Language of document : ECLI:EU:C:2018:65

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 6. Februar 2018(1)

Rechtssache C390/16

Strafverfahren

gegen

Dániel Bertold Lada

(Vorabentscheidungsersuchen des Szombathelyi Törvényszék [Gerichtshof Szombathely, Ungarn])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Art. 82 Abs. 1 AEUV – Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen Urteile und Entscheidungen in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2009/315/JI und Beschluss 2009/316/JI – Europäisches Strafregisterinformationssystem (ECRIS) – Rahmenbeschluss 2008/675/JI – Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen früheren Verurteilung in einem neuen Strafverfahren – Abhängigkeit einer solchen Berücksichtigung von einem innerstaatlichen Verfahren zur vorherigen Anerkennung dieser Verurteilung – Verpflichtung zu unionsrechtskonformer Auslegung – Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts – Verpflichtung, eine zu einem Rahmenbeschluss im Widerspruch stehende nationale Regelung unangewendet zu lassen“






1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird die Frage aufgeworfen, ob eine von einem Gericht eines Mitgliedstaats ausgesprochene Verurteilung im Rahmen eines von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats durchgeführten innerstaatlichen Verfahrens zur Anerkennung dieser Verurteilung einer Überprüfung unterzogen werden kann, die zu einer Anpassung dieser Verurteilung – nämlich einer Neubewertung der Straftat und einer Änderung der verhängten Strafe mit dem Ziel, sie mit dem Strafrecht dieses letzteren Mitgliedstaats vereinbar zu machen – führen kann.

2.        Dieses Ersuchen wird den Gerichtshof veranlassen, sein Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(2), zu präzisieren. Es ist anlässlich der Durchführung eines Verfahrens in Ungarn vorgelegt worden, das die Anerkennung eines von einem österreichischen Gericht gegen Dániel Bertold Lada erlassenen rechtskräftigen Urteils zum Gegenstand hat.

3.        Dies veranschaulicht einmal mehr die von den ungarischen Behörden im Hinblick auf ausländische Urteile in Strafsachen befolgte Praxis. Diese besteht darin, dass das Igazságügyi Minisztérium (ungarisches Justizministerium) das Gericht eines anderen Mitgliedstaats, das ein Strafurteil gegen einen ungarischen Staatsangehörigen erlassen hat, um Übermittlung dieses Urteils ersucht. Das Ersuchen ergeht zur Einleitung eines Verfahrens, durch das die Wirksamkeit dieses Urteils in Ungarn anerkannt werden soll. Das Urteil wird nach seiner Anerkennung in Ungarn als gleichwertig mit einer innerstaatlichen Verurteilung angesehen, die im Strafregister eingetragen ist.

4.        Der Gerichtshof hat im Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(3), entschieden, dass der Rahmenbeschluss 2009/315/JI des Rates vom 26. Februar 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten(4) sowie der Beschluss 2009/316/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Einrichtung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) gemäß Artikel 11 des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI(5) dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, mit der ein besonderes innerstaatliches Verfahren für die Anerkennung, durch das Gericht eines Mitgliedstaats, einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, mit der eine Person wegen der Begehung einer Straftat verurteilt wurde, geschaffen wird.

5.        In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, seine Entscheidung in seinem Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(6), im Hinblick auf dasselbe innerstaatliche Anerkennungsverfahren zu ergänzen, indem er nunmehr den Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren(7) auslegt. Dies wird die zweite Auslegung dieses Rahmenbeschlusses sein, nachdem der Gerichtshof in einer ersten Auslegung im Urteil vom 21. September 1017, Beshkov(8), die Vereinbarkeit eines innerstaatlichen Verfahrens zur Anerkennung der Verurteilungen in anderen Mitgliedstaaten mit dem Unionsrecht untersucht hatte.

6.        Die Rahmenbeschlüsse 2009/315 und 2008/675 hängen eng miteinander zusammen, denn der erste bezweckt die Erleichterung des Informationsaustauschs aus dem Strafregister einer in einem Mitgliedstaat verurteilten Person zwischen den Mitgliedstaaten, und der zweite ermöglicht sodann die Berücksichtigung der so bekannt gegebenen Verurteilung oder Verurteilungen. Die Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten wäre nur von begrenztem Nutzen, wenn diese nicht in der Lage wären, die übermittelten Informationen zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten weiter verbessert werden, damit Verurteilungen im Ausland in neuen Strafverfahren berücksichtigt werden können.

7.        Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die Gründe zu erläutern, aus denen die Mitgliedstaaten keine innerstaatlichen Verfahren zur Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Verurteilungen aufrechterhalten dürfen, in denen sie diese Verurteilungen überprüfen und gegebenenfalls inhaltlich ändern, um sie an ihr Strafrecht anzupassen. Ich werde namentlich erklären, weshalb die im Rahmenbeschluss 2008/675 vorgeschriebene Berücksichtigung solcher Urteile in neuen Strafverfahren nicht von der vorherigen Durchführung eines innerstaatlichen Verfahrens zur Anerkennung dieser Urteile abhängig gemacht werden darf.

8.        Angesichts der Zweifel des vorlegenden Gerichts an der Möglichkeit, in einem innerstaatlichen Verfahren unter Berufung auf Rahmenbeschlüsse die Anwendung einer diesen entgegenstehenden nationalen Regelung auszuschließen, werde ich in Anlehnung an meine Schlussanträge in der Rechtssache Popławski (Urteil vom 29. Juni 2017)(9) darlegen, weshalb es der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts meines Erachtens gebietet, die Möglichkeit der Berufung auf Rahmenbeschlüsse mit dem Ziel eines solchen Ausschlusses zu bejahen.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Rahmenbeschluss 2009/315

9.        In den Erwägungsgründen 2, 3, 5 und 17 des Rahmenbeschlusses 2009/315 heißt es:

„(2)      Am 29. November 2000 hat der Rat … ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen … angenommen. Der vorliegende Rahmenbeschluss trägt dazu bei, die in Maßnahme Nr. 3 des Programms genannten Ziele zu erreichen …

(3)      Im Schlussbericht über die erste Begutachtungsrunde zur Rechtshilfe in Strafsachen … wurden die Mitgliedstaaten ersucht, die Verfahren für die Übermittlung von Dokumenten zwischen Staaten zu vereinfachen; hierzu sollten gegebenenfalls Standardformulare verwendet werden, die der Erleichterung der Rechtshilfe dienen sollen.

(5)      Mit Blick auf die Verbesserung des Informationsaustauschs aus den Strafregistern zwischen den Mitgliedstaaten werden die zur Verwirklichung dieses Ziels entwickelten Projekte begrüßt … Die … gesammelte Erfahrung … hat gezeigt, dass der gegenseitige Austausch von Informationen über Verurteilungen zwischen den Mitgliedstaaten weiter vereinfacht werden muss.

(17)      … Die gegenseitige Verständigung kann verbessert werden, indem ein ‚europäisches Standardformat‘ entwickelt wird, das den Austausch der Informationen in einer einheitlichen, elektronischen Form ermöglicht, die die automatisierte Übersetzung dieser Informationen erleichtert …“

10.      In Art. 1 dieses Rahmenbeschlusses wird dessen Zweck wie folgt beschrieben:

„Zweck dieses Rahmenbeschlusses ist es

a)      die Modalitäten festzulegen, nach denen ein Mitgliedstaat, in dem eine Verurteilung gegen einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ergangen ist (nachstehend ‚Urteilsmitgliedstaat‘ genannt), die Informationen über eine solche Verurteilung dem Mitgliedstaat übermittelt, dessen Staatsangehörigkeit die verurteilte Person besitzt (nachstehend ‚Herkunftsmitgliedstaat‘ genannt);

b)      die Pflichten des Herkunftsmitgliedstaats für das Speichern dieser Informationen und die Modalitäten für die Beantwortung eines Ersuchens um Informationen aus dem Strafregister zu bestimmen;

c)      die Rahmenbedingungen für den Auf- und Ausbau eines elektronischen Systems zum Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen zwischen den Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieses Rahmenbeschlusses und des späteren Beschlusses nach Artikel 11 Absatz 4 festzulegen.“

11.      In Art. 4 („Pflichten des Urteilsmitgliedstaats“) dieses Rahmenbeschlusses heißt es:

„…

(2)      Die Zentralbehörde des Urteilsmitgliedstaats unterrichtet die Zentralbehörden der anderen Mitgliedstaaten so schnell wie möglich über die im Hoheitsgebiet des Urteilsmitgliedstaats ergangenen und in das Strafregister eingetragenen Verurteilungen von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten.

(3)      Auskünfte über eine spätere Änderung oder Streichung von Informationen im Strafregister werden von der Zentralbehörde des Urteilsmitgliedstaats unverzüglich an die Zentralbehörde des jeweiligen Herkunftsmitgliedstaats übermittelt.

(4)      Jeder Mitgliedstaat, der gemäß den Absätzen 2 und 3 Informationen bereitgestellt hat, übermittelt der Zentralbehörde des Herkunftsmitgliedstaats auf deren Ersuchen im Einzelfall eine Abschrift der in Betracht kommenden Urteile und nachfolgenden Maßnahmen sowie alle weiteren diesbezüglichen Auskünfte, um ihr die Prüfung zu ermöglichen, ob dadurch eine Maßnahme auf nationaler Ebene erforderlich wird.“

12.      Art. 5 („Pflichten des Herkunftsmitgliedstaats“) Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2009/315 bestimmt:

„Die Zentralbehörde des Herkunftsmitgliedstaats speichert gemäß Artikel 11 Absätze 1 und 2 alle ihr nach Artikel 4 Absätze 2 und 3 übermittelten Informationen für die Zwecke der Weiterübermittlung nach Artikel 7.“

13.      In Art. 11 („Format und sonstige Modalitäten für die Durchführung und Erleichterung des Informationsaustauschs über Verurteilungen“) Abs. 1 dieses Rahmenbeschlusses heißt es:

„(1)      Bei der Übermittlung von Informationen nach Artikel 4 Absätze 2 und 3 übermittelt die Zentralbehörde des Urteilsmitgliedstaats die folgenden Informationen:

a)      Informationen, die in jedem Fall zu übermitteln sind … (obligatorische Informationen):

i)      Informationen zu der Person, gegen die die Verurteilung ergangen ist (vollständiger Name, Geburtsdatum, Geburtsort (Stadt und Staat), Geschlecht, Staatsangehörigkeit und – gegebenenfalls – frühere/r Name/n,

ii)      Informationen zur Art der Verurteilung (Datum der Verurteilung, Bezeichnung des Gerichts, Datum, an dem die Entscheidung rechtskräftig wurde),

iii)      Informationen über die der Verurteilung zugrunde liegende Straftat (Datum der … Straftat und Bezeichnung oder rechtliche Qualifikation der Straftat sowie Bezugnahme auf die anwendbaren gesetzlichen Vorschriften) und

iv)      Informationen zum Inhalt der Verurteilung, insbesondere Hauptstrafe und etwaige zusätzliche Strafen, Maßnahmen der Besserung und Sicherung und Folgeentscheidungen, die die Vollstreckung der Strafe abändern;

b)      Informationen, die übermittelt werden, wenn sie in das Strafregister eingetragen sind (fakultative Informationen):

i)      die Namen der Eltern der verurteilten Person,

ii)      das Aktenzeichen des Urteils,

iii)      der Ort der Tatbegehung und

iv)      Rechtsverluste, die sich aus der Verurteilung ergeben;

c)      Informationen, die übermittelt werden, wenn sie den Zentralbehörden zur Verfügung stehen (zusätzliche Informationen):

i)      die Identitätsnummer der verurteilten Person …,

ii)      Fingerabdrücke der betreffenden Person und

iii)      gegebenenfalls Pseudonym und/oder Aliasname(n).

Zusätzlich kann die Zentralbehörde alle anderen Informationen über Verurteilungen übermitteln, die in das Strafregister eingetragen sind.

(2)      Die Zentralbehörde des Herkunftsmitgliedstaats speichert alle Informationen der in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Kategorien, die sie nach Artikel 5 Absatz 1 zum Zweck der Weiterübermittlung nach Artikel 7 erhalten hat. Sie kann die Informationen der in Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c und Unterabsatz 2 genannten Kategorien zu demselben Zweck speichern.

(3)      …

Nach Ablauf der Frist nach Absatz 7 übermitteln die Zentralbehörden der Mitgliedstaaten einander diese Informationen auf elektronischem Wege in einem Standardformat.

(4)      Das Format nach Absatz 3 sowie die sonstigen Modalitäten für die Durchführung und Erleichterung des Austauschs von Informationen über Verurteilungen zwischen den Zentralbehörden der Mitgliedstaaten werden vom Rat … festgelegt.

Die sonstigen Modalitäten umfassen:

a)      die Festlegung sämtlicher Modalitäten, die das Verständnis der übermittelten Informationen und ihre automatische Übersetzung erleichtern;

…“

2.      Beschluss 2009/316

14.      In den Erwägungsgründen 2, 6 und 12 des Beschlusses 2009/316 heißt es:

„(2)      Auf der derzeitigen Grundlage des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 findet kein effizienter Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen, die gegen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind, statt. Es bedarf daher auf der Ebene der … Union effizienterer und einfacherer Verfahren für einen solchen Informationsaustausch.

(6)      Mit diesem Beschluss soll der Rahmenbeschluss [2009/315] durchgeführt werden, damit ein elektronisches System für den Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen zwischen den Mitgliedstaaten errichtet und weiterentwickelt werden kann … Es sollte … ein Standardformat eingeführt werden, das den Austausch der Informationen in einer einheitlichen, elektronischen und einer leicht elektronisch übersetzbaren Form ermöglicht, und es sollten weitere Vorkehrungen getroffen werden, um den elektronischen Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen zwischen den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten zu organisieren und zu erleichtern.

(12)      Die Referenztabellen mit Kategorien von Straftatbeständen und Kategorien von Strafen und Maßnahmen in diesem Beschluss sollen durch Nutzung eines Codesystems die automatische Übersetzung erleichtern und das übereinstimmende Verständnis der übermittelten Informationen ermöglichen …“

15.      Art. 1 dieses Beschlusses, in dem dessen Gegenstand beschrieben wird, bestimmt:

„Mit diesem Beschluss wird das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) eingerichtet.

Er legt außerdem Elemente eines Standardformats für den elektronischen Austausch von Strafregisterinformationen zwischen den Mitgliedstaaten fest, das insbesondere Angaben über die Straftat, die der Verurteilung zugrunde liegt, sowie über die Verurteilung selbst … enthält …“

16.      In Art. 3 („Europäisches Strafregisterinformationssystem [ECRIS]“) Abs. 1 dieses Beschlusses heißt es:

„ECRIS ist ein dezentrales Informationstechnologiesystem, das auf den Strafregisterdatenbanken der einzelnen Mitgliedstaaten beruht. Es setzt sich aus folgenden Elementen zusammen:

a)      einer … Verbindungssoftware, die den Austausch von Informationen zwischen den Strafregisterdatenbanken der Mitgliedstaaten ermöglicht;

…“

17.      Art. 4 („Datenübertragungsformat“) des Beschlusses 2009/316 bestimmt:

„(1)      Bei der Übermittlung von Informationen gemäß Artikel 4 Absätze 2 und 3 und Artikel 7 des Rahmenbeschlusses [2009/315] betreffend die Bezeichnung oder die Qualifikation einer Straftat und die geltenden Rechtsvorschriften nehmen die Mitgliedstaaten Bezug auf den entsprechenden Code für jeden der in der Übermittlung genannten Straftatbestände wie er in der Tabelle der Straftatbestände in Anhang A vorgesehen ist …

Die Mitgliedstaaten können auch vorliegende Informationen über den Grad der Tatbestandsverwirklichung und den Grad der Beteiligung an einer Straftat und gegebenenfalls über das Vorliegen einer Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit oder über Rückfalltaten zur Verfügung stellen.

(2)      Bei der Übermittlung von Informationen gemäß Artikel 4 Absätze 2 und 3 und Artikel 7 des Rahmenbeschlusses [2009/315], die die Verurteilung selbst, insbesondere die Hauptstrafe, sowie mögliche Nebenstrafen, Maßregeln der Besserung und Sicherung und Folgeentscheidungen, die die Vollstreckung der Strafe abändern, betreffen, nehmen die Mitgliedstaaten Bezug auf den entsprechenden Code für die in der Übermittlung genannten einzelnen Strafen und Maßnahmen, wie er in der Tabelle der Strafen und Maßnahmen in Anhang B vorgesehen ist …

Die Mitgliedstaaten erteilen gegebenenfalls auch vorliegende Informationen über die Art und/oder die Bedingungen für die Vollstreckung der verhängten Strafen und Maßnahmen, wie sie in den Parametern des Anhangs B vorgesehen sind …“

3.      Rahmenbeschluss 2008/675

18.      In den Erwägungsgründen 2, 5 bis 8 und 13 des Rahmenbeschlusses 2008/675 heißt es:

„(2)      Am 29. November 2000 hat der Rat … das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen … angenommen; hierin wird Folgendes vorgesehen: ‚Annahme eines oder mehrerer Rechtsakte, in denen der Grundsatz verankert ist, dass das Gericht eines Mitgliedstaats die in den anderen Mitgliedstaaten ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen in Strafsachen heranziehen können muss, um die strafrechtliche Vergangenheit eines Täters bewerten, eine Rückfälligkeit berücksichtigen und die Art der Strafen und die Einzelheiten des Strafvollzugs entsprechend festlegen zu können.‘

(5)      Als Grundsatz sollte gelten, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat nach innerstaatlichem Recht ergangene Verurteilung mit gleichwertigen tatsächlichen bzw. verfahrens- oder materiellrechtlichen Wirkungen versehen werden sollte wie denjenigen, die das innerstaatliche Recht den im Inland ergangenen Verurteilungen zuerkennt. Eine Harmonisierung der in den verschiedenen Rechtsordnungen für frühere Verurteilungen vorgesehenen Rechtswirkungen durch diesen Rahmenbeschluss ist jedoch nicht beabsichtigt und in anderen Mitgliedstaaten ergangene frühere Verurteilungen müssen nur in dem Maße berücksichtigt werden wie im Inland nach innerstaatlichem Recht ergangene Verurteilungen.

(6)      Im Gegensatz zu anderen Rechtsinstrumenten bezweckt dieser Rahmenbeschluss nicht, dass in einem Mitgliedstaat gerichtliche Entscheidungen vollstreckt werden, die in anderen Mitgliedstaaten ergangen sind; vielmehr soll ermöglicht werden, dass in einem Mitgliedstaat ergangene frühere Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren in einem anderen Mitgliedstaat in dem Umfang mit Rechtsfolgen verbunden werden, wie solche Rechtsfolgen nach Maßgabe des Rechts dieses anderen Mitgliedstaats mit früheren nach innerstaatlichem Recht ergangenen Verurteilungen verbunden sind. Daher enthält dieser Rahmenbeschluss keine Verpflichtung zur Berücksichtigung solcher früheren Verurteilungen, wenn beispielsweise die im Rahmen anwendbarer Rechtsinstrumente erhaltenen Informationen nicht ausreichen, wenn eine innerstaatliche Verurteilung für die Tat, die der früheren Verurteilung zugrunde lag, nicht möglich gewesen wäre oder wenn die früher verhängte Sanktion dem innerstaatlichen Rechtssystem unbekannt ist.

(7)      Eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilung sollte gleichwertige Wirkungen entfalten wie eine im Inland ergangene Entscheidung, und zwar sowohl in der Phase vor dem eigentlichen Strafverfahren als auch während des Strafverfahrens und der Strafvollstreckung.

(8)      Liegen bei einem Strafverfahren in einem Mitgliedstaat Informationen über eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene frühere Verurteilung vor, so sollte so weit wie möglich vermieden werden, dass die betreffende Person schlechter behandelt wird, als wenn die frühere Verurteilung im Inland ergangen wäre.

(13)      Dieser Rahmenbeschluss trägt der Vielfalt der innerstaatlichen Lösungen und Verfahren für die Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Verurteilung Rechnung. Die Tatsache, dass die Möglichkeit einer Überprüfung einer früheren Verurteilung ausgeschlossen ist, sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, nötigenfalls eine Entscheidung zu erlassen, mit der eine solche frühere Verurteilung mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen wird. Die mit dem Erlass einer solchen Entscheidung verbundenen Verfahren sollten es aufgrund der erforderlichen Zeit und Verfahren oder Formalitäten jedoch nicht unmöglich machen, eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene frühere Verurteilung mit gleichwertigen Rechtswirkungen zu versehen.“

19.      Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschluss 2008/675 lautet:

„In diesem Rahmenbeschluss wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen in einem Mitgliedstaat in einem Strafverfahren gegen eine Person frühere Verurteilungen, die gegen dieselbe Person wegen einer anderen Tat in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind, berücksichtigt werden.“

20.      Art. 3 („Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Verurteilung in einem neuen Strafverfahren“) dieses Rahmenbeschlusses bestimmt:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts in einem Strafverfahren gegen eine Person frühere, in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen derselben Person wegen einer anderen Tat, zu denen im Rahmen geltender Rechtsinstrumente über die Rechtshilfe oder den Austausch von Informationen aus Strafregistern Auskünfte eingeholt wurden, in dem Maße berücksichtigt werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen und dass sie mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen.

(2)      Absatz 1 findet auf das Stadium vor dem Strafverfahren, im Strafverfahren selbst und bei der Strafvollstreckung Anwendung, insbesondere im Hinblick auf die anwendbaren Verfahrensvorschriften einschließlich der Vorschriften über die Untersuchungshaft, die rechtliche Einordnung des Tatbestands, Art und Umfang der Strafe sowie die Vollstreckungsvorschriften.

(3)      Die Berücksichtigung früherer, in einem anderen Mitgliedstaat ergangener Verurteilungen nach Absatz 1 hat nicht die Wirkung, dass frühere Verurteilungen oder Entscheidungen zu ihrer Vollstreckung durch den Mitgliedstaat, in dem das neue Verfahren geführt wird, abgeändert, aufgehoben oder überprüft werden.

(4)      In Übereinstimmung mit Absatz 3 findet Absatz 1 keine Anwendung, soweit die Berücksichtigung der früheren Verurteilung für den Fall, dass es sich dabei um eine in dem Mitgliedstaat, in dem das neue Verfahren geführt wird, ergangene Verurteilung gehandelt hätte, nach dessen innerstaatlichem Recht die Wirkung gehabt hätte, dass die frühere Verurteilung oder eine Entscheidung zu ihrer Vollstreckung abgeändert, aufgehoben oder überprüft worden wäre.

…“

B.      Ungarisches Recht

1.      Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

21.      Art. 46 des A nemzetközi bűnügyi jogsegélyről szóló 1996. évi XXXVIII. törvény (Gesetz Nr. XXXVIII von 1996 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, im Folgenden: Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen) bestimmt:

„(1)      Der Justizminister erhält die Mitteilungen, die die Anerkennung der Wirksamkeit eines ausländischen Urteils ermöglichen, sowie die Anträge aus dem Ausland, die auf Übertragung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme … gerichtet sind, und leitet diese … an das zuständige Gericht weiter …

(2)      Das Verfahren zur Anerkennung von Urteilen, die durch die von einem anderen Mitgliedstaat der Union hierfür bezeichnete Zentralbehörde übersandt werden, ist vor Eintritt des Datums einzuleiten, das in den zusammen mit dem Urteil des Mitgliedstaats übersandten Informationen als Datum seiner Löschung im Strafregister angegeben ist.

(3)      Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, finden auf das gerichtliche Verfahren die allgemeinen Vorschriften des Kapitels XXIX des A büntetőeljárásról szóló 1998 évi XIX. törvény [(Gesetz Nr. XIX von 1998 zur Einführung der Strafprozessordnung, im Folgenden: Gesetz von 1998 über die Strafprozessordnung)] über besondere Verfahren … Anwendung.“

22.      Art. 47 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, der zu Titel IV („Anerkennung der Wirksamkeit ausländischer Strafurteile“) Kapitel 1 dieses Gesetzes gehört, lautet:

„(1)      Rechtskräftige Urteile ausländischer Gerichte haben die gleiche Wirksamkeit wie Urteile ungarischer Gerichte, sofern das gegen den Täter im Ausland durchgeführte Verfahren und die verhängte Strafe oder Maßnahme der ungarischen Rechtsordnung nicht widersprechen.

(3)      Erkennt das ungarische Gericht die Wirksamkeit des ausländischen Urteils an, so gelten die Handlungen als durch ein rechtskräftiges Urteil eines ungarischen Gerichts abgeurteilt.

…“

23.      In Art. 48 dieses Gesetzes heißt es:

„(1)      Das Gericht ist bei seiner Entscheidung an die Tatsachen gebunden, wie sie vom ausländischen Gericht festgestellt worden sind.

(2)      In dem vor ihm stattfindenden Verfahren stellt das ungarische Gericht fest, welche Rechtsfolgen der Verurteilung nach ungarischem Recht zukommen. Wenn die mit dem Urteil des ausländischen Gerichts verhängte Strafe oder Maßnahme nicht vollständig mit ungarischem Recht vereinbar ist, stellt das ungarische Gericht in seiner Entscheidung fest, welche Strafe oder Maßnahme nach ungarischem Recht anwendbar ist, wobei es dafür sorgt, dass diese bestmöglich mit der vom ausländischen Gericht auferlegten Strafe oder Maßnahme vereinbar ist, und entscheidet im Fall eines Vollstreckungsantrags über die Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme.

(3)      Bei der Feststellung der anwendbaren Strafe oder Maßnahme ist das Gesetz zugrunde zu legen, das zum Zeitpunkt des Verstoßes Anwendung fand; falls sich aus dem zum Zeitpunkt der Feststellung der anwendbaren Strafe oder Maßnahme anwendbaren ungarischen Gesetz ergibt, dass die fragliche Handlung keine strafbare Handlung mehr ist oder milder zu bestrafen ist, so ist dieses neue Gesetz anzuwenden.

(4)      Hat das ausländische Gericht in seinem Urteil infolge des Zusammentreffens mehrerer Straftatbestände eine Gesamtstrafe gebildet und erfüllt eine der abgeurteilten Taten nach ungarischem Recht keinen Straftatbestand oder kann die Verurteilung aus anderen Gründen nicht anerkannt werden, so lässt sie das [ungarische] Gericht in seiner Entscheidung außer Betracht und legt die Strafe unter Berücksichtigung des übrigen Sachverhalts, auf dem das Urteil beruht, nach den Vorschriften des Büntető törvénykönyv [(Strafgesetzbuch(10))] über die Strafzumessung fest.

(5)      Ist die vom ausländischen Gericht verhängte Freiheitsstrafe hinsichtlich der Art ihrer Vollstreckung oder ihrer Dauer mit dem ungarischen Recht nicht vereinbar, so setzt das ungarische Gericht die Strafe und deren Dauer nach Maßgabe der Straftat, die nach ungarischem Recht dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt entspricht, innerhalb des im ungarischen Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafrahmens fest, wobei es die dortigen Vorschriften über die Strafzumessung, die Art der Vollstreckung und die Gewährung einer Haftentlassung unter Auflagen beachtet. Ist die Dauer der vom ausländischen Gericht verhängten Freiheitsstrafe kürzer als diejenige, die nach ungarischem Recht – auch unter Beachtung der Vorschriften des Strafgesetzbuchs über die Strafmilderung – zu verhängen wäre, so entspricht die Dauer der vom ungarischen Gericht ausgesprochenen Freiheitsstrafe der Dauer der vom ausländischen Gericht verhängten Freiheitsstrafe. Die Dauer der vom ungarischen Gericht verhängten Strafe darf die Dauer der vom ausländischen Gericht verhängten Strafe nicht übersteigen.

(6)      Hat das ausländische Gericht auf Freiheitsstrafe erkannt und die Vollstreckung eines bestimmten Teils ihrer Dauer unter Aussetzung der Vollstreckung hinsichtlich der Restdauer angeordnet, so erkennt das ungarische Gericht diese Freiheitsstrafe so an, als wäre nach der zwingend zu verbüßenden Freiheitsstrafe dem Verurteilten eine Haftentlassung unter Auflagen gewährt worden. In diesem Fall kann [das ungarische Gericht] bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Haftentlassung unter Auflagen von den Bestimmungen von Art. 38 Abs. 2 und – wenn die in Art. 39 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs vorgesehene Dauer der Aussetzung diejenige übersteigen sollte, die im Urteil des ausländischen Gerichts gewährt wurde – auch von Art. 39 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs abweichen. In diesem Fall muss die Dauer der Haftentlassung unter Auflagen mit der im ausländischen Urteil angeordneten Strafaussetzung übereinstimmen, und die Strafe ist nach Ablauf des letzten Tages der so festgestellten Haftentlassung unter Auflagen als verbüßt anzusehen.

(7)      Das ungarische Gericht teilt der das Strafregister führenden Stelle die Anerkennung der Wirksamkeit des ausländischen Urteils mit.

…“

2.      Gesetz von 1998 über die Strafprozessordnung

24.      Im ungarischen Strafprozessrecht wird im Anschluss an die rechtskräftige Entscheidung über die strafrechtlichen Hauptfragen in sogenannten besonderen Verfahren über die mit der Hauptfrage in engem Zusammenhang stehenden strafrechtlichen Nebenfragen entschieden; es handelt sich also um vereinfachte Nebenverfahren.

3.      A bűnügyi nyilvántartási rendszerről, az Európai Unió tagállamainak bíróságai által magyar állampolgárokkal szemben hozott ítéletek nyilvántartásáról, valamint a bűnügyi és rendészeti biometrikus adatok nyilvántartásáról szóló 2009. évi XLVII. törvény

25.      Titel III des A bűnügyi nyilvántartási rendszerről, az Európai Unió tagállamainak bíróságai által magyar állampolgárokkal szemben hozott ítéletek nyilvántartásáról, valamint a bűnügyi és rendészeti biometrikus adatok nyilvántartásáról szóló 2009. évi XLVII. törvény (Gesetz Nr. XLVII von 2009 betreffend das Strafregister, das Register der von Gerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen ungarische Staatsangehörige erlassenen Urteile und die strafrechtliche und polizeiliche biometrische Datei) trägt die Überschrift „Register der von Gerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen ungarische Staatsangehörige erlassenen Urteile“.

26.      Art. 31 dieses Gesetzes bestimmt:

„Die Verwaltung der im Register der Informationen, die in von Gerichten der Mitgliedstaaten der Union … gegen ungarische Staatsangehörige erlassenen Urteilen (im Folgenden: Register der in den Mitgliedstaaten erlassenen Urteile) enthalten sind, bezweckt hinsichtlich der Informationen, die in in anderen Mitgliedstaaten der Union … erlassenen rechtskräftigen Urteilen, in denen die Schuld ungarischer Staatsangehöriger festgestellt wird (im Folgenden: die in den Mitgliedstaaten erlassenen Urteile) enthalten sind:

a)      die Erleichterung des Austauschs dieser Informationen zwischen Mitgliedstaaten im Rahmen der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Strafsachen,

b)      die Berücksichtigung dieser Informationen zulasten der verurteilten Personen in einem Strafverfahren, das aufgrund eines begründeten Verdachts der Begehung einer anderen Straftat eingeleitet wurde.“

27.      In Art. 32 dieses Gesetzes heißt es:

„Das Register der in den Mitgliedstaaten erlassenen Urteile enthält Auskünfte über ungarische Staatsangehörige, deren Schuld durch in anderen Mitgliedstaaten der Union erlassene rechtskräftige Entscheidungen festgestellt wurde …“

28.      Art. 33 dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)      Das Register der in den Mitgliedstaaten erlassenen Urteile umfasst folgende Angaben, die in den in anderen Mitgliedstaaten erlassenen Urteilen enthalten sind und von den von jedem Mitgliedstaat bezeichneten zentralen Behörden übermittelt werden:

a)      die Angaben über die Identität des Betroffenen,

b)      das Datum des Urteils, das Datum, zu dem es Rechtskraft erlangt hat und den Namen des erlassenden Gerichts,

c)      die Bezeichnung der dem Urteil zugrunde liegenden Straftat, ihre rechtliche Qualifizierung und das Datum ihrer Begehung,

d)      die Informationen über die Strafen und Maßnahmen sowie ihre Vollstreckung.

…“

II.    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

29.      Der ungarische Staatsangehörige Dániel Bertold Lada wurde am 8. Januar 2016 vom Landesgericht Wiener Neustadt (Österreich) wegen versuchten Diebstahls höherwertiger Gegenstände unter Anwendung von Gewalt gegen Sachen zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Das Gericht ordnete die Verbüßung von elf Monaten dieser Strafe an und setzte sie hinsichtlich der restlichen drei Monate aus.

30.      Das Gericht erließ dieses Urteil in einer öffentlichen Hauptverhandlung, bei der der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte anwesend war. Er wurde von einem Verteidiger unterstützt und konnte sich über einen Dolmetscher in seiner Muttersprache äußern.

31.      Auf Antrag des Justizministeriums übersandte das Landesgericht Wiener Neustadt ihm das in dieser Sache ergangene Urteil mit einer Zusammenfassung der notwendigen Angaben.

32.      Das Justizministerium übersandte die Schriftstücke in deutscher Sprache an den Szombathelyi Törvényszék (Gerichtshof Szombathely, Ungarn), den vorlegende Gericht, das sachlich und örtlich für die Durchführung des Verfahrens zur „Anerkennung der Wirksamkeit eines ausländischen Urteils“ nach Art. 46 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zuständig ist.

33.      Das vorlegende Gericht führt aus, zu Beginn dieses Verfahrens müsse namentlich geprüft werden, ob in dem ausländischen Verfahren die Grundrechte und die wesentlichen Vorschriften des Gesetzes von 1998 über die Strafprozessordnung beachtet worden seien.

34.      Auf dieser Grundlage prüfte das Gericht die übersandten Unterlagen und ordnete ihre Übersetzung ins Ungarische an. Es bestellte in dem Verfahren einen Verteidiger für den Betroffenen und stellte fest, dass die Verurteilung durch das Landesgericht Wiener Neustadt nicht in das ungarische Strafregister eingetragen worden war, wohl aber in das ECRIS. Es stellte ferner fest, dass die Freiheitsstrafe zurzeit vollstreckt wurde.

35.      Das Gericht hat dargelegt, dass zur Anerkennung der Wirkungen des vom Landesgericht Wiener Neustadt gegen den Betroffenen erlassenen Urteils in Ungarn ein besonderes Verfahren durchgeführt werden müsse, bei dem es sich um ein neues Strafverfahren handele. In diesem Rahmen sei die von der verurteilten Person begangene Straftat unter Berücksichtigung der in dem ausländischen Urteil angegebenen Umstände anhand des zur Zeit der Tatbegehung oder der Prüfung dieser Umstände geltenden Strafgesetzes zu beurteilen.

36.      Bezüglich des vorliegenden Anerkennungsverfahrens hat das vorlegende Gericht erläutert, dass sowohl zur Zeit der Tatbegehung als auch im Zeitpunkt ihrer Beurteilung, d. h. der Anerkennung der Wirkungen des ausländischen Urteils, das durch das 2012. évi C. törvény (Gesetz Nr. C von 2012) eingeführte Strafgesetz anwendbar gewesen sei, nach dem im Ausland begangene und abgeurteilte Straftaten in dem Anerkennungsverfahren nach ungarischem Recht neu bewertet werden müssten.

37.      Im Hinblick auf die so festgestellten Straftaten sei insbesondere der Tenor des ausländischen Urteils nach dem anwendbaren Strafgesetz neu zu formulieren, selbst wenn dies zu einer Änderung der Art oder Reichweite der Sanktion führe.

38.      In der Praxis umfasse das Verfahren zur Anerkennung der Wirksamkeit ausländischer Urteile in Ungarn nach den Art. 46 bis 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen eine unter Berücksichtigung der Umstände des Falles neu erfolgende Beurteilung und Bewertung der bereits in der Entscheidung des ausländischen Strafgerichts abgeurteilten Taten und der Verhängung (oder Festsetzung) ungarischer Sanktionen. Auf diese Weise nehme das betreffende Gericht gewissermaßen eine Umwandlung oder eine Neubewertung des ausländischen Urteils nach Maßgabe des ungarischen Rechts vor und verhänge eine neue Strafe bzw. eine neue Maßnahme. So könne das ungarische Gericht in Anwendung der Art. 46 bis 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen die verurteilte Person ausgehend von demselben Sachverhalt anderer als der im ausländischen Verfahren festgestellten Straftaten schuldig sprechen und eine andere Strafe oder Maßnahme festsetzen als die, die im ausländischen Verfahren verhängt worden sei.

39.      Das vorlegende Gericht hält dieses besondere Verfahren für fragwürdig, da das ungarische Recht dem im primären Unionsrecht verankerten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung offensichtlich nicht Rechnung trage. Dies zeige Art. 47 Abs. 3 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, der wie erinnerlich bestimmt: „Erkennt das ungarische Gericht die Wirksamkeit des ausländischen Urteils an, so gelten die Handlungen als durch ein rechtskräftiges Urteil eines ungarischen Gerichts abgeurteilt.“ So ergebe sich aus dem ungarischen Recht augenscheinlich, dass ein Urteil eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats in Ungarn nur dann als Verurteilung der betroffenen Person angesehen werden und zur Anwendbarkeit seiner übrigen Wirkungen führen könne, wenn das ungarische Gericht seine Wirkungen im ungarischen Hoheitsgebiet in dem besonderen Anerkennungsverfahren anerkannt habe. Anders ausgedrückt folge aus dem ungarischen Recht, dass das ausländische Urteil erst nach seiner Anerkennung durch ein ungarisches Gericht in diesem besonderen Verfahren in Ungarn berücksichtigt werden könne.

40.      Zudem bestehe das besondere Anerkennungsverfahren nicht in einer rein automatischen Wiedergabe des ausländischen Urteils, denn in diesem Verfahren könne das zuständige ungarische Gericht eine Strafe anderer Art oder anderer Reichweite als die im Ausland verhängte festsetzen und sogar bei der Anerkennung des Urteils die Tat als eine mit einer schwereren Strafe bedrohte Straftat einstufen. Die Anerkennung der Wirkungen des ausländischen Urteils erfolge somit durch eine neue Entscheidung. Dies stelle eine ungefähre Wiedergabe des ausländischen Urteils in Ungarn dar oder führe zu einem anderen Urteil, das in einem anderen Mitgliedstaat gegen dieselbe Person wegen derselben Taten ergehe, denn in dem besonderen Verfahren werde diese Person nach ungarischem Recht neuer Straftaten für schuldig befunden, und dieses Urteil sei in das ungarische Strafregister einzutragen. Dies werfe das Problem der Vereinbarkeit des besonderen Anerkennungsverfahrens mit dem Grundsatz ne bis in idem auf, das durch eine Auslegung des Art. 54 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen(11) und des Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(12) gelöst werden könne.

41.      Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, das das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Urteile vorsehe, bezwecke, dass die in diesen Urteilen verhängten Sanktionen in das ungarische Strafregister eingetragen werden könnten, sofern das ungarische Gericht die Wirkungen der betreffenden Urteile anerkannt habe. Die auf diese Weise anerkannten Urteile könnten sodann gegebenenfalls die zukünftige Einstufung der verurteilten Personen als Wiederholungstäter oder sogar als mehrfache Wiederholungstäter begründen.

42.      Außerdem habe die Anwendung des ungarischen Rechts zur Folge, dass im ungarischen Strafregister nach Abschluss des Anerkennungsverfahrens für die verurteilte Person vom ungarischen Recht anerkannte Straftaten und Strafen aufgeführt würden, während das ECRIS nach wie vor die sich aus dem ausländischen Urteil ergebenden Angaben enthalte.

43.      Schließlich gehe es im konkreten Fall nicht um die Vollstreckung von durch ein Gerichtsurteil in einem anderen Mitgliedstaat verhängten Strafen in Ungarn, denn für das in dieser Situation zu befolgende Verfahren gelte ein anderes Gesetz, nämlich das Az Európai Unió tagállamaival folytatott bűnügyi együttműködésről szóló 2012. évi CLXXX. törvény (Gesetz Nr. CLXXX von 2012 über die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Strafsachen)(13).

44.      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob das genannte Anerkennungsverfahren unter Berücksichtigung der im primären Unionsrecht verankerten Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und ne bis in idem mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

45.      Angesichts der vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen hat der Gerichtshof diesem am 13. September 2016 das Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(14), übermittelt, in dem er entschieden hat, dass der Rahmenbeschluss 2009/315 und der Beschluss 2009/316 dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, mit der ein besonderes innerstaatliches Verfahren für die Anerkennung, durch das Gericht eines Mitgliedstaats, einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gericht eines anderen Mitgliedstaats, mit der eine Person wegen der Begehung einer Straftat verurteilt wurde, geschaffen wird.

46.      Der Szombathelyi Törvényszék (Gerichtshof Szombathely) hat mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 mitgeteilt, dass er sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte, und darauf hingewiesen, dass es in dem Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(15), nur um die Übersetzer- und Dolmetscherkosten gegangen sei, die entstanden seien, um es dem Betroffenen zu ermöglichen, sich im Anerkennungsverfahren in Ungarn seiner Muttersprache zu bedienen.

47.      Das Gericht hat ausgeführt, seit dem Erlass dieses Urteils habe sich keine einheitliche Praxis der ungarischen Gerichte herausgebildet. So führten einige Gerichte wegen der Besonderheiten der Rahmenbeschlüsse nach dem Unionsrecht die besonderen Verfahren bis zur erwarteten Änderung der ungarischen Rechtsvorschriften weiter durch, während andere die in Rede stehenden Rechtssachen als erledigt behandelten oder auf die Herausbildung einer einheitlichen Rechtsprechung warteten. Käme es zur Feststellung der Unvereinbarkeit der ungarischen Vorschriften mit dem Primärrecht der Union, könnten die angerufenen ungarischen Gerichte diese Vorschriften automatisch unberücksichtigt lassen, und der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen könnte voll zur Geltung kommen.

48.      Darüber hinaus mache die Untersuchung der Vereinbarkeit des besonderen Anerkennungsverfahrens mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung die Prüfung von Fragen erforderlich, die viel weiter gingen als die, die im Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(16), behandelt worden seien. Konkret sei in der vorliegenden Rechtssache auch zu prüfen, ob das vorlegende Gericht Maßnahmen anordnen könne, die gegenüber den von dem Gericht, das das ausländische Urteil erlassen habe, beschlossenen Maßnahmen zu einer Änderung dieses Urteils führen würden.

49.      Auch sei das im ungarischen Recht vorgesehene besondere Anerkennungsverfahren noch nicht anhand des Grundsatzes ne bis in idem geprüft worden. Dieses Verfahren müsste jedoch anhand dieses Grundsatzes sowie des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung untersucht werden, da das zuständige ungarische Gericht dort Straftaten, die im Ausland bereits abgeurteilt worden seien, nach dem geltenden ungarischen Recht einstufe und andere Strafen und andere Maßnahmen als die im ausländischen Urteil verhängten Sanktionen festsetzen könne. So könne es vorkommen, dass derselbe Sachverhalt in der ausländischen und der ungarischen Entscheidung unter ganz verschiedene Straftatbestände subsumiert werde. Dasselbe gelte für die Strafen, wobei die in Ungarn verhängten Strafen allerdings nicht höher sein dürften als die, die im Ausland festgesetzt worden seien.

50.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist der Rahmenbeschluss 2008/675 auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da ohne die vorherige Durchführung des besonderen Anerkennungsverfahrens die Verurteilung des Betroffenen im Ausland in einem späteren Strafverfahren nicht berücksichtigt werden könne.

51.      Unter diesen Umständen hat der Szombathelyi Törvényszék (Gerichtshof Szombathely) beschlossen, folgende Vorabentscheidungsfragen aufrechtzuerhalten:

1.      Sind die Art. 67 und 82 AEUV dahin auszulegen, dass sie im Hinblick auf eine Person, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Union rechtskräftig verurteilt wurde, der Durchführung eines auf einer nationalen Regelung beruhenden Straf- oder anderen Verfahrens entgegenstehen, das die „Anerkennung“ des ausländischen Urteils im Inland oder die Änderung seiner Wirkungen zum Gegenstand hat und kraft dessen das ausländische Urteil so anzusehen ist, als ob es von einem inländischen Gericht erlassen worden wäre?

2.      Ist das nach den Art. 46 bis 48 des ungarischen Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen eingerichtete Verfahren, das „die Anerkennung der Wirksamkeit“ von ausländischen Urteilen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Union in einem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren gegen dieselbe Person wegen derselben Straftat erlassen wurden, in Ungarn zum Gegenstand hat und in Wirklichkeit nicht die Vollstreckung dieser Urteile, sondern die Schaffung einer Grundlage für ihre Berücksichtigung in künftigen Strafverfahren bezweckt, im Licht des Rahmenbeschlusses 2008/675 mit dem in Art. 50 der Charta und in Art. 54 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen niedergelegten Grundsatz ne bis in idem vereinbar?

III. Untersuchung

52.      Mit seinen beiden Vorabentscheidungsfragen, die meines Erachtens zusammen untersucht werden müssen, möchte das vorlegende Gericht klären, ob das im ungarischen Recht vorgesehene besondere Verfahren zur Anerkennung ausländischer Urteile mit dem Unionsrecht vereinbar ist, genauer mit dem in den Art. 67 und 82 AEUV verankerten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, mit dem Rahmenbeschluss 2008/675 und mit dem in Art. 50 der Charta und Art. 54 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen verbürgten Grundsatz ne bis in idem.

53.      Diese Fragen werden von dem nationalen Gericht gestellt, das nach ungarischem Recht zuständig ist für die Durchführung des in den Art. 46 bis 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vorgesehenen besonderen Verfahrens zur Anerkennung des vom Landesgericht Wiener Neustadt gegen Dániel Bertold Lada erlassenen Strafurteils.

54.      Im vorliegenden Fall wird dieses Verfahren zur Anerkennung des ausländischen Urteils nicht durchgeführt, um die darin festgesetzte Strafe in Ungarn zu vollstrecken oder dieses Urteil in einem in Ungarn anhängigen neuen Strafverfahren gegen den Betroffenen zu berücksichtigen.

55.      In den Art. 46 bis 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen wird ein besonderes Verfahren zur vorherigen Anerkennung rechtskräftiger Verurteilungen durch ausländische Gerichte durch die zuständigen ungarischen Gerichte eingeführt, das bezweckt, der Entscheidung, durch die diese Verurteilungen anerkannt werden, die Wirkung einer Verurteilung durch ein ungarisches Gericht zu verleihen.

56.      Nach der Beschreibung durch das vorlegende Gericht umfasst dieses Verfahren eine Überprüfung der betreffenden ausländischen Verurteilung, die zu einer Neubewertung der ihr zugrunde liegenden Straftat sowie einer Anpassung der verhängten Strafe führen kann, wenn diese Elemente nicht mit dem ungarischen Strafrecht vereinbar sind.

57.      In dem besonderen Verfahren zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Verurteilung wird gegen die rechtskräftig verurteilte Person kein neues Strafverfahren eingeleitet, das zu einer zweiten Verurteilung für dieselbe Straftat führen kann. Dieses Verfahren, in dem das zuständige ungarische Gericht keine erneute Prüfung des Tatbestands oder der Schwere der Schuld der betroffenen Person vornimmt, ähnelt einem Exequaturverfahren und bezweckt vielmehr, die in dem ausländischen Urteil festgelegte Rechtswirkung anzupassen, um sie mit dem ungarischen Strafrecht vereinbar zu machen. Deshalb ist der Grundsatz ne bis in idem, der im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verhindern soll, dass eine rechtskräftig verurteilte Person, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht, wegen derselben Tat im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten verfolgt wird(17), meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar.

58.      Der Gerichtshof hat wie gesagt bereits im Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(18), entschieden, dass der Rahmenbeschluss 2009/315 und der Beschluss 2009/316 dahin auszulegen sind, dass sie der Durchführung des ungarischen besonderen Anerkennungsverfahrens entgegenstehen. Genauer hat er ausgeführt, dass die Zentralbehörde des Herkunftsmitgliedstaats nach dem Rahmenbeschluss und dem Beschluss Verurteilungen durch die Gerichte des Urteilsmitgliedstaats unmittelbar auf der Grundlage der hierzu in Form von Codes von der Zentralbehörde des Urteilsmitgliedstaats über das ECRIS übermittelten Angaben in das Strafregister eintragen muss(19). Unter diesen Umständen darf die Eintragung nicht von der vorherigen Durchführung eines Verfahrens zur gerichtlichen Anerkennung der Verurteilungen wie dem ungarischen besonderen Verfahren und erst recht nicht von der Übermittlung des Urteils an den Herkunftsmitgliedstaat zum Zweck einer solchen Anerkennung abhängen(20).

59.      Der Gerichtshof hat ferner im Urteil vom 21. September 2017, Beshkov(21), zu dem bulgarischen besonderen Anerkennungsverfahren Stellung genommen und entschieden, dass der Rahmenbeschluss 2008/675 dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwiderläuft, wenn die Berücksichtigung einer durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats ergangenen früheren Verurteilung in einem Mitgliedstaat von der Durchführung eines nationalen Verfahrens zur vorherigen Anerkennung dieser Verurteilung durch die zuständigen Gerichte dieses Mitgliedstaats abhängig gemacht wird.

60.      In diesen beiden Urteilen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass derartige innerstaatliche Verfahren zur Anerkennung ausländischer Urteile gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen in Strafsachen verstoßen, der in Art. 82 Abs. 1 AEUV verankert ist, der Art. 31 EU ersetzt hat, auf den sich der Rahmenbeschluss 2009/315, der Beschluss 2009/316 und der Rahmenbeschluss 2008/675 stützen(22). Diesem Grundsatz läuft es namentlich zuwider, wenn in anderen Mitgliedstaaten ergangene Verurteilungen im Rahmen eines innerstaatlichen Anerkennungsverfahrens Gegenstand einer Überprüfung sind(23).

61.      Angesichts des Standpunkts, den der Gerichtshof in diesen beiden Urteilen eingenommen hat, kann man sich zu Recht fragen, weshalb er erneut zu der Vereinbarkeit derartiger innerstaatlicher Verfahren zur Anerkennung ausländischer Urteile mit dem Strafrecht der Union Stellung nehmen soll, obwohl diese Frage in den genannten Urteilen endgültig und vollständig beantwortet worden zu sein scheint. Für eine erneute Prüfung sprechen meines Erachtens drei Gründe.

62.      Erstens deuten die Ausführungen der ungarischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hin, dass sie die Prämisse in Zweifel zieht, auf die der Gerichtshof seine Überlegungen im Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh(24), gestützt hat, nämlich dass das ungarische besondere Anerkennungsverfahren eine zwingende Voraussetzung für die Eintragung von Verurteilungen ungarischer Staatsangehöriger durch Gerichte anderer Mitgliedstaaten in das ungarische Strafregister ist. Von dieser Prämisse ausgehend hat der Gerichtshof den Rahmenbeschluss 2009/315 und den Beschluss 2009/316 ausgelegt, zwei Normen, durch die ein schneller Informationsaustausch über die Verurteilungen zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert werden soll und die deshalb einem innerstaatlichen Anerkennungsverfahren entgegenstehen, von dessen vorhergehender Durchführung die Eintragung dieser Informationen in das ungarische Strafregister abhängen würde.

63.      Die ungarische Regierung führt dazu in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dass nach dem Gesetz Nr. XLVII von 2009 über das Strafregister, das Register der von Gerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen ungarische Staatsangehörige erlassenen Urteile und die strafrechtliche und polizeiliche biometrische Datei ein in einem anderen Mitgliedstaat ergangenes Urteil dann, wenn die Behörde dieses Mitgliedstaats es in der angemessenen Form und mit einem für seine Eintragung geeigneten Inhalt übermittelt habe, ohne ein besonderes Verfahren in das Register der von den Gerichten der Mitgliedstaaten gegen ungarische Staatsangehörige erlassenen Urteile eingetragen werde, das von der für das Strafregister verantwortlichen Stelle geführt werde. Dieser Beschreibung zufolge ist die ungarische Regierung der Auffassung, dass die ungarische Regelung in der Sache mit dem Rahmenbeschluss 2009/315 vereinbar sei. Nach diesen Erklärungen wird das besondere Verfahren zur Anerkennung dieser Urteile unabhängig von der Eintragung in das Register der von den Gerichten anderer Mitgliedstaaten erlassenen Urteile durchgeführt.

64.      Die Angaben in der Vorlageentscheidung bestätigen allerdings eher die Prämisse, dass das besondere Anerkennungsverfahren vorab und im Hinblick auf die Eintragung der Verurteilungen ungarischer Staatsangehöriger im Ausland in das ungarische Strafregister durchgeführt wird.

65.      Ich verweise insoweit auf den vom vorlegenden Gericht wiedergegebenen Art. 48 Abs. 7 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, wo es heißt: „Das ungarische Gericht teilt der das Strafregister führenden Stelle die Anerkennung der Wirksamkeit des ausländischen Urteils mit.“ Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass in das ungarische Strafregister die sich aus dem ungarischen Recht nach Neubewertung in dem besonderen Anerkennungsverfahren ergebenden neuen Straftaten aufzunehmen seien(25). Ferner hat das Gericht im Laufe des Verfahrens festgestellt, dass die Verurteilung des Betroffenen durch das Landesgericht Wiener Neustadt im ECRIS, nicht dagegen im ungarischen Strafregister verzeichnet sei. Schließlich hat das Gericht erklärt, dass die Vorschriften in Titel IV Kapitel 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bezweckten, dass eine ausländische Verurteilung in das ungarische Strafregister eingetragen werden könne, sofern ein ungarisches Gericht seine Wirkungen anerkannt habe(26). Ich schließe aus diesen Angaben, dass die Aufnahme eines ausländischen Urteils in das ungarische Strafregister im Anschluss an seine Anerkennung in dem besonderen Verfahren erfolgt.

66.      Im Übrigen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das zuständige ungarische Gericht in dem besonderen Anerkennungsverfahren die im Ausland verurteilte Person aufgrund desselben Sachverhalts in Anwendung des ungarischen Rechts anderer als der im ausländischen Strafverfahren festgestellten Straftaten schuldig sprechen und ihr eine andere als die im ausländischen Verfahren verhängte Strafe oder Maßnahme auferlegen könne(27). Die Durchführung des besonderen Anerkennungsverfahrens führe dann zu dem Ergebnis, dass nach Abschluss dieses Verfahrens im ungarischen Strafregister betreffend die verurteilte Person die nach ungarischem Recht anerkannten Straftaten und Strafen aufgeführt seien, während das ECRIS nach wie vor die Angaben aus dem ausländischen Urteil enthalte(28).

67.      Ein solches Auseinanderklaffen der im ECRIS und im ungarischen Strafregister enthaltenen Informationen widerspricht dem durch den Rahmenbeschluss 2009/315 und den Beschluss 2009/316 geschaffenen System des Austauschs und der Speicherung der strafrechtliche Verurteilungen betreffenden Informationen.

68.      Die Frage, ob das besondere Verfahren zur Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Verurteilungen tatsächlich zum Zweck ihrer Eintragung in das ungarische Strafregister durchgeführt wird, ist jedenfalls eine Frage der Auslegung des innerstaatlichen Rechts, für deren Beantwortung der Gerichtshof nicht zuständig ist(29).

69.      Wie gesagt widerspricht die vom Justizministerium offensichtlich befolgte Praxis, das ausländische Urteil vor der Eintragung der darin ausgesprochenen Verurteilung in das ungarische Strafregister anzufordern, dem durch den Rahmenbeschluss 2009/315 und den Beschluss 2009/316 eingeführten System, denn diese dienen der Einführung eines schnellen und effizienten Systems zum Austausch von Informationen über die in den verschiedenen Mitgliedstaaten ergangenen strafrechtlichen Verurteilungen(30). So werden diese Informationen zwischen den Zentralbehörden der Mitgliedstaaten mittels des ECRIS in Form der entsprechenden Codes für die in der Übermittlung genannten Straftatbestände und Strafen übermittelt(31). Das von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassene Strafurteil wird also der Zentralbehörde des Herkunftsmitgliedstaats nur dann übermittelt, wenn besondere Umstände dies erfordern, und die Übermittlung kann nicht systematisch zwecks Eintragung der Verurteilung in das Strafregister dieses Mitgliedstaats verlangt werden(32). Ich weise insoweit darauf hin, dass die ungarische Regierung im vorliegenden Verfahren keinen besonderen Umstand angeführt hat, der die Übermittlung des Urteils des Landesgerichts Wiener Neustadt an das Justizministerium rechtfertigen könnte.

70.      Angesichts dieser Sachlage schlage ich dem Gerichtshof vor, seine Ausführungen in den Rn. 28 bis 35 und 41 bis 55 des Urteils vom 9. Juni 2016, Balogh(33), zu bestätigen. Was mich betrifft, bekräftige ich die Auffassung, die ich in den Nrn. 36 bis 67 meiner Schlussanträge in derselben Rechtssache dargelegt habe und auf die ich verweise(34).

71.      Zweitens beurteilen sowohl das vorlegende Gericht als auch die ungarische Regierung das besondere Anerkennungsverfahren anhand des Rahmenbeschlusses 2008/675. Insoweit ergibt sich aus den Erklärungen vor dem Gerichtshof, dass die Durchführung dieses Verfahrens durch die zuständigen ungarischen Behörden eine vorab zu erledigende Formalität darstellt, die für die Berücksichtigung einer früher von dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verhängten Sanktion in einem neuen Strafverfahren erforderlich ist. Die ungarische Regierung betont insoweit die Notwendigkeit, eine solche Sanktion im Rahmen dieses besonderen Anerkennungsverfahrens an das ungarische Recht anzupassen. Ohne diese vorherige Anpassung sei es nicht möglich, die Sanktion in eventuellen zukünftigen Strafverfahren gegen die im Ausland verurteilte Person zu berücksichtigen.

72.      Wie gesagt ist gegen den Betroffenen derzeit kein neues Strafverfahren in Ungarn anhängig, so dass fraglich ist, ob der Rahmenbeschluss 2008/675 im vorliegenden Fall anwendbar ist. Dort wird in Art. 1 Abs. 1 festgelegt, „unter welchen Voraussetzungen ineinem Mitgliedstaat in einem Strafverfahren gegen eine Person frühere Verurteilungen, die gegen dieselbe Person wegen einer anderen Tat in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind, berücksichtigt werden“(35). Der Sachverhalt unterscheidet sich insoweit von dem der Rechtssache Beshkov, in der gegen den Betroffenen ein neues Strafverfahren in Bulgarien eingeleitet worden war, in dem sich die Frage nach der Berücksichtigung einer früheren Verurteilung durch ein österreichisches Gericht stellte(36).

73.      Dies vorausgeschickt ist klar, dass das besondere Anerkennungsverfahren unabhängig davon, in welcher Situation es durchgeführt wird, im Widerspruch zu dem durch den Rahmenbeschluss 2008/675 eingeführten System steht, da seine Durchführung eine vorab zu erledigende Formalität darstellt, die in diesem Rahmenbeschluss nicht vorgesehen ist und von der dessen Anwendung abhängt. Anders ausgedrückt bezweckt dieses Verfahren so, wie es vom ungarischen Gesetzgeber ausgestaltet wurde, die Vorbereitung der Berücksichtigung ausländischer Verurteilungen in eventuellen zukünftigen Strafverfahren. Es ist also in der Vorstellung der ungarischen Behörden offensichtlich untrennbar mit der Durchführung des Rahmenbeschlusses 2008/675 verbunden. Um es dem vorlegenden Gericht zu ermöglichen, den Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden und sich insbesondere darüber klar zu werden, ob es das innerstaatliche Anerkennungsverfahren durchführen soll oder nicht, sollte der Gerichtshof deshalb den wesentlichen Teil seiner Ausführungen in den Rn. 35 bis 38 und 40 des Urteils vom 21. September 2017, Beshkov(37), wiederholen, wonach der Rahmenbeschluss 2008/675 dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwiderläuft, wenn die Berücksichtigung einer durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats ergangenen früheren Verurteilung in einem Mitgliedstaat von der Durchführung eines nationalen Verfahrens zur vorherigen Anerkennung dieser Verurteilung durch die zuständigen Gerichte dieses Mitgliedstaats abhängig gemacht wird. Ich verweise dazu auf die Nrn. 27 bis 31 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Beshkov(38).

74.      Entgegen der Auffassung der tschechischen Regierung und der ungarischen Regierung kann der 13. Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2008/675 nicht so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilung einem innerstaatlichen Anerkennungsverfahren zu unterwerfen, bevor er sie in einem neuen Strafverfahren berücksichtigen kann.

75.      Wie die Europäische Kommission in ihrem Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/675 durch die Mitgliedstaaten ausgeführt hat, trägt der Rahmenbeschluss „zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens in strafrechtliche Vorschriften und gerichtliche Entscheidungen im europäischen Rechtsraum bei, da er eine Rechtskultur unterstützt, in der frühere in anderen Mitgliedstaaten ergangene Verurteilungen grundsätzlich berücksichtigt werden“(39). Zu diesem Zweck erlegt Art. 3 Abs. 1 dieses Rahmenbeschlusses unter Berücksichtigung des fünften Erwägungsgrundes den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, sicherzustellen, dass nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts in einem in einem Mitgliedstaat eingeleiteten neuen Strafverfahren gegen eine Person frühere in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen derselben Person wegen anderer Straftaten, zu denen im Rahmen geltender Rechtsinstrumente über die Rechtshilfe oder den Austausch von Informationen aus Strafregistern Auskünfte eingeholt wurden, in dem Maß berücksichtigt werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen, und dass sie mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen werden wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen.

76.      Der Rahmenbeschluss 2008/675 beruht somit auf dem Grundsatz der Gleichwertigkeit(40). Nach diesem Grundsatz muss ein innerstaatliches Gericht, bei dem ein neues Strafverfahren anhängig ist, in einem anderen Mitgliedstaat ergangene frühere Verurteilungen nur berücksichtigen, wenn diese Berücksichtigung in einer rein internen Situation möglich ist.

77.      Dieses Erfordernis ist klar an die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und folglich an die gegenseitige Anerkennung geknüpft, nach der die ausländische Entscheidung nicht nur berücksichtigt, sondern auch respektiert werden muss.

78.      Folglich kann das Gericht, das die frühere ausländische Entscheidung bei seiner eigenen späteren Entscheidung berücksichtigt, diese nicht in dem einen oder anderen Sinne abändern. Art. 3 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2008/675 schreibt diesen Grundsatz fest. Das zuletzt befasste Gericht muss dieser Entscheidung einfach die Folgen beimessen, die eine frühere innerstaatliche Entscheidung nach seinem nationalen Recht hätte.

79.      Wie der Gerichtshof im Urteil vom 21. September 2017, Beshkov(41), ausgeführt hat, untersagen Art. 3 Abs. 3 sowie der 13. Erwägungsgrund dieses Rahmenbeschlusses ausdrücklich eine Überprüfung der in den anderen Mitgliedstaaten ergangenen früheren Verurteilungen, die daher so wie ergangen berücksichtigt werden müssen(42).

80.      Auch wenn dieser Rahmenbeschluss nach seinem 13. Erwägungsgrund der Vielfalt der innerstaatlichen Lösungen und Verfahren für die Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen früheren Verurteilung Rechnung trägt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, nötigenfalls eine Entscheidung zu erlassen, mit der diese Verurteilung mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen wird, kann der Erlass einer solchen Entscheidung daher entgegen dem Vorbringen der tschechischen und der ungarischen Regierung unter keinen Umständen mit der Durchführung eines nationalen Verfahrens zur vorherigen Anerkennung wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verbunden sein(43).

81.      Zwar besagt der 13. Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2008/675, dass ein Mitgliedstaat nötigenfalls eine Entscheidung erlassen kann, mit der eine frühere Verurteilung mit gleichwertigen Rechtswirkungen versehen wird; dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese Entscheidung die in Art. 3 Abs. 3 dieses Rahmenbeschlusses aufgestellte Regel befolgt, d. h., dass sie keine Überprüfung dieser Verurteilung enthalten darf.

82.      Insofern besteht ein großer Unterschied zwischen dem Erlass einer Entscheidung, in der ein früheres ausländisches Urteil überprüft wird, so dass sie zu einer Neubewertung der Straftat und einer Änderung der durch dieses Urteil verhängten Strafe führen kann, und dem Erlass einer Entscheidung, in der die konkreten Modalitäten der Berücksichtigung des ausländischen Urteils in einem neuen Strafverfahren klargestellt oder die Gründe angegeben werden, aus denen eine solche Berücksichtigung im konkreten Fall nicht möglich ist.

83.      Die erste Lösung verstößt unmittelbar gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, während die zweite im Gegenteil der konkreten Verwirklichung dieses Grundsatzes dient.

84.      Der 13. Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2008/675 bezweckt meines Erachtens lediglich, den Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der konkreten Modalitäten der Berücksichtigung in einem anderen Mitgliedstaat ergangener früherer Verurteilungen durch ihre Gerichte ein Ermessen zu belassen. Eine Harmonisierung der früheren Verurteilungen beizumessenden Rechtswirkungen ist nämlich im Rahmenbeschluss 2008/675 nicht vorgesehen(44). Die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung führt dazu, dass den in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Verurteilungen derselbe Wert und dieselben Wirkungen zugestanden werden wie einer früheren im Inland ergangenen Verurteilung. Es geht mit anderen Worten darum, einen „Gleichstellungsgrundsatz“ zu formulieren, wonach die in einem anderen Mitgliedstaat erlassene Entscheidung einer inländischen Entscheidung gleichgestellt wird(45). Welche Folgen sich aus der Anwendung dieses Prinzips ergeben, bleibt dagegen dem jeweiligen einzelstaatlichen Recht überlassen, was bedeutet, dass es keinesfalls darum geht, die Rechtsfolgen zu harmonisieren, die die Mitgliedstaaten an eine frühere Verurteilung knüpfen, für die ausschließlich das einzelstaatliche Recht maßgebend ist(46). Mangels einer Harmonisierung sehen die Mitgliedstaaten also in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verschiedene Rechtswirkungen vor, die dazu noch nach verschiedenen Modalitäten und in verschieden Abschnitten ihres Strafverfahrens zum Tragen kommen können.

85.      Dazu wies die Kommission in der Begründung für ihren Vorschlag für einen Rahmenbeschluss darauf hin, dass die einzelstaatlichen Rechtsordnungen frühere Verurteilungen mit ganz unterschiedlichen Rechtswirkungen versähen. In manchen Mitgliedstaaten sei eine frühere Verurteilung lediglich ein Faktum, dessen Berücksichtigung im Ermessen der zuständigen Behörden liege, die ihr beim Erlass ihrer Entscheidung Rechnung trügen. In anderen Mitgliedstaaten sei die Rückfälligkeit gesetzlich geregelt. Danach entfalte eine frühere Verurteilung bestimmte Rechtswirkungen, die sich dem Ermessen der zuständigen Behörden entzögen. Sofern die Rückfälligkeit gesetzlich geregelt sei, sei es an den Mitgliedstaaten, die Bedingungen zu nennen, unter denen eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilung hinsichtlich ihrer Wirkung inländischen Verurteilungen gleichgestellt werde. Die gesetzliche Regelung der Rückfälligkeit sei in den Mitgliedstaaten häufig unmittelbar mit der Struktur der Straftatbestände und Strafen verknüpft; dies gelte insbesondere in allen Fällen, in denen sich der Rückfall auf eine gleichartige Straftat beziehe(47).

86.      Angesichts dieser Erläuterungen kann deshalb aus dem 13. Erwägungsgrund nicht hergeleitet werden, dass er die Durchführung eines innerstaatlichen Verfahrens zur Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten erlassenen Urteilen in Strafsachen wie das Verfahren, um das es im Ausgangsverfahren geht, zulässt. Eine solche weite Auslegung würde dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung dieser Urteile zuwiderlaufen. Die im 13. Erwägungsgrund dieses Rahmenbeschlusses aufgestellten sehr engen Voraussetzungen zeigen im Übrigen, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Befugnis, eine Entscheidung zu erlassen, die es ermöglicht, einer früheren ausländischen Verurteilung gleichwertige Rechtswirkungen beizumessen, wobei es ihnen untersagt ist, diese Verurteilung zu überprüfen, nur ausnahmsweise von Fall zu Fall in Situationen ausgeübt werden kann, die so klar sind, dass diese Entscheidung in der in diesem Erwägungsgrund genannten kurzen Zeit korrigiert werden könnte.

87.      Aus dieses Überlegungen ergibt sich meines Erachtens, dass das durch den Rahmenbeschluss 2008/675 eingeführte System es einem Mitgliedstaat untersagt, die in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Verurteilungen einem innerstaatlichen Anerkennungsverfahren zu unterwerfen, in dem sie überprüft werden und mit dem Ziel, sie an das Strafrecht dieses Mitgliedstaats anzupassen, abgeändert werden können. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das im ungarischen Recht vorgesehene besondere Anerkennungsverfahren zur Neubewertung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats rechtkräftig abgeurteilten Straftat und zu einer Anpassung der verhängten Strafe an das ungarische Strafrecht führen kann.

88.      Zwar hat die ungarische Regierung dem Gerichtshof erklärt, dass nach Erlass des Urteils vom 9. Juni 2016, Balogh(48), beschlossen worden sei, das besondere Verfahren zur Anerkennung ausländischer Urteile nicht mehr systematisch durchzuführen(49). Es ist jedoch nicht die systematische Durchführung dieses Verfahrens – auch wenn sie gewissermaßen einen erschwerenden Umstand darstellt –, die als solche die Feststellung rechtfertigt, dass dieses Verfahren mit dem Rahmenbeschluss 2008/675 unvereinbar ist. Der eigentliche Grund für diese Unvereinbarkeit liegt darin, dass die Durchführung dieses Verfahrens selbst dann, wenn sie nur anlässlich der tatsächlichen Einleitung eines neuen Strafverfahrens gegen eine bereits früher in einem anderen Mitgliedstaat verurteilte Person und nicht mehr systematisch und unabhängig von einem neuen Strafverfahren erfolgen würde, zum einen eine vorab zu erledigende Formalität darstellt, von der die Berücksichtigung der früheren Verurteilung abhängt, und zum anderen eine Überprüfung dieser Verurteilung umfasst, die zu deren Abänderung mit dem Ziel ihrer Anpassung an das ungarische Strafrecht führen kann.

89.      Insoweit besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem durch den Rahmenbeschluss 2008/675 eingeführten System und dem System, das durch den Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union(50) geschaffen wurde. Denn während der erste Rahmenbeschluss keine Anpassung ausländischer Verurteilungen im Hinblick auf ihre Berücksichtigung in einem neuen Strafverfahren gestattet, werden in Art. 8 des zweiten Rahmenbeschlusses enge Voraussetzungen für die Anpassung der im Ausstellungsstaat verhängten Sanktion durch die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats aufgestellt, die die einzigen Ausnahmen von der grundsätzlichen Verpflichtung dieser Behörde darstellen, das ihr übermittelte Urteil anzuerkennen und die Sanktion in einer Dauer und Art zu vollstrecken, die denen entsprechen, die in dem im Ausstellungsstaat ergangenen Urteil vorgesehen sind(51). In der vorliegenden Rechtssache kann sich die ungarische Regierung jedoch keineswegs auf diese Befugnis zur Anpassung einer im Ausland verhängten Sanktion berufen, denn unstreitig betrifft diese Rechtssache nicht die Durchführung des besondere Anerkennungsverfahrens im Hinblick auf die Vollstreckung des vom Landesgericht Wiener Neustadt gegen den Betroffenen erlassenen Urteils in Ungarn.

90.      Schließlich ist meiner Meinung nach ein Verfahren wie das, das die ungarischen Behörden vor der Eintragung einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung in Strafsachen in das nationale Strafregister durchführen, ob nun systematisch oder nicht, im Rahmen des durch den Rahmenbeschluss 2009/315 und den Beschluss 2009/316 eingeführten Systems völlig nutzlos und steht folglich im Widerspruch zu ihnen. Diese beiden Normen nennen in allererster Linie die den Strafregistern aller Mitgliedstaaten gemeinsamen Informationen. Das Problem löst sich von selbst, wenn man die grundlegende Funktion des Strafregisters im Auge hat.

91.      Das Strafregister ermöglicht es den Justizbehörden, in Erfahrung zu bringen, ob eine bestimmte Person verurteilt wurde, welche Strafe gegen sie verhängt wurde und welche Tat sie begangen hat, wodurch es gegebenenfalls ermöglicht wird, eine Rückfälligkeit festzustellen oder auszuschließen und zu prüfen, ob die verhängte Strafe vollstreckt wurde.

92.      Die Eintragung in das Strafregister stellt als solche weder eine Berücksichtigung noch eine Vollstreckung einer Verurteilung dar. Erst wenn die Justizbehörde das Strafregister in einem späteren Strafverfahren konsultiert, wird sie feststellen, ob dort eine Verurteilung verzeichnet ist, die sie berücksichtigen oder vollstrecken muss. Nur in diesem Fall und je nach Sachlage wird sich das Gericht, bei dem ein neues Strafverfahren anhängig ist, die Frage stellen, ob der Rahmenbeschluss 2008/675 für die Berücksichtigung oder der Rahmenbeschluss 2008/909 für die Vollstreckung einer Verurteilung anwendbar ist.

93.      Drittens ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, das primäre Unionsrecht auszulegen, d. h. Art. 82 Abs. 1 AEUV, der den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen in Strafsachen aufstellt, indem es darauf hinweist, dass die innerstaatlichen Gerichte dann in der Lage wären, die gegen dieses Recht verstoßende ungarische Regelung unberücksichtigt zu lassen, was sie nicht tun könnten, wenn sich der Gerichtshof darauf beschränken würde, Rahmenbeschlüsse auszulegen und festzustellen, dass diese nationale Regelung dagegen verstößt(52). Damit stellt sich die Frage, ob es möglich ist, sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf Rahmenbeschlüsse zu berufen, um die Anwendung einer ihnen entgegenstehenden nationalen Regelung auszuschließen.

94.      Meines Erachtens verstößt das besondere ungarische Verfahren eindeutig gegen den in Art. 82 Abs. 1 AEUV verankerten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, hindert dieses Verfahren die automatische Anerkennung der in anderen Mitgliedstaaten erlassenen Urteile, da es statt der Anerkennung dieser Urteile ihre Ersetzung durch eine innerstaatliche Entscheidung vorsieht, die allein Rechtswirkungen im ungarischen Recht entfalten kann. Der Wortlaut des Art. 47 Abs. 3 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ist insoweit völlig klar, denn dort heißt es: „Erkennt das ungarische Gericht die Wirksamkeit des ausländischen Urteils an, so gelten die Handlungen als durch ein rechtskräftiges Urteil eines ungarischen Gerichts abgeurteilt.“ Zudem kann das zuständige ungarische Gericht, wie sich aus Art. 48 Abs. 2 bis 6 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ergibt, in seiner in dem besonderen Anerkennungsverfahren erlassenen Entscheidung das ausländische Urteil anpassen, um es mit dem ungarischen Recht vereinbar zu machen.

95.      Demnach könnte der Gerichtshof in seiner Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts nur auf Art. 82 Abs. 1 AEUV eingehen, der den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen Urteile und Entscheidungen in Strafsachen aufstellt und Art. 31 EU ersetzt hat, auf den sich sowohl der Rahmenbeschluss 2009/315 als auch der Beschluss 2009/316 sowie der Rahmenbeschluss 2008/675 stützen.

96.      Diesen Weg hat er jedoch in den Urteilen vom 9. Juni 2016, Balogh(53), und vom 21. September 2017, Beshkov(54), um nur diese zu nennen, nicht eingeschlagen, sondern in den Urteilsgründen nach einem Hinweis auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen Urteile und Entscheidungen in Strafsachen die Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts, die zur Durchführung dieses Grundsatzes erlassen wurden, ausgelegt.

97.      Dieser Weg sollte meines Erachtens weiterverfolgt werden, denn es sind gerade die Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts, die die Voraussetzungen und Grenzen der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der gerichtlichen Urteile und Entscheidungen in Strafsachen unter Beachtung der Besonderheiten der verschiedenen Abschnitte des Strafverfahrens festlegen und somit möglicherweise einer Klarstellung durch den Gerichtshof bedürfen.

98.      Der Gerichtshof muss allerdings noch präzisieren, welche Konsequenzen die innerstaatlichen Gerichte aus der Feststellung der Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung mit einem Rahmenbeschluss ziehen müssen, und vor allem deutlich sagen, dass diese Gerichte, wenn es sich ihrer Meinung nach als unmöglich erweist, eine solche Regelung im Einklang mit einer derartigen Norm des abgeleiteten Unionsrechts auszulegen, nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet sind, die dagegen verstoßende nationale Regelung unberücksichtigt zu lassen.

99.      Ich bin auf dieses Problem bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Popławski (Urteil vom 29. Juni 2017)(55) eingegangen. Nach Erlass dieses Urteils hat die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) dem Gerichtshof erneut in dem derzeit anhängigen Verfahren Popławski (C‑573/17) Fragen zu diesem Problem vorgelegt. Der Gerichtshof hat somit mehrfach Gelegenheit klarzustellen, ob ein nationales Gericht gehalten ist, das innerstaatliche Recht unangewendet zu lassen, wenn es sich seiner Meinung nach als unmöglich erweist, dieses im Einklang mit einem Rahmenbeschluss auszulegen.

100. Insoweit ändert der Umstand, dass ein Rahmenbeschluss keine unmittelbare Wirkung haben kann, nichts daran, dass er gemäß Art. 34 Abs. 2 Buchst. b EU(56) für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt(57). Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus einem Rahmenbeschluss treffen(58).

101. Insbesondere hat nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der zwingende Charakter eines Rahmenbeschlusses für die nationalen Träger öffentlicher Gewalt, einschließlich der nationalen Gerichte, eine Verpflichtung zu rahmenbeschlusskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts zur Folge. Die Gerichte müssen das innerstaatliche Recht bei seiner Anwendung daher so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks des Rahmenbeschlusses auslegen, um das darin festgelegte Ziel zu erreichen. Diese Verpflichtung zu rahmenbeschlusskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da es den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden(59).

102. Der Grundsatz rahmenbeschlusskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts unterliegt allerdings bestimmten Schranken. So wird die Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt eines Rahmenbeschlusses heranzuziehen, durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und speziell durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt. Nach diesen Grundsätzen darf die genannte Verpflichtung insbesondere nicht dazu führen, dass auf der Grundlage eines Rahmenbeschlusses unabhängig von einem zu seiner Durchführung erlassenen Gesetz die strafrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die gegen die Vorschriften dieses Beschlusses verstoßen, festgelegt oder verschärft wird(60). Überdies kann der Grundsatz rahmenbeschlusskonformer Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung des innerstaatlichen Rechts contra legem dienen(61).

103. Der Grundsatz rahmenbeschlusskonformer Auslegung gebietet es den nationalen Gerichte jedoch, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des in Rede stehenden Rahmenbeschlusses zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das im Einklang mit dem mit ihm verfolgten Ziel steht(62). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Erfordernis einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung die Verpflichtung der nationalen Gerichte umfasst, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des innerstaatlichen Rechts beruht, die mit den Zielen eines Rahmenbeschlusses nicht vereinbar ist(63). Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass ein nationales Gericht, wenn es davon ausgeht, dass es eine innerstaatliche Vorschrift allein deshalb nicht im Einklang mit einem Rahmenbeschluss auslegen kann, weil es an die vom nationalen Obersten Gerichtshof in einem auslegenden Urteil vorgenommene Auslegung dieser innerstaatlichen Vorschrift gebunden ist, für die volle Wirksamkeit des Rahmenbeschlusses Sorge tragen und erforderlichenfalls die vom nationalen Obersten Gerichtshof vorgenommene Auslegung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen muss, wenn sie nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist(64).

104. Nach dieser Klarstellung der Verpflichtung der innerstaatlichen Gerichte zu unionsrechtskonformer Auslegung ist darauf hinzuweisen, dass letztlich das vorlegende Gericht beurteilen muss, ob das innerstaatliche Recht, namentlich die Art. 46 bis 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, einer Auslegung zugänglich sind, die mit den Rahmenbeschlüssen 2009/315 und 2008/675 vereinbar ist.

105. Wenn ungewiss ist, ob das vorlegende Gericht zu einer Auslegung des innerstaatlichen Rechts gelangen kann, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist, halte ich es für erforderlich, für den Fall, dass eine solche unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, festzustellen, welche konkreten Konsequenzen das nationale Gericht aus der mangelnden Vereinbarkeit der Art. 46 bis 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen mit den Rahmenbeschlüssen 2009/315 und 2008/675 zu ziehen hat.

106. Sofern sich die in Rede stehende nationale Regelung nicht für eine rahmenbeschlusskonforme Auslegung eignet, ist das innerstaatliche Gericht grundsätzlich gehalten, sie unangewendet zu lassen, damit das Unionsrecht in vollem Umfang Anwendung findet.

107. Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof, auch wenn er sich bereits zur rechtlichen Tragweite von Rechtsakten geäußert hat, die im Rahmen von Titel VI des EU-Vertrags, der sich auf die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen bezieht, angenommen worden sind, im Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino(65), lediglich den Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung auf diese Rechtsakte ausgeweitet und anerkannt hat, dass ein Rahmenbeschluss in dieser Hinsicht mit einer Richtlinie vergleichbar ist.

108. Er hat sich hingegen noch nicht zu der Frage geäußert, ob die Unvereinbarkeit einer nationalen Regelung mit einem Rahmenbeschluss für das innerstaatliche Gericht die Verpflichtung mit sich bringt, diese Regelung unangewendet zu lassen, wenn sie nicht rahmenbeschlusskonform ausgelegt werden kann.

109. Wie ich in meiner Stellungnahme vom 28. April 2008 in der Rechtssache Kozłowski(66) ausgeführt habe, lassen sich die Gründe, aus denen der Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Juli 1964, Costa(67), festgestellt hat, dass sich die Mitgliedstaaten, wenn sie freiwillig Befugnisse auf die Gemeinschaft übertragen haben, gegenüber einem verbindlichen Rechtsakt der Gemeinschaft auf keinerlei Bestimmungen ihrer nationalen Rechtsordnung berufen können, auf Rahmenbeschlüsse übertragen. Wie jeder andere verbindliche Gemeinschaftsrechtsakt geht meines Erachtens auch ein Rahmenbeschluss jeder Bestimmung des nationalen Rechts, gleich welcher Art, vor, selbst verfassungsrechtlichen Bestimmungen oder Bestimmungen eines Grundgesetzes. Daher ist das innerstaatliche Gericht nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts gehalten, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, „indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Bestimmung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt“(68).

110. Mehrere Erwägungen sprechen dafür, dass der Grundsatz des Vorrangs auch für Rahmenbeschlüsse gilt, die im Rahmen des dritten Pfeilers angenommen worden sind(69).

111. Die erste Erwägung ergibt sich aus dem Wortlaut, denn der Unionsgesetzgeber hat sich bei der Regelung für Rahmenbeschlüsse – mit Ausnahme des Vorbehalts im Zusammenhang mit der fehlenden unmittelbaren Wirkung – an der Regelung für Richtlinien orientiert, indem er vorgesehen hat, dass diese Beschlüsse „für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich [sind], … jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel [überlassen]“(70). Da sich der nicht abänderbare einzigartige Charakter der Rahmenbeschlüsse auf ihre fehlende unmittelbare Wirkung beschränkt(71), gibt es keinen Grund, den Vorrang dieser Rechtinstrumente für die übrigen Aspekte mit der Begründung zu verneinen, dass sie zum Bereich der Regierungszusammenarbeit gehören.

112. Die zweite Erwägung hängt mit dem Umstand zusammen, dass der Gerichtshof die Verpflichtung des nationalen Gerichts anerkannt hat, auf die Technik der rahmenbeschlusskonformen Auslegung zurückzugreifen, um die volle Wirksamkeit von Rahmenbeschlüssen sicherzustellen und zu einer Lösung zu gelangen, die mit deren Ziel im Einklang steht.

113. Zur Rechtfertigung der Anwendung des Grundsatzes der rahmenbeschlusskonformen Auslegung hat sich der Gerichtshof zwar nicht auf den Grundsatz des Vorrangs, sondern auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gestützt. So hat er ausgeführt, dass der letztgenannte Grundsatz, der insbesondere bedeutet, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach dem Unionsrecht treffen, auch im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gelten muss, die im Übrigen vollständig auf der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen beruht(72). Dieser Überlegungsansatz war bereits im Urteil vom 10. April 1984, Von Colson und Kamann(73), zu finden, wo der Gerichtshof die Verpflichtung zu rahmenbeschlusskonformer Auslegung u. a. aus der Pflicht der Mitgliedstaaten, alle zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Unionsrecht geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, abgeleitet und klargestellt hat, dass diese Pflicht allen nationalen Trägern öffentlicher Gewalt obliegt, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten(74).

114. Gleichwohl ergibt sich das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung, das der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung als „dem System des AEU-Vertrags immanent [betrachtet], da es den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden“(75), aus dem Erfordernis der Effektivität des Unionsrechts und der Notwendigkeit, sicherzustellen, dass es Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten hat(76). Im Übrigen setzt die Anerkennung des Grundsatzes der unionsrechtskonformen Auslegung über den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwangsläufig – und sei es nur unterschwellig – die Anerkennung des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts voraus. Wie könnte die sich aus dem Unionsrecht ergebende Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit nämlich eine Verpflichtung des nationalen Richters rechtfertigen, die Bedeutung seines innerstaatlichen Rechts in einem unionsrechtskonformen Sinne zu ändern, wenn diese Verpflichtung nicht so angesehen würde, als gehe sie der Verpflichtung des nationalen Richters vor, den Rechtsstreit nach seinem innerstaatlichen Recht zu entscheiden?

115. Die dritte Erwägung hängt mit der Entwicklung des Rechtsrahmens seit dem Ende der Übergangszeit zusammen, die in dem den Verträgen beigefügten Protokoll (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen vorgesehen ist. Gemäß Art. 10 Abs. 3 dieses Protokolls ist die Übergangsmaßnahme nach Abs. 1 fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon außer Kraft getreten, d. h. am 30. November 2014. Da der dritte Pfeiler letztlich in dem im Dritten Teil, Titel V, des AEU-Vertrags enthaltenen Bereich aufgegangen ist, der sich auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bezieht, ist eine „in der Gemeinschaft einheitliche Auslegung“ geboten(77). Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, dessen Zuständigkeit nach dem früheren Art. 35 EU den zwischenstaatlichen Charakter der Zusammenarbeit im Rahmen des dritten Pfeilers widerspiegelte, seither eine automatische und zwingende Zuständigkeit besitzt, die nicht mehr von der Erklärung jedes Mitgliedstaats abhängt, in der dieser diese Zuständigkeit anerkannte und angab, welche nationalen Gerichte den Gerichtshof anrufen konnten. Interessanterweise hat sich der Gerichtshof im Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino(78), auf „die Bedeutung der Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungen nach Artikel 35 EU“ gestützt, um zu begründen, weshalb die Einzelnen das Recht haben müssen, sich auf Rahmenbeschlüsse zu berufen, um vor den Gerichten der Mitgliedstaaten eine ihnen konforme Auslegung des nationalen Rechts zu erreichen(79). Die Anerkennung einer Zuständigkeit, die mit der Zuständigkeit identisch ist, die der Gerichtshof im Rahmen des ersten Pfeilers besaß, belegt einen starken Konvergenzprozess zwischen diesen beiden Pfeilern, der eine Übertragung der Wirkungen von Richtlinien auf Rahmenbeschlüsse rechtfertigt, selbstverständlich mit Ausnahme der unmittelbaren Wirkung, die ausdrücklich ausgeschlossen ist.

116. Meines Erachtens ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass die Rahmenbeschlüsse nach dem Grundsatz des Vorrangs allen entgegenstehenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts vorgehen.

117. Von Bedeutung ist auch der Hinweis des Gerichtshofs im Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni(80), in dem es um die Auslegung des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten(81) ging: „Nach gefestigter Rechtsprechung kann … nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, der die Unionsrechtsordnung wesentlich prägt …, die Geltung des Unionsrechts in einem Mitgliedstaat nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass dieser Staat Vorschriften des nationalen Rechts, und haben sie auch Verfassungsrang, geltend macht“(82).

118. Nach der Logik der Entkopplung der „Ersetzungswirkung“ von der „Möglichkeit der Berufung auf die Ausschlusswirkung“(83) bedeutet die Tatsache, dass der Rahmenbeschluss keine unmittelbare Wirkung hat, nach meinem Dafürhalten nicht, dass der nationale Richter nicht verpflichtet wäre, die mit dem Unionsrecht unvereinbaren Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts unberücksichtigt zu lassen. Diese Verpflichtung ergibt sich nämlich unmittelbar aus dem Vorrang des Unionsrechts vor solchen nationalen Vorschriften, die der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts entgegenstehen.

119. Diese Erwägungen gelten meines Erachtens erst recht für die gemäß Art. 34 Abs. 2 Buchst. c EU erlassenen Beschlüsse wie den Beschluss 2009/316.

120. Folglich bin ich der Auffassung, dass das vorlegende Gericht die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Vorschriften unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks des Rahmenbeschlusses 2009/315, des Beschlusses 2009/316 und des Rahmenbeschlusses 2008/675 auslegen muss. Falls sich eine solche Auslegung als unmöglich erweist, ist es gehalten, diese zum Unionsrecht im Widerspruch stehenden innerstaatlichen Vorschriften unangewendet zu lassen.

IV.    Ergebnis

121. Nach alledem schlage ich vor, die vom Szombathelyi Törvényszék (Gerichtshof Szombathely, Ungarn) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Der Rahmenbeschluss 2009/315/JI des Rates vom 26. Februar 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten sowie der Beschluss 2009/316/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Einrichtung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) gemäß Artikel 11 des Rahmenbeschlusses 2009/315 sind dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, mit der ein innerstaatliches Verfahren für die Anerkennung, durch das Gericht eines Mitgliedstaats, einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, mit der eine Person wegen der Begehung einer Straftat verurteilt wurde, geschaffen wird.

2.      Nach diesem Rahmenbeschluss und diesem Beschluss muss die Zentralbehörde des Herkunftsmitgliedstaats Verurteilungen durch die Gerichte des Urteilsmitgliedstaats unmittelbar auf der Grundlage der hierzu in Form von Codes von der Zentralbehörde des Urteilsmitgliedstaats über das ECRIS übermittelten Angaben in das Strafregister eintragen. Deshalb darf die Eintragung nicht von der vorherigen Durchführung eines Verfahrens zur gerichtlichen Anerkennung der Verurteilungen wie dem ungarischen besonderen Verfahren und erst recht nicht von der Übermittlung des Urteils an den Herkunftsmitgliedstaat zum Zweck einer solchen Anerkennung abhängig gemacht werden.

3.      Der Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, wenn die Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen früheren Verurteilung in einem Mitgliedstaat von der Durchführung eines innerstaatlichen Verfahrens zur vorherigen Anerkennung dieser Verurteilung durch die zuständigen Gerichte dieses Mitgliedstaats abhängig gemacht wird.

4.      Das vorlegende Gericht muss die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks des Rahmenbeschlusses 2009/315, des Beschlusses 2009/316 und des Rahmenbeschlusses 2008/675 auslegen. Falls sich eine solche Auslegung als unmöglich erweist, ist es gehalten, diese zum Unionsrecht im Widerspruch stehende nationale Regelung unangewendet zu lassen.


1      Originalsprache: Französisch.


2      C‑25/15, EU:C:2016:423.


3      C‑25/15, EU:C:2016:423.


4      ABl. 2009, L 93, S. 23.


5      ABl. 2009, L 93, S. 33.


6      C‑25/15, EU:C:2016:423.


7      ABl. 2008, L 220, S. 32.


8      C‑171/16, EU:C:2017:710.


9      C‑579/15, EU:C:2017:503. Schlussanträge vom 15. Februar 2017 (Popławski, C‑579/15, EU:C:2017:116).


10      Im Folgenden: Strafgesetzbuch.


11      ABl. 2000, L 239, S. 19.


12      Im Folgenden: Charta.


13      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die ungarische Regierung allerdings mitgeteilt, dass im Fall eines Ersuchens um Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verhängten Sanktion in Ungarn dasselbe besondere Anerkennungsverfahren Anwendung finden würde.


14      C‑25/15, EU:C:2016:423.


15      C‑25/15, EU:C:2016:423.


16      C‑25/15, EU:C:2016:423.


17      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2016, Kossowski (C‑486/14, EU:C:2016:483, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      C‑25/15, EU:C:2016:423.


19      Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh (C‑25/15, EU:C:2016:423, Rn. 48).


20      Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh (C‑25/15, EU:C:2016:423, Rn. 49).


21      C‑171/16, EU:C:2017:710.


22      Urteile vom 9. Juni 2016, Balogh (C‑25/15, EU:C:2016:423, Rn. 54), und vom 21. September 2017, Beshkov (C‑171/16, EU:C:2017:710, Rn. 36).


23      Urteil vom 21. September 2017, Beshkov (C‑171/16, EU:C:2017:710, Rn. 36).


24      C‑25/15, EU:C:2016:423.


25      Vgl. Rn. 28 des Vorabentscheidungsersuchens.


26      Vgl. Rn. 30 des Vorabentscheidungsersuchens.


27      Vgl. Rn. 32 des Vorabentscheidungsersuchens.


28      Vgl. Rn. 33 des Vorabentscheidungsersuchens.


29      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh (C‑25/15, EU:C:2016:423, Rn. 52).


31      Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh (C‑25/15, EU:C:2016:423, Rn. 44).


32      Urteil vom 9. Juni 2016, Balogh (C‑25/15, EU:C:2016:423, Rn. 46).


33      C‑25/15, EU:C:2016:423.


34      C‑25/15, EU:C:2016:29.


35      Hervorhebung nur hier.


36      Vgl. Urteil vom 21. September 2017, Beshkov (C‑171/16, EU:C:2017:710).


37      C‑171/16, EU:C:2017:710.


38      C‑171/16, EU:C:2017:386.


39      KOM(2014) 312 endg., S. 12.


40      Vgl. Erwägungsgründe 5 bis 7 dieses Rahmenbeschlusses.


41      C‑171/16, EU:C:2017:710.


42      Vgl. Urteil vom 21. September 2017, Beshkov (C‑171/16, EU:C:2017:710, Rn. 37).


43      Vgl. entsprechend Urteil vom 21. September 2017, Beshkov (C‑171/16, EU:C:2017:710, Rn. 38).


44      Vgl. fünfter Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2008/675.


45      Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren (KOM[2005] 91 endg., Begründung S. 3, im Folgenden: Vorschlag für einen Rahmenbeschluss).


46      Vgl. Vorschlag für einen Rahmenbeschluss (Begründung S. 5).


47      Vgl. Vorschlag für einen Rahmenbeschluss (S. 5 und 6).


48      C‑25/15, EU:C:2016:423.


49      Die ungarische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass diese Entwicklung in einem neuen Gesetz festgeschrieben werde, das am 1. Januar 2018 in Kraft treten werde.


50      ABl. 2008, L 327, S. 27.


51      Vgl. Urteil vom 8. November 2016, Ognyanov (C‑554/14, EU:C:2016:835, Rn. 36).


52      Vgl. die Antwort des vorlegenden Gerichts auf das Auskunftsersuchen des Gerichtshofs, Nrn. 1 und 5. Vgl. auch Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.


53      C‑25/15, EU:C:2016:423.


54      C‑171/16, EU:C:2017:710.


55      C‑579/15, EU:C:2017:503. Schlussanträge vom 15. Februar 2017 (Popławski, C‑579/15, EU:C:2017:116).


56      In der sich aus dem Vertrag von Amsterdam ergebenden Fassung.


57      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


58      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


59      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


60      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


61      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


62      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


63      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


64      Vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski (C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


65      C‑105/03, EU:C:2005:386.


66      C‑66/08, EU:C:2008:253.


67      6/64, EU:C:1964:66.


68            Vgl. Urteil vom 5. Juli 2016, Ognyanov (C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 34).


69      Vgl. in diesem Sinne Lenaerts, K., und Corthaut, T., „Of birds and hedges: the role of primacy in invoking norms of EU law“, European Law Review, Sweet and Maxwell, London 2006, S. 287 bis 315. Für die Gegenmeinung vgl. Peers, S., „Salvation outside the church: judicial protection in the third pillar after the Pupino and Segi judgments“, Common Market Law Review, Nr. 44, Ausgabe 4, Wolters Kluwer Law and Business, Alphen aan den Rijn 2007, S. 883 bis 929, insbesondere S. 920, der meint, wenn die Grundsätze des Vorrangs und der unmittelbaren Wirkung auf den dritten Pfeiler angewandt würden, würde den Absichten der Verfasser der Verträge nicht Rechnung getragen. Dieser Verfasser räumt allerdings ein, dass die Anerkennung des Grundsatzes des Vorrangs im Rahmen des dritten Pfeilers das Prinzip der Wirksamkeit stärken und nicht direkt gegen den Wortlaut der Verträge verstoßen würde (S. 917).


70      Art. 34 Abs. 2 Buchst. b EU in der Fassung des Vertrags von Amsterdam.


71      Prechal, S., und Marguery, T., bezeichnen das Fehlen einer unmittelbaren Wirkung der Rahmenbeschlüsse in „La mise en œuvre des décisions-cadres, une leçon pour les futures directives pénales?“, L’exécution du droit de l’Union, entre mécanismes communautaires et droits nationaux, Bruylant, Brüssel 2009, S. 225 bis 251, insbesondere S. 250, als eine „geringfügige Besonderheit“.


72      Vgl. Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino (C‑105/03, EU:C:2005:386, Rn. 42).


73      14/83, EU:C:1984:153.


74      Vgl. Urteil vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153, Rn. 26).


75      Vgl. zuletzt Urteil vom 28. Januar 2016, BP Europa (C‑64/15, EU:C:2016:62, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


76      Vgl. in diesem Sinne Simon, D., „La panacée de l’interprétation conforme: injection homéopathique ou thérapie palliative?“, De Rome à Lisbonne: les juridictions de l’Union européenne à la croisée des chemins, Mélanges en l’honneur de Paolo Mengozzi, Bruylant, Brüssel 2013, S. 279 bis 298. Der Verfasser vertritt die Auffassung, dass sich „die Erhebung der Verpflichtung zu unionsrechtskonformer Auslegung auf das Niveau eines ‚dem System des AEU-Vertrags immanent[en Grundsatzes]‘ direkt … aus dem Vorrang [des Unionsrechts] vor dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten ergibt“ (S. 282). Er fügt hinzu: „Der Zusammenhang mit dem Vorrang des Unionsrechts im Allgemeinen und nicht nur mit der Durchführung der Richtlinien im Besonderen zeigt sich in der Verpflichtung zu einer ‚EU-konformen‘ Auslegung nicht nur des Umsetzungsakts, sondern des gesamten vor oder nach der Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Rechts“ (S. 283).


77      Prechal, S., und Marguery, T., „La mise en œuvre des décisions-cadres, une leçon pour les futures directives pénales?“, L’exécution du droit de l’Union, entre mécanismes communautaires et droits nationaux, Bruylant, Brüssel 2009, S. 225 bis 251, insbesondere S. 232.


78      C‑105/03, EU:C:2005:386.


79      Urteil vom 16. Juni 2005, Pupino (C‑105/03, EU:C:2005:386, Rn. 37 und 38).


80      C‑399/11, EU:C:2013:107.


81      ABl. 2002, L 190, S. 1.


82      Vgl. Rn. 59 dieses Urteils und die dort angeführte Rechtsprechung.


83      Vgl. zu dieser Unterscheidung u. a. Simon, D., „L’invocabilité des directives dans les litiges horizontaux: confirmation ou infléchissement?“, Revue Europe, Nr. 3, LexisNexis, Paris 2010. Vgl. auch Dougan, M., „When worlds collide! Competing visions of the relationship between direct effect and supremacy“, Common Market Law Review, Nr. 44, Ausgabe 4, Wolters Kluwer Law and Business, Alphen aan den Rijn 2007, S. 931 bis 963.