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Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 12. Dezember 2013 (Vorabentscheidungsersuchen des Tartu Ringkonnakohus - Estland) – Ragn-Sells AS/Sillamäe Linnavalitsus

(Rechtssache C-292/12)1

(Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 2008/98/EG – Abfallbewirtschaftung – Art. 16 Abs. 3 – Grundsatz der Nähe – Verordnung [EG] Nr. 1013/2006 – Abfallverbringung – Gemischte Siedlungsabfälle – Industrie- und Bauabfälle – Verfahren zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession für die Sammlung und den Transport von im Gebiet einer Gemeinde erzeugten Abfällen – Pflicht des künftigen Konzessionärs, die gesammelten Abfälle zu von der konzessionsgebenden Behörde bestimmten Behandlungsanlagen zu transportieren – Nächstgelegene geeignete Behandlungsanlagen)

Verfahrenssprache: Estnisch

Vorlegendes Gericht

Tartu Ringkonnakohus

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Ragn-Sells AS

Beklagte: Sillamäe Linnavalitsus

Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen – Tartu Ringkonnakohus – Auslegung von Art. 102 AEUV und Art. 106 Abs. 1 AEUV sowie von Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312, S. 3) – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge betreffend die organisierte Abfuhr von Siedlungsabfällen – In den Auftragsunterlagen vorgesehene Bedingung, mit der der künftige Konzessionsnehmer verpflichtet wird, die Abfälle ausschließlich zu zwei bestimmten, im Gebiet der fraglichen Gemeinde tätigen Abfallbehandlungsanlagen zu befördern, obwohl auf dem Markt andere Dienstleister tätig sind, die die entsprechenden Anforderungen erfüllen – Ausschließliches Recht zur Verarbeitung von Siedlungsabfällen – Missbrauch einer beherrschenden Stellung

Tenor

Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien sind wie folgt auszulegen:

Diese Bestimmungen erlauben einer örtlichen Selbstverwaltungseinheit, das mit dem Sammeln der Abfälle in ihrem Gebiet beauftragte Unternehmen zu verpflichten, die in privaten Haushalten und gegebenenfalls bei anderen Erzeugern eingesammelten gemischten Siedlungsabfälle zur nächstgelegenen geeigneten Behandlungsanlage zu transportieren, die sich in demselben Mitgliedstaat befindet wie diese Selbstverwaltungseinheit.

Diese Bestimmungen erlauben einer örtlichen Selbstverwaltungseinheit nicht, das mit dem Sammeln der Abfälle in ihrem Gebiet beauftragte Unternehmen zu verpflichten, die in ihrem Gebiet erzeugten Industrie- und Bauabfälle zur nächstgelegenen geeigneten Behandlungsanlage zu transportieren, die sich in demselben Mitgliedstaat befindet wie diese Selbstverwaltungseinheit, wenn diese Abfälle zur Verwertung bestimmt sind, sofern die Erzeuger der Abfälle entweder verpflichtet sind, die Abfälle entweder dem genannten Unternehmen zu übergeben oder sie direkt an die genannte Anlage zu liefern.

Die Art. 49 AEUV und 56 AEUV finden keine Anwendung auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.

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1 ABl. C 243 vom 11.8.2012.