gesellschaft entsandt wird, reicht jedoch als solche nicht für die Annahme aus, dass Letztere automatisch Mitglied des Kartells wird. Denn unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlossen, dass der fragliche Mitarbeiter beschließt, die Gesellschaft, zu der er entsandt wird, nicht in die wettbewerbswidrigen Handlungen einzubeziehen, oder dass diese Gesellschaft Maßnahmen zur Vermeidung solcher Handlungen ergreift.

94      Zudem ist die Angabe der Kommission, wonach Dow ihre Beteiligung an dem Kartell nach dem 1. Juli 1996 „fortgesetzt“ habe, falsch, da unstreitig ist, dass Dow auf jeden Fall vor diesem Datum nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

95      Die Kommission hat überdies nicht bewiesen, dass Dow Deutschland in der Zeit vom 1. Juli bis zum 2. September 1996 aufgrund der von Herrn N. im Rahmen seiner früheren Tätigkeit gewonnenen Informationen die im Rahmen des Kartells getroffenen Vereinbarungen umgesetzt und daher auf dem Markt nicht selbständig agiert hätte. In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass es dann, wenn die Rechtsprechung gelegentlich angenommen hat, dass der Besitz von Informationen über Konkurrenten zu der Annahme führen könne, dass das fragliche Unternehmen kein eigenständiges Marktverhalten habe, selbst im Fall eines angeblichen Rückzugs von einem Kartell, um Fälle ging, in denen ein Unternehmen bereits an diesem Kartell beteiligt gewesen war (vgl. insbesondere Urteil Union Pigments/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Daraus folgt, dass die Kommission das Vorliegen von Umständen, die eine Zuwiderhandlung von Dow Deutschland zwischen dem 1. Juli und dem 2. September 1996 belegen, nicht hinreichend bewiesen hat. Dow bestreitet dagegen nicht die Beteiligung von Dow Deutschland an der Zuwiderhandlung ab dem 2. September 1996.

97      Das weitere Vorbringen der Kommission vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

98      Was die Erwägungsgründe 166, 167 und 169 bis 182 der angefochtenen Entscheidung angeht, auf die sich die Kommission in ihren Schriftsätzen bezieht, heißt es darin, dass Herr N. als Vertreter von Dow Deutschland und von BSL an den Treffen des Kartells ab dem 2. und 3. September 1996 teilgenommen habe. Diese Erwägungsgründe belegen nicht, dass Herr N. zwischen dem 1. Juli und dem 2. September 1996 an den Aktivitäten des Kartells für Dow Deutschland teilgenommen hat.

99      Was die von der Kommission angeführte Rechtsprechung angeht, nach der die Beteiligung an den laufenden Aktivitäten des Kartells nicht in der Zeit unterbrochen ist, während deren weder Treffen des Kartells stattfinden noch eine Umsetzung von Entscheidungen des Kartells vorgesehen ist, ist diese anwendbar, wenn das betroffene Unternehmen bereits an den Aktivitäten des Kartells teilgenommen hat, was für Dow Deutschland vor dem Treffen vom 2. und 3. September 1996 nicht der Fall war. Daher kann Dow Deutschland nicht vorgeworfen werden, sich nicht von einem Kartell distanziert zu haben, an dem sie noch nicht beteiligt war.

100    Daher ist dem zweiten Klagegrund zu folgen und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung gemäß dem Antrag von Dow Deutschland insoweit für nichtig zu erklären, als dieser die Beteiligung an der streitigen Zuwiderhandlung ab dem 1. Juli 1996 anstatt ab dem 2. September 1996 annimmt.

3.     Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Bestimmung der Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

101    Der dritte Klagegrund von Dow gliedert sich in neun Teile. Im Rahmen des ersten Teils meint Dow, die Kommission habe bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung Fehler begangen. Die Teile 2 bis 6 betreffen die differenzierte Anwendung der Grundbeträge der Geldbußen. Der siebte und der achte Teil betreffen die Anwendung eines Multiplikators zu Abschreckungszwecken. Im Rahmen des neunten Teils macht Dow geltend, die Kommission habe die Dauer der Zuwiderhandlung fehlerhaft bestimmt.

a)     Zum ersten Teil: Fehlerhafte Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

102    Dow bestreitet nicht die Feststellung der Kommission, dass die Zuwiderhandlung als besonders schwer im Sinne der Leitlinien qualifiziert werden könne. Das Diskriminierungsverbot verpflichte die Kommission jedoch, die Art der Zuwiderhandlung im Detail zu untersuchen, wenn sie den Grundbetrag der Geldbuße innerhalb der Kategorie der besonders schweren Zuwiderhandlungen festlege.

103    Hier habe die Kommission die Tatsache nicht berücksichtigt, dass sich die Zuwiderhandlung nicht aus einer sorgfältig vorbereiteten und gut durchdachten Vereinbarung ergebe. Die Teilnehmer an dem Kartell hätten sich lediglich bis zu viermal im Jahr informell am Rand von Treffen der Unterausschüsse der Europäischen Vereinigung der Hersteller von synthetischem Kautschuk getroffen (Erwägungsgründe 94 und 95 der angefochtenen Entscheidung). Es habe keinen bei gut durchdachten Kartellen häufig anzutreffenden Mechanismus gegeben, wie beispielsweise Kontrollmechanismen oder systematische Sanktionen. Die Kommission gehe selbst davon aus, dass es keine systematischen Absprachen über die Preise gegeben habe (Erwägungsgründe 270 und 272 der angefochtenen Entscheidung). Diese Gesichtspunkte, die die Kommission im 461. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt habe, sprächen für einen niedrigeren Grundbetrag der Geldbuße als von der Kommission festgesetzt. Dow führt aus, das Gericht habe im Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt (Randnr. 393), entschieden, dass das Fehlen von Umsetzungsmechanismen nach den Leitlinien im Rahmen der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt werden müsse.

104    Dow fügt hinzu, dass die Kommission gemäß Randnr. 1 A, dritter Gedankenstrich, der Leitlinien die Unternehmen je nach der von ihnen begangenen Art der Zuwiderhandlung innerhalb der besonders schweren Zuwiderhandlungen differenziert behandeln dürfe. Die Kommission müsse daher die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.

105    Nach Auffassung der Kommission ist der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Sie betont insbesondere, dass der Grundbetrag der Geldbuße nach der Größe des Marktes der Produkte und der Art der Zuwiderhandlung bemessen worden sei.

 Würdigung durch das Gericht

106    Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteile des Gerichtshofs Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnr. 465, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 241).

107    Zu den Faktoren, die bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, gehören das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die es bei der Errichtung des Kartells gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus ihm ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Gemeinschaft darstellen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Im Übrigen heißt es in den Leitlinien u. a., dass bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen sind. Die Verstöße werden in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße (Nr. 1 A Abs. 1 und 2 der Leitlinien).

109    Im vorliegenden Fall stellt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zunächst fest, dass die betroffenen Unternehmen Vereinbarungen über Preisziele und über die Aufteilung des Marktes geschlossen sowie sensible Geschäftsinformationen ausgetauscht hätten. Diese Praktiken seien aufgrund ihrer Natur besonders schwerwiegend (461. Erwägungsgrund und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung). Sodann weist die Kommission darauf hin, dass die konkreten Auswirkungen auf den EWR-Markt nicht messbar seien. Sie fügt hinzu, auch wenn die konkreten Auswirkungen des Kartells nicht messbar seien, seien die Kartellvereinbarungen von den betroffenen Unternehmen umgesetzt worden und hätten damit Auswirkungen auf den Markt gehabt. Schließlich stellt die Kommission klar, dass sie bei der Bemessung der Geldbußen die Auswirkungen auf den Markt nicht berücksichtigen werde (462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Abschließend hebt sie hervor, dass die Zuwiderhandlung das gesamte EWR-Gebiet betreffe (463. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Aus diesen Gründen befand die Kommission, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung als besonders schwer eingestuft werden könne (464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

110    Die Kommission unterscheidet zudem zwischen den betroffenen Unternehmen anhand ihrer kumulierten BR- und ESBR-Umsätze im Jahr 2001, dem letzten vollen Jahr der Zuwiderhandlung, außer bei Shell (1998) und Stomil (1999). Die Kommission teilte die betroffenen Unternehmen in fünf Kategorien ein, wobei Dow der zweiten zugeordnet wurde (41 Mio. Euro Ausgangsbetrag der Geldbuße) (Erwägungsgründe 465 bis 473 der angefochtenen Entscheidung).

111    Dow stellt nicht das Ergebnis der Kommission in Abrede, wonach die streitige Zuwiderhandlung als besonders schwer im Sinne der Leitlinien eingestuft werden könne, sondern wendet sich gegen den Grundbetrag der Geldbuße, vor allem in der Erwägung, dass das streitige Kartell einen geringen Förmlichkeitsgrad aufgewiesen habe.

112    In dieser Hinsicht ist erstens zu beachten, dass nach Nr. 1 A der Leitlinien die Geldbuße für einen besonders schweren Verstoß oberhalb von 20 Mio. Euro liegen kann und dass sich der Grundbetrag der für Dow festgelegten Geldbuße aus einer ganzen Reihe von Gesichtspunkten ergibt, insbesondere aus den Verkaufszahlen für BR und ESBR dieses Unternehmens im EWR-Gebiet im Jahr 2001 (nämlich 126,93 Mio. Euro – 469. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

113    Zweitens ist festzustellen, dass Dow im Rahmen ihrer Klage das rechtswidrige Ziel des Kartells, wie in der angefochtenen Entscheidung und insbesondere ihrem Art. 1 beschrieben, nämlich die Festlegung von Preiszielen, die Aufteilung des Marktes und der Austausch vertraulicher Geschäftsdaten, nicht bestreitet. Angesichts der Vielfalt und der Gleichzeitigkeit der mit dem Kartell verfolgten Ziele lässt dieses einen hohen Ausgestaltungsgrad erkennen, auch wenn es durch einen geringen Förmlichkeitsgrad gekennzeichnet gewesen sein sollte (vgl. in diesem Sinne Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 149). Insbesondere ist zu dem Argument des fehlenden Sanktionsmechanismus zur Sicherstellung der Einhaltung und der Durchsetzung des Kartells und seiner Vereinbarungen, vorausgesetzt, die Behauptungen von Dow treffen zu und können berücksichtigt werden, darauf hinzuweisen, dass Dow die Schlussfolgerung der Kommission, wonach die streitige Zuwiderhandlung als besonders schwer im Sinne der Leitlinien zu qualifizieren sei, nicht bestreitet. Die betroffenen Unternehmen haben Preisziele für ihre Produkte festgelegt, Kunden durch Nichtangriffsvereinbarungen aufgeteilt und sensible Geschäftsinformationen über Preise, Wettbewerber und Kunden ausgetauscht. Zudem betraf das streitige Kartell das gesamte EWR-Gebiet. Sodann ist hervorzuheben, dass die gegen Dow festgesetzte Geldbuße nicht die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % ihres im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes überschreitet, mit der vermieden werden soll, dass das betroffene Unternehmen die fragliche Geldbuße nicht zahlen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 119). Im Übrigen ist die Schwere der Zuwiderhandlung anhand aller hier einschlägigen Gesichtspunkte zu ermitteln. Das Gericht ist angesichts der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gesichtspunkte der Auffassung, dass der von Dow angeführte Umstand, sein Vorliegen unterstellt, die Höhe des Grundbetrags der von der Kommission festgelegten Geldbuße nicht berührt.

114    Angesichts dessen ist der erste Teil des dritten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

b)     Zu den Teilen 2 bis 6: fehlerhafte differenzierte Anwendung der Grundbeträge der Geldbußen

 Vorbringen der Parteien

115    Im Rahmen des zweiten Teils des dritten Klagegrundes verweist Dow darauf, dass die Kommission die Grundbeträge der Geldbußen differenziert anwende, um „das Gewicht jedes einzelnen Unternehmens und damit die tatsächliche Auswirkung seines rechtswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen“ (466. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission gebe aber im 462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung an, „die konkreten Auswirkungen auf den EWR-Markt des Bündels von Vereinbarungen, aus denen die Zuwiderhandlung besteht, [seien] nicht messbar“. Die Aussagen der Kommission seien daher widersprüchlich. Wenn die Auswirkungen einer Zuwiderhandlung wie im vorliegenden Fall nicht messbar seien, gebe es keinen Grund, die individuellen Geldbußen auf die angebliche „Fähigkeit“ zur Schädigung zu stützen, wie es die Kommission in ihren Schriftsätzen tue. Diesbezüglich müsse Nr. 1 A Abs. 4 der Leitlinien in Verbindung mit Nr. 1 A Abs. 6 gelesen werden. In den Fällen, die den Urteilen des Gerichts vom 9. Juli 2003, Daesang und Sewon Europe/Kommission (T‑230/00, Slg. 2003, II‑2733), und vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission (T‑329/01, Slg. 2006, II‑3255), auf die sich die Kommission in ihren Schriftsätzen bezieht, zugrunde lägen, seien die Auswirkungen auf den Markt festgestellt worden.

116    Im Rahmen des dritten Teils des dritten Klagegrundes gibt Dow an, dass die Kommission nach Nr. 1 A der Leitlinien die „konkreten Auswirkungen“ der Zuwiderhandlung auf den Markt (sofern diese messbar seien) feststellen müsse. Diese Pflicht habe das Gericht in den Urteilen vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597), und vom 5. April 2006, Degussa/Kommission (T‑279/02, Slg. 2006, II‑897), bestätigt. Vorliegend habe die Kommission die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nicht gemessen (462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Trotzdem komme sie in demselben Erwägungsgrund zu dem Schluss, dass die Zuwiderhandlung „Auswirkungen auf den Markt hatte, selbst wenn die konkreten Auswirkungen schwer messbar sind“. Die Urteile des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission (T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917), und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, die in der angefochtenen Entscheidung genannt würden, besagten, dass die Kommission die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung einfach dadurch bestimmen könne, dass sie die Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen einschätze oder belege, dass die Zuwiderhandlung tatsächlich stattgefunden habe. Vorliegend schätze die Kommission weder die Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen ein noch beweise sie, dass eine wettbewerbswidrige Vereinbarung tatsächlich umgesetzt worden sei (obwohl sie im Rahmen der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte versucht habe, die Umsetzung der Zuwiderhandlung zu beweisen). Die Behauptung der Kommission im 462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach „die Kartellvereinbarungen von europäischen Herstellern umgesetzt wurden“, werde durch keinen Beweis erhärtet. Die Erwägungsgründe 148 und 203 der angefochtenen Entscheidung, auf die die Kommission in ihren Schriftsätzen verweise, belegten in keiner Weise eine irgendwie geartete Umsetzung, sondern nur erfolglose Versuche, von denen einer ein Unternehmen betreffe, gegen das das Verfahren eingestellt worden sei (Dwory).

117    Im Rahmen des vierten Teils des dritten Klagegrundes meint Dow, in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden zu sein, und unterstreicht insoweit, dass die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission einige „wirtschaftliche Beweise“ bezüglich der Auswirkungen der Aktivitäten des Kartells enthalten habe. Die Kommission habe diese Mitteilung jedoch zurückgezogen, nachdem einige der betroffenen Unternehmen, darunter Dow, den Beweiswert dieser Beweise bestritten hätten. Die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf der die angefochtene Entscheidung beruhe, enthalte keine entsprechenden Beweise mehr. Sie enthalte ebenso keinen Beweis dafür, dass eine Umsetzung der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen Auswirkungen auf den Markt gehabt hätte. Die von der Kommission in ihren Schriftsätzen benannten Punkte der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte seien insoweit nicht einschlägig. Daher habe Dow keine Möglichkeit gehabt, ihren Standpunkt zu möglichen Auswirkungen des Kartells auf den Markt deutlich zu machen. Die Kommission habe jedoch Auswirkungen des Kartells auf den Markt angenommen, da sie die Adressaten der angefochtenen Entscheidung differenziert behandelt habe.

118    Aus der im Rahmen der Teile 2 bis 4 des dritten Klagegrundes entwickelten Argumentation folgert Dow, dass die Kommission keine unterschiedlichen Grundbeträge der gegen die betroffenen Unternehmen verhängten Geldbußen habe festsetzen dürfen. Vorliegend hätte die Kommission einen einheitlichen Grundbetrag festsetzen müssen. Da der Grundbetrag der Geldbuße für Stomil auf 5,5 Mio. Euro festgelegt worden sei und dieser Betrag der objektiven Schwere des Kartells entsprechen solle, gebe es keinen Grund, für Dow einen höheren Grundbetrag festzusetzen.

119    Im Rahmen des fünften Teils des dritten Klagegrundes macht Dow hilfsweise geltend, dass sich die Kommission, unterstellt, sie habe die Adressaten der angefochtenen Entscheidung differenziert behandeln dürfen, fälschlich auf den Umsatz von Dow für Verkäufe von BR und ESBR im Jahr 2001 gestützt habe, um die tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen. Die Kommission lasse dabei außer Betracht, dass der Umsatz von Dow erst mit dem Erwerb der Sparte „synthetischer Kautschuk“ von Shell ab Juni 1999 bedeutend gestiegen sei. Während etwa der Hälfte der Dauer der Zuwiderhandlung habe Dow eine viel schwächere Position auf dem Markt gehabt. Die Kommission habe im 479. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bei der Berechnung der Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt, dass das BR- und ESBR-Geschäft von Shell während der ersten Jahre der Zuwiderhandlung nicht zu Dow gehört habe, was jedoch eine andere Frage sei. Dow sei zum Zeitpunkt der Übernahme des Geschäfts von Shell nicht über die Zuwiderhandlung informiert gewesen und müsse daher keine größere Verantwortung übernehmen. Der Gerichtshof habe zudem im Urteil Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, entschieden, dass einer Gesellschaft die Verantwortlichkeit für Zuwiderhandlungen, die von einer von ihr erworbenen Gesellschaft begangen worden seien, aber vor dem Erwerb gelegen hätten, nicht allein deswegen zugerechnet werden könne, weil auch die Käuferin zur gleichen Zeit an demselben Kartell teilgenommen habe. Dow folgert daraus, dass die Kommission die Entwicklung der Verkäufe auch im Rahmen der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße und unter Berücksichtigung des Durchschnittswerts der Verkäufe von Dow in den Jahren 1998 und 2001 hätte berücksichtigen müssen. Die Verkäufe von Dow im Jahr 1998 seien bedeutend niedriger als die von Shell. Die Kommission habe Dow unter Berücksichtigung der Verkäufe von Dow in 2001 für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung gegenüber Shell schlechter gestellt. Dow meint, unter Berücksichtigung des Umsatzes für 1998 und der vorgeschlagenen Methode müsse der Grundbetrag der Geldbuße gegen sie auf 32,4 Mio. Euro festgesetzt werden.

120    Im Rahmen des sechsten Teils des dritten Klagegrundes macht Dow geltend, die Kommission habe, selbst wenn sie die Adressaten der angefochtenen Entscheidung differenziert habe behandeln dürfen, um die tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, dieses Element zu stark gewichtet. Wie die Kommission selbst im 461. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung anerkenne, sei der wichtigste Faktor zur Festlegung des Grundbetrags einer Geldbuße die objektive Schwere (oder die Art) der Zuwiderhandlung. Vorliegend habe die Kommission gegen Dow einen Grundbetrag der Geldbuße festgelegt, der sich auf das Sechsfache des gegen Stomil verhängten Betrags belaufe, einzig mit der Begründung, dass die tatsächlichen Auswirkungen der Beteiligung von Dow an der Zuwiderhandlung angeblich andere waren. Dieser Aspekt vernachlässige völlig die Schwere der Zuwiderhandlung als bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigenden Faktor, obwohl die tatsächlichen Auswirkungen für alle Unternehmen dieselben sein müssten, außer wenn ein Teilnehmer eine besondere Rolle eingenommen habe. Dow ergänzt, dass der sechste Teil ihres dritten Klagegrundes nicht die Anwendung von Multiplikatoren zu Abschreckungszwecken betreffe, wie dies die Kommission in ihren Schriftsätzen behaupte.

121    Die Kommission beantragt, die Teile 2 bis 6 des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Sie meint im Kern, keinen Fehler bei der differenzierten Anwendung der Grundbeträge der Geldbußen begangen zu haben.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zu den Teilen 2 bis 4 des drittes Klagegrundes

122    Die Leitlinien unterscheiden zwischen minder schweren, schweren und besonders schweren Verstößen (Nr. 1 A Abs. 1 und 2 der Leitlinien). Die Differenzierung der Unternehmen erfolgt in der Weise, dass nach Nr. 1 A Abs. 3, 4 und 6 der Leitlinien der individuelle Beitrag jedes Unternehmens zum Erfolg des Kartells, gemessen an der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, im Hinblick auf seine Einstufung in die passende Kategorie ermittelt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 225; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Randnr. 360).

123    Der individuelle Beitrag jedes Unternehmens zum Erfolg des Kartells, gemessen an der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, ist jedoch von den tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung nach Nr. 1 A Abs. 1 der Leitlinien zu unterscheiden. In diesem letzten Fall werden die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung berücksichtigt, soweit diese messbar sind, um die Zuwiderhandlung als minder schwere, schwere und besonders schwere Zuwiderhandlung einzustufen. Der individuelle Beitrag jedes Unternehmens als solcher wird berücksichtigt, um die nach der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmten Beträge zu gewichten.

124    Daher kann die Kommission selbst bei Fehlen einer konkreten, messbaren Auswirkung der Zuwiderhandlung gemäß Nr. 1 A Abs. 3, 4 und 6 der Leitlinien und nach Einstufung der Zuwiderhandlung als minder schwer, schwer und besonders schwer beschließen, zwischen den betroffenen Unternehmen zu differenzieren.

125    Somit sind die Ausführungen von Dow im Rahmen der Teile 2 bis 4 des dritten Klagegrundes nicht geeignet, die von der Kommission vorgenommene Einstufung innerhalb der Kategorie der besonders schweren Zuwiderhandlung zu widerlegen.

126    Wie bereits vorstehend in Randnr. 113 erwähnt, bestreitet Dow im Rahmen ihrer Klage zudem nicht den rechtswidrigen Gegenstand des Kartells, wie er in der angefochtenen Entscheidung und insbesondere in Art. 1 beschrieben wird. Insoweit ergibt sich aus der Beschreibung der besonders schwerwiegenden Zuwiderhandlungen in den Leitlinien, dass Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen, die insbesondere, wie vorliegend, auf die Festlegung von Preiszielen oder die Aufteilung der Märkte gerichtet sind, allein schon aufgrund ihrer Natur als „besonders schwerwiegend“ eingestuft werden können, ohne dass die Kommission eine konkrete Auswirkung auf den Markt nachweisen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, Slg. 2009, I‑7415, Randnr. 75; vgl. auch Urteile Brasserie nationale u. a./Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 178, sowie Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 345). Ferner gehören horizontale Preisabsprachen nach ständiger Rechtsprechung zu den schwersten Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und können daher als solche als besonders schwere Verstöße eingestuft werden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Randnr. 103, sowie Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 147).

127    Die Kommission hat daher keinen Fehler begangen, indem sie die streitigen Praktiken aufgrund ihrer Natur als besonders schwere Verstöße einstufte, ohne die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt zu berücksichtigen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Behauptung von Dow die Kommission im 462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eindeutig angegeben hat, dass sie bei der Bemessung der Geldbußen die Auswirkungen auf den Markt nicht berücksichtigen werde.

128    Hinsichtlich des Vorwurfs einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs von Dow ist zu beachten, dass dieser Grundsatz insbesondere verlangt, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Kommission an ein Unternehmen richtet, gegen das sie eine Sanktion wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zu verhängen beabsichtigt, die wesentlichen diesem Unternehmen zur Last gelegten Gesichtspunkte wie den ihm vorgeworfenen Sachverhalt, dessen Einstufung und die von der Kommission herangezogenen Beweismittel enthält, damit sich das Unternehmen im Rahmen des gegen sie geführten Verwaltungsverfahrens sachgerecht äußern kann (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Arbed/Kommission, C‑176/99 P, Slg. 2003, I‑10687, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Was die Berechnung der Geldbußen betrifft, erfüllt die Kommission ihre Verpflichtung zur Wahrung des Anhörungsrechts der Unternehmen, wenn sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festzusetzen seien, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den Umstand anführt, ob diese „vorsätzlich oder fahrlässig“ begangen worden sei. Damit macht sie gegenüber den Unternehmen die Angaben, die diese für ihre Verteidigung nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Festsetzung einer Geldbuße benötigen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 428; vgl. Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 199 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 139). Hier genügt es, festzustellen, dass die Kommission die Auswirkungen des Kartells auf dem Markt zur Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt hat (462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Aufgrund dessen ist der Anspruch von Dow auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

129    Daher sind die von Dow im Rahmen der Teile 2 bis 4 des dritten Klagegrundes vorgebrachten Argumente unbegründet.

130    Somit sind die Teile 2 bis 4 des dritten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum hilfsweise geltend gemachten fünften Teil des dritten Klagegrundes

131    Die zwischen den Unternehmen vorgenommene Differenzierung besteht darin, nach Nr. 1 A Abs. 3, 4 und 6 der Leitlinien den individuellen Beitrag jedes Unternehmens zum Erfolg des Kartells, gemessen an der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, im Hinblick auf seine Einstufung in die passende Kategorie zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 225; vgl. auch Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 360). Besonders Nr. 1 A Abs. 6 der Leitlinien ermöglicht es, „das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“. In diesem Rahmen hat die Kommission, wenn sie eine Aufteilung nach Kategorien vornimmt, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten, wonach ohne eine objektive Rechtfertigung vergleichbare Situationen nicht ungleich und ungleiche Situationen nicht gleichbehandelt werden dürfen (Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 406; vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 219, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 324). Nach der Rechtsprechung muss die Höhe der Geldbußen zudem zumindest in einem angemessenen Verhältnis zu den Faktoren stehen, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen (Urteile Tate & Lyle u. a./Kommission, oben in Randnr. 126 angeführt, Randnr. 106; vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, Randnr. 219, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 324). Folglich muss, wenn die Kommission die betroffenen Unternehmen zur Festsetzung der Geldbußen in Kategorien einteilt, die Bestimmung der Schwellenwerte für jede der auf diese Weise gebildeten Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt sein (Urteile CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 416, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 325). Schließlich können zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung nach ständiger Rechtsprechung je nach Fall die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, sowie die Größe und Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben konnte. Daraus ergibt sich zum einen, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl den Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch den Teil dieses Umsatzes berücksichtigen darf, der mit dem Verkauf der Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, und der somit einen Anhaltspunkt für deren Ausmaß liefern kann. Andererseits folgt daraus, dass weder die eine noch die andere Zahl im Verhältnis zu den anderen Bewertungskriterien überbewertet werden darf, damit die Festlegung des Betrags einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis einer reinen Berechnung auf der Grundlage des Weltumsatzes ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑175/05, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).

132    Dow widerspricht insbesondere der Verwendung ihrer Umsatzzahlen aus dem Jahr 2001 für BR und ESBR. Sie meint im Kern, dieser Umsatz sei unangemessen, da sich ihre Umsatzzahlen auf den betreffenden Märkten infolge der Übernahme der Geschäfte von Shell auf diesen Märkten in 1999 bedeutend entwickelt hätten.

133    Ist auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen abzustellen, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen, so muss im Übrigen der zu berücksichtigende Zeitraum so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen so weit wie möglich miteinander vergleichbar sind. Folglich kann ein bestimmtes Unternehmen nur dann verlangen, dass die Kommission bei ihm auf einen anderen als den im allgemeinen herangezogenen Zeitraum abstellt, wenn es nachweist, dass der von ihm im letztgenannten Zeitraum erzielte Umsatz aus für dieses Unternehmen spezifischen Gründen weder für seine wirkliche Größe und seine Wirtschaftskraft noch für das Ausmaß der von ihm begangenen Zuwiderhandlung einen Anhaltspunkt bietet (Urteil vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 131 angeführt, Randnr. 142).

134    Dow trägt jedoch mit Ausnahme einer bestimmten Entwicklung ihrer Umsatzzahlen zwischen 1999 und 2001 keine Umstände vor, um zu belegen, dass ihr Umsatz mit BR und ESBR im Jahr 2001 kein Indikator für ihre tatsächliche Größe und ihre Wirtschaftsmacht oder für das Ausmaß der von ihr begangenen Zuwiderhandlung ist.

135    Zur Ergänzung ist hervorzuheben, dass die tatsächlichen Auswirkungen der Übernahme des BR- und ESBR-Geschäfts von Shell auf die Umsätze von Dow angesichts der dem Gericht vorgelegten Beweise unsicher sind. Insbesondere ergibt sich aus der im 65. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung abgedruckten Tabelle 3, dass der Umsatz von Dow mit BR und ESBR zwischen 1998 und 2000 um 32 Mio. Euro zugenommen hat, während der Umsatz von Shell 1999 bei 86 Mio. Euro lag. In der gleichen Zeit stieg der Umsatz von Bayer, die nicht das Geschäft einer anderen Gesellschaft übernommen hat, mit BR und ESBR um fast 20 Mio. Euro. Der Umsatz von Dow mit BR und ESBR hat zudem zwischen 2000 und 2001 ebenfalls um mehr als 23 Mio. Euro zugenommen, also nachdem die Übernahme des Geschäfts von Shell vollzogen war.

136    Hinzu kommt, dass der Umsatz von Dow infolge der Übernahme des BR- und ESBR-Geschäfts von Shell 1999 nicht zu einer Veränderung ihrer Position gegenüber anderen Konkurrenten geführt hat. Denn Dow ist in den Jahren 2000 und 2001 im Hinblick auf den Umsatz hinter EniChem und Bayer an dritter Stelle geblieben. Dieses Ergebnis bliebe gleich, würde man die von Dow in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagene Methode, nämlich den Durchschnitt der Umsätze aus den Jahren 1998 und 2001, anwenden. Denn in diesem Fall stünde Dow weiterhin hinter EniChem und Bayer und vor Shell.

137    Zudem ist festzustellen, dass die Kommission die besondere Situation, auf die Dow hinweist, im Rahmen der Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat. Die Kommission hat insbesondere im 479. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass Dow Chemical für die Zuwiderhandlung vom 1. Juli 1996 bis zum 28. November 2002, also sechs Jahre und fünf Monate, haftbar gemacht werden müsse. Diese Dauer der Zuwiderhandlung würde allerdings zu einer Erhöhung des Grundbetrags der zu verhängenden Geldbuße um 60 % führen. In Anbetracht der Tatsache jedoch, dass das BR- und ESBR-Geschäft von Shell während der ersten drei Jahre der Zuwiderhandlung nicht zu Dow gehörte und dass Shell ebenfalls für die Zuwiderhandlung während desselben Zeitraums haftet, hat die Kommission in demselben Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung entschieden, den gegen Dow Chemical zu verhängenden Grundbetrag der Geldbuße nur um 50 % zu erhöhen. Die Kommission hat dieselben Umstände berücksichtigt, um die Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung bezüglich Dow Deutschland von 50 % auf 40 % zu senken (480. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Dow hat nichts vorgetragen, woraus sich ergeben würde, dass die Kommission bei der Wahl dieser Methode offensichtlich einen Fehler begangen hätte.

138    Angesichts dieser Umstände ist der fünfte Teil des dritten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum sechsten Teil des dritten Klagegrundes

139    Auch wenn es den von Dow vorgetragenen Argumenten an Klarheit mangelt, lässt sich aus ihren Schriftsätzen ableiten, dass sie im Kern meint, die Kommission habe dem „spezifischen Gewicht“ der an dem Kartell beteiligten Unternehmen im Vergleich zu der „Schwere“ der Zuwiderhandlung ein zu großes Gewicht beigemessen. Die von der Kommission vorgenommene Differenzierung zwischen den betroffenen Unternehmen trotz der für alle gleichen Schwere der Zuwiderhandlung sei daher nicht gerechtfertigt.

140    Es ist davon auszugehen, dass Dow eigentlich eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend macht. Sie bestreitet jedoch nicht, dass zwischen den betroffenen Unternehmen hinsichtlich ihrer Umsätze mit BR und ESBR für die von der Kommission herangezogenen Jahre teilweise beträchtliche Unterschiede bestehen. Zudem ergibt sich aus Nr. 1 A Abs. 6 der Leitlinien eindeutig, dass die Kommission die Beträge der Geldbuße gewichten darf, um das jeweilige Gewicht des rechtswidrigen Verhaltens jedes einzelnen Unternehmens zu berücksichtigen.

141    Daher hat die Kommission durch die Festlegung des Grundbetrags der Geldbuße auf einem höheren Niveau für die Unternehmen, die auf dem betroffenen Markt einen verhältnismäßig größeren Anteil besitzen als die übrigen, den tatsächlich auf diesem Markt ausgeübten Einfluss des Unternehmens berücksichtigt. Dieser Gesichtspunkt ist nämlich Ausdruck der größeren Verantwortung, die Unternehmen mit einem vergleichsweise bedeutenderen Marktanteil als die übrigen Unternehmen für die Schädigung des Wettbewerbs und letztlich der Verbraucher durch die Bildung eines geheimen Kartells tragen (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnr. 230).

142    Angesichts dieser Umstände ist der sechste Teil des dritten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

c)     Zum siebten und zum achten Teil: rechtswidrige Anwendung eines Multiplikators zu Abschreckungszwecken

 Vorbringen der Parteien

143    Im Rahmen des siebten Teils des dritten Klagegrundes meint Dow, die Kommission habe den Umsatz von Dow Chemical, an die die angefochtene Entscheidung nicht hätte gerichtet werden dürfen (erster Klagegrund), nicht berücksichtigen dürfen, um den Multiplikator zu Abschreckungszwecken zu bestimmen, sondern nur den Umsatz der Tochtergesellschaften von Dow Chemical, die direkt an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien. Daraus ergebe sich, dass die Kommission auf Dow einen Multiplikator von etwa 1 hätte anwenden müssen. Die gegen drei Gesellschaften ihres Konzerns verhängten Geldbußen müssten daher herabgesetzt werden.

144    Im Rahmen des achten Teils des dritten Klagegrundes meint Dow, dass der von der Kommission gewählte Multiplikator von 1,75 selbst dann überhöht sei, wenn der Umsatz von Dow Chemical zu berücksichtigen wäre. Verglichen mit dem gegenüber EniChem (2) und dem gegenüber Shell (3) angewandten Multiplikator müsse der gegenüber Dow angewandte Multiplikator niedriger sein, da der Umsatz der beiden genannten Gesellschaften sehr viel höher sei. Dow betont insbesondere, die Kommission habe gegenüber Shell einen Multiplikator angewandt, der zu dem ihr gegenüber angewandten Multiplikator eine fünfmal höhere Differenz aufweise als die Differenz zwischen dem Multiplikator von Dow und dem von Bayer. Dagegen sei die Differenz zwischen dem Umsatz von Shell und dem von Dow 20-mal höher als die Differenz zwischen dem Umsatz von Dow und dem von Bayer. Außerdem meint Dow unter Verweis auf die Urteile vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 131 angeführt, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet worden sei, da zwischen dem ihr gegenüber angewandten Multiplikator und dem von EniChem nur eine Differenz von 0,25 bestehe, obwohl EniChem einen etwa doppelt so hohen Umsatz wie Dow Chemical aufweise. Zum Vergleich sei der Multiplikator von Dow um 0,25 Punkte höher als der von Bayer, während der Umsatz von Dow Chemical nicht dem Doppelten von dem von Bayer entspreche. Daher hätte der Multiplikator von Dow viel näher an dem von Bayer liegen müssen, also etwa bei 1,5. Auch deshalb müssten die gegen Dow verhängten Geldbußen herabgesetzt werden.

145    Die Kommission beantragt, den siebten und den achten Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Sie macht geltend, bei der Anwendung eines Multiplikators zu Abschreckungszwecken keinen Fehler begangen zu haben.

 Würdigung durch das Gericht

146    Der siebte Teil des dritten Klagegrundes von Dow stützt sich auf die im Rahmen des ersten Klagegrundes entwickelte Argumentation. Da der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist, ist auch der siebte Teil des dritten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

147    Bezüglich des achten Teils des dritten Klagegrundes von Dow ist festzustellen, dass die Leitlinien vorsehen, dass neben der Art der Zuwiderhandlung, ihren konkreten Auswirkungen auf den Markt sowie dessen räumlichem Umfang die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen ist, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und dass die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen ist, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. l A Abs. 4 der Leitlinien).

148    Die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 EG verstoßen, gehört zu den Befugnissen, die ihr verliehen worden sind, um sie in die Lage zu versetzen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsaufgabe zu erfüllen. Diese Aufgabe umfasst die Pflicht, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze in Wettbewerbssachen anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken. Daraus folgt, dass die Kommission bei der für die Bemessung der Geldbuße erforderlichen Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sicherstellen muss, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, die notwendige abschreckende Wirkung hat (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnrn. 105 und 106; Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, T‑31/99, Slg. 2002, II‑1881, Randnr. 166, sowie Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 169).

149    Dies verlangt, dass die Geldbuße angepasst wird, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie im Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt. Ein großes Unternehmen, das verglichen mit den übrigen Mitgliedern eines Kartells über beträchtliche finanzielle Ressourcen verfügt, kann die zur Zahlung seiner Geldbuße erforderlichen Mittel leichter aufbringen; dies rechtfertigt es im Hinblick auf eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße, insbesondere durch Anwendung eines Multiplikators, eine entsprechend höhere Geldbuße festzusetzen als für die gleiche Zuwiderhandlung eines Unternehmens, das nicht über derartige Ressourcen verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, oben in Randnr. 131 angeführt, Randnrn. 241 und 243; vgl. außerdem Urteile des Gerichts ABB Asea Brown Boveri/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 170, und vom 15 März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 235).

150    Hinzuzufügen ist, dass der Gerichtshof insbesondere die Relevanz der Berücksichtigung des Gesamtumsatzes jedes an einem Kartell beteiligten Unternehmens für die Festlegung der Geldbuße hervorgehoben hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 78 angeführt, Randnrn. 85 und 86, sowie vom 14. Juli 2005, Acerinox/Kommission, C‑57/02 P, Slg. 2005, I‑6689, Randnrn. 74 und 75; vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C‑289/04 P, Slg. 2006, I‑5859, Randnr. 17).

151    Schließlich ist hervorzuheben, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, darin besteht, zu gewährleisten, dass Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im EWR festgelegten Wettbewerbsregeln beachten. Folglich wird der Abschreckungsfaktor, der in die Berechnung der Geldbuße eines Unternehmens einbezogen werden kann, unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Gesichtspunkten und nicht nur der besonderen Situation des betreffenden Unternehmens ermittelt. Dieser Grundsatz gilt insbesondere dann, wenn die Kommission für die Geldbuße gegen ein Unternehmen einen „Abschreckungsmultiplikator“ bestimmt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnrn. 23 und 24).

152    Im vorliegenden Fall ist die Kommission davon ausgegangen, dass es die Bußgeldskala innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße ermögliche, die Geldbußen je nach Größe der einzelnen Unternehmen auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalte. Ausgehend von den Weltumsätzen der beteiligten Unternehmen im Jahr 2005 stellte die Kommission einen beträchtlichen Größenunterschied zwischen Kaučuk (2,718 Mrd. Euro Umsatz) und Stomil (38 Mio. Euro Umsatz) einerseits und den anderen beteiligten Unternehmen, insbesondere Bayer (27,383 Mrd. Euro Umsatz), dem ersten der Großunternehmen, an die die angefochtene Entscheidung ergangen war, andererseits fest. Auf dieser Grundlage und in Anbetracht der Umstände befand die Kommission, dass für Stomil und Kaučuk kein Multiplikator anzuwenden und für Bayer ein Multiplikator von 1,5 angemessen sei. Schließlich setzte sie ebenfalls auf dieser Grundlage und in Anbetracht der Umstände Multiplikatoren von 1,75 gegenüber Dow (37,221 Mrd. Euro Umsatz), von 2 gegenüber EniChem (73,738 Mrd. Euro Umsatz) und von 3 gegenüber Shell (246,549 Mrd. Euro Umsatz) fest (474. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

153    Soweit Dow mit ihren Argumenten eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend macht, ist festzustellen, dass die von der Kommission herangezogenen Multiplikatoren zu Abschreckungszwecken nach der relativen Größe der betroffenen Unternehmen bestimmt wurden. Dow bestreitet die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Umsätze nicht. Insbesondere bestreitet sie nicht, dass sie im Jahr 2005 größer als Bayer und kleiner als EniChem war. Daher ist es kohärent und objektiv gerechtfertigt, dass der Multiplikator zu Abschreckungszwecken zur Berechnung der gegen Dow verhängten Geldbuße höher ist als der, der zur Berechnung der gegen Bayer verhängten Geldbuße und niedriger als der zur Berechnung der gegen EniChem verhängten Geldbuße angewandte Multiplikator ist.

154    Zudem ist hervorzuheben, dass die Weltumsätze im Jahr 2005 bei 27,383 Mrd. Euro für Bayer und 37,221 Mrd. Euro für Dow (also 35,93 % höher als Bayer) lagen. Daher stellt die Erhöhung des Multiplikators zur Berechnung der gegen Dow verhängten Geldbuße um 16,66 % im Vergleich zu demjenigen, der zur Berechnung der gegen Bayer verhängten Geldbuße angewandt wurde (1,75 gegen 1,5), keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar. Die Kommission hätte auf dieser Grundlage für Dow sogar einen noch höheren Multiplikator festlegen können. Im Übrigen ergibt sich, soweit Dow das Gericht auffordert, die Rechtmäßigkeit der gegen die großen Unternehmen festgesetzten Bußgeldbeträge zu überprüfen, mit denen sich Dow vergleicht, insbesondere was den auf EniChem angewandten Multiplikator angeht, aus der angefochtenen Entscheidung, dass der auf Dow angewendete Multiplikator auf der Grundlage des Multiplikators von Bayer errechnet wurde und nicht auf der Grundlage des Multiplikators von EniChem oder Shell. Das Vorbringen von Dow geht daher insoweit ins Leere. Zudem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, eine genaue mathematische Formel anzuwenden (vgl. Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall hat die Kommission somit bei der Bestimmung der herangezogenen Multiplikatoren die wirtschaftliche Fähigkeit der betroffenen Unternehmen ermessensfehlerfrei berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 131 angeführt, Randnr. 155).

155    Soweit Dow schließlich eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geltend macht, trägt sie keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vor, dass der auf sie angewandte Multiplikator im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung und das Ziel, eine abschreckende Höhe der Geldbuße zu gewährleisten, unverhältnismäßig wäre.

156    Angesichts dieser Umstände ist der achte Teil des dritten Klagegrundes von Dow als unbegründet zurückzuweisen.

d)     Zum neunten Teil: fehlerhafte Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

157    Im Rahmen des neunten Teils des dritten Klagegrundes verweist Dow darauf, dass die Kommission bei der Berechnung der Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung die Tatsache berücksichtigt habe, dass das BR- und ESBR-Geschäft von Shell während der ersten Jahre der Zuwiderhandlung nicht zu Dow gehört habe. Die Kommission wende daher eine Erhöhung wegen lange andauernder Zuwiderhandlung um 50 % statt 60 % auf Dow Chemical und um 40 % statt 50 % auf Dow Deutschland an (Erwägungsgründe 479 und 480 der angefochtenen Entscheidung).

158    Dow meint jedoch, die Kommission hätte noch geringere Prozentsätze anwenden müssen. Da die Kommission angibt, dass jedes Jahr der Zuwiderhandlung eine Erhöhung um 10 % rechtfertige und sich das Geschäft „synthetischer Kautschuk“ von Dow durch die Übernahme des Geschäftsbereichs von Shell nach etwa drei Jahren mehr als verdoppelt habe, hätte sie eine Reduzierung um 5 % pro Jahr für jedes der drei betroffenen Jahre anwenden müssen, also eine Reduzierung um insgesamt 15 %. Da die Kommission normalerweise die gegen Dow Chemical verhängte Geldbuße um 60 % und die gegen Dow Deutschland verhängte Geldbuße um 50 % hätte erhöhen müssen, wäre die angemessene Erhöhung für eine lang andauernde Zuwiderhandlung 45 % für Dow Chemical und 35 % für Dow Deutschland gewesen. Die gegen Dow Chemical und Dow Deutschland verhängten Geldbußen müssten daher herabgesetzt werden.

159    Was die von der Kommission in ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen aufgestellte Behauptung angeht, sie habe die Umsätze von Dow Chemical im Jahr 1998 mit denen des Jahres 2000 verglichen, meint Dow, dieser Vergleich berücksichtige nicht, dass der Umsatz von Dow in der Sparte „synthetischer Kautschuk“ zwischen 1999 und 2000 zurückgegangen sei. Daher sei der Anstieg des Umsatzes im Jahr 2000 aufgrund der Übernahme des Geschäftsbereichs „synthetischer Kautschuk“ von Shell höher als die Differenz von 30 % zwischen dem Umsatz des Jahres 1998 und dem des Jahres 2000 gewesen. Dow habe mit der Übernahme des Geschäftsbereichs „synthetischer Kautschuk“ von Shell ihren Umsatz für die fraglichen Produkte nämlich mehr als verdoppelt. Dow verweist insbesondere auf die Umsätze von Dow und Shell für die fraglichen Produkte im Jahr 1998. Daher hätte die Kommission die Geldbuße um höchstens 5 % für jedes dieser Jahre erhöhen dürfen, statt, wie aus ihren Schriftsätzen hervorgehe, die Geldbuße für jedes der ersten drei Jahre der Zuwiderhandlung um 7 % zu erhöhen.

160    Nach Auffassung der Kommission ist der neunte Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Sie meint insbesondere, die angewandte Methode zur Berücksichtigung der strukturellen Veränderungen bei Dow sei kohärent und logisch.

 Würdigung durch das Gericht

161    Nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 ist die Dauer der Zuwiderhandlung einer der Gesichtspunkte, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße für Unternehmen, die gegen Wettbewerbsregeln verstoßen haben, zu berücksichtigen sind.

162    In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung unterscheiden die Leitlinien zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der für die Schwere des Verstoßes festgesetzte Ausgangsbetrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag um bis zu 10 % für jedes Jahr erhöht werden kann (Nr. 1 B Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich der Leitlinien).

163    Vorliegend hat die Kommission, wie oben in Randnr. 137 ausgeführt, im Rahmen der angewandten Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung die besondere Situation von Dow aufgrund der Übernahme des BR- und ESBR-Geschäfts von Shell im Jahr 1999 berücksichtigt. Dow bestreitet nicht die von der Kommission zur Berücksichtigung dieser besonderen Situation angewandte Methode. Die Argumente von Dow zielen hauptsächlich darauf, dass diese besondere Situation zu einer geringeren Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung hätte führen müssen. Selbst wenn diese Argumente von Dow im Rahmen der Berechnung durch die Kommission tatsächlich Berücksichtigung finden könnten, beruhen sie doch auf tatsächlichen Annahmen, die entweder unsicher oder sogar falsch sind oder nicht durch Beweise erhärtet werden. Dow meint insbesondere, ihr Geschäftsbereich „synthetischer Kautschuk“ habe sich durch die Übernahme des Geschäftsbereichs von Shell nach etwa drei Jahren mehr als verdoppelt. Neben der Tatsache, dass diese Behauptung durch keinen Beweis belegt wird, ist hervorzuheben, dass sich der Umsatz von Dow mit BR und ESBR, so wie er in der angefochtenen Entscheidung erscheint, zwischen 1998 und 2001 nicht verdoppelt hat. Zudem wird die Behauptung von Dow, wonach der Umsatz von Dow im Bereich „synthetischer Kautschuk“ in den Jahren 1999 und 2000 eingebrochen sei, durch keinen Beweis gestützt.

164    Daher sind die Argumente von Dow nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung insoweit zu widerlegen.

165    Aufgrund dessen ist der neunte Teil des dritten Klagegrundes von Dow und damit der dritte Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

166    Insgesamt folgt daraus, dass der zweite Klagegrund durchgreift und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung folglich für nichtig zu erklären ist, soweit darin die Beteiligung von Dow Deutschland an der streitigen Zuwiderhandlung ab dem 1. Juli 1996 statt dem 2. September 1996 angenommen wird; im Übrigen sind die Anträge auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

B –  Zu den Anträgen auf Änderung des Betrags der Geldbuße

167    Soweit die von Dow vorgebrachten Klagegründe ihre Anträge auf Änderung des Betrags der Geldbuße betreffen, ist festzustellen, dass hinsichtlich des zweiten Klagegrundes, dem zu folgen ist, der Betrag der streitigen Geldbuße nicht zu ändern ist, da der Fehler der Kommission nicht geeignet ist, die Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung zu beeinflussen, was auch Dow in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

168    Was die übrigen Klagegründe von Dow anbelangt, genügt die Feststellung, dass diese Klagegründe, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht begründet sind und daher nicht zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen können.

169    Daher sind die Anträge auf Änderung des Betrags der Geldbuße zurückzuweisen.

 Kosten

170    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

171    Da die Klage im Wesentlichen abgewiesen worden ist, entscheidet das Gericht unter angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles, den Klägerinnen ihre eigenen Kosten sowie neun Zehntel der Kosten der Kommission und dieser ein Zehntel ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.

172    Hinsichtlich der Anträge der Klägerinnen, der Kommission die ihnen für die Bereitstellung einer Bankbürgschaft zur Deckung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße entstandenen Kosten aufzuerlegen, ist festzustellen, dass die Kosten keine für das Verfahren notwendigen Aufwendungen der Parteien darstellen und daher nicht zu den nach Art. 91 der Verfahrensordnung erstattungsfähigen Kosten gehören. Der dahin gehende Antrag der Klägerinnen ist folglich unzulässig.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Buchst. b der Entscheidung K(2006) 5700 endg. der Kommission vom 29. November 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.638 – Butadienkautschuk und Emulsionsstyrol-Butadienkautschuk) wird für nichtig erklärt, soweit darin die Beteiligung der Dow Deutschland Inc. an der fraglichen Zuwiderhandlung vom 1. Juli 1996 bis zum 27. November 2001 statt vom 2. September 1996 bis zum 27. November 2001 festgestellt wird.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      The Dow Chemical Company, Dow Deutschland, die Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH und die Dow Europe GmbH tragen ihre eigenen Kosten und neun Zehntel der Kosten der Europäischen Kommission.

4.      Die Kommission trägt ein Zehntel ihrer eigenen Kosten.

Dehousse

Wiszniewska-Białecka

Wahl

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

A –  Zum Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

1.  Zum ersten Klagegrund: rechtswidrige Zurechnung der Zuwiderhandlung an Dow Chemical

a)  Zum ersten Teil: Anwendung eines falschen Kriteriums für die Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft

b)  Zum zweiten Teil: Widerlegung der gegen sie gerichteten Vermutung durch Dow Chemical

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

c)  Zum dritten Teil: fehlerhafte Ausübung des Ermessens der Kommission und fehlende Begründung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

2.  Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Bestimmung der Dauer der Beteiligung von Dow Deutschland an der Zuwiderhandlung

a)  Vorbringen der Parteien

Vorbringen von Dow

Vorbringen der Kommission

b) Würdigung durch das Gericht

3.  Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Bestimmung der Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

a)  Zum ersten Teil: Fehlerhafte Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zu den Teilen 2 bis 6: Fehlerhafte differenzierte Anwendung der Grundbeträge der Geldbußen

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

–  Zu den Teilen 2 bis 4 des drittes Klagegrundes

–  Zum hilfsweise geltend gemachten fünften Teil des dritten Klagegrundes

–  Zum sechsten Teil des dritten Klagegrundes

c)  Zum siebten und zum achten Teil: rechtswidrige Anwendung eines Multiplikators zu Abschreckungszwecken

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

d)  Zum neunten Teil: fehlerhafte Erhöhung wegen der Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

B –  Zu den Anträgen auf Änderung des Betrags der Geldbuße

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.