Language of document : ECLI:EU:F:2010:74

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Dritte Kammer)

1. Juli 2010

Rechtssache F‑40/09

Radek Časta

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Allgemeines Auswahlverfahren – Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung – Antrag auf Überprüfung – Begründungspflicht – Erforderliche Berufserfahrung – Verspätete Vorlage eines Nachweises – Grundsatz der Gleichbehandlung – Anfechtungsklage – Schadensersatzklage“

Gegenstand: Klage gemäß Art. 236 EG und Art. 152 EA auf Aufhebung der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 22. Dezember 2008 über die Bestätigung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren EPSO/AD/107/07 im Bereich Recht vom 9. Juni 2008, den Kläger nicht zur mündlichen Prüfung zuzulassen, und auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, der durch diese Entscheidung entstanden sein soll

Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die gesamten Kosten.

Leitsätze

1.      Beamte – Klage – Beschwerende Maßnahme – Entscheidung, die nach Überprüfung einer vorangegangenen Entscheidung ergangen ist

(Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2 und Art. 91 Abs. 1)

2.      Beamte – Auswahlverfahren – Prüfungsausschuss – Nichtzulassung zu den Prüfungen – Begründungspflicht – Umfang

(Beamtenstatut, Art. 25 Abs. 2)

3.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Bekanntmachung des Auswahlverfahrens – Zweck

(Beamtenstatut, Anhang III, Art. 1 Abs. 1)

4.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Zulassungsvoraussetzungen – Festlegung in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens – Beurteilung der Berufserfahrung der Bewerber durch den Prüfungsausschuss – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang III, Art. 2 und 5)

5.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Auswahlkriterien – Berufserfahrung der Bewerber

(Beamtenstatut, Anhang III, Art. 5)

6.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Zulassungsvoraussetzungen – Vorlage von Belegen im Hinblick auf die Zulassung zu den Prüfungen

(Beamtenstatut, Anhang III, Art. 2 und 5)

7.      Beamte – Gleichbehandlung – Grenzen – Rechtswidrig gewährte Vergünstigung

8.      Beamte – Klage – Schadensersatzantrag, der mit einem Aufhebungsantrag in Zusammenhang steht – Zurückweisung des Aufhebungsantrags, die zur Zurückweisung des Schadensersatzantrags führt

(Beamtenstatut, Art. 91)

1.      Bittet ein Beteiligter, dessen Antrag auf Zulassung zu einem von den Organen der Union organisierten Auswahlverfahren abgelehnt wurde, aufgrund einer konkreten, die Verwaltung bindenden Bestimmung um Überprüfung dieser Entscheidung, so stellt die nach der Überprüfung erlassene Entscheidung des Prüfungsausschusses die beschwerende Maßnahme im Sinne des Art. 90 Abs. 2 oder gegebenenfalls des Art. 91 Abs. 1 des Statuts dar. Diese nach der Überprüfung erlassene Entscheidung setzt auch die Beschwerde- und Klagefrist in Lauf, ohne dass zu prüfen ist, ob in einem solchen Fall die Entscheidung möglicherweise als eine lediglich bestätigende Maßnahme angesehen werden kann.

(vgl. Randnr. 27)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 23. Januar 2002, Gonçalves/Parlament, T‑386/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑13 und II‑55, Randnr. 39; 7. Juni 2005, Cavallaro/Kommission, T‑375/02, Slg. ÖD 2005, I‑A‑151 und II‑673, Randnr. 58; 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑5 und II‑A‑2‑19, Randnr. 29

2.      Nach Art. 25 Abs. 2 des Statuts muss jede aufgrund des Statuts ergangene beschwerende Verfügung mit Gründen versehen sein. Die Verpflichtung, eine beschwerende Entscheidung mit Gründen zu versehen, soll zum einen dem Betroffenen die notwendigen Hinweise für die Feststellung geben, ob die Entscheidung begründet ist, und zum anderen deren richterliche Kontrolle ermöglichen. Eine solche Verpflichtung soll es insbesondere dem Betroffenen ermöglichen, die Gründe für eine ihm gegenüber ergangene Entscheidung in Erfahrung zu bringen, damit er gegebenenfalls von den zur Wahrung seiner Rechte und Interessen erforderlichen Rechtsbehelfen Gebrauch machen kann.

Insbesondere muss der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren bei einer Entscheidung über die Nichtzulassung zum Auswahlverfahren genau angeben, welche Voraussetzungen der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens bei dem Bewerber als nicht erfüllt angesehen wurden.

(vgl. Randnr. 42)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 26. November 1981, Michel/Parlament, 195/80, Slg. 1981, 2861, Randnr. 22; 4. Juli 1996, Parlament/Innamorati, C‑254/95 P, Slg. 1996, I‑3423, Randnr. 23

Gericht erster Instanz: 20. Juni 1990, Burban/Parlament, T‑133/89, Slg. 1990, II‑245, Randnr. 43; 21. November 2000, Carrasco Benítez/Kommission, T‑214/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑257 und II‑1169, Randnr. 173; Gonçalves/Parlament, Randnr. 62; 23. Januar 2003, Angioli/Kommission, T‑53/00, Slg. ÖD 2003, I‑A‑13 und II‑73, Randnr. 67; 27. März 2003, Martínez Páramo u. a./Kommission, T‑33/00, Slg. ÖD 2003, I‑A‑105 und II‑541, Randnr. 43; 25. März 2004, Petrich/Kommission, T‑145/02, Slg. ÖD 2004, I‑A‑101 und II‑447, Randnr. 54

3.      Der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren ist an den Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und insbesondere an die darin festgelegten Zulassungsvoraussetzungen gebunden. Denn die entscheidende Rolle der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nach dem Statut besteht darin, die Interessenten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen und welche Nachweise für die Arbeit des Prüfungsausschusses von Wichtigkeit sind und daher den Bewerbungsunterlagen beigefügt werden müssen.

(vgl. Randnr. 56)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: Gonçalves/Parlament, Randnr. 73; Petrich/Kommission, Randnr. 34

4.      Es ist Aufgabe des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob die Berufserfahrung des Bewerbers dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Niveau entspricht. Der Prüfungsausschuss verfügt insoweit im Rahmen der Bestimmungen des Statuts über die Auswahlverfahren über ein Ermessen bei der Beurteilung sowohl der Art und der Dauer der früheren Berufserfahrung der Bewerber als auch ihres mehr oder weniger engen Zusammenhangs, in dem sie mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehen kann. Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat sich daher im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Prüfung zu beschränken, ob dieses Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt worden ist.

(vgl. Randnr. 58)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 13. Dezember 1990, González Holguera/Parlament, T‑115/89, Slg. 1990, II‑831, auszugsweise Veröffentlichung, Randnr. 54; 28. November 1991, Van Hecken/WSA, T‑158/89, Slg. 1991, II‑1341, Randnr. 22; Carrasco Benítez/Kommission, Randnrn. 69 bis 71; Petrich/Kommission, Randnr. 37

Gericht für den öffentlichen Dienst: 14. Juni 2007, De Meerleer/Kommission, F‑121/05, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑161 und II‑A‑1‑865, Randnr. 116

5.      In einem Auswahlverfahren geben Unterlagen über die Berufserfahrung eines Bewerbers, die von ihm selbst erstellt wurden, die Meinung des Bewerbers über seine Erfahrungen wieder und entsprechen ihrem Inhalt nach einem Lebenslauf. Da solche Unterlagen grundsätzlich keiner objektiven Überprüfung zugänglich sind, mit der dem Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren eine eingehende Prüfung der erforderlichen Berufserfahrung ermöglicht würde, können sie nicht als Belege für die vorausgesetzte Berufserfahrung angesehen werden, sondern lediglich als Teil des Lebenslaufs des Bewerbers.

(vgl. Randnr. 64)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 27. September 2006, Blackler/Parlament, T‑420/04, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑185 und II‑A‑2‑943, Randnr. 49

6.      Bei der Prüfung der Frage, ob die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, darf sich der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren nur auf die Angaben der Bewerber in ihrem Bewerbungsfragebogen und die Belege stützen, die sie diesem beizufügen haben. Der Prüfungsausschuss kann nicht verpflichtet sein, selbst Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, ob die Bewerber alle in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens aufgestellten Voraussetzungen erfüllen. Stellen also die klaren Bestimmungen einer solchen Bekanntmachung unmissverständlich die Verpflichtung auf, dem Bewerbungsfragebogen Belege beizufügen, so kann die Nichterfüllung dieser Verpflichtung durch einen Bewerber den Prüfungsausschuss oder die Anstellungsbehörde nicht ermächtigen und erst recht nicht verpflichten, im Widerspruch zu dieser Bekanntmachung zu handeln.

(vgl. Randnrn. 67 und 71)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 31. März 1992, Burban/Parlament, C‑255/90 P, Slg. 1992, I‑2253, Randnr. 12

Gericht erster Instanz: Carrasco Benítez/Kommission, Randnr. 77; Gonçalves/Parlament, Randnr. 74; Petrich/Kommission, Randnrn. 45 und 49

7.      Die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung muss mit der des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinen Gunsten darauf berufen kann, das Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewandt worden. Eine eventuelle fehlerhafte Rechtsanwendung gegenüber anderen Bewerbern an einem Auswahlverfahren, die nicht Parteien des Verfahrens sind, kann das Gericht für den öffentlichen Dienst nicht dazu veranlassen, eine Diskriminierung und damit eine fehlerhafte Rechtsanwendung gegenüber einem Bewerber festzustellen. Ein derartiges Vorgehen käme einer Anerkennung des Grundsatzes der „Gleichbehandlung im Unrecht“ gleich. Eine Gleichheit im Unrecht kann es indessen nicht geben, da das Diskriminierungsverbot keinen Anspruch auf nichtdiskriminierende Anwendung einer rechtswidrigen Behandlung begründen kann.

(vgl. Randnrn. 88 und 89)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14

Gericht erster Instanz: 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 160; 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 367; 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, Slg. 2002, II‑3305, Randnr. 479; 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Randnr. 77

Gericht für den öffentlichen Dienst: 21. Februar 2008, Skoulidi/Kommission, F‑4/07, Slg. ÖD 2008, I‑A‑1‑47 und II‑A‑1‑229, Randnr. 81

8.      Auf Schadensersatz gerichtete Anträge in Beamtensachen sind zurückzuweisen, soweit sie mit Aufhebungsanträgen eng zusammenhängen, die ihrerseits als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen worden sind.

(vgl. Randnr. 94)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 15. Mai 1997, N/Kommission, T‑273/94, Slg. ÖD 1997, I‑A‑97 und II‑289, Randnr. 159; 30. September 2003, Martínez Valls/Parlament, T‑214/02, Slg. ÖD 2003, I‑A‑229 und II‑1117, Randnr. 43; 13. Dezember 2005, Cwik/Kommission, T‑155/03, T‑157/03 und T‑331/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑411 und II‑1865, Randnr. 207

Gericht für den öffentlichen Dienst: 29. September 2009, Wenning/Europol, F‑114/07, Slg. ÖD 2009, I‑A‑1‑363 und II‑A‑1‑1935, Randnr. 210