Language of document : ECLI:EU:C:2013:513

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

11. Juli 2013(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Art. 81 EG und 53 des EWR-Abkommens – Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien – Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten – Rechtliche Bedeutung – Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts – Umfang – Recht auf ein faires Verfahren – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Objektive Unparteilichkeit der Kommission – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen (2006) – Anteil am Umsatz – Begründungspflicht – Ermäßigung der Geldbuße wegen fehlender Leistungsfähigkeit oder besonderer Umstände des Falles – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache C‑439/11 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. August 2011,

Ziegler SA mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: J.‑F. Bellis, M. Favart und A. Bailleux, avocats,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet und N. von Lingen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie des Richters C. G. Fernlund,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Dezember 2012

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Ziegler SA (im Folgenden: Ziegler) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Juni 2011, Ziegler/Kommission (T‑199/08, Slg. 2011, II‑3507, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C (2008) 926 final der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) (im Folgenden: streitige Entscheidung), hilfsweise auf Aufhebung, äußerst hilfsweise auf Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße, abgewiesen hat.

I –  Rechtlicher Rahmen

2        In den Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] (ABl. 2004, C 101, S. 81, im Folgenden: Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels) heißt es in den Ziff. 3, 45, 50 und 52 bis 55:

„3.      [Die] vorliegenden Leitlinien … enthalten … eine Regel, die angibt, wann Vereinbarungen normalerweise nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen … Diese Leitlinien erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ihr Ziel ist es, die Methodik zur Anwendung des Begriffs der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels darzustellen und eine Anleitung für seine Anwendung in häufig wiederkehrenden Fällen zu bieten. …

45.      Die Beurteilung der Spürbarkeit ist abhängig von den in jedem Einzelfall vorherrschenden Umständen, insbesondere von der Art der Vereinbarung und Verhaltensweise, der Art der erfassten Waren und der Marktstellung der beteiligten Unternehmen. … Je stärker die Marktstellung der beteiligten Unternehmen ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch eine Vereinbarung oder Verhaltensweise als spürbar einzustufen ist …

50.      … [D]ie Kommission [hält es] für angezeigt, einige allgemeine Regeln aufzustellen, die angeben, wann der Handel in der Regel nicht spürbar beeinträchtigt werden kann … Bei der Anwendung des Artikels 81 [EG] wird die Kommission diese Standard-Definition im Sinne einer widerlegbaren Negativvermutung auf alle Vereinbarungen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 [EG] … anwenden.

52.      Die Kommission geht davon aus, dass Vereinbarungen grundsätzlich nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

a)      der gemeinsame Marktanteil der Parteien überschreitet auf keinem von der Vereinbarung betroffenen relevanten Markt innerhalb der Gemeinschaft 5 %, und

b)      im Falle horizontaler Vereinbarungen überschreitet der gesamte Jahresumsatz der beteiligten Unternehmen … innerhalb der Gemeinschaft mit den von der Vereinbarung erfassten Waren nicht den Betrag von 40 Mio. [Euro]. …

53.      Wenn eine Vereinbarung ihrem Wesen nach geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da sie beispielsweise Einfuhren und Ausfuhren betrifft oder sich auf mehrere Mitgliedstaaten erstreckt, wird die Kommission davon ausgehen, dass eine widerlegbare positive Vermutung vorliegt, dass diese Beeinträchtigung des Handels spürbar ist, sofern der gemäß den Ziffern 52 und 54 errechnete Umsatz der Unternehmen mit den von der Vereinbarung erfassten Waren 40 Mio. [Euro] überschreitet. Im Falle von Vereinbarungen, die ihrem Wesen nach geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, kann ferner häufig davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen spürbar sind, wenn der Marktanteil der Parteien den … Schwellenwert von 5 % übertrifft. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die Vereinbarung nur auf einen Teil des Mitgliedstaats erstreckt …

54.      Im Hinblick auf den Schwellenwert von 40 Mio. [Euro] … wird der Umsatz auf der Grundlage der gesamten von den betreffenden Unternehmen während des vorangehenden Geschäftsjahrs innerhalb der Gemeinschaft mit den von der Vereinbarung erfassten Waren … erzielten Umsätze vor Steuern ermittelt. Umsätze zwischen Gesellschaften, die Teil desselben Unternehmens sind, finden keine Berücksichtigung …

55.      Zur Anwendung des Schwellenwerts für den Marktanteil muss der relevante Markt abgegrenzt werden, und zwar sowohl der relevante Produktmarkt als auch der räumlich relevante Markt(41). Bei der Marktanteilsberechnung sollte grundsätzlich der Absatzwert, oder, wo angemessen, der Wert der getätigten Käufe zugrunde gelegt werden. Sind keine Wertangaben vorhanden, dürfen Schätzungen vorgenommen werden, die auf anderen verlässlichen Marktdaten, einschließlich Mengenangaben, beruhen.“

3        In Fn. 41 zu Ziff. 55 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels wird zur Definition des relevanten Markts auf die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, im Folgenden: Bekanntmachung über die Marktdefinition) verwiesen.

4        In den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen) heißt es unter der Überschrift „Grundbetrag der Geldbuße“:

„…

A.      Bestimmung des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen

13.      Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des [Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)] verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren … Zusammenhang stehen. Im Regelfall ist der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (nachstehend ‚Umsatz‘).

B.      Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße

19.      Zur Bestimmung des Grundbetrags wird ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert.

21.      Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

22.      Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

23.      Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen(2) zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.

25.      Zusätzlich, unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu, um die Unternehmen von vornherein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen … abzuschrecken. … Bei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die in Ziffer 22 genannten.

…“

5        In Fn. 2 zu Ziff. 23 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen heißt es, dass sich der dort genannte Begriff der Vereinbarung auf alle Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen im Sinne von Art. 81 EG erstreckt.

6        Unter der Überschrift „Anpassungen des Grundbetrags“ heißt es in den Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen:

„…

F.      Leistungsfähigkeit der Unternehmen

35.      Unter außergewöhnlichen Umständen kann die Kommission auf Antrag die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens in einem gegebenen sozialen und ökonomischen Umfeld berücksichtigen. Die Kommission wird jedoch keine Ermäßigung wegen der bloßen Tatsache einer nachteiligen oder defizitären Finanzlage gewähren. Eine Ermäßigung ist nur möglich, wenn eindeutig nachgewiesen wird, dass die Verhängung einer Geldbuße gemäß diesen Leitlinien die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens unwiderruflich gefährden und ihre Aktiva jeglichen Wertes berauben würde.“

7        Unter der Überschrift „Abschließende Erwägungen“ heißt es in Ziff. 37 der Leitlinien:

„In diesen Leitlinien wird die allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen dargelegt; jedoch können die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen von dieser Methode oder der in Ziffer 21 festgelegten Obergrenze rechtfertigen.“

II –  Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

8        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und die streitige Entscheidung, die in den Randnrn. 1 bis 21 des angefochtenen Urteils dargestellt sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

9        Nach den Feststellungen der Kommission in der streitigen Entscheidung waren deren Adressaten, darunter Ziegler – die in dem am 31. Dezember 2006 abgeschlossenen Geschäftsjahr einen konsolidierten Umsatz von 244 420 326 Euro erzielte –, an einem Kartell im Sektor für internationale Umzugsdienste in Belgien beteiligt; sie setzten Preise fest, teilten Kunden untereinander auf und manipulierten das Verfahren zur Einreichung von Angeboten, so dass sie von Oktober 1984 bis September 2003 oder während eines Teils dieses Zeitraums eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG begingen oder dafür haften.

10      Die von der Zuwiderhandlung betroffenen Dienstleistungen umfassen Umzüge der Güter von natürlichen Personen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen aus oder nach Belgien. Da die fraglichen internationalen Umzugsunternehmen alle in Belgien ansässig sind und das Kartell auch dort durchgeführt wurde, sah die Kommission als dessen räumliches Zentrum diesen Mitgliedstaat an. Sie schätzte die von den Kartellteilnehmern im Jahr 2002 mit den internationalen Umzugsdiensten erzielten kumulierten Umsätze auf 41 Mio. Euro und die Größe des Sektors auf 83 Mio. Euro. Daher wurde der kumulierte Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf etwa 50 % des betroffenen Sektors festgesetzt.

11      Der streitigen Entscheidung zufolge sollten mit dem Kartell u. a. hohe Preise durchgesetzt und gehalten und der Markt aufgeteilt werden; das Kartell habe verschiedene Formen angenommen, nämlich Preisvereinbarungen, Vereinbarungen über die Marktaufteilung mittels eines Systems fiktiver Kostenvoranschläge (sogenannte „Schutzangebote“) und Vereinbarungen über ein System von Abstandszahlungen für abgelehnte oder unterlassene Angebote (sogenannte „Provisionen“).

12      Das Kartell sei von 1984 bis Anfang der 90er Jahre insbesondere im Wege schriftlicher Vereinbarungen über die Festsetzung von Preisen durchgeführt worden; die Provisionen und die Schutzangebote seien parallel dazu eingeführt worden. Die Provisionen seien als mittelbare Festsetzung der Preise für internationale Umzugsdienste in Belgien anzusehen; die Kartellmitglieder hätten sich die Provisionen für die abgelehnten oder nicht abgegebenen Angebote nämlich mit Scheinrechnungen gegenseitig und dann den Kunden in Rechnung gestellt.

13      Mit den Schutzangeboten habe das am Auftrag interessierte Unternehmen dafür gesorgt, dass der Kunde, der den Umzug bezahlt habe, mehrere Angebote erhalten habe. Hierzu habe es seinen Wettbewerbern einen über seinem Angebot liegenden Gesamtpreis mitgeteilt, den diese für den geplanten Umzug in Rechnung stellen sollten. Es habe sich also um fiktive Angebote von Unternehmen gehandelt, die nicht die Absicht gehabt hätten, den Umzug durchzuführen. Mit dieser Praxis sei das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipuliert worden, so dass der für den Umzug geforderte Preis höher ausgefallen sei als in einem Umfeld mit funktionierendem Wettbewerb.

14      Solche Absprachen seien bis 2003 getroffen worden; mit den komplexen Verhaltensweisen sei ein und dasselbe bezweckt worden, nämlich die Festsetzung der Preise, die Aufteilung des Markts und somit die Verfälschung des Wettbewerbs.

15      Die Kommission erließ daher die streitige Entscheidung, in deren Art. 1 es heißt:

„Die folgenden Unternehmen haben dadurch gegen Art. 81 Abs. 1 [EG] und Art. 53 Abs. 1 des [Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3)] verstoßen, dass sie in den genannten Zeiträumen unmittelbar und mittelbar Preise für Auslandsumzüge von und nach Belgien festsetzten, diesen Markt teilweise untereinander aufteilten und das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipulierten:

j)      [Ziegler] vom 4. Oktober 1984 bis zum 8. September 2003.“

16      In Art. 2 Buchst. l der streitigen Entscheidung verhängte die Kommission deshalb gegen Ziegler eine nach der in den Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen dargestellten Methode berechnete Geldbuße in Höhe von 9,2 Mio. Euro.

17      Am 24. Juli 2009 erließ die Kommission die Entscheidung C (2009) 5810 final, mit der die streitige Entscheidung geändert und der Umsatz eines anderen Adressaten der streitigen Entscheidung um etwa 600 000 Euro niedriger angesetzt wurde. Da dieser Umsatz der Berechnung der gegen dieses Unternehmen festgesetzten Geldbuße zugrunde lag, setzte die Kommission sie entsprechend herab.

III –  Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18      Mit Klageschrift, die am 3. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Ziegler Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, hilfsweise auf Aufhebung, äußerst hilfsweise auf erhebliche Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße. Sie beantragte außerdem, vor der Entscheidung in der Sache die Einreichung der vollständigen Verwaltungsakte bei der Kanzlei des Gerichts anzuordnen.

19      Parallel zu dieser Klage stellte Ziegler einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der u. a. auf die Aussetzung des Vollzugs von Art. 2 der streitigen Entscheidung gerichtet war, soweit darin eine Geldbuße gegen sie festgesetzt wurde. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2009, Ziegler/Kommission (T‑199/08 R), abgewiesen; das dagegen eingelegte Rechtsmittel wurde sodann mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 30. April 2010, Ziegler/Kommission (C‑113/09 P[R]), zurückgewiesen.

20      Zur Stützung ihrer Klage machte Ziegler neun Klagegründe geltend, fünf mit dem Ziel der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung und vier hilfsweise mit dem Ziel der Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße.

21      Mit dem angefochtenen Urteil gab das Gericht dem Antrag von Ziegler, die Einreichung der vollständigen Verwaltungsakte bei der Kanzlei des Gerichts anzuordnen, teilweise statt. Die von Ziegler vorgebrachten Klagegründe wies es aber alle zurück; dementsprechend wies es die Klage in vollem Umfang ab und erlegte Ziegler die Kosten auf. Das Gericht stellte hierbei u. a. die nachfolgenden Erwägungen an.

22      Im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes, mit dem die Rechtsmittelführerin mit dem Ziel der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung offensichtliche Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale des Art. 81 Abs. 1 EG rügte, hat das Gericht zunächst in den Randnrn. 41 bis 46 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Kommission zurückgewiesen, wonach eine Abgrenzung des relevanten Markts bei offenkundigen Wettbewerbsbeschränkungen entbehrlich sei. Es hat ausgeführt, die Kommission sei insbesondere dann verpflichtet, eine Marktabgrenzung vorzunehmen, wenn sich sonst nicht bestimmen lasse, ob die in Rede stehende Vereinbarung geeignet sei, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen; im vorliegenden Fall wende sich Ziegler aber gerade gegen die von der Kommission vorgenommene Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals von Art. 81 EG.

23      Sodann hat das Gericht in den Randnrn. 56 bis 63 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass der in Ziff. 53 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels festgelegte Schwellenwert von 40 Mio. Euro erreicht sei. Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten vorliege, sei bei der Bestimmung der Größe des Markts der als Subunternehmer erzielte Umsatz nämlich vom Umsatz mit den fraglichen Dienstleistungen abzuziehen. Dann werde der Schwellenwert von 40 Mio. Euro aber nicht mehr erreicht.

24      Schließlich hat das Gericht in Randnr. 48 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das Vorbringen von Ziegler in der Erwiderung zum Schwellenwert von 5 % des Marktanteils gemäß Ziff. 53 der genannten Leitlinien nur eine Erweiterung des Klagegrundes, mit dem der Nachweis der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten bestritten worden sei, darstelle und daher zulässig sei; es hat dieses Vorbringen anschließend in den Randnrn. 64 bis 74 des angefochtenen Urteils geprüft. Es hat insoweit u. a. ausgeführt, dass die Kommission ihrer Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts, die sie sich in Ziff. 55 der Leitlinien auferlegt habe, nicht nachgekommen sei. Unter den Umständen des vorliegenden Falles habe die Kommission gleichwohl rechtlich hinreichend dargetan, dass der genannte Schwellenwert von 5 % des Marktanteils überschritten worden sei; sie habe den relevanten Sektor nämlich hinreichend detailliert beschrieben, um die Beurteilung zu ermöglichen, ob dieser Schwellenwert erreicht sei. Das Gericht hat daher in Randnr. 72 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich die Kommission „ausnahmsweise“ auf einen solchen Schwellenwert habe stützen dürfen, ohne ausdrücklich eine Marktabgrenzung im Sinne von Ziff. 55 der Leitlinien vorzunehmen.

25      Im Rahmen seiner Prüfung des ersten Teils des dritten Klagegrundes, mit dem mit dem Ziel der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung ein Begründungsmangel hinsichtlich der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße gerügt wurde, hat das Gericht in den Randnrn. 88 bis 94 des angefochtenen Urteils u. a. festgestellt, dass eine ausführlichere Begründung der Kommission für die Berechnung der Geldbußen wünschenswert erscheine, dass die 2006 erlassenen Leitlinien zur Festsetzung der Geldbußen zu einer grundlegenden Änderung der Berechnungsmethode geführt hätten und dass sich die Kommission unter diesen Umständen grundsätzlich nicht mehr damit begnügen könne, nur die Einordnung einer Zuwiderhandlung als „sehr schwerwiegend“ zu begründen, ohne die Wahl des zugrunde gelegten Anteils am Umsatz zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission diesen Anteil auf 17 % festgesetzt und dies nur mit dem „sehr schwerwiegenden“ Charakter der Zuwiderhandlung begründet. Das Gericht hat hierzu in Randnr. 93 des angefochtenen Urteils ausgeführt: „Diese Begründung kann nur dann genügen, wenn die Kommission einen Satz wählt, der sich nahe an der unteren Grenze der für die schwerwiegendsten Verstöße vorgesehenen Marge bewegt … Hätte die Kommission einen höheren Satz anwenden wollen, hätte sie dagegen eine ausführlichere Begründung liefern müssen.“ In Randnr. 94 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ergänzt, dass diese Erwägungen auch für die Begründung des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags gälten.

26      Zum vierten Klagegrund, mit dem mit dem Ziel der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gerügt wurden, hat das Gericht in den Randnrn. 103 bis 107 des angefochtenen Urteils festgestellt, Ziegler habe nicht bestritten, dass die Kommission im vorliegenden Fall für den Erlass einer Entscheidung in einem Verfahren nach Art. 81 EG zuständig sei. Der Mangel an Objektivität, den die Kommission gezeigt haben solle, stelle keine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, die zur Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung führen könne; er sei vielmehr im Rahmen der Prüfung der Beweiswürdigung oder der Begründung der streitigen Entscheidung zu behandeln. Der Klagegrund gehe als Nichtigkeitsgrund daher ins Leere. Das Gericht hat aber vorsorglich darauf hingewiesen, dass der Klagegrund auch unbegründet sei. Ziegler habe nämlich nicht dargetan, dass eine etwaige Voreingenommenheit der Kommission oder eines ihrer Bediensteten in der Entscheidung selbst zum Ausdruck gekommen wäre, dass die Kommission bei der Untersuchung der Sache befangen gewesen wäre oder inwiefern das einigen Bediensteten der Kommission vorgeworfene Verhalten, wenn es erwiesen wäre, das Recht auf ein faires Verfahren hätte verletzen können.

27      Im Rahmen seiner Prüfung des letzten Klagegrundes, mit dem die Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße wegen außergewöhnlicher Umstände begehrt wurde, hat das Gericht das Vorbringen von Ziegler geprüft, mit dem im Wesentlichen ihre fehlende Fähigkeit, die Geldbuße zu zahlen, und eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu einem anderen Adressaten der streitigen Entscheidung geltend gemacht wurde. Es hat in den Randnrn. 165 bis 169 des angefochtenen Urteils insbesondere festgestellt, dass Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung der Geldbußen zwei kumulative Anwendungsvoraussetzungen aufstelle und dass die Beurteilung der Kommission – wonach die Tatsache, dass die gegen Ziegler verhängte Geldbuße nur 3,76 % ihrer weltweiten Umsätze im Jahr 2006 ausmache, zeige, dass die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von Ziegler durch die Geldbuße nicht unwiderruflich gefährdet werde – abstrakt sei und die konkrete Situation dieses Unternehmens nicht berücksichtige. Es hat daher entschieden, dass diese Beurteilung nicht geeignet sei, die Ablehnung des von Ziegler gestellten Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. Da Ziegler jedoch die Feststellung der Kommission in der streitigen Entscheidung, dass die zweite, das besondere soziale und ökonomische Umfeld betreffende Voraussetzung nicht erfüllt sei, nicht in Frage gestellt habe, sei die Kommission befugt gewesen, das Vorbringen von Ziegler zur Ermäßigung der Geldbuße wegen ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten zurückzuweisen.

28      Zum gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber einem anderen Adressaten der streitigen Entscheidung hat das Gericht in den Randnrn. 170 und 171 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission auch den von diesem anderen Unternehmen gemäß Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen gestellten Antrag wegen des Fehlens des besonderen sozialen und ökonomischen Umfelds abgelehnt habe. Im Übrigen treffe es zwar zu, dass die Kommission die Geldbuße bei diesem Unternehmen gemäß Ziff. 37 der Leitlinien ermäßigt habe; aus der streitigen Entscheidung gehe jedoch hervor, dass die Situation dieses Unternehmens nicht mit der Situation von Ziegler vergleichbar sei, wobei hierzu die Feststellung genüge, dass die Geldbuße von Ziegler weit von der Obergrenze von 10 % ihrer Gesamtumsätze entfernt sei, während die Geldbuße des anderen Unternehmens ohne die Ermäßigung weit darüber hinausgegangen wäre.

IV –  Anträge der Parteien

29      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Ziegler, der Gerichtshof möge

–        das Rechtsmittel für zulässig und begründet erklären;

–        das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit selbst entscheiden;

–        den im ersten Rechtszug von ihr gestellten Anträgen stattgeben und die streitige Entscheidung dementsprechend für nichtig erklären, hilfsweise, die ihr in der streitigen Entscheidung auferlegte Geldbuße aufheben oder, äußerst hilfsweise, sie erheblich herabsetzen;

–        der Kommission die Kosten beider Rechtszüge auferlegen.

30      In ihrer Erwiderung beantragt Ziegler ferner, die Anträge der Kommission auf Auswechslung der Begründung für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet zu erklären.

31      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel unter teilweiser Auswechslung der Begründung des angefochtenen Urteils zurückzuweisen;

–        hilfsweise, die Nichtigkeitsklage abzuweisen;

–        Ziegler die Kosten aufzuerlegen.

V –  Zum Rechtsmittel

32      Ziegler stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe.

A –  Zum ersten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung hinsichtlich der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten

33      Ziegler gliedert ihren ersten Rechtsmittelgrund in drei Teile, von denen der erste die Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts, der zweite und der dritte im Wesentlichen den Schwellenwert für den Marktanteil in Höhe von 5 % gemäß Ziff. 53 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen betreffen. Die Kommission beantragt jedoch, zunächst die Begründung des angefochtenen Urteils in bestimmten Punkten auszuwechseln; der vorliegende Rechtsmittelgrund sei dann zurückzuweisen.

1.     Zu den Anträgen der Kommission auf Auswechslung der Begründung

a)     Vorbringen der Parteien

34      Die Kommission macht als Erstes geltend, mit den Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels werde nicht bezweckt, die Anforderungen an den Beweis der Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gegenüber der Rechtsprechung zu verschärfen. Anders als bei der Berechnung der Geldbuße, bei der sie über einen gewissen Ermessensspielraum verfüge, sei sie nicht zu der Annahme berechtigt, dass ein Kartell, das den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtige, nicht unter das Verbot des Art. 81 EG falle. Die in den Ziff. 52 und 53 der genannten Leitlinien festgelegten Schwellenwerte seien also lediglich indikativ. Im Übrigen könne aus Ziff. 55 der Leitlinien keine Pflicht zur Abgrenzung des Markts abgeleitet werden, wenn diese, wie bei Kartellen, nach der Rechtsprechung entbehrlich sei. Die Begründung in den Randnrn. 64 bis 74 des angefochtenen Urteils sei somit nicht stichhaltig und müsse ausgewechselt werden.

35      Als Zweites vertritt die Kommission die Auffassung, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es den Begriff des Umsatzes im Sinne der Ziff. 52 und 53 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels mit dem des Umsatzes im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen verwechselt und festgestellt habe, dass der Umsatz im Sinne der Ziff. 52 und 53 den als Subunternehmer erzielten Umsatz nicht einschließen könne. Die Subunternehmerschaft sei eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zwar nicht bei der Festsetzung der Geldbuße, wohl aber bei der Prüfung der Frage, ob der Handel zwischen den Mitgliedstaaten als spürbar beeinträchtigt angesehen werden könne, zu berücksichtigen sei. Die Kommission beantragt dementsprechend die Auswechslung der Begründung in den Randnrn. 56 bis 63 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht folglich fehlerhaft festgestellt habe, dass die Überschreitung des Schwellenwerts von 40 Mio. Euro nicht bewiesen worden sei.

36      Als Drittes beantragt die Kommission die Auswechslung der Begründung in den Randnrn. 40 bis 50, insbesondere in Randnr. 48, des angefochtenen Urteils. Das Gericht habe das Vorbringen von Ziegler zum Schwellenwert für den Marktanteil in Höhe von 5 % zu Unrecht für zulässig erachtet. Dieses Vorbringen habe nicht der Klageschrift entnommen werden können und hätte daher nicht als Erweiterung eines bereits geltend gemachten Klagegrundes, sondern als neuer und somit unzulässiger Teil eines solchen angesehen werden müssen.

37      Ziegler macht geltend, die Anträge auf Auswechslung der Begründung seien unzulässig, da sie sich nicht auf den Tenor des angefochtenen Urteils auswirkten und ungenau seien. Jedenfalls seien sie unbegründet.

38      Erstens habe die Kommission, indem sie in den Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels Schwellenwerte festgelegt habe, die sich nicht in der Rechtsprechung fänden, ihren Ermessensspielraum hinsichtlich der Anwendung des Tatbestandsmerkmals der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten einschränken wollen. Ohne angemessene Begründung könne sie daher nicht von diesen Leitlinien abweichen. Außerdem sei sie, wenn sie sich wie im vorliegenden Fall für die Anwendung der Leitlinien entscheide, verpflichtet, diese auch zu beachten.

39      Zweitens finde die Unterscheidung, die die Kommission zwischen dem Begriff des Umsatzes im Sinne der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels und dem des Umsatzes im Sinne der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen vorgenommen habe, weder im Wortlaut noch im Geist der betreffenden Bestimmungen eine Stütze, geschweige denn in der Rechtsprechung.

40      Drittens sei das Vorbringen von Ziegler vor dem Gericht zum Schwellenwert für den Marktanteil in Höhe von 5 % zulässig gewesen, da es sich dabei um eine Erweiterung des Klagegrundes gehandelt habe, mit dem ein Fehlen einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gerügt worden sei.

b)     Würdigung durch den Gerichtshof

41      Entgegen dem Vorbringen von Ziegler können die Anträge auf Auswechslung der Begründung nicht wegen Ungenauigkeit als unzulässig angesehen werden. Die Kommission hat bei ihnen nämlich jeweils genau angegeben, welche Stellen des angefochtenen Urteils sie für rechtsfehlerhaft hält und wie ihrer Auffassung nach die rechtsfehlerfreie Begründung lauten müsste, nämlich so, wie sie sie vor dem Gericht zu ihrer Verteidigung vorgebracht hatte.

42      Zudem setzt die Zulässigkeit eines Antrags auf Auswechslung der Begründung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Rechtsschutzinteresse voraus: Der Antrag muss der Partei, die ihn gestellt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen können. Dies kommt in Betracht, wenn der Antrag auf Auswechslung der Begründung ein Verteidigungsmittel gegen ein vom Kläger geltend gemachtes Angriffsmittel darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C‑501/06 P, C‑513/06 P, C‑515/06 P und C‑519/06 P, Slg. 2009, I‑9291, Randnr. 23, und vom 21. Dezember 2011, Iride/Kommission, C‑329/09 P, Randnrn. 48 bis 51).

43      Im vorliegenden Fall ist zum ersten Antrag, der die Begründung in Bezug auf den Begriff „spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“ und auf die Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts betrifft, festzustellen, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ins Leere ginge, wenn die Feststellung des Gerichts, dass die Kommission wegen der Verbindlichkeit der Leitlinien über den Begriff des zwischenstaatlichen Handels zur Abgrenzung des relevanten Markts verpflichtet gewesen sei, rechtsfehlerhaft wäre. Ziegler könnte dann nämlich nicht mehr geltend machen, dass das Gericht die Kommission zu Unrecht dieser Pflicht enthoben habe. Die Kommission hat somit ein Interesse an der Stellung des genannten Antrags, der folglich zulässig ist.

44      Zum zweiten Antrag, der sich auf die Begründung in Bezug auf die Nichtüberschreitung des Schwellenwerts von 40 Mio. Euro bezieht, ist festzustellen, dass, wenn sich herausstellen sollte, dass das Gericht den Begriff des Umsatzes im Sinne der Leitlinien über das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen und im Sinne der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels rechtsfehlerhaft verwechselt und daraus zu Unrecht den Schluss gezogen hat, dass dieser Schwellenwert nicht erreicht sei, die Überschreitung dieses Schwellenwerts erwiesen wäre. Dann gingen der zweite und der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, die sich nur auf die Beurteilung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % beziehen, ins Leere. Folglich hat die Kommission auch ein Interesse an der Stellung dieses Antrags, der somit ebenfalls zulässig ist.

45      Beim dritten Antrag, der sich auf die Begründung in Bezug auf die Zulässigkeit des Vorbringens von Ziegler zum Schwellenwert für den Marktanteil in Höhe von 5 % bezieht, genügt die Feststellung, dass er jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen ist, ohne dass über seine Zulässigkeit zu befinden ist (vgl. entsprechend Urteil vom 23. März 2004, Frankreich/Kommission, C‑233/02, Slg. 2004, I‑2759, Randnr. 26).

46      Nach Art. 48 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nämlich im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel oder ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits zuvor – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. November 2001, Dürbeck/Kommission, C‑430/00 P, Slg. 2001, I‑8547, Randnr. 17).

47      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten des Verfahrens vor dem Gericht hervor, dass Ziegler in Randnr. 44 der Klageschrift im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes zunächst „[d]en Umsatz der betroffenen Unternehmen und die von der Kommission im Rahmen der Schätzung der Marktanteile der zehn betroffenen Unternehmen und der anderen auf dem Markt der internationalen Umzüge tätigen Unternehmen festgestellte Größe des Markts in Euro“ bestritt. Dann machte Ziegler in Randnr. 45 der Klageschrift geltend, dass „[d]ie von der Kommission zur Berechnung der Marktanteile und der Größe des Markts angewandte Methode … mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet und die Schätzung der Marktanteile der betroffenen Gesellschaften in Randnr. 89 der [streitigen] Entscheidung … in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend [ist]“. Schließlich trug Ziegler in Randnr. 58 der Klageschrift vor, dass sich die „[in der Klageschrift] aufgezeigten Widersprüche und Ungenauigkeiten hinsichtlich der Berechnung der Marktanteile und der Größe des Markts in Euro … zwangsläufig auf die Beurteilung der Beeinträchtigung des Handels zwischen [den] Mitgliedstaaten durch die in Rede stehenden Vereinbarungen aus[wirken]“, und verwies dabei auf Randnr. 373 der streitigen Entscheidung, in der u. a. von der Überschreitung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % die Rede ist.

48      In Anbetracht dieser Gesichtspunkte hat das Gericht in Randnr. 48 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass „die Erwähnung des Schwellenwerts von 5 % in der Erwiderung lediglich die Erweiterung eines bereits vorgetragenen Klagegrundes und kein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel darstellt“, und dementsprechend das Vorbringen von Ziegler zur behaupteten fehlenden Überschreitung des genannten Schwellenwerts für zulässig erachtet.

49      Der dritte Antrag der Kommission ist mithin vorab zurückzuweisen, während die Begründetheit der ersten beiden Anträge gegebenenfalls im Rahmen der Würdigung des ersten Rechtsmittelgrundes zu prüfen sein wird.

2.     Zur Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes

a)     Zum ersten, die Pflicht zur Abgrenzung des Markts betreffenden Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

i)     Vorbringen der Parteien

50      Ziegler macht geltend, das Gericht habe in Randnr. 72 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Kommission den Beweis für die Tatsache, dass die betroffenen Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 5 % gehabt hätten, „ausnahmsweise“ ohne Abgrenzung des relevanten Markts habe erbringen können.

51      Das Gericht habe die Kommission, ohne einen Rechtsfehler zu begehen, nicht von der Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts gemäß Ziff. 55 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels befreien können, in denen auf die Bekanntmachung über die Marktdefinition verwiesen werde. Da diese Leitlinien das Ermessen der Kommission begrenzten, bedeute ihre Nichtbeachtung einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes. Im vorliegenden Fall sei die Kommission gerade deshalb zur Abgrenzung des relevanten Markts verpflichtet gewesen, weil sie nicht bewiesen habe, dass das Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten erfüllt gewesen sei, und sich lediglich auf die in den genannten Leitlinien enthaltenen Vermutungen gestützt habe.

52      Hilfsweise macht Ziegler geltend, die Rechtfertigung der Befreiung von der Pflicht zur Abgrenzung des Markts sei widersprüchlich und nicht stichhaltig. Der Widerspruch bestehe darin, dass das Gericht die Kommission dieser Pflicht mit der in den Randnrn. 70 und 71 des angefochtenen Urteils enthaltenen Begründung enthebe, ihr sei in der Praxis genügt worden. Zumindest liege insoweit ein Begründungsmangel vor, da das Gericht nicht rechtfertige, warum es der Kommission Beweiserleichterungen zubillige.

53      Zur fehlenden Stichhaltigkeit macht Ziegler geltend, eine Beschreibung des in Rede stehenden Sektors dürfe nicht mit dem rechtlichen Begriff des Markts im Sinne des Wettbewerbsrechts verwechselt werden. Im Übrigen hätte die Anwendung der Kriterien der Substituierbarkeit von Angebot und Nachfrage jedenfalls zu der Feststellung führen müssen, dass ein einziger, einheitlicher Markt vorliege, der alle internationalen Umzugsdienste umfasse und in räumlicher Hinsicht weit über das belgische Hoheitsgebiet hinausgehe. Die Feststellung des Gerichts, dass der belgische Markt der internationalen Umzugsdienste von und nach Belgien von der Kommission zutreffend bestimmt worden sei, sei daher rechtsfehlerhaft.

54      Über ihren Antrag auf Auswechslung der Begründung hinaus macht die Kommission zunächst geltend, dass Ziegler im Verwaltungsverfahren nicht bestritten habe, dass das Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall erfüllt gewesen sei.

55      Außerdem sei zwischen der Abgrenzung des möglicherweise relevanten Markts im Rahmen der Prüfung der Frage, ob der Schwellenwert von 5 % des Marktanteils erreicht sei, und der vollständigen Abgrenzung des relevanten Markts im Rahmen der Bestimmung der Marktmacht eines Wirtschaftsteilnehmers zu unterscheiden. Allein im zweiten Fall sei eine über die bloße Beschreibung des betreffenden Sektors hinausgehende Analyse erforderlich. Im Übrigen sei eine Abgrenzung des Markts bei offensichtlichen Kartellen nach der Rechtsprechung entbehrlich. Bei Kartellen sei Ziff. 55 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels mithin bereits Genüge getan, wenn der Sektor so beschrieben werde, dass sich der Marktanteil der Kartellteilnehmer ermitteln lasse.

56      Schließlich räumt die Kommission ein, dass die Ausführungen des Gerichts ein wenig widersprüchlich seien. Daran werde aber einfach deutlich, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass sie ihrer Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts nicht nachgekommen sei. Die Kommission verweist insoweit auf ihr Vorbringen zur Auswechslung der Begründung.

ii)  Würdigung durch das Gericht

57      Einleitend ist, soweit die Kommission mit ihrem Vorbringen, Ziegler habe sich im Verwaltungsverfahren nicht gegen die Feststellung gewandt, dass das Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten erfüllt sei, die Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittelgrundes in Zweifel ziehen will, darauf hinzuweisen, dass es keine unionsrechtliche Vorschrift gibt, die den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte insbesondere im Rahmen von Art. 81 EG zwingt, die verschiedenen in dieser Mitteilung angeführten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte im Verwaltungsverfahren anzugreifen, um das Recht, dies später im Stadium des Gerichtsverfahrens zu tun, nicht zu verwirken. Mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Rechtsgrundlage verstieße eine solche Einschränkung nämlich gegen die tragenden Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Wahrung der Verteidigungsrechte (Urteil vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, Slg. 2010, I‑6375, Randnrn. 89 und 91).

58      Folglich kann nicht angenommen werden, dass es Ziegler verwehrt wäre, sich vor dem Gericht und nun vor dem Gerichtshof gegen die Feststellung zu wenden, dass das in Art. 81 EG enthaltene Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten erfüllt sei.

59      Ziegler rügt in erster Linie, das Gericht habe die Kommission rechtsfehlerhaft der Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts enthoben, die sich diese in Ziff. 55 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels selbst auferlegt habe; die Kommission macht hingegen geltend, das Gericht habe diese Leitlinien zu Unrecht als verbindlich angesehen. Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass sich die Kommission nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Ausübung ihres Ermessens durch Maßnahmen wie die Leitlinien selbst binden kann, sofern sie Regeln enthalten, denen sich die von ihr zu verfolgende Politik entnehmen lässt und die nicht von Normen des AEU-Vertrags abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, Slg. 1993, I‑1125, Randnrn. 34 und 36, und vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Kommission, C‑288/96, Slg. 2000, I‑8237, Randnr. 62)

60      Demnach können Maßnahmen, die Außenwirkungen entfalten sollen, wie es bei den die Wirtschaftsteilnehmer betreffenden Leitlinien der Fall ist, zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat; sie stellen jedoch Verhaltensnormen dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthalten und von denen die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind. Das fragliche Organ hat nämlich dadurch, dass es derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass es sie auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung seines Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung oder den Vertrauensschutz geahndet würde. Daher ist nicht auszuschließen, dass derartige Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung unter bestimmten Voraussetzungen und je nach ihrem Inhalt Rechtswirkungen entfalten können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis 208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 209 bis 211).

61      Bei den Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels ist dies der Fall. Nach ihrer Ziff. 3 sollen sie den Gerichten und Behörden der Mitgliedstaaten nämlich Orientierung bei der Anwendung des in den Art. 81 EG und 82 EG enthaltenen Begriffs der Beeinträchtigung des Handels bieten; ihr Ziel ist es aber auch, „die Methodik zur Anwendung des Begriffs der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels darzustellen und eine Anleitung für seine Anwendung in häufig wiederkehrenden Fällen zu bieten“. Außerdem geht aus dem Wortlaut ihrer Ziff. 50, 52 und 53 klar hervor, dass die Kommission sie insbesondere anwenden will, um zu beurteilen, ob eine Vereinbarung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt.

62      Wie u. a. aus Randnr. 49 des angefochtenen Urteils hervorgeht, ist aber unstreitig, dass sich die Kommission dafür entschieden hat, die genannten Leitlinien im vorliegenden Fall bei der Prüfung der Frage, ob das in Art. 81 EG enthaltene Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten erfüllt ist, anzuwenden. Daher hat das Gericht in den Randnrn. 66 bis 68 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei im Wesentlichen festgestellt, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet war, diese Leitlinien zu beachten.

63      Im Übrigen ist die Abgrenzung des relevanten Markts bei der Prüfung der Frage, ob eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 81 EG vorliegt, zwar unter bestimmten Umständen entbehrlich, nämlich wenn sich auch ohne eine solche Abgrenzung feststellen lässt, dass das in Rede stehende Kartell geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts bezweckt oder bewirkt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Februar 2006, Adriatica di Navigazione/Kommission, C‑111/04 P, Randnr. 31); die Prüfung der Frage, ob ein Schwellenwert für den Marktanteil überschritten ist, kann aber begriffsnotwendig nicht ohne jegliche Definition dieses Markts erfolgen. Insoweit sieht Ziff. 55 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels logischerweise vor, dass „[z]ur Anwendung des Schwellenwerts für den Marktanteil … der relevante Markt abgegrenzt werden [muss]“, und verweist auf die in der Fußnote zu dieser Ziff. 55 angeführte Bekanntmachung über die Marktdefinition.

64      Daher hat das Gericht in den Randnrn. 66 bis 68 des angefochtenen Urteils ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Kommission im Rahmen der genannten Leitlinien zur Abgrenzung des relevanten Markts verpflichtet war. Der erste Antrag der Kommission auf Auswechslung der Begründung ist somit zurückzuweisen.

65      Das Hauptvorbringen von Ziegler kann aber keinen Erfolg haben.

66      Zwar hat das Gericht in Randnr. 68 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „fest[steht], dass die Kommission die in Ziff. 55 der Leitlinien [über die Beeinträchtigung des Handels] aufgestellte Pflicht [zur Abgrenzung des relevanten Markts] nicht erfüllt hat“, und in Randnr. 72, dass „sich die Kommission ausnahmsweise auf die zweite alternative Voraussetzung der Ziff. 53 [der genannten] Leitlinien … stützen durfte, ohne ausdrücklich eine Marktabgrenzung im Sinne [dieser] Ziff. 55 … vorzunehmen“.

67      Aus einer Gesamtbetrachtung der Randnrn. 65 bis 73 des angefochtenen Urteils ergibt sich jedoch, dass das Gericht die Kommission, wenn sie auf den Schwellenwert für den relevanten Gemeinschaftsmarkt in Höhe von 5 % abstellt, keineswegs der Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts enthoben hat. Vielmehr hat es in Randnr. 70 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Kommission die betreffenden Dienste im vorliegenden Fall angemessen bestimmt habe, da sie „den relevanten Sektor einschließlich des Angebots, der Nachfrage und der geografischen Reichweite hinreichend detailliert beschrieben“ habe, so dass es „die Grundannahmen der Kommission überprüfen kann, und [da] der kumulierte Marktanteil auf dieser Grundlage den Schwellenwert von 5 % offensichtlich weit überschreitet“.

68      Insoweit hat das Gericht in Randnr. 65 des angefochtenen Urteils u. a hinzugefügt, dass „[d]ie Kommission … zutreffend festgestellt hat, das Kartell habe bezweckt, den Wettbewerb im Sektor für internationale Umzüge von und nach Belgien zu beschränken. Die fraglichen Umzüge waren nämlich dadurch gekennzeichnet, dass Belgien ihren Ausgangs- oder ihren Zielort bildete und die Tätigkeit des Kartells in Belgien stattfand. Bei der Ermittlung der Marktgröße hat die Kommission zudem die Umsätze ausländischer Unternehmen auf diesem Markt berücksichtigt. Daher hat die Kommission zu Recht auf die internationalen Umzugsdienste in Belgien als relevante Dienste abgestellt.“ Es hat in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils ferner festgestellt, dass der Markt der internationalen Umzugsdienste in Belgien „von der Kommission zutreffend als der relevante Markt bestimmt worden ist“.

69      Wie die Generalanwältin in Nr. 46 ihrer Schlussanträge ausführt, hat das Gericht damit lediglich die Auffassung vertreten, dass eine solche Beschreibung eine Abgrenzung des Markts im Sinne von Ziff. 55 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels darstelle, anhand deren sich bestimmen lasse, ob der Schwellenwert von 5 % überschritten sei.

70      Somit ist festzustellen, dass das Hauptvorbringen von Ziegler, mit dem die Begründetheit der Befreiung von der Pflicht zur Abgrenzung des relevanten Markts, die der Kommission gewährt worden sein soll, in Zweifel gezogen werden soll, auf einer selektiven, wenn nicht fehlerhaften Auslegung des angefochtenen Urteils beruht; es ist folglich zurückzuweisen, ebenso wie das auch auf einer solchen selektiven Auslegung beruhende hilfsweise Vorbringen, wonach das Gericht diese Befreiung widersprüchlich begründet oder insoweit gar gegen seine Begründungspflicht verstoßen habe.

71      Was als Zweites das Vorbringen von Ziegler angeht, das Gericht habe mit seiner Vorgehensweise zumindest die im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Anforderungen an die Abgrenzung des betreffenden Markts nicht richtig beurteilt, ist darauf hinzuweisen, dass mit Letzterer im Rahmen der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG lediglich bestimmt werden soll, ob die in Rede stehende Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts bezweckt oder bewirkt (Beschluss Adriatica di Navigazione/Kommission, Randnr. 31), und dass ein Kartell bei der Prüfung der Frage, ob es den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt, in seinem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext zu untersuchen ist (Urteile vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, Slg. 2006, I‑11125, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Randnr. 37).

72      Bei der Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten variieren die Anforderungen an die Abgrenzung des relevanten Markts also je nach den Umständen des Einzelfalls.

73      Entgegen dem Vorbringen von Ziegler hat das Gericht in Randnr. 70 des angefochtenen Urteils daher ohne Rechtsfehler zu den im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Anforderungen an die Abgrenzung des Markts ausgeführt, dass es für eine Abgrenzung des Markts, anhand deren sich beurteilen lässt, ob der Schwellenwert für den Marktanteil in Höhe von 5 % gemäß Ziff. 53 der Leitlinien im vorliegenden Fall überschritten wurde, genügt, dass die Kommission „den relevanten Sektor einschließlich des Angebots, der Nachfrage und der geografischen Reichweite hinreichend detailliert beschrieben“ hat.

74      Als Drittes ist zu der Rüge von Ziegler, das Gericht habe die von der Kommission in der streitigen Entscheidung vorgenommene Abgrenzung des Markts zu Unrecht gebilligt, festzustellen, dass sich aus Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, dass allein das Gericht dafür zuständig ist, die Tatsachen festzustellen – sofern sich nicht aus den ihm vorgelegten Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und sie zu würdigen. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, ist der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen befugt, die das Gericht aus ihnen gezogen hat (vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 23, und vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, Slg. 2011, I‑1, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Der Gerichtshof ist demnach nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden, ist es nämlich allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, und General Química u. a./Kommission, Randnr. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Mit dem in Randnr. 74 des vorliegenden Urteils dargestellten Vorbringen geht es Ziegler aber in Wirklichkeit darum, eine neue Würdigung der Tatsachen zu erreichen, ohne deren Verfälschung durch das Gericht geltend zu machen. Es ist deshalb unzulässig.

77      Somit ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als teils unbegründet und teils unzulässig zurückzuweisen.

b)     Zum zweiten, die Nichtüberschreitung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % betreffenden Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

i)     Vorbringen der Parteien

78      Ziegler macht geltend, selbst wenn man den Markt der internationalen Umzüge in Belgien als relevanten Markt ansähe, habe das Gericht seine Begründungspflicht dadurch verletzt, dass es in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der in Ziff. 53 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels genannte Schwellenwert für den Marktanteil in Höhe von 5 % im vorliegenden Fall zwingend erreicht sei und dass der Markt einen Umfang von mindestens 435 Mio. Euro haben müsste, damit der Schwellenwert verfehlt würde, was nicht der Fall sein könne, weil dazu von einem erheblich größeren als dem von der Kommission bestimmten Markt ausgegangen werden müsste.

79      Die letztgenannte Behauptung sei nicht begründet und beruhe auf einer Feststellung des Gerichts, die nicht Gegenstand der kontradiktorischen Erörterung durch die Parteien gewesen sei; dies verstoße gegen den allgemeinen Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte, den Dispositionsgrundsatz und die Regeln über die Beweislast. Auch wenn diese Behauptung auf der in der streitigen Entscheidung enthaltenen Schätzung der Größe des relevanten Markts beruhen sollte, könne eine solche Quelle nicht herangezogen werden, da das Gericht in Randnr. 59 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Schätzung der Größe des Markts auf 83 Mio. Euro fehlerhaft sei und dass der Markt nicht abgegrenzt worden sei. Sonst wären die Ausführungen des Gerichts widersprüchlich. Im Übrigen könnte für das Jahr 2002 die Größe des Markts der internationalen Umzüge in Belgien 880 Mio. Euro betragen.

80      Über ihren Antrag auf Auswechslung der Begründung hinaus hebt die Kommission zunächst hervor, dass die Frage, wie groß der Markt sein müsste, damit der Marktanteil der Kartellteilnehmer unter die Schwelle von 5 % fallen könne, durchaus in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sei und dass sie in ihrer Antwort vom 22. März 2010 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts die entsprechende Berechnung erläutert habe. Die Schätzung der Größe des relevanten Markts auf 880 Mio. Euro sei erstmals vor dem Gerichtshof, zudem ins Blaue hinein, vorgebracht worden. Im Übrigen rüge Ziegler im Rahmen der Prüfung des Schwellenwerts von 40 Mio. Euro, dass die Größe des genannten Markts überschätzt worden sei, im Rahmen der Prüfung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % hingegen, dass sie unterschätzt worden sei. Der Schwellenwert von 5 % sei in jedem Fall offensichtlich erreicht. Ziegler wende sich nämlich nicht gegen die rechnerischen Erwägungen des Gerichts, insbesondere in Randnr. 70 des angefochtenen Urteils. Im Übrigen genüge die darin enthaltene Erläuterung voll und ganz für das Verständnis seiner Erwägungen. Auch der Begründungspflicht sei daher Genüge getan.

ii)  Würdigung durch das Gericht

81      Nach ständiger Rechtsprechung müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen, so dass die Betroffenen die Gründe für die getroffene Entscheidung erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollfunktion ausüben kann (vgl. u. a. Urteile vom 14. Mai 1998, Rat/de Nil und Impens, C‑259/96 P, Slg. 1998, I‑2915, Randnrn. 32 und 33, und General Química u. a./Kommission, Randnr. 59).

82      Die Begründungspflicht verlangt aber nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollfunktion ausüben kann (vgl. u. a. Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 372).

83      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils, auf die der vorliegende Teil des Rechtsmittelgrundes allein abzielt, Folgendes festgestellt:

„[E]rstens [hat] die Kommission zu Recht auf die internationalen Umzugsdienste in Belgien als relevante Dienste abgestellt … Zweitens hat die Kommission auf dieser Grundlage die Marktgröße auf 83 Millionen Euro und den kumulierten Marktanteil der Kartellteilnehmer auf etwa 50 % geschätzt. Diese Zahlen sind noch zu berichtigen, um die Korrekturen durch die Entscheidung C (2009) 5810 [final vom 24. Juli 2009] und den Ausschluss der als Subunternehmer erzielten Umsätze … zu berücksichtigen, was nach Ansicht der Kommission zu kumulierten Umsätzen von über 20 Millionen Euro und zu einem kumulierten Marktanteil von fast 30 % führt. Dieser Marktanteil liegt jedoch immer noch weit über dem Schwellenwert von 5 %. Drittens hat [Ziegler] auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der Markt einen Umfang von mindestens 435 Millionen Euro haben müsste, damit der Schwellenwert von 5 % verfehlt würde. Die einzige Möglichkeit, eine solche Marktgröße zu erreichen, wäre aber, von einem erheblich weiteren Markt als dem der internationalen Umzugsdienste in Belgien auszugehen, der jedoch von der Kommission zutreffend als der relevante Markt bestimmt worden ist.“

84      Erstens ist somit festzustellen, dass aus Randnr. 71 ausdrücklich hervorgeht, dass die vom Gericht angeführten Zahlen und die von ihm daraus gezogenen Schlussfolgerungen durchaus Gegenstand der kontradiktorischen Erörterung durch die Parteien gewesen sind. Das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und entsprechende Verstöße gegen den allgemeinen Grundsatz der Beachtung der Verfahrensrechte, den Dispositionsgrundsatz und die Regeln über die Beweislast geltend gemacht werden, ist folglich zurückzuweisen.

85      Zweitens geht aus den Akten des Verfahrens vor dem Gericht hervor, dass der vom Gericht in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils gezogene Schluss nicht auf der – nach Randnr. 59 des angefochtenen Urteils falschen – Schätzung der Größe des Markts in der streitigen Entscheidung beruht, sondern auf berichtigten Zahlen, die von der Kommission in ihrer Antwort vom 22. März 2010 auf die Fragen des Gerichts übermittelt wurden. Wie aus den Akten des Verfahrens vor dem Gericht hervorgeht, hat die Kommission darin nämlich ausgeführt, dass „[sich] die Gesamtgröße des Markts der internationalen Umzüge von oder nach Belgien … unter Ausschluss der Umzüge in Subunternehmerschaft auf höchstens 67,5 Mio. Euro schätzen [lässt]“ und dass die Kartellteilnehmer selbst auf einem solch reduzierten Markt „immer noch einen kumulierten Marktanteil von mindestens 30 % [haben]“. Der behauptete Widerspruch in der Begründung ist also nicht dargetan.

86      Insoweit ist ferner hervorzuheben, dass sich, wie die Generalanwältin in Nr. 73 ihrer Schlussanträge ausführt, allein daraus, dass sich bestimmte Zahlen in der streitigen Entscheidung als falsch herausgestellt haben mögen, nicht schließen lässt, dass alle von der Kommission übermittelten Zahlen falsch wären. Jedenfalls ist die Beurteilung der Richtigkeit der von der Kommission, im vorliegenden Fall in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichts, angegebenen Zahlen eine Tatsachenfrage, die nach der in den Randnrn. 74 und 75 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung außer im Fall der Verfälschung, die im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht wird, der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels entzogen ist.

87      Drittens genügt die Begründung, die das Gericht in Randnr. 71 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Feststellung der Überschreitung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % gegeben hat, entgegen dem Vorbringen von Ziegler den in den Randnrn. 81 und 82 des vorliegenden Urteils angeführten Anforderungen. Es versteht sich nämlich von selbst, dass der kumulierte Marktanteil der Kartellteilnehmer nur dann verhältnismäßig herabgesetzt werden kann, wenn sich der Markt, auf den er sich bezieht, entsprechend vergrößert. Da das Gericht aber festgestellt hat, dass der Markt der internationalen Umzugsdienste in Belgien von der Kommission zutreffend bestimmt worden sei, und da seine vom Gericht festgestellte Größe mangels Geltendmachung einer Verfälschung im Stadium des Rechtsmittels nicht mit Erfolg angefochten werden kann, war für die genannte Feststellung keine besondere Begründung erforderlich, außer der, dass eine Nichtüberschreitung des genannten Schwellenwerts nur bei Zugrundelegung eines viel größeren als des von der Kommission zutreffend bestimmten Markts der internationalen Umzugsdienste in Belgien in Betracht käme.

88      Insoweit ist ferner festzustellen, dass Ziegler mit dem Vorbringen, für das Jahr 2002 könnte die Größe des Markts der internationalen Umzüge in Belgien 880 Mio. Euro betragen, wiederum versucht, die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen in Zweifel zu ziehen, ohne eine Verfälschung der Beweise geltend zu machen. Wie aus der bereits in den Randnrn. 74 und 75 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht, ist ein solches Vorbringen jedoch im Stadium des Rechtsmittels unzulässig.

89      Somit ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als teils unbegründet und teils unzulässig zurückzuweisen, ohne dass über den zweiten Antrag der Kommission auf Auswechslung der Begründung entschieden zu werden braucht.

c)     Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem geltend gemacht wird, dass eine Überschreitung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % nicht für den Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten genüge

i)     Vorbringen der Parteien

90      Ziegler macht hilfsweise geltend, das Gericht habe in Randnr. 73 des angefochtenen Urteils jedenfalls rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung bereits deshalb geeignet sei, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, weil die Kartellteilnehmer einen Anteil am relevanten Markt von mehr als 5 % hätten. Ziegler verweist insbesondere auf Ziff. 45 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels und macht geltend, eine Voraussetzung für die Anwendung der in Rede stehenden Vermutung sei, dass man es mit Vereinbarungen zu tun habe, die ihrer Art nach geeignet seien, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Gericht habe zu dieser Voraussetzung, die im vorliegenden Fall im Übrigen nicht erfüllt sei, aber nichts ausgeführt. Außerdem gelte die positive Vermutung gemäß Ziff. 53 der genannten Leitlinien bereits nach dem Wortlaut dieser Ziffer jedenfalls nicht allgemein und nicht automatisch. Die Kommission müsse mithin die Umstände des Einzelfalls prüfen und die Anwendung der Vermutung begründen.

91      Die Kommission macht geltend, die Feststellung, dass die spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten bewiesen worden sei, werde durch weitere Umstände gestützt als die – im vorliegenden Fall im Übrigen offenkundige – Überschreitung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 %. Ziegler lasse nämlich sowohl den grenzüberschreitenden Charakter der betroffenen Dienste als auch die Tatsache außer Betracht, dass sich das Kartell auf das gesamte belgische Hoheitsgebiet erstreckt habe.

ii)  Würdigung durch den Gerichtshof

92      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können Beschlüsse, Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nur dann beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell die Handelsströme zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen, die die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts hemmen könnte. Außerdem darf diese Beeinflussung nicht nur geringfügig sein (Urteile Asnef-Equifax und Administración del Estado, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Erste Group Bank u. a./Kommission, Randnr. 36).

93      Eine Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel ergibt sich im Allgemeinen daraus, dass mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, die für sich allein genommen nicht unbedingt entscheidend sind. Bei der Prüfung, ob ein Kartell den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt, ist es in seinem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext zu untersuchen (Urteile Asnef-Equifax und Administración del Estado, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Erste Group Bank u. a./Kommission, Randnr. 37).

94      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, schon seinem Wesen nach die Wirkung hat, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, womit es die vom AEU-Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindert und daher geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Februar 2002, Arduino, C‑35/99, Slg. 2002, I‑1529, Randnr. 33, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Erste Group Bank u. a./Kommission, Randnr. 38), und dass der grenzüberschreitende Charakter der betreffenden Dienste bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne der genannten Bestimmung vorliegt, ein erheblicher Gesichtspunkt ist (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Oktober 1987, Vereniging van Vlaamse Reisbureaus, 311/85, Slg. 1987, 3801, Randnrn. 18 und 21).

95      Die Frage, ob eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten vorliegt, ist also unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass in einem konkreten Fall ein einziges dieser Elemente, wie eine offenkundige Überschreitung der von der Kommission in Ziff. 53 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels aufgestellten Schwellenwerte, bereits für sich genommen ausreichend zeigt, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG spürbar beeinträchtigt wird (vgl. entsprechend Urteile vom 1. Februar 1978, Miller International Schallplatten/Kommission, 19/77, Slg. 1978, 131, Randnr. 9, und vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 82, 83 und 86).

96      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es in Ziff. 53 der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels heißt: „Im Falle von Vereinbarungen, die ihrem Wesen nach geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, kann … häufig davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen spürbar sind, wenn der Marktanteil der Parteien den … Schwellenwert von 5 % übertrifft.“

97      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnr. 73 des angefochtenen Urteils zwar lediglich ausgeführt, dass es „im Rahmen der positiven Vermutung der Ziff. 53 der Leitlinien [über die Beeinträchtigung des Handels] für den Nachweis der Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels zwischen [den] Mitgliedstaaten aus[reicht], dass eine der beiden alternativen Voraussetzungen erfüllt ist“.

98      Das Gericht hat in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils aber auch darauf hingewiesen, dass „die positive Vermutung in … Ziff. 53 [der Leitlinien über die Beeinträchtigung des Handels] nur auf die Vereinbarungen oder Verhaltensweisen anwendbar ist, die ihrem Wesen nach geeignet sind, den Handel zwischen [den] Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“. Außerdem hat es in den Randnrn. 52, 65 und 71 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der grenzüberschreitende Charakter der von dem in Rede stehenden Kartell betroffenen Dienste nicht bestritten werde und dass die Kommission als räumlichen Markt des Kartells zutreffend Belgien, also das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, bestimmt habe.

99      Aus einer Gesamtschau des angefochtenen Urteils ergibt sich somit, dass das Gericht seine Schlussfolgerung, das Tatbestandsmerkmal der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sei im vorliegenden Fall erfüllt, nicht nur auf die im Übrigen sehr große Überschreitung des Schwellenwerts für den Marktanteil in Höhe von 5 % gestützt, sondern auch den räumlichen Umfang des Kartells und den grenzüberschreitenden Charakter der betroffenen Dienste berücksichtigt hat. Es hat demnach in Einklang mit der in den Randnrn. 92 bis 95 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung alle relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.

100    Im Übrigen hat sich das Gericht zwar nicht ausdrücklich zu der das Wesen der in Rede stehenden Vereinbarung betreffenden Voraussetzung für die Anwendung von Ziff. 53 der genannten Leitlinien geäußert; aus den in Randnr. 98 des vorliegenden Urteils angeführten Umständen ergibt sich aber, dass diese Voraussetzung nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall in Anbetracht der Merkmale des in Rede stehenden Kartells ganz offensichtlich erfüllt war. Der behauptete Verstoß gegen diese Ziffer liegt also nicht vor. Außerdem kann nach der in den Randnrn. 81 und 82 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht hinsichtlich der Anwendung der genannten Vermutung im vorliegenden Fall seine Begründungspflicht verletzt hätte.

101    Mithin ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und somit dieser Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen, ohne dass über die Begründetheit des zweiten Antrags der Kommission auf Auswechslung der Begründung entschieden zu werden braucht.

B –  Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 296 AEUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Würdigung der Begründung für die Höhe der Geldbuße

1.     Vorbringen der Parteien

102    Ziegler macht im Wesentlichen geltend, das Gericht habe dadurch gegen das Unionsrecht verstoßen, dass es in den Randnrn. 88 bis 94 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission ihre Begründungspflicht nicht verletzt habe, als sie bei der Ermittlung des Anteils am Umsatz, den sie bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße und des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags zugrunde gelegt habe, allein auf den „sehr schwerwiegenden“ Charakter der Zuwiderhandlung abgestellt habe.

103    Eine solche Befreiung von der Begründungspflicht verstoße gegen Art. 296 AEUV. Die Ziff. 20 und 22 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen sähen vor, dass die Kommission bei der Festsetzung des zu berücksichtigenden Anteils am Umsatz eine Reihe von Umständen zu berücksichtigen habe, auch wenn sie es mit Wettbewerbsbeschränkungen zu tun habe, die ihrer Auffassung nach zu den schwerwiegendsten zählten. Die Begründung des Gerichts in Randnr. 93 des angefochtenen Urteils sei daher nicht ausreichend und verfälsche Ziff. 23 der genannten Leitlinien.

104    Außerdem verstoße das angefochtene Urteil gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren, das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und in Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) verankert sei und eine Pflicht zu einer „spezifischen und ausreichenden Begründung“ umfasse. Wenn die Kommission Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht verfolge und darüber entscheide, gelte diese Pflicht für sie, denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte könne kein Zweifel daran bestehen, dass sie ein Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK darstelle. Nach dieser Rechtsprechung stehe das Recht auf ein faires Verfahren dem entgegen, dass das Gericht bei Sanktionen für die schwerwiegendsten Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eine Befreiung von der Begründungspflicht gewähre.

105    Auch wenn die Kommission nicht als Gericht angesehen werden sollte, für das diese Anforderungen an die Begründung gälten, übe das Gericht, indem es die Kommission ihrer Begründungspflicht enthebe, sobald sie einen Anteil am Umsatz in der Nähe der Untergrenze der für diese Art von Beschränkungen vorgesehenen Skala vorsehe, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht aus und verletze damit das Recht auf ein faires Verfahren. Nach der Rechtsprechung, insbesondere der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, stelle es nämlich keine unbeschränkte gerichtliche Nachprüfung im Sinne von Art. 6 EMRK dar, wenn lediglich überprüft werde, ob ein Verwaltungsorgan die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten habe. Im Übrigen genüge es für die Garantien des fairen Verfahrens nicht, wenn eine volle gerichtliche Nachprüfung lediglich vorgenommen werden könne; sie müsse im Einzelfall auch tatsächlich vorgenommen werden.

106    Hilfsweise macht Ziegler geltend, selbst wenn man annähme, dass eine solche Befreiung von der Begründungspflicht im Grundsatz akzeptabel sei, sei sie wegen der Tragweite, die das Gericht ihr gegeben habe, mit den genannten grundlegenden Bestimmungen und dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar und beruhe auf einer unzureichenden Begründung. Dass die Befreiung nach Randnr. 93 des angefochtenen Urteils nur zur Anwendung komme, wenn ein Satz gewählt werde, der sich „nahe“ an der unteren Grenze der für die schwerwiegendsten Beschränkungen des Wettbewerbs vorgesehenen Marge bewege, ohne dass dieser Begriff definiert werde, führe dazu, dass verschiedene Sachverhalte unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gleich behandelt würden. Außerdem habe das Gericht dadurch, dass es ohne weitere Begründung entschieden habe, dass die eingeführte Befreiung auch für den zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrag gelte, seine Begründungspflicht verletzt. Da dieser Zusatzbetrag nach Ziff. 25 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen auf die schwerwiegendsten Zuwiderhandlungen Anwendung finde, könne der zugrunde zu legende Anteil am Umsatz nicht allein anhand der Art der Zuwiderhandlung bestimmt werden.

107    Der Antrag der Kommission auf Auswechslung der Begründung zur Tragweite der durch die 2006 erlassenen Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen auferlegten Begründungspflicht sei unzulässig und jedenfalls unbegründet. Die Rechtsprechung vor dem Erlass dieser Leitlinien im Jahr 2006 sei nicht mehr relevant. Die genannten Leitlinien hätten die Begründungspflicht der Kommission verschärft. Die Anforderungen an die Begründung der Entscheidungen der Kommission hätten sich auch durch die Anerkennung des Strafcharakters der von der Kommission im Bereich des Wettbewerbs verhängten Geldbußen und das Inkrafttreten der Charta erhöht.

108    Die Kommission macht zunächst geltend, Ziegler habe sich vor dem Gericht hinsichtlich der Begründung für den Anteil am Umsatz von 17 % nicht auf sein Grundrecht auf ein faires Verfahren berufen. Außerdem beantragt sie die Auswechslung der Begründung in den Randnrn. 90 bis 92 des angefochtenen Urteils. Insbesondere die Feststellung in Randnr. 92, durch die 2006 erlassenen Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen sei die Pflicht der Kommission zur Begründung der Geldbußen verschärft worden, sei fehlerhaft. Der von Ziegler gerügte Widerspruch zwischen den Randnrn. 92 und 93 des angefochtenen Urteils würde beseitigt, wenn dem Antrag auf Auswechslung der Begründung stattgegeben werde, so dass der zweite Rechtsmittelgrund dann zurückzuweisen sei.

109    Dieser Rechtsmittelgrund sei jedenfalls unbegründet. Zur Begründungspflicht habe das Gericht in Anbetracht der streitigen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Kommission sie erfüllt habe. Im Übrigen sei das Vorbringen, dass es sich bei der Kommission um ein Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK handele, so dass für sie eine besondere Begründungspflicht gelte, und dass Ziegler durch die unzureichende Begründung des angefochtenen Urteils das Recht genommen werde, die streitige Entscheidung vor einem unabhängigen, eine unbeschränkte Nachprüfung vornehmenden Gericht anzufechten, unzulässig, da es erstmals im Stadium des Rechtsmittels geltend gemacht worden sei, obwohl es vor dem Gericht hätte geltend gemacht werden können. Jedenfalls sei dieses Vorbringen unbegründet. Insbesondere sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht geeignet, die bestehende Rechtsprechung der Europäischen Union zu entkräften, nach der die Kommission nicht als ein Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK angesehen werden könne.

110    Hilfsweise verweist die Kommission zur Würdigung der Begründung für die Höhe der Geldbuße hinsichtlich des bei der Bestimmung ihres Grundbetrags zugrunde gelegten Anteils am Umsatz auf ihr obiges Vorbringen zur Begründung in der streitigen Entscheidung. Was den bei der Bestimmung des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags zugrunde gelegten Anteil am Umsatz angehe, könne nicht bestritten werden, dass der im vorliegenden Fall festgesetzte Anteil von 17 % am unteren Ende der Bandbreite von 15 % bis 25 % liege und dass dieselben die Schwere betreffenden Umstände zweimal zum selben Anteil führen könnten, da es sich um zwei Bewertungen handele, die die Schwere der Zuwiderhandlung als solche beträfen.

2.     Würdigung durch das Gericht

a)     Zum Antrag der Kommission auf Auswechslung der Begründung

111    Selbst wenn das Gericht in den Randnrn. 90 bis 92 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen haben sollte, dass die Begründungspflicht der Kommission bei der Verhängung von Sanktionen wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union durch den 2006 erfolgten Erlass der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen, die die Leitlinien von 1998 ersetzten, verschärft worden sei, wäre dies für die Prüfung der Begründetheit des zweiten Rechtsmittelgrundes unerheblich. In den Randnrn. 93 bis 96 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich festgestellt, dass eine solche eingehendere Begründung in der bei ihm anhängigen Rechtssache entbehrlich gewesen sei. Es hat aus den Erwägungen in den Randnrn. 90 bis 92 des angefochtenen Urteils für den vorliegenden Fall also weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht irgendwelche Schlüsse gezogen.

112    Der Antrag der Kommission richtet sich also gegen nichttragende Gründe des angefochtenen Urteils und ist somit, da er ins Leere geht, auf jeden Fall zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission, C‑137/95 P, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil vom 2. Oktober 2003, Salzgitter/Kommission, C‑182/99 P, Slg. 2003, I‑10761, Randnrn. 54 und 55).

b)     Zur Begründetheit des zweiten Rechtsmittelgrundes

i)     Zu dem in erster Linie geltend gemachten Teil

113    Zunächst ist festzustellen, dass Ziegler im Rahmen des vorliegenden Teils des Rechtsmittelgrundes u. a. eine Rüge geltend macht, mit der ein Verstoß gegen Art. 296 AEUV gerügt wird, obwohl im vorliegenden Fall, da die streitige Entscheidung vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erlassen wurde, Art. 253 EG anwendbar ist. Dies ist allerdings unschädlich, da für die Begründung der Rechtsakte der Union, um die es im vorliegenden Fall geht, im Rahmen von Art. 253 EG keine anderen rechtlichen Anforderungen gelten als im Rahmen von Art. 296 Abs. 2 AEUV. Die Rüge ist also dahin zu verstehen, dass sie u. a. einen Verstoß gegen Art. 253 EG betrifft.

114    Bei der in Art. 253 EG vorgesehenen Begründungspflicht handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, Slg. 2011, I‑8947, Randnr. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung).

115    Aus diesem Blickwinkel muss die nach Art. 253 EG erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollfunktion ausüben kann. Was insbesondere die Begründung von Einzelentscheidungen angeht, hat die Pflicht zur Begründung solcher Entscheidungen neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, Randnrn. 147 und 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Außerdem ist das Begründungserfordernis anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des betreffenden Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Was im Übrigen die Wahl des bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegten Anteils am Umsatz angeht, heißt es in Ziff. 21 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen: „Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.“ Ferner heißt es in Ziff. 22 dieser Leitlinien: „Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.“ In Ziff. 23 der Leitlinien heißt es: „Für [horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung] ist … grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.“

118    Zur Bestimmung des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags heißt es in Ziff. 25 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen: „[U]nabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu, um die Unternehmen von vornherein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen … abzuschrecken. … Bei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die in Ziffer 22 genannten.“

119    Im vorliegenden Fall hat das Gericht zu dem der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegten Anteil am Umsatz in der – von Ziegler nicht angefochtenen – Randnr. 89 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „die Kommission die Einordnung der Zuwiderhandlung als ‚sehr schwer‘ … hinreichend begründet [hat]“, und es hat in Randnr. 87 des angefochtenen Urteils den Inhalt der Anforderung an die Begründung gemäß Art. 253 EG und in Randnr. 91 den wesentlichen Inhalt der Ziff. 19, 21 und 23 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen wiedergegeben; sodann hat es in Randnr. 93 des angefochtenen Urteils ausgeführt:

„[D]ie Kommission [hat] im 543. Erwägungsgrund der [streitigen] Entscheidung diesen Anteil auf kaum mehr als die Hälfte dieser Bandbreite festgesetzt, nämlich auf 17 %, und dies nur mit dem ‚sehr schwerwiegenden‘ Charakter der Zuwiderhandlung begründet. Sie hat nicht näher erläutert, wie sie die Einordnung der Zuwiderhandlung als ‚sehr schwerwiegend‘ dazu veranlasst hat, den Satz auf 17 % festzusetzen und nicht deutlich mehr ‚am oberen Ende [der] Bandbreite‘. Diese Begründung kann nur dann genügen, wenn die Kommission einen Satz wählt, der sich nahe an der unteren Grenze der für die schwerwiegendsten Verstöße vorgesehenen Marge bewegt und der darüber hinaus für die Klägerin sehr günstig ausfällt. In diesem Fall nämlich ist eine zusätzliche Begründung, die über die schon in den Leitlinien enthaltene Begründung hinausgeht, nicht erforderlich. Hätte die Kommission einen höheren Satz anwenden wollen, hätte sie dagegen eine ausführlichere Begründung liefern müssen.“

120    Zu dem zur Bestimmung des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags herangezogenen Anteil am Umsatz hat das Gericht in Randnr. 94 des angefochtenen Urteils festgestellt: „Da im 556. Erwägungsgrund der [streitigen] Entscheidung … auf den 542. Erwägungsgrund verwiesen wird und die untere Grenze der Marge dieselbe ist, gelten die obigen Erwägungen auch für die auf die Begründung der Festsetzung dieses Betrags gerichteten Rügen.“

121    Daraus geht erstens hervor, dass das Gericht im Einklang mit der in Randnr. 115 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung festgestellt hat, dass die Begründung, die die Kommission in der streitigen Entscheidung zu dem von ihr festgesetzten, der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegten Anteil am Umsatz gegeben hat, klar und unmissverständlich ist und der in den Ziff. 21 und 23 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen angekündigten Methode entspricht. In den Ziff. 21 und 23 hat die Kommission angekündigt, dass sie grundsätzlich einen Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festsetzen werde, der aber bei Zuwiderhandlungen wie horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen und Aufteilung der Märkte – eine Einstufung, die für das in Rede stehende Kartell in der streitigen Entscheidung vorgenommen und von Ziegler nicht angefochten wurde – grundsätzlich „am oberen Ende dieser Bandbreite“ liegen werde.

122    Zweitens liegt der Satz von 17 % erheblich unter der von der Kommission in den Leitlinien für die schwerwiegendsten Beschränkungen des Wettbewerbs erwähnten Obergrenze der Bandbreite; das Gericht hat daher zu Recht festgestellt, dass dieser Satz für Ziegler sehr günstig ausfalle. Nach der in Randnr. 116 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung war das Gericht mithin zu der Feststellung berechtigt, dass Ziegler kein Interesse an einer besonderen Begründung für die Festsetzung dieses Anteils hatte und die Kommission daher nicht verpflichtet war, die streitige Entscheidung in diesem Punkt besonders zu begründen.

123    Drittens geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor und wird im Übrigen von Ziegler auch nicht geltend gemacht, dass die streitige Entscheidung in einem besonderen Kontext erlassen worden wäre oder ein Kartell mit besonderen Merkmalen beträfe, so dass über die von der Kommission gegebene Begründung hinaus eine spezifische Begründung für die Festsetzung des bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegten Anteils am Umsatz erforderlich gewesen wäre, deren Fehlen vom Gericht hätte geahndet werden müssen.

124    Viertens ist speziell zu dem zur Bestimmung des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags festgesetzten Anteil festzustellen, dass das in Rede stehende Kartell zur Kategorie der in Ziff. 25 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen genannten Zuwiderhandlungen gehört, die auch in Ziff. 23 dieser Leitlinien genannt sind, und dass der Satz von 17 % zudem nahe der Untergrenze der in Ziff. 25 genannten Spanne von 15 % bis 25 % liegt. Das Gericht hat in Randnr. 94 des angefochtenen Urteils deshalb zu Recht auf seine Analyse zur Begründung des für die Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße gewählten Anteils verwiesen. Die Ausführungen in den Randnrn. 121 bis 123 des vorliegenden Urteils gelten also auch für die vom Gericht durchgeführte Analyse der Begründung, die die Kommission in der streitigen Entscheidung zu diesem Anteil gegeben hat.

125    Daher ist die Rüge von Ziegler, das Gericht habe dadurch gegen Art. 253 EG verstoßen, dass es einen Begründungsmangel der streitigen Entscheidung hinsichtlich der Festsetzung des bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße und des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags zugrunde gelegten Anteils am Umsatz nicht geahndet oder die Kommission insoweit sogar jeglicher Begründungspflicht enthoben habe, als unbegründet zurückzuweisen.

126    Was im Übrigen den gerügten Verstoß gegen das in Art. 47 der Charta und in Art. 6 EMRK niedergelegte Grundrecht auf ein faires Verfahren angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Schutz, den Art. 47 der Charta im Unionsrecht gewährt, dem entspricht, den Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährt. Daher ist lediglich die erstgenannte Bestimmung heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, Slg. 2011, I‑13085, Randnr. 51).

127    Zum Vorbringen von Ziegler, im vorliegenden Fall hätten sowohl die Kommission als auch das Gericht gegen diese Bestimmung der Charta verstoßen, ist zum einen festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Partei, wenn es ihr erlaubt wäre, vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel vorzubringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen könnte, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs daher auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt (Urteile vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission, C‑202/07 P, Slg. 2009, I‑2369, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a, C‑628/10 P und C‑14/11 P, Randnr. 111).

128    Im Rahmen des Verfahrens im ersten Rechtszug hat Ziegler aber kein Argument zum Nachweis dafür vorgebracht, dass die Kommission durch den Erlass der streitigen Entscheidung ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt hätte. Die vorliegende Rüge ist daher unzulässig.

129    Zum anderen ist, soweit Ziegler mit dieser Rüge geltend macht, das Gericht selbst habe dieses Grundrecht verletzt, festzustellen, dass nach dem Vorbringen von Ziegler dieser Verstoß daraus resultieren soll, dass das Gericht die Kommission entgegen dem Unionsrecht der Begründungspflicht enthoben habe, die ihr obliege, wenn sie den Anteil am Umsatz festsetze, den sie bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße und des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags zugrunde lege.

130    Diese Rüge beruht jedoch auf einer unzutreffenden Prämisse, wie aus Randnr. 125 des vorliegenden Urteils hervorgeht; das Gericht hat die Kommission nämlich keineswegs ihrer Begründungspflicht enthoben. Die Rüge ist insoweit also als unbegründet zurückzuweisen.

131    Mithin ist der in erster Linie geltend gemachte Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes insgesamt zurückzuweisen.

ii)  Zu dem hilfsweise geltend gemachten Teil

132    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner, in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerter Grundsatz des Unionsrechts ist. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt dieser Grundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, C‑550/07 P, Slg. 2010, I‑8301, Randnrn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass die Unternehmen, die an einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Bemessung der Geldbuße nicht durch die Anwendung verschiedener Berechnungsmethoden ungleich behandelt werden dürfen (Urteil Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

134    Der Gerichtshof hat allerdings wiederholt entschieden, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet und dass Entscheidungen in anderen Fällen lediglich Hinweischarakter in Bezug auf das Vorliegen von Diskriminierungen haben (Urteile vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnr. 205, und Erste Group Bank u. a./Kommission, Randnr. 233).

135    Im vorliegenden Fall rügt Ziegler jedoch nicht, dass das Gericht es unterlassen habe, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu ahnden, der darin bestehe, dass die Kommission in ihrem Fall zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße und des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags einen Anteil am Umsatz in Höhe von 17 % festgesetzt habe, während sie bei einem anderen, an demselben Kartell beteiligten Unternehmen, dessen Verhalten mit ihrem vergleichbar gewesen sei, einen Anteil von 15 % festgesetzt habe. Ziegler macht vielmehr geltend, dass das Gericht einen solchen Verstoß begangen habe, indem es in Randnr. 93 des angefochtenen Urteils implizit angenommen habe, dass Sachverhalte, bei denen die Geldbuße anhand eines Anteils am Umsatz in Höhe von 17 % berechnet werde, und solche, bei denen diese Berechnung auf der Grundlage eines Anteils am Umsatz in Höhe von 15 % erfolge, als vergleichbar angesehen werden könnten.

136    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass Randnr. 93 des angefochtenen Urteils keine solche Erwägung enthält. Zum anderen ist ein theoretischer Vergleich mit einer etwaigen künftigen Praxis der Kommission für das Vorliegen von Diskriminierungen nach der in Randnr. 134 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung jedenfalls völlig irrelevant.

137    Folglich ist die auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gestützte Rüge zurückzuweisen.

138    Was als Zweites den gerügten Verstoß des Gerichts gegen die Begründungspflicht angeht, die ihm oblegen habe, als es der Kommission in Randnr. 94 des angefochtenen Urteils gestattet habe, den bei der Bestimmung des zu Abschreckungszwecken dienenden Zusatzbetrags zugrunde zu legenden Anteil am Umsatz allein wegen des sehr schwerwiegenden Charakters der Zuwiderhandlung auf 17 % festzusetzen, obwohl Ziff. 25 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen impliziere, dass die bloße Art der Zuwiderhandlung für die Festsetzung des Prozentsatzes nicht ausreichen könne, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass, wie in den Randnrn. 124 und 125 des vorliegenden Urteils bereits festgestellt worden ist, Randnr. 94 des angefochtenen Urteils nicht mit dem von Ziegler im Rahmen des in erster Linie geltend gemachten Teils des vorliegenden Rechtsmittelgrundes gerügten Verstoß gegen Art. 253 EG behaftet ist.

139    Zum anderen musste das Gericht entgegen dem Vorbringen von Ziegler seine Entscheidung nicht im Hinblick auf Ziff. 25 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen ausführlicher begründen. Zwar heißt es in dieser Ziffer zur Bestimmung des Prozentsatzes innerhalb der dort genannten Bandbreite: „Bei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die in Ziffer 22 [der Leitlinien] genannten.“ Zu diesen Umständen gehört aber gerade die Art der in Rede stehenden Zuwiderhandlung.

140    Außerdem geht, wie die Generalanwältin in Nr. 129 ihrer Schlussanträge ausführt, aus dem Wortlaut von Ziff. 22 der Leitlinien in Verbindung mit deren Ziff. 25 hervor, dass sie lediglich eine allgemeine Erklärung darstellt, aus der nicht gefolgert werden kann, dass die Kommission sich in jedem Einzelfall unbedingt auf alle diese Umstände stützen und den von ihr festgesetzten Anteil im Hinblick auf jeden von ihnen detailliert begründen müsste und dass das Gericht somit zwingend feststellen müsste, dass die von der Kommission gegebene Begründung unzureichend ist, wenn sie ihre Entscheidung nicht im Hinblick auf alle in Ziff. 22 genannten Umstände begründet hat.

141    Daher hat das Gericht seinen in Randnr. 94 des angefochtenen Urteils gezogenen Schluss in Anbetracht der in den Randnrn. 81 und 82 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung rechtlich hinreichend begründet.

142    Im Übrigen kann das angefochtene Urteil nicht deshalb mit einem Begründungsmangel behaftet sein, weil Ziegler den Standpunkt des Gerichts für inhaltlich unrichtig hält. Nach der in Randnr. 114 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist die Begründungspflicht nämlich von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden.

143    Somit ist die Rüge einer unzureichenden Begründung des angefochtenen Urteils und daher der vorliegende, hilfsweise geltend gemachte Teil des Rechtsmittelgrundes in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

144    Da keine der von Ziegler zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes geltend gemachten Rügen durchgreift, ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

C –  Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht, das Grundrecht auf ein faires Verfahren und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit der Zurückweisung der Rüge der fehlenden objektiven Unparteilichkeit der Kommission

1.     Vorbringen der Parteien

145    Ziegler macht als Erstes geltend, die Randnrn. 103 bis 107 des angefochtenen Urteils seien insoweit mit einem Begründungsmangel behaftet, als das Gericht die Zurückweisung der Rüge, mit der das Fehlen der objektiven Unparteilichkeit der Kommission geltend gemacht worden sei, nicht begründe. Die vom Gericht in den Randnrn. 104 und 106 des angefochtenen Urteils gegebene Begründung betreffe die subjektive Unparteilichkeit und beruhe somit auf einer Verwechslung dieser beiden Begriffe. Die objektive Unparteilichkeit bestehe unabhängig von der streitigen Entscheidung und beruhe auf dieser nicht innewohnenden Umständen, die sich darin nicht wiederfinden müssten. Bei ihr sei zu prüfen, ob unabhängig vom Verhalten der Kommission bestimmte nachprüfbare Umstände Zweifel an der Unparteilichkeit der Kommission begründeten.

146    Als Zweites macht Ziegler geltend, die streitige Entscheidung sei durch das Fehlen objektiver Unparteilichkeit gekennzeichnet, und das Gericht habe folglich, indem es den entsprechenden Klagegrund zurückgewiesen habe, ihr in Art. 47 der Charta und in Art. 6 EMRK verankertes Recht auf ein faires Verfahren und ihr in Art. 41 der Charta verankertes Recht auf eine gute Verwaltung verletzt. Zum einen begründeten diese Bestimmungen eine Pflicht der Kommission zur objektiven Unparteilichkeit, auch wenn sie nicht als Gericht im Sinne der genannten Art. 47 und 6 anzusehen sein sollte. Zumindest treffe die Kommission diese Pflicht nach dem in Art. 41 der Charta verankerten Recht auf eine gute Verwaltung. Zum anderen sei dieses Erfordernis objektiver Unparteilichkeit im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Kommission sei von der Ziegler zur Last gelegten Zuwiderhandlung sowohl dadurch betroffen, dass sie zu deren Opfern gehöre, als auch dadurch, dass Beamte der Kommission als Auftraggeber von Schutzangeboten in die Sache verwickelt seien. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte könnten Opfer einer Zuwiderhandlung aber nicht dazu berufen sein, über diese zu urteilen.

147    Die Kommission hält den vorliegenden Rechtsmittelgrund für unbegründet. Was die Begründung des angefochtenen Urteils angehe, sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur subjektiven Unparteilichkeit nicht einschlägig, weil die Kommission nicht einem Gericht gleichgestellt werden könne. Im Übrigen sei die Tatsache, dass die Kommission, oder ein anderes Organ der Union, zu den Opfern eines Kartells gehöre, für sich genommen nicht geeignet, in Zweifel zu ziehen, dass ihre Untersuchung völlig unparteiisch verlaufe. Im vorliegenden Fall sei dadurch kein Verteidigungsrecht von Ziegler beeinträchtigt worden. Das Gericht habe zu Recht berücksichtigt, dass Ziegler zur Stützung ihres Vorbringens kein konkretes Indiz habe angeben können. Folglich habe es die Zurückweisung dieses Vorbringens ordnungsgemäß begründet.

148    Zum Grundrecht auf ein faires Verfahren und zum Grundsatz der guten Verwaltung macht die Kommission geltend, dass sie nicht als Gericht im Sinne von Art. 47 der Charta und Art. 6 EMRK angesehen werden könne. Sie räumt im Übrigen ein, dass die Pflicht zur Unparteilichkeit für sie, insbesondere bei einer Verwaltungsuntersuchung, natürlich im Rahmen des Grundsatzes der guten Verwaltung gelte; sie sei aber von ihr im vorliegenden Fall beachtet worden.

2.     Würdigung durch den Gerichtshof

149    Was als Erstes den gerügten Begründungsmangel des angefochtenen Urteils angeht, ist zum einen hervorzuheben, dass nach der in den Randnrn. 81 und 82 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die dem Gericht obliegende Begründungspflicht von ihm nicht verlangt, dass es bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung des Gerichts kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollfunktion ausüben kann. Zum anderen ist die Begründungspflicht nach einer ebenfalls ständigen, in Randnr. 114 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden.

150    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnr. 104 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „der Mangel an Objektivität, den die Kommission gezeigt haben soll, keine Verletzung der Verteidigungsrechte darstellt, die zur Nichtigerklärung der [streitigen] Entscheidung führen kann, sondern im Rahmen der Prüfung der Beweiswürdigung oder der Begründung der Entscheidung zu behandeln ist“. Es hat daraus in Randnr. 105 des angefochtenen Urteils gefolgert, dass der betreffende Klagegrund als Nichtigkeitsgrund ins Leere gehe.

151    Allerdings hat das Gericht in Randnr. 106 des angefochtenen Urteils vorsorglich darauf hingewiesen, dass dieser Klagegrund „auch unbegründet“ sei, weil zum einen „[d]as Vorbringen [von Ziegler] … nicht zum Nachweis dafür geeignet [ist], dass eine etwaige Voreingenommenheit der Kommission oder eines ihrer Bediensteten in der [streitigen] Entscheidung selbst zum Ausdruck gekommen wäre“ – wobei sodann das Fehlen der Schlüssigkeit dieses Vorbringens geprüft wird –, und weil zum anderen das Vorbringen von Ziegler, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, „ebenfalls nicht geeignet ist, ihre Aussage, die Kommission sei bei der Untersuchung der Sache befangen gewesen, zu stützen“. Hierzu hat das Gericht insbesondere festgestellt, dass „[Ziegler] … nicht dar[legt], inwiefern das einigen Bediensteten vorgeworfene Verhalten – sein Vorliegen unterstellt – das Recht auf ein faires Verfahren hätte verletzen können“.

152    Das Gericht hat in den genannten Randnummern zwar nicht ausdrücklich zwischen den Begriffen der objektiven und der subjektiven Unparteilichkeit unterschieden; es hat aber klar angegeben, warum seines Erachtens der von Ziegler geltend gemachte Klagegrund keinen Erfolg haben konnte, ist damit rechtlich hinreichend auf das Vorbringen dieses Unternehmens eingegangen und hat den Gerichtshof in die Lage versetzt, seine Kontrollfunktion auszuüben, im Einklang mit der in Randnr. 149 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung. Die Frage, ob die Argumentation des Gerichts, soweit es auf die objektive Unparteilichkeit dieselben Anforderungen anwendet wie auf die subjektive Unparteilichkeit, richtig ist oder nicht, betrifft die Begründetheit und kann unabhängig davon, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, nach der bereits in Randnr. 114 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht zu einem Begründungsmangel des angefochtenen Urteils führen.

153    Folglich ist der erste Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

154    Was als Zweites die gerügte Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren und den gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 6 EMRK eingestuft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 81, und Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 7); sie ist aber gleichwohl verpflichtet, im Verwaltungsverfahren die Grundrechte der Union zu beachten, zu denen der in Art. 41 der Charta verankerte Grundsatz der guten Verwaltung gehört. Insbesondere unterliegt das Verwaltungsverfahren vor der Kommission in Kartellsachen dieser Bestimmung und nicht Art. 47 der Charta (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, Slg. 2011, I‑10329, Randnr. 53, und Solvay/Kommission, C‑110/10 P, Slg. 2011, I‑10439, Randnr. 48).

155    Nach Art. 41 der Charta hat jede Person u. a. ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen der Union unparteiisch behandelt werden. Dieses Unparteilichkeitsgebot umfasst zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein Mitglied des betroffenen Organs, das mit der Sache befasst ist, Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (vgl. entsprechend Urteile vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, Slg. 2008, I‑4777, Randnr. 54, und vom 19. Februar 2009, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament, C‑308/07 P, Slg. 2009, I‑1059, Randnr. 46).

156    Im vorliegenden Teil des Rechtsmittelgrundes geht es allein um den Begriff der objektiven Unparteilichkeit. Ziegler macht im Wesentlichen geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, dass es der Kommission im vorliegenden Fall nicht an objektiver Unparteilichkeit gefehlt habe, denn die Kommission habe sich selbst als Opfer des in Rede stehenden Kartells angesehen, und Beamte der Kommission hätten Schutzangebote erbeten.

157    Hierzu ist erstens festzustellen, dass es der Kommission nicht bereits deshalb an objektiver Unparteilichkeit mangelt, weil sie eine Untersuchung über ein Kartell zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union durchführt und es ahndet. Sonst würde, wie die Generalanwältin in Nr. 149 ihrer Schlussanträge ausführt, die bloße Möglichkeit, dass die Kommission oder auch ein anderes Organ der Union Opfer eines von Art. 81 EG erfassten wettbewerbswidrigen Verhaltens gewesen ist, dazu führen, dass sie die Zuständigkeit für die Untersuchung solcher Verhaltensweisen verlöre, was nicht hinnehmbar wäre. Insoweit ist insbesondere hervorzuheben, dass es nach Art. 85 EG, nunmehr Art. 105 AEUV, zu den der Kommission durch die Verträge übertragenen Aufgaben gehört, auf die Verwirklichung der in den Art. 81 EG und 82 EG niedergelegten Grundsätze zu achten.

158    Zweitens kann auch die Tatsache, dass die für die Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union zuständigen Dienststellen der Kommission und diejenigen, die für die Umzüge von Beamten und Bediensteten dieses Organs zuständig sind, zu derselben Organisationsstruktur gehören, für sich genommen die objektive Unparteilichkeit dieses Organs nicht in Frage stellen, da diese Stellen zwangsläufig Teil der Struktur sind, zu der sie gehören (vgl. entsprechend Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, Randnr. 64).

159    Drittens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Entscheidungen der Kommission der Kontrolle durch den Unionsrichter unterzogen werden können und dass das Unionsrecht für Kommissionsentscheidungen, insbesondere in Verfahren zur Anwendung von Art. 81 EG, ein System der gerichtlichen Kontrolle vorsieht, das sämtliche nach Art. 47 der Charta erforderlichen Garantien bietet (Urteil Otis u. a., Randnr. 56). Daher kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Kommission zugleich Opfer einer Zuwiderhandlung und Richter über die dafür verhängte Sanktion sein kann.

160    Das Gericht war also zu der Feststellung berechtigt, dass die Kommission ihre Unparteilichkeitspflicht nicht verletzt hatte. Somit hat es den Klagegrund, mit dem Ziegler eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der guten Verwaltung rügte, rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

161    Im Übrigen ist es nach der in Randnr. 75 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen, sofern diese Beweise nicht verfälscht werden. Soweit Ziegler mit dem vorliegenden Teil des Rechtsmittelgrundes also die vom Gericht vorgenommene Würdigung der von ihr zur Stützung des bei ihm geltend gemachten Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte in Frage stellen will und keine Verfälschung dieser Tatsachen geltend macht, ist ihr Vorbringen als unzulässig zurückzuweisen.

162    Mithin ist der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes teils unbegründet und teils unzulässig und somit, ebenso wie der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt, zurückzuweisen.

D –  Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bei der Beurteilung der Herabsetzung von Geldbußen

1.     Vorbringen der Parteien

163    Ziegler macht geltend, das Gericht, das in Randnr. 167 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit einen Fehler begangen habe, habe daraus nicht ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung den Schluss ziehen können, dass die Kommission befugt gewesen sei, einem anderen an dem Kartell beteiligten Unternehmen eine Ermäßigung in Höhe von 70 % des Ausgangsbetrags der Geldbuße gemäß Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen zu gewähren, während sie die Herabsetzung der Geldbuße auf derselben Grundlage bei Ziegler nicht in Betracht gezogen habe. Da sie sich nämlich wie dieses andere Unternehmen in einer Situation fehlender Leistungsfähigkeit befunden habe, die vom Gericht festgestellt worden sei, habe sie einen Anspruch darauf gehabt, dass ihre besondere Lage im Hinblick auf Ziff. 37 der Leitlinien geprüft werde.

164    Die vom Gericht in Randnr. 171 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung mit der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes sei von der Kommission nicht geltend gemacht worden. Außerdem stehe sie im Widerspruch zu der Erwägung des Gerichts, dass eine Beurteilung, die allein auf den Umsatz abstelle, die konkrete Lage des Unternehmens nicht berücksichtige und daher nicht allein maßgeblich sei für die Entscheidung über die Frage, ob eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werde. Daher sei das angefochtene Urteil aufzuheben, und Art. 2 der streitigen Entscheidung sei für nichtig zu erklären. Zumindest müsse die gegen Ziegler verhängte Geldbuße erheblich herabgesetzt werden.

165    Die Kommission führt aus, der vorliegende Rechtsmittelgrund sei zurückzuweisen. Zum einen sei der Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Anwendung von Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen beachtet worden. Alle Anträge auf Anwendung von Ziff. 35 seien wegen Fehlens eines besonderen sozialen und ökonomischen Umfelds abgelehnt worden. Zum anderen stelle Ziff. 37 der Leitlinien auf eine ganz außergewöhnliche Situation ab. Das andere betroffene Unternehmen habe sich aus Gründen, die Ziegler gegenüber vertraulich behandelt würden, von denen das Gericht aber habe Kenntnis nehmen können, in einer ganz besonderen Situation befunden. Dass das Gericht ausdrücklich nur auf den Unterschied beim Verhältnis der Geldbuße zum Gesamtumsatz hinweise, hänge mit dem höchst vertraulichen Charakter der in Rede stehenden Informationen gegenüber Ziegler zusammen. Dieser Anteil sei im Übrigen erheblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Geldbuße das Überleben eines Unternehmens gefährde; jedenfalls sei dieses unterschiedliche Verhältnis für die Feststellung relevant, dass die Lage des anderen Unternehmens und die von Ziegler nicht vergleichbar seien, zumal Ziegler nicht beantragt habe, in den Genuss von Ziff. 37 der Leitlinien zu kommen.

2.     Würdigung durch das Gericht

166    Nach der in Randnr. 132 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung u. a., dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.

167    Die Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung durch eine unterschiedliche Behandlung setzt somit voraus, dass die betreffenden Sachverhalte in Anbetracht aller sie kennzeichnenden Merkmale vergleichbar sind. Die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit sind u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Bereichs zu berücksichtigen, zu dem die in Rede stehende Maßnahme gehört (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnrn. 25 und 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

168    Im vorliegenden Fall hat das Gericht zunächst in Randnr. 165 des angefochtenen Urteils darauf hinzuweisen, dass die Gewährung der Ermäßigung gemäß Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen neben einem Antrag von zwei kumulativen Voraussetzungen abhänge, und zwar von der unüberwindlichen Schwierigkeit, die Geldbuße zu zahlen, und vom Vorliegen eines besonderen sozialen und ökonomischen Umfelds; sodann hat es in Randnr. 167 des angefochtenen Urteils ausgeführt: „Eine bloße Berechnung, welchen Anteil die Geldbuße an dem weltweiten Umsatz des Unternehmens ausmacht, kann allein nicht den Schluss begründen, dass die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens durch die Geldbuße nicht unwiderruflich gefährdet wird. Wäre dies nämlich der Fall, wäre es möglich, konkrete Schwellenwerte für die Anwendung der Ziff. 35 der Leitlinien [zur Festsetzung von Geldbußen] festzulegen.“

169    Es hat daraus in derselben Randnummer gefolgert, dass die Kommission in der streitigen Entscheidung nicht zu dem Schluss berechtigt gewesen sei, dass die erste Voraussetzung für die Anwendung von Ziff. 35, nämlich die unüberwindliche Schwierigkeit, die Geldbuße zu zahlen, nicht erfüllt gewesen sei.

170    Erstens hat das Gericht demnach zwar festgestellt, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend begründet habe, warum die Geldbuße, die sie gegen Ziegler habe verhängen wollen, die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit dieses Unternehmens nicht unwiderruflich gefährden würde; es hat aber nicht festgestellt, dass sich Ziegler tatsächlich in einer Situation fehlender Leistungsfähigkeit befunden habe. Es hat lediglich ausgeführt, dass die Kommission nicht bewiesen habe, dass dies nicht der Fall sei. Somit beruht das Vorbringen von Ziegler zumindest teilweise auf einer fehlerhaften Prämisse, und der gerügte Widerspruch in der Begründung liegt mithin nicht vor.

171    Zweitens heißt es zwar in Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen: „Unter außergewöhnlichen Umständen kann die Kommission auf Antrag die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens in einem gegebenen sozialen und ökonomischen Umfeld berücksichtigen.“ In Ziff. 37 der Leitlinien heißt es aber: „In diesen Leitlinien wird die allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen dargelegt; jedoch können die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen von dieser Methode oder der in Ziffer 21 festgelegten Obergrenze rechtfertigen.“ Anders als bei Ziff. 35 der Leitlinien kommt es bei Ziff. 37 also nicht auf die Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens an.

172    Selbst wenn das Gericht anerkannt hätte, dass bei Ziegler eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit im Sinne von Ziff. 35 der Leitlinien vorgelegen habe, hätte dies allein also nicht bedeutet, dass ihre Situation mit der des anderen betroffenen Unternehmens im Hinblick auf Ziff. 37 vergleichbar gewesen wäre.

173    Allerdings schließt der Wortlaut von Ziff. 37 der Leitlinien nicht aus, dass das Fehlen der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens für die Entscheidung über seine Anwendung relevant sein kann. Zum einen müssen sich aber, um sowohl Ziff. 35 als auch Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen praktische Wirksamkeit zu verleihen, ihre jeweiligen Tatbestandsmerkmale unterscheiden. Eine fehlende oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit im Sinne von Ziff. 35 kann daher für sich genommen jedenfalls nicht als ausreichend angesehen werden, um die etwaige Anwendung von Ziff. 37 herbeizuführen.

174    Zum anderen war das Gericht, auch wenn die fehlende oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit im Rahmen von Ziff. 37 relevant sein kann, bei der Beurteilung der Frage, ob die Kommission bei Ziegler und dem anderen betroffenen Unternehmen den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet hatte, berechtigt, in Randnr. 171 des angefochtenen Urteils die jeweilige Situation dieser Unternehmen im Licht des relativen Anteils der für sie in Betracht gezogenen Geldbußen an ihrem jeweiligen Umsatz zu vergleichen und daraus abzuleiten, dass in Anbetracht des erheblichen von ihm zwischen diesen relativen Anteilen festgestellten Unterschieds kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorlag.

175    Somit ist der vierte Rechtsmittelgrund in vollem Umfang zurückzuweisen, auch soweit er auf eine Herabsetzung der Geldbuße abzielt.

176    Da keinem der Rechtsmittelgründe gefolgt werden kann, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

VI –  Kosten

177    Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Ziegler mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Ziegler SA trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.