Language of document : ECLI:EU:C:2020:516

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 2. Juli 2020(1)

Verbundene Rechtssachen C245/19 und C246/19

État du Grand-duché de Luxembourg

gegen

B (C245/19),

B,

C,

D,

F.C. (C246/19),

Beteiligte:

A

(Rechtsschutz gegen Informationsersuchen im Steuerrecht)

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour administrative [Verwaltungsgerichtshof, Luxembourg])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Richtlinie 2011/16/EU – Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung – Art. 1 Abs. 1 – Art. 5 – Informationsersuchen der Finanzbehörde eines anderen Mitgliedstaats – Auskunftsanordnung der ersuchten Finanzbehörde – Voraussichtliche Erheblichkeit der erbetenen Informationen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 7 und 8 – Art. 47 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht – Ausschluss von Rechtsbehelfen des Auskunftsverpflichteten, des von der Auskunft betroffenen Steuerpflichtigen und anderer davon betroffener Dritter“






I.      Einleitung

1.        Die effektive Bekämpfung von Steuervermeidung oder gar Steuerhinterziehung steht gegenwärtig im Fokus der Öffentlichkeit, der rechtlichen Reformen(2) und der Rechtsprechung des Gerichtshofs(3). Zweifellos erfordert der internationale Kampf gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerung durch Steuerpflichtige (sogenanntes BEPS-Projekt der OECD(4)) eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden der Staaten und insbesondere einen effektiven Datenaustausch.

2.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen beschäftigt sich mit der anderen Seite eines effektiven Informationsaustauschsystems: den Rechtsgütern (z. B. dem Grundrecht auf Datenschutz) der auskunftspflichtigen Personen, der Steuerpflichtigen und weiterer Dritter – die unter Umständen keine Kenntnis von der Weitergabe ihrer Daten haben. Im vorliegenden Fall hatte das Großherzogtum Luxemburg einen Rechtsbehelf gegen Auskunftsanordnungen per Gesetz explizit ausgeschlossen.

3.        In der Rechtssache Berlioz(5) hat der Gerichtshof diesbezüglich bereits entschieden, dass derjenige, der im Rahmen eines Austauschs zwischen nationalen Steuerbehörden aufgrund der Richtlinie 2011/16(6) zur Auskunft verpflichtet ist, das Recht hat, im ersuchten Mitgliedstaat die Rechtmäßigkeit der Auskunftsanordnung mittelbar im Rahmen der Anfechtung einer Bußgeldentscheidung zu überprüfen, die die ersuchte Behörde wegen seiner Auskunftsverweigerung verhängt hat.(7)

4.        Nunmehr geht es in diesem Vorabentscheidungsersuchen um den Rechtsbehelf unmittelbar gegen die Auskunftsanordnung der nationalen Finanzbehörde, die der ersuchenden Finanzbehörde eines anderen Mitgliedstaats Informationen zur Verfügung stellen will bzw. muss. Dabei wehren sich hier nicht nur der Auskunftsverpflichtete, sondern auch die Steuerpflichtige und weitere betroffene Dritte.

5.        Der Gerichtshof muss nun klären, ob bereits die Auskunftsanordnung nach Maßgabe der Richtlinie 2011/16 einen Grundrechtseingriff bei dem Auskunftsverpflichteten, dem Steuerpflichtigen und weiteren betroffenen Dritten darstellt, gegen den ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta statthaft sein muss. Darüber hinaus steht in Frage, wie konkret und präzise das Ersuchen im Hinblick auf die betroffenen Personen gefasst sein muss, damit die ersuchte Steuerbehörde die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der angeforderten Informationen für das Steuerverfahren im anderen Mitgliedstaat beurteilen kann. Nur „voraussichtlich erhebliche“ Informationen sind nämlich Gegenstand der Verwaltungszusammenarbeit nach der Richtlinie 2011/16.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Charta der Grundrechte der Europäischen Union

6.        Art. 7 der Charta („Achtung des Privat- und Familienlebens“) lautet:

„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

7.        Art. 8 der Charta („Schutz personenbezogener Daten“) sieht vor:

„(1)      Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2)      Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3)      …“

8.        In Art. 47 Abs. 1 der Charta ist das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf geregelt:

„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.“

2.      Richtlinie 2011/16

9.        Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/16 heißt es:

„… Mit dem Standard der ‚voraussichtlichen Erheblichkeit‘ soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet, und zugleich klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen (‚fishing expeditions‘) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind … “

10.      Art. 1 bestimmt den Gegenstand der Richtlinie 2011/16:

„(1)      Diese Richtlinie legt die Regeln und Verfahren fest, nach denen die Mitgliedstaaten untereinander im Hinblick auf den Austausch von Informationen zusammenarbeiten, die für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten über die in Artikel 2 genannten Steuern voraussichtlich erheblich sind.

(2)      …

(3)      Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung der Vorschriften über die Rechtshilfe in Strafsachen in den Mitgliedstaaten. Sie berührt auch nicht die Erfüllung der Verpflichtungen, die den Mitgliedstaaten in Bezug auf eine umfassendere Zusammenarbeit der Verwaltungen aus anderen Rechtsinstrumenten, einschließlich bi- oder multilateralen Abkommen, erwachsen.“

11.      Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sieht das Verfahren für den Informationsaustausch auf Ersuchen vor:

„Auf Ersuchen der ersuchenden Behörde übermittelt die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde alle in Artikel 1 Absatz 1 genannten Informationen, die sie besitzt oder die sie im Anschluss an behördliche Ermittlungen erhalten hat.“

12.      Art. 6 der Richtlinie 2011/16 regelt die Durchführung des Informationsersuchens:

„(1)      Die ersuchte Behörde trifft Vorkehrungen dafür, dass alle behördlichen Ermittlungen durchgeführt werden, die zur Beschaffung der in Artikel 5 genannten Informationen notwendig sind.

(2)      …

(3)      Zur Beschaffung der erbetenen Informationen oder zur Durchführung der erbetenen behördlichen Ermittlungen geht die ersuchte Behörde nach denselben Verfahren vor, die sie anwenden würde, wenn sie von sich aus oder auf Ersuchen einer anderen Behörde des eigenen Mitgliedstaats handeln würde.

(4)      …“

13.      Schließlich stellt Art. 25 der Richtlinie 2011/16 klar, dass auch bei der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung der Datenschutz gilt.

B.      Völkerrecht

1.      Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen

14.      Die Mitgliedstaaten des Europarats und die Mitgliedsländer der OECD unterzeichneten am 25. Januar 1988 das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen.(8) Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen ratifiziert.

15.      Für alle Arten der Amtshilfe gilt Art. 23 des Übereinkommens über Rechtsbehelfe:

„(1)      Ein Rechtsbehelf gegen die vom ersuchten Staat nach diesem Übereinkommen ergriffenen Maßnahmen ist nur bei den zuständigen Behörden dieses Staats einzulegen.

(2)      …

(3)      Sobald eine endgültige Entscheidung zu dem Rechtsbehelf ergangen ist, unterrichtet der … ersuchte Staat den anderen Staat über die Entscheidung und ihre Auswirkungen auf das Amtshilfeersuchen.“

2.      OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung

16.      Der Rat der OECD nahm am 30. Juli 1963 eine Empfehlung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (OECD-Musterabkommen)(9) an.

17.      Art. 26 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens betrifft den Informationsaustausch und sieht vor:

„(1)      Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten tauschen die Informationen aus, die zur Durchführung dieses Abkommens oder zur Verwaltung oder Anwendung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht. …“

3.      Steuerabkommen zwischen Luxemburg und Spanien

18.      Seit 1988 gilt das am 3. Juni 1986 in Madrid unterzeichnete Steuerabkommen zwischen Luxemburg und dem Königreich Spanien vom 3. Juni 1986.(10) Art. 27 Abs. 1 des Steuerabkommens regelt den Austausch von Informationen und stimmt mit Art. 26 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens überein.

C.      Luxemburgisches Recht

1.      Gesetz vom 29. März 2013

19.      Luxemburg setzte die Richtlinie 2011/16 mit dem Gesetz vom 29. März 2013(11) um.

20.      Art. 6 des Gesetzes vom 29. März 2013 lautet:

„Auf Ersuchen der ersuchenden Behörde übermittelt die ersuchte luxemburgische Behörde ihr alle für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Mitgliedstaats über die in Art. 1 genannten Steuern voraussichtlich erheblichen Informationen, die sie besitzt oder die sie im Anschluss an behördliche Ermittlungen erhalten hat.“

2.      Gesetz vom 25. November 2014

21.      Darauf folgte das Gesetz vom 25. November 2014 über das auf den Informationsaustausch auf Ersuchen in Steuerangelegenheiten anzuwendende Verfahren(12). In dessen Art. 1 ist Folgendes vorgesehen:

„(1)      Dieses Gesetz findet ab seinem Inkrafttreten auf Ersuchen um Austausch von Informationen in Steuerangelegenheiten Anwendung, die von der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates auf folgender Grundlage gestellt werden:

4.      nach dem Gesetz vom 29. März 2013 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung in der geänderten Fassung …“

22.      Art. 2 des Gesetzes vom 25. November 2014 bestimmt:

„(1)      Die Steuerbehörden sind befugt, die zur Durchführung des in den Übereinkünften und Gesetzen vorgesehenen Informationsaustauschs erbetenen Informationen aller Art von demjenigen zu verlangen, der über sie verfügt.

(2)      Der Informationsinhaber ist verpflichtet, die verlangten Auskünfte vollständig, genau und unverändert innerhalb eines Monats nach Zustellung der die verlangten Auskünfte anordnenden Entscheidung zu erteilen. Diese Verpflichtung schließt die Übermittlung der unveränderten Schriftstücke ein, auf denen diese Auskünfte beruhen.

…“

23.      Art. 3 des Gesetzes vom 25. November 2014 lautete:

„(1)      Die zuständige Steuerverwaltung prüft die formelle Ordnungsmäßigkeit des Ersuchens um Informationsaustausch. Das Ersuchen um Informationsaustausch ist formell ordnungsgemäß, wenn es die Angabe der rechtlichen Grundlage und der ersuchenden zuständigen Behörde sowie die weiteren in den Übereinkünften und Gesetzen vorgesehenen Angaben enthält.

(3)      Verfügt die zuständige Steuerverwaltung nicht über die erbetenen Informationen, stellt der Leiter der zuständigen Steuerbehörde oder dessen Vertreter dem Informationsinhaber seine die Erteilung der erbetenen Auskünfte anordnende Entscheidung durch eingeschriebenen Brief zu. Die Zustellung der Entscheidung an den Inhaber der erbetenen Informationen gilt als Zustellung an jede andere darin genannte Person.

…“

24.      Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 sieht vor:

„Werden die verlangten Auskünfte nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der die Erteilung der erbetenen Auskünfte anordnenden Entscheidung erteilt, kann gegen den Informationsinhaber eine steuerliche Geldbuße von bis zu 250 000 Euro verhängt werden. Ihre Höhe wird vom Leiter der zuständigen Finanzbehörde oder dessen Vertreter festgesetzt.“

25.      Art. 6 des Gesetzes vom 25. November 2014 bestimmte:

„(1)      Gegen die in Art. 3 Abs. 1 und 3 genannten Ersuchen um Informationsaustausch und Anordnungen findet kein Rechtsbehelf statt.

(2)      Gegen die in Art. 5 genannten Entscheidungen kann der Informationsinhaber Abänderungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Diese Klage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung an den Inhaber der verlangten Informationen zu erheben. Die Klage hat aufschiebende Wirkung. In Abweichung von den Bestimmungen über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten darf jede Partei nur einen Schriftsatz, einschließlich der Klageschrift, einreichen. Die Klagebeantwortung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Klageschrift bei der Geschäftsstelle des Gerichts einzureichen. Im Interesse der Sachaufklärung kann der Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen Kammer jedoch von Amts wegen anordnen, innerhalb der von ihm zu bestimmenden Frist ergänzende Schriftsätze einzureichen. Das Verwaltungsgericht entscheidet innerhalb eines Monats nach Eingang der Klagebeantwortung oder nach Ablauf der Frist zur Einreichung ergänzender Schriftsätze.“

3.      Das Gesetz vom 1. März 2019

26.      Das Gesetz vom 1. März 2019 zur Änderung des Gesetzes vom 25. November(13) trat am 9. März 2019 in Kraft. Mit dem Gesetz vom 1. März 2019 wurden insbesondere Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 geändert.

27.      Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 sieht nunmehr vor, dass sich die zuständige Steuerverwaltung vergewissert, dass den erbetenen Informationen im Hinblick auf die Identität des betreffenden Steuerpflichtigen und des Informationsinhabers sowie auf die Bedürfnisse der fraglichen Steuerprüfung nicht völlig die voraussichtliche Erheblichkeit fehlt.

28.      Nach Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 steht dem Informationsinhaber nunmehr der Rechtsweg offen, indem er gegen die in Art. 3 Abs. 3 genannte anordnende Entscheidung Aufhebungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben kann.

III. Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsersuchen

29.      Den Ausgangsverfahren liegen zwei Informationsersuchen der spanischen Steuerverwaltung an die luxemburgische Steuerverwaltung zugrunde. Die spanische Steuerverwaltung stützt diese auf das Steuerabkommen zwischen Luxemburg und Spanien vom 3. Juni 1986 und auf die Richtlinie 2011/16. Beide Informationsersuchen betreffen die Künstlerin F.C. mit Wohnsitz in Spanien.

1.      Hintergrund der Rechtssache C245/19

30.      Infolge des ersten Informationsersuchens vom 18. Oktober 2016 erließ der Directeur de l’administration des contributions directes de Luxembourg (Direktor der Verwaltung für direkte Abgaben, Luxemburg) am 16. Juni 2017 eine Anordnung gegen die Gesellschaft luxemburgischen Rechts B. Mit der Anordnung forderte er die Gesellschaft B zunächst auf, für den Zeitraum 2011 bis 2014 Kopien der durch die Gesellschaft B mit den Gesellschaften E und F geschlossenen Verträge über die Rechte von F.C. einzureichen.

31.      Außerdem bat er die Gesellschaft B um die Vorlage der folgenden Informationen und Unterlagen:

„Reichen Sie bitte Kopien aller anderen Verträge der Steuerjahre 2011 bis 2014 und aller anderen zuvor oder danach geschlossenen Verträge mit einem Laufzeitbeginn in den erwähnten Steuerjahren ein, die die Künstlerin Frau F.C. betreffen.“

32.      Schließlich forderte er die Gesellschaft B auf, Kopien aller ausgestellten und eingegangenen Rechnungen im Zusammenhang mit diesen Verträgen sowie die Art ihrer Einziehung und ihre Bezahlung sowie nähere Informationen zu Bankkonten und Finanzinstituten, bei denen die verbuchten Geldbestände verwahrt sind, einzureichen.

33.      Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 25. November 2014 kein Rechtsbehelf gegen diese Anordnung statthaft sei.

2.      Hintergrund der Rechtssache C246/19

34.      Infolge des zweiten Informationsersuchens vom 16. März 2017 erließ die luxemburgische Finanzverwaltung am 29. Mai 2017 eine Anordnung gegen die Bank A mit Sitz in Luxemburg. In dieser forderte sie die Bank A auf, für den Zeitraum von 2011 bis 2014 die aktuellen Inhaber eines bestimmten Bankkontos, die Namen der für das Bankkonto bevollmächtigten Person(en) und die Namen der Person(en), die das Konto eröffnet hat/haben, auch wenn das Datum der Eröffnung nicht in den von der vorliegenden Anordnung erfassten Zeitraum fällt, zu nennen sowie Kontoauszüge für den genannten Zeitraum und die wirtschaftlichen Eigentümer des Kontos einzureichen.

35.      Außerdem wurde die Bank A aufgefordert, die folgenden Informationen und Unterlagen für den Zeitraum von 2011 bis 2014 vorzulegen:

–        „Erteilen Sie bitte Auskunft darüber, ob das Konto … nach dem 31. Dezember 2014 eröffnet wurde. Falls dem so ist, geben Sie bitte an, ob die Gelder von einem anderen, bei Ihrem Institut eröffneten Konto stammen, und, wenn ja, reichen Sie bitte die Auszüge dieses anderen Kontos für den genannten Zeitraum ein.

–        Geben Sie bitte alle Vermögenswerte an, die Frau F.C. für die Gesellschaft D, die Gesellschaft B oder andere von Frau F.C. kontrollierten Gesellschaften im genannten Zeitraum hielt, und reichen Sie diesbezüglich bitte Nachweise ein.

–        Geben Sie bitte alle Vermögenswerte an, deren wirtschaftliche Eigentümer Frau F.C. im genannten Zeitraum war, und reichen Sie diesbezüglich bitte Nachweise ein.“

36.      Schließlich forderte die luxemburgische Finanzverwaltung die Bank A auf, Kopien aller für die vorstehende Anordnung maßgeblichen Dokumente einzureichen. Das Schreiben enthielt ebenfalls den Hinweis, dass gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 25. November 2014 kein Rechtsbehelf gegen die Anordnung statthaft sei.

3.      Die gerichtlichen Ausgangsverfahren

37.      Am 17. Juli 2017 erhoben die Gesellschaft B (Rechtssache C 245/19) und F.C. sowie die Gesellschaften B, C und D (Rechtssache C‑246/19) beim Tribunal administratif (Verwaltungsgericht, Luxemburg) Klagen gegen die Anordnungen der luxemburgischen Finanzverwaltung vom 29. Mai bzw. 16. Juni 2017 und beantragten jeweils Änderung, hilfsweise Aufhebung der Anordnungen. Die Bank A beteiligte sich am letzteren Verfahren.

38.      Mit Urteilen vom 26. Juni 2018 gab das Tribunal administratif (Verwaltungsgericht) den Klagen teilweise statt. Einerseits hob es die Entscheidung vom 29. Mai 2017 (Rechtssache C‑245/19) insoweit auf, als der Gesellschaft B aufgegeben wird, Kopien aller anderen Verträge der Steuerjahre 2011 bis 2014 als die mit den Gesellschaften E und F geschlossenen Verträge über die Rechte von F.C. und aller anderen zuvor oder danach geschlossenen Verträge mit einem Laufzeitbeginn in den erwähnten Steuerjahren einzureichen, die F.C. betreffen.

39.      Andererseits hob es die Entscheidung vom 16. Juni 2017 (Rechtssache C‑246/19) insoweit auf, als der Bank A aufgegeben wird,

–        falls das gegenständliche Bankkonto nach dem 31. Dezember 2014 eröffnet wurde, klarzustellen, ob die Gelder von einem anderen bei dem Bankinstitut eröffneten Konto stammen, und, wenn ja, die Auszüge dieses anderen Kontos für den genannten Zeitraum einzureichen,

–        alle Vermögenswerte anzugeben, die die Steuerpflichtige für andere von ihr kontrollierten Gesellschaften als den Gesellschaften B und D im genannten Zeitraum hielt, und diesbezüglich Nachweise einzureichen und

–        alle Vermögenswerte anzugeben, deren wirtschaftliche Eigentümerin die Steuerpflichtige im genannten Zeitraum war, und diesbezüglich Nachweise einzureichen.

40.      Das Tribunal administratif (Verwaltungsgericht) stützte die Zulässigkeit der Rechtsbehelfe darauf, dass Art. 6 des Gesetzes vom 25. November 2014 gegen Art. 47 der Charta verstoße und daher unangewendet bleiben müsse. Im Rahmen der Begründetheit beurteilte es die genannten, von der luxemburgischen Finanzverwaltung angeforderten Informationen als nicht „voraussichtlich erheblich“ im Sinne der Richtlinie 2011/16.

41.      Gegen diese Urteile legte Luxemburg am 24. Juli 2018 Berufungen bei der Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof, Luxemburg) ein. Luxemburg meint insbesondere zum einen, dass nach luxemburgischem Recht nur ein Rechtsbehelf gegen die Verhängung einer Geldbuße vor den Verwaltungsgerichten statthaft sei. Das genüge den Anforderungen von Art. 47 der Charta. Zum anderen seien die von den spanischen Behörden verlangten Informationen „voraussichtlich erheblich“.

4.      Vorabentscheidungsersuchen und Vorlagefragen

42.      Unter diesen Umständen hat die Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof) die Verfahren mit Beschlüssen vom 14. März 2019 ausgesetzt und dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑245/19 gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Art. 7, 8 und 52 Abs. 1 der Charta gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass sie innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen im Rahmen der insbesondere zur Durchführung der Richtlinie 2011/16 geschaffenen verfahrensrechtlichen Regelung des Informationsaustauschs auf Ersuchen jeder, insbesondere gerichtliche Rechtsbehelf des über die Informationen verfügenden Dritten gegen eine Entscheidung ausgeschlossen ist, mit der ihn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zur Vorlage von Informationen an sie verpflichtet, um dem Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats um Informationsaustausch zu entsprechen?

2.      Sind, falls die erste Frage bejaht wird, Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Entwicklung der gewandelten Auslegung von Art. 26 des OECD-Mustersteuerabkommens, dahin auszulegen, dass ein Ersuchen um Austausch zusammen mit einer dem Ersuchen nachkommenden Anordnung der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats das Kriterium der nicht offensichtlich fehlenden voraussichtlichen Erheblichkeit erfüllt, sofern der ersuchende Mitgliedstaat unter Angabe der Identität des betroffenen Steuerpflichtigen, des von der Untersuchung im ersuchenden Mitgliedstaat erfassten Zeitraums und der Identität des Inhabers der betreffenden Informationen um Informationen über Verträge samt zugehöriger Rechnungen und Zahlungen nachsucht, die nicht näher bestimmt sind, aber dadurch eingegrenzt sind, dass sie erstens von dem festgestellten Informationsinhaber geschlossen worden seien, zweitens während der von der Untersuchung der Behörden des ersuchenden Staates erfassten Steuerjahre in Kraft gewesen seien und sie drittens einen Zusammenhang mit dem betreffenden identifizierten Steuerpflichtigen aufwiesen?

43.      In der Rechtssache C‑246/19 hat die Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof) dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1.      Sind die Art. 7, 8 und 52 Abs. 1 der Charta gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass sie innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen im Rahmen der insbesondere zur Durchführung der Richtlinie 2011/16 geschaffenen verfahrensrechtlichen Regelung des Informationsaustauschs auf Ersuchen jeder, insbesondere gerichtliche Rechtsbehelf des von der Untersuchung im ersuchenden Mitgliedstaat betroffenen Steuerpflichtigen und einer dritten betroffenen Person gegen eine Entscheidung ausgeschlossen ist, mit der die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats einen Informationsinhaber zur Vorlage von Informationen an sie verpflichtet, um dem Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats um Informationsaustausch zu entsprechen?

2.      Sind, falls die erste Frage bejaht wird, Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der gewandelten Auslegung von Art. 26 des OECD-Mustersteuerabkommens, dahin auszulegen, dass ein Ersuchen um Austausch zusammen mit einer dem Ersuchen nachkommenden Anordnung der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats das Kriterium der nicht offensichtlich fehlenden voraussichtlichen Erheblichkeit erfüllt, sofern der ersuchende Mitgliedstaat unter Angabe der Identität des betroffenen Steuerpflichtigen, des von der Untersuchung im ersuchenden Mitgliedstaat erfassten Zeitraums und der Identität des Inhabers der betreffenden Informationen um Informationen über Bankkonten und finanzielle Aktiva nachsucht, die nicht näher bestimmt sind, aber dadurch eingegrenzt sind, dass sie sich erstens im Besitz eines festgestellten Informationsinhabers befänden, zweitens in den von der Untersuchung der Behörden des ersuchenden Staates erfassten Steuerjahrenund sie drittens einen Zusammenhang mit dem betreffenden identifizierten Steuerpflichtigen aufwiesen?

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

44.      Mit Beschluss vom 26. April 2019 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C‑245/19 und C‑246/19 zum gemeinsamen schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie gemeinsamen Urteil verbunden.

45.       Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben Luxemburg, das Königreich Belgien, Spanien, die Französische Republik, die Hellenische Republik, die Republik Polen und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. An der mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2020 haben sich Luxemburg, Spanien, Frankreich und die Kommission beteiligt.

V.      Rechtliche Würdigung

A.      Zu den jeweils ersten Vorlagefragen

46.      Mit seinen ersten Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht im Ergebnis wissen, ob Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass der Adressat einer Auskunftsanordnung, der betroffene Steuerpflichtige und betroffene Dritte einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Auskunftsanordnung der ersuchten Behörde haben müssen. Insoweit ist von Bedeutung, ob die genannten Personengruppen möglicherweise in ihren Rechten aus Art. 7 und 8 der Charta (Achtung des Privatlebens, Schutz personenbezogener Daten) verletzt worden sind.

1.      Verstoß gegen Art. 47 der Charta in Bezug auf den Adressaten der Auskunftsanordnung (C245/19)

47.      In Bezug auf den Adressaten hat Luxemburg mit Gesetz vom 1. März 2019 eine Rechtsbehelfsmöglichkeit unmittelbar gegen die Auskunftsanordnung eingeführt. Dies ändert jedoch nichts an der Zulässigkeit der ersten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑245/19. Denn der Adressat im vorliegenden Fall erhob vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. März 2019 Klage.

48.      Ob der Ausschluss eines Rechtsbehelfs gegen eine Auskunftsanordnung im Rahmen des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs Rechte des Adressaten im Sinne des Art. 47 der Charta verletzt, hängt davon ab, ob die Auskunftsanordnung in den Anwendungsbereich der Charta fällt und „durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten“ betrifft.

a)      Auskunftsanordnung als Durchführung des Rechts der Union

49.      Nach ihrem Art. 51 Abs. 1 gilt die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.

50.      In der Rechtssache Berlioz hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht durchführt, wenn er eine Geldbuße gegen einen Verwaltungsunterworfenen vorsieht, der sich im Rahmen eines u. a. auf die Bestimmungen der Richtlinie 2011/16 gestützten Austauschs zwischen Steuerbehörden weigert, Informationen mitzuteilen.(14)

51.      Wenn schon die von der Richtlinie 2011/16 nicht geregelte Bußgeldanordnung eine Durchführung des Unionsrechts darstellt, dann gilt dies erst recht für die in Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/16 geregelte Durchführung eines Informationsersuchens durch die Finanzbehörden des ersuchten Mitgliedstaates. Der Anwendungsbereich der Charta ist daher eröffnet.

b)      Verletzung von Art. 47 der Charta

52.      Der Ausschluss des Rechtsbehelfs gegen die Auskunftsanordnung stellt dann eine Verletzung des Art. 47 der Charta für den Adressaten der Auskunftsanordnung dar, wenn diese möglicherweise seine unionsrechtlich garantierten Rechte oder Freiheiten verletzt.

53.      Die Richtlinie 2011/16 stellt zwar lediglich Regeln für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten auf. Sie enthält daher keine Rechte für den Einzelnen. Jedoch kann sich ein Verwaltungsunterworfener im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2011/16 auf Art. 47 der Charta berufen und seine Sache vor einem Gericht verteidigen.(15)

54.      In Bezug auf den Adressaten der Auskunftsanordnung kann offenbleiben, ob und welche konkreten Grundrechte der Charta möglicherweise verletzt worden sind. Denn wie der Gerichtshof in der Rechtssache Berlioz bereits entschieden hat, besteht diese Möglichkeit bei dem Adressaten einer belastenden hoheitlichen Maßnahme immer.(16)

55.      Dies gilt für den Adressaten einer Auskunftsanordnung in gleichem Maße wie für einen Adressaten eines Bußgeldbescheids. Denn anders als einige Mitgliedstaaten vortragen, stellt bereits die Auskunftsanordnung einen belastenden Rechtsakt gegenüber dem Adressaten dar. Die Auferlegung einer solchen – noch dazu bußgeldbewehrten – Auskunftsverpflichtung stellt nicht lediglich eine vorbereitende Maßnahme dar. Zum einen wird der Adressat unmittelbar zu einem bestimmten Tun – hier der Herausgabe von Informationen – verpflichtet. Zum anderen wird auch nicht eine belastende Maßnahme gegenüber dem Auskunftsverpflichteten vorbereitet. Vorbereitet wird dadurch allenfalls der Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen. Die Auskunftsanordnung ist auch keine vorbereitende Maßnahme eines Bußgeldbescheides. Denn der Bußgeldbescheid sanktioniert die Missachtung der Auskunftsanordnung und ist nicht ihr Ziel.

56.      Auch die Möglichkeit eines inzidenten Rechtsbehelfs – wie der Gerichtshof sie in der Rechtssache Berlioz durch die Rechtsbehelfsmöglichkeit gegen eine etwaige Bußgeldanordnung etabliert hat(17) – ändert, anders als Luxemburg meint, nichts an diesem Ergebnis.

57.      In einem Rechtsstaat wie auch in einer Rechtsunion ist es unzumutbar, von einem Betroffenen zu verlangen, gegen eine behördliche Anordnung zu verstoßen, um inzident die Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüfen zu können.(18) Dies gilt umso mehr, wenn es – wie hier, worauf die Kommission zutreffend hinweist – im Ermessen der Finanzbehörde steht, ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Dann hätte es die Finanzbehörde nämlich in der Hand, eine Rechtmäßigkeitskontrolle des Auskunftsverlangens zu verhindern, indem sie ein Bußgeldverfahren unterlässt.

c)      Ergebnis

58.      Der Adressat einer Auskunftsanordnung, die im Rahmen eines Austauschs zwischen Steuerbehörden der Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 2011/16 erlassen wurde, hat gemäß Art. 47 der Charta das Recht, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Ausschluss des Rechtsschutzes für den Adressaten einer Auskunftsanordnung verstößt mithin gegen Art. 47 der Charta.

2.      Verstoß gegen Art. 47 der Charta in Bezug auf die von der Auskunftsanordnung betroffene Steuerpflichtige (C246/19)

59.      Darüber hinaus ist zu klären, ob der Ausschluss eines Rechtsbehelfs für die Steuerpflichtige, die von einer Auskunftsanordnung gegenüber einem anderen mittelbar betroffen ist, eine Verletzung von Art. 47 der Charta darstellt.

60.      Der Erlass der Auskunftsanordnung im grenzüberschreitenden Informationsaustausch der Finanzbehörden ist Durchführung des Unionsrechts. Damit ist der Anwendungsbereich der Charta eröffnet (vgl. oben, Nrn. 49 ff.).

a)      Mögliche Verletzung von Grundrechten der mittelbar betroffenen Steuerpflichtigen

61.      Damit Art. 47 der Charta greift, müssten eigene Rechte oder Freiheiten der Steuerpflichtigen betroffen sein. In Betracht kommt ein Eingriff in das Grundrecht der Steuerpflichtigen auf den Schutz personenbezogener Daten, wenn eine Finanzbehörde einen anderen (in der Rechtssache C‑246/19 eine Bank) verpflichtet, Informationen über Bankkonten, Gesellschaftsbeteiligungen und finanzielle Vermögenswerte dieser Steuerpflichtigen mitzuteilen.

62.      Nach Art. 8 Abs. 1 der Charta hat jede Person das Recht auf den Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

63.      Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die eine bestimmte oder bestimmbare Person betreffen.(19) Informationen über die Höhe des Einkommens sind personenbezogene Daten.(20) Gleiches gilt für Informationen über Bankdaten. Insoweit kann auch auf eine reichhaltige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK zurückgegriffen werden.(21)

64.      Im vorliegenden Fall geht es um Informationen über Konten, Kontostände, andere Vermögenswerte und Gesellschaftsbeteiligungen einer natürlichen Person, also personenbezogene Daten. Damit ist der Schutzbereich des Art. 8 der Charta eröffnet.

65.      Bereits die Verpflichtung zur Übermittlung dieser Daten an die Finanzverwaltung durch den Adressaten der Auskunftsanordnung greift in das Grundrecht der Steuerpflichtigen ein. Entgegen der Auffassung einiger Mitgliedstaaten kann ein Eingriff nicht mit dem Argument verneint werden, dass die Anordnung noch keinen belastenden Rechtsakt darstelle, sondern erst ihre Durchführung. Vielmehr stellt schon die Anordnung im Verhältnis zum Adressaten einen unmittelbar belastenden Rechtsakt (dazu oben, Nr. 61) und im Verhältnis zum Steuerpflichtigen einen mittelbar belastenden Rechtsakt dar. Bereits die Handlungspflicht des Adressaten gefährdet auch die Grundrechte des Steuerpflichtigen. Denn mit der gebotenen Erfüllung der Verpflichtung erhält der Hoheitsträger Zugriff auf die personenbezogenen Daten, ohne dass deren Inhaber damit einverstanden ist.(22)

66.      Die Rechtsprechung des EGMR steht dem nicht entgegen. Danach ist spätestens die Übermittlung von Bankdaten des Steuerpflichtigen an die Steuerbehörden des ersuchenden Staates ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 EMRK.(23) Dies schließt jedoch nicht aus, dass ein Eingriff auch schon früher vorliegt.

67.      Im Ergebnis ist mit der Verpflichtung eines Dritten zur Weitergabe personenbezogener Daten der Steuerpflichtigen jedenfalls deren Grundrecht aus Art. 8 der Charta betroffen. Ob darüber hinaus auch ein Eingriff in Art. 7 der Charta (Achtung des Privat- und Familienlebens) vorliegt, kann insoweit offenbleiben.

b)      Verletzung von Art. 47 der Charta durch Ausschluss des Rechtsbehelfs trotz Anfechtungsmöglichkeit des Steuerbescheides

68.      Rechtsschutz vor den Gerichten des ersuchten Staates, hier Luxemburg, wäre nicht notwendig, wenn es ausreicht, dass die Steuerpflichtige später den gegen sie wohl ergehenden Steuerbescheid – hier der ersuchenden spanischen Finanzbehörden – anfechten kann. Sofern die Steuerpflichtige in diesem Rechtsstreit auch Mängel bei der Beweiserhebung rügen kann, könnte man vertreten, dass der ihr in Spanien gewährte Rechtsbehelf hinreichend wirksam ist, um eine Verletzung des Art. 47 der Charta auszuschließen.

69.      Dafür spricht, dass Art. 47 der Charta keine konkrete Aussage zur Ausgestaltung eines wirksamen Rechtsbehelfs enthält, sondern nur verlangt, dass jede Person bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen kann. Dass dieser Rechtsbehelf sich direkt gegen den staatlichen Hoheitsakt richten muss, setzt dies nicht voraus. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann auch ein lediglich inzidenter Rechtsbehelf unter gewissen Umständen wirksam sein.(24) Daraus schlussfolgern insbesondere Luxemburg, Frankreich und Spanien, dass der Rechtsbehelf gegen den Steuerbescheid ausreichend sei.

70.      Für diese Auffassung könnte das Ziel der Richtlinie 2011/16, nämlich die effektive Bekämpfung der internationalen Steuerhinterziehung und Steuerflucht sprechen.(25) Rechtsschutz bereits vor und gegen die Auskunftserteilung führt mindestens zu Verzögerungen.

71.      Jedoch liegen zwei unterschiedliche, voneinander unabhängige Eingriffe in die Sphäre eines Grundrechtsträgers vor, die rechtlich voneinander zu trennen sind. Einmal werden personenbezogene Daten bei einem anderen eingefordert. Damit wird in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen eingegriffen, die auf unionsrechtlicher Ebene durch Art. 7 und 8 der Charta geschützt wird. Das andere Mal wird dem Steuerpflichtigen eine Geldzahlungsverpflichtung auferlegt. Letzteres berührt normalerweise nicht das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre, sondern gegebenenfalls die Grundrechte aus Art. 20 (Gleichheit vor dem Gesetz) sowie Art. 16 und 17 der Charta (Unternehmerische Freiheit und Eigentumsrecht).

72.      Die Unabhängigkeit der Eingriffe zeigt sich auch darin, dass die Datenerhebung nicht rechtswidrig wird, nur weil der Steuerbescheid falsch ist. Der Steuerbescheid wird auch nicht zwingend falsch, nur weil die Datenerhebung rechtswidrig war. Falls die rechtswidrige Datenerhebung Eingang in den Steuerbescheid gefunden hat, folgt ein absolutes Verwertungsverbot jedenfalls nicht aus dem Unionsrecht.(26)

73.      Im Übrigen steht nicht fest, ob und wann ein Steuerbescheid erlassen wird. Führen die erhobenen Daten zum Beispiel dazu, dass ein Steueranspruch des ersuchenden Staates nicht existiert, kommt es nie zu einem entsprechenden belastenden Steuerbescheid, den der Steuerpflichtige anfechten könnte. Gleiches gilt, wenn die erhobenen Daten nicht steuerrelevant waren, jedoch aus anderen Gründen ein Steuerbescheid erlassen wird. Im Rechtsbehelf gegen diesen Steuerbescheid könnte der Steuerpflichtige die Rechtswidrigkeit der „erfolglosen“ Datenerhebung kaum rügen.

74.      Aus all diesen Gründen ist ein inzidenter Rechtsbehelf gegen die Datenerhebung mittels eines Rechtsbehelfs gegen den Steuerbescheid kein wirksamer Rechtsbehelf im Sinne des Art. 47 der Charta. Ein solcher Rechtsbehelf kann den Eingriff in den Schutz der persönlichen Daten nicht mehr wirksam verhindern. Dieser ist bereits mit der Datenerhebung erfolgt. Eine sich eventuell anschließende Datenverwertung perpetuiert diesen Eingriff lediglich, so dass ein Rechtsbehelf gegen die Verwertung im Rahmen des Steuerverfahrens – selbst wenn es ein entsprechendes Verwertungsverbot gäbe – auch nur die Perpetuierung des Eingriffs abwehrt, nicht aber den Eingriff selbst.

75.      Eine Rechtsbehelfsmöglichkeit lässt die grenzüberschreitende Amtshilfe auch nicht leerlaufen, wie andere Mitgliedstaaten zeigen, bei denen eine Rechtsbehelfsmöglichkeit besteht.(27) Dies hängt vielmehr von der Ausgestaltung des Rechtsbehelfs ab. Bei der Ausgestaltung kann das in den Erwägungsgründen 6, 27 und 29 der Richtlinie 2011/16 erwähnte Interesse an einer wirksamen und zeitnahen Amtshilfe durchaus berücksichtigt werden. Der Ausschluss jeglicher Rechtsbehelfe verstößt aber gegen die Gewährleistung aus Art. 47 der Charta.

76.      Im Übrigen geht selbst die Richtlinie 2011/16 von einer rechtlich begrenzten Verpflichtung zur Amtshilfe aus. Denn der ersuchende Staat darf nur voraussichtlich erhebliche Informationen erfragen (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 sowie den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/16). Diese Voraussetzung kann der Adressat gerichtlich überprüfen lassen – sei es im Rahmen der Anfechtung eines Bußgeldbescheids(28), sei es im Rahmen der Anfechtung gegen die Anordnung selbst (dazu oben, Nrn. 52 ff.).

77.      Nicht zuletzt kann auch nach Art. 23 Abs. 1 des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen ein Rechtsbehelf gegen die vom ersuchten Staat ergriffenen Maßnahmen eingelegt werden (vgl. Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2011/16).

78.      Diesem Ergebnis steht entgegen der Ausführungen fast aller Beteiligten auch nicht das Urteil in der Rechtssache Sabou(29) entgegen. Dieses betraf weder die Konstellation in der Rechtssache Berlioz(30) noch die hier vorliegende.

79.      Vielmehr ging es in der Rechtssache Sabou um die Frage, ob eine (weitere) Anhörung innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens für ein Informationsersuchen zwischen zwei Steuerbehörden notwendig sei. Konkret ging es darum, ob die ersuchende Behörde den Steuerpflichtigen anhören und beteiligen muss, bevor sie seine Auskünfte durch Informationsersuchen an die Finanzbehörden eines anderen Mitgliedstaats überprüft.

80.      Während es in der Rechtssache Sabou um eine Anfrage bei einem anderen Hoheitsträger ging, geht es vorliegend um eine sanktionsbewährte Anordnung gegenüber einer Privatperson. Solange eine Steuerbehörde lediglich wie in der Rechtssache Sabou Informationen bei einer Steuerbehörde eines anderen Mitgliedstaats anfragt, ist sie unionsrechtlich nicht verpflichtet, dies dem Steuerpflichtigen anzuzeigen und seine Stellungnahme einzuholen.(31) Die Charta gebietet keinen Rechtsbehelf gegen jeden Zwischenschritt in einem Verwaltungsverfahren.(32) Auskunftsanordnungen gegenüber Dritten gehen hingegen über eine derartige vorbereitende Ermittlungstätigkeit der Steuerbehörden hinaus.

81.      Zudem war der Steuerpflichtige in der Rechtssache Sabou bereits gehört worden, weil er die zu überprüfenden Angaben selbst gemacht hatte. Vor diesem Hintergrund lehnte der Gerichtshof das Recht auf rechtliches Gehör zu einem Zwischenschritt im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ab.(33) Vorliegend geht es aber nicht um rechtliches Gehör in einem Verwaltungsverfahren. Vielmehr geht es um das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor Gericht, um eine an einen anderen Privaten gerichtete Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, die die eigene Person betrifft. Für diese hier vorliegende Konstellation trifft das Urteil Sabou damit keine Aussage.

c)      Ergebnis

82.      Der im Rahmen eines Austauschs zwischen Steuerbehörden der Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 2011/16 betroffene Steuerpflichtige kann also gemäß Art. 47 der Charta die Rechtmäßigkeit einer Auskunftsanordnung, die an einen anderen ergangen ist und seine personenbezogenen Daten betrifft, vor Gericht überprüfen lassen. Der Ausschluss der Rechtsschutzmöglichkeit verstößt gegen Art. 47 der Charta.

3.      Verstoß gegen Art. 47 der Charta in Bezug auf einen von der Auskunftsanordnung betroffenen Dritten (C246/19)

83.      Damit bleibt im Rahmen der jeweils ersten Fragen noch zu klären, ob Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass auch für betroffene Dritte ein Rechtsbehelf gegen Anordnungen der ersuchten Steuerbehörde statthaft sein muss.

84.      Diese betroffenen Dritten sind dabei weder selbst Adressaten der Anordnungen der ersuchten Steuerbehörde (zu diesen oben, Nrn. 47 ff.) noch selbst Beteiligte am Steuerverfahren der ersuchenden Steuerbehörde (zu jenen oben, Nrn. 59 ff.).

85.      In dem Verfahren, das zu der Rechtssache C‑246/19 führte, hat die luxemburgische Finanzverwaltung die Bank A insbesondere aufgefordert, Informationen zu Bankkonten und Vermögenswerten, die auch Dritte (die Gesellschaften B, C und D) betreffen, vorzulegen. Wie gegenüber dem Steuerpflichtigen (dazu oben, Nrn. 62 ff.) muss die Auskunftsanordnung auch gegenüber betroffenen Dritten möglicherweise „durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten“ verletzen (Art. 47 der Charta).

86.      Auch hierzu haben die Beteiligten diametrale Standpunkte eingenommen. Während Frankreich und Luxemburg es für nicht erforderlich halten, betroffenen Dritten Rechtsschutz zu gewähren, vertritt die Kommission die Ansicht, dass ein solches Recht aus Art. 47 der Charta folge.

a)      Mögliche Verletzung von Grundrechten der mittelbar betroffenen Dritten

87.      Zu klären ist damit, ob Rechte oder Freiheiten der Dritten, hier verschiedene Gesellschaften, im Sinne des Art. 47 der Charta betroffen sind, wenn die Finanzbehörde andere verpflichtet, Informationen über Bankkonten und Vermögenswerte der Gesellschaften weiterzugeben. In Betracht kommen auch hier die Grundrechte aus Art. 7 und 8 der Charta.

88.      Dem Wortlaut nach würde Art. 8 der Charta („Person“, „personenbezogene Daten“) zwar passen. Allerdings fallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Anlehnung an den Wortlaut des datenschutzrechtlichen Sekundärrechts(34) grundsätzlich nur natürliche Personen in den Anwendungsbereich des Datenschutzgrundrechts aus Art. 8 der Charta. Juristische Personen hingegen sollen sich nur auf den Schutz „personenbezogener Daten“ durch Art. 8 der Charta berufen können, soweit ihr Name eine natürliche Person bestimmt.(35) Ob dies hier der Fall ist, kann offenbleiben, da sich die Gesellschaften hier möglicherweise auf ein Recht aus Art. 7 der Charta stützen können.

89.      Art. 7 der Charta enthält das Grundrecht jeder Person auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Es erstreckt sich hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten auf jede Information, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft.(36) Der Schutz des Privatlebens erfasst auch berufliche oder geschäftliche Aktivitäten, einschließlich damit einhergehender Transaktionen.(37) Dazu gehören auch Informationen über Bankdaten.(38)

90.      Vor diesem Hintergrund können sich auch juristische Personen auf Art. 7 der Charta berufen.(39) Allerdings können im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 7 der Charta bei juristischen Personen andere Maßstäbe zur Anwendung kommen als bei natürlichen Personen.(40) Für das Vorliegen eines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta spielt dies jedoch keine Rolle.

91.      Vorliegend wurden Informationen zu Bankkonten und Vermögenswerten verlangt, die auch die Gesellschaften B, C und D betreffen. Daher können sich diese juristischen Personen auf Art. 7 der Charta berufen.

92.      Anders als einige Mitgliedstaaten vorgetragen haben, kann ein Eingriff in Art. 7 der Charta für betroffene Dritte ähnlich bedeutsam sein wie für den Adressaten der Anordnung der ersuchten Behörde und die Steuerpflichtige. So hebt die Kommission zutreffend hervor, dass das Informationsersuchen und die daraufhin ergehende Anordnung durch die ersuchte Behörde von falschen Tatsachen ausgehen könnten, die Dritte betreffen. Mit der Weitergabe der Daten an einen Hoheitsträger erhält eine fremde Person Zugriff auf diese, unabhängig davon, ob der Inhaber der Daten damit einverstanden ist. Genau dies möchte Art. 7 der Charta aber verhindern. Dieses Beispiel macht das praktische Bedürfnis der betroffenen Dritten nach wirksamen Rechtsbehelfen gegen solche Anordnungsverfügungen deutlich.

93.      Für das Vorliegen eines Eingriffs in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens kommt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch nicht darauf an, ob die betreffenden Informationen sensiblen Charakter haben oder ob die Betroffenen durch den Eingriff Nachteile erlitten haben könnten.(41)

94.      Die Verpflichtung zur Weitergabe dieser Daten an die Finanzverwaltung durch einen anderen greift auch bereits in das Grundrecht der betroffenen dritten Gesellschaften ein.(42)

95.      Entgegen der Auffassung Frankreichs können Anordnungen der ersuchten Behörde nicht als vorbereitender Akt der Informationsbeschaffung angesehen werden, von dem noch keine belastenden Wirkungen ausgehen, so dass noch kein Eingriff in Art. 7 der Charta vorläge. Gegenüber betroffenen Dritten ergeht nämlich gar kein nachfolgender Rechtsakt, der mit dieser Anordnung vorbereitet werden soll. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Nrn. 68 ff.), bereitet die Anordnung allenfalls den Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen vor, nicht aber einen Rechtsakt gegenüber betroffenen Dritten.

96.      Vielmehr ist der Eingriff mit der angeordneten Weitergabe der Daten durch einen anderen Privaten an die Finanzbehörde bereits vollendet. Art. 7 der Charta setzt nicht voraus, dass noch ein weiterer finanzieller oder immaterieller Schaden eintritt, der dann im Nachgang anderweitig liquidiert werden könnte.

97.      Anders als Luxemburg meint, steht der Annahme eines Eingriffs in Grundrechte von betroffenen Dritten auch nicht der Beschluss Othymia Investments/Niederlande des EGMR entgegen. Dieser betraf nur die Anfechtung des Informationsersuchens zwischen zwei Finanzbehörden. Der EGMR hat lediglich festgestellt, dass Art. 8 der EMRK nicht zu einer vorherigen Benachrichtigung aller möglichen Betroffenen über einen Informationsaustausch in Steuersachen verpflichtet.(43) Gegenstand dieses Beschlusses war damit allein eine Benachrichtigungsverpflichtung und nicht der Rechtsschutz gegen eine Auskunftsanordnung.

98.      Wenn eine Finanzbehörde einen anderen verpflichtet, ihr Informationen über Bankkonten und Vermögenswerte Dritter zu übermitteln, verletzt sie damit möglicherweise die Rechte dieser Dritten aus Art. 7 der Charta.

b)      Verletzung von Art. 47 der Charta durch Ausschluss von Rechtsbehelfen

99.      Damit ist zu prüfen, ob das Recht der betroffenen Dritten aus Art. 47 der Charta durch den Ausschluss eines Rechtsbehelfs gegen die Auskunftsanordnung verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn kein wirksamer Rechtsbehelf der betroffenen Dritten gewährleistet ist.

100. Die Besonderheit für betroffene Dritte besteht darin, dass sie an keinem Verwaltungsverfahren unmittelbar beteiligt sind. Sie sind weder in das Steuerverwaltungsverfahren wie der Steuerpflichtige noch in das Auskunftsverfahren wie der Auskunftsverpflichtete unmittelbar involviert. Dritte haben insoweit keinerlei Beteiligtenrechte wie etwa ein Recht auf Anhörung.

101. Die Anordnungen der ersuchten Behörde betreffen Dritte jedoch insoweit, als die ersuchte Behörde personenbezogene Daten der betroffenen Dritten von einem anderen Privaten verlangt. Im Unterschied zum Adressaten und zum Steuerpflichtigen können betroffene Dritte dabei weder gegen eine etwaige Sanktion wegen Verstoßes gegen die Anordnung noch gegen den späteren Steuerbescheid vorgehen. Betroffene Dritte haben damit bei einer Regelung wie der vorliegenden überhaupt keinen – und damit auch keinen wirksamen – Rechtsbehelf gegen sie betreffende Auskunftsanordnungen der ersuchten Behörde.

102. Auch ein inzidenter Rechtsbehelf im Rahmen eines späteren Staatshaftungsprozesses ist – anders als Frankreich meint – kein wirksamer Rechtsbehelf im Sinne des Art. 47 der Charta. Zunächst kann dieser Rechtsbehelf, der zudem an weitere Voraussetzungen gebunden ist, eine Verletzung der Grundrechte nicht verhindern, sondern allenfalls einen erlittenen Schaden ausgleichen. Allein sekundäre Schadensersatzmöglichkeiten stellen aber keinen wirksamen Rechtsbehelf dar.(44)

103. Auch der Verweis Frankreichs auf einen Rechtsbehelf in einem später u. a. auch gegen die betroffenen Dritten eingeleiteten Steuerverfahren geht fehl. Wie bereits oben ausgeführt, greift diese Argumentation schon nicht im Verhältnis zum Steuerpflichtigen, weil im Moment des Grundrechtseingriffs überhaupt nicht feststeht, ob es überhaupt zu einer Steuerfestsetzung kommt (dazu oben, Nrn. 68 ff.). Dies gilt erst recht im Verhältnis zu einem betroffenen Dritten.

104. Zwar trägt Frankreich die „Hypothese“ vor, dass es sich bei den vorliegend betroffenen Dritten um von der Steuerpflichtigen gehaltene „rein künstliche“ Gesellschaften handle. Deren Interessen würden sich mit denen der Steuerpflichtigen überschneiden. Deshalb reiche der Rechtsbehelf der Steuerpflichtigen aus. Allerdings haben auch solche Gesellschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit und können Träger eigener Grundrechte sein. Das gilt auch dann, wenn sie von anderen kontrolliert werden. Selbst wenn ein Verdacht bestehen sollte, dass eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, ändert das nichts an ihrer Existenz und damit an einem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, schon damit sie diesen Verdacht vor Gericht ausräumen könnten.

105. Im Übrigen sind auch nicht alle potenziell von Anordnungen ersuchter Behörden betroffene Dritte mit dem Steuerpflichtigen verbunden. Dieser Einwand Frankreichs vermag damit an dem Recht der betroffenen Dritten auf wirksamen Rechtsschutz nichts zu ändern.

106. Schließlich gelten die Ausführungen zu Art. 23 des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in Bezug auf die Steuerpflichtige (dazu oben, Nr. 77) gleichermaßen für betroffene Dritte.

107. Insofern bleibt es bei dem Ergebnis, dass der Ausschluss von Rechtsbehelfen gegen Auskunftsanordnungen der ersuchten Behörde das Recht davon betroffener Dritter auf wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta verletzt.

c)      Ergebnis

108. Dritte, die von einer Auskunftsanordnung im Rahmen eines Austauschs zwischen Steuerbehörden der Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 2011/16 betroffen sind, können diese gemäß Art. 47 der Charta gerichtlich überprüfen lassen. Ein Ausschluss der Rechtsbehelfsmöglichkeit verstößt gegen Art. 47 der Charta.

B.      Zu den jeweils zweiten Vorlagefragen: Voraussichtliche Erheblichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16

109. Die jeweils zweiten Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑245/19 und C‑246/19 sind weitgehend identisch. Sie unterscheiden sich nur bezüglich der Informationen, die der ersuchende Mitgliedstaat Spanien beim ersuchten Mitgliedstaat Luxemburg angefordert hat.

110. Im Kern möchte das vorlegende Gericht wissen, wie das in Art. 5 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16 enthaltene Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlich erheblich(en)“ Informationen auszulegen ist. Ob dieses im jeweiligen Einzelfall erfüllt ist, ist keine Frage der Auslegung, sondern der Anwendung des Unionsrechts und damit Aufgabe des nationalen Gerichts.

111. Diesbezüglich hat der Gerichtshof in der Rechtssache Berlioz bereits entschieden, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 ergibt, dass der Ausdruck „voraussichtlich erheblich“ die Qualität bezeichnet, die die erbetenen Informationen aufweisen müssen. Die Pflicht der ersuchten Behörde nach Art. 5 der Richtlinie 2011/16, mit der ersuchenden Behörde zusammenzuarbeiten, erstreckt sich nicht auf die Mitteilung von Informationen, denen diese Qualität fehlt.(45)

112. Die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der erbetenen Informationen ist mithin eine Voraussetzung für ein Ersuchen.(46) Der vorliegende Fall gibt Anlass, zu klären, nach welchen Kriterien dieses Tatbestandsmerkmal zu beurteilen ist.

113. Der Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit spiegelt dabei den in Art. 26 des OECD-Musterabkommens verwendeten Begriff wider. Der Gerichtshof hat dies zutreffend damit begründet, dass sich die in der Richtlinie 2011/16 und in Art. 26 des OECD-Musterabkommens verwendeten Konzepte insofern ähneln. Dementsprechend nimmt die Begründung des Vorschlags, der zur Richtlinie 2011/16 geführt hat,(47) Bezug auf das OECD-Musterabkommen.(48)

114. Auch ausweislich des Kommentars zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens(49) dürfen die Vertragsstaaten keine fishing expeditions unternehmen. Sie dürfen nicht um Auskünfte ersuchen, die wahrscheinlich für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen unerheblich sind. Vielmehr muss vernünftigerweise die Möglichkeit bestehen, dass die erbetenen Auskünfte erheblich sind.(50) Die Erläuterungen zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens enthalten in Abschnitt 8 typische Fälle(51), in denen eine voraussichtliche Erheblichkeit angenommen werden könne. Darin wurde nachträglich die Fallgruppe der Kontenabfragen eingefügt.(52) Vor diesem Hintergrund fragt das vorlegende Gericht nach der Relevanz dieser Änderungen für die Auslegung der Richtlinie 2011/16.

115. In der Folge werde ich zunächst der Frage nachgehen, ob nachträgliche Änderungen des Kommentars zum OECD-Musterabkommen für die Auslegung der Richtlinie 2011/16 relevant sind (dazu 1). Sodann wende ich mich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der voraussichtlichen Erheblichkeit zu (dazu 2).

1.      Relevanz der Änderungen des Kommentars zum OECD-Musterabkommen?

116. Das vorlegende Gericht fragt insbesondere danach, ob für die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 gegebenenfalls die Entwicklung der Auslegung von Art. 26 des OECD-Musterabkommens zu berücksichtigen ist.

117. Der Kommentar zum OECD-Musterabkommen gibt die Auffassung zum Verständnis bzw. zur Auslegung des Musterabkommens durch die Vertragsstaaten wider(53) und wird regelmäßig überarbeitet und verändert.

118. Wie ich bereits an anderer Stelle begründet habe,(54) ist das OECD-Musterabkommen kein rechtsverbindlicher, multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, sondern ein einseitiger Akt einer internationalen Organisation in Form von Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten. Auch nach dem Selbstverständnis der OECD sind diese Empfehlungen nicht verbindlich. Die Mitgliedstaaten der OECD haben sie vielmehr nach der Verfahrensordnung der OECD daraufhin zu überprüfen, ob sie ihre Befolgung für angebracht halten.(55) Dies gilt erst recht für die von der OECD dazu erlassenen Erläuterungen.

119. Auf die Auslegung einer Richtlinie haben diese Rechtsansichten zum OECD-Musterabkommen keinen unmittelbaren Einfluss. Das gilt selbst dann, wenn die im Musterabkommen und der Richtlinie verwendeten Begriffe identisch sind. Insofern geben diese Erläuterungen nur die Ansicht der von den Regierungen der OECD-Staaten entsandten Sachverständigen wieder,(56) nicht aber die Ansicht parlamentarischer Gesetzgeber auf Ebene der Union oder ihrer Mitgliedstaaten.(57)

120. Der Gerichtshof hat zu Recht schon festgestellt, dass eine Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens, ausgelegt im Lichteder Erläuterungen zum OECD-Musterabkommen, Unionsrecht nicht einschränken kann.(58) Dies gilt erst recht für Änderungen des OECD-Musterabkommens und der Erläuterungen, die nach dem Erlass einer Richtlinie vorgenommen werden. Andernfalls könnten die Vertragsstaaten der OECD – die ja nicht notwendigerweise Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind – über die Auslegung einer EU-Richtlinie entscheiden.

121. Folglich hat die Änderung der Auslegung von Art. 26 des OECD-Musterabkommens in dem Kommentar hierzu nicht automatisch eine Änderung der Auslegung von Art. 5 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16 zur Folge. Auch wenn sich die Sachverständigen der OECD-Mitgliedstaaten nunmehr einig sind, dass ein Informationsersuchen zu allen Konten des Steuerpflichtigen und zu allen nicht näher bestimmten Konten anderer Personen, die in Verbindung zum betreffenden Steuerpflichtigen stehen, bei einer bestimmten Bank ein Beispiel für die voraussichtliche Erheblichkeit im Sinne des Art. 26 des OECD-Musterabkommens ist, folgt daraus nicht automatisch, dass dies für Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 auch gilt.

122. Der Gerichtshof kann – wenn ihn die Auslegung zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens überzeugt – den Ansatz der OECD übernehmen und die Richtlinie ähnlich auslegen. Einen juristischen Automatismus gibt es insofern jedoch nicht.

123. Daher ist zu prüfen, ob die Erläuterungen zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens überzeugend und übertragbar sind. Änderungen des Kommentars zum OECD-Musterabkommen nach dem Erlass eines Rechtsakts der Union bedürften intensiverer Überprüfung als der Stand der Erläuterungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsakts. Denn nachfolgende Änderungen können den Willen des Unionsgesetzgebers nicht widerspiegeln.

124. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Informationsersuchen nach der Richtlinie 2011/16 mit einem Eingriff in Grundrechte der Unionsbürger verbunden sind. Gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta müssen solche Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sein. Sie müssen mithin auf einer Entscheidung des nationalen oder unionsrechtlichen Gesetzgebers basieren. Dem Erfordernis würden weder das OECD-Musterabkommen noch der Kommentar hierzu gerecht. Auch in dem vom vorlegenden Gericht angeführten Urteil in der Rechtssache N Luxembourg 1 u. a.(59) hat der Gerichtshof nicht postuliert, dass Änderungen des Musterabkommens oder des Kommentars nach Erlass einer Richtlinie automatisch auch deren Auslegung ändern.

125. Damit bleibt es bei einer unionsrechtlich autonomen Auslegung des Begriffs der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ nach Art. 5 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16. Folglich sind primär dessen Wortlaut und dessen Zweck maßgebend.

2.      Die zwei Ziele des Tatbestandsmerkmals der „voraussichtlichen Erheblichkeit“

126. Ausweislich des neunten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/16 soll mit dem Standard der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet. Zugleich soll damit klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen (fishing expeditions) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind.(60)

127. Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass zum einen die gewünschten Informationen eine gewisse materielle Erheblichkeit für die Steuerfestsetzung im ersuchenden Mitgliedstaat haben müssen (materieller Aspekt, dazu a). Zum anderen soll es den Mitgliedstaaten nicht gestattet sein, sich an bloßen Beweisausforschungen (d. h. einem Informationsersuchen ins Blaue hinein oder fishing expeditions) zu beteiligen (formeller Aspekt, dazu b).

a)      Eingeschränkte Prüfung der voraussichtlichen Erheblichkeit im ersuchten Mitgliedstaat zur Erleichterung des Informationsaustausches

128. Den materiellen Aspekt hat der Gerichtshof in der Rechtssache Berlioz bereits sehr umfangreich erörtert. Danach hat die ersuchende Behörde anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob die erbetenen Informationen je nach Verlauf des Verfahrens und nach Ausschöpfung der üblichen Informationsquellen, die die Behörde genutzt haben könnte, für diese Ermittlung voraussichtlich erheblich sind. Die ersuchende Behörde verfügt insoweit über einen Beurteilungsspielraum.(61) Der Umfang der Kontrolle durch die ersuchte Behörde ist begrenzt.(62)

129. So muss die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde grundsätzlich vertrauen und annehmen, dass das ihr vorgelegte Informationsersuchen sowohl mit dem nationalen Recht der ersuchenden Behörde im Einklang steht als auch für die Bedürfnisse ihrer Ermittlung erforderlich ist. Darüber hinaus hat die ersuchte Behörde im Allgemeinen keine gründliche Kenntnis der im ersuchenden Staat bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. Folglich darf die ersuchte Behörde die von der ersuchenden Behörde vorgenommene Beurteilung des etwaigen Nutzens der erbetenen Informationen nicht durch ihre eigene ersetzen.(63)

130. Die Kontrolle durch die ersuchte Behörde beschränkt sich darauf, sich zu vergewissern, dass den erbetenen Informationen unter Berücksichtigung der Identität des betreffenden Steuerpflichtigen und der des Dritten, der in dem Informationsersuchen eventuell erwähnt wird, sowie der Bedürfnisse der fraglichen Steuerprüfung die voraussichtliche Erheblichkeit nicht völlig fehlt.(64) Dieser Kontrollmaßstab gilt ebenso für die Gerichte im ersuchten Mitgliedstaat.(65) Mithin dürfen die erbetenen Informationen nicht offenkundig unerheblich für die Bedürfnisse der Steuerprüfung bei der ersuchenden Behörde sein.

131. Um der ersuchten Behörde eine solche – wenn auch eingeschränkte – Prüfung überhaupt zu ermöglichen, muss die ersuchende Behörde ihr Auskunftsersuchen ausreichend begründen. Sie muss den Zweck der Informationen darlegen, die sie im Rahmen des gegen den im Ersuchen genannten Steuerpflichtigen geführten Steuerverfahrens erbittet.(66) Diese Begründung muss das nationale Gericht in die Lage versetzen, eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Informationsersuchens auszuüben.(67) Eine bloß formelhafte Begründung, aus der nicht hervorgeht, warum die gewünschten Informationen nach nationalem Recht für das Steuerverfahren im ersuchenden Mitgliedstaat erheblich sind, genügt diesen Erfordernissen nicht. Die Überprüfung der Begründung des Auskunftsersuchens obliegt aber dem vorlegenden Gericht.

b)      Keine Beteiligung an Beweisausforschungen

132. Mit dem Merkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ soll ausweislich des neunten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/16 zugleich klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen (fishing expeditions) zu beteiligen (Nrn. 126 und 127 dieser Schlussanträge). Dies soll u. a. auch die Funktionsfähigkeit des Informationsaustauschsystems sichern, um dieses nicht durch Ersuchen „ins Blaue hinein“ zu überlasten.

133. Damit ist die entscheidende Frage, wann im Rahmen der Richtlinie 2011/16 eine unzulässige Beweisausforschung vorliegt bzw. wann eine zulässige Amtshilfe zur Sachverhaltsermittlung gegeben ist. Diese Frage hat der Gerichtshof im Rahmen der grenzüberschreitenden Amtshilfe noch nicht geklärt.

134. Der Gerichtshof hat sich allerdings im Wettbewerbsrecht mit einer vergleichbaren Problemstellung beschäftigt. Zur Aufdeckung und Sanktionierung von wettbewerbswidrigem Verhalten von Unternehmen kann die Kommission nämlich Nachprüfungsentscheidungen gegenüber den betroffenen Unternehmen anordnen.(68) Art. 20 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung Nr. 1/2003 präzisiert diesbezüglich, dass die Kommission in solchen Entscheidungen insbesondere Gegenstand und Zweck der jeweiligen Nachprüfung zu bezeichnen hat.(69) Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Kommission nicht Nachprüfungen ohne konkrete Verdachtsmomente aufs Geratewohl durchführt(70) – eine Praxis, für die auch häufig der Begriff fishing expeditions gebraucht wird.

135. Wie ich bereits in diesem Zusammenhang ausgeführt habe,(71) hat die Kommission in ihrer Nachprüfungsentscheidung genau anzugeben, wonach sie sucht und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll.(72) Mit anderen Worten muss aus der Begründung der Nachprüfungsentscheidung hervorgehen, welchen Vermutungen die Kommission nachzugehen beabsichtigt.(73) Dabei handelt es sich um eine für die betroffenen Unternehmen verständliche Umschreibung der von der Kommission angenommenen Wettbewerbsverstöße.

136. Dieser Gedanke kann im Ansatz auf die vorliegende Konstellation einer grenzüberschreitenden Amtshilfe übertragen werden. Auch hier ist es nötig, dass die ersuchte Behörde erkennen kann, was die ersuchende Behörde beabsichtigt, zu untersuchen. Sie muss – wie oben ausgeführt – zumindest prüfen, ob die Informationen jedenfalls nicht offenkundig unerheblich sind. Außerdem ist eine solche Begründung für den grundrechtlich gebotenen Rechtsbehelf des Adressaten (dazu oben, Nrn. 47 ff.), des betroffenen Steuerpflichtigen (dazu Nrn. 59 ff.) und eventuell betroffener Dritter (dazu Nrn. 83 ff.) von Bedeutung, damit diese sich wirksam gegen eine unberechtigte Informationsanforderung der ersuchten Behörde verteidigen können.

137. Wenn die ersuchende Behörde aber angeben muss, welchen Vermutungen sie mit dem Informationsersuchen nachgehen möchte, dann genügt z. B. eine Kontenabfrage zu allen „nicht näher bestimmten Konten anderer Personen, die in Verbindung zum betreffenden Steuerpflichtigen stehen“, diesen Anforderungen nicht ohne Weiteres.

138. Normalerweise muss die ersuchende Behörde vielmehr die Tatsachen, die sie untersuchen möchte, oder wenigstens konkrete Verdachtsmomente für diese Tatsachen und deren steuerrechtliche Relevanz in das Informationsersuchen aufnehmen. Diese Gründe müssen es dem ersuchten Staat ermöglichen, die Amtshilfe mit entsprechenden Grundrechtseingriffen (beim Adressaten, dem Steuerpflichtigen oder betroffenen Dritten) vor seinen Gerichten zu rechtfertigen. Die Anforderungen an die Begründungspflicht steigen mit dem Umfang und der Sensibilität der begehrten Informationen.(74)

139. Einem Amtshilfeersuchen fehlt es daher an der voraussichtlichen Erheblichkeit, wenn es zur Beschaffung von Beweismitteln aufs Geratewohl und ohne konkreten Zusammenhang zu laufenden Steuerverfahren gestellt wird.(75)

140. Bei der Abgrenzung voraussichtlich erheblicher Informationen von unzulässigen Beweisausforschungen sind dabei verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Zunächst kommt es auf den Gegenstand der Untersuchung der ersuchenden Behörde an und welchen steuerrechtlichen Vorwurf diese erhoben hat. Sodann spielt auch das Vorverhalten(76) des Steuerpflichtigen eine Rolle. Das Schweizerische Bundesgericht verlangt dafür zu Recht, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Missachtung steuerrechtlicher Verpflichtungen vorliegen müssen.(77)

141. Das wäre hier etwa der Fall, wenn die Steuerpflichtige zuvor Konten oder Beziehungen zu Dritten verschwiegen hätte, die mit ihr in Verbindung stehen, oder wenn sie widersprüchliche Angaben im Steuerverfahren gemacht hätte. Schließlich kommt es auch darauf an, welche Umstände die ersuchende Finanzverwaltung bislang ermittelt hat. Z. B. kann bei verzweigten Unternehmensnetzen mit ungeklärten Finanztransaktionen untereinander ein besonderes Bedürfnis für ein Informationsersuchen bestehen. Gleiches gilt, wenn die bisherigen Ermittlungen widersprüchliche Angaben dazu ergeben haben, die mit Hilfe der Bank A nun aufgeklärt werden sollen.

142. Im vorliegenden Fall muss daher die spanische Finanzverwaltung z. B. Anhaltspunkte dafür nennen, warum sie davon ausgeht, dass die Steuerpflichtige bei der Bank A weitere Konten hat, warum sie von weiteren verschwiegenen Einkünften ausgeht und warum sie Vermögensverschiebungen zwischen der Steuerpflichtigen und den Gesellschaften B, C und D vermutet.

143. Ohne solche konkreten Anhaltspunkte ist ein Informationsersuchen, um bei einer Bank sämtliche Konten des Steuerpflichtigen und alle nicht näher bestimmten Konten von Dritten, die in irgendeiner Verbindung mit dem Steuerpflichtigen stehen, zu ermitteln, nicht nach der Richtlinie 2011/16 zulässig, sondern eine unzulässige Beweisausforschung (fishing expedition).

144. Die notwendige Abgrenzung hat jedoch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen und ist damit Aufgabe des vorlegenden Gerichts.

145. Kommt das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei einem Informationsersuchen um eine unzulässige Beweisausforschung handelt, dann dürfte die ersuchte Finanzverwaltung dem Informationsersuchen nicht nachkommen. Denn nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 unter Berücksichtigung des neunten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/16 ist es den Mitgliedstaaten nicht gestattet, an Beweisausforschungen („fishing expeditions“) teilzunehmen.

3.      Ergebnis zu den zweiten Vorlagefragen

146. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sind dahin auszulegen, dass die ersuchende Behörde das Informationsersuchen begründen muss, damit die ersuchte Behörde prüfen kann, ob die voraussichtliche Erheblichkeit für die Steuerfestsetzung durch die ersuchende Behörde nicht offenkundig fehlt. Aus dem Ersuchen müssen sich konkrete Anhaltspunkte für die steuerrelevanten Tatsachen oder Vorgänge ergeben, so dass eine unzulässige Beweisausforschung (fishing expedition) ausgeschlossen ist.

VI.    Ergebnis

147. Ich schlage daher vor, auf die Vorlagefragen der Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof, Luxemburg) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass die Entscheidung, mit der eine aufgrund der Richtlinie 2011/16 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung um Unterstützung ersuchte Behörde eine Person zu Auskünften über einen Steuerpflichtigen oder Dritte verpflichtet, von dieser Person, dem Steuerpflichtigen und betroffenen Dritten vor den Gerichten des ersuchten Mitgliedstaats angefochten werden kann.

2.      Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sind dahin auszulegen, dass die ersuchende Behörde das Informationsersuchen begründen muss, damit die ersuchte Behörde prüfen kann, ob die voraussichtliche Erheblichkeit der angefragten Informationen für die Steuerfestsetzung durch die ersuchende Behörde nicht offenkundig fehlt. Aus dem Ersuchen müssen sich konkrete Anhaltspunkte für die steuerrelevanten Tatsachen oder Vorgänge ergeben, so dass eine unzulässige Beweisausforschung (fishing expedition) ausgeschlossen ist.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Die Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. 2011, L 64, S. 1) gilt inzwischen in der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 (ABl. 2018, L 139, S. 1) geänderten Fassung. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorschriften, mit denen sie dieser Änderung nachkommen, seit dem 1. Juli 2020 anwenden.


3      Urteile vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134) sowie T Danmark und Y Denmark (C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135), und meine Schlussanträge in diesen Rechtssachen (C‑115/16, EU:C:2018:143, C‑116/16, EU:C:2018:144, C‑117/16, EU:C:2018:145, C‑118/16, EU:C:2018:146, C‑119/16, EU:C:2018:147, und C‑299/16, EU:C:2018:148).


4      Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Base Erosion and Profit Shifting.


5      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373).


6      Die Richtlinie 2011/16 ist vorliegend in der durch die Richtlinie (EU) 2016/2258 des Rates vom 6. Dezember 2016 (ABl. 2016, L 342, S. 1) geänderten Fassung maßgeblich.


7      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 59 und Tenor 2).


8      Europarat, Sammlung Europäischer Verträge – Nr. 127, in der durch das Protokoll von 2010, Sammlung Europäischer Verträge – Nr. 208, geänderten Fassung. Nur die englischen und französischen Fassungen des Übereinkommens sind amtlich.


9      Recommendation concerning the Avoidance of Double Taxation/ Recommandation concernant la suppression des doubles impositions. Die aktuelle Fassung des OECD-Musterabkommens datiert vom 21. November 2017.


10      Convention entre le Grand-Duché de Luxembourg et le Royaume d'Espagne tendant à éviter les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune et à prévenir la fraude et l'évasion fiscales/Convenio entre el Reino de España y el Gran Ducado de Luxemburgo para evitar la doble imposición en materia de impuestos sobre la Renta y el Patrimonio y para prevenir el fraude y la evasión fiscal, in der durch das Protokoll vom 10. November 2009 geänderten Fassung.


11      Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/16, Mémorial A 2013, S. 756.


12      Mémorial A 2014, S. 4170.


13      Mémorial A 2019, S. 112.


14      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 42 und Tenor 1).


15      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 45 ff.).


16      Ständige Rechtsprechung, Urteile vom 13. September 2018, UBS Europe u. a. (C‑358/16, EU:C:2018:715, Rn. 56), und vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 51), Beschluss vom 17. November 2005, Minoan Lines/Kommission (C‑121/04 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:695, Rn. 30), sowie Urteile vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 27), und vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 19).


17      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 59 und Tenor 2).


18      Vgl. Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 104), und vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 64).


19      Urteile vom 3. Oktober 2019, A u. a. (C‑70/18, EU:C:2019:823, Rn. 54), vom 16. Januar 2019, Deutsche Post (C‑496/17, EU:C:2019:26, Rn. 54), vom 17. Oktober 2013, Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 26), vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito (C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 42), und vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52).


20      Vgl. Urteile vom 1. Oktober 2015, Bara u. a. (C‑201/14, EU:C:2015:638, Rn. 14 und 29), vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia (C‑73/07, EU:C:2008:727, Rn. 35), und vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 73).


21      EGMR, 22. Dezember 2015, G.S.B./Schweiz, CE:ECHR:2015:1222JUD002860111, § 51, und 7. Juli 2015, M.N. u. a./San Marino, CE:ECHR:2015:0707JUD002800512, § 51.


22      Siehe in diesem Sinne Gutachten 1/15 vom 26. Juli 2017 (EU:C:2017:592, Rn. 125 und 126) sowie Urteile vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a. (C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 100), vom 1. Oktober 2015, Bara u. a. (C‑201/14, EU:C:2015:638, Rn. 29), und vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 74).


23      EGMR, 22. Dezember 2015, G.S.B./Schweiz, CE:ECHR:2015:1222JUD002860111, § 50.


24      Urteile vom 21. November 2019, Deutsche Lufthansa (C‑379/18, EU:C:2019:1000, Rn. 61), und vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 47, 50 und 53).


25      Vgl. Urteile vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678, Rn. 32), und vom 27. September 2007, Twoh International (C‑184/05, EU:C:2007:550, Rn. 30 und 31); zu Rechtfertigungsgründen im Rahmen der Grundfreiheiten vgl. Urteile vom 3. März 2020, Google Ireland (C‑482/18, EU:C:2020:141, Rn. 47), vom 25. Juli 2018, TTL (C‑553/16, EU:C:2018:604, Rn. 57), und vom 26. Mai 2016, NN (L) International (C‑48/15, EU:C:2016:356, Rn. 59).


26      Urteil vom 10. April 2003, Steffensen (C‑276/01, EU:C:2003:228, Rn. 75), und meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen IN und JM (C‑469/18 und C‑470/18, EU:C:2019:597, Nrn. 70 ff.) – auch dem Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832), kann kein absolutes Beweisverwertungsverbot entnommen werden.


27      Vgl. exemplarisch für die Bundesrepublik Deutschland die Urteile des Finanzgerichts Köln vom 12. September 2018 – 2 K 814/18‑, vom 13. April 2018 – 2 V 174/18‑, vom 23. Februar 2018 – 2 V 814/17‑ und vom 20. Oktober 2017 – 2 V 1055/17‑.


28      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 59 und Tenor 2).


29      Urteil vom 22. Oktober 2013 (C‑276/12, EU:C:2013:678).


30      So ausdrücklich Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 58).


31      Urteil vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678, Rn. 41).


32      Vgl. Urteil vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678, Rn. 44).


33      Urteil vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678, Rn. 46 und Tenor 1), und meine Schlussanträge in dieser Rechtssache (EU:C:2013:370, Nr. 62).


34      Im Einzelnen sind dies Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr bzw. Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr.


35      Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 79), und vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52 und 53).


36      Urteile vom 3. Oktober 2019, A u. a. (C‑70/18, EU:C:2019:823, Rn. 54), vom 16. Januar 2019, Deutsche Post (C‑496/17, EU:C:2019:26, Rn. 54), vom 17. Oktober 2013, Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 26), vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito (C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 42), und vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52).


37      EGMR, 7. Juli 2015, M.N. u. a./San Marino, CE:ECHR:2015:0707JUD002800512, § 51; Art. 7 der Charta entspricht Art. 8 Abs. 1 der EMRK, Urteil vom 14. Februar 2019, Buivids (C 345/17, EU:C:2019:122, Rn. 65).


38      EGMR, 22. Dezember 2015, G.S.B./Schweiz, CE:ECHR:2015:1222JUD002860111, § 51, und 7. Juli 2015, M.N. u. a./San Marino, CE:ECHR:2015:0707JUD002800512, § 51.


39      Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 80), und vom 14. Februar 2008, Varec (C‑450/06, EU:C:2008:91, Rn. 48); in diesem Sinne auch Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 87, in dem der Gerichtshof eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf Art. 7 der Charta vornahm); siehe auch EGMR, 16. Juni 2015 (Beschl.), Othymia Investments/Niederlande, CE:ECHR:2015:0616DEC007529210, § 37, 14. März 2013, Bernh Larsen Holding u. a./Norwegen, ECLI:CE:ECHR:2013:0314JUD002411708, § 104, und 16. April 2002, Stes Colas u. a./Frankreich, ECLI:CE:ECHR:2002:0416JUD003797197, § 41.


40      So verdienen nach der Rechtsprechung des EGMR rein finanzielle Informationen geringeren Schutz als intime Daten, vgl. EGMR, 22. Dezember 2015, G.S.B./Schweiz, CE:ECHR:2015:1222JUD002860111, § 93.


41      Urteile vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 87), vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 33), und vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a. (C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 75).


42      Vgl. EGMR, 7. Juli 2015, M.N. u. a./San Marino, CE:ECHR:2015:0707JUD002800512, § 54.


43      EGMR, 16. Juni 2015 (Beschl.), Othymia Investments/Niederlande, CE:ECHR:2015:0616DEC007529210, § 44.


44      EGMR, 7. Juli 2015, M.N. u. a./San Marino, CE:ECHR:2015:0707JUD002800512, § 81.


45      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 63).


46      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 64).


47      Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, KOM(2009) 29 endgültig, vom 2. Februar 2009.


48      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 67).


49      OECD-Rat, Kommentar zum OECD-Musterabkommen, Erläuterungen zu Art. 26, Stand 21. November 2017.


50      Abschnitt 5 der Erläuterungen zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens.


51      Gemäß Abschnitt 4.4 der Erläuterungen zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens handelt es sich bei den in Abschnitt 8 angeführten Fällen um Beispiele.


52      Abschnitt 8 Buchst. e der Erläuterungen zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens.


53      Abschnitt 3 der Einleitung des Kommentars zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens.


54      Meine Schlussanträge in den Rechtssachen N Luxembourg 1 (C‑115/16, EU:C:2018:143, Nrn. 50 ff.), T Danmark (C‑116/16, EU:C:2018:144, Nrn. 81 ff.), Y Denmark (C‑117/16, EU:C:2018:145, Nrn. 81 ff.), X Denmark (C‑118/16, EU:C:2018:146, Nrn. 50 ff.), C Danmark (C‑119/16, EU:C:2018:147, Nrn. 50 ff.) und Z Denmark (C‑299/16, EU:C:2018:148, Nrn. 50 ff.).


55      Rule 18 lit. b der Verfahrensordnung der OECD: „Recommendations of the Organisation, made by the Council in accordance with Articles 5, 6 and 7 of the Convention, shall be submitted to the Members for consideration in order that they may, if they consider it opportune, provide for their implementation“. Zu finden unter https://www.oecd.org/legal/rules%20of%20Procedure%20OECD%20Oct%202013.pdf.


56      Abschnitt 29 der Einleitung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen.


57      Meine Schlussanträge in den Rechtssachen N Luxembourg 1 (C‑115/16, EU:C:2018:143, Nr. 52), T Danmark (C‑116/16, EU:C:2018:144, Nr. 83), Y Denmark (C‑117/16, EU:C:2018:145, Nr. 83), X Denmark (C‑118/16, EU:C:2018:146, Nr. 52), C Danmark (C‑119/16, EU:C:2018:147, Nr. 52) und Z Denmark (C‑299/16, EU:C:2018:148, Nrn. 50 ff.).


58      Urteil vom 19. Januar 2006, Bouanich (C‑265/04, EU:C:2006:51, Rn. 50 und 56).


59      Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 90 bis 93).


60      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 66).


61      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 70 und 71).


62      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 76).


63      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 77).


64      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 82).


65      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 85).


66      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 80).


67      Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 84).


68      Vgl. Urteile vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 33), vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 42), und vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 25).


69      Vgl. Urteile vom 30. Januar 2020, České dráhy/Kommission (C‑538/18 P und C‑539/18 P, EU:C:2020:53, Rn. 40), vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 34), vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 47), und vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 29).


70      Siehe dazu meine Schlussanträge in den Rechtssachen Nexans France und Nexans/Kommission (C‑606/18 P, EU:C:2020:207, Nr. 55), Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:223, Nrn. 43 und 52) und Solvay/Kommission (C‑109/10 P, EU:C:2011:256, Nr. 138).


71      Meine Schlussanträge in den Rechtssachen Nexans France und Nexans/Kommission (C‑606/18 P, EU:C:2020:207, Nrn. 55 und 56) und Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:223, Nr. 52).


72      Urteil vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 83).


73      Urteile vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 35), vom 17. Oktober 1989, Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission (97/87 bis 99/87, EU:C:1989:380, Rn. 45) und Dow Benelux/Kommission (85/87, EU:C:1989:379, Rn. 9), sowie vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 41). Siehe auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Solvay/Kommission (C‑109/10 P, EU:C:2011:256, Nr. 138).


74      Ähnlich das Schweizerische Bundesgericht, Urteil vom 12. September 2016 – 2C_276/2016 –, Rn. 6.3 im Hinblick auf die Detailliertheit des dargestellten Sachverhaltes.


75      In diesem Sinne auch das Schweizerische Bundesgericht, Urteil vom 26. Juli 2019 – 2C_653/2018 –, Rn. 6.1.2 ff., und vom 12. September 2016 – 2C_276/2016 –, Rn. 6.1.2 ff.


76      So explizit auch das Schweizerische Bundesgericht, Urteil vom 12. September 2016 – 2C_276/2016 –, Rn. 6.4.3. Maßgebend ist das Verhalten des Bankkunden, aus dem sich die Vermutung ableiten lässt, die fragliche Person hätte effektiv Vermögen bzw. Erträge nicht korrekt deklariert.


77      Schweizerische Bundesgericht, Urteil vom 26. Juli 2019 – 2C_653/2018 –, Rn. 6.2.2.