Language of document : ECLI:EU:C:2014:11

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

16. Januar 2014(*)

„Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV – Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Vermarktung von Edelmetallgegenständen – Punze – Erfordernisse der Regelung des Einfuhrmitgliedstaats“

In der Rechtssache C‑481/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Litauen) mit Entscheidung vom 27. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Oktober 2012, in dem Verfahren

UAB Juvelta

gegen

VĮ Lietuvos prabavimo rūmai

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der UAB Juvelta, vertreten durch A. Astauskienė, advokatė,

–        der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und R. Krasuckaitė als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Steiblytė und G. Wilms als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 34 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der UAB Juvelta (im Folgenden: Juvelta) und dem VĮ Lietuvos prabavimo rūmai (litauisches Punzierungsamt) wegen der Entscheidung, mit der dieses Amt Juvelta angewiesen hat, die von ihr vertriebenen Goldgegenstände bei einem unabhängigen und ermächtigten staatlichen Amt mit Punzen versehen zu lassen, die den Anforderungen der litauischen Regelung entsprechen.

 Rechtlicher Rahmen

3        Nach Art. 3 Abs. 21 des Gesetzes der Republik Litauen über die staatliche Kontrolle von Edelmetallen und Edelsteinen (Lietuvos Respublikos tauriųjų metalų ir brangakmenių valstybinės priežiūros įstatymas) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Kontrollgesetz) ist die innerstaatliche Punze des VĮ Lietuvos prabavimo rūmai ein von den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Republik Türkei festgelegtes Kennzeichen, das bestätigt, dass der Gegenstand, der es trägt, von einem unabhängigen, von dem betreffenden Staat ermächtigten Punzierungsamt geprüft und gekennzeichnet wurde und den Feingehalt aufweist, der in dem Kennzeichen in arabischen Ziffern ausgedrückt und ist und den Anteil an Edelmetallen in 1 000 Gewichtsteilen der Legierung anzeigt.

4        Nach Art. 17 Abs. 1 des Kontrollgesetzes müssen Edelmetallgegenstände und Edelsteine, die nach Litauen eingeführt werden, vom VĮ Lietuvos prabavimo rūmai mit der innerstaatlichen Punze dieses Staates versehen werden.

5        Nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 des Kontrollgesetzes können Edelmetallgegenstände und Edelsteine, die aus einem anderen Staat – einem Vertragsstaat des EWR oder der Republik Türkei – eingeführt werden, in dem solche Gegenstände auf den Markt gebracht werden dürfen, ohne die Punze des VĮ Lietuvos prabavimo rūmai oder das Qualitätszeugnis vertrieben werden, wenn sie geprüft und mit der Punze eines unabhängigen, von diesem Staat ermächtigten Punzierungsamts versehen worden sind und die zwingende, in diesem Staat registrierte und bei ihrer Herstellung angebrachte Verantwortlichkeitsmarke tragen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6        Juvelta ist ein Unternehmen, das u. a. einen Einzelhandel mit aus Edelmetallen hergestellten Schmuckgegenständen betreibt.

7        Bei einer Prüfung vor Ort stellten Beamte des VĮ Lietuvos prabavimo rūmai fest, dass ein Teil (355 Stücke) der geprüften Goldgegenstände nicht den Erfordernissen von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 des Kontrollgesetzes entsprach.

8        Mit Prüfbescheid Nr. 04-13-41 vom 15. März 2011, in dem die Ergebnisse der Prüfung festgehalten wurden, wurde Juvelta vom VĮ Lietuvos prabavimo rūmai angewiesen, die von ihr vertriebenen Goldgegenstände bei einem unabhängigen und ermächtigten staatlichen Punzierungsamt mit Punzen versehen zu lassen, die den Erfordernissen der litauischen Regelung entsprechen.

9        Aus diesem Prüfbescheid geht hervor, dass die betreffenden Gegenstände von einem unabhängigen, von der Republik Polen ermächtigten Punzierungsamt mit einer Punze versehen worden waren, die aber nach Ansicht des VĮ Lietuvos prabavimo rūmai nicht den Erfordernissen von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 21 des Kontrollgesetzes entsprach, da die in der Punze enthaltene arabische Ziffer „3“ nicht den in 1 000 Gewichtsteilen der Legierung ausgedrückten Anteil des genannten Edelmetalls angebe.

10      Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, es sei unstreitig, dass in der Republik Polen die Ziffer „3“ in einer solchen Punze Edelmetallgegenstände kennzeichnen solle, deren in 1 000 Gewichtsteilen der Legierung ausgedrückter Feingehalt 585 betrage.

11      Dieses Gericht weist außerdem darauf hin, dass Juvelta die betreffenden Gegenstände mit einer zusätzlichen Kennzeichnung versehen habe, indem sie auf ihnen die Angabe „585“ angebracht habe, die den Feingehalt der Gegenstände in einer für die litauischen Verbraucher verständlichen Weise anzeigen solle.

12      Juvelta legte gegen den Prüfbescheid Beschwerde beim Leiter des VĮ Lietuvos prabavimo rūmai ein, der die Beschwerde mit der Entscheidung Nr. 1.5-264 vom 15. April 2011 zurückwies und die Gültigkeit des Prüfbescheids bestätigte. Daraufhin erhob Juvelta beim Vilniaus apygardos administracinis teismas eine Klage auf Nichtigerklärung des Prüfbescheids und der Entscheidung, die jedoch mit Urteil vom 18. August 2011 abgewiesen wurde.

13      Gegen dieses Urteil legte Juvelta beim vorlegenden Gericht ein Rechtsmittel ein.

14      Der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 34 AEUV dahin auszulegen, dass er nationale rechtliche Regelungen verbietet, nach denen, wenn aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingeführte Goldgegenstände, die auf dem Markt dieses (Ausfuhr-) Mitgliedstaats in Verkehr gebracht werden dürfen, auf dem Markt eines Mitgliedstaats der Europäischen Union vertrieben werden sollen, diese Gegenstände von einem unabhängigen, von einem Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsamt mit einem Kennzeichen gestempelt werden müssen, das bestätigt, dass der das Kennzeichen tragende Gegenstand von diesem Amt geprüft wurde, und in dem für Verbraucher des Einfuhrmitgliedstaats verständliche Angaben über den Feingehalt des Gegenstands gemacht werden, wenn solche Angaben über den Feingehalt in einem auf denselben Goldgegenstand gestempelten separaten und zusätzlichen Kennzeichen oder einer entsprechenden Kennzeichnung gemacht werden?

2.      Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass wie im vorliegenden Fall die zusätzliche Kennzeichnung hinsichtlich des Feingehalts von Goldgegenständen, die auf den Gegenständen vorgenommen wird und die für Verbraucher des einführenden Mitgliedstaats verständlich ist (z. B. die Kennzeichnung mit den drei arabischen Ziffern „585“), zwar nicht durch ein unabhängiges, von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ermächtigtes Punzierungsamt vorgenommen wurde, aber die Angaben in der Kennzeichnung in ihrem Sinngehalt den Angaben entsprechen, die in dem von einem unabhängigen, von dem Ausfuhrmitgliedstaat ermächtigten Punzierungsamt auf denselben Gegenstand gestempelten Kennzeichen wiedergegeben sind (z. B. die Kennzeichnung des Ausfuhrstaats mit der arabischen Ziffer „3“ gemäß den rechtlichen Regelungen dieses Staates speziell einen Feingehalt von „585“ bezeichnet)?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

15      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach Edelmetallgegenstände, die aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt worden sind, in dem solche Gegenstände in den Verkehr gebracht werden dürfen und gemäß dessen Regelung sie punziert worden sind, in einem Mitgliedstaat nur vertrieben werden dürfen, wenn sie, falls die Angaben über ihren Feingehalt in der Punze den Vorschriften der Regelung des zweitgenannten Mitgliedstaats nicht entsprechen, von einer unabhängigen, von dem zweitgenannten Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsstelle erneut gekennzeichnet werden, und zwar mit einer Punze, die bestätigt, dass die betreffenden Gegenstände geprüft worden sind, und die ihren Feingehalt gemäß den genannten Vorschriften angibt.

16      Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Rn. 5, und vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika, C‑108/09, Slg. 2010, I‑12213, Rn. 47).

17      So sind Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen, nach Art. 34 AEUV verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung, sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht (vgl. Urteile vom 22. Juni 1982, Robertson u. a., 220/81, Slg. 1982, 2349, Rn. 9, vom 15. September 1994, Houtwipper, C‑293/93, Slg. 1994, I‑4249, Rn. 11, und vom 21. Juni 2001, Kommission/Irland, C‑30/99, Slg. 2001, I‑4619, Rn. 26).

18      Der Gerichtshof hat hierzu bereits entschieden, dass eine nationale Regelung, wonach Edelmetallarbeiten, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden, in denen sie rechtmäßig in den Verkehr gebracht und entsprechend den Rechtsvorschriften dieser Staaten punziert worden sind, im Einfuhrmitgliedstaat erneut punziert werden müssen, die Einfuhren erschwert und verteuert (vgl. in diesem Sinne Urteile Robertson u. a., Rn. 10, Houtwipper, Rn. 13, und Kommission/Irland, Rn. 27).

19      Dies ist bei der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung der Fall. Danach können nämlich Edelmetallgegenstände und Edelsteine, die mit einer Punze versehen sind, deren Angaben nicht den Vorschriften dieser Regelung entsprechen, in Litauen erst dann vertrieben werden, wenn sie dort erneut punziert worden sind.

20      Folglich ist eine solche Regelung eine nach Art. 34 AEUV verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung.

21      Zur Möglichkeit der Rechtfertigung einer solchen Maßnahme hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Verpflichtung des Importeurs, in Edelmetallarbeiten ein Zeichen einzustanzen, das den Feingehalt angibt, grundsätzlich geeignet sein kann, einen wirksamen Schutz der Verbraucher zu gewährleisten und die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu fördern (vgl. Urteile Robertson u. a., Rn. 11, Houtwipper, Rn. 14, und Kommission/Irland, Rn. 29).

22      Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang jedoch auch entschieden, dass ein Mitgliedstaat keine erneute Punzierung von Erzeugnissen vorschreiben darf, die aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt werden, in dem sie rechtmäßig in den Verkehr gebracht und nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats mit einer Punze versehen worden sind, sofern die in dieser Punze enthaltenen Angaben unabhängig von deren Form den im Einfuhrmitgliedstaat vorgeschriebenen Angaben entsprechen und für die Verbraucher in diesem Staat verständlich sind (vgl. Urteile Robertson u. a., Rn. 12, Houtwipper, Rn. 15, und Kommission/Irland, Rn. 30 und 69).

23      Bei der Beurteilung der Frage, ob eine in einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht vorgesehene Feingehaltsangabe den Verbrauchern in diesem Staat gleichwertige und verständliche Informationen vermittelt, ist auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Irland, Rn. 32).

24      In Bezug auf den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit steht fest, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Gegenstände von einem unabhängigen, von der Republik Polen ermächtigten Punzierungsamt gemäß den Rechtsvorschriften dieses Staates punziert worden sind.

25      Außerdem ist nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts unstreitig, dass die Punze, die auf den betreffenden Gegenständen angebracht ist, deren Feingehalt mittels der Ziffer „3“ angibt und dass diese Angabe in Polen Edelmetallgegenstände kennzeichnen soll, deren Feingehalt in 1 000 Gewichtsteilen der Legierung ausgedrückt 585 beträgt.

26      Demnach entspricht die durch die Angabe der Ziffer „3“ vermittelte Information hinsichtlich von in Polen punzierten Edelmetallgegenständen der Information, die durch die Angabe der Zahl „585“ in einer Punze vermittelt wird, die von einem unabhängigen, in Litauen ermächtigten Punzierungsamt gemäß der litauischen Regelung angebracht worden ist.

27      Zu prüfen ist aber noch, ob die Angabe der Ziffer „3“ in den Punzen auf den im Ausgangsverfahren fraglichen Gegenständen für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen litauischen Durchschnittsverbraucher eine verständliche Information darstellt.

28      Hierzu ist festzustellen, dass diese Angabe für einen solchen Verbraucher vermutlich nicht verständlich ist, da von ihm grundsätzlich nicht erwartet werden kann, dass er das polnische System der Angabe des Feingehalts von Edelmetallgegenständen kennt.

29      Obwohl die einschränkenden Wirkungen der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung also durch das Ziel gerechtfertigt werden können, einen wirksamen Schutz der litauischen Verbraucher zu gewährleisten, indem diese in für sie verständlicher Weise über den Feingehalt von nach Litauen eingeführten Edelmetallgegenständen informiert werden, kann eine solche Rechtfertigung aber nur zugelassen werden, wenn diese Regelung in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Ziel steht, d. h., wenn sie für die Verwirklichung dieses Ziels geeignet ist und nicht über dasjenige hinausgeht, was für dessen Erreichung erforderlich ist.

30      Zu prüfen ist daher, ob das genannte Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den Handel mit Edelmetallgegenständen in der Union weniger stark beschränken als die Verpflichtung zur erneuten Punzierung im Einfuhrmitgliedstaat, die in der betreffenden Regelung vorgesehen ist.

31      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Juvelta nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts die im Ausgangsverfahren fraglichen Gegenstände, um ihren Feingehalt in einer für die litauischen Verbraucher verständlichen Weise auszudrücken, mit einer zusätzlichen Kennzeichnung versehen hat, indem sie darauf die Zahl „585“ eingestanzt hat, die dem Feingehalt der Gegenstände in 1 000 Gewichtsteilen der Legierung entspricht.

32      Eine solche Kennzeichnung ist geeignet, das Ziel der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung zu erreichen, und stellt eine Maßnahme dar, die den Handel mit Edelmetallgegenständen in der Union weniger stark beschränkt als die nach dieser Regelung erforderliche neue Punzierung, sofern die in dieser Kennzeichnung gemachten Angaben denen in der Punze entsprechen, die eine unabhängige, vom Ausfuhrmitgliedstaat ermächtigte Punzierungsstelle auf den betreffenden Gegenständen angebracht hat.

33      Neben einer zusätzlichen Kennzeichnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen könnten auch andere Maßnahmen ausreichen, um die Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der Verbraucher zu ermöglichen, etwa das zwingende Vorhandensein von durch eine unabhängige Punzierungsstelle des Einfuhrmitgliedstaats genehmigten Entsprechungstabellen am Ort des Vertriebs von Edelmetallgegenständen aus anderen Mitgliedstaaten, in denen die Verbraucher über die Feingehaltspunzen der anderen Mitgliedstaaten und ihre Entsprechung im Einfuhrmitgliedstaat informiert werden, oder die Verpflichtung zur Anbringung eines Etiketts mit sämtlichen nach der Regelung dieses Mitgliedstaats erforderlichen Angaben.

34      Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass Art. 34 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach Edelmetallgegenstände, die aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt worden sind, in dem solche Gegenstände in den Verkehr gebracht werden dürfen und gemäß dessen Regelung sie punziert worden sind, in einem Mitgliedstaat nur vertrieben werden dürfen, wenn sie, falls die Angaben über ihren Feingehalt in der Punze den Vorschriften der Regelung des zweitgenannten Mitgliedstaats nicht entsprechen, von einer unabhängigen, von dem zweitgenannten Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsstelle erneut gekennzeichnet werden, und zwar mit einer Punze, die bestätigt, dass die betreffenden Gegenstände geprüft worden sind, und die ihren Feingehalt gemäß den genannten Vorschriften angibt.

 Zur zweiten Frage

35      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass eine zusätzliche Kennzeichnung eingeführter Edelmetallgegenstände, die in einer für die Verbraucher des Einfuhrmitgliedstaats verständlichen Weise über den Feingehalt der Gegenstände informieren soll, nicht von einer unabhängigen, von einem Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsstelle vorgenommen worden ist, für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung ist.

36      Hierzu ist festzustellen, dass, da die im Ausgangsverfahren fraglichen Gegenstände nur eine zusätzliche Kennzeichnung erhalten haben, die die von einem unabhängigen, vom Ausfuhrmitgliedstaat – hier der Republik Polen – ermächtigten Punzierungsamt angebrachte Punze ergänzt, die Garantiefunktion der Punze erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Houtwipper, Rn. 19).

37      Der Fall des Ausgangsverfahrens ist nämlich von dem Fall zu unterscheiden, in dem die Edelmetallgegenstände von den Erzeugern selbst im Ausfuhrmitgliedstaat punziert werden. Diese Situation kann zu Betrügereien führen, denen in Ermangelung einer Unionsregelung die Mitgliedstaaten, die über ein weites Ermessen verfügen, vorbeugen müssen, indem sie Maßnahmen erlassen, die sie insoweit für geeignet halten (vgl. in diesem Sinne Urteil Houtwipper, Rn. 20 bis 22).

38      Die Angaben in einer zusätzlichen Kennzeichnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen müssen aber in jedem Fall den Angaben in der Punze entsprechen, die eine unabhängige, vom Ausfuhrmitgliedstaat ermächtigte Punzierungsstelle auf den betreffenden Gegenständen angebracht hat.

39      Wie aus der Vorlageentscheidung sowie den Rn. 25 und 26 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist dies im Ausgangsverfahren der Fall.

40      Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass der Umstand, dass eine zusätzliche Kennzeichnung eingeführter Edelmetallgegenstände, die in einer für die Verbraucher des Einfuhrmitgliedstaats verständlichen Weise über den Feingehalt der Gegenstände informieren soll, nicht von einer unabhängigen, von einem Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsstelle vorgenommen worden ist, für die Beantwortung der ersten Frage nicht von Bedeutung ist, wenn zuvor ein unabhängiges, vom Ausfuhrmitgliedstaat ermächtigtes Punzierungsamt eine Feingehaltspunze auf den betreffenden Gegenständen angebracht hat und die Angaben in der zusätzlichen Kennzeichnung den Angaben in der Punze entsprechen.

 Kosten

41      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 34 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach Edelmetallgegenstände, die aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt worden sind, in dem solche Gegenstände in den Verkehr gebracht werden dürfen und gemäß dessen Regelung sie punziert worden sind, in einem Mitgliedstaat nur vertrieben werden dürfen, wenn sie, falls die Angaben über ihren Feingehalt in der Punze den Vorschriften der Regelung des zweitgenannten Mitgliedstaats nicht entsprechen, von einer unabhängigen, von dem zweitgenannten Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsstelle erneut gekennzeichnet werden, und zwar mit einer Punze, die bestätigt, dass die betreffenden Gegenstände geprüft worden sind, und die ihren Feingehalt gemäß den genannten Vorschriften angibt.

2.      Der Umstand, dass eine zusätzliche Kennzeichnung eingeführter Edelmetallgegenstände, die in einer für die Verbraucher des Einfuhrmitgliedstaats verständlichen Weise über den Feingehalt der Gegenstände informieren soll, nicht von einer unabhängigen, von einem Mitgliedstaat ermächtigten Punzierungsstelle vorgenommen worden ist, ist für die Beantwortung der ersten Frage nicht von Bedeutung, wenn zuvor ein unabhängiges, vom Ausfuhrmitgliedstaat ermächtigtes Punzierungsamt eine Feingehaltspunze auf den betreffenden Gegenständen angebracht hat und die Angaben in der zusätzlichen Kennzeichnung den Angaben in der Punze entsprechen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Litauisch.