Language of document : ECLI:EU:C:2012:722

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 15. November 2012(1)

Rechtssache C‑561/11

Fédération Cynologique Internationale

gegen

Federación Canina Internacional de Perros de Pura Raza

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Mercantil n° 1 als Juzgado de Marca Comunitaria n° 1 [Spanien])

„Gemeinschaftsmarke – Verletzung – Begriff ‚Dritter‘“





1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen hat der Juzgado de lo Mercantil n. 1 de Alicante dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke(2) vorgelegt.

2.        Die Frage, zu deren Klärung der Gerichtshof aufgerufen ist, betrifft die Auslegung des Begriffs „Dritte“, gegen die nach geltendem Recht der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke eine Klage wegen deren Verletzung erheben kann. Insbesondere wird zu klären sein, ob dieser in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Begriff auch den Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke umfasst und ob in diesem Fall der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke, um Verletzungsklage gegen den Inhaber der jüngeren Gemeinschaftsmarke erheben zu können, zunächst beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) die Erklärung der Nichtigkeit der jüngeren Gemeinschaftsmarke beantragen muss.

3.        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Problem, das den Hintergrund der in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Frage bildet und, wie im Folgenden näher ausgeführt, Gegenstand einer intensiven Diskussion in der spanischen Lehre und Rechtsprechung ist, nicht ganz neu ist. Der Gerichtshof hat sich nämlich jüngst auf ein Vorabentscheidungsersuchen desselben Gerichts wie im vorliegenden Fall zu einer entsprechenden Frage geäußert, die die Auslegung der Verordnung Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster(3) betraf. Bereits in meinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache(4) habe ich darauf hingewiesen, dass im Licht der großen Unterschiede zwischen den Verfahren zur Eintragung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern und von Gemeinschaftsmarken die Erwägungen für den einen Bereich nicht automatisch auf den anderen übertragen werden können. Meines Erachtens ist in der vorliegenden Rechtssache bei der Analyse der Vorlagefrage der vom Gerichtshof im Urteil Celaya gewählte Ansatz zu berücksichtigen, ohne dabei die erheblichen Verfahrensunterschiede zwischen dem Bereich der Marken und dem der Geschmacksmuster zu vernachlässigen.

I –    Rechtlicher Rahmen

4.        Nach dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 wird die Eintragung der Gemeinschaftsmarke insbesondere dann verweigert, wenn ihr ältere Rechte entgegenstehen. Nach dem achten Erwägungsgrund ist es Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten; dieser Schutz sollte im Fall der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen absolut sein, und der Schutz sollte sich auch auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke sowie Waren und Dienstleistungen erstrecken. Außerdem ist nach diesem Erwägungsgrund der Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen.

5.        Nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gewährt die Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber folgende Rechte:

„Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)       ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

b)       ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;

c)      ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.“

6.        Art. 54 („Verwirkung durch Duldung“) der Verordnung Nr. 207/2009 sieht vor, dass der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke, wenn er die Benutzung einer jüngeren Gemeinschaftsmarke in der Union während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat, aufgrund dieser älteren Marke weder die Nichtigerklärung dieser jüngeren Marke verlangen noch sich ihrer Benutzung widersetzen kann.

II – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

7.        Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Fédération Cynologique Internationale (im Folgenden: FCI), ein internationaler Verein, der 1911 zur Förderung der Kynologie gegründet wurde, ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke (Wortbildmarke) Nr. 4 438 751, die am 28. Juni 2005 angemeldet und am 5. Juli 2006 für Dienstleistungen der Klassen 35, 41, 42 und 44 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung eingetragen wurde. Zur Information ist diese Marke nachstehend wiedergegeben:

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8.        Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Federación Canina Internacional de Perros de Pura Raza (im Folgenden: FCIPPR), ein privater, im Jahr 2004 gegründeter Verein, ist Inhaberin von drei nationalen spanischen Marken, die für Waren und Dienstleistungen der Klasse 16 eingetragen sind:

–        Wortmarke Nr. 2 614 806, „FEDERACIÓN CANINA INTERNACIONAL DE PERROS DE PURA RAZA – F.C.I.“, angemeldet am 23. September 2004 und eingetragen am 20. Juni 2005;

–        kombinierte Marke Nr. 2 786 697, „FEDERACIÓN CANINA INTERNACIONAL DE PERROS DE PURA RAZA“, angemeldet am 9. August 2007 und eingetragen am 12. März 2008;

–        kombinierte Marke Nr. 2 818 217, „FEDERACIÓN CINOLOGICA INTERNACIONAL + FCI“, angemeldet am 11. Februar 2008 und eingetragen am 26. August 2008.

9.        Am 12. Februar 2009 meldete FCIPPR beim HABM folgendes Zeichen als Gemeinschaftsmarke für Waren der Klasse 16 an:

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10.      Am 5. Februar 2010 erhob FCI Widerspruch gegen die Eintragung dieses Zeichens als Gemeinschaftsmarke. Aufgrund eines Formfehlers – die Widerspruchsgebühr wurde nicht bezahlt – wurde der Widerspruch jedoch zurückgewiesen und daher am 3. September 2010 das in Nr. 9 wiedergegebene Zeichen als Gemeinschaftsmarke mit der Nr. 7 597 529 eingetragen.

11.      Am 18. Juni 2010 erhob FCI beim vorlegenden Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung der in Nr. 8 genannten nationalen Marken wegen Verwechslungsgefahr mit ihrer in Nr. 7 wiedergegebenen Gemeinschaftsmarke Nr. 4 438 751 sowie Klage wegen Verletzung dieser Marke. Im Rahmen dieses Verfahrens bestritt FCIPPR das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwischen ihren nationalen Marken und der Gemeinschaftsmarke Nr. 4 438 751 und beantragte im Wege der Widerklage die Nichtigerklärung dieser Gemeinschaftsmarke, da diese bösgläubig eingetragen worden sei und Verwechslungsgefahr mit ihrer vorrangigen nationalen Marke Nr. 2 614 806 bestehe.

12.      Sodann beantragte FCI am 18. November 2010 beim HABM die Nichtigerklärung der für FCIPPR eingetragenen Gemeinschaftsmarke Nr. 7 597 529. Am 20. September 2011 setzte jedoch das HABM auf Antrag von FCIPPR das bei ihm anhängige Verfahren im Hinblick auf das Ausgangsverfahren aus.

13.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist im bei ihm anhängigen Verfahren zu klären, ob das ausschließliche Recht, das Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 dem Inhaber einer Gemeinschaftsmarke, im vorliegenden Fall FCI, gewährt, einem Dritten entgegengehalten werden kann, der seinerseits Inhaber einer später eingetragenen Gemeinschaftsmarke ist, im vorliegenden Fall der FCIPPR, solange letztere Marke nicht für nichtig erklärt wurde.

14.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erstreckt sich in einem Rechtsstreit wegen Verletzung des ausschließlichen Rechts aus einer Gemeinschaftsmarke das in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Recht, Dritten ihre Benutzung im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, auf jedweden Dritten, der ein Zeichen benutzt, das eine Verwechslungsgefahr impliziert (da es der Gemeinschaftsmarke ähnlich ist und für ähnliche Dienstleistungen oder Waren eingetragen ist), oder ist hiervon ein Dritter, der ein zu seinen Gunsten als Gemeinschaftsmarke eingetragenes verwechselbares Zeichen benutzt, ausgenommen, solange die Eintragung der jüngeren Marke nicht für nichtig erklärt wird?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      Der Vorlagebeschluss ist bei der Kanzlei des Gerichtshofs am 8. November 2011 eingegangen. FCI, FCIPPR, die griechische und die italienische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 3. Oktober 2012 haben FCI, die griechische Regierung und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

16.      Vorab ist das Vorbringen von FCI in ihren schriftlichen Erklärungen zu prüfen, wonach das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig ist. FCI ist zunächst der Auffassung, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage nicht notwendig für die Entscheidung des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren sei. Die in diesem Verfahren von FCI erhobenen Klagen wegen Markenrechtsverletzung und Erklärung der Nichtigkeit seien nur gegen die nationalen Marken gerichtet, deren Inhaberin FCIPPR sei, und nicht gegen die jüngere Gemeinschaftsmarke Nr. 7 597 529, deren Eintragung nach der Klageerhebung im Ausgangsrechtsstreit erfolgt sei. Darüber hinaus sei diese Frage vom vorlegenden Gericht von Amts wegen aufgeworfen worden, ohne dass sich die Parteien dazu ordnungsgemäß hätten äußern können.

17.      Erstens ist zur Erheblichkeit der Vorlagefrage im Ausgangsverfahren darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zur Auslegung des Unionsrechts spricht, die das nationale Gericht in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(5).

18.      Im vorliegenden Fall lässt nichts darauf schließen, dass das nationale Gericht eine hypothetische oder eine in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehende Frage gestellt hat. Vielmehr geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass FCI im Ausgangsverfahren zum einen in nach der Eintragung dieser Gemeinschaftsmarke eingereichten Schriftsätzen den unrechtmäßigen Gebrauch der jüngeren Gemeinschaftsmarke rügte und zum anderen einen auf die Unterlassung des Gebrauchs jedes mit der älteren Gemeinschaftsmarke verwechselbaren Zeichens, somit auch der jüngeren Gemeinschaftsmarke, gerichteten Antrag stellte.

19.      Zweitens genügt im Hinblick auf den Umstand, dass das vorlegende Gericht die Vorlagefrage von Amts wegen gestellt habe, der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung die Tatsache, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Gericht keine unionsrechtlichen Probleme aufgeworfen haben, der Anrufung des Gerichtshofs durch das nationale Gericht nicht entgegensteht. Wenn Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV die Anrufung des Gerichtshofs für den Fall vorsieht, dass „eine solche Frage einem nationalen Gericht gestellt wird“, soll diese Anrufung damit nicht allein auf die Fälle beschränkt werden, in denen auf Initiative der einen oder der anderen Partei eine Frage nach der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts gestellt wird, sondern es sollen vielmehr auch Fälle erfasst werden, in denen das nationale Gericht selbst eine solche Frage aufwirft und eine Entscheidung darüber „zum Erlass seines Urteils für erforderlich“ hält(6).

20.      Nach alledem ist die Vorlagefrage meines Erachtens als zulässig anzusehen.

B –    Zur Vorlagefrage

1.      Einleitende Bemerkungen

21.      Wie ich oben erwähnt und schon in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Celaya(7) ausgeführt habe, ist die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage zur Auslegung des Begriffs der Person (des „Dritten“), gegen den der Inhaber einer Marke Verletzungsklage erheben kann, und die damit verbundene Frage eines möglichen Präjudizialitätsverhältnisses zwischen der Klage auf Erklärung der Nichtigkeit und der Verletzungsklage im Fall einer Auseinandersetzung zwischen den Inhabern eingetragener Marken derzeit in Spanien Gegenstand einer lebhaften Diskussion in Lehre und Rechtsprechung, obwohl darauf hinzuweisen ist, dass diese Fragen im europäischen Rechtsumfeld keineswegs neu sind(8).

22.      Wie der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Alicante in seinem Vorlagebeschluss ausführt, besteht nämlich in Spanien eine Rechtsprechung in Markensachen des Tribunal Supremo, wonach, in Anwendung des „inmunidad registral“-Grundsatzes, eine bestehende Eintragung einer Marke Schutz vor einer Verletzungsklage bietet und die Erhebung einer solchen Klage vom Erwirken der Nichtigerklärung dieser Marke abhängt, auch wenn diese später eingetragen wurde als die Marke, auf der die Verletzungsklage beruht. Im Kern liegt nach dieser Auffassung keine rechtswidrige Handlung vor, solange der angebliche Rechtsverletzer eine eigene eingetragene Marke benutzt, so dass erst nach Erwirkung der Nichtigerklärung der jüngeren Marke Verletzungsklage erhoben werden kann.

23.      Im Urteil Celaya(9), in dem der Gerichtshof auf dem Gebiet der Gemeinschaftsgeschmacksmuster über eine Vorlagefrage zu entscheiden hatte, die der in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Frage entspricht, hat sich dieser für einen anderen Ansatz als den nach der Lehre von der „inmunidad registral“ entschieden und festgestellt, dass sich das Recht, Dritten die Benutzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach der Verordnung Nr. 6/2002(10) zu untersagen, auf jeden Dritten erstreckt, der ein sich nicht unterscheidendes Geschmacksmuster benutzt, einschließlich des Inhabers eines später eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass die Eintragung eines Geschmacksmusters seinem Inhaber keine „Immunität“ gegen eine Verletzungsklage bis zur Nichtigerklärung seines Titels gewährt, und somit im Wesentlichen für den Fall kollidierender eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster das Bestehen eines Präjudizialitätsverhältnisses zwischen der Klage auf Erklärung der Nichtigkeit und der Verletzungsklage verneint.

24.      Ich habe jedoch bereits darauf hingewiesen, dass zwischen dem Geschmacksmuster- und dem Markensektor erhebliche Unterschiede bestehen, die insbesondere die Eintragungsverfahren und ‑modalitäten des jeweiligen Titels des geistigen Eigentums betreffen, sowie darauf, wie diese Unterschiede der automatischen Anwendung einer den einen Bereich betreffenden Rechtsprechung oder der in ihr angestellten Erwägungen auf den jeweils anderen entgegenstehen(11). Daher sind meines Erachtens zunächst die Verfahrensunterschiede zwischen den beiden Gebieten zu analysieren, um danach zu beurteilen, ob diese es tatsächlich rechtfertigen, auf dem Gebiet der Marken einem anderen Ansatz als dem zu folgen, den der Gerichtshof auf dem Gebiet der Geschmacksmuster gewählt hat.

2.      Zu den Unterschieden zwischen den Verfahren zur Eintragung von Geschmacksmustern und von Marken

25.      In meinen oben angeführten Schlussanträgen in der Rechtssache Celaya habe ich darauf hingewiesen, dass der grundlegende Unterschied zwischen den Modalitäten der Eintragung von Geschmacksmustern und von Marken in der Tatsache besteht, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften für Letztere – nicht jedoch für Geschmacksmuster – ein komplexes Eintragungsverfahren vorsehen, das eine vorläufige Prüfung, die als „inhaltlich“ definiert werden kann, durch das HABM umfasst, in deren Zuge Dritte Stellungnahmen einreichen oder auch Widerspruch gegen die Eintragung der Marke erheben können.

26.      Konkret erfolgt die Eintragung eines Geschmacksmusters fast automatisch in einem vereinfachten Verfahren, nach einer einfachen formellen Prüfung des Eintragungsantrags durch das HABM(12). Die Verordnung Nr. 6/2002 sieht weder eine materiellrechtliche Prüfung der Erfüllung der Schutzvoraussetzungen(13) vor der Eintragung vor, noch irgendeine Form der Beteiligung oder eines Widerspruchs Dritter im Laufe des Eintragungsverfahrens. Ein solches vereinfachtes Verfahren zur Eintragung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters hat das Ziel, die Belastung der Anmelder durch Verfahrensvorschriften und sonstige Erschwernisse sowie durch Kosten auf ein Minimum zu beschränken, damit es sowohl für kleine und mittlere Unternehmen als auch für einzelne Entwerfer leicht zugänglich ist(14).

27.      Hingegen sieht auf dem Gebiet der Marken die Verordnung Nr. 207/2009 eine Form der Ex-ante-Kontrolle vor der Eintragung der Gemeinschaftsmarke vor, in deren Zuge sich das HABM nicht auf eine bloß formelle Kontrolle beschränkt, sondern in eine materielle Prüfung der Anmeldung eintritt und untersucht, ob möglicherweise absolute oder relative Eintragungshindernisse vorliegen(15). Im Laufe dieses Verfahrens haben Dritte zum einen die Möglichkeit, beim HABM nach der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke schriftliche Bemerkungen mit der Begründung einzureichen, dass die Marke von Amts wegen und insbesondere wegen absoluter Eintragungshindernisse von der Eintragung auszuschließen ist(16). Zum anderen haben die Inhaber älterer Rechte die Möglichkeit, Widerspruch mit der Begründung zu erheben, dass die Marke wegen relativer Eintragungshindernisse von der Eintragung auszuschließen ist(17).

28.      Auf dem Gebiet der Marken wird die Stellung Dritter und insbesondere der Inhaber älterer Rechte umfangreicher und bereits in einem frühen Verfahrensstadium geschützt. Dieses System bietet diesen Personen nämlich verfahrensrechtliche Möglichkeiten, über die sie auf dem Gebiet der Geschmacksmuster nicht verfügen. Konkret bietet die Verordnung Nr. 207/2009 dem Inhaber einer älteren Marke die Möglichkeit, sich präventiv der Eintragung einer jüngeren Marke, die seines Erachtens seine eigene eingetragene Marke verletzt, zu widersetzen; diese Möglichkeit hat der Inhaber eines Geschmacksmusters im Hinblick auf das in Nr. 26 dargelegte Gebot der Zügigkeit nicht.

29.      Die soeben erwähnten Unterschiede betreffend das Eintragungsverfahren bewirken, dass die Eintragung einer Marke, die nach einem komplexen Verfahren erfolgt, im Verhältnis zu der eines Geschmacksmusters mit größerem „Respekt“ zu betrachten ist(18). Ein Ex-ante-Schutzsystem, wie es die Verordnung Nr. 207/2009 vorzeichnet, bringt daher mit sich, dass das Risiko missbräuchlicher Markenanmeldungen oder jedenfalls der Eintragung von Marken, die ältere Rechte verletzen, wesentlich geringer als auf dem Gebiet der Geschmacksmuster ist(19). Die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke in einem solchen Verfahren gewährt daher dem Inhaber einen höheren Grad an Rechtssicherheit in Bezug auf die Frage, ob seine Gemeinschaftsmarke ältere Rechte verletzt.

30.      Aus diesen Erwägungen folgt jedoch nicht, dass auf dem Gebiet der Marken das Risiko von Eintragungen, die ältere Rechte verletzen, zur Gänze ausgeschlossen wäre und dass nicht auch in diesem Bereich Situationen möglich wären, in denen eine Gemeinschaftsmarke eingetragen wird, obwohl diese das ausschließliche Recht des Inhabers einer anderen älteren eingetragenen Marke beeinträchtigen könnte. Situationen dieser Art können sich z. B. in dem Fall ergeben, dass der Inhaber der älteren Marke keinen Widerspruch gegen die Eintragung der jüngeren Marke erhoben hat oder, wie in dem Fall, der den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildet, dass der Widerspruch aus Gründen gescheitert ist, die von der materiell-rechtlichen Prüfung unabhängig sind, z. B. aus verfahrensrechtlichen Gründen(20).

31.      Obwohl wesentlich weniger wahrscheinlich, kann es daher auch im Markenbereich Fälle geben, in denen, ähnlich wie es auf dem Gebiet der Geschmacksmuster geschehen kann, eine Gemeinschaftsmarke eingetragen wird, die geeignet ist, die Herkunftsfunktion einer anderen eingetragenen älteren Marke zu beeinträchtigen. Auch aus diesem Grund sieht im Markenbereich die Verordnung Nr. 207/2009 Rechtsschutzmöglichkeiten vor, die im Übrigen denen auf dem Gebiet der Geschmacksmuster entsprechen, die als Rechtsschutz ex post bezeichnet werden können, nämlich die Klage auf Nichtigerklärung und die Verletzungsklage, die jeweils darauf abzielen, Marken, die nicht eingetragen hätten werden sollen, aus dem System zu entfernen oder die Auswirkungen von Zeichen, die eine ältere Marke verletzen, zu beseitigen. Ich bezeichne diese Möglichkeiten als Rechtsschutz ex post, da sie im Fall einer Kollision zwischen eingetragenen Marken dem Inhaber der älteren Marke zu deren Schutz nach Eintragung der jüngeren verletzenden oder schädigenden Marke zur Verfügung stehen, und das unabhängig von der Erhebung oder dem Ergebnis eines möglichen Widerspruchs gegen die Eintragung der angefochtenen jüngeren Marke.

32.      In Wahrheit scheint mir gerade hier der Kern des Problems im vorliegenden Fall zu liegen: Rechtfertigt die Tatsache, dass es im Markenbereich eine Rechtsschutzmöglichkeit ex ante gibt – die darin besteht, dass der Inhaber einer älteren Marke die Möglichkeit hat, gegen die Eintragung einer Marke Widerspruch zu erheben –, zu der die Rechtsschutzmöglichkeiten ex post hinzutreten, die es sowohl im Geschmacksmusterbereich als auch auf dem Gebiet der Marken gibt, vom Ansatz des Gerichtshofs im oben angeführten Urteil Celaya abzugehen und den Inhaber einer jüngeren, ordnungsgemäß eingetragenen Marke vom Begriff der „Dritten“ nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 auszuschließen, solange diese Marke nicht für nichtig erklärt wurde? Wie ich im Folgenden im Einzelnen darlegen werde, ist diese Frage meines Erachtens zu verneinen.

3.      Zur Vorlagefrage

33.      Mit seiner Vorlagefrage bittet das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung des Begriffs „Dritte“ nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie um Klärung der Frage, ob nach dieser Bestimmung der Inhaber einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke gegen den Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke unmittelbar Verletzungsklage erheben kann oder erst, nachdem er die Nichtigerklärung der jüngeren Gemeinschaftsmarke erwirkt hat.

34.      Das vorlegende Gericht legt in seinem Vorlagebeschluss den Wortlaut betreffende, systematische, logische und funktionelle Gründe dar, die für eine Auslegung der fraglichen Bestimmung im Sinne der vom Gerichtshof im erwähnten Urteil Celaya in Bezug auf Geschmacksmuster vertretenen Auslegung sprechen, wonach der Inhaber einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke jedem Dritten den Gebrauch eines Zeichens verbieten kann, das unter die Kategorien des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, b und c der Verordnung Nr. 207/2009 fällt, unabhängig davon, ob dieses Zeichen später für den Dritten als Gemeinschaftsmarke eingetragen wurde oder nicht. FCI, die Kommission sowie die griechische und die italienische Regierung haben sich in diesem Sinne geäußert.

35.      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 auch im Sinne des von der spanischen Rechtsprechung in Anwendung der erwähnten Lehre von der „inmunidad registral“(21) vertretenen Ansatzes dahin ausgelegt werden könnte, dass er es dem Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke nicht ermögliche, den Gebrauch einer jüngeren Marke zu verbieten, solange diese nicht für nichtig erklärt worden sei. Diese zweite mögliche Auslegung beruhe auf dem Prinzip qui iure suo utitur, neminem laedit, wonach derjenige, der ein eigenes Recht ausübe, im vorliegenden Fall das aus der Anmeldung der jüngeren Gemeinschaftsmarke abgeleitete Benutzungsrecht, niemandem Schaden zufüge. Nur FCIPPR hat diesen Standpunkt vertreten und insbesondere die Notwendigkeit hervorgehoben, nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit das ausschließliche Recht aus der Anmeldung der Marke zu schützen.

36.      Wir haben es also, welche Lösung auch immer gewählt wird, mit einer Situation zu tun, in der, wie in der Rechtssache Celaya, ein Recht des geistigen Eigentums, im vorliegenden Fall eine eingetragene Marke, seinem Inhaber letztlich keinen vollständigen Schutz gewährt(22).

37.      Stellte man nämlich die ältere Marke in den Vordergrund und wäre davon auszugehen, dass ihr Inhaber Verletzungsklage gegen den Inhaber einer jüngeren Marke erheben kann, so bewirkte diese Lösung eine Schwächung des Schutzes, der dem Inhaber der jüngeren Marke gewährt wird, dem ihre Benutzung verboten werden könnte, obwohl sie ordnungsgemäß eingetragen worden wäre. Wäre hingegen die jüngere Marke in den Vordergrund zu stellen und davon auszugehen, dass die vorherige Erklärung der Nichtigkeit dieser Marke für die Verletzungsklage zum Schutz der älteren Marke präjudiziell ist, wäre der Schutz, den Letztere gewährt, geschwächt, da die Eintragung dieser Marke ihrem Inhaber nicht das ausschließliche Recht garantierte, sie zu benutzen, das ihm Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gewährt, zumindest solange die jüngere identische oder ähnliche Marke nicht für nichtig erklärt wurde.

38.      Im ersten Fall räumte man dem ius excludendi des Inhabers der älteren Marke, d. h. seinem Recht, Dritten die Benutzung des diese Marke bildenden Zeichens ohne seine Zustimmung zu verbieten, den Vorrang gegenüber dem ius utendi des Inhabers der jüngeren Marke ein, d. h. dem Recht zur Benutzung des Zeichens, in dem diese Marke besteht(23). Im zweiten Fall führte die Abwägung zwischen den beiden Rechten genau zum umgekehrten Ergebnis. Wie im Fall der Geschmacksmuster betrifft die Wahl der einen oder der anderen Auslegung also zwei grundsätzlich gleichwertige Rechte.

39.      Bei der Entscheidung, welchem der durch die beiden Marken vermittelten Recht der Vorrang einzuräumen ist, dem älteren oder dem jüngeren, darf meines Erachtens ein wesentlicher Grundsatz des auf dem Gebiet der Marken eingerichteten Schutzsystems nicht außer Acht gelassen werden, der zugleich ein allgemein anerkanntes grundlegendes Prinzip der Rechte des geistigen Eigentums im Allgemeinen darstellt, nämlich das Prioritätsprinzip, wonach das ältere ausschließliche Recht, im vorliegenden Fall eine ältere Gemeinschaftsmarke, Vorrang vor später entstandenen Rechten, im vorliegenden Fall vor jüngeren Gemeinschaftsmarken, hat(24). Wie die Europäische Kommission nämlich zutreffend in ihren Erklärungen ausführt und der Gerichtshof es für den Bereich der Geschmacksmuster im Urteil Celaya(25) entsprechend festgestellt hat, sind die Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 im Licht dieses wesentlichen Grundsatzes auf dem Gebiet der Marken auszulegen, der punktuell in Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 selbst(26) sowie in anderen unionsrechtlichen(27) und internationalen(28) Bestimmungen auf dem Gebiet der Marken zum Ausdruck kommt.

40.      Insbesondere aus der Verordnung Nr. 207/2009 geht hervor, dass zum einen nur Zeichen, die sich grafisch darstellen lassen und die geeignet sind, die grundlegende Funktion der Marke zu erfüllen, nämlich diejenige, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, Gemeinschaftsmarken sein können und daher den relativen Schutz genießen können, der durch die Eintragung erworben wird, und zum anderen, dass der durch die Gemeinschaftsmarke gewährte Schutz im Verhältnis zu identischen oder ähnlichen Zeichen, die eine Verwechslungsgefahr schaffen, absolut sein soll(29). Dieser der Marke zugeschriebene absolute Schutz hängt nicht davon ab, ob verwechslungsfähige Zeichen als Gemeinschaftsmarken eingetragen werden oder nicht.

41.      Im Fall eines Konflikts zwischen zwei Gemeinschaftsmarken impliziert die Anwendung des Prioritätsgrundsatzes meines Erachtens zum einen die Vermutung, dass die zuerst eingetragene Marke die Voraussetzungen für den gemeinschaftlichen Schutz früher als die in der Folge eingetragene Marke erfüllt, und zum anderen, dass der der jüngeren Gemeinschaftsmarke garantierte Schutzbereich davon abhängt, dass keine älteren mit ihr kollidierenden Rechte bestehen. Daher wird im Fall der Kollision von Gemeinschaftsmarken der von der Verordnung Nr. 207/2009 der jüngeren Gemeinschaftsmarke gewährte Schutz nur gerechtfertigt sein, wenn deren Inhaber nachweisen kann, dass die ältere Gemeinschaftsmarke eine notwendige Voraussetzung für ihren Schutz nicht erfüllt(30) oder die Marken nicht miteinander kollidieren(31).

42.      Diese Erwägungen gelten unabhängig von dem Umstand, dass das Verfahren zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke anders als das das Gemeinschaftsgeschmacksmuster betreffende Verfahren die Möglichkeit Dritter vorsieht, Widerspruch gegen die Eintragung der jüngeren Marke zu erheben. Obwohl nämlich, wie in den Nrn. 30 f. ausgeführt, das Vorsehen einer solchen Ex-ante-Kontrolle dem Inhaber der jüngeren Marke einen höheren Grad an Rechtssicherheit verschafft und im Vergleich zum Bereich der Geschmacksmuster das Risiko verringert, dass Marken eingetragen werden, die ältere Rechte verletzen, stellt die Tatsache, dass ein Zeichen als Gemeinschaftsmarke eingetragen wird, keine absolute Garantie dar, dass dieses Zeichen nicht das ausschließliche Recht aus einer älteren Marke verletzt. Die bestehenden Verfahrensunterschiede zwischen dem Bereich der Geschmacksmuster und dem der Marken sind zwar relevant, rechtfertigen meines Erachtens jedoch keine Auslegung der fraglichen Bestimmung, die nicht im Einklang mit dem Prioritätsgrundsatz steht(32).

43.      Außerdem ist es in dem Fall, dass der Inhaber der älteren Marke Klage erhebt, um seinen eigenen Titel gegenüber einem seine Rechte schädigenden Zeichen zu schützen, auch wenn dieses Zeichen eine später ordnungsgemäß eingetragene Marke ist, erforderlich, dass ihm das von der Verordnung Nr. 207/2009 geschaffene Schutzsystem ermöglicht, so rasch wie möglich das Verbot der Benutzung dieser schädigenden Marke zu erwirken, da die Präsenz einer solchen Marke auf dem Markt geeignet ist, die Hauptfunktion der älteren Marke zu beeinträchtigen(33). Im Übrigen ist offensichtlich, dass die potenzielle oder tatsächliche Schädigung der älteren Marke umso größer ist, je länger das Nebeneinanderbestehen der beiden kollidierenden Marken andauert.

44.      Insoweit ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits wiederholt festgestellt hat, dass der absolute Schutz, den das ausschließliche Recht gewährt, das die einschlägigen Rechtsvorschriften dem Inhaber einer Marke einräumen, gerade bezweckt, dem Markeninhaber den Schutz seiner spezifischen Interessen als Inhaber der Marke zu ermöglichen, d. h., sicherzustellen, dass die Marke ihre Funktionen erfüllen kann(34). Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 muss meines Erachtens unter dem Blickwinkel dieser ständigen Rechtsprechung ausgelegt werden.

45.      Wäre, wie die Kommission im Übrigen zu Recht ausführt, die Verletzungsklage von der Nichtigerklärung der jüngeren Marke abhängig, liefe dies darauf hinaus, das Verletzungsverfahren der Gefahr unangemessener Verzögerungen auszusetzen, da der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke insoweit nicht nur die Entscheidung des HABM abwarten müsste, die erst nach einem zweistufigen verwaltungsinternen Prüfungsverfahren ergeht, sondern möglicherweise auch das Ergebnis einer Klage beim Gericht sowie gegebenenfalls eines Rechtsmittels an den Gerichtshof abwarten müsste(35). Das Nebeneinanderbestehen der älteren und der verletzenden Marke auf dem Markt könnte daher mehrere Jahre dauern und den Inhaber der älteren Marke erheblich schädigen.

46.      Im Übrigen scheint mir der Inhaber der jüngeren Marke vor möglichen missbräuchlichen Verletzungsklagen durch den Inhaber einer älteren Marke geschützt, da er die Möglichkeit hat, sich vor dem Gemeinschaftsmarkengericht zu verteidigen, wo er eine etwaige Zurückweisung des Widerspruchs in der Sache durch das HABM geltend machen kann(36) und Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der älteren Marke, auf die die Verletzungsklage gestützt ist, erheben kann(37). Im Übrigen hängt, wie in den Nrn. 40 f. ausgeführt, die Tragweite des Schutzes seines Titels von Anfang an vom Nichtbestehen älterer kollidierender Rechte ab.

47.      Nach alledem kann meines Erachtens das mit der Verordnung Nr. 207/2009 verfolgte Ziel eines absoluten Schutzes der eingetragenen Gemeinschaftsmarken nur erreicht werden, wenn der Begriff „Dritte“ in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 im Einklang mit dem Prioritätsgrundsatz dahin ausgelegt wird, dass von ihm jeder Dritte, und damit auch der Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke, erfasst ist.

48.      Außerdem sprechen meines Erachtens noch andere, den Wortlaut und die Systematik betreffende, Erwägungen für die soeben vorgeschlagene Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009.

49.      Im Hinblick auf den Wortlaut ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 207/2009 zwar nicht ausdrücklich vorsieht, dass der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke gegen den Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke Verletzungsklage erheben kann, jedoch Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ausdrücklich dem Inhaber einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke das ausschließliche Recht gewährt, diese Marke zu benutzen und „Dritten“ die Benutzung eines seine Marke verletzenden Zeichens ohne seine Zustimmung zu verbieten, und nicht danach unterscheidet, ob der Dritte Inhaber einer später eingetragenen Gemeinschaftsmarke ist oder nicht(38). Ich halte es im Übrigen für wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber, wenn er grundsätzlich die Inhaber jüngerer Marken hätte schützen wollen, dies in der Bestimmung zum Ausdruck gebracht hätte.

50.      Sodann ist auf der Ebene der systematischen Interpretation darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 207/2009 mit keiner Bestimmung eine etwaige Immunität eines Dritten, der Inhaber einer jüngeren Marke ist, vor dem Verbot nach Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung(39), hingegen einige Beschränkungen des dem Inhaber einer eingetragenen Marke gewährten ausschließlichen Rechts vorsieht(40). Besondere Bedeutung kommt insoweit Art. 54 der Verordnung Nr. 207/2009 zu. Nach dieser Bestimmung sind nämlich die Klage auf Nichtigerklärung und die Verletzungsklage des Inhabers der älteren Gemeinschaftsmarke gegen den Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke nur unter den in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen ausgeschlossen (Duldung der Benutzung während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren). Umgekehrt kann daraus abgeleitet werden, dass, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke sehr wohl gegen den Inhaber der jüngeren Gemeinschaftsmarke Verletzungsklage erheben kann.

51.      Art. 54 der Verordnung Nr. 207/2009 ist insoweit auch unter dem Blickwinkel der systematischen Interpretation dieser Verordnung von Bedeutung. Aus der Unterscheidung, die in diesem Artikel zwischen dem Antrag auf Nichtigerklärung der jüngeren Marke und dem Widerspruch gegen ihre Benutzung getroffen wird, kann nämlich abgeleitet werden, dass die Verordnung Nr. 207/2009 die Klage auf Nichtigerklärung und die Verletzungsklage als zwei voneinander verschiedene Klagen ansieht und kein Präjudizialitätsverhältnis zwischen ihnen vorsieht(41).

52.      Genau wie auf dem Gebiet der Gemeinschaftsgeschmacksmuster unterscheidet nämlich auch die Verordnung Nr. 207/2009 für den Markenbereich klar zwischen diesen beiden Klagearten, die sich in Bezug auf ihren Gegenstand, ihre Wirkungen und ihre Ziele voneinander unterscheiden. Zum einen sind für Entscheidungen über Verletzungsklagen nach Art. 96 der Verordnung Nr. 207/2009 die Gemeinschaftsmarkengerichte ausschließlich zuständig. Hingegen wurde zum anderen die Behandlung von Anträgen auf Nichtigerklärung von Marken durch die Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM zentralisiert, auch wenn dieser Grundsatz, wie auf dem Gebiet der Geschmacksmuster, dadurch abgeschwächt wird, dass die Markengerichte über Widerklagen auf Nichtigerklärung einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke entscheiden können, die im Rahmen einer Verletzungsklage erhoben werden. Nichts lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber die Erhebung der einen Klage von der vorherigen oder gleichzeitigen Erhebung der anderen abhängig machen wollte(42).

53.      Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass die vorgeschlagene Auslegung des Begriffs „Dritte“ in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 keine besonderen Probleme bei der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsmarkengerichten und dem HABM schafft. Zwar besteht, wie ich bereits zum Geschmacksmusterbereich ausgeführt habe(43), auch im Markensektor die Möglichkeit, dass die rechtliche Stellung der jüngeren Marke unbestimmt bleibt, wenn der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke mit seiner Verletzungsklage gegen den Inhaber einer jüngeren Gemeinschaftsmarke durchgedrungen ist und nicht auf Nichtigerklärung dieser Marke klagt, jedoch gelten die Gründe, aus denen ich der Auffassung war, dass diese Rechtsunsicherheit für die Auslegung des Begriffs des Dritten, gegen den der Inhaber eines Geschmacksmusters(44) wegen Verletzung klagen kann, nicht entscheidend sein kann, auf dem Gebiet der Marken entsprechend(45). Vielmehr bin ich der Auffassung, dass die gegenteilige Auslegung das Schutzsystem der Verordnung Nr. 207/2009 beeinträchtigen könnte, da sie, wie in den Nrn. 43 und 45 ausgeführt, die Wirksamkeit der Verletzungsklage gefährden würde.

54.      Nach alledem ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts meines Erachtens zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 dahin auszulegen ist, dass sich in einem Rechtsstreit wegen Verletzung des ausschließlichen Rechts aus einer Gemeinschaftsmarke das Recht, Dritten ihre Benutzung zu verbieten, auf jeglichen Dritten erstreckt, einschließlich des Inhabers einer später eingetragenen Gemeinschaftsmarke.

55.      Um dem vorlegenden Gericht ein möglichst vollständiges Bild zu verschaffen, halte ich es für angebracht, darauf hinzuweisen, dass, sollte der Gerichtshof der von mir im vorstehenden Absatz vorgeschlagenen Auslegung des Begriffs „Dritte“ nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 folgen, sich diese Auslegung zwangsläufig auf einen Dritten erstrecken müsste, der Inhaber einer später in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke ist, und zwar unabhängig vom Wortlaut der einschlägigen nationalen Bestimmungen.

56.      Eine andere als die soeben dargestellte Auslegung wäre unlogisch, da sie nämlich die praktische Wirksamkeit von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gefährdete, indem sie es ermöglichte, den Schutz, den die Verordnung Nr. 207/2009 dem Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke gewährt, durch die Eintragung eines Zeichens auf nationaler Ebene zu beschränken. Außerdem widerspräche meines Erachtens eine andere Auslegung dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Marke(46), da der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke in den einzelnen Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Weise geschützt wäre, je nachdem, ob das nationale Recht es ihm ermöglicht, gegen den Verletzer Klage zu erheben, ohne die Nichtigerklärung der jüngeren nationalen Marke abzuwarten, die seine Rechte verletzt.

57.      In diesem Sinne ist meines Erachtens schließlich darauf hinzuweisen, dass sich nach dem vom Gerichtshof wiederholt anerkannten Gebot der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts(47) die Auslegung des Begriffs „Dritte“ in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 auch auf den entsprechenden Begriff in Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95, der gleichlautend formuliert ist, erstrecken muss(48).

V –    Ergebnis

58.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Alicante wie folgt zu beantworten:

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke ist dahin auszulegen, dass sich in einem Rechtsstreit wegen Verletzung des ausschließlichen Rechts aus einer Gemeinschaftsmarke das Recht, Dritten ihre Benutzung zu verbieten, auf jeden Dritten erstreckt, der ein verwechslungsfähiges Zeichen benutzt, einschließlich des Inhabers einer später eingetragenen Gemeinschaftsmarke.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2–      ABl. L 78, S. 1.


3 – Vgl. Urteil vom 16. Februar 2012, Celaya Emparanza y Galdos Internacional (C‑488/10), in dem der Gerichtshof über eine Vorlagefrage des Juzgado de lo Mercantil n. 1 de Alicante zur Auslegung des Begriffs „Dritte“ im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) entschieden hat.


4 – Vgl. meine Schlussanträge vom 8. November 2011 in der Rechtssache C‑488/10 (oben in Fn. 3 angeführt, insbesondere Nrn. 20 bis 23).


5 – Zur umfangreichen Rechtsprechung in diesem Sinne vgl. jüngst die Urteile vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, Randnr. 35), und vom 29. März 2012, SAG ELV Slovensko u. a. (C‑599/10, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).


6 – Urteile vom 16. Juni 1981, Salonia (126/80, Slg. 1981, 1563, Randnr. 7), und vom 8. März 2012, Huet (C‑251/11, Randnr. 23).


7 – Siehe oben, Nr. 3, sowie meine oben in Fn. 4 angeführten Schlussanträge in der Sache Celaya (Nr. 19).


8 – Interessanterweise stellte sich ein dem Gegenstand der vorliegenden Rechtssache entsprechendes Problem in Deutschland schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts und war dort Gegenstand intensiver höchstgerichtlicher Diskussion. Konkret vertrat das Reichsgericht in seiner Rechtsprechung zunächst die Auffassung, dass die Benutzung einer eingetragenen Marke nicht als rechtswidrig angesehen werden könne, solange diese Marke nicht aus dem Markenregister gelöscht sei (siehe hierzu das Urteil des Reichsgerichts vom 13. November 1906, II 155/06, RGZ 64, S. 273 ff., insbesondere S. 275). Jedoch „distanzierte“ sich das Reichsgericht von dieser Rechtsprechung später in einem Urteil aus dem Jahr 1927, in dem es entschied, dass sich die objektive Rechtswidrigkeit der jüngeren eingetragenen Marke unmittelbar aus dem vorrangigen Recht des Inhabers des älteren Zeichens ergebe (vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 20. September 1927, II 409/26, RGZ 118, S. 76 ff., insbesondere S. 78 f.).


9–      Oben in Fn. 3 angeführt.


10–      Oben in Fn. 3 angeführt.


11 – Vgl. oben, Nr. 3, sowie meine oben in Fn. 4 angeführten Schlussanträge in der Rechtssache Celaya, Nrn. 20 bis 22.


12 – Das Verfahren zur Eintragung von Geschmacksmustern ist in Titel V (Art. 45 bis 50) der Verordnung Nr. 6/2002 geregelt.


13–      Vgl. den 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 47 dieser Verordnung eine, wenn auch relativ eingeschränkte, Prüfung gewisser „Eintragungshindernisse“ vorsieht.


14 – Vgl. die Erwägungsgründe 18 und 24 der Verordnung Nr. 6/2002.


15 – Die absoluten Eintragungshindernisse sind in Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 (vgl. auch Art. 37 der Verordnung), die relativen Eintragungshindernisse in Art. 8 dieser Verordnung vorgesehen (vgl. auch die Art. 40 und 42 der genannten Verordnung).


16–      Vgl. Art. 40 der Verordnung Nr. 207/2009.


17–      Vgl. die Art. 41 und 42 der Verordnung Nr. 207/2009. In dieser Hinsicht vgl. auch Art. 38 der Verordnung Nr. 207/2009, der ein Rechercheverfahren in Bezug auf ältere Marken vorsieht, die möglicherweise mit der angemeldeten Marke kollidieren.


18–      Siehe meine in Fn. 4 angeführten Schlussanträge in der Rechtssache Celaya, Nr. 23.


19–      Siehe meine in Fn. 4 angeführten Schlussanträge in der Rechtssache Celaya, Nr. 23. Bei diesem System sind folglich meine Erwägungen in den genannten Schlussanträgen nicht anwendbar, wonach ein bösgläubiger Verletzer – wenn man die Präjudizialität der Klage auf Nichtigerklärung gegenüber der Verletzungsklage anerkennen würde – theoretisch die Möglichkeit hätte, Verzögerungstechniken anzuwenden, indem er wiederholt unbedeutend abweichende Geschmacksmuster anmeldet, theoretisch selbst nach der Nichtigerklärung des bekämpften jüngeren Geschmacksmusters, um ein im Wesentlichen identisches Erzeugnis weiter zu vermarkten, so dass die Systematik und die praktische Wirksamkeit der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Geschmacksmuster ernstlich in Frage gestellt wären (vgl. Nrn. 31 bis 33 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Celaya). Solche Situationen können im Markensektor nicht entstehen, da in diesen Fällen der Inhaber der älteren Gemeinschaftsmarke immer die Möglichkeit hat, der Eintragung der bösgläubig angemeldeten jüngeren Marke präventiv entgegenzutreten, indem er ihrer Eintragung nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 widerspricht.


20 – Dass solche Situationen möglich sind, folgt im Übrigen aus Art. 53 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009.


21–      Siehe oben, Nr. 22.


22–      Siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Celaya, in Fn. 4 angeführt, Nr. 30.


23 – Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, wie im Übrigen auch Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25), beschränkt sich im Gegensatz zu einigen nationalen Rechten, darunter das spanische, sowie zur Verordnung Nr. 6/2002 darauf, vorzusehen, dass die Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber ein „ausschließliches Recht“ gewährt, und bestimmt dieses ausschließliche Recht nur durch die Möglichkeit näher, Dritten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, b und c der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Zeichen zu benutzen. In der Lehre wurde jedoch darauf hingewiesen, dass dieses „ausschließliche Recht“ nicht nur die in der Bestimmung ausdrücklich genannte negative Befugnis umfasse, Dritten die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens zu verbieten – das ius excludendi –, sondern auch positive Befugnisse, nämlich das Recht, dieses Zeichen zu benutzen, eben das ius utendi, das allenfalls auch durch die Einräumung einer Markenlizenz ausgeübt werden kann. Das Bestehen eines solchen positiven Rechts ist im Übrigen der Inhaberschaft der Marke inhärent. Wie nämlich von Generalanwalt Jacobs in den Nrn. 33 f. seiner Schlussanträge vom 20. September 2001 in der Rechtssache Hölterhoff (C‑2/00, Urteil vom 14. Mai 2002, Slg. 2002, I‑4187) ausgeführt, nimmt ein Händler die Eintragung einer Marke nicht in erster Linie deshalb vor, um Dritten ihre Benutzung zu verbieten, sondern um sie selbst zu benutzen. Außerdem stellt das Recht zum Gebrauch ein zentrales und wesentliches Element des Eigentumsrechts und damit auch eines Rechts des geistigen Eigentums dar.


24 – Grundsätzlich richtet sich die Priorität einer Marke nach dem Tag ihrer Anmeldung (vgl. hierzu Art. 8 Abs. 2 und Art. 27 der Verordnung Nr. 207/2009). Genauere Definitionen des Prioriätsgrundsatzes finden sich in Nr. 57 der Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 3. Februar 2011 in der Rechtssache Budějovický Budvar (C‑482/09, Urteil vom 22. September 2011, Slg. 2011, I‑8701) sowie in Nr. 54 der Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 31. März 2011 in der Rechtssache Génesis (C‑190/10, Urteil vom 22. März 2012).


25 – Vgl. Randnrn. 39 f. dieses Urteils, oben in Fn. 3 angeführt.


26 – Vgl. z. B. den siebten Erwägungsgrund sowie Art. 8, die Abschnitte 2, 3 und 4 von Titel III (Art. 29 bis 35) sowie die Art. 41, 42, 53 und 54 dieser Verordnung.


27 – Vgl. z. B. Art. 4 Abs. 1 bis 4, Art. 5, Art. 6 Abs. 2, Art. 9, Art. 11 Abs. 4 und Art. 14 der Richtlinie 2008/95, oben in Fn. 23 angeführt.


28 – Vgl. z. B. Art. 4 Teil A.1 und B der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (am 20. März 1883 in Paris unterzeichnete Verbandsübereinkunft, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 [United Nations Treaty Series, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305]). Die französische Version dieser Übereinkunft ist auf folgender Website zugänglich: www.wipo.int/treaties/fr/ip/paris/trtdocs_wo020.html.


29 – Hervorhebung nur hier; vgl. die Erwägungsgründe 7 und 8 sowie die Art. 4 und 6 der Verordnung Nr. 207/2009.


30 – Was der Inhaber der jüngeren Marke mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der älteren Marke vor dem HABM oder allenfalls im Wege der Widerklage beim Markengericht, bei dem gegen ihn Verletzungsklage erhoben wurde, geltend machen kann.


31 – Was der Inhaber der jüngeren Marke bei dem Markengericht, bei dem gegen ihn Verletzungsklage erhoben wurde, tun kann.


32 – Sicher könnte dagegen eingewendet werden, dass sowohl das Unterlassen des Widerspruchs als auch seine Zurückweisung aus verfahrensrechtlichen Gründen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden (Nichtzahlung der Widerspruchsgebühr) auf eine gewisse „Fahrlässigkeit“ des Inhabers der älteren Marke zurückzuführen sind, der von der Möglichkeit, Widerspruch nach der Verordnung Nr. 207/2009 zu erheben, keinen oder unzureichenden Gebrauch gemacht hat. Daher kann, anders als im Bereich der Geschmacksmuster, auf dem Gebiet der Marken der Inhaber der älteren Marke als zumindest teilweise verantwortlich für die erfolgte Eintragung der jüngeren Marke und somit für die entstandene Rechtsunsicherheit angesehen werden. Diese Mitverantwortung könnte daher durch die Verpflichtung „sanktioniert“ werden, die Nichtigerklärung abzuwarten, bevor zum Schutz der älteren Marke Verletzungsklage erhoben werden kann. Diesem möglichen Einwand halte ich jedoch erstens entgegen, dass nicht gesagt ist, dass das Nichterheben eines Widerspruchs notwendigerweise auf eine Fahrlässigkeit des Inhabers der älteren Marke zurückzuführen ist. Es kann z. B. Fälle geben, in denen die Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken erst in Folge des konkreten Gebrauchs des jüngeren Zeichens offensichtlich wird und daher erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die beiden kollidierenden Zeichen bereits beide auf dem Markt bestehen. Zweitens bin ich jedenfalls der Ansicht, dass die fehlende oder unrichtige Ausübung des Widerspruchsrechts die Anwendung eines wesentlichen Grundsatzes im Markenbereich, wie des Prioritätsgrundsatzes, wonach dem älteren Recht der Vorrang gegenüber dem jüngeren eingeräumt wird, nicht in Frage stellen kann.


33 – D. h., wie oben in Nr. 40 angeführt, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Aus der reichhaltigen Rechtsprechung in diesem Sinne vgl. zuletzt Urteil vom 15. März 2012, Strigl und Securvita (verbundene Rechtssachen C‑90/11 und C‑91/11, Randnr. 30).


34 – Vgl. entsprechend zu Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie 2008/95/EG, in Fn. 23 angeführt) Urteile vom 18. Juni 2009, L’Oréal u. a. (C‑487/07, Slg. 2009, I‑5185, Randnr. 58), und vom 19. Juli 2012, Pie Optiek u. a. (C‑376/11, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach dieser Rechtsprechung zu den erwähnten Funktionen nicht nur die oben in Randnr. 40 und in der vorigen Fußnote zitierte Hauptfunktion, sondern auch die anderen Funktionen der Marke zählen, insbesondere die Gewährleistung der Qualität der Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion.


35 – Vgl. hierzu Titel VII der Verordnung Nr. 207/2009, insbesondere die Art. 58, 64 Abs. 3 und 65.


36 – Die Entscheidung des HABM, mit der der Widerspruch in der Sache zurückgewiesen wird, wird zwar den nationalen Richter nicht binden. Sie wird jedoch nach den verschiedenen nationalen Verfahrensvorschriften ein „bedeutendes Beweismittel“ für das Nichtvorliegen einer Verletzung sein. Im Übrigen stimmen das Urteil über die Verletzungsklage, das der nationale Richter fällen soll, und die Entscheidung des HABM über den Widerspruch nicht ganz überein, auch wenn der Richter dieselben Kriterien wie dieses anwendet, da die Tatbestände von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b und Abs. 5 sowie von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, b und c der Verordnung Nr. 207/2009 einander entsprechen. Diese Entscheidungen unterscheiden sich nämlich dadurch, dass im Urteil über die Verletzungsklage die Gegenüberstellung der fraglichen Zeichen und der entsprechenden Waren, für die sie verwendet werden, konkret anhand einer ex post-Analyse erfolgt, die sich auf die tatsächliche Lage und ihre Benutzung auf dem Markt bezieht und nicht, wie im Widerspruchsverfahren, anhand einer vorausschauenden und abstrakten Analyse ex ante, die in erster Linie auf den Ergebnissen der Anmeldungen beruht.


37 – Vgl. Art. 96 Buchst. d und Art. 100 der Verordnung Nr. 207/2009.


38 – Hierzu weise ich darauf hin, dass, während die italienische und die deutsche Fassung der Verordnung Nr. 207/2009 allgemein auf „terzi“ und „Dritte“ Bezug nehmen, die französische, die englische und die spanische Fassung noch deutlicher sind und das Verbot auf jeden Dritten, nämlich auf „tout tiers“, „all third parties“ und „cualquier tercero“, beziehen.


39 – Eine etwaige Immunität dieser Art kann meines Erachtens entgegen der von FCIPPR in ihren Erklärungen vertretenen Auffassung nicht aus Art. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 abgeleitet werden, wonach die Gemeinschaftsmarke durch Eintragung erworben wird. Auch diese Bestimmung muss nämlich, wie alle anderen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009, im Licht des Prioritätsgrundsatzes ausgelegt werden (siehe oben, Nr. 39).


40 – Neben Art. 54 der Verordnung Nr. 207/2009, der im Folgenden analysiert werden wird, ist insbesondere Art. 12 dieser Verordnung anzuführen, der einige Beschränkungen der Befugnis des Inhabers vorsieht, Dritten den Gebrauch der Gemeinschaftsmarke im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, sowie Art. 13 dieser Verordnung, der bestimmt, dass die Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Union in den Verkehr gebracht worden sind.


41 – Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, unterscheiden andere Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009, wie Art. 1 Abs. 2 oder Art. 110, ausdrücklich zwischen diesen beiden Klagen.


42 – Hierzu ist anzumerken, dass nach Art. 100 Abs. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 das mit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit befasste Gemeinschaftsmarkengericht auf Antrag des Inhabers der Gemeinschaftsmarke nach Anhörung der anderen Parteien das Verfahren aussetzen und den Beklagten auffordern kann, beim HABM die Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit zu beantragen. Diese Bestimmung gibt jedoch erstens dem Gericht bloß die Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen, zweitens ist sie darauf gerichtet, kollidierende Entscheidungen über die Nichtigkeit der älteren Marke zu vermeiden, und drittens betrifft sie jedenfalls ausschließlich die allfällige Nichtigkeit der älteren Marke, auf die die Verletzungsklage gestützt ist, und nicht die allfällige Rechtmäßigkeit der späteren Eintragung des Zeichens, gegen das mit Verletzungsklage vorgegangen wird.


43–      Vgl. meine in Fn. 4 angeführten Schlussanträge in der Rechtssache Celaya, Nrn. 39 bis 44.


44 – In meinen in Fn. 4 angeführten Schlussanträgen in der Rechtssache Celaya habe ich in den Nrn. 39 bis 44 zum einen ausgeführt, wie fern die Möglichkeit liegt, dass der Inhaber des jüngeren Titels diesen benutzt, nachdem er auf eine Verletzungsklage hin unterlegen ist, und wie zum anderen selbst dann, wenn dieser Titel, der formal noch gültig ist, da er nicht für nichtig erklärt wurde, benutzt wird und einen Dritten in seinen Rechten verletzt, dieser Dritte die Möglichkeit hätte, den Titel im Wege der Widerklage für nichtig erklären zu lassen.


45 – Hat eine Verletzungsklage gegen eine jüngere Gemeinschaftsmarke Erfolg, nachdem ein Widerspruch, der auf dieselbe ältere Gemeinschaftsmarke gestützt war wie die Verletzungsklage, in der Sache zurückgewiesen wurde, bestünde zwar ein potenzieller Widerspruch zwischen der Entscheidung des HABM im Widerspruchsverfahren und dem Urteil des Markengerichts. Dieser Fall scheint mir jedoch in Anbetracht dessen eher fern liegend, dass die Entscheidung des HABM im nationalen Verfahren, wie in Fn. 36 erwähnt, ein „bedeutendes Beweismittel“ für das Nichtvorliegen einer Verletzung darstellen dürfte. Außerdem wäre ein solcher Widerspruch möglicherweise im Licht der ebenfalls in Fn. 36 erwähnten unterschiedlichen Blickwinkel des Widerspruchsverfahrens und des Urteils über die Verletzungsklage gerechtfertigt.


46–      Vgl. den dritten Erwägungsgrund sowie Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009.


47 – Vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 2009, Hadadi (C‑168/08, Slg. 2009, I‑6871, Randnr. 38), vom 21. Oktober 2010, Padawan (C‑467/08, Slg. 2010, I‑10055, Randnr. 32), und vom 16. Juni 2011, Omejc (C‑536/09, Slg. 2011, I‑5367, Randnr. 19).


48 – Der Gerichtshof hat im Übrigen wiederholt Art. 9 der Verordnung Nr. 207/2009 und die entsprechende Bestimmung der Richtlinie 2008/95, oder davor der Richtlinie 89/104, gleichlaufend ausgelegt. Vgl. Urteil vom 22. September 2011, Interflora (C‑323/09, Slg. 2011, I‑8625, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).