Language of document : ECLI:EU:C:2020:910

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

12. November 2020(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag, mit dem nicht dargetan wird, dass eine Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam wäre – Nichtzulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑446/20 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 21. September 2020,

Katjes Fassin GmbH & Co. KG mit Sitz in Emmerich am Rhein (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin S. Stolzenburg-Wiemer,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

Haribo The Netherlands & Belgium BV mit Sitz in Breda (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: A. Tiemann und C. Elkemann, avocates,

Streithelferin im ersten Rechtszug,


erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta sowie der Richter N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter),

Kanzler: A. Calot Escobar,

auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts G. Hogan

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Katjes Fassin GmbH & Co. KG die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 10. Juli 2020, Katjes Fassin/EUIPO – Haribo The Netherlands & Belgium (WONDERLAND) (T‑616/19, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2020:334), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 8. Juli 2019 (Sache R 2164/2018-4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Haribo The Netherlands & Belgium und Katjes Fassin abgewiesen wurde.

 Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2        Werden gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft, Rechtsmittel eingelegt, so entscheidet der Gerichtshof vorab über deren Zulassung (Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

3        Ein Rechtsmittel wird nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird (Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

4        In den Fällen des Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs hat der Rechtsmittelführer seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden (Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung).

5        Der Gerichtshof entscheidet über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich. durch einen mit Gründen versehenen Beschluss (Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung).

6        Die Rechtsmittelführerin führt zur Begründung ihres Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels aus, dass das Gericht bei der Beurteilung der klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) fehlerhaft angewandt habe. Damit werde eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen.

7        Die von der ihr geltend gemachten klanglichen und begrifflichen Unterschiede seien im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt worden. Was die klangliche Ähnlichkeit angehe, sei das Gericht in den Rn. 46 bis 51 des angefochtenen Beschlusses nicht auf das hierfür maßgebliche Kriterium der unterschiedlichen Wortbetonung eingegangen. Die Erwägungen des Gerichts, die sich auf die Betonungsregeln in den vom EUIPO vorgelegten Auszügen aus dem niederländischen Wörterbuch stützten, übersähen, dass die Worte WONDERLAND und WONDERMIX, bei denen es sich um eine Zusammensetzung einfacher englischer Begriffe handele, nicht den niederländischen bzw. belgischen Sprech- und Sprachgewohnheiten entsprechend betont würden, sondern der englischen Aussprache und Lautfolge folgten, also unter Betonung der Wortmitte als WONDAMIKS und WONDALAND. Was die begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen angehe, habe das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Beschlusses lapidar festgestellt, dass sich die Vierte Beschwerdekammer mit den von ihr geltend gemachten, aus den Elementen „MIX“ und „LAND“ resultierenden Unterschieden auseinandergesetzt habe. Das Gericht habe dies nicht näher aufgezeigt und sich nicht mit ihren Argumenten auseinandergesetzt. Die Billigung der unzureichenden Anwendung der Kriterien zur klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit, also von Kriterien, die maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit und damit für die Bewertung der Verwechslungsgefahr nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 seien, durch das Gericht stehe einer einheitlichen und kohärenten Anwendung dieser Vorschrift in der Praxis entgegen.

8        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es der Rechtsmittelführerin obliegt, darzutun, dass die mit ihrem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschlüsse vom 16. September 2019, Kiku/CPVO, C‑444/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:746, Rn. 11, und vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 13).


9        Außerdem muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Falle der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels die Gründe oder Teile des Rechtsmittels zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss (Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170a Abs. 1 und Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung). Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; dies muss vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschluss vom 11. Februar 2020, Rutzinger-Kurpas/EUIPO, C‑887/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:91, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

10      Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und speziell darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das angefochtene Urteil oder den angefochtenen Beschluss verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des angefochtenen Urteils oder Beschlusses ausgewirkt hat (Beschluss vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

11      Ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels, der die in der vorstehenden Randnummer angeführten Angaben nicht enthält, ist nämlich von vornherein nicht geeignet, zu belegen, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft, die seine Zulassung rechtfertigt (Beschluss vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin im Grunde lediglich behauptet, dass das Gericht bei der Beurteilung der klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ihr Vorbringen nicht berücksichtigt habe, und lediglich geltend macht, dass die Billigung der unzureichenden Anwendung der Kriterien zur klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit durch das Gericht einer einheitlichen und kohärenten Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 in der Praxis entgegenstehe. Die Rechtsmittelführerin erläutert in ihrem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels an keiner Stelle, inwieweit durch die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen würde.

13      Wegen der Beweislast, die er als die Partei, die den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels gestellt hat, trägt, muss der Rechtsmittelführer aber dartun, dass sein Rechtsmittel, unabhängig von den darin angesprochenen Rechtsfragen, eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die über das angefochtene Urteil bzw. den angefochtenen Beschluss und damit sein Rechtsmittel hinaus für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind. Er muss sowohl dartun, welche Rechtsfragen durch das Rechtsmittel aufgeworfen werden, als auch, inwieweit sie bedeutsam sind, und zwar konkret anhand der Umstände des Einzelfalls, und nicht lediglich mit allgemeinen Ausführungen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 12. März 2020, Roxtec/EUIPO, C‑893/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:209, Rn. 19). Die Rechtsmittelführerin hat dies in ihrem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nicht dargetan.

14      Jedenfalls ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen letztlich die vom Gericht im Hinblick auf den klanglichen und begrifflichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen vorgenommene Würdigung der Tatsachen angreift. Ein solches Vorbringen ist jedoch grundsätzlich nicht geeignet, eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufzuwerfen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Oktober 2019, KID-Système/EUIPO, C‑577/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:854, Rn. 20).

15      Somit ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin in ihrem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nicht dargetan hat, dass mit dem Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen würde.

16      Das Rechtsmittel ist daher nicht zuzulassen.

 Kosten

17      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

18      Der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift den anderen Parteien des Verfahrens zugestellt worden ist. Diesen konnten daher keine Kosten entstehen. Deshalb ist zu entscheiden, dass die Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten trägt.


Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird nicht zugelassen.

2.      Die Katjes Fassin GmbH & Co. KG trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 12. November 2020

Der Kanzler

 

Die Präsidentin der Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln

A. Calot Escobar

 

R. Silva de Lapuerta



*      Verfahrenssprache: Deutsch.