Language of document : ECLI:EU:C:2014:2209

Rechtssache C‑291/13

Sotiris Papasavvas

gegen

O Fileleftheros Dimosia Etaireia Ltd u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des Eparchiako Dikastirio Lefkosias)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2000/31/EG – Anwendungsbereich – Verleumdungsklage“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 11. September 2014

1.        Rechtsangleichung – Elektronischer Geschäftsverkehr – Richtlinie 2000/31 – Dienste der Informationsgesellschaft – Begriff

(Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Abs. a)

2.        Rechtsangleichung – Elektronischer Geschäftsverkehr – Richtlinie 2000/31 – Bestimmungen über den Binnenmarkt – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, über die Anwendung des nationalen Rechts auf die von einem in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbrachte Dienste der Informationsgesellschaft zu wachen – Unterwerfung der Dienste unter die nationale Regelung zivilrechtlicher Verantwortlichkeit wegen Verleumdung – Zulässigkeit

(Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. h und 3 Abs. 1)

3.        Rechtsangleichung – Elektronischer Geschäftsverkehr – Richtlinie 2000/31 –Verantwortlichkeit der Vermittler – Ausnahmen für die Durchleitung, die Speicherung und das Hosting – Veröffentlichung einer Zeitung durch eine Presseverlagsgesellschaft auf deren Website – Gesellschaft, die von den veröffentlichten Informationen Kenntnis hat und eine Kontrolle über sie ausübt – Unanwendbarkeit der Ausnahmen

(Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 12 bis 14)

4.        Rechtsangleichung – Elektronischer Geschäftsverkehr – Richtlinie 2000/31 –Verantwortlichkeit der Vermittler – Ausnahmen für die Durchleitung, die Speicherung und das Hosting – Geltendmachung – Grenzen

(Richtlinie 2000/31 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. b und 12 bis 14)

1.        Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmung Online-Informationsdienste umfasst, für die der Anbieter nicht vom Nutzer, sondern durch die Einnahmen aus der auf einer Website verbreiteten Werbung vergütet wird.

(vgl. Rn. 30, Tenor 1)

2.        Die Richtlinie 2000/31 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt verbietet es einem Mitgliedstaat nicht, eine Regelung zivilrechtlicher Verantwortlichkeit wegen Verleumdung zu erlassen, die für in seinem Hoheitsgebiet niedergelassene Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft gilt, da Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat dafür Sorge trägt, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen. Zu diesem Bereich gehört nach Art. 2 Buchst. h der Richtlinie u. a. die Regelung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Diensteanbieters.

(vgl. Rn. 32, 33, Tenor 2)

3.        Die in den Art. 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt vorgesehenen Beschränkungen der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit erfassen nicht den Fall einer Presseverlagsgesellschaft, die über eine Website verfügt, auf der die elektronische Fassung einer Zeitung veröffentlicht wird, und die durch die Einnahmen aus der auf dieser Website verbreiteten kommerziellen Werbung vergütet wird, da sie von den veröffentlichten Informationen Kenntnis hat und eine Kontrolle über sie ausübt; dies gilt unabhängig davon, ob der Zugang zu dieser Website unentgeltlich oder kostenpflichtig ist. Denn eine solche Gesellschaft kann nicht als Vermittler im Sinne der Art. 12 bis 14 der Richtlinie angesehen werden.

(vgl. Rn. 45, 46, Tenor 3)

4.        Da der Begriff des Diensteanbieters in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt definiert ist als jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet, können die in den Art. 12 bis 14 der Richtlinie vorgesehenen Beschränkungen der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privaten wegen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit für eine Verleumdung Anwendung finden, sofern die in diesen Artikeln genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Insoweit ermöglichen es die Art. 12 bis 14 der Richtlinie dem Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft nicht, die Erhebung einer Klage wegen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit gegen ihn und damit den Erlass einstweiliger Anordnungen durch ein nationales Gericht zu verhindern. Die in diesen Artikeln vorgesehenen Beschränkungen der Verantwortlichkeit können vom Diensteanbieter gemäß den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie oder in Ermangelung dessen für die Zwecke einer richtlinienkonformen Auslegung dieses Rechts geltend gemacht werden. Dagegen kann die Richtlinie 2000/31 im Rahmen eines Rechtsstreits wie dem des Ausgangsverfahrens nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.

(vgl. Rn. 49, 50, 57, Tenor 4, 5)