Language of document : ECLI:EU:C:2005:730

SCHLUSSANTRÄGE DER FRAU GENERALANWALT

CHRISTINE Stix-Hackl

vom 1. Dezember 2005(1)

Verbundene Rechtssachen C-181/04, C-182/04 und C-183/04

Elmeka NE

gegen

Ypourgos Oikonomikon

(Vorabentscheidungsersuchen des Symvoulio tis Epikrateias [Griechenland])

„Mehrwertsteuer – Steuerbefreiungen – Befreiung der Vermietung von Seefahrtsschiffen – Anwendungsbereich“





I –    Einleitung

1.        Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren ersucht das griechische Symvoulio tis Epikrateias den Gerichtshof um eine Auslegung des Artikels 15 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG des Rates(2) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) betreffend die Steuerbefreiungen bei Ausfuhrumsätzen, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen im Hinblick auf Frachtgebühren für Transporte von Brennstoffen zur Versorgung von Seeschiffen. Außerdem möchte dieses Gericht für den Fall, dass die Steuerbefreiung nicht anwendbar ist, wissen, inwiefern durch das Verhalten der Finanzverwaltung nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen begründet werden kann, das einer Festsetzung der Mehrwertsteuer für die Vergangenheit entgegensteht.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

2.        Artikel 15 der Sechsten Richtlinie lautet auszugsweise wie folgt:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

4. Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die

a)      auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind,

b)      als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall Lieferungen von Bordproviant ausgenommen sind,

...

5. Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen der unter Nummer 4 Buchstaben a und b bezeichneten Seeschiffe sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Schiffe eingebauten Gegenstände – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei – oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

...

8. andere Dienstleistungen als die nach Nummer 5, die für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Seeschiffe und ihrer Ladungen bestimmt sind; ...“

B –    Nationales Recht

3.        Artikel 22 des Gesetzes 1642/1986, das die Sechste Richtlinie in das griechische Recht umsetzt, lautete während des vom vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Zeitraums auszugsweise:

„(1) Von der Steuer befreit sind:

a)      die Lieferung und die Einfuhr von Schiffen, die für den Einsatz in der Handelsschifffahrt, für die Fischerei durch Steuerpflichtige im Rahmen der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung oder für eine andere Nutzung, die Liquidation oder die Nutzung durch die Streitkräfte und die öffentliche Hand im Allgemeinen vorgesehen sind, die Lieferung und die Einfuhr von Rettungsbooten und schwimmenden Seenothilfsmitteln sowie von Gegenständen und Stoffen, die in Schiffen, Rettungsbooten und schwimmenden Hilfsmitteln dieses Bereichs eingebaut oder benutzt werden. Ausgenommen sind Vergnügungs- oder Sportboote,

c)      die Lieferung und die Einfuhr von Brennstoffen, Schmiermitteln, Proviant und weiteren Gütern für die Versorgung von Schiffen, Schwimmkörpern und Luftfahrzeugen, die nach den Buchstaben a und b befreit sind. Für Schiffe und Schwimmkörper der Inlandshandelsflotte oder für anderen Inlandsgebrauch sowie für Fischereifahrzeuge, die in griechischen Inlandsgewässern fischen, ist die Befreiung auf Brennstoffe und Schmiermittel beschränkt,

d)      die Charterung von Schiffen und die Miete von Luftfahrzeugen, wenn sie der Vornahme von besteuerten Umsätzen oder befreiten Umsätzen mit Vorsteuerabzugsrecht dient. Befreit ist die Charterung oder Miete von Vergnügungs- oder Sportbooten oder Luftfahrzeugen. Die Charterung gewerblicher Boote für touristische Zwecke im Sinne des Gesetzes 438/1976 (FEK A’256) ist befreit, wenn sie bei ihren Fahrten auch ausländische Häfen anlaufen … Die Bestimmungen dieses Buchstabens, die Schiffe im Sinne des Gesetzes 438/1976 betreffen, gelten auch für die übrigen gewerblichen Schiffe; …“

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

4.        Die Firma Elmeka betreibt einen eigenen Tanker, mit dem sie Inlandstransporte von Erdölerzeugnissen für Rechnung verschiedener, im Handel mit Flüssigbrennstoff tätiger Befrachter-Lieferanten durchführt.

5.        Im Laufe der Steuerprüfung der Bücher und Unterlagen des Unternehmens für die Jahre 1994, 1995 und 1996 stellten die zuständigen nationalen Steuerbehörden fest, dass sich unter den Befrachter-Lieferanten die Gesellschaft Oceanic International Bunkering mit Sitz in Panama befand, deren Gesellschaftszweck der Handel mit Erdölerzeugnissen und Schmiermitteln ist. Die Behörden stellten weiters fest, dass die Firma Elmeka der vorgenannten Gesellschaft auf die jeweils für die Ladungen entrichteten Bruttofrachtgebühren für die Transporte von Erdölerzeugnissen zur Proviantierung von Schiffen im Inland keine Mehrwertsteuer ausgewiesen hat mit der Begründung, dass diese Geschäfte von der Mehrwertsteuer befreit seien.

6.        Mit Schreiben vom 21. Juni 1994 hatte die Klägerin an das Finanzamt Piräus-Schifffahrtssachen die Frage gerichtet, ob sie für die Versorgung mit Brennstoffen – aus den Raffinerien der Reede des Hafens von Piräus – von Schiffen, die Auslandsfahrten durchführen, gesetzlich dazu verpflichtet sei, die Mehrwertsteuer auf dem der Gesellschaft Oceanic International Bunkering ausgestellten Konnossement (Frachtbrief) auszuweisen, oder ob und – wenn ja – nach welchem Verfahren sie aufgrund des Gesetzes 1642/1986 davon befreit sei. Mit Schreiben vom 24. Juni 1994 antwortete die oben genannte Behörde, dass das betreffende Konnossement von der Mehrwertsteuer befreit sei.

7.        Mit der Begründung, dass infolge der Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung für die Transporteure von Erdölerzeugnissen mit Wirkung vom 1. Jänner 1993 die Dienstleistungen der Klägerin mehrwertsteuerpflichtig geworden seien, da sie im Inland stattfänden, erließ die zuständige Steuerbehörde in Bezug auf die streitigen Steuerjahre, d. h. vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 1994 (Rechtssache C‑183/04), vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 1995 (Rechtssache C‑182/04) und vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 1996 (Rechtssache C‑183/04) am 5. Juni 1997 Bescheide, durch die die Klägerin zur Bezahlung des Differenzsteuerbetrags, eines Steuerzuschlags für jedes der betroffenen Steuerjahre wegen der von ihr abgegebenen falschen Anmeldungen sowie zu einer Geldbuße verpflichtet wurde.

8.        Die Klägerin erhob gegen die streitigen Bescheide zuerst vor dem Dioikitiko Protodikeio (Verwaltungsgericht erster Instanz) Piräus eine Klage, die zurückgewiesen wurde. Sie legte gegen dieses Urteil Berufung vor dem Dioikitiko Efeteio (Verwaltungsgericht zweiter Instanz) Piräus ein, welches das erstinstanzliche Urteil für teilweise nichtig erklärte. Es vertrat dabei die grundsätzliche Ansicht, dass, wenn durch das Verhalten der Verwaltung, das seinen Ausdruck in positiven Handlungen gefunden habe, im Steuerpflichtigen ein über lange Zeit beständiges und nach allgemeiner Erfahrung gerechtfertigtes Vertrauen darauf entstanden sei, dass er der Mehrwertsteuer nicht unterliege, mit der Folge, dass er diese auf den Verbraucher nicht überwälzen müsse, die Festsetzung der Steuer für die Vergangenheit nicht zulässig sei, wenn dadurch die finanzielle Stabilität des betroffenen Unternehmens gefährdet sei. Die Klägerin habe jedoch die Gefahr ihres finanziellen Zusammenbruchs nicht dargelegt. Außerdem entschied der Dioikitiko Efeteio, dass die Mehrwertsteuerbefreiung nur auf Brennstofflieferungen, die unmittelbar durch den Lieferanten durchgeführt werden, anwendbar sei, nicht jedoch auf den Transport auf Rechnung des Lieferanten durch Transporteure wie die Klägerin. Folglich entschied der Dioikitiko Efeteio, dass die Klägerin zu Recht die Hauptsumme der Steuerschuld schuldig sei, nicht aber den Steuerzuschlag und die Geldbuße, weil die Klägerin ausschließlich den Anweisungen der Steuerbehörden gefolgt sei.

9.        Gegen dieses Urteil leitete die Klägerin ein Rechtmittelverfahren vor dem Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat) ein. Im Rahmen dieses Verfahrens ersucht der Symvoulio tis Epikrateias den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Beschluss vom 3. März 2004, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 19. April 2004, um Vorabentscheidung über folgende Fragen:

1.      Betrifft Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), auf den Artikel 15 Nummer 5 dieser Richtlinie verweist, die Vercharterung sowohl von Hochseeschiffen, die im entgeltlichen Passagierverkehr eingesetzt sind, als auch von Schiffen, die zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind, oder betrifft er nur die Vercharterung von Hochseeschiffen, sodass im letzten Fall die Regelung des Artikels 22 Absatz 1 Buchstabe d des Gesetzes 1642/1986 hinsichtlich der Kategorie von Schiffen, die die Vercharterung betrifft, weiter ist als diejenige der Richtlinie?

2.      Setzt die Steuerbefreiung nach Artikel 15 Nummer 8 der Sechsten Richtlinie voraus, dass die Dienstleistung dem Reeder selbst erbracht wird, oder wird die Befreiung auch einem Unternehmen gewährt, das diese einem Dritten erbringt, unter der alleinigen Voraussetzung, dass sie für den unmittelbaren Bedarf der in Artikel 15 Nummer 5 angeführten Schiffe, d. h. den in Artikel 15 Nummer 4 Buchstaben a und b genannten Schiffen, bestimmt ist?

3.      Ist nach den Vorschriften und Grundsätzen der Gemeinschaft über die Mehrwertsteuer die Steuerfestsetzung für die Vergangenheit zulässig – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen –, wenn der Steuerpflichtige sie während dieser Zeit nicht auf seinen Geschäftspartner überwälzt hat und ihre nicht erfolgte Abführung an die öffentliche Hand auf das Vertrauen des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist, nicht zur Überwälzung der Steuer verpflichtet zu sein, wobei dieses Vertrauen durch das Verhalten der Steuerverwaltung hervorgerufen wurde?

IV – Zur ersten Vorlagefrage

10.      Um festzustellen, ob die fraglichen Frachtgebühren für Brennstofftransporte unter die in den Nummern 5 oder 8 des Artikels 15 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen fallen, möchte das vorlegende Gericht zunächst mit seiner ersten Vorlagefrage im Wesentlichen wissen, ob sich das in der Nummer 4 Buchstabe a des Artikels 15 der Sechsten Richtlinie – auf die die beiden vorgenannten Nummern verweisen – angeführte Kriterium des Einsatzes „auf hoher See“ nur auf jene Schiffe bezieht, die im entgeltlichen Passagierverkehr eingesetzt werden, oder auch auf die in dieser Bestimmung genannten Schiffe, die zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt werden.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

11.      Die Kommission ist der Auffassung, dass die Bestimmungen von Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie Schiffe nur insofern betreffen würden, als diese auf hoher See zum entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung der Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt würden. Die Kriterien seien somit auf alle betroffenen Schiffe kumulativ anzuwenden.

12.      Die griechische Regierung teilt diese Auffassung.

13.      Die italienische Regierung ist hingegen der Ansicht, dass die Bestimmungen von Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie so ausgelegt werden müssten, dass die Befreiung einerseits Schiffe, die auf hoher See zum entgeltlichen Passagierverkehr eingesetzt werden und andererseits Schiffe, die zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei verwendet werden, betrifft.

B –    Würdigung

14.      Wie die Kommission in ihrer Stellungnahme dargelegt hat, weist zwar eine Mehrheit der Sprachfassungen des Artikels 15 Nummer 4 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie darauf hin, dass nach dieser Bestimmung nur jene Schiffe unter die Steuerbefreiung fallen, die sowohl auf hoher See als auch im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt werden. Einige Sprachfassungen lassen aber u. a. auch die Auslegung zu, dass lediglich die im Passagierverkehr tätigen Schiffe auch auf hoher See eingesetzt werden müssen, um von dieser Steuerbefreiung erfasst zu sein, sodass der Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen bzw. die Auslegung nach dem Wortlaut zu keinem eindeutigen Ergebnis führt.

15.      Der Zusammenhang und der Zweck der fraglichen Bestimmung(3) sprechen jedoch dafür, dass sich das Kriterium des Einsatzes auf hoher See auf alle in dieser Bestimmung genannten Arten von Schiffen bezieht.

16.      Zum Ersten ist nämlich darauf hinzuweisen, dass in Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie eigens eine Steuerbefreiung für Schiffe, die zur Küstenfischerei eingesetzt werden, vorgesehen ist. Wie die griechische Regierung zutreffend ausgeführt hat, wäre diese Bestimmung überflüssig, wenn sich das Kriterium des Einsatzes „auf hoher See“ ausschließlich auf Passagierverkehrsschiffe bezöge und somit alle Schiffe, die zur Fischerei eingesetzt werden, schon aufgrund von Artikel 15 Absatz 4 Buchstabe a von der Mehrwertsteuer befreit wären.

17.      Zum Zweiten wird diese Auslegung aber auch durch Ziel und Zweck der streitigen Steuerbefreiung bestätigt. Aus dem Titel von Artikel 15 („Steuerbefreiungen bei Ausfuhrumsätzen, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen“) wird nämlich ersichtlich, dass die Vorschriften von Artikel 15 der Sechsten Richtlinie allgemein darauf abzielen, Lieferungen und Dienstleistungen an Seeschiffe und Luftfahrzeuge, die im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden, von der Mehrwertsteuer zu befreien(4).

18.      Bezöge man das Kriterium des Einsatzes „auf hoher See“ lediglich auf Passagierverkehrsschiffe, so wäre daneben ohne dieses Kriterium eine Vielzahl von Schiffen von der Befreiung erfasst, die niemals das Staatsgebiet verlassen, und zwar beispielsweise sowohl Schiffe, die zwar auf dem Meer, aber nur für Zwecke der Küstenschifffahrt oder zur Fischerei in der Wirtschaftszone des betreffenden Mitgliedstaats eingesetzt werden, als auch Schiffe, die ausschließlich im nationalen Verkehr zu gewerblichen Zwecken oder zur Fischerei auf Binnengewässern oder Flüssen eingesetzt werden.

19.      Eine Auslegung, wonach nicht nur auf hoher See eingesetzte Schiffe von Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe a erfasst wären, entspräche im Übrigen meines Erachtens auch nicht der ständigen Rechtsprechung, wonach Mehrwertsteuerbefreiungen eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt(5).

20.      Nach alledem schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie, auf den Artikel 15 Nummer 5 dieser Richtlinie verweist, nur auf hoher See eingesetzte Schiffe umfasst, die im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei verwendet werden.

21.      Abschließend sei noch angemerkt, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, im Lichte dieser Antwort zu prüfen, ob die Regelung im griechischen Recht hinsichtlich der Kategorie von Schiffen, die die Vercharterung betrifft, den Anforderungen der Sechsten Richtlinie entspricht.

V –    Zur zweiten Vorlagefrage

22.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die in Artikel 15 Nummer 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung voraussetzt, dass die Dienstleistung dem Reeder eines entsprechenden Hochseeschiffes selbst erbracht wird, oder ob die Dienstleistung auch einem Dritten erbracht werden kann, sofern die Dienstleistung letztlich für den unmittelbaren Bedarf dieses Schiffes bestimmt ist.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

23.      Die Kommission, wie auch die griechische und die italienische Regierung, sind der Ansicht, dass die Dienstleistung dem Reeder selbst erbracht werden muss, um nach Artikel 15 Nummer 8 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit zu sein.

B –    Würdigung

24.      Zunächst ist der im vorliegenden Fall relevante Umsatz in Erinnerung zu rufen, nämlich die Durchführung des Transportes von Brennstoffen zur Versorgung von Schiffen durch Elmeka für den Befrachter-Lieferanten Oceanic International Bunkering, der den Brennstoff an die Reeder der betreffenden Schiffe verkauft. Folglich erbringt Elmeka seine Dienstleistung nicht unmittelbar für Letztere, sondern für den Befrachter-Lieferanten, der den Brennstoff im Rahmen einer mehrwertsteuerbefreiten Lieferung an die Reeder gemäß Artikel 15 Absatz 4 Buchstabe a liefert, sofern alle Bedingungen für eine solche Befreiung erfüllt sind.

25.      Wie die Beteiligten an diesem Verfahren ausgeführt haben, hat der Gerichtshof in der Rechtssache Velker entschieden, dass die in Artikel 15 Nummer 4 vorgesehene Steuerbefreiung für Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen so zu verstehen ist, dass sie nur für Lieferungen von Gegenständen an einen Betreiber von Schiffen gelten kann, der diese Gegenstände zur Versorgung der Schiffe verwendet, und sich deshalb nicht auf Lieferungen von Gegenständen erstrecken kann, die auf einer vorhergehenden Handelsstufe erfolgen(6).

26.      In der dortigen Urteilsbegründung hat der Gerichtshof zunächst auf die insbesondere in Bezug auf Steuerbefreiungen, die eine Ausnahme von der Regel der Steuerpflichtigkeit „im Inland“ darstellen, gebotene enge Auslegung verwiesen(7). Er hat außerdem festgestellt, dass die in Artikel 15 Nummer 4 aufgeführten Umsätze deshalb von der Mehrwertsteuer befreit sind, weil sie Ausfuhrumsätzen gleichgestellt sind, in Bezug auf die die in Artikel 15 Nummer 1 vorgesehene Steuerbefreiung nur für endgültige Lieferungen ausgeführter Gegenstände durch den Verkäufer oder auf dessen Rechnung gilt(8).

27.      Schließlich ist auf folgende Erwägungen des Gerichtshofes in diesem Urteil zu verweisen: „Die Erstreckung der Steuerbefreiung auf die der endgültigen Lieferung der Gegenstände an den Betreiber der Schiffe vorausgehenden Handelsstufen würde von den Mitgliedstaaten verlangen, dass sie Kontroll- und Überwachungsmechanismen einführten, um sich der endgültigen Bestimmung der unter Steuerbefreiung gelieferten Gegenstände zu vergewissern. Diese Mechanismen würden keineswegs zu einer verwaltungsmäßigen Vereinfachung führen, sondern für die Mitgliedstaaten und für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Zwänge schaffen, die mit einer ‚korrekten und einfachen Anwendung der ... Befreiungen‘ im Sinne von Artikel 15 Satz 1 der Sechsten Richtlinie unvereinbar wären.“(9)

28.      Meines Erachtens sind die diesem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen auch auf die Befreiung für Dienstleistungen im Sinne von Artikel 15 Nummer 8 übertragbar. Es ist auch nicht ersichtlich, warum im vorliegenden Fall hinsichtlich der Anwendung von Mehrwertsteuerbefreiungen zwischen der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen – jeweils an Hochseeschiffe – unterschieden werden sollte.

29.      Ich bin daher im Lichte des Urteils Velker der Auffassung, dass analog zum in Artikel 15 Nummer 4 geregelten Fall der Lieferung von Gegenständen zur Versorgung von Hochseeschiffen auch Dienstleistungen, die für den unmittelbaren Bedarf eines entsprechenden Hochseeschiffes bestimmt sind, dem Reeder dieses Schiffes erbracht werden müssen, um unter die Steuerbefreiung gemäß Artikel 15 Nummer 8 zu fallen.

30.      Nach alledem schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Steuerbefreiung nach Artikel 15 Nummer 8 der Sechsten Richtlinie voraussetzt, dass die Dienstleistung dem Reeder selbst erbracht wird.

VI – Zur dritten Vorlagefrage

31.      Die dritte Vorlagefrage geht im Wesentlichen dahin, inwiefern die Vorschriften und Grundsätze der Gemeinschaft im Mehrwertsteuerrecht, insbesondere die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, einer Steuerfestsetzung für die Vergangenheit unter Berücksichtigung der Umstände des Ausgangsverfahrens entgegenstehen.

A –    Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

32.      Die Kommission führt dazu aus, dass die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten sowie die einschlägige Rechtsprechung zum Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit im Rahmen der Mehrwertsteuer im vorliegenden Fall für eine Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zum Schutz des Steuerpflichtigen sprechen. In der mündlichen Verhandlung fügte die Kommission jedoch hinzu, dass der von der griechischen Regierung erst in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Vorabentscheidungsersuchen dargelegte Umstand, dass die Auskunft über die Steuerfreiheit an Elmeka nicht von der zuständigen Behörde erteilt wurde, eventuell zu einer anderen Beurteilung führen könne.

33.      Die griechische Regierung geht davon aus, dass die Anwendbarkeit des Vertrauensschutzes auf der Grundlage einer Abwägung zwischen dem Vorhandensein eines schutzwürdigen Vertrauens einerseits und dem Legalitätsprinzip andererseits zu beurteilen sei. Die gemeinschaftsrechtlichen Mehrwertsteuerregelungen stünden der rückwirkenden Eintreibung der Mehrwertsteuer im vorliegenden Fall nicht entgegen, weil das vorgebrachte Vertrauen des Steuerpflichtigen u. a. darauf zurückzuführen sei, dass auf Anfrage der Klägerin eine Steuerbehörde, die gesetzlich für die Beantwortung dieser Anfrage nicht zuständig gewesen sei, die fragliche Auskunft erteilt habe.

34.      Die italienische Regierung bringt vor, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere des Urteils Gemeente Leusden(10), die Abwägung zwischen den Grundsätzen der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz einerseits und der Notwendigkeit andererseits, die gemeinschaftsrechtlichen Mehrwertsteuerregelungen zu befolgen, dazu führen müsse, dass der Mitgliedstaat zwar die Mehrwertsteuer selbst, aber keine Buße oder Zinsen einfordern dürfe.

B –    Würdigung

35.      Einleitend ist daran zu erinnern, dass die Durchführung von Gemeinschaftsregelungen grundsätzlich nach den formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts erfolgt, dies jedoch vorbehaltlich der durch das Gemeinschaftsrecht einschließlich der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gezogenen Grenzen(11).

36.      Dies gilt auch für die Festsetzung und Einhebung der Mehrwertsteuer durch die nationalen Behörden. Die Sechste Richtlinie regelt eine nachträgliche Steuerfestsetzung, wie sie den Gegenstand des vorliegenden Falles bildet, als solche nicht. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob bzw. inwiefern eine solche Steuerfestsetzung insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass durch eine Auskunft der Steuerverwaltung ein Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Steuerfreiheit seines Umsatzes hervorgerufen wurde, zulässig ist.

37.      Dazu ist zunächst festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Grundsatz des Vertrauensschutzes Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist und deshalb sowohl von den Gemeinschaftsorganen als auch von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Gemeinschaftsregelungen – bzw. von jeder innerstaatlich mit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts betrauten Behörde – beachtet werden muss(12).

38.      Daraus hat der Gerichtshof zum einen abgeleitet, dass es als zulässig anzusehen ist, wenn nationales Recht etwa in einem Bereich wie dem der Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Gemeinschaftsbeihilfen berechtigtes Vertrauen und Rechtssicherheit schützt. Die nationalen Regelungen dürfen allerdings nicht darauf hinauslaufen, dass die Verwirklichung der Gemeinschaftsregelung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird, und das nationale Recht muss ohne Diskriminierung im Vergleich zu den Verfahren, in denen über gleichartige, rein nationale Streitigkeiten entschieden wird, angewandt werden. Außerdem muss das Interesse der Gemeinschaft in vollem Umfang berücksichtigt werden(13).

39.      Zum anderen hat der Gerichtshof aber nationale Maßnahmen, insbesondere auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer erlassene nationale Regelungen, in einer Reihe von Urteilen auch direkt an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes sowie der Rechtssicherheit gemessen(14).

40.      So hat er beispielsweise festgestellt, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft, nachdem sie einmal zuerkannt worden ist, außer in Betrugs- oder Missbrauchsfällen nicht mehr rückwirkend aberkannt werden kann, ohne dass gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen wird, da dem Steuerpflichtigen sonst rückwirkend das Recht genommen würde, den Vorsteuerabzug hinsichtlich der von ihm getätigten Investitionsausgaben vorzunehmen(15).

41.      In diesen Rechtssachen ging es jedoch um die Frage, ob nationale Rechtsvorschriften bzw. deren Änderung einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand begründen können(16). Im vorliegenden Fall stellt sich aber die Frage, ob und inwiefern eine falsche Auskunft der Steuerverwaltung einen solchen Vertrauenstatbestand begründen kann.

42.      Meines Erachtens spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass auch ein Verwaltungshandeln ein gemeinschaftsrechtlich zu schützendes Vertrauen begründen kann, weil der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, wie ich bereits ausgeführt habe(17), von jeder mit der Durchführung von Gemeinschaftsrecht betrauten Behörde zu beachten ist. Auch hat der Gerichtshof, wie ich ebenfalls schon festgestellt habe(18), aufgrund der Anwendbarkeit des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes in Bezug auf zu Unrecht gezahlte Beihilfen die prinzipielle Zulässigkeit nationaler Regelungen des Vertrauensschutzes bejaht. Der möglicherweise vertrauensbegründende Tatbestand wird in Beihilfefällen auch typischerweise durch staatliches Verwaltungshandeln gesetzt.

43.      Andererseits hat der Gerichtshof in einer Reihe von Urteilen, die sich ebenfalls auf Irrtümer oder Fehler innerstaatlicher Stellen bzw. Behörden bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht bezogen, festgestellt, dass „eine gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Praxis eines Mitgliedstaats bei einem Wirtschaftsteilnehmer, dem die so geschaffene Lage zugute kommt, kein berechtigtes Vertrauen begründen kann“(19).

44.      Ich bin allerdings der Auffassung, dass auch aus dieser Rechtsprechung nicht abzuleiten ist, dass in einem Fall wie dem vorliegenden kein zu schützendes Vertrauen vorliegen kann.

45.      Dieser Rechtsprechung liegt nämlich eher der Gedanke zugrunde, dass eine mitgliedstaatliche Praxis, die „gegen eine klare gemeinschaftsrechtliche Bestimmung“ verstößt(20), nicht über den Grundsatz des Vertrauensschutzes letztlich zu einer Nichtdurchführung der fraglichen Gemeinschaftsregelung führen darf. Zu berücksichtigen ist hier auch die allgemeine Interessenlage in Bereichen wie dem der Beihilfen oder der Ausfuhrerstattung bzw. der Eigenmittel der Gemeinschaft, in denen die Mitgliedstaaten bisweilen kein natürliches Eigeninteresse an der korrekten Anwendung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften haben. Vor diesem Hintergrund soll mit einer strengen Handhabung des Vertrauensgrundsatzes verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten durch ihr eigenes gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten die vollständige Anwendung des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer im Ergebnis vereiteln können.

46.      Etwas anders scheint mir die Situation bezüglich der Einhebung der Mehrwertsteuer zu beurteilen zu sein, die primär im Interesse der Mitgliedstaaten erfolgt. Hier dürfte die Gefahr in weit geringerem Maße gegeben sein, dass ein Mitgliedstaat zugunsten eines Wirtschaftsteilnehmers und zu Lasten der Gemeinschaft durch seine eigene gemeinschaftswidrige Praxis die vollständige Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang rückt vielmehr die Frage des Rechtsschutzes des Wirtschaftsteilnehmers gegenüber dem Verwaltungshandeln des Mitgliedstaats bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in den Vordergrund und es ist nicht einsichtig, warum sich ein Wirtschaftsteilnehmer nicht auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes gegenüber den Behörden des Mitgliedstaats berufen können soll.

47.      Demnach bin ich der Auffassung, dass die Sechste Richtlinie, ausgelegt im Lichte des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, einer Steuerfestsetzung für die Vergangenheit grundsätzlich durchaus entgegenstehen kann, wenn durch eine unrichtige Antwort der nationalen Steuerverwaltung ein berechtigtes Vertrauen des Steuerpflichtigen begründet worden ist.

48.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Grundsatz des Vertrauensschutzes ist dafür allerdings Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige hinsichtlich der Steuerfreiheit in gutem Glauben war(21).

49.      Im vorliegenden Fall sind meines Erachtens diesbezüglich zwei Aspekte von besonderer Bedeutung, nämlich zum einen die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Steuerauskunft und zum anderen die Tauglichkeit der Verwaltungshandlung an sich, den guten Glauben des Steuerpflichtigen bezüglich der Steuerfreiheit seines Umsatzes zu begründen.

50.      Zur Frage der Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Steuerauskunft ist anzumerken, dass der Gerichtshof zwar im Beihilfenrecht in Bezug auf den Vertrauensschutz insofern hohe Anforderungen an den jeweiligen Wirtschaftsteilnehmer stellt, als dieser nur dann auf die Rechtmäßigkeit der ihm gewährten Beihilfe vertrauen darf, wenn die Beihilfe unter Einhaltung des in Artikel 88 EG vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde. Der Gerichtshof geht hier von einem „sorgfältigen Gewerbetreibenden“ aus, dem es „regelmäßig möglich“ sei, „sich zu vergewissern, dass das Verfahren eingehalten wurde“(22). Allerdings bezieht sich der Gerichtshof hierbei auf einen Aspekt des Beihilfeverfahrens, der noch relativ nachvollziehbar ist, während es im vorliegenden Fall um die Rechtmäßigkeit der Steuerbefreiung geht, also um einen materiellen Aspekt, in Bezug auf dessen Richtigkeit sich das betreffende Unternehmen letztlich kaum „vergewissern“ kann(23).

51.      In diesem Zusammenhang ist außerdem anzumerken, dass die streitige Steuerbefreiung, wie in der Beantwortung der beiden ersten Vorlagefragen deutlich wird, grundsätzlich mehrere Auslegungen zulässt und die entsprechenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie daher meines Erachtens nicht so „klar“ sind, dass der Steuerpflichtige im vorliegenden Fall auf die inhaltliche Richtigkeit der Auskunft der Steuerverwaltung nicht hätte gutgläubig vertrauen dürfen.

52.      Was sodann die konkrete Tauglichkeit der Verwaltungshandlung als solcher betrifft, den guten Glauben des Steuerpflichtigen bezüglich der Steuerfreiheit seines Umsatzes zu begründen, so obliegt es dem nationalen Gericht zu prüfen, ob der gute Glaube des Steuerpflichtigen nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles bejaht werden kann(24).

53.      Der von der griechischen Regierung in der mündlichen Verhandlung genannte Umstand, dass die Auskunft von einer unzuständigen Stelle im Rahmen der Steuerverwaltung erfolgt sei, könnte dabei nur insofern gegen den guten Glauben des Steuerpflichtigen sprechen, als diese Unzuständigkeit für einen durchschnittlich sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer erkennbar sein müsste, was vom nationalen Gericht zu beurteilen wäre. Ein Behördenirrtum bezüglich der internen Zuständigkeitsverteilung kann nämlich meines Erachtens nicht ohne weiteres zu Lasten des Wirtschaftsteilnehmers gehen.

54.      Im Übrigen würde auch eine rasche Richtigstellung des Irrtums bzw. Klarstellung der Unzuständigkeit der auskunftgebenden Stelle seitens der Steuerverwaltung gegen den guten Glauben des Steuerpflichtigen sprechen.

55.      Nach alledem schlage ich daher vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass die Sechste Richtlinie, ausgelegt im Lichte des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, einer Steuerfestsetzung für die Vergangenheit entgegensteht, wenn durch eine Auskunft der nationalen Steuerverwaltung ein berechtigtes Vertrauen in die Steuerfreiheit eines Umsatzes wie dem, um den es im Ausgangsverfahren geht, begründet worden ist. Es obliegt dem nationalen Gericht, anhand der konkreten Umstände des Ausgangsfalles festzustellen, ob ein solches berechtigtes Vertrauen vorliegt, was voraussetzt, dass der Steuerpflichtige in gutem Glauben gehandelt hat. Der gute Glaube des Steuerpflichtigen kann dabei durch die Unzuständigkeit der Stelle in der Steuerverwaltung, die die fragliche unrichtige Auskunft erteilt hat, nur insoweit in Frage gestellt werden, als diese Unzuständigkeit nach Dafürhalten des nationalen Gerichts für einen durchschnittlich sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer erkennbar hätte sein müssen. Der gute Glaube des Steuerpflichtigen kann des Weiteren auch aufgrund von Umständen wie einer raschen Richtigstellung des Irrtums bzw. Klarstellung der Unzuständigkeit der auskunftgebenden Stelle seitens der Steuerverwaltung zu verneinen sein.

VII – Kostenentscheidung

56.      Die Auslagen der griechischen und der italienischen Regierung sowie der Kommission sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenerstattung ist daher Sache dieses Gerichts.

VIII – Ergebnis

57.      Nach alledem schlage ich vor, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

1.         Artikel 15 Nummer 4 Buchstabe a der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG des Rates, auf den Artikel 15 Nummer 5 dieser Richtlinie verweist, umfasst nur auf hoher See eingesetzte Schiffe, die im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei verwendet werden.

2.         Die Steuerbefreiung nach Artikel 15 Nummer 8 der Sechsten Richtlinie setzt voraus, dass die Dienstleistung dem Reeder selbst erbracht wird.

3.         Die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie, ausgelegt im Lichte des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, steht einer Steuerfestsetzung für die Vergangenheit entgegen, wenn durch eine Auskunft der nationalen Steuerverwaltung ein berechtigtes Vertrauen in die Steuerfreiheit eines Umsatzes wie dem, um den es im Ausgangsverfahren geht, begründet worden ist. Es obliegt dem nationalen Gericht, anhand der konkreten Umstände des Ausgangsfalles festzustellen, ob ein solches berechtigtes Vertrauen vorliegt, was voraussetzt, dass der Steuerpflichtige in gutem Glauben gehandelt hat. Der gute Glaube des Steuerpflichtigen kann dabei durch die Unzuständigkeit der Stelle in der Steuerverwaltung, die die fragliche unrichtige Auskunft erteilt hat, nur insoweit in Frage gestellt werden, als diese Unzuständigkeit nach Dafürhalten des nationalen Gerichts für einen durchschnittlich sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer erkennbar hätte sein müssen. Der gute Glaube des Steuerpflichtigen kann des Weiteren auch aufgrund von Umständen wie einer raschen Richtigstellung des Irrtums bzw. Klarstellung der Unzuständigkeit der auskunftgebenden Stelle seitens der Steuerverwaltung zu verneinen sein.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).


3 – Vgl. die Urteile vom 24. Februar 2000 in der Rechtssache C‑434/97 (Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I‑1129, Randnr. 22) und vom 27. März 1990 in der Rechtssache 372/88 (Cricket St. Thomas, Slg. 1990, I‑1345, Randnr. 19).


4 – Die Kommission hat dies in einem späteren Vorschlag für eine genauere gemeinschaftsrechtliche Regelung der Mehrwertsteuer auf den Bordbedarf von Luft- und Wasserfahrzeugen sowie Zügen im grenzüberschreitenden Verkehr bestätigt: Siehe den Vorschlag vom 23. Jänner 1980 für eine Richtlinie des Rates betreffend die gemeinschaftsrechtliche Regelung der Mehrwertsteuer und der Verbrauchersteuern auf den Bordbedarf von Luft- und Wasserfahrzeugen sowie Zügen im grenzüberschreitenden Verkehr (ABl. C 31, S. 10). Die Begründung des Vorschlags besagt, dass die Sechste Richtlinie „in Artikel 15 Vorschriften [enthält], nach denen unter gewissen Vorraussetzungen Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Seeschiffen und von Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr von der Steuer befreit werden sollen“.


5 – Urteile vom 20. November 2003 in der Rechtssache C‑212/01 (Unterpertinger, Slg. 2003, I‑13859, Randnr. 34), vom 10. September 2002 in der Rechtssache C‑141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler, Slg. 2002, I‑6833, Randnr. 28), vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C‑2/95 (Sparekassernes Datacenter, Slg. 1997, I‑3017, Randnr. 20) und vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87 (Stichting Uitvoering Financiële Acties, Slg. 1989, 1737, Randnr. 13).


6 – Urteil vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C‑185/89 (Velker, Slg. 1990, I‑2561, Randnrn. 22 und 30).


7 – Siehe Randnrn. 19 und 20 des Urteils.


8 – Siehe Randnrn. 21 und 22 des Urteils.


9 – Siehe Randnr. 24 des Urteils.


10 – Urteil vom 29. April 2004 in den verbundenen Rechtssachen C‑487/01 und C‑7/02 (Gemeente Leusden und Holin Groep, Slg. 2004, I‑5337).


11 – Urteile vom 9. Oktober 2001 in den verbundenen Rechtssachen C‑80/99, C‑81/99 und C‑82/99 (Flemmer u. a., Slg. 2001, I‑7211, Randnr. 55) und vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82 (Deutsche Milchkontor GmbH u. a., Slg. 1983, 2633, Randnr. 17).


12 – Unter anderem in diesem Sinne die Urteile vom 26. April 1988 in der Rechtssache 316/86 (Krücken, Slg. 1988, 2213, Randnr. 22), vom 1. April 1993 in den verbundenen Rechtssachen C‑31/91 bis C‑44/91 (Lageder u. a., Slg. 1993, I‑1761, Randnr. 33), vom 3. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑381/97 (Belgocodex, Slg. 1998, I‑8153, Randnr. 26) und vom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C‑396/98 (Schlossstraße, Slg. 2000, I‑4279, Randnr. 44).


13 – Siehe u. a. die Urteile vom 20. März 1997 in der Rechtssache C‑24/95 (Alcan, Slg. 1997, I‑1591, Randnrn. 24 und 25) sowie in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82 (zitiert in Fußnote 11), Randnrn. 30 bis 32.


14 – Siehe u. a. die Urteile vom 26. April 2005 in der Rechtssache C‑376/02 (Stichting „Goed Wonen“, Slg. 2005, I‑0000, Randnr. 34), in den Rechtssachen C‑487/01 und C‑7/02 (zitiert in Fußnote 10), Randnr. 69, in der Rechtssache C‑396/98 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 44, und in der Rechtssache C‑381/97 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 26.


15 – Urteil vom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C‑400/98 (Breitsohl, Slg. 2000, I‑4321, Randnrn. 34 bis 38).


16 – Vgl. das Urteil in der Rechtssache C‑396/98 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 45.


17 – Siehe oben, Nr. 37.


18 – Siehe oben, Nr. 38.


19 – Siehe die Urteile in den verbundenen Rechtssachen C‑31/91 bis C‑44/91 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 34, vom 16. November 1983 in der Rechtssache 188/82 (Thyssen, Slg. 1983, 3721) und vom 15. Dezember 1982 in der Rechtssache 5/82 (Maizena, Slg. 1982, 4601, Randnr. 22).


20 – Siehe ausdrücklich die Urteile in den verbundenen Rechtssachen C‑31/91 bis C‑44/91 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 35, und in der Rechtssache 316/86 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 24.


21 – Vgl. u. a. die Urteile vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C‑298/96 (Ölmühle Hamburg, Slg. 1998, I‑4767, Randnr. 29) und vom 19. September 2002 in der Rechtssache C‑336/00 (Huber, Slg. 2002, I‑7699, Randnr. 59).


22 – Siehe u. a. die Urteile vom 11. November 2004 in den verbundenen Rechtssachen C‑183/02 P und C‑187/02 P (Daewoo Electronics und Territorio Histórico de Álava/Kommission, Slg. 2004, I‑10609, Randnr. 44), vom 20. September 1990 in der Rechtssache C‑5/89 (Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I‑3437, Randnr. 14) und in der Rechtssache C‑24/95 (zitiert in Fußnote 13), Randnr. 25.


23 – Der Gerichtshof scheint auch nicht einen einheitlich strengen Sorgfaltsmaßstab anzuwenden, sondern auf die konkrete Art des Unternehmens abzustellen, etwa auf den „durchschnittlich sorgfältigen Landwirt“: siehe beispielsweise das Urteil in der Rechtssache C‑336/00 (zitiert in Fußnote 21), Randnr. 58, letzter Spiegelstrich; vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Alber vom 14. März 2002 in dieser Rechtssache, Nr. 119, wonach „bei einem Landwirt nicht dieselben Ansprüche an seine Pflicht zur eigenständigen Information gestellt werden können wie bei großen Wirtschaftsunternehmen im Rahmen des Wettbewerbsrechts“.


24 – Vgl. z. B. das Urteil in der Rechtssache C‑381/97 (zitiert in Fußnote 12), Randnr. 26.