Language of document : ECLI:EU:C:2019:386

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

8. Mai 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 – Art. 5 Abs. 1 und 2 – Direktvergabe – Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen – Voraussetzungen – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 12 – Richtlinie 2014/25/EU – Art. 28“

In der Rechtssache C‑253/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 2018, in dem Verfahren

Stadt Euskirchen

gegen

Rhenus Veniro GmbH & Co. KG,

Beteiligte:

SVE Stadtverkehr Euskirchen GmbH,

RVK Regionalverkehr Köln GmbH,

erlässt


DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Stadt Euskirchen, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Schaefer und J. Manka,

–        der Rhenus Veniro GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Antweiler,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, P. Ondrůšek und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1).

2        Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stadt Euskirchen (Deutschland) und der Rhenus Veniro GmbH & Co. KG (im Folgenden: Rhenus Veniro) über die beabsichtigte Direktvergabe öffentlicher Personenverkehrsdienste mit Bussen und sonstigen Kraftfahrzeugen.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung Nr. 1370/2007

3        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1370/2007 heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚öffentlicher Personenverkehr‘ Personenbeförderungsleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei und fortlaufend erbracht werden;

b)      ‚zuständige Behörde‘ jede Behörde oder Gruppe von Behörden eines oder mehrerer Mitgliedstaaten, die zur Intervention im öffentlichen Personenverkehr in einem bestimmten geografischen Gebiet befugt ist, oder jede mit einer derartigen Befugnis ausgestattete Einrichtung;

h)      ‚Direktvergabe‘ die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an einen bestimmten Betreiber eines öffentlichen Dienstes ohne Durchführung eines vorherigen wettbewerblichen Vergabeverfahrens;

j)      ‚interner Betreiber‘ eine rechtlich getrennte Einheit, über die eine zuständige örtliche Behörde – oder im Falle einer Gruppe von Behörden wenigstens eine zuständige örtliche Behörde – eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigenen Dienststellen entspricht;

…“

4        Art. 4 Abs. 7 der Verordnung bestimmt:

„In den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen ist transparent anzugeben, ob und in welchem Umfang eine Vergabe von Unteraufträgen in Frage kommt. Werden Unteraufträge vergeben, so ist der mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten nach Maßgabe dieser Verordnung betraute Betreiber verpflichtet, einen bedeutenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen. …“

5        Art. 5 („Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“) der Verordnung Nr. 1370/2007 sieht vor:

„(1)      Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1)] oder 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)] für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen. Werden Aufträge nach den Richtlinien [2004/17] oder [2004/18] vergeben, so sind die Absätze 2 bis 6 des vorliegenden Artikels nicht anwendbar.

(2)      Sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist, kann jede zuständige örtliche Behörde – unabhängig davon, ob es sich dabei um eine einzelne Behörde oder eine Gruppe von Behörden handelt, die integrierte öffentliche Personenverkehrsdienste anbietet – beschließen, selbst öffentliche Personenverkehrsdienste zu erbringen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit zu vergeben, über die die zuständige örtliche Behörde – oder im Falle einer Gruppe von Behörden wenigstens eine zuständige örtliche Behörde – eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Fasst eine zuständige örtliche Behörde diesen Beschluss, so gilt Folgendes:

b)      Die Voraussetzung für die Anwendung dieses Absatzes ist, dass der interne Betreiber und jede andere Einheit, auf die dieser Betreiber einen auch nur geringfügigen Einfluss ausübt, ihre öffentlichen Personenverkehrsdienste innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde ausführen – ungeachtet der abgehenden Linien oder sonstiger Teildienste, die in das Zuständigkeitsgebiet benachbarter zuständiger örtlicher Behörden führen – und nicht an außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde organisierten wettbewerblichen Vergabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten teilnehmen.

e)      Kommt eine Unterauftragsvergabe nach Artikel 4 Absatz 7 in Frage, so ist der interne Betreiber verpflichtet, den überwiegenden Teil des öffentlichen Personenverkehrsdienstes selbst zu erbringen.

(3)      Werden die Dienste Dritter, die keine internen Betreiber sind, in Anspruch genommen, so müssen die zuständigen Behörden die öffentlichen Dienstleistungsaufträge … im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben.

…“

6        Art. 7 („Veröffentlichung“) der Verordnung Nr. 1370/2007 bestimmt in Abs. 2:

„Jede zuständige Behörde ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass spätestens ein Jahr vor Einleitung des wettbewerblichen Vergabeverfahrens oder ein Jahr vor der Direktvergabe mindestens die folgenden Informationen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden:

a)      der Name und die Anschrift der zuständigen Behörde;

b)      die Art des geplanten Vergabeverfahrens;

c)      die von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete.

…“

 Richtlinie 2014/23/EU

7        Die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1) trat am 17. April 2014 in Kraft. Ihre Bestimmungen mussten von den Mitgliedstaaten bis zum 18. April 2016 umgesetzt werden.

8        Art. 5 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.      ‚Konzession‘ eine Bau- oder Dienstleistungskonzession im Sinne der Buchstaben a und b:

a)      ‚Baukonzession‘ einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Nutzung des vertragsgegenständlichen Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht;

b)      ‚Dienstleistungskonzession‘ einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach Buchstabe a bestehen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.

…“

 Richtlinie 2014/24/EU

9        Art. 12 („Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors“) der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) lautet:

„(1)      Ein von einem öffentlichen Auftraggeber an eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts vergebener öffentlicher Auftrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Der öffentliche Auftraggeber übt über die betreffende juristische Person eine ähnliche Kontrolle aus wie über seine eigenen Dienststellen;

b)      mehr als 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person dienen der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen von diesem kontrollierten juristischen Personen betraut wurden, und

c)      es besteht keine direkte private Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.

Bei einem öffentlichen Auftraggeber wird davon ausgegangen, dass er über die betreffende juristische Person eine ähnliche Kontrolle im Sinne von Unterabsatz 1 Buchstabe a ausübt wie über seine eigenen Dienststellen, wenn er einen ausschlaggebenden Einfluss sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Solche Kontrolle kann auch durch eine andere juristische Person ausgeübt werden, die vom öffentlichen Auftraggeber auf gleiche Weise kontrolliert wird.

(2)      Absatz 1 gilt auch, wenn eine kontrollierte juristische Person, bei der es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, einen Auftrag an ihren kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder eine andere von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrollierte juristische Person vergibt, sofern keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.

(3)      Ein öffentlicher Auftraggeber, der keine Kontrolle über eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts im Sinne von Absatz 1 ausübt, kann einen öffentlichen Auftrag dennoch ohne Anwendung dieser Richtlinie an diese juristische Person vergeben, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Der öffentliche Auftraggeber übt gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über diese juristische Person eine ähnliche Kontrolle aus wie über ihre eigenen Dienststellen;

b)      mehr als 80 % der Tätigkeiten dieser juristischen Person dienen der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie von den die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggebern oder von anderen von denselben öffentlichen Auftraggebern kontrollierten juristischen Personen betraut wurden, und

c)      es besteht keine direkte private Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.

Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe a üben öffentliche Auftraggeber gemeinsam die Kontrolle über eine juristische Person aus, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

i)      Die beschlussfassenden Organe der kontrollierten juristischen Person setzen sich aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammen. Einzelne Vertreter können mehrere oder alle teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber vertreten;

ii)      diese öffentlichen Auftraggeber können gemeinsam einen maßgeblichen Einfluss auf die strategischen Ziele und wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausüben und

iii)      die kontrollierte juristische Person verfolgt keine Interessen, die denen der kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber zuwiderlaufen.

(4)      Ein ausschließlich zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern geschlossener Vertrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind:

a)      Der Vertrag begründet oder erfüllt eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern mit dem Ziel sicherzustellen, dass von ihnen zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden;


b)      die Durchführung dieser Zusammenarbeit wird ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt und

c)      die beteiligten öffentlichen Auftraggeber erbringen auf dem offenen Markt weniger als 20 % der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten.

(5)      Zur Bestimmung des prozentualen Anteils der Tätigkeiten gemäß Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe b, Absatz 3 Unterabsatz 1 Buchstabe b und Absatz 4 Buchstabe c wird der durchschnittliche Gesamtumsatz, oder ein geeigneter alternativer tätigkeitsgestützter Wert wie z. B. Kosten, die der betreffenden juristischen Person oder dem betreffenden öffentlichen Auftraggeber während der letzten drei Jahre vor Vergabe des Auftrags in Bezug auf Dienstleistungen, Lieferungen und Bauleistungen entstanden sind, herangezogen.

Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie z. B. Kosten vor oder sind sie nicht mehr relevant, weil die betreffende juristische Person oder der betreffende öffentliche Auftraggeber gerade gegründet wurde oder erst vor kurzem ihre beziehungsweise seine Tätigkeit aufgenommen hat oder weil sie ihre beziehungsweise er seine Tätigkeiten umstrukturiert hat, genügt es, wenn sie beziehungsweise er – vor allem durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung – den tätigkeitsgestützten Wert glaubhaft macht.“

 Richtlinie 2014/25/EU

10      Art. 11 („Verkehrsleistungen“) der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) bestimmt:

„Unter diese Richtlinie fallen die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Eisenbahn, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Seilbahn.

Im Verkehrsbereich gilt ein Netz als vorhanden, wenn die Verkehrsleistung gemäß den von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats festgelegten Bedingungen erbracht wird; dazu gehören die Festlegung der Strecken, die Transportkapazitäten und die Fahrpläne.“

11      Art. 28 („Zwischen öffentlichen Auftraggebern vergebene Aufträge“) der Richtlinie 2014/25 enthält Bestimmungen, die sinngemäß den in Rn. 9 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Bestimmungen von Art. 12 der Richtlinie 2014/24 entsprechen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

12      Die Stadt Euskirchen ist eine zuständige Behörde im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1370/2007.

13      Am 8. Dezember 2016 veröffentlichte die Stadt Euskirchen gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union eine Vorabinformation über die beabsichtigte Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und sonstigen Kraftfahrzeugen, der nicht die Form einer Dienstleistungskonzession annehmen sollte, nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung.

14      Nach dieser Vorabinformation sollte der genannte Auftrag über die jährliche Erbringung von mehr als einer Million Kilometern für eine Dauer von 120 Monaten ab dem 1. Januar 2019 an die SVE Stadtverkehr Euskirchen GmbH (im Folgenden: SVE) vergeben werden, ein Unternehmen, das gänzlich von der Stadt Euskirchen gehalten wird.

15      Da die SVE weder über Fahrzeuge noch über Fahrer verfügte, um den Vertrag, der Gegenstand des öffentlichen Auftrags ist, selbst zu erfüllen, teilte sie mit, dass sie beabsichtige, mit der RVK Regionalverkehr Köln GmbH (im Folgenden: RVK), einem Unternehmen, das Verkehrsleistungen im gesamten Gebiet des Zweckverbands Verkehrsverbund Rhein-Sieg (Deutschland) erbringt, einen Subunternehmervertrag zu schließen.

16      Die RVK wird zu jeweils 12,5 % von der Kölner Verkehrsbetriebe AG, der Kreisholding Rhein Sieg GmbH, der Rhein-Erft Verkehrsgesellschaft mbH, der Elektrischen Bahn der Stadt Bonn und des Rhein Sieg Kreises SBB GmbH (SBB GmbH), der Stadtwerke Bonn Verkehrs GmbH, dem Kreis Euskirchen (Deutschland) und dem Rheinisch-Bergischen Kreis (Deutschland) gehalten. Die übrigen Anteile halten der Oberbergische Kreis (Deutschland) (2,5 %) und die RVK selbst (10 %).

17      Im Jahr 2016 reagierte die SVE positiv auf das ihr unterbreitete Angebot, zum 1. Januar 2019, ab dem der öffentliche Auftrag, dessen Vergabe beabsichtigt war, durchgeführt werden sollte, 2,5 % der Geschäftsanteile an der RVK zu erwerben.

18      Rhenus Veniro legte gegen die beabsichtigte Direktvergabe bei der zuständigen Vergabekammer (Deutschland) einen Rechtsbehelf ein.

19      Mit Beschluss vom 16. Mai 2017 untersagte die Vergabekammer der Stadt Euskirchen, der SVE den Zuschlag zu erteilen.

20      Hierzu führte die Vergabekammer zunächst aus, dass die SVE das Erfordernis der Selbsterbringung der Verkehrsleistungen in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 nicht erfülle. Ferner erbringe die RVK entgegen den genannten Bestimmungen Verkehrsleistungen auch außerhalb des Gebiets der Stadt Euskirchen. Schließlich könne die Tätigkeit der RVK der SVE nicht zugerechnet werden, weil diese zum 1. Januar 2019 lediglich einen Anteil von 2,5 % an der RVK halte.

21      Gegen die Entscheidung der Vergabekammer legte die SVE sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) ein. Sie macht geltend, die Vergabekammer habe Art. 5 der Verordnung Nr. 1370/2007 nicht richtig angewendet, da die RVK gemeinsam von zuständigen Behörden kontrolliert werde und ihre Leistungen auf deren Gebiet erbringe.

22      Das Oberlandesgericht Düsseldorf weist zunächst darauf hin, dass der Ausgang des Rechtsstreits von der Antwort des Gerichtshofs auf die bei ihm anhängigen Vorabentscheidungsersuchen in den verbundenen Rechtssachen Verkehrsbetrieb Hüttebräucker und Rhenus Veniro (C‑266/17 und C‑267/17) zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf öffentliche Aufträge, die keine Dienstleistungskonzessionen seien, abhänge.

23      Sollte der Gerichtshof dies bejahen, stelle sich die Frage, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 Anwendung finden sollte, wenn der interne Betreiber den überwiegenden Teil des an ihn vergebenen Auftrags durch ein Unternehmen ausführen lasse, an dem er nur 2,5 % des Gesellschaftskapitals halte, während das übrige Gesellschaftskapital unmittelbar oder mittelbar von anderen zuständigen Behörden gehalten werde.

24      Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Schließt es Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 1370/2007 mit der Verpflichtung, den überwiegenden Teil des öffentlichen Personenverkehrsdienstes selbst zu erbringen, aus, dass der interne Betreiber diesen überwiegenden Teil der Dienste durch eine Gesellschaft erbringen lässt, an der er 2,5 % der Geschäftsanteile hält und die übrigen Gesellschaftsanteile mittelbar oder unmittelbar von anderen zuständigen Behörden gehalten werden?

 Zur Vorlagefrage

25      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe eines Vertrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, der nicht die Form einer Konzession annimmt, anwendbar ist, und, wenn ja, ob diese Bestimmung dem internen Betreiber gestattet, den überwiegenden Teil der Dienste durch ein Unternehmen erbringen zu lassen, von dessen Gesellschaftskapital er nur 2,5 % hält.

26      Insoweit ist hervorzuheben, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass bei Aufträgen, die normalerweise in den sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/17 oder der Richtlinie 2004/18 fallen, Direktvergaben von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Konzessionen im Sinne dieser Richtlinien annehmen, nicht Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 unterliegen, sondern der Regelung über Direktvergaben, die sich auf der Grundlage dieser Richtlinien entwickelt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2019, Verkehrsbetrieb Hüttebräucker und Rhenus Veniro, C‑266/17 und C‑267/17, EU:C:2019:241, Rn. 73 bis 76).

27      Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Richtlinien 2014/24 und 2014/25, mit denen die Richtlinie 2004/18 bzw. die Richtlinie 2004/17 aufgehoben und ersetzt wurde und die anders als diese beiden Richtlinien den – nunmehr durch die Richtlinie 2014/23 geregelten – Begriff der Konzession nicht mehr definieren, die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich von Direktvergaben kodifiziert und präzisiert haben, und zwar in Art. 12 der Richtlinie 2014/24 und in Art. 28 der Richtlinie 2014/25; dies verdeutlicht, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hat, dass mit dieser Regelung über die Direktvergabe an die Richtlinien 2014/24 und 2014/25 angeknüpft wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2019, Verkehrsbetrieb Hüttebräucker und Rhenus Veniro, C‑266/17 und C‑267/17, EU:C:2019:241, Rn. 77 und 78).

28      Im vorliegenden Fall wurde die Vorabinformation über die im Ausgangsverfahren in Rede stehende beabsichtigte Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und sonstigen Kraftfahrzeugen am 8. Dezember 2016 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Richtlinien 2014/24 und 2014/25 bereits anwendbar, da die Frist für ihre Umsetzung verstrichen war.

29      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass er auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Konzessionen im Sinne der Richtlinie 2014/23 annehmen, nicht anwendbar ist.

 Kosten

30      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass er auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Konzessionen im Sinne der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe annehmen, nicht anwendbar ist.

Lycourgos

Juhász

Jarukaitis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Mai 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Zehnten Kammer

A. Calot Escobar

 

C. Lycourgos


*      Verfahrenssprache: Deutsch.