Language of document : ECLI:EU:F:2012:196

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Zweite Kammer)

13. Dezember 2012(*)

„Öffentlicher Dienst – Allgemeines Auswahlverfahren – Aufhebung einer Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren – Durchführung der rechtskräftigen Entscheidung – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit – Einrede der Rechtswidrigkeit gegen die Entscheidung, ein allgemeines Auswahlverfahren wiederzueröffnen“

In der Rechtssache F‑42/11

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt,

Stephanie Honnefelder, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Bode,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch B. Eggers und P. Pecho, dann durch B. Eggers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. I. Rofes i Pujol sowie der Richterin I. Boruta (Berichterstatterin) und des Richters K. Bradley,

Kanzlerin: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2012

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 9. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Frau Honnefelder die vorliegende Klage auf Aufhebung der am 11. Februar 2011 ergangenen Entscheidung des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/26/05, sie nicht in die Reserveliste aufzunehmen, erhoben.

 Rechtlicher Rahmen

 Vorschriften über das EPSO

2        Der Beschluss 2002/620/EG des Europäischen Parlaments, des Rates, der Kommission, des Gerichtshofs, des Rechnungshofs, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Ausschusses der Regionen und des Europäischen Bürgerbeauftragten vom 25. Juli 2002 über die Errichtung des Amtes für Personalauswahl der Europäischen Gemeinschaften (EPSO) (ABl. L 197, S. 53) sieht vor:

„Artikel 2

Befugnisse

(1)      Das [EPSO] übt die Befugnisse der Personalauswahl aus, die gemäß Artikel 30 Absatz 1 des Statuts [der Beamten der Europäischen Union] sowie Anhang III dieses Statuts den Anstellungsbehörden der Organe, die den vorliegenden Beschluss unterzeichnet haben, übertragen worden sind. Nur in Ausnahmefällen können die Organe mit Zustimmung des [EPSO] ihre eigenen allgemeinen Auswahlverfahren für spezifische Anforderungen in hochspezialisierten Fachbereichen durchführen.

Artikel 4

Anträge und Beschwerden, Klagen

Anträge und Beschwerden im Zusammenhang mit der Ausübung der gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 2 übertragenen Befugnisse sind gemäß Artikel 91a des Statuts an das [EPSO] zu richten. Jede Klage aus diesem Bereich ist gegen die Kommission zu richten.“

3        Art. 1 des Beschlusses 2002/621/EG der Generalsekretäre des Europäischen Parlaments, des Rates, der Kommission, des Kanzlers des Gerichtshofes, der Generalsekretäre des Rechnungshofes, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Ausschusses der Regionen und des Vertreters des Bürgerbeauftragten vom 25. Juli 2002 über die Organisation und den Betrieb des EPSO (ABl. L 197, S. 56) lautet:

„Aufgaben des Amtes

(1)      Das [EPSO] hat die Aufgabe, unter optimalen fachlichen und finanziellen Rahmenbedingungen allgemeine Auswahlverfahren für Beamtinnen und Beamte zur Einstellung bei den Organen [der Europäischen Union] durchzuführen. Das [EPSO] stellt Eignungslisten auf, die es den Organen ermöglichen, hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen, die ihren Anforderungen entsprechen.

(2)      Im Einzelnen hat das [EPSO] folgende Aufgaben:

a)      auf Antrag eines Organs Durchführung allgemeiner Auswahlverfahren zwecks Erstellung von Verzeichnissen von Bewerberinnen und Bewerbern, die für eine Einstellung als Beamte geeignet sind. Die Durchführung der Auswahlverfahren erfolgt gemäß dem Statut nach den gemäß Artikel 6 Buchstabe c) festgelegten harmonisierten Kriterien und nach Maßgabe des vom Leitungsausschuss festgelegten Arbeitsprogramms;

…“

 Vorschriften über allgemeine Auswahlverfahren

4        Art. 27 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„Bei der Einstellung ist anzustreben, dem Organ die Mitarbeit von Beamten zu sichern, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen; sie sind unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union auf möglichst breiter geografischer Grundlage auszuwählen.“

5        Art. 29 Abs. 1 des Statuts sieht vor:

„Bei der Besetzung von Planstellen eines Organs [eröffnet] die Anstellungsbehörde … das Auswahlverfahren auf Grund von … Prüfungen …“

6        In Art. 30 Abs. 1 des Statuts heißt es:

„Für jedes Auswahlverfahren bestellt die Anstellungsbehörde einen Prüfungsausschuss. Dieser stellt ein Verzeichnis der geeigneten Bewerber auf.“

7        Art. 1 des Anhangs III des Statuts bestimmt, dass die Stellenausschreibung von der Anstellungsbehörde nach Anhörung des Paritätischen Ausschusses angeordnet wird und darin u. a. das Verfahren und die Art der Prüfungen anzugeben sind.

8        Art. 7 des Anhangs III des Statuts sieht vor:

„(1)      Die Organe beauftragen nach Stellungnahme des Statutsbeirats das [EPSO], die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren für Beamte der Europäischen Union sowie bei der Beurteilung und in den Prüfungsverfahren gemäß den Artikeln 45 und 45a des Statuts einheitliche Kriterien angewandt werden.

(2)      Das [EPSO] hat folgende Aufgaben:

a)      es führt auf Antrag einzelner Organe allgemeine Auswahlverfahren durch;

b)      es leistet auf Antrag eines einzelnen Organs die technische Unterstützung bei der Durchführung interner Auswahlverfahren, die das Organ selbst organisiert;

c)      es legt den Inhalt aller von den Organen durchgeführten Prüfungen fest, um sicherzustellen, dass die Anforderungen nach Artikel 45a Absatz 1 Buchstabe c) des Statuts auf einheitliche und kohärente Weise erfüllt werden;

d)      es trägt die allgemeine Verantwortung für die Definition der sprachlichen Fähigkeiten der Beamten und die Durchführung der Beurteilung dieser Fähigkeiten, um sicherzustellen, dass die Anforderungen von Artikel 45 Absatz 2 des Statuts auf einheitliche und kohärente Weise erfüllt werden.

…“

 Andere einschlägige Vorschriften oder Bestimmungen

9        Art. 266 Abs. 1 AEUV sieht vor:

„Die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder deren Untätigkeit als vertragswidrig erklärt worden ist, haben die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.“

10      Das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/26/05 zur Aufstellung einer Reserveliste von 180 Administratoren (AD 5) im Sachgebiet Recht (im Folgenden: Auswahlverfahren) wurde durch Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 20. Juli 2005 (C 178 A, S. 3, im Folgenden: Bekanntmachung) veröffentlicht. Diese Bekanntmachung enthält in Titel B („Verfahren“) folgende Regelungen für die mündliche Prüfung:

„3.      Mündliche Prüfung – Bewertung

e)      In der Hauptsprache der Bewerberin oder des Bewerbers geführtes Gespräch mit dem Prüfungsausschuss, bei dem deren bzw. dessen Eignung für die in Titel A Punkt I genannten Aufgaben beurteilt wird. Gegenstand dieses Gesprächs sind vor allem das einschlägige Sachwissen und die Kenntnis der Europäischen Union, ihrer Organe und der Bereiche ihrer Politik. Geprüft wird auch die Beherrschung der zweiten Sprache. Außerdem soll anhand des Gesprächs die Fähigkeit beurteilt werden, sich auf ein multikulturelles Arbeitsumfeld im europäischen öffentlichen Dienst einzustellen.

Diese Prüfung wird mit 0 bis 50 Punkten bewertet (erforderliche Mindestpunktzahl: 25).“

 Sachverhalt

11      Die Klägerin nahm als Bewerberin am Auswahlverfahren teil, wurde aber mit Entscheidung vom 10. Mai 2007 nach Abschluss der Prüfungen nicht in die Reserveliste aufgenommen, da sie bei der mündlichen Prüfung eine Punktzahl von 23/50 erhalten hatte, während die verlangte Mindestpunktzahl bei 25 lag.

12      Am 9. August 2007 legte die Klägerin nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde ein; nach deren Zurückweisung erhob sie eine Klage auf Aufhebung der Entscheidung, sie nicht in die Reserveliste aufzunehmen, die unter dem Aktenzeichen F‑41/08 in das Register eingetragen wurde.

13      Mit Urteil vom 29. September 2010, Honnefelder/Kommission (F‑41/08, im Folgenden: Urteil Honnefelder), hob das Gericht die Entscheidung vom 10. Mai 2007, die Klägerin nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen, wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften mit der Begründung auf, dass mit dieser Entscheidung gegen die Grundsätze der Objektivität der Bewertungen und der Gleichbehandlung verstoßen worden sei, da die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren erheblich geschwankt habe und daher die Bewertungskriterien nicht einheitlich und kohärent auf alle Bewerber hätten angewandt werden können.

14      In Durchführung des Urteils Honnefelder teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren der Klägerin mit Schreiben vom 26. November 2010 mit, dass das EPSO und der Prüfungsausschuss das Auswahlverfahren wiedereröffnet hätten (im Folgenden: Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen). Er lud die Klägerin ein, die mündliche Prüfung zu wiederholen, wobei er angab, dass diese sehr wahrscheinlich am 4. Februar 2011 stattfinden würde; er ersuchte die Klägerin, ihre Teilnahme zu bestätigen.

15      Am 8. Dezember 2010 wandte sich ein Bediensteter des EPSO per E‑Mail an die Klägerin, um eine Bestätigung ihrer Teilnahme an der mündlichen Prüfung zu erhalten.

16      Mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 beanstandete die Klägerin die Entscheidung des EPSO und des Prüfungsausschusses, eine neue mündliche Prüfung zu veranstalten, und forderte das EPSO auf, in einen Dialog mit ihr einzutreten, um eine andere billige Lösung zu finden. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die im Urteil Honnefelder festgestellte mangelnde Stabilität des Prüfungsausschusses durch eine neue mündliche Prüfung nicht geheilt werden könne.

17      Am 11. Januar 2011 antwortete das EPSO, dass nach gängiger Rechtsprechung und Praxis die Wiederholung der mündlichen Prüfung eine gerechte Lösung darstelle. In diesem Schreiben gab das EPSO außerdem an, dass die neue mündliche Prüfung am 4. Februar 2011 stattfinde, und bat die Klägerin, ihre Teilnahme an dieser mündlichen Nachholprüfung zu bestätigen.

18      Mit Schreiben vom 14. Januar 2011, das das EPSO im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses an die Klägerin richtete, wurden ihr Ort und Zeit der Prüfung mitgeteilt mit der Bitte, ihre Teilnahme bis zum 1. Februar 2011 zu bestätigen.

19      Mit Schreiben vom 18. Januar 2011 bekräftigte die Klägerin nochmals ihre Auffassung, dass eine Wiederholung der mündlichen Prüfung keine angemessene Umsetzung des Urteils Honnefelder sei, und bat das EPSO um Mitteilung der Rechtsprechung, auf die es sich stütze. In diesem Schreiben rügte die Klägerin außerdem die ihrer Ansicht nach zu kurze Ladungsfrist für die Prüfung. Schließlich führte sie darin aus, dass ihre Teilnahme von den Antworten auf eine Reihe von Fragen abhänge, die sie in diesem Schreiben insbesondere zum Ablauf der Prüfung, zur Zusammensetzung des Prüfungsausschusses und dazu stellte, wie der seit ihren schriftlichen Prüfungen im Jahr 2006 verstrichene Zeitraum berücksichtigt werde.

20      In einer E‑Mail vom 1. Februar 2011 bestätigte die Klägerin, dass sie an der am 4. Februar 2011 abgehaltenen mündlichen Prüfung teilnehmen werde, stellte jedoch klar, dass sie mit ihrer Teilnahme nicht die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme zur Durchführung des Urteils Honnefelder anerkenne.

21      Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 informierte das EPSO die Klägerin, dass der gesamte Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren bei der mündlichen Prüfung anwesend sein werde, dass die Prüfung zu denselben Bedingungen ablaufen werde wie die ursprüngliche mündliche Prüfung, der die anderen Bewerber vier Jahre zuvor unterzogen worden seien, dass dieselbe Anzahl von Fragen mit vergleichbarem Schwierigkeitsgrad vorgesehen sei und auch das gleiche Bewertungsformular und die gleichen Bewertungskriterien wie bei der ursprünglichen mündlichen Prüfung angewandt würden.

22      Am 4. Februar 2011 fand die mündliche Prüfung im Beisein aller ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses mit Ausnahme eines inzwischen verstorbenen stellvertretenden Mitglieds statt. Zu Beginn dieser Prüfung wurde die Klägerin vom Prüfungsausschuss gefragt, ob sie die Fragen unter Zugrundelegung der Rechtslage vor oder nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon beantworten wolle.

23      Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 teilte das EPSO der Klägerin mit, dass der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren ihren Namen nicht in die Reserveliste aufgenommen habe, da sie in der mündlichen Prüfung mit 21 Punkten nicht die erforderliche Mindestpunktzahl von 25 Punkten erreicht habe (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Anträge der Parteien

24      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der Europäischen Kommission die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen;

–        vorsorglich den Erlass eines Versäumnisurteils.

25      Die Kommission beantragt sinngemäß,

–        die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Verfahren

26      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klargestellt, dass sich die in ihrer Klagebeantwortung erhobene Einrede der Unzulässigkeit gegen die gesamte Klage richte.

27      Da nur ein einziger Schriftwechsel stattgefunden hat, hat das Gericht am Ende der mündlichen Verhandlung zur Wahrung der Verteidigungsrechte beschlossen, das mündliche Verfahren nicht abzuschließen und die Parteien aufzufordern, zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit, wie sie sich aus der Klagebeantwortung und den Erklärungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung ergibt, Stellung zu nehmen.

28      Die Parteien sind dieser Aufforderung beide mit Schreiben vom 27. April 2012 nachgekommen.

 Rechtliche Würdigung

29      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar geltend macht, die Klage sei insgesamt unzulässig, die von ihr zur Stützung der Unzulässigkeitseinrede angeführten Argumente aber in Wirklichkeit nur die ersten drei von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgründe betreffen, nämlich den Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Objektivität der Bewertungen, die Verletzung des Art. 266 AEUV sowie die Verletzung des Grundsatzes der restitutio in integrum. Die Unzulässigkeitseinrede der Kommission beruht nämlich darauf, dass die Klägerin die Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen, weder fristgemäß angefochten noch gegen sie Beschwerde erhoben habe. Nur die ersten drei von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgründe zielen aber darauf ab, einredungsweise die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung in Frage zu stellen, da der letzte Anfechtungsgrund, mit dem ein Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze bei der neuen mündlichen Prüfung geltend gemacht wird, unmittelbar die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung betrifft. Folglich ist die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede so zu verstehen, dass sie sich nur auf die ersten drei Anfechtungsgründe bezieht; sie wird daher in diesem Zusammenhang geprüft.

30      Die Klägerin stützt ihren Aufhebungsantrag auf folgende vier Klagegründe:

–        Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Objektivität der Bewertungen;

–        Verletzung des Art. 266 AEUV;

–        Verletzung des Grundsatzes der restitutio in integrum, der für die Klägerin besagt, dass das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren eine geeignete Maßnahme hätten ergreifen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, in der sie sich ohne den im Urteil Honnefelder festgestellten Fehler befunden hätte;

–        Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze bei der neuen mündlichen Prüfung.

 Zu den ersten drei Anfechtungsgründen

 Zur Zulässigkeit der ersten drei Anfechtungsgründe

31      Die Kommission erhebt eine Unzulässigkeitseinrede hinsichtlich der ersten drei Anfechtungsgründe mit der Begründung, diese seien gegen die Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen, und nicht gegen die angefochtene Entscheidung gerichtet. Die Klägerin habe diese Entscheidung aber weder fristgemäß angefochten noch gegen sie Beschwerde erhoben, so dass sie deren Unrechtmäßigkeit nicht einwenden könne. Der Präsident des Gerichts habe überdies im Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 8. September 2011, Pachtitis/Kommission (F‑51/11 R), in diesem Sinne entschieden.

32      Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften habe zwar im Urteil vom 15. Juli 1993, Camara Alloisio u. a./Kommission (T‑17/90, T‑28/91 und T‑17/92), befunden, dass eine Entscheidung, die hinsichtlich eines Bewerbers ein Auswahlverfahren wiedereröffne und die mit dieser Wiedereröffnung unmittelbar zusammenhängenden Modalitäten erläutere, eine vorbereitende Maßnahme und keine beschwerende Entscheidung sei; dies erkläre sich jedoch dadurch, dass das EPSO und der Prüfungsausschuss in dieser Rechtssache keine andere Wahl gehabt hätten, als das Auswahlverfahren wiederzueröffnen. In der vorliegenden Rechtssache hätten aber das EPSO und der Prüfungsausschuss das Urteil Honnefelder anders durchführen können als durch Wiedereröffnung des Auswahlverfahrens. Jedenfalls macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass einer der Urheber der Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen, das EPSO sei, das gemäß Art. 2 des Beschlusses 2002/620 in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde auf der Grundlage der Art. 1 und 7 des Anhangs III des Statuts handele, um den Inhalt der Prüfungen festzulegen und sie durchzuführen. Das Urteil Camara Alloisio u. a./Kommission bestätige, dass jeder Kläger Beschwerde einlegen müsse, um eine Maßnahme – auch einredeweise – anzugreifen, wenn einer der Urheber dieser Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde handele.

33      Die Klägerin beantragt, die Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurückzuweisen.

34      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ein Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wie im Übrigen aus Art. 105 Abs. 4 der Verfahrensordnung hervorgeht, dem Standpunkt des Gerichts nicht vorgreift. Mit der im Urteil Camara Alloisio u. a./Kommission entwickelten Lösung wird auf den speziellen Kontext der Wiedereröffnung eines Auswahlverfahrens die ständige Rechtsprechung übertragen, wonach ein Kläger berechtigt ist, Unregelmäßigkeiten betreffend die Durchführungsmodalitäten des Auswahlverfahrens im Rahmen einer Klage gegen die individuelle Entscheidung, mit der seine Bewerbung zurückgewiesen wird, geltend zu machen, und zwar ohne dass ihm entgegengehalten werden könnte, gegen die Entscheidung, mit der die Durchführungsmodalitäten des Auswahlverfahrens festgelegt werden, weder fristgemäß Beschwerde noch fristgemäß Klage erhoben zu haben (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995, Kommission/Noonan, C‑448/93 P, Randnrn. 17 bis 19, mit dem das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. September 1993, Noonan/Kommission, T‑60/92, Randnr. 21, bestätigt wird). Folglich kann die im Urteil Camara Alloisio u. a./Kommission gefundene Lösung auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

35      Dass die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall über einen Handlungsspielraum verfügt haben soll, steht der Übertragung der soeben angeführten Rechtsprechung nicht entgegen.

36      Überdies ist die Übertragung offensichtlich umso richtiger, als die Klägerin, solange sie nicht jegliche Chance, am Ende des Auswahlverfahrens in die Reserveliste aufgenommen zu werden, verloren hatte, nur ein hypothetisches Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Durchführungsmodalitäten des Auswahlverfahrens hatte, da sie ja nicht mit Sicherheit wissen konnte, inwieweit diese Modalitäten ihre besonderen Interessen beeinträchtigen würden.

37      Zur Entkräftung des Vorbringens der Kommission, die Klägerin hätte vor ihrer Klage Beschwerde einlegen müssen, wenn sie, und sei es einredeweise, beabsichtigt habe, gegen eine Entscheidung vorzugehen, bei der einer ihrer Urheber in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde gehandelt habe, genügt der Hinweis, dass in der Rechtssache Noonan/Kommission sowohl das Gericht erster Instanz als auch der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren die Zulässigkeit einer Einrede der Rechtswidrigkeit gegen die Durchführungsmodalitäten des Auswahlverfahrens, wie sie von der Anstellungsbehörde in der betreffenden Stellenausschreibung – ohne dass die Kläger gegen diese Beschwerde eingelegt hätten – festgelegt wurden, bejaht haben. Aus Art. 91 des Statuts ergibt sich nämlich, dass die Einlegung einer Beschwerde eine notwendige Voraussetzung für die Erhebung einer Klage auf Aufhebung einer Verwaltungsmaßnahme darstellt. Dagegen sieht keine Bestimmung des Statuts vor, dass ein Kläger, der einredeweise die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsmaßnahme in Frage stellen will, eine Beschwerde gegen genau diese Maßnahme einlegen muss, und dies obwohl die Klage den Zulässigkeitsvoraussetzungen entspricht. Außerdem ist entschieden worden, dass eine Einrede der Rechtswidrigkeit nicht allein deshalb unzulässig ist, weil sie nicht zuvor in einer Beschwerde erhoben wurde (vgl. Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2010, Mandt/Parlament, F‑45/07, Randnr. 121).

38      Die Klägerin hat im vorliegenden Fall ihre Klage ordnungsgemäß erhoben, da feststeht, dass ein Bewerber die Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren gerichtlich anfechten kann, ohne zuvor Beschwerde zu erheben (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Mai 1986, Rihoux u. a./Kommission, 52/85, Randnr. 9); daher kann ihre Einrede der Rechtswidrigkeit gegen die Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen, nicht aus dem Grund für unzulässig erklärt werden, dass sie gegen diese Entscheidung keine Beschwerde erhoben hat.

39      Die Unzulässigkeitseinrede der Kommission ist daher zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit der ersten drei Klagegründe

–       Vorbringen der Parteien

40      Die Klägerin trägt vor, die Abhaltung einer mündlichen Wiederholungsprüfung könne keine ordnungsgemäße Durchführung des Urteils Honnefelder sein, da auch diese mündliche Wiederholungsprüfung mit denselben Fehlern behaftet wäre, die im Urteil Honnefelder festgestellt worden seien. Da nämlich ein Auswahlverfahren auf einem Vergleich der Bewerber beruhe, sei der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren verpflichtet, ihre Antworten in der am 4. Februar 2011 durchgeführten mündlichen Wiederholungsprüfung mit den Antworten der anderen Bewerber zu vergleichen. Im Urteil Honnefelder sei aber festgestellt worden, dass sämtliche mündlichen Prüfungen fehlerhaft gewesen seien, da die übermäßige Fluktuation in der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses es diesem nicht ermöglicht habe, alle Bewerber miteinander zu vergleichen, was einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Objektivität der Bewertungen zur Folge gehabt habe. Außerdem habe das Gericht erster Instanz in den beiden Urteilen vom 8. Juni 2006, Pérez-Díaz/Kommission (T‑156/03) und Bachotet/Kommission (T‑400/03), entschieden, dass, wenn die Verdienste der Bewerber vom Prüfungsausschuss eines Auswahlverfahrens aufgrund der übermäßigen Fluktuation in der Zusammensetzung dieses Prüfungsausschusses nicht in zweckdienlicher Weise hätten verglichen werden können, die Durchführung einer mündlichen Wiederholungsprüfung für einen der Bewerber die fehlende Abwägung zwischen sämtlichen Bewerbern nicht wettmachen könne.

41      Nach Ansicht der Klägerin ist der von der Kommission zur Rechtfertigung der Durchführung der mündlichen Wiederholungsprüfung angeführte Umstand, dass nämlich die Verwaltung alle ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses einberufen habe, irrelevant. Es seien nämlich vier Jahre zwischen dieser mündlichen Wiederholungsprüfung und der mündlichen Prüfung der anderen Bewerber verstrichen, weshalb die Annahme, dass der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren in der Lage gewesen sei, ihre Leistungen mit denen dieser Bewerber zu vergleichen, illusorisch sei. Außerdem führe die Durchführung dieser mündlichen Wiederholungsprüfung dazu, dass für die Klägerin andere Auswahlbedingungen als für die anderen Bewerber gälten, was gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verstoße, da diese vorsehe, dass nur drei Mitglieder des Prüfungsausschusses stimmberechtigt seien. Was den Umstand anbelange, dass die mündliche Wiederholungsprüfung zu denselben Bedingungen abgelaufen sein solle wie im ursprünglichen Auswahlverfahren und dass dieselben Bewertungskriterien angewandt worden sein sollten, so könne dies den fehlenden Vergleich der Leistungen der Bewerber nicht wettmachen.

42      Angesichts der Schwierigkeiten einer ordnungsgemäßen Durchführung des Urteils Honnefelder vertritt die Klägerin die Auffassung, dass das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren mit ihr in einen Dialog hätten eintreten sollen, um zu einer geeigneten Lösung zu gelangen. Eine solche Lösung hätte ihrer Ansicht nach darin bestehen können, sie unmittelbar in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen, ohne sie nochmals der mündlichen Prüfung zu unterziehen.

43      Die Kommission beantragt, die Klagegründe zurückzuweisen.

–       Würdigung durch das Gericht

44      Zunächst ist zu beachten, dass nach einem Aufhebungsurteil das betroffene Gemeinschaftsorgan gemäß Art. 266 AEUV verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Wirkungen der festgestellten Rechtsverstöße zu ergreifen, was im Fall einer bereits vollzogenen Handlung bedeutet, dass der Betroffene wieder in die Rechtsposition versetzt wird, in der er sich vor dieser Handlung befand (vgl. u. a. Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23. April 2002, Campolargo/Kommission, T‑372/00, Randnr. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Um seiner Verpflichtung aus Art. 266 AEUV nachzukommen, hat das Organ konkrete Maßnahmen zu erlassen, mit denen das an der betreffenden Person begangene Unrecht behoben werden kann. So kann es sich nach der Rechtsprechung nicht auf praktische Schwierigkeiten berufen, die die Versetzung des Klägers in die Rechtsposition, in der er sich vor Erlass der aufgehobenen Maßnahme befand, zur Folge haben kann, um sich dieser Verpflichtung zu entziehen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Oktober 1992, Meskens/Parlament, T‑84/91, Randnr. 78). Nur hilfsweise, wenn die Durchführung des Aufhebungsurteils größeren Hindernissen unterliegt, kann das betroffene Organ seinen Verpflichtungen nachkommen, indem es eine Entscheidung trifft, die den Nachteil, der dem Betroffenen durch die aufgehobene Entscheidung entstanden ist, auf billige Weise ausgleicht (Urteil des Gerichts vom 24. Juni 2008, Andres u. a./EZB, F‑15/05, Randnr. 132 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Dabei ist es zwar Sache des betreffenden Organs, zu bestimmen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um das Aufhebungsurteil durchzuführen, doch ist das ihm zur Verfügung stehende Ermessen dadurch begrenzt, dass der Tenor und die Begründung des Urteils, das es durchzuführen hat, sowie die Bestimmungen des Unionsrechts zu wahren sind. So hat das beklagte Organ insbesondere zu verhindern, dass die erlassenen Maßnahmen die gleichen Fehler aufweisen, die im Aufhebungsurteil festgestellt wurden (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. September 2005, Recalde Langarica/Kommission, T‑283/03, Randnrn. 50 und 51).

47      Im vorliegenden Fall ist im Urteil Honnefelder darauf hingewiesen worden, dass die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren im Prüfungszeitraum erheblich geschwankt hatte, so dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses nur eine sehr partielle vergleichende Beurteilung aller Leistungen der Bewerber hatten vornehmen können, womit sie gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Objektivität der Bewertungen verstießen. Da ein Auswahlverfahren im Unterschied zu einer Prüfung auf einer vergleichenden Beurteilung der Bewerber beruht, war es nämlich dafür, dass über die Klägerin wie über die anderen Bewerber ein objektives Urteil gebildet werden kann, erforderlich, dass der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren bei sämtlichen mündlichen Prüfungen hinreichend beständig bleibt, um in der Lage zu sein, die Leistungen der Klägerin mit denen der anderen zur mündlichen Prüfung zugelassenen Bewerber zu vergleichen.

48      Das Gericht, bei dem nur die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 10. März 2007, die Klägerin nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens EPSO/AD/26/05 aufzunehmen, beantragt worden war, hat nicht sämtliche Ergebnisse des Auswahlverfahrens aufgehoben, sondern nur diese Entscheidung. Wie überdies die Kommission in ihren Schriftsätzen einräumt, konnte der festgestellte Fehler nicht durch Veranstaltung einer Wiederholungsprüfung nur für die Klägerin beseitigt werden. Da nämlich keines der Mitglieder einer ausreichenden Anzahl an Prüfungen beigewohnt hatte, um in der Lage zu sein, die Leistungen der Klägerin bei dieser mündlichen Wiederholungsprüfung mit denen der anderen Bewerber bei den ursprünglichen Prüfungen zu vergleichen, wiesen die Bewertung der Klägerin am Ende dieser Prüfung und in der Folge die angefochtene Entscheidung zwangsläufig denselben Fehler auf, der zur Aufhebung der Entscheidung vom 10. Mai 2007 geführt hatte.

49      Die Rechtsprechung lässt jedoch zu, dass die Verwaltung bei einem allgemeinen Auswahlverfahren, das zur Bildung einer Einstellungsreserve durchgeführt wird, eine billige Lösung für den Einzelfall eines rechtswidrig ausgeschlossenen Bewerbers suchen kann (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1983, Detti/Gerichtshof, 144/82, Randnr. 33, und vom 6. Juli 1993, Kommission/Albani u. a., C‑242/90 P, Randnr. 13). So sind nach der Rechtsprechung, wenn es sich wie hier um ein zur Bildung einer Einstellungsreserve durchgeführtes allgemeines Auswahlverfahren handelt, dessen Prüfungen fehlerhaft waren, die Rechte eines Bewerbs angemessen gewahrt, wenn die Anstellungsbehörde in Bezug auf ihn die Wiedereröffnung des Auswahlverfahrens zur Bildung einer Einstellungsreserve vornimmt (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 26. Juni 1996, De Nil und Impens/Rat, T-91/95 Randnr. 34), da durch eine solche Wiedereröffnung die Lage wiederhergestellt wird, wie sie sich vor dem Eintreten der vom Gericht gerügten Umstände darstellte (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. Dezember 2002, Hoyer/Kommission, T-119/99, Randnr. 37).

50      Im vorliegenden Fall war die vom EPSO und vom Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren erlassene Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen, die bezweckte, es der Klägerin zu ermöglichen, die mündliche Prüfung erneut abzulegen, offenbar Teil der Suche nach einer billigen Lösung, die geeignet ist, eine volle Durchführung des Urteils Honnefelder zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung sind nämlich bei einem – wie im vorliegenden Fall – zur Bildung einer Einstellungsreserve durchgeführten allgemeinen Auswahlverfahren, dessen Prüfungen fehlerhaft waren, die Rechte eines Bewerbers angemessen gewahrt, wenn die Anstellungsbehörde das Auswahlverfahren zur Aufstellung einer Reserveliste für den Bewerber wiedereröffnet (Urteil Detti/Gerichtshof, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofs vom 6. Juli 1993, Kommission/Albani u. a., C-242/90 P, Randnrn. 13 und 14; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 22. Juni 1990, Marcopoulos/Gerichtshof, T‑32/89 und T-39/90, Randnr. 44).

51      Außerdem haben das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren angesichts des Umstands, dass es der Verwaltung unmöglich war, ohne Aufhebung sämtlicher Ergebnisse des Auswahlverfahrens die Voraussetzungen wiederherzustellen, unter denen dieses durchgeführt hätte werden müssen, um die Gleichbehandlung zwischen allen Bewerbern und die Objektivität der Bewertungen zu gewährleisten, in dem Bestreben, eine billige Lösung zu finden, sorgsam darauf geachtet, dass das Niveau der mündlichen Wiederholungsprüfung, der die Klägerin unterzogen wurde, und die Bewertungskriterien dieser Prüfung identisch mit der ursprünglichen von der Klägerin abgelegten mündlichen Prüfung sind, und dies, um sie in eine möglichst ähnliche Lage wie jene zu versetzen, in der sie sich ohne den im Urteil Honnefelder festgestellten Fehler befunden hätte, ohne sie jedoch im Vergleich zu den anderen Bewerbern zu sehr zu begünstigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. September 2011, AA/Kommission, F‑101/09, Randnr. 44).

52      Dagegen konnte die von der Klägerin vorgeschlagene Lösung, d. h. ihre Aufnahme in die Reserveliste des Auswahlverfahrens, ohne sie nochmals einer mündlichen Prüfung zu unterziehen, vom EPSO und vom Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren nicht gewählt werden, ohne damit nicht nur gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, den Grundsatz der Objektivität der Bewertungen und die Bekanntmachung, sondern auch gegen Art. 27 des Statuts zu verstoßen, der vorsieht, dass die Organe Bewerber einstellen müssen, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen, um die Stellen von Beamten zu besetzen.

53      Zum Vorbringen schließlich, wonach das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren angesichts der Schwierigkeiten einer ordnungsgemäßen Durchführung des Urteils Honnefelder in einen Dialog mit der Klägerin hätten eintreten sollen, um zu einer geeigneten Lösung zu gelangen, ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Verwaltung ist, festzulegen, welche Maßnahmen zur Durchführung des Aufhebungsurteils erforderlich sind, da die Handlung einseitig von der Verwaltung ausgeht (Urteil De Nil und Impens/Rat, Randnr. 34). Folglich hat die Verwaltung die Möglichkeit und nicht die Verpflichtung, in einen Dialog mit der Person einzutreten, der Unrecht zugefügt worden ist, um zu einer Vereinbarung zu gelangen, mit der dieses für sie in billiger Weise ausgeglichen worden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil Meskens/Parlament, Randnr. 80).

54      Das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren waren jedoch an die Fürsorgepflicht gebunden, die das vom Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den Bediensteten des öffentlichen Dienstes geschaffene Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt und ebenso wie der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung u. a. verlangt, dass die Behörde, wenn sie über die Stellung eines Beamten entscheidet, sämtliche Umstände berücksichtigt, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen, und dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Beamten Rechnung trägt. Im vorliegenden Fall jedoch konnten das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren zu Recht annehmen, dass die Klägerin das Urteil Honnefelder vor allem dadurch durchgeführt wissen wollte, dass sie die Aufnahme in die Reserveliste des Auswahlverfahrens erlangte, da sie ja keinen Schadensersatz beantragt hatte; dieser Wunsch wurde überdies von der Klägerin in ihren Schriftsätzen bekräftigt. Aufgrund dessen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Aufnahme der Klägerin in die Reserveliste des Auswahlverfahrens, ohne sie nochmals der mündlichen Prüfung des Auswahlverfahrens zu unterziehen, einen massiven Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit dargestellt hätte, muss die Entscheidung der Verwaltung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen, unter den zur Verfügung stehenden Durchführungsmaßnahmen als diejenige Maßnahme angesehen werden, durch die das Interesse der Klägerin am besten berücksichtigt werden konnte.

55      Daher sind die ersten drei Klagegründe als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Aufhebungsgrund

 Vorbringen der Parteien

56      Erstens wirft die Klägerin dem EPSO vor, sie zu spät zur mündlichen Wiederholungsprüfung geladen zu haben. Denn obwohl bereits ab dem 26. November 2010 vorgesehen gewesen sei, dass diese Prüfung am 4. Februar 2011 stattfinden würde, sei ihr dieses Datum erst am 14. Januar 2011 endgültig mitgeteilt worden, d. h. weniger als drei Wochen vor der Prüfung. Eine solche Frist sei aber zu kurz gewesen, als dass sie sich auf eine mündliche Prüfung hätte ordentlich vorbereiten können. Im ursprünglichen Auswahlverfahren sei sie mehr als zehn Wochen vor der mündlichen Prüfung über den Zeitpunkt informiert worden, an dem diese stattfinden würde. Im vorliegenden Fall sei diese Frist umso kürzer gewesen, als mehr als fünf Jahre seit der schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens vergangen seien, so dass sie nicht damit gerechnet habe, so kurzfristig eine mündliche Wiederholungsprüfung ablegen zu müssen. Zudem habe das EPSO zwar in seinem Schreiben vom 26. November 2010 das Datum des 4. Februars 2011 erwähnt, dieser Zeitpunkt sei aber nur als „wahrscheinliches Datum“ für die Abhaltung der mündlichen Wiederholungsprüfung bezeichnet worden. Außerdem gehe auch aus dem Schreiben, das ein Bediensteter des EPSO am 8. Dezember 2010 an sie gerichtet habe, nicht hervor, dass das in Aussicht genommene Datum des 4. Februars 2011 festgestanden habe.

57      Zweitens wirft die Klägerin dem EPSO vor, ihr nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt zu haben, damit sie sich auf die mündliche Prüfung hätte vorbereiten können, insbesondere Informationen zu Bedingungen, Inhalt, Ablauf und Bewertung dieser Prüfung. In seinen Schreiben vom 26. November 2010, 8. Dezember 2010 und 11. Januar 2011 sowie in der Ladung vom 14. Januar 2011 habe ihr das EPSO nämlich lediglich das in Aussicht genommene Datum sowie den Ort der Prüfung mitgeteilt, so dass sie mit ihrem Schreiben vom 18. Januar 2011 die Initiative habe ergreifen müssen, das EPSO um einige doch wesentliche Informationen zu ersuchen. Das EPSO habe zum einen erst am 2. Februar 2011 geantwortet und zwar unvollständig. In seiner Antwort habe das EPSO sie darüber informiert, dass der gesamte Prüfungsausschuss des Auswahlverfahrens bei der mündlichen Prüfung anwesend sein werde, dass die Prüfung zu denselben Bedingungen ablaufen werde wie die ursprüngliche mündliche Prüfung, der die anderen Bewerber vier Jahre zuvor unterzogen worden seien, dass dieselbe Anzahl von Fragen mit vergleichbarem Schwierigkeitsgrad vorgesehen sei und auch das gleiche Bewertungsformular und die gleichen Bewertungskriterien wie bei der ursprünglichen mündlichen Prüfung angewandt würden. Nicht erläutert habe das EPSO aber insbesondere, ob sie über das Recht befragt würde, das vor oder das nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gegolten habe, zu dem es erst nach dem Urteil Honnefelder gekommen sei. Diese Information sei jedoch wesentlich dafür gewesen, dass sie sich ordentlich auf die Prüfung hätte vorbereiten können. Zum anderen sei die Antwort des EPSO zu spät erfolgt, da die Klägerin behauptet, das Antwortschreiben vom 2. Februar 2011 erst am 7. Februar 2011, d. h. nach Ablauf der mündlichen Prüfung, erhalten zu haben.

58      Drittens trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie aufgrund der Tatsache, dass sie die Antwort des EPSO vor dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Teilnahme an der am 4. Februar 2011 abgehaltenen Prüfung habe bestätigen müssen, nicht erhalten habe, dieses Datum habe akzeptieren müssen, ohne die Bedingungen, die Modalitäten des Ablaufs oder den Inhalt dieser Prüfung zu kennen.

59      Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

60      Was zunächst die Ladungsfrist der Klägerin betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses in einem Schreiben vom 26. November 2010 über die Entscheidung, das Auswahlverfahren wiederzueröffnen und für sie eine mündliche Wiederholungsprüfung abzuhalten, informiert wurde. Zwar wurde das in dem Schreiben für die mündliche Wiederholungsprüfung genannte Datum, nämlich der 4. Februar 2011, nur als „most probably“ (sehr wahrscheinlich) bezeichnet; die Klägerin konnte aber nach Erhalt des betreffenden Schreibens doch damit rechnen, dass die mündliche Wiederholungsprüfung nicht vor diesem Datum stattfinden würde. Daher ist festzustellen, dass der Klägerin ungefähr zwei Monate zur Verfügung standen, um sich auf die mündliche Wiederholungsprüfung vorzubereiten; dieser Zeitraum muss als ausreichend angesehen werden, um ihr die Aktualisierung und Auffrischung der Kenntnisse, die sie brauchte, um diese Prüfung zu bestehen, zu ermöglichen.

61      Was zweitens den Umstand anbelangt, dass das EPSO der Klägerin keine Unterlagen habe zukommen lassen, die auf die Durchführungsmodalitäten und den Inhalt der mündlichen Wiederholungsprüfung Bezug genommen hätten, ist anzumerken, dass die Klägerin damit rechnen musste, dass diese Prüfung nach denselben Modalitäten und zu denselben Themen wie die ursprüngliche mündliche Prüfung abgehalten werde. Das EPSO und der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren hätten nämlich von Rechts wegen für diese mündliche Wiederholungsprüfung weder andere Durchführungsmodalitäten noch einen anderen Inhalt als bei der ursprünglichen mündlichen Prüfung, der einzigen, der die anderen Bewerber unterzogen worden waren, vorsehen können, ohne über das hinauszugehen, was erforderlich war, um dem Urteil Honnefelder zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen. Am Beginn der mündlichen Wiederholungsprüfung fragte der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren die Klägerin zwar, ob sie die Fragen unter Bezugnahme auf das vor oder nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geltende Recht beantworten wolle, während die anderen Bewerber keine solche Auswahlmöglichkeit hatten, da der Vertrag von Lissabon noch nicht verabschiedet worden war, aber es ist festzustellen, dass der Klägerin diese Wahlmöglichkeit zu ihrem Vorteil eröffnet wurde, da sie sich immerhin aussuchen konnte, ob sie zu dem vor oder nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geltenden Recht befragt werden wolle; sie kann sich daher nicht auf einen Vorteil berufen, um die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu erlangen.

62      Drittens ist zum Vorbringen, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, ihre Teilnahme an der am 4. Februar 2011 abgehaltenen mündlichen Wiederholungsprüfung zu bestätigen, ohne deren Bedingungen, Ablaufmodalitäten und Inhalt zu kennen, und im Hinblick darauf, dass die Klägerin mit dem Vorbringen der Verwaltung vorwirft, ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen zu sein, darauf hinzuweisen, dass ein solches Vorbringen, sollte es begründet sein, nicht zur Aufhebung einer Maßnahme führen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. Dezember 2010, Ezerniece Liljeberg u. a./Kommission, F‑83/05, Randnrn. 105 ff.), sondern nur zur außervertraglichen Haftung der Verwaltung wegen eines Amtsfehlers. Die Klägerin hat jedoch keinen Antrag auf Schadensersatz gestellt.

63      Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin eine Verschiebung des Datums der mündlichen Wiederholungsprüfung nur aus einem zwingenden Grund hätte durchsetzen können (Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1976, Prais/Rat, 130/75, Randnr. 16). Da die Klägerin keinen solchen Grund geltend macht, ist festzustellen, dass sie keine andere Wahl hatte, als die Ladung zu der am 4. Februar 2011 vorgesehenen mündlichen Wiederholungsprüfung zu akzeptieren, und dass, auch wenn sie ihre Teilnahme an der mündlichen Wiederholungsprüfung auf der Grundlage falscher Informationen bestätigt hätte, dieser Umstand keine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach sich ziehen könnte.

64      Da keines der von der Klägerin zur Stützung ihres vierten Klagegrundes geltend gemachten Argumente begründet ist, ist dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen und die Klage daher in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

65      Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels ihres Zweiten Titels auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 Abs. 2 kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.

66      Aus den oben ausgeführten Gründen ergibt sich, dass die Klägerin die unterliegende Partei ist. Die Kommission hat auch ausdrücklich beantragt, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Unter den Umständen des vorliegenden Falles weist jedoch das Gericht darauf hin, dass das EPSO die Klägerin nicht über die Modalitäten und den Inhalt der mündlichen Wiederholungsprüfung informiert hat. Zwar hätte die Klägerin, wie festgestellt, annehmen können, dass diese Modalitäten und dieser Inhalt gleich sein würden wie bei der von den anderen Bewerbern abgelegten ursprünglichen mündlichen Prüfung, aber wenn das EPSO der Klägerin hierzu eine E‑Mail geschickt hätte, insbesondere nachdem sie Klarstellungen verlangt hatte, hätten die Unklarheiten der Klägerin beseitigt werden können, und sie hätte vermutlich insoweit keine Einwände erhoben.

67      Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass das vorliegende Verfahren zum Teil durch das Verhalten des EPSO verursacht wurde. Daher erscheint es dem Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, der Kommission neben ihren eigenen Kosten ein Drittel der Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Frau Honnefelder trägt zwei Drittel ihrer Kosten.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und ein Drittel der Kosten von Frau Honnefelder.



Rofes i Pujol

Boruta

Bradley

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2012.

Die Kanzlerin

 

       Die Präsidentin

W. Hakenberg

 

       M. I. Rofes i Pujol


* Verfahrenssprache: Deutsch.