Language of document : ECLI:EU:T:2013:589

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

12. November 2013(*)

„Staatliche Beihilfen – Postdienst – Entscheidung, mit der eine Auskunftserteilung angeordnet wird – Angemessenheit der Frist – Begründungspflicht – Relevanz der verlangten Auskünfte“

In der Rechtssache T‑570/08 RENV

Deutsche Post AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Sedemund, T. Lübbig und M. Klasse,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2008 über eine Anordnung zur Auskunftserteilung in dem Verfahren betreffend die staatliche Beihilfe an die Deutsche Post AG (C 36/07 [ex NN 25/07]),

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und J. Schwarcz,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 8. Juni 1989 wurde in der Bundesrepublik Deutschland das Postverfassungsgesetz (BGBl. 1989 I S. 1026, im Folgenden: PostVerfG) erlassen. Gemäß § 1 Abs. 2 PostVerfG wurde die deutsche Postverwaltung, die Deutsche Bundespost, in drei verschiedene Rechtseinheiten aufgespalten: die Deutsche Bundespost Postdienst (im Folgenden: DB-Postdienst), die Deutsche Bundespost Telekom und die Deutsche Bundespost Postbank (im Folgenden: DB-Postbank). Gemäß § 65 Abs. 2 PostVerfG waren diese Einheiten verpflichtet, die angebotenen Dienstleistungen der Deutschen Bundespost weiterzuführen. Insbesondere übernahm die DB-Postdienst ihre Tätigkeiten im Postbereich, einschließlich des postalischen Universaldienstes.

2        Am 14. September 1994 wurde in der Bundesrepublik Deutschland das Postumwandlungsgesetz (BGBl. 1994 I S. 2339) erlassen. Gemäß den §§ 1 und 2 dieses Gesetzes wurden die drei oben genannten Rechtseinheiten zum 1. Januar 1995 in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Tätigkeiten der DB-Postdienst wurden von der Klägerin, der Deutschen Post AG, übernommen. Die Tätigkeiten der Deutschen Bundespost Telekom und der DB-Postbank wurden von der Deutschen Telekom AG und der Deutschen Postbank AG übernommen.

3        Nach Beschwerden der UPS Europe NV/SA im Jahr 1994 und des Bundesverbandes Internationaler Express- und Kurierdienste e. V. (BIEK) im Jahr 1997 teilte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 17. August 1999, das am 23. Oktober 1999 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde (ABl. C 306, S. 25), ihren Beschluss mit, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG im Hinblick auf verschiedene Maßnahmen zu eröffnen, aufgrund deren die Klägerin öffentliche Mittel erhalten habe (im Folgenden: Eröffnungsentscheidung von 1999), und erbat von ihr eine gewisse Zahl von Unterlagen und Auskünften.

4        Am 19. Juni 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2002/753/EG über Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Klägerin (ABl. L 247, S. 27, im Folgenden: Entscheidung von 2002). Der verfügende Teil der Entscheidung von 2002 sieht u. a. Folgendes vor: „Die staatliche Unterstützung, die [die Bundesrepublik] Deutschland zugunsten der [Klägerin] in Höhe von 572 Millionen Euro (1 118,7 Mio. DEM) gewährt hat, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.“ Mit Urteil vom 1. Juli 2008, Deutsche Post/Kommission (T‑266/02, Slg. 2008, II‑1233), hat das Gericht diese Entscheidung von 2002 für nichtig erklärt. Das von der Kommission gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel wurde mit Urteil des Gerichtshofs vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post (C‑399/08 P, Slg. 2010, I‑7831), zurückgewiesen.

5        Am 11. Mai 2004 legte UPS Europe bei der Kommission eine weitere Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, dass in der Entscheidung von 2002 nicht alle in der Beschwerde von 1994 aufgeführten Maßnahmen geprüft worden seien und die der Klägerin gewährten Vorteile den Betrag deutlich überstiegen, dessen Rückzahlung die Kommission angeordnet habe. Am 16. Juli 2004 legte auch die TNT Post AG & Co. KG eine Beschwerde ein, die sie damit begründete, dass die von der Klägerin der DB-Postbank berechneten Preise für ihre Dienstleistungen zu niedrig seien und dass diese Dienstleistungen mit Erlösen aus dem reservierten Bereich finanziert würden. Auf diese Beschwerden hin richtete die Kommission Auskunftsersuchen an die Bundesrepublik Deutschland, auf die diese antwortete.

6        Mit Schreiben vom 12. September 2007 setzte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland von ihrer Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG betreffend die staatliche Beihilfe C 36/07 (ex NN 25/07) der Bundesrepublik Deutschland an die Deutsche Post (Zusammenfassung im ABl. C 245, S. 21, im Folgenden: Eröffnungsentscheidung von 2007) in Kenntnis. Die Eröffnungsentscheidung von 2007 war Gegenstand einer Klage der Klägerin vom 22. November 2007. Das Urteil des Gerichts vom 8. Dezember 2011, Deutsche Post/Kommission (T‑421/07, Slg. 2011, II‑8105), mit dem diese Klage als unzulässig abgewiesen wurde, wurde vom Gerichtshof (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Oktober 2013, Deutsche Post/Kommission, C‑77/12 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen.

7        Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 und vom 10. Juni 2008 legte die Bundesrepublik Deutschland ihren Standpunkt zur Eröffnungsentscheidung von 2007 dar. Am 29. Mai und am 15. Juli 2008 fanden Treffen der deutschen Behörden mit den Dienststellen der Kommission statt.

8        Am 17. Juli 2008 übermittelte die Kommission im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung der Beihilfe C 36/07 (ex NN 25/07) den deutschen Behörden ein Auskunftsersuchen, das u. a. einen Fragebogen zu den Erlösen und Kosten der Klägerin für den Zeitraum von 1989 bis 2007 enthielt, der innerhalb einer Frist von 20 Werktagen beantwortet werden sollte.

9        Am 5. August 2008 teilte die Bundesrepublik Deutschland mit, dass die Fragen in Bezug auf die staatlichen Bürgschaften fristgemäß beantwortet werden könnten und dass die Beantwortung der Fragen zur Finanzierung der Pensionen mindestens drei Monate in Anspruch nehmen werde. Zu dem Fragebogen hinsichtlich der Kosten und Erlöse der Klägerin im Zeitraum von 1989 bis 2007 gab die Bundesrepublik Deutschland an, dass sie die Klägerin fragen müsse, welche Frist für die Beantwortung erforderlich sei, und erst dann in der Lage sei, einen Antrag auf die erforderliche Fristverlängerung zu stellen. Sie fügte hinzu, dass die Klägerin seit dem 1. Januar 1995 eine privatrechtliche Aktiengesellschaft sei und keinerlei Ausgleichszahlung mehr erhalten habe. Unter Bezugnahme auf ihre Schreiben vom 14. Dezember 2007 und vom 10. Juni 2008 sowie auf ihre Besprechung mit der Kommission am 15. Juli 2008 bekräftigte sie ihre Auffassung, dass zunächst auf der Grundlage des Zeitraums von 1989 bis 1994 zu prüfen sei, ob eine Überkompensierung entstanden sei. Die Bundesrepublik Deutschland bat auch um eine ergänzende Begründung der Periodenabgrenzung. Schließlich sprach sie den Schutz der Geschäftsgeheimnisse an und fragte zum einen, ob das mit der Ausarbeitung des Fragebogens beauftragte private Beratungsunternehmen Zugang zu bestimmten der Kommission bereits vorliegenden Unterlagen gehabt habe, und bat zum anderen vorsorglich um Mitteilung, ob beabsichtigt sei, die Auswertung der Antworten auf den Fragebogen diesem Beratungsunternehmen zu übertragen; dann wäre sicherzustellen, dass dieses Unternehmen nicht für Wettbewerber der Klägerin tätig werde.

10      Am 12. August 2008 übersandte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ein Schreiben mit der Aufforderung, ihr unverzüglich einen Antrag auf Fristverlängerung mit exaktem Zeitplan vorzulegen. Sie legte ferner das Ziel des Fragebogens dar und begründete die Abgrenzung des fraglichen Zeitraums von 1989 bis 2007. Sie fügte hinzu, dass sich das Beratungsunternehmen vertraglich verpflichtet habe, Informationen und Unterlagen streng vertraulich zu behandeln, so dass der Schutz der Geschäftsgeheimnisse der Klägerin vollumfänglich gewährleistet sei.

11      Mit Schreiben vom 14. August 2008 beantragte die Bundesrepublik Deutschland eine Fristverlängerung bis zum 28. November 2008 für die Beantwortung der Fragen zur Finanzierung der Pensionen sowie des Fragebogens für den Zeitraum vom 1. Juli 1989 bis Ende 1994. Sie hielt jedoch an ihrer bereits in ihren Schreiben vom 14. Dezember 2007 und 10. Juni 2008 sowie in der Besprechung mit der Kommission vom 15. Juli 2008 vertretenen Auffassung fest, dass die vollumfängliche Überprüfung der Kosten und Erlöse der Klägerin nach 1994 nicht erforderlich sei. Sie brachte auch erneut ihre Zweifel am Schutz der Geschäftsgeheimnisse der Klägerin vor.

12      Mit Schreiben vom 22. August 2008 gewährte die Kommission eine Fristverlängerung bis zum 28. Oktober 2008 in Bezug auf die staatliche Finanzierung der Pensionen und ersuchte die Bundesrepublik Deutschland um Mitteilung, innerhalb welcher Frist sie plane, den Fragebogen zu den Kosten und Erlösen in vollem Umfang zu beantworten.

13      Mit Schreiben vom 26. September 2008 erklärte die Bundesrepublik Deutschland, dass sie für die Beantwortung des Fragebogens für den Zeitraum von 1989 bis 1994 eine Frist bis Ende November 2008 benötige. Sie vertrat ferner die Ansicht, dass die Einbeziehung der Kosten und Erlöse von 1995 bis 2007 in die Berechnung der Überkompensierung nicht gerechtfertigt sei. Die von der Kommission beabsichtigte Prüfung sei für diese Jahre nicht erforderlich und entbehre einer tragfähigen Rechtsgrundlage. Ferner brachte sie ein weiteres Mal ihre Zweifel am Schutz der Geschäftsgeheimnisse der Klägerin vor.

14      Mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) forderte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) auf, innerhalb von 20 Tagen alle für die Beantwortung des betreffenden Fragebogens erforderlichen Informationen zu übermitteln. Sollten die deutschen Behörden die verlangten Auskünfte trotz dieser Anordnung nicht fristgerecht erteilen, werde die Kommission ihre Entscheidung im vorliegenden Fall gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 auf der Grundlage der verfügbaren Informationen erlassen.

15      Im Laufe des Jahres 2009, insbesondere nach einem Treffen vom 6. Februar 2009 mit den Dienststellen der Kommission, willigten die Bundesrepublik Deutschland und die Klägerin ein, die Auskünfte über den Zeitraum von 1989 bis 2007 zu erteilen.

16      In der Folge erließ die Kommission ihren Beschluss K(2011) 3081 endg. vom 10. Mai 2011, das laufende förmliche Prüfverfahren wegen der von der Bundesrepublik Deutschland der Deutschen Post als Kompensation für ihre Verpflichtung zur Erbringung universeller Dienstleistungen gewährten staatlichen Beihilfen auf die von den deutschen Behörden der Deutschen Post zur Deckung der Pensionen von Beschäftigten mit Beamtenstatus gezahlten Subventionen (Beihilfe C 36/2007 [ex NN 25/07]) auszuweiten. Dieser Beschluss ist ebenfalls Gegenstand einer Klage, die derzeit vor dem Gericht anhängig ist (Rechtssache T‑388/11).

17      Am 25. Januar 2012 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem das förmliche Prüfverfahren (Beihilfe C 36/2007 (ex NN 25/2007) abgeschlossen wurde. Darin stellte sie fest, dass die staatliche Finanzierung der Pensionen eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstelle, die zurückzufordern sei, dass ferner die staatlichen Ausgleichszahlungen eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe darstellten und dass schließlich die staatlichen Garantien eine bestehende Beihilfe darstellten.

 Angefochtene Entscheidung

18      In der angefochtenen Entscheidung werden nach einer Darstellung des Verfahrens die in Rede stehenden staatlichen Maßnahmen als staatliche Transfers an die Klägerin beschrieben, die Forderungsverzichte, die Gewährung staatlicher Bürgschaften und die staatliche Finanzierung der Postbeamtenpensionen umfasst hätten.

19      Zunächst äußert die Kommission Zweifel daran, dass die der Klägerin im Hinblick auf ihre Gemeinwohlverpflichtungen gewährte Kompensation erforderlich und angemessen gewesen sei. Da nicht im Vorhinein klar festgelegt worden sei, wie die Höhe des Ausgleichs zu berechnen sei, müsse die Kommission im Nachhinein die Höhe des gewährten Ausgleichs und die Kosten der Universaldienstleistungen einschließlich der angemessenen Rendite ermitteln, die der Dienstleister mit dem eingesetzten Eigenkapital erzielen könne. Dabei habe sie sich insbesondere für folgende Gesichtspunkte interessiert:

–        Die Höhe der Kompensation müsse die staatlichen Transfers, die staatlichen Bürgschaften und die staatliche Finanzierung der Pensionen umfassen.

–        Für die Überprüfung, ob eine Überkompensierung vorliege, seien auch die Umsätze aus den reservierten Briefdiensten und den sonstigen Universaldienstleistungen in den Bereichen Briefpost und Pakete, die die Klägerin erbringe, zu berücksichtigen.

–        Da der Ausgleich nur für die Erbringung der Universaldienste verwendet werden und nicht der Querfinanzierung kommerzieller Dienstleistungen dienen dürfe, müsse die Aufteilung der Kosten zwischen Universaldienstleistungen und kommerziellen Dienstleistungen geprüft werden. Es müsse geprüft werden, ob die geltend gemachten Kosten des Universaldienstes tatsächlich für Universaldienstleistungen angefallen seien und ob die kommerziellen Dienstleistungen in angemessenem Umfang zur Finanzierung der Fixkosten des Postnetzes beitrügen.

–        Da der Ausgleich – zusätzlich zu den ordnungsgemäß zugewiesenen Kosten des Universaldienstes – auch einen angemessenen Kapitalertrag decken solle, müsse die Rentabilität der Klägerin unter Berücksichtigung der im betreffenden Sektor erzielten durchschnittlichen Rendite und des von der Klägerin eingegangenen Risikos ermittelt werden.

20      Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte müsse sich der Fragebogen auf die Kosten und Erlöse der Universaldienstleistungen sowie der kommerziellen Dienstleistungen, für die die Infrastruktur der Klägerin genutzt werde, erstrecken, damit geprüft werden könne, ob der Klägerin als Gegenleistung für ihre Gemeinwohlverpflichtungen eine Überkompensierung gewährt worden sei. Dieser die Erlöse und Kosten der Universaldienstleistungen und der kommerziellen Dienstleistungen der Klägerin für den Zeitraum von 1989 bis 2007 betreffende Fragebogen sei der angefochtenen Entscheidung beigefügt worden.

21      Die Kommission fasste sodann die Stellungnahme der deutschen Behörden zusammen, wonach es nach dem 1. Januar 1995 keine staatlichen Transfers gegeben habe, die verlangten Auskünfte unverhältnismäßig seien und die übrigen Beihilfemaßnahmen (Bürgschaften und staatliche Finanzierung der Pensionen) separat untersucht werden müssten.

22      Im Rahmen ihrer Beurteilung berücksichtigte die Kommission das Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, Slg. 2003, I‑7747), demzufolge „der Ausgleich nicht über das hinausgehen [darf], was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken“. Nur eine umfassende, langfristige Analyse der Kosten und Erlöse könne bei der Bestimmung der Höhe der Überkompensierung zu wirtschaftlich aussagekräftigen Ergebnissen führen. Einer solchen langfristigen Analyse stehe der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt würden (ABl. 2005, C 297, S. 4, im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen 2005), nicht entgegen, und sie sei nicht notwendigerweise von Nachteil für die Klägerin.

23      Zudem gingen die wirtschaftlichen Auswirkungen im vorliegenden Fall über den 1. Januar 1995 hinaus, weshalb eine langfristige Analyse gerechtfertigt sei. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass erstens der Schuldenerlass vom 1. Januar 1995 nicht sofort zu einem Anstieg der Liquidität der Klägerin geführt habe. Zweitens seien die staatlichen Transfers, die zur Finanzierung neuer Anlagen und Infrastruktur hätten verwendet werden können, einem langfristigen Finanzierungsinstrument gleichzusetzen. Drittens hätten aufgrund der Verluste der Klägerin in den 1990er Jahren die Investitionen in langfristiges Anlagevermögen ohne die staatlichen Transfers nicht finanziert werden können. Außerdem habe die Klägerin auch nach 1995, und zwar bis zum 31. Dezember 2007, von staatlichen Garantien und der Finanzierung der Pensionen profitiert.

24      Schließlich sei der Fragebogen wegen der der Klägerin sowohl durch die Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 2008, L 15, S. 14, im Folgenden: Postrichtlinie) als auch die Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (ABl. L 195, S. 35, im Folgenden: Transparenzrichtlinie) auferlegten Verpflichtung zur getrennten Buchführung bei den öffentlichen und den kommerziellen Dienstleistungen nicht mit unverhältnismäßigem Arbeitsaufwand verbunden.

25      Die Kommission gelangte zu der Schlussfolgerung, dass eine Analyse des gesamten Zeitraums erforderlich sei, damit die Auswirkungen der staatlichen Transfers und der anderen der Klägerin zur Verfügung gestellten Finanzmittel auf den Wettbewerb erfasst werden könnten. Den deutschen Behörden, die von dem Fragebogen seit ihrem Schreiben vom 17. Juli 2008 Kenntnis hätten, müsse zudem ein Großteil der verlangten Informationen bereits aufgrund der durch die Post- und die Transparenzrichtlinie auferlegten Verpflichtungen vorliegen.

26      Die Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland demgemäß im Rahmen des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG aufgefordert, gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 die für die Beantwortung des Fragebogens erforderlichen Informationen innerhalb von 20 Tagen ab Erhalt der angefochtenen Entscheidung zu übermitteln. Sollten die deutschen Behörden die verlangten Auskünfte trotz dieser Anordnung nicht fristgerecht erteilen, werde sie im vorliegenden Fall gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung auf der Grundlage der verfügbaren Informationen entscheiden.

 Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof

27      Mit Klageschrift, die am 22. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte die Klägerin die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten.

28      Mit besonderem Schriftsatz, der am 19. März 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts und beantragte, die Klage als unzulässig abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

29      In ihrer am 29. Mai 2009 eingereichten Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragte die Klägerin, die Einrede zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Mit Beschluss vom 14. Juli 2010, Deutsche Post/Kommission (T‑570/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wies das Gericht (Erste Kammer) die Klage als unzulässig ab und verurteilte die Klägerin zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten der Kommission.

31      Mit einem weiteren Beschluss vom selben Tag, Deutschland/Kommission (T‑571/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wies das Gericht auch die Klage der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zum Gegenstand hatte, als unzulässig ab.

32      Mit Rechtsmittelschrift, die am 22. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichtshofs einging, legte die Klägerin gemäß Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs ein Rechtsmittel gegen den Beschluss Deutsche Post/Kommission (oben in Randnr. 30 angeführt) ein, wobei sie beantragte, diesen Beschluss aufzuheben, ihre beim Gericht erhobene Klage für zulässig zu erklären, die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Auch die Bundesrepublik Deutschland legte gegen den Beschluss Deutschland/Kommission (oben in Randnr. 31 angeführt) ein Rechtsmittel ein.

33      Mit Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, Slg. 2011, I‑9639), hat der Gerichtshof den Beschluss Deutsche Post/Kommission (oben in Randnr. 30 angeführt) und den Beschluss Deutschland/Kommission (oben in Randnr. 31 angeführt) aufgehoben und die von der Kommission vor dem Gericht erhobenen Einreden der Unzulässigkeit zurückgewiesen. Er hat die Rechtssachen zur Entscheidung über die Anträge der Klägerin auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

34      Die Rechtssachen sind der Zweiten Kammer des Gerichts zugewiesen worden.

35      Die Kommission hat am 16. Februar 2012 in der Rechtssache T‑570/08 RENV gemäß Art. 119 § 2 der Verfahrensordnung eine Klagebeantwortung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht. Die Klägerin hat am 25. April 2012 eine Erwiderung eingereicht. Die Kommission hat am 9. Juli 2012 eine Gegenerwiderung eingereicht.

36      Mit Schreiben, das am 4. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland dem Gericht mitgeteilt, dass sie ihre Klage in der Rechtssache T‑571/08 RENV zurücknehme; diese Rechtssache ist mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 10. Mai 2012 im Register des Gerichts gestrichen worden.

 Anträge der Parteien nach Zurückverweisung

37      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

38      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zum Rechtsschutzinteresse der Klägerin

39      Die Klägerin trägt in ihrer Erwiderung vor, sie habe weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie macht geltend, ihre Klage gegen die Anordnung zur Auskunftserteilung sei durch den Erlass des Beschlusses vom 25. Januar 2012 und der damit einhergehenden Beendigung des mit der Eröffnungsentscheidung von 2007 eingeleiteten Prüfverfahrens nicht gegenstandslos geworden. Es bestehe die Gefahr, dass die Kommission die erlangten Informationen im Rahmen eines anderen beihilferechtlichen Prüfverfahrens erneut gegen sie verwende. In der mündlichen Verhandlung hat sie auf die Möglichkeit hingewiesen, im Fall der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung Schadensersatz zu verlangen.

40      Die Kommission macht im Rahmen der Gegenerwiderung geltend, die Klägerin habe ihr Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan, da ihre Ausführungen eine zukünftige und ungewisse Rechtslage beträfen, da die Auskünfte von der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden seien und da diese ihre Klage gegen die angefochtene Anordnung zurückgenommen habe.

41      Das Gericht weist darauf hin, dass mit dem Begriff des Rechtsschutzinteresses darauf verwiesen wird, dass jede natürliche oder juristische Person, die eine Nichtigkeitsklage erhoben hat, ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweisen muss. Ein solches Interesse besteht nur, wenn die Nichtigerklärung der Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann oder wenn – nach einer anderen Formel – der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, C‑519/07 P, Slg. 2009, I‑8495, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung des Rechtsschutzinteresses eines Klägers hinsichtlich des Klagegegenstands auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abgestellt werden, und es muss unverändert bis zum Erlass der gerichtlichen Sachentscheidung vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, ACEA/Kommission, C‑319/09 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 67). Ferner darf ein Kläger zur Rechtfertigung seines Interesses an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung keine zukünftigen und ungewissen Situationen anführen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. April 2005, Sniace/Kommission, T‑141/03, Slg. 2005, II‑1197, Randnrn. 25 und 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof entschieden, dass die angefochtene Anordnung der Auskunftserteilung eigenständige Rechtswirkungen erzeugt und eine Klage gegen die zwischenzeitlich ergangene, das Verfahren beendende Entscheidung nicht geeignet ist, den Klägerinnen einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz zu bieten (Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post/Kommission, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnrn. 55 und 56). Diese Beurteilung bezieht sich auf die Anfechtbarkeit der in Rede stehenden Anordnung. Daraus ist jedoch zu schließen, dass der Klägerin die Nichtigerklärung der angefochtenen Anordnung zum Zeitpunkt der Klageerhebung einen Vorteil verschaffen konnte, so dass sie über ein Rechtsschutzinteresse verfügte.

43      Das Vorbringen der Kommission ist nicht zum Nachweis dafür geeignet, dass dieses Rechtsschutzinteresse zwischenzeitlich entfallen ist.

44      Der Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland die verlangten Auskünfte schließlich erteilt hat und damit der angefochtenen Entscheidung nachgekommen ist, nimmt der Klägerin im vorliegenden Fall nämlich nicht ihr Rechtsschutzinteresse (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 1985, Hoogovens Groep/Kommission, 172/83 und 226/83, Slg. 1985, 2831, Randnr. 19).

45      Unerheblich ist auch die Entscheidung der deutschen Regierung, ihre Klage zurückzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 22. November 2001, Mitteldeutsche Erdöl-Raffinerie/Kommission, T‑9/98, Slg. 2001, II‑3367, Randnr. 35).

46      Außerdem kann die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung als solche Rechtswirkungen insbesondere dadurch erzeugen, dass verhindert wird, dass die Kommission erneut so vorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 9. November 1994, Scottish Football/Kommission, T‑46/92, Slg. 1994, II‑1039, Randnr. 14, und vom 30. Mai 2006, Bank Austria Creditanstalt/Kommission, T‑198/03, Slg. 2006, II‑1429, Randnr. 44), unabhängig davon, dass zwischenzeitlich der endgültige Beschluss ergangen ist.

47      Zudem bestünde an der vorliegenden Nichtigkeitsklage zumindest als Grundlage einer etwaigen Haftungsklage auch dann noch ein Interesse, wenn sich die Erfüllung der Verpflichtung der Kommission, die sich aus einer Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, aufgrund der Umstände und insbesondere des zwischenzeitlichen Erlasses des endgültigen Beschlusses als unmöglich erweisen sollte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, C‑68/94 und C‑30/95, Slg. 1998, I‑1375, Randnr. 74).

48      Nach alledem hat die Klägerin weiterhin ein Rechtsschutzinteresse, auch wenn sie sich auf einen zukünftigen und ungewissen Umstand wie die Gefahr bezieht, dass die Kommission die erlangten Informationen im Rahmen eines anderen Verfahrens erneut gegen sie verwendet.

49      Die Klägerin hat somit im vorliegenden Fall ein Rechtsschutzinteresse.

2.     Zur Begründetheit

50      Die Klägerin hat ihre Klage auf vier Klagegründe gestützt. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999, mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 253 EG wegen der Fehlerhaftigkeit der Begründung, mit dem dritten einen Verstoß gegen Art. 287 EG und Art. 10 EG in Verbindung mit den Grundsätzen der Beachtung der Verteidigungsrechte und der Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens und mit dem vierten einen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG und Art. 86 Abs. 2 EG.

51      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren dritten Klagegrund zurückgenommen. Dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999

52      Mit Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 wurde die Rechtsprechung des Gerichtshofs übernommen und festgeschrieben, wonach die Kommission eine Entscheidung auf der Grundlage der verfügbaren Informationen erlassen darf, wenn sie sich einem Mitgliedstaat gegenübersieht, der seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt und ihr die Informationen, die sie von ihm verlangt hat, um die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen, nicht vorlegt.

53      In Anbetracht dieser sehr weit gefassten Befugnis der Kommission muss diese, bevor sie eine solche Entscheidung trifft, jedoch bestimmte Verfahrenserfordernisse beachten. Diese Erfordernisse sind in Art. 5 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 festgelegt (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, MTU Friedrichshafen/Kommission, T‑196/02, Slg. 2007, II‑2889, Randnrn. 39 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Art. 5 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:

„Auskunftsersuchen

(1)      Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Informationen über eine Maßnahme, die nach Artikel 2 angemeldet wurde, unvollständig sind, so fordert sie alle sachdienlichen ergänzenden Auskünfte an. Hat ein Mitgliedstaat auf ein derartiges Ersuchen geantwortet, so unterrichtet die Kommission den Mitgliedstaat vom Eingang der Antwort.

(2)      Wird eine von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangte Auskunft innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so übermittelt die Kommission ein Erinnerungsschreiben, in dem sie eine zusätzliche Frist für die Auskunftserteilung festsetzt.

(3)      Die Anmeldung gilt als zurückgezogen, wenn die angeforderten Auskünfte nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden …“

55      Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:

„Prüfung, Auskunftsersuchen und Anordnung zur Auskunftserteilung

(1)      Befindet sich die Kommission im Besitz von Informationen gleich welcher Herkunft über angebliche rechtswidrige Beihilfen, so prüft sie diese Informationen unverzüglich.

(2)      Gegebenenfalls verlangt die Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte. In diesem Fall gelten Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 5 Absätze 1 und 2 entsprechend.

(3)      Werden von dem betreffenden Mitgliedstaat trotz eines Erinnerungsschreibens nach Artikel 5 Absatz 2 die verlangten Auskünfte innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so fordert die Kommission die Auskünfte durch Entscheidung an (nachstehend ‚Anordnung zur Auskunftserteilung‘ genannt). Die Entscheidung bezeichnet die angeforderten Auskünfte und legt eine angemessene Frist zur Erteilung dieser Auskünfte fest.“

56      Wenn die Kommission es im Fall einer nicht angemeldeten Beihilfe für erforderlich hält, verlangt sie somit von dem betreffenden Mitgliedstaat, ihr innerhalb einer bestimmten Frist Auskunft zu erteilen (Art. 10 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999). Leistet der Mitgliedstaat dem innerhalb der festgesetzten Frist nicht Folge oder erteilt er unvollständige Auskünfte, so übermittelt sie ihm ein Erinnerungsschreiben, in dem sie eine zusätzliche Frist für die Auskunftserteilung festsetzt (Art. 10 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999). Werden trotz dieses Erinnerungsschreibens die verlangten Auskünfte innerhalb der festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so erlässt die Kommission eine Anordnung zur Auskunftserteilung (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999).

57      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in dreierlei Hinsicht gegen die anwendbaren Verfahrensvorschriften verstoßen.

 Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Unwirksamkeit der Fristsetzung im Auskunftsersuchen

58      Erstens streiten die Parteien darüber, welche Handlung das erste Auskunftsersuchen im vorliegenden Fall darstellt. Die Kommission macht geltend, die Eröffnungsentscheidung von 2007 sei das erste Auskunftsersuchen, was von der Klägerin bestritten wird.

59      Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:

„Förmliches Prüfverfahren

Die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens enthält eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten werden in dieser Entscheidung zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von normalerweise höchstens einem Monat aufgefordert. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission diese Frist verlängern.“

60      Durch die Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, und ihre Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union werden der Mitgliedstaat und die übrigen Beteiligten somit über die Tatsachen, auf die die Kommission ihre Entscheidung zu stützen beabsichtigt, unterrichtet und zur Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist, die hier einen Monat betrug, aufgefordert.

61      Im vorliegenden Fall enthält die Eröffnungsentscheidung von 2007 kein Ersuchen um konkrete Auskünfte. Die Kommission ersuchte die Bundesrepublik Deutschland nämlich lediglich darum, ihre Stellungnahme und alle für die Würdigung der in Rede stehenden Maßnahmen sachdienlichen Informationen zu übermitteln (Randnr. 105 der Entscheidung). Daran ändert es nichts, dass die Kommission in den Randnrn. 80 bis 104 der Entscheidung die Methode beschrieb, die sie für die Feststellung, ob es im Zeitraum von 1989 bis 2007 zu einer Überkompensierung gekommen sei, anzuwenden gedachte, und angab, welche Einnahmen und Ausgaben sie in ihre Berechnung einbeziehen wollte.

62      Dagegen enthält das Schreiben der Kommission vom 17. Juli 2008, wie die Klägerin hervorhebt, konkrete Fragen, die mit Hilfe eines nach einem Ausschreibungsverfahren vom 23. Januar 2008 ausgewählten Sachverständigen ausgearbeitet wurden.

63      Daher ist im vorliegenden Fall nicht die Eröffnungsentscheidung von 2007, sondern das Schreiben vom 17. Juli 2008 als das erste Auskunftsersuchen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 anzusehen.

64      Zweitens macht die Klägerin geltend, die im Schreiben vom 17. Juli 2008 gesetzte Frist von 20 Arbeitstagen zur Erteilung der verlangten Auskünfte sei zu kurz, um wirksam sein zu können. Sie habe daher keine rechtliche Bedeutung und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

65      Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 keine genaue Frist vorsieht (siehe oben, Randnrn. 55 und 56).

66      Darüber hinaus genügt die Feststellung, dass nach den Angaben in den Akten hinsichtlich des Fragebogens zu den Kosten und Erlösen für den Zeitraum von 1995 bis 2007 keine Fristverlängerung beantragt wurde (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T‑338/94, Slg. 1998, II‑1617, Randnr. 54).

67      Am 5. August 2008 wies die Bundesrepublik Deutschland nämlich darauf hin, dass sie Rücksprache mit der Klägerin halten müsse, um den für die Beantwortung des Fragebogens erforderlichen Zeitraum beurteilen zu können. Mit Schreiben vom 14. August 2008 beantragte sie nur für die Beantwortung des Fragebogens in Bezug auf den Zeitraum vor 1995 eine Fristverlängerung bis zum 28. November 2008, hielt aber an ihrer Auffassung fest, dass eine vollumfängliche Prüfung der Kosten und Erlöse der Klägerin nach 1994 nicht erforderlich sei. In Beantwortung des Schreibens vom 22. August 2008, mit dem die Kommission sie um Mitteilung ersuchte, innerhalb welcher Frist sie plane, den Fragebogen zu den Kosten und Erlösen in vollem Umfang zu beantworten, bekräftigte sie mit Schreiben vom 26. September 2008, dass die beabsichtigte Prüfung der Kommission für die Jahre nach 1994 nicht erforderlich sei und einer tragfähigen Rechtsgrundlage entbehre.

68      Folglich hatte die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Anordnung nach wie vor keine Verlängerung der von der Kommission festgesetzten Frist beantragt.

69      Zudem hatte die Bundesrepublik Deutschland mehrfach darauf hingewiesen, dass sie die verlangten Auskünfte über Kosten und Erlöse in Bezug auf den Zeitraum nach 1994 für nicht gerechtfertigt, nicht erforderlich und einer Rechtsgrundlage entbehrend halte. Daher ist davon auszugehen, dass sie sich weigerte, diese Auskünfte zu erteilen.

70      Insoweit bestätigt die Tatsache, dass die Kommission die Bundesrepublik Deutschland um Mitteilung bat, innerhalb welcher Frist sie plane, die in Rede stehenden Auskünfte zu erteilen, dass eine Fristverlängerung möglich war. Eine solche Verlängerung wurde im Übrigen in Bezug auf die Auskünfte über die staatliche Finanzierung der Pensionen gewährt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Tatsache, dass die Kommission gegenüber der Bundesrepublik Deutschland anregte, eine Fristverlängerung zu beantragen, Teil der in Art. 10 EG vorgesehenen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit. Dies ist jedoch ohne besondere Bedeutung für die Frage der Angemessenheit der ursprünglichen Frist.

71      Daher ist in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles, ohne dass die Unverhältnismäßigkeit der Fristsetzung näher geprüft zu werden braucht, festzustellen, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, die im Auskunftsersuchen vom 17. Juli 2008 gesetzte Frist von 20 Arbeitstagen sei unzureichend, unwirksam oder unverhältnismäßig gewesen.

72      Der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Fehlen eines Erinnerungsschreibens mit Setzung einer zusätzlichen Frist

73      Die Klägerin macht geltend, selbst wenn mit dem Auskunftsersuchen vom 17. Juli 2008 eine Frist gesetzt worden sein sollte, sei in den Schreiben der Kommission vom 12. und 22. August 2008 keine zusätzliche Frist im Sinne von Art. 5 Abs. 2 a. E. und Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 angegeben worden, was zur Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung führe.

74      Hierzu ist festzustellen, dass aus Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 hervorgeht, dass die Kommission, wenn der Mitgliedstaat die im ersten Auskunftsersuchen verlangten Auskünfte nicht erteilt, ihm ein Erinnerungsschreiben mit einer zusätzlichen Frist übermittelt.

75      Im vorliegenden Fall ersuchte die Kommission in ihrem Schreiben vom 12. August 2008 die Bundesrepublik Deutschland darum, unverzüglich einen Antrag auf Fristverlängerung mit exaktem Zeitplan vorzulegen. Ebenso ersuchte sie in ihrem Schreiben vom 22. August 2008 die Bundesrepublik Deutschland um Mitteilung, innerhalb welcher Frist sie plane, den Fragebogen zu den Kosten und Erlösen in vollem Umfang zu beantworten.

76      In Anbetracht dessen hat die Kommission durch ihre Schreiben vom 12. und 22. August 2008 die anwendbaren Vorschriften eingehalten.

77      Die Kommission hat sich nämlich bereit gezeigt, eine Fristverlängerung zu gewähren. Dass die Dauer dieser Verlängerung nicht förmlich festgelegt wurde, liegt daran, dass die Bundesrepublik Deutschland keinen exakten Zeitplan vorschlug und lediglich ihren Standpunkt bekräftigte, wonach die verlangten Auskünfte für den Zeitraum von 1995 bis 2007 nicht gerechtfertigt und nicht erforderlich seien. Das Vorbringen der Klägerin, mit dem Schreiben vom 22. August 2008 sei eine nur für die Frage der Finanzierung der Pensionen und nicht für den Fragebogen zu den Kosten und Erlösen geltende Fristverlängerung gewährt worden, ändert nichts an dieser Schlussfolgerung, da die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Schreiben vom 14. August 2008 ausdrücklich eine solche Verlängerung beantragt hatte.

78      Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, das Erinnerungsschreiben mit zusätzlicher Fristsetzung habe eine Warn- und Schutzfunktion in Bezug auf die Vermögensrechte und die Geschäftsgeheimnisse der betreffenden Unternehmen und sei somit eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Entscheidung, mit der eine Auskunftserteilung angeordnet werde. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Denn selbst wenn es im vorliegenden Fall zu einer Verletzung der von der Klägerin geltend gemachten Rechte kommen könnte, ergäbe sich diese aus der angefochtenen Anordnungsentscheidung, könnte aber nicht durch das Fehlen einer zusätzlichen Fristsetzung in dem von der Klägerin angeführten Erinnerungsschreiben verursacht werden.

79      Schließlich kann die Kommission im Einklang mit der in Art. 10 EG vorgesehenen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit in begründeten Fällen Fristverlängerungen gewähren, was voraussetzt, dass ein Verlängerungsantrag gestellt und begründet wird. In diesem Zusammenhang ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Pflicht zu einer zusätzlichen Fristsetzung nicht wegen der Weigerung der Bundesrepublik Deutschland, die verlangten Auskünfte zu erteilen, entfallen könne.

80      In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles kann sich die Klägerin daher nicht darauf berufen, dass das Fehlen eines Erinnerungsschreibens mit zusätzlicher Fristsetzung zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führe.

81      Der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes ist folglich zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes: Unwirksamkeit der Fristsetzung in der angefochtenen Entscheidung

82      Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Frist von 20 Arbeitstagen habe im Hinblick auf die für den Zeitraum von 1995 bis 2007 verlangten Auskünfte unmöglich eingehalten werden können und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Bearbeitung des Zeitraums von 1995 bis 2007 hätte weitere acht Monate erfordert, und die Frist von 20 Tagen habe „Sanktionscharakter“ gehabt. Hervorzuheben sei der mit der Wiederauffindung und Identifizierung der teilweise mehr als zehn Jahre alten Kosten- und Erlösdaten verbundene Arbeitsaufwand. Überdies würden im Fragebogen die Angabe von Kosten- und Erlösdaten, umfangreiche Beschreibungen der unternehmensinternen Funktionen und funktionalen Verflechtungen, die sich im Zeitraum von 1989 bis 2007 verändert hätten, und die Erstellung von Risikoprofilen für sämtliche Geschäftstätigkeiten des Unternehmens in diesen Jahren verlangt, was im Nachhinein besondere Schwierigkeiten aufwerfe.

83      Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor, dass die Kommission, wenn von dem betreffenden Mitgliedstaat trotz eines Erinnerungsschreibens nach Art. 5 Abs. 2 die verlangten Auskünfte innerhalb der von ihr festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt werden, die Auskünfte durch Entscheidung anfordert, die die angeforderten Auskünfte bezeichnet und eine angemessene Frist zu ihrer Erteilung festlegt.

84      Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor, dass bei Nichtbefolgung der Anordnung zur Auskunftserteilung durch einen Mitgliedstaat die Entscheidung, mit der das förmliche Prüfverfahren abgeschlossen wird, auf der Grundlage der verfügbaren Informationen erlassen wird.

85      Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 genannte angemessene Frist so festgesetzt werden muss, dass sie es dem Adressaten des Auskunftsverlangens ermöglicht, eine genaue und vollständige Antwort zu geben. Die Angemessenheit der festgesetzten Frist muss anhand des Umfangs und des Schwierigkeitsgrads der verlangten Auskünfte sowie der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.

86      Im vorliegenden Fall enthielt der Fragebogen über 100 Fragen und betraf u. a. die Analyse der Kosten und Erlöse der Klägerin (insbesondere ihre Tätigkeiten, ihre Kosten, die Verbuchung ihrer Kosten und Erlöse, ihre Kostenstruktur und die im Analysezeitraum vorgenommenen Veränderungen), die Funktionsanalyse (Produktion, Vertrieb und andere Funktionen wie Einkauf, Marketing und Werbung, Human Ressources und sonstige zentralisierte und dezentralisierte Dienste, die Verteilung zwischen Universaldienstleistungen und kommerziellen Dienstleistungen) sowie das Risikoprofil der Klägerin (insbesondere in Bezug auf den Markt, die Rechtsvorschriften, die Produkte usw.).

87      Wie die Kommission hervorhebt, stellen sich bestimmte der in dem Fragebogen aufgeführten Fragen, insbesondere in Bezug auf Beschreibungen der unternehmensinternen Funktionen und funktionalen Verflechtungen, dem Management eines Unternehmens wie der Klägerin tagtäglich und sind üblicherweise Gegenstand interner Audits. Zudem hätten der Klägerin bestimmte der verlangten Informationen aufgrund der anwendbaren Rechtsvorschriften bereits zur Verfügung stehen müssen.

88      Überdies sind die Umstände des vorliegenden Falles zu berücksichtigen.

89      Insbesondere war zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung der Fragebogen schon als Anlage zum Schreiben vom 17. Juli 2008 übermittelt worden. Gleichwohl wurden speziell zum Zeitraum von 1995 bis 2007 keine Auskünfte erteilt. Auch wurde kein Antrag auf Fristverlängerung gestellt, obwohl die Schreiben der Kommission vom 12. und 22. August 2008 – mit denen sie die Bundesrepublik Deutschland um Mitteilung ersuchte, innerhalb welcher Frist sie plane, in vollem Umfang zu antworten – zumindest nahelegten, dass eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen war. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist dieser Umstand im vorliegenden Fall nicht unerheblich (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnr. 45, und Urteil Finnboard/Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 54).

90      Da die deutschen Behörden auf die Ersuchen der Kommission, einen exakten Zeitplan festzulegen, nicht antworteten, ist die festgesetzte Frist trotz ihrer Kürze im vorliegenden Fall nicht unangemessen. Die Tatsache – ihre Relevanz unterstellt –, dass die festgesetzte Frist in eine Urlaubszeit fällt, was aber nicht bedeutet, dass die nationalen Behörden oder die Unternehmen geschlossen sind, ändert daran nichts.

91      Außerdem kann eine solche Frist keinen Sanktionscharakter haben. Denn zum einen ist die Sanktion für die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Erteilung der verlangten Auskünfte in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 (oben in Randnr. 84 angeführt) genannt und besteht darin, dass die Entscheidung, mit der das förmliche Prüfverfahren abgeschlossen wird, auf der Grundlage der verfügbaren Informationen erlassen wird. Zum anderen kann diese Frist nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verlängert werden. Im vorliegenden Fall wurde sie auch verlängert, als die Bundesrepublik Deutschland nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ihre Bereitschaft zur Erteilung der verlangten Auskünfte bekundete.

92      Daher ist die in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Frist, auch wenn sie im Hinblick auf die Zahl der Fragen und die aufgeworfenen Probleme kurz erscheinen mag, als angemessen im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 anzusehen.

93      Diese Frist verstößt schließlich auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach diesem Grundsatz dürfen die Handlungen der Organe nämlich nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, National Farmers’ Union u. a., C‑157/96, Slg. 1998, I‑2211, Randnr. 60). Vorliegend steht in Anbetracht der zuvor dargelegten Umstände des vorliegenden Falles (siehe insbesondere oben, Randnrn. 89 bis 91) die in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Frist nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen. Folglich liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor.

94      Daher ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes und demzufolge der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht und Fehlerhaftigkeit der Begründung

95      Die Klägerin rügt erstens einen Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung.

96      Nach ständiger Rechtsprechung dient die Pflicht zur Begründung von Einzelentscheidungen, die sich allgemein aus Art. 253 EG ergibt, dem Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der sie anfechtbar macht, wobei der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext abhängt, in dem er erlassen wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 1973, Niederlande/Kommission, 13/72, Slg. 1973, 27, Randnr. 11, und Urteile des Gerichts Scottish Football/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 19, und vom 12. Juli 2007, CB/Kommission, T‑266/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).

97      Was insbesondere eine Entscheidung angeht, mit der eine Auskunftserteilung angeordnet wird, bestimmt Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 die wesentlichen Bestandteile der Begründung einer Anordnung zur Auskunftserteilung (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, Slg. 1980, 2033, Randnr. 25; Urteile des Gerichts vom 8. März 1995, Société Générale/Kommission, T‑34/93, Slg. 1995, II‑545, Randnr. 62, und vom 22. März 2012, Slovak Telekom/Kommission, T‑458/09 und T‑171/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 76).

98      So sieht Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 vor, dass die Kommission „die angeforderten Auskünfte [bezeichnet] und … eine angemessene Frist zur Erteilung dieser Auskünfte fest[legt]“.

99      Die Kommission muss weder dem Adressaten einer solchen Entscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen übermitteln noch eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen, hat aber klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt (vgl. entsprechend Urteile Société Générale/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 63, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 77).

100    Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post/Kommission (oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 52), entschieden hat, sollte zudem die vorliegende Nichtigkeitsklage den Richter der Europäischen Union nicht dazu veranlassen, über das Bestehen einer staatlichen Beihilfe oder über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zu entscheiden.

101    Im vorliegenden Fall fasste die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnrn. 18 bis 26) das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zusammen und gab im Rahmen ihrer Beurteilung die Gründe an, aus denen sie es für erforderlich hielt, über die verlangten Informationen für den Zeitraum von 1995 bis 2007 zu verfügen. Sie führte insbesondere aus, dass die langfristige Analyse der Erlöse und Kosten zur Ermittlung des Umfangs der Überkompensierung erforderlich sei und mit der Rechtsprechung sowie dem Gemeinschaftsrahmen 2005 im Einklang stehe. Sie war ferner der Ansicht, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahmen über den 1. Januar 1995 hinausgingen und der Fragebogen keinen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand verursache. Sie kam zu dem Schluss, dass eine Analyse des gesamten Zeitraums erforderlich sei, um die Auswirkungen der staatlichen Transfers und der anderen der Klägerin zur Verfügung gestellten Finanzmittel auf den Wettbewerb zu erfassen. Sie fügte den bereits am 17. Juli 2008 zugesandten Fragebogen bei.

102    Damit hat die Kommission die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die zuvor wiedergegebene Rechtsprechung (siehe oben, Randnrn. 95 bis 100) hinreichend begründet.

103    Das Vorbringen der Klägerin, es liege ein Begründungsmangel vor, ändert nichts an dieser Schlussfolgerung.

104    Insbesondere ist ihr Vorbringen zurückzuweisen, dass die angefochtene Anordnung eigenständige Rechtswirkungen erzeuge und eine „besonders umfassende Begründung“ erfordere. Der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung eigenständige Rechtswirkungen erzeugt, rechtfertigt es nämlich nicht, eine ausführlichere oder eingehendere als die nach der zuvor angeführten Rechtsprechung (siehe oben, Randnrn. 95 bis 100) erforderliche Begründung zu verlangen. Folglich ist die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Anforderungen der einschlägigen Rechtsprechung hinreichend begründet, wie bereits festgestellt worden ist (siehe oben, Randnr. 102).

105    Die Klägerin rügt zweitens Begründungsfehler.

106    Zunächst macht sie geltend, sie habe sich nicht geweigert, den Fragebogen für den Zeitraum nach 1994 zu beantworten, sondern dies nicht für erforderlich gehalten und sich zunächst auf den davor liegenden Zeitraum konzentriert.

107    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Bundesrepublik Deutschland, wie sich aus den Akten ergibt, am Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung für den genannten Zeitraum keine Antwort auf den Fragebogen vorgelegt und der Kommission nicht mitgeteilt hatte, innerhalb welchen Zeitraums sie dazu eine Antwort geben könne. Sie wies mehrfach darauf hin, dass die Auskünfte über die Kosten und Erlöse nach 1994 nicht erforderlich seien (siehe insbesondere die oben in den Randnrn. 11 und 13 angeführten Schreiben).

108    Unter diesen Umständen ist selbst für den Fall, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich geweigert haben sollte, die in Rede stehenden Informationen mitzuteilen, das Unterbleiben der Mitteilung dieser Informationen erwiesen.

109    Daher ist das Vorbringen, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft sei, zurückzuweisen.

110    Sodann macht die Klägerin geltend, die Kommission habe das rechtliche Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere habe sie zum einen das auf einen Widerspruch zur bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission gestützte Vorbringen übergangen und dadurch das Diskriminierungsverbot verletzt und zum anderen außer Acht gelassen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf Art. 86 Abs. 2 EG berufen habe.

111    Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung (siehe oben, Randnrn. 96 bis 100) die Kommission nicht verpflichtet war, diese Punkte in der Begründung der Entscheidung zu erörtern. Der Umstand, dass sie in der angefochtenen Entscheidung nicht sämtliche Argumente der Bundesrepublik Deutschland prüfte, ist nicht geeignet, das Verständnis der Bedeutung der angefochtenen Entscheidung, die Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber der Entscheidung oder die Überprüfung durch das Gericht zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Scottish Football/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 23).

112    Ebenso ist nach der einschlägigen Rechtsprechung (siehe oben, Randnrn. 96 bis 100) und unter Berücksichtigung des Inhalts der angefochtenen Entscheidung der Umstand, dass sie auf Art. 86 Abs. 2 EG gestützt ist, obgleich sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf diese Vorschrift berufen hatte, nicht zum Nachweis dafür geeignet, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung unzureichend oder fehlerhaft ist.

113    Soweit die Klägerin schließlich einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geltend macht, wird auf die Prüfung der vierten Rüge des vierten Klagegrundes verwiesen (siehe unten, Randnrn. 175 bis 179).

114    Drittens macht die Klägerin in der Erwiderung geltend, die Auskünfte über den Zeitraum von 1995 bis 2007 würden im endgültigen Beschluss vom 25. Januar 2012 weder erwähnt noch herangezogen; daher verstoße die angefochtene Entscheidung gegen den in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

115    Der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung ist jedoch in der Klageschrift nicht geltend gemacht worden, und die Rüge seiner Nichtbeachtung wird nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Diese Rüge ist somit ein nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässiger Klagegrund. Außerdem ist dieser Klagegrund jedenfalls unbegründet, da mit ihm ein Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage eines nach ihr erlassenen Rechtsakts dargetan werden soll.

116    Nach alledem ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG und Art. 86 Abs. 2 EG

117    Die Klägerin macht geltend, die Kosten- und Erlösdaten der Jahre 1995 bis 2007 seien für die Prüfung des Finanzausgleichs im Zeitraum von 1990 bis 1994 und für die Prüfung des Ausgleichs von Pensionslasten irrelevant. Die angefochtene Entscheidung sei daher rechtswidrig.

118    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die verlangten Auskünfte für die Beurteilung der staatlichen Maßnahme anhand der Art. 87 EG und 88 EG relevant sein müssen, da sie sonst unverhältnismäßig wären, wie sich aus dem Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post/Kommission (oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 57) ergibt.

119    Bei der Auslegung des Begriffs der relevanten Auskunft ist auf den Zweck abzustellen, zu dem der Kommission die fraglichen Untersuchungsbefugnisse übertragen wurden. Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen dem Auskunftsverlangen und der vermuteten Zuwiderhandlung ist erfüllt, wenn in diesem Stadium des Verfahrens Grund zu der Annahme besteht, dass das Verlangen eine Beziehung zu der vermuteten Zuwiderhandlung in dem Sinne aufweist, dass die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass ihr das Dokument bei der Feststellung, ob die behauptete Zuwiderhandlung vorliegt, von Nutzen sein wird (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, T‑39/90, Slg. 1991, II‑1497, Randnr. 29, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 1994, SEP/Kommission, C‑36/92 P, Slg. 1994, I‑1911, Randnr. 21, und Urteil Slovak Telekom/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 42; vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache SEP/Kommission, Slg. 1994, I‑1914, Nr. 21).

120    Außerdem muss im Bereich staatlicher Beihilfen das Ermessen der Kommission bei der Einholung von Auskünften umso weiter sein, als die Kommission in diesem Stadium des Verfahrens über keine anderen als die von den verschiedenen Beteiligten übermittelten Auskünfte verfügt.

121    In Anbetracht dieser Gesichtspunkte ist der vorliegende Klagegrund zu prüfen.

 Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes: Unerheblichkeit der Kosten- und Erlösdaten der Jahre 1995 bis 2007 für die Prüfung des Finanzausgleichs im Zeitraum 1990 bis 1994

–       Zur ersten Rüge: Verstoß gegen den Gemeinschaftsrahmen 2005

122    Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Randnr. 21 des Gemeinschaftsrahmens 2005, der als Grundsatz eine jährliche Berechnung der Überkompensierung vorsehe und eine Einbeziehung der zwischen 1995 und 2007 angefallenen Kosten und Erlöse ausschließe. Sie beruft sich auch auf die Regeln zur Zinsberechnung im Fall der Beihilferückforderung.

123    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsrahmen 2005 nach seiner Randnr. 25 für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem Datum seiner Veröffentlichung im Amtsblatt gilt. Da er am 29. November 2005 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, gilt er folglich vom 29. November 2005 bis zum 29. November 2011.

124    Randnr. 26 des Gemeinschaftsrahmens 2005 bestimmt:

„Die Kommission wendet die Bestimmungen des Gemeinschaftsrahmens auf alle ihr gemeldeten Beihilfevorhaben an, über die sie nach Veröffentlichung des Gemeinschaftsrahmens im Amtsblatt entscheiden wird, selbst wenn die Notifizierung vor der Veröffentlichung erfolgte. Bei nicht notifizierten Beihilfen kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung:

a)      die Bestimmungen des vorliegenden Gemeinschaftsrahmens, wenn die Beihilfe nach dessen Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union gewährt wurde,

b)      in allen anderen Fällen die zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe geltenden Bestimmungen.“

125    Im vorliegenden Fall wurden die Ausgleichszahlungen der Jahre 1990 bis 1994 nicht angemeldet. Daher ist der Gemeinschaftsrahmen 2005 auf sie in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar. Diese Zahlungen sind folglich anhand der zum Zeitpunkt ihrer Gewährung geltenden Bestimmungen, d. h. anhand von Art. 86 Abs. 2 EG, zu beurteilen.

126    Außerdem enthält der Gemeinschaftsrahmen 2005, der klarstellen soll, unter welchen Voraussetzungen die staatlichen Beihilfen gemäß Art. 86 Abs. 2 EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten können, in Randnr. 20 jedenfalls den Hinweis, dass die Mitgliedstaaten kontrollieren oder kontrollieren lassen müssen, ob eine Überkompensierung vorliegt. Dort heißt es weiter, dass eine Überkompensierung, da sie für das Funktionieren einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht erforderlich ist, eine mit dem EWR-Abkommen nicht zu vereinbarende staatliche Beihilfe darstellt, die an den Staat zurückgezahlt werden muss, und dass in diesem Fall eine Aktualisierung der Berechnungsparameter vorgenommen werden muss.

127    Randnr. 21 des Gemeinschaftsrahmens 2005 sieht vor:

„Beläuft sich die Überkompensierung auf höchstens 10 % der jährlichen Ausgleichssumme, kann dieser Betrag auf das nächstfolgende Jahr angerechnet werden. Bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse können erhebliche jährliche Kostenschwankungen aufweisen, vor allem wenn spezifische Investitionen nötig sind. In diesem Fall kann für das Funktionieren der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in bestimmten Jahren ausnahmsweise eine Überkompensierung von über 10 % erforderlich sein. Die Umstände, die eine Überkompensierung von mehr als 10 % erfordern, sind der Kommission in der Anmeldung darzulegen. Allerdings muss in einem solchen Fall in regelmäßigen Abständen, die anhand der jeweiligen Situation in dem betroffenen Wirtschaftssektor festzulegen sind, aber vier Jahre nicht übersteigen sollten, Bilanz gezogen werden. Alle bei dieser Gelegenheit ermittelten zu viel gezahlten Beträge sind zurückzuzahlen.“

128    Nach den Ausführungen der Kommission (Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung) enthält Randnr. 21 des Gemeinschaftsrahmens 2005 eine konkrete Anweisung an die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Höchstfrist, innerhalb deren die Situation überprüft werden muss und eventuell zu viel gezahlte Ausgleichsbeträge zurückgefordert werden müssen. Diese Bestimmung betrifft somit die Modalitäten der Kontrolle einer möglichen Überkompensierung durch den Mitgliedstaat und nicht deren beihilferechtliche Beurteilung durch die Kommission.

129    Insbesondere kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass die im vorliegenden Fall verlangten Auskünfte für die Entscheidung, ob eine Überkompensierung vorliegt und mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, deshalb nicht relevant sind, weil sie einen Zeitraum betreffen, der länger ist als der Zeitraum der Ausgleichszahlungen, die von 1990 bis 1994 gewährt wurden.

130    Daher ist das auf einen Verstoß gegen den Gemeinschaftsrahmen 2005 – dessen Anwendbarkeit unterstellt – gestützte Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

131    Die Klägerin macht ferner geltend, die Rückforderungsregeln sähen bei rechtswidrigen Beihilfen vor, dass der gewährte Vorteil auch die Zinseszinsen umfasse, für die jedes Jahr wiederum Zinsen fällig würden. Die Berechnung der Zinseszinsen setze also eine jährliche Berechnung der Überkompensierung voraus.

132    Insoweit sieht Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 vor, dass die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe Zinsen umfasst, die von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zahlbar sind. Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. L 140, S. 1) sieht vor, dass der Zinssatz bis zur Rückzahlung der Beihilfe nach der Zinseszinsformel berechnet wird und dass für die im Vorjahr aufgelaufenen Zinsen in jedem folgenden Jahr Zinsen fällig sind.

133    Diese Regeln betreffen jedoch die Berechnung der Zinsen im Fall der Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe und können nicht dahin ausgelegt werden, dass die im vorliegenden Fall in der angefochtenen Entscheidung verlangten Auskünfte nicht im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung relevant sind.

134    Daher ist die Rüge der Klägerin, dass die Kosten und Erlöse nach Ablauf des Jahres 1994 wegen eines Grundsatzes der jährlichen Berechnung der finanziellen Überkompensierung unerheblich seien, zurückzuweisen.

–       Zur zweiten Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die angefochtene Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 87 Abs. 1 EG in die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten eingreife, eine Kompetenzüberschreitung darstelle und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße

135    Die Klägerin macht erstens geltend, die Frage, ob ein Unternehmen einen Ausgleich für die mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben verbundenen Mehrkosten erhalte, gehöre ebenso wie der sachliche und zeitliche Umfang der Ausgleichszahlungen in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Eine Erweiterung der Ausgleichsperiode würde in diese Zuständigkeit der Mitgliedstaaten eingreifen.

136    Aus Art. 86 EG geht hervor, dass die Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, eine Ausgleichszahlung für die bei Gemeinwohlverpflichtungen entstehenden Mehrkosten zu gewähren (Art. 86 Abs. 1 EG) und dass die Kommission über eine Kontrollbefugnis verfügt (Art. 86 Abs. 3 EG).

137    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hindert im vorliegenden Fall der Umstand, dass sich die Ausgleichszahlungen auf den Zeitraum von 1990 bis 1994 beschränkten, die Kommission nicht daran, ihre Kontrolle so auszuüben, wie sie es für die Beurteilung des Vorliegens einer möglichen Überkompensierung für angemessen hält.

138    Insbesondere liegt kein Eingriff in die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission vor, wenn die Kommission, wie im vorliegenden Fall, Auskünfte über den gesamten Zeitraum verlangt, für den dem Unternehmen seine Gemeinwohlaufgabe übertragen wird und der vorliegend 2007 endete, auch wenn die in Rede stehenden Ausgleichszahlungen Ende 1994 eingestellt wurden.

139    Dem steht das Vorbringen der Klägerin nicht entgegen, dass die zehn oder 15 Jahre später entstehenden Kosten und Erlöse nicht vorhersehbar gewesen seien und daher bei der Festlegung der Ausgleichszahlungen nicht hätten berücksichtigt werden können. Wie die Kommission hervorhebt, sind insoweit langfristige Prognosen möglich, insbesondere in Unternehmen der Netzwerkindustrien, die durch lange Abschreibungsperioden für Anlagen gekennzeichnet sind.

140    Daher ist das Vorbringen eines Verstoßes gegen die Kompetenzverteilung zurückzuweisen.

141    Die Klägerin macht zweitens geltend, die Kommission habe einen Ermessensmissbrauch begangen, als sie im Rahmen einer Kontrolle des von 1990 bis 1994 gezahlten Ausgleichs die Erteilung von Auskünften für die Jahre 1995 bis 2007 verlangt habe.

142    Der Begriff des Ermessensmissbrauchs betrifft den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck gebraucht als demjenigen, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie zu einem solchen Zweck getroffen wurde. Verfolgt eine Entscheidung mehrere Ziele und kommt zu den rechtmäßigen Beweggründen ein zu beanstandender Grund hinzu, so ist die Entscheidung deswegen noch nicht mit einem Ermessensmissbrauch behaftet, sofern sie nur nicht das wesentliche Ziel preisgibt (Urteil des Gerichts vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, Slg. 2009, II‑145, Randnr. 99).

143    Im vorliegenden Fall genügt der Hinweis, dass die Klägerin eine Behauptung aufstellt und keine sie stützenden objektiven, schlüssigen und übereinstimmenden Indizien vorträgt; sie ist daher zurückzuweisen.

144    Die Klägerin macht drittens geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße wegen des mit dem Ersuchen um Auskünfte über den Zeitraum von 1995 bis 2007 verbundenen Arbeitsaufwands und wegen der Irrelevanz dieser Auskünfte gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie macht ferner geltend, die Kommission habe sich nicht mit der Frage der Relevanz der verlangten Auskünfte befasst. In der Erwiderung macht die Klägerin schließlich einen Verstoß gegen Art. 284 EG geltend.

145    Hierzu ist festzustellen, dass die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der verlangt, dass die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, impliziert, dass die Verpflichtung eines Unternehmens zur Auskunftserteilung für dieses Unternehmen keine Belastung darstellt, die zu den Erfordernissen der Untersuchung offensichtlich außer Verhältnis steht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile Omya/Kommission, oben in Randnr. 142 angeführt, Randnr. 34, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 81).

146    Im Bereich staatlicher Beihilfen ist die Anordnung unverhältnismäßig, wenn die verlangten Auskünfte für die Beurteilung der staatlichen Maßnahme anhand der Art. 87 EG und 88 EG nicht relevant sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post/Kommission, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 57).

147    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihr Vorbringen, der mit dem in Rede stehenden Auskunftsersuchen verbundene Arbeitsaufwand sei unverhältnismäßig, in keiner Weise untermauert. Dass sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung zur Beantwortung der gestellten Fragen externe Sachverständige zu Rate zog, wodurch erhebliche Kosten entstanden seien, reicht für den Nachweis, dass der Arbeitsaufwand im Hinblick auf die Größe des Unternehmens der Klägerin und die wirtschaftliche Bedeutung der in Rede stehenden Angelegenheit unverhältnismäßig ist, nicht aus. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung betont hat, rechtfertigte zudem auch das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung die Zahl und die Genauigkeit der gestellten Fragen.

148    Ferner hat die Klägerin nicht dargetan, dass die verlangten Auskünfte für die beihilferechtliche Beurteilung der Art der in Rede stehenden Maßnahmen und ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt irrelevant sind.

149    Daher war die Kommission bei vernünftiger Betrachtung zu der Annahme berechtigt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ausgleichszahlungen zwischen 1989 und 1994 über den 1. Januar 1995 hinausgingen, weshalb eine langfristige Analyse gerechtfertigt war.

150    Wie die Kommission in den Randnrn. 24 und 25 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, führte der Schuldenerlass mit Wirkung vom 1. Januar 1995 nämlich nicht sofort zu einem Liquiditätsanstieg bei der Klägerin. Außerdem waren die staatlichen Transfers, die die Finanzierung neuer Anlagen und Infrastruktur ermöglichten, einem langfristigen Finanzierungsinstrument gleichzusetzen. Ferner berücksichtigte die Kommission, dass aufgrund der Verluste der Klägerin in den 1990er Jahren die Investitionen in langfristiges Anlagevermögen ohne die staatlichen Transfers nicht hätten finanziert werden können. Sie fügte hinzu, die Klägerin habe auch nach 1995 bis zum 31. Dezember 2007 von staatlichen Garantien und der Finanzierung der Pensionen profitiert (siehe oben, Randnrn. 22 und 23).

151    Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Analyse der Kommission fehlerhaft ist.

152    Im Übrigen kann insoweit, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, die Berücksichtigung eines längeren Zeitraums zur Folge haben, dass sich der Betrag der möglichen Überkompensierung als niedriger erweist als bei ausschließlicher Betrachtung des Zeitraums vor dem 1. Januar 1995 (Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung; siehe oben, Randnr. 22).

153    Angesichts dessen ist zum einen festzustellen, dass die verlangten Auskünfte, auch für den Zeitraum von 1995 bis 2007, in dem Sinne als relevant angesehen werden durften, dass die Kommission bei vernünftiger Betrachtung zu der Annahme berechtigt war, dass ihr diese Auskünfte bei der Feststellung, ob eine Überkompensierung vorliegt, die eine Beihilfe darstellt, und bei der Prüfung, ob sie mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, helfen würden. Zum anderen folgt aus dem Vorstehenden auch, dass sich die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin mit der Frage der Relevanz der verlangten Auskünfte befasst hat.

154    Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin, dass diese Auskünfte im endgültigen Beschluss vom 25. Januar 2012 nicht erwähnt würden, zurückzuweisen, da die Relevanz der verlangten Auskünfte zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen ist. Die Erforderlichkeit der Informationen ist nämlich unter Bezugnahme auf die Vorstellung vom Umfang der notwendigen Auskünfte zu beurteilen, von der die Kommission ausgehen durfte, als sie das in Rede stehende Auskunftsverlangen stellte. Demnach kann sich diese Beurteilung nicht auf die tatsächliche Erforderlichkeit von Auskünften im Laufe des Verfahrens vor der Kommission stützen, die von vielen Faktoren abhängig ist und daher zum Zeitpunkt der Stellung des Auskunftsverlangens nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann (vgl. entsprechend Urteil Omya/Kommission, oben in Randnr. 142 angeführt, Randnr. 30).

155    Angesichts der vorstehenden Ausführungen braucht weder über die Anwendbarkeit des von der Klägerin in der Erwiderung angeführten Art. 284 EG, der vorsieht, dass die Kommission zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Auskünfte einholen und alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen kann, wobei der Rahmen und die nähere Maßgabe hierfür vom Rat gemäß den Bestimmungen des EG-Vertrags festgelegt werden, noch über die Zulässigkeit des Vorbringens zu dieser Bestimmung entschieden zu werden.

156    Diese Rüge ist daher insgesamt zurückzuweisen.

 ‒ Zur dritten Rüge: Verstoß gegen Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 87 Abs. 1 EG in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit

157    Die Klägerin macht erstens geltend, die Einbeziehung von Kosten und Erlösen, die nach dem Zeitraum von 1990 bis 1994 angefallen seien, beeinflusse die Bestimmung einer Überkompensierung und habe zur Folge, dass sich die Höhe einer Unter- oder Überkompensierung aufgrund der in jedem Jahr unterschiedlichen Kosten und Erlöse von Jahr zu Jahr ändere und nur vom Zeitpunkt der Entscheidung der Kommission abhängen würde. Ein solches Ergebnis sei weder mit dem Grundsatz der Objektivität des Beihilfebegriffs, der jährliche Fluktuationen verbiete, noch mit dem Schutz des Vertrauens des betroffenen Unternehmens vereinbar.

158    Aus Art. 87 Abs. 1 EG folgt, dass der Beihilfebegriff ein objektiver Begriff ist, der sich nur danach bestimmt, ob eine staatliche Maßnahme einem oder bestimmten Unternehmen einen Vorteil verschafft oder nicht (Urteile des Gerichts vom 27. Januar 1998, Ladbroke Racing/Kommission, T‑67/94, Slg. 1998, II‑1, Randnr. 52, und vom 13. September 2010, Griechenland/Kommission, T‑415/05, T‑416/05 und T‑423/05, Slg. 2010, II‑4749, Randnr. 211). Ferner unterscheidet Art. 87 Abs. 1 EG nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Interventionen, sondern definiert diese nach ihren Wirkungen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 26. September 1996, Frankreich/Kommission, C‑241/94, Slg. 1996, I‑4551, Randnrn. 19 und 20, und Urteile des Gerichts Ladbroke Racing/Kommission, Randnr. 52, und vom 10. Mai 2000, SIC/Kommission, T‑46/97, Slg. 2000, II‑2125, Randnr. 83).

159    Wie vorstehend ausgeführt (siehe oben, Randnrn. 148 bis 153), durften im vorliegenden Fall die verlangten Auskünfte – auch für den Zeitraum von 1995 bis 2007 – als relevant angesehen werden, um im Rahmen der späteren inhaltlichen Prüfung insbesondere die Frage klären zu können, ob die in Rede stehenden staatlichen Maßnahmen der Klägerin einen Vorteil verschafften oder nicht.

160    Eine solche Vorgehensweise steht daher im Einklang mit dem oben in Randnr. 158 erläuterten Grundsatz der Objektivität des Beihilfebegriffs, dem zufolge die in Rede stehenden Maßnahmen nach ihren Wirkungen zu definieren sind.

161    Das Vorbringen der Klägerin, dass die Höhe dieses etwaigen Vorteils sich von Jahr zu Jahr ändern könne und vom Zeitpunkt der Entscheidung der Kommission abhängen würde, ist ebenfalls zurückzuweisen. Dieses Vorbringen betrifft nämlich die Art und Weise, in der die verlangten Auskünfte von der Kommission im Rahmen ihrer inhaltlichen Würdigung der in Rede stehenden Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin daher nicht dargetan, dass die Auskünfte im vorliegenden Fall nicht relevant waren oder die angefochtene Entscheidung gegen den Grundsatz der Objektivität des Beihilfebegriffs verstößt.

162    Die Klägerin beruft sich auch auf das Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2008, Deutsche Post/Kommission (oben in Randnr. 4 angeführt), und macht geltend, das Gericht sei in diesem Urteil davon ausgegangen, dass sich die Berechnung der Überkompensierung auf den Zeitraum von 1990 bis 1994 beziehe.

163    Die Klägerin nimmt jedoch auf keinen konkreten Punkt des genannten Urteils Bezug, der eine solche Auslegung zuließe, und hat, obgleich die Kommission dies in der Klagebeantwortung hervorgehoben hat, in der Erwiderung keine näheren Angaben gemacht.

164    Das Vorbringen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Objektivität des Beihilfebegriffs ist daher zurückzuweisen.

165    Die Klägerin ist zweitens der Ansicht, die Rechtsauffassung der Kommission, die bei ihrer beihilferechtlichen Würdigung der Ausgleichszahlungen Kosten und Erlöse berücksichtige, die zehn oder 15 Jahre nach der Ausgleichsperiode entstünden, verstoße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Damit würde unter Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot den jährlich zu treffenden Investitions- und Dividendenentscheidungen rückwirkend die wirtschaftliche Grundlage entzogen.

166    Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, müssen die Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 100). Ferner kann der Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft nicht auf einen Zeitpunkt vor seiner Veröffentlichung gelegt werden, wobei ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869, Randnr. 119). Schließlich sind die Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau klar hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (Urteil des Gerichtshofs vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission, C‑369/09 P, Slg. 2011, I‑2011, Randnr. 98).

167    Im vorliegenden Fall genügt der Hinweis, dass nicht dargetan worden ist, dass die Auffassung der Kommission beim Erlass der angefochtenen Entscheidung neu oder nicht vorhersehbar war. Des Weiteren war die tatsächliche Situation der Klägerin nicht „abgeschlossen“ im Sinne des oben in Randnr. 166 angeführten Urteils ISD Polska u. a./Kommission. Es handelte sich vielmehr um eine in der Vergangenheit entstandene Situation, die noch fortbestand, und zwar bis zum endgültigen Beschluss der Kommission über das Vorliegen der Beihilfe und ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt. Insoweit kann im Fall einer der Kommission nicht gemeldeten Beihilferegelung vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass diese Regelung anhand der im Zeitpunkt ihres Erlasses geltenden Vorschriften beurteilt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juni 2011, Diputación Foral de Vizcaya u. a./Kommission, C‑465/09 P bis C‑470/09 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 125 und 127).

168    Soweit die Klägerin schließlich die Art und Weise beanstandet, in der die in Rede stehenden Auskünfte nach ihrer Übermittlung gegebenenfalls von der Kommission im Rahmen ihres endgültigen Beschlusses berücksichtigt würden, ist dieses Vorbringen als im Rahmen der vorliegenden Klage unerheblich zurückzuweisen.

169    Das auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rückwirkungsverbots gestützte Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

170    Drittens nimmt die Klägerin auf ein Urteil PreussenElektra Bezug. Sollte es sich dabei um das Urteil des Gerichtshofs vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099), handeln, wird die Bezugnahme auf dieses Urteil jedoch nicht erläutert.

171    In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, dass ihre von 1995 bis 2007 erzielten Gewinne keine staatlichen Mittel seien und daher das Vorliegen einer Überkompensierung aus in diesem Zeitraum erzielten Erlösen ausgeschlossen sei.

172    Selbst unter der Annahme, dass ein solches Vorbringen, das in der Klageschrift nicht enthalten ist, gleichwohl als Erweiterung der dritten Rüge und daher als zulässig im Sinne von Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung angesehen werden könnte, ist es zurückzuweisen.

173    Zum einen wurden die in der angefochtenen Entscheidung verlangten Auskünfte nämlich als relevant angesehen (siehe oben, Randnrn. 148 bis 153). Die Frage, ob zur Feststellung des Vorliegens einer etwaigen Überkompensierung andere Erlöse als die aus staatlichen Mitteln getätigten Zahlungen zu berücksichtigen wären, gehört zur inhaltlichen Würdigung und ist daher im Rahmen der vorliegenden Klage unerheblich. Zum anderen fand die von der Klägerin angeführte Besprechung vom 6. Februar 2009, in der die Kommission anerkannt haben soll, dass die Gewinne der Klägerin keine staatlichen Mittel seien, nach der angefochtenen Entscheidung, die am 30. Oktober 2008 erging, statt und kann daher im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden.

174    Die dritte Rüge ist daher insgesamt zurückzuweisen.

–       Zur vierten Rüge: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

175    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in ihrer Entscheidungspraxis die Frage, ob Ausgleichszahlungen der Mitgliedstaaten zwecks Erstattung der mit Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verbundenen Mehrkosten mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, nie von der Einbeziehung aller Nettomehrkosten und Erlöse bis zum Ablauf der Universaldienstverpflichtung abhängig gemacht.

176    Nach der Rechtsprechung ist der Beihilfecharakter einer bestimmten Maßnahme nur im Rahmen von Art. 87 Abs. 1 EG zu prüfen, nicht aber im Hinblick auf eine vermeintliche frühere Entscheidungspraxis der Kommission (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, Slg. 2011, I‑11113, Randnr. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177    Ebenso muss in entsprechender Weise die Relevanz der verlangten Auskünfte anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, so dass die Kommission insoweit nicht an eine ihr zugeschriebene frühere Entscheidungspraxis gebunden sein kann.

178    Die Klägerin führt ferner Entscheidungen der Kommission zu Ausgleichszahlungen im Banken- und Postsektor an, die die inhaltliche Würdigung der in Rede stehenden Maßnahmen durch die Kommission betreffen und somit im vorliegenden Fall nicht relevant sind. Zudem hat die Klägerin jedenfalls nicht dargetan, dass die von ihr angeführten Entscheidungen Sachverhalte betreffen, die mit dem des vorliegenden Falles insbesondere in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht vergleichbar sind. Folglich hat sie keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dargetan, das zum einen die unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte und zum anderen die Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte untersagt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. April 2005, AEM und AEM Torino, C‑128/03 und C‑129/03, Slg. 2004, I‑2861, Randnr. 58).

179    Folglich sind diese Rüge und damit der erste Teil des vierten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des vierten Klagegrundes: Irrelevanz der Kosten- und Erlösdaten der Jahre 1995 bis 2007 für die Würdigung des Ausgleichs von Pensionslasten

180    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die angefochtene Entscheidung sowohl in Bezug auf die öffentliche Finanzierung der Pensionen (Punkt 2.1 des zweiten Teils des vierten Klagegrundes) als auch in Bezug auf die Haftung des Staates für Altverbindlichkeiten (Punkt 2.2 des zweiten Teils des vierten Klagegrundes) gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Sie beruft sich auf die Rechtsprechung und die Entscheidungspraxis der Kommission.

181    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Randnr. 177), muss die Relevanz der verlangten Auskünfte anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, so dass die Kommission insoweit nicht an eine ihr zugeschriebene frühere Entscheidungspraxis gebunden sein kann.

182    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sowohl das von der Klägerin angeführte Urteil des Gerichts vom 16. März 2004, Danske Busvognmænd/Kommission (T‑157/01, Slg. 2004, II‑917), als auch die Entscheidungen der Kommission, auf die sich die Klägerin beruft, die inhaltliche Würdigung durch die Kommission betreffen und somit im vorliegenden Fall nicht relevant sind. Außerdem ergingen diese Entscheidungen, selbst wenn sie im vorliegenden Fall relevant wären, unter den besonderen Umständen der jeweiligen Sachverhalte, bezüglich deren die Klägerin nicht dargetan hat, dass sie mit denen des vorliegenden Falles insbesondere in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vergleichbar sind.

183    Folglich hat die Klägerin nicht dargetan, dass die angefochtene Entscheidung gegen das Diskriminierungsverbot verstößt.

184    Die Rüge der Klägerin, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf Art. 86 Abs. 2 EG, sondern auf Art. 87 Abs. 3 EG berufen habe, was im Ermessen der Mitgliedstaaten stehe, ist ebenfalls zurückzuweisen. Denn die Überprüfung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen obliegt der Kommission, und die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht davon ausgehen konnte, dass die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 86 Abs. 2 EG zu prüfen ist, wie dies im Übrigen aus der Eröffnungsentscheidung von 2007 (Abschnitt 7 betreffend die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt) hervorgeht, auch wenn sich der endgültige Beschluss dann auf Art. 87 Abs. 3 EG stützt.

185    Zudem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die in Rede stehenden Auskünfte auch im Rahmen einer Prüfung auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 3 EG, der in Randnr. 95 der Eröffnungsentscheidung von 2007 in Bezug auf die Pensionen ebenfalls in Betracht gezogen wird, nicht als relevant angesehen werden konnten.

186    Daher genügt der Umstand, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf Art. 86 Abs. 2 EG berufen hat, nicht zum Nachweis mangelnder Relevanz der verlangten Auskünfte über die Kosten und Erlöse bis zum Jahr 2007.

187    Daraus folgt, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Auskunftsverlangen in Bezug auf die Kosten und Erlöse gegen das Diskriminierungsverbot verstießen oder im vorliegenden Fall unangemessen wären.

188    Dieser Teil des vierten Klagegrundes und damit der vierte Klagegrund insgesamt sind daher ebenfalls zurückzuweisen.

189    Nach alledem ist die vorliegende Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

190    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Deutsche Post AG trägt die Kosten.

Forwood

Dehousse

Schwarcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. November 2013.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Angefochtene Entscheidung

Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof

Anträge der Parteien nach Zurückverweisung

Rechtliche Würdigung

1.  Zum Rechtsschutzinteresse der Klägerin

2.  Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Unwirksamkeit der Fristsetzung im Auskunftsersuchen

Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Fehlen eines Erinnerungsschreibens mit Setzung einer zusätzlichen Frist

Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes: Unwirksamkeit der Fristsetzung in der angefochtenen Entscheidung

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht und Fehlerhaftigkeit der Begründung

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG und Art. 86 Abs. 2 EG

Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes: Unerheblichkeit der Kosten- und Erlösdaten der Jahre 1995 bis 2007 für die Prüfung des Finanzausgleichs im Zeitraum 1990 bis 1994

–  Zur ersten Rüge: Verstoß gegen den Gemeinschaftsrahmen 2005

–  Zur zweiten Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die angefochtene Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 87 Abs. 1 EG in die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten eingreife, eine Kompetenzüberschreitung darstelle und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße

‒ Zur dritten Rüge: Verstoß gegen Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 87 Abs. 1 EG in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit

–  Zur vierten Rüge: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

Zum zweiten Teil des vierten Klagegrundes: Irrelevanz der Kosten- und Erlösdaten der Jahre 1995 bis 2007 für die Würdigung des Ausgleichs von Pensionslasten

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.