Language of document : ECLI:EU:C:2020:563

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

16. Juli 2020(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung – Richtlinie (EU) 2015/849 – Unterbliebene Umsetzung und/oder Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags“

In der Rechtssache C‑549/18

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 und Art. 260 Abs. 3 AEUV, eingereicht am 27. August 2018,

Europäische Kommission, vertreten durch T. Scharf, L. Flynn, G. von Rintelen, L. Nicolae und L. Radu Bouyon als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Rumänien, zunächst vertreten durch C.‑R. Canţăr, E. Gane, L. Liţu und R. I. Haţieganu, dann durch die drei Letztgenannten als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Königreich Belgien, vertreten durch C. Pochet, P. Cottin und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte,

Republik Estland, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, B. Fodda und J.‑L. Carré als Bevollmächtigte,

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi und des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič, J. Malenovský, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, F. Biltgen (Berichterstatter), A. Kumin, N. Jääskinen und N. Wahl,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. März 2020

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

–        festzustellen, dass Rumänien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73) verstoßen hat, dass es die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um der Richtlinie 2015/849 nachzukommen, bis zum 26. Juni 2017 nicht erlassen oder der Kommission jedenfalls nicht mitgeteilt hat;

–        gegen Rumänien wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung, die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie mitzuteilen, gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV ein Zwangsgeld von 21 974,40 Euro für jeden Tag des Verzugs ab Verkündung des vorliegenden Urteils zu verhängen;

–        gegen Rumänien gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV einen Pauschalbetrag auf der Grundlage eines Tagessatzes von 6 016,80 Euro, multipliziert mit der Anzahl der Tage ab dem Tag, der auf den Ablauf der in dieser Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist folgte, bis zur Beendigung der Vertragsverletzung durch Rumänien oder, wenn die Vertragsverletzung fortbesteht, bis zur Verkündung des vorliegenden Urteils, vorbehaltlich des Überschreitens des Mindestpauschalbetrags von 1 887 000 Euro, zu verhängen;

–        Rumänien die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849 bestimmt:

„(1)      Ziel dieser Richtlinie ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.

(2)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung untersagt werden.“

3        Art. 67 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 26. Juni 2017 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die vorliegende Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(2)      Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.“

 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

4        Da die Kommission von Rumänien bis zum Ablauf der in Art. 67 der Richtlinie 2015/849 vorgesehenen Frist (26. Juni 2017) keinerlei Informationen über den Erlass und die Veröffentlichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, erhalten hatte, richtete sie am 19. Juli 2017 ein Aufforderungsschreiben an diesen Mitgliedstaat.

5        Aus der Antwort Rumäniens vom 19. September 2017 ging hervor, dass die Maßnahmen zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie zu diesem Zeitpunkt erst vorbereitet wurden. Die Kommission richtete daher am 8. Dezember 2017 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat. Darin forderte sie ihn auf, innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt dieser Stellungnahme die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Anforderungen der Richtlinie 2015/849 zu genügen.

6        Nachdem seine Anträge auf Verlängerung der Frist zur Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 abgelehnt worden waren, antwortete Rumänien auf diese Stellungnahme mit Schreiben vom 8. Februar 2018. Darin teilte Rumänien der Kommission mit, dass der Gesetzentwurf mit den Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 im Mai 2018 vom Parlament verabschiedet werde.

7        Da die Kommission zu dem Ergebnis kam, dass Rumänien weder die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie erlassen noch diese Maßnahmen mitgeteilt habe, hat sie die vorliegende Klage erhoben und beantragt, die gerügte Vertragsverletzung festzustellen und gegen diesen Mitgliedstaat nicht nur einen Pauschalbetrag, sondern auch ein Zwangsgeld in Form eines Tagessatzes zu verhängen.

8        Mit Schreiben vom 28. August 2019 hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, dass sie ihre Klage teilweise zurücknehme, nämlich insofern, als sie nicht mehr die Verhängung eines Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes beantrage, da dieser Antrag nach der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in rumänisches Recht mit Wirkung vom 21. Juli 2019 gegenstandslos geworden sei. Gleichzeitig hat sie darauf hingewiesen, dass sich der Pauschalbetrag, dessen Verhängung sie im vorliegenden Fall beantrage, auf 4 536 667,20 Euro belaufe und den Zeitraum vom 27. Juni 2017 bis zum 20. Juli 2019, also 754 Tage zu einem Satz von 6 016,80 Euro pro Tag, umfasse.

9        Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5., 31. und 27. Dezember 2018 sind das Königreich Belgien, die Republik Estland, die Französische Republik und die Republik Polen als Streithelfer zur Unterstützung Rumäniens zugelassen worden.

 Zur Klage

 Zur Vertragsverletzung im Sinne von Art. 258 AEUV

 Vorbringen der Parteien

10      Die Kommission trägt vor, Rumänien habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie 2015/849 verstoßen, dass es nicht bis zum 26. Juni 2017 alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder ihr diese Vorschriften jedenfalls nicht mitgeteilt habe.

11      Sie weist u. a. darauf hin, dass die Bestimmungen einer Richtlinie in unzweifelhaft verbindlicher und so konkreter, bestimmter und klarer Weise umgesetzt werden müssten, dass dem Erfordernis der Rechtssicherheit genügt werde, und dass sich die Mitgliedstaaten nicht auf interne Umstände oder praktische Schwierigkeiten berufen könnten, um zu rechtfertigen, dass eine Richtlinie nicht innerhalb der vom Unionsgesetzgeber gesetzten Frist umgesetzt worden sei. Es sei daher Sache jedes Mitgliedstaats, die nach seiner internen Rechtsordnung zum Erlass der erforderlichen Rechtsvorschriften nötigen Schritte zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass die Umsetzung der betreffenden Richtlinie fristgerecht erfolgen könne.

12      Im vorliegenden Fall weist die Kommission zu den nationalen Maßnahmen, die nach der Einreichung der Klageschrift im Oktober 2018 mitgeteilt worden seien und die nach Ansicht Rumäniens als teilweise Umsetzung der Richtlinie 2015/849 anzusehen seien, darauf hin, dass Rumänien keine Entsprechungstabelle vorgelegt habe, die die Relevanz der mitgeteilten Maßnahmen zeige und den Zusammenhang zwischen den Richtlinienbestimmungen und diesen Maßnahmen erläutere. Die Mitgliedstaaten seien aber zur Übermittlung eines solchen erläuternden Dokuments verpflichtet.

13      Sodann müsse entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen werden, wenn eine Richtlinie, wie die Richtlinie 2015/849 in ihrem Art. 67, ausdrücklich vorsieht, dass in den Vorschriften zur ihrer Umsetzung selbst oder durch einen Hinweis bei ihrer amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen wird (Urteil vom 11. Juni 2015, Kommission/Polen, C‑29/14, EU:C:2015:379, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall nehme jedoch keine der 40 von Rumänien im Oktober 2018 mitgeteilten Maßnahmen auf die Richtlinie 2015/849 Bezug. Zudem seien 37 dieser Maßnahmen schon vor dem Erlass dieser Richtlinie getroffen worden.

14      Schließlich könne entgegen dem Vorbringen Rumäniens nicht angenommen werden, dass die Umsetzung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. 2005, L 309, S. 15) und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission vom 1. August 2006 mit Durchführungsbestimmungen für die Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Begriffsbestimmung von „politisch exponierte Personen“ und der Festlegung der technischen Kriterien für vereinfachte Sorgfaltspflichten sowie für die Befreiung in Fällen, in denen nur gelegentlich oder in sehr eingeschränktem Umfang Finanzgeschäfte getätigt werden (ABl. 2006, L 214, S. 29) für die Gewährleistung der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 ausreiche, da die letztgenannte Richtlinie zahlreiche neue Elemente einführe, die sich erheblich von denjenigen unterschieden, die in den ersten zwei Richtlinien vorgesehen seien. Da die von Rumänien im Oktober 2018 mitgeteilten Maßnahmen nicht die Richtlinie 2015/849, sondern die Richtlinien 2005/60 und 2006/70 umsetzten, könnten sie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berücksichtigt werden. Daher sei das Vorbringen Rumäniens zur teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2015/849 unbegründet.

15      Nach der Auffassung Rumäniens ist die Klage der Kommission teilweise abzuweisen, da die Umsetzung der Richtlinie 2015/849 durch die vor Ablauf der Frist in ihrem Art. 67 geltenden nationalen Rechtsvorschriften teilweise gewährleistet worden sei. Seit Beginn des Vorverfahrens habe Rumänien fortwährende Anstrengungen unternommen, um zu einer Beilegung des vorliegenden Rechtsstreits zu gelangen, und habe mit der Kommission hinsichtlich des Erlasses der Maßnahmen, die erforderlich seien, um die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2015/849 sicherzustellen, in einem aktiven Dialog gestanden; diese Maßnahmen seien schließlich am 21. Juli 2019 in Kraft getreten.

16      Im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Kommission habe Rumänien dieser im Oktober 2018 40 nationale Maßnahmen als Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 mitgeteilt, die bereits in der nationalen Rechtsordnung vorhanden gewesen seien. Da diese 40 Maßnahmen die vollständige Umsetzung der Richtlinien 2005/60 und 2006/70 gewährleistet hätten, die weitgehend in die sie ersetzende Richtlinie 2015/849 übernommen worden seien, seien diese Maßnahmen als teilweise Umsetzung der Richtlinie 2015/849 anzusehen. Diese Gesichtspunkte, die Besonderheiten des vorliegenden Falles und das Verhalten Rumäniens seien vom Gerichtshof zu berücksichtigen.

17      Der Umstand, dass die 40 in Rede stehenden Maßnahmen der Kommission erst nach Klageerhebung und nicht während des Vorverfahrens mitgeteilt worden seien, ändere nichts daran, dass die Kommission von diesen Maßnahmen Kenntnis gehabt habe, noch bevor die Umsetzungsfrist des Art. 67 der Richtlinie 2015/849 zu laufen begonnen habe; denn diese Maßnahmen seien als Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien 2005/60 und 2006/70 mitgeteilt worden. Im Übrigen würden in der der Klagebeantwortung als Anlage beigefügten Entsprechungstabelle die als umgesetzt angesehenen Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 und die entsprechenden Bestimmungen des geltenden nationalen Rechts klar und präzise angegeben. Dass diese Maßnahmen keine Bezugnahme auf die Richtlinie 2015/849 enthielten, stehe dem nicht entgegen, dass es sich bei ihnen um Umsetzungsmaßnahmen handele, da sie es ermöglichten, die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele zu erreichen.

18      Da Gegenstand der vorliegenden Klage das gänzliche Unterbleiben der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in rumänisches Recht sei, müsse das Vorbringen der Kommission, wonach die in der Entsprechungstabelle angegebenen Maßnahmen angesichts der durch die Richtlinie 2015/849 eingeführten Änderungen keine Umsetzung dieser Richtlinie darstellen könnten, Gegenstand einer anderen Klage sein.

 Würdigung durch den Gerichtshof

19      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung aufgrund der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und können spätere Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteile vom 30. Januar 2002, Kommission/Griechenland, C‑103/00, EU:C:2002:60, Rn. 23, vom 18. Oktober 2018, Kommission/Rumänien, C‑301/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:846, Rn. 42, und vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 23).

20      Darüber hinaus hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen müssen, wenn eine Richtlinie ausdrücklich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, zu gewährleisten, dass in den zur Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei ihrer amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug genommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 1997, Kommission/Deutschland, C‑137/96, EU:C:1997:566, Rn. 8, vom 18. Dezember 1997, Kommission/Spanien, C‑360/95, EU:C:1997:624, Rn. 13, und vom 11. Juni 2015, Kommission/Polen, C‑29/14, EU:C:2015:379, Rn. 49).

21      Im vorliegenden Fall hat die Kommission Rumänien am 8. Dezember 2017 ihre mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelt, so dass die darin gesetzte Frist von zwei Monaten am 8. Februar 2018 ablief. Ob die geltend gemachte Vertragsverletzung vorgelegen hat, ist daher anhand der zu diesem Zeitpunkt geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Insoweit ist zum einen unstreitig, dass die 40 nationalen Maßnahmen, die nach der Auffassung Rumäniens eine teilweise Umsetzung der Richtlinie 2015/849 gewährleisten, nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 gesetzten Frist, nämlich im Oktober 2018, als Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie mitgeteilt wurden.

23      Zum anderen steht, wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, jedenfalls fest, dass diese 40 Maßnahmen entgegen den Vorgaben in Art. 67 der Richtlinie 2015/849 keine Bezugnahme auf diese Richtlinie enthalten.

24      Folglich können die in Rede stehenden Maßnahmen nicht als positive Umsetzungsmaßnahme im Sinne der in Rn. 20 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung angesehen werden.

25      Daraus ist zu schließen, dass Rumänien bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 gesetzten Frist weder die zur Gewährleistung der Umsetzung der Richtlinie 2015/849 erforderlichen Maßnahmen erlassen noch somit diese Maßnahmen der Kommission mitgeteilt hatte.

26      Daher ist festzustellen, dass Rumänien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie 2015/849 verstoßen hat, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 gesetzten Frist nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hatte, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie nachzukommen, und der Kommission somit diese Maßnahmen auch nicht mitgeteilt hatte.

 Zur Vertragsverletzung im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV

 Zur Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV

–       Vorbringen der Parteien

27      Die Kommission trägt vor, Art. 260 Abs. 3 AEUV sei durch den Vertrag von Lissabon eingeführt worden, um die zuvor durch den Vertrag von Maastricht geschaffene Sanktionsregelung zu stärken. Angesichts der Neuartigkeit dieser Bestimmung und der Notwendigkeit, Transparenz und Rechtssicherheit zu wahren, habe sie die Mitteilung „Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV“ (ABl. 2011, C 12, S. 1, im Folgenden: Mitteilung von 2011) angenommen.

28      Diese Bestimmung ziele darauf ab, die Mitgliedstaaten stärker dazu anzuhalten, die Richtlinien innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Fristen umzusetzen und die Anwendung der Rechtsvorschriften der Union zu gewährleisten.

29      Art. 260 Abs. 3 AEUV gelte sowohl dann, wenn gar keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitgeteilt würden, als auch dann, wenn dies nur teilweise geschehe.

30      Da in Art. 260 Abs. 3 AEUV davon die Rede sei, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, „Maßnahmen zur Umsetzung einer … Richtlinie“ mitzuteilen, finde diese Bestimmung überdies nicht nur dann Anwendung, wenn keine nationalen Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitgeteilt würden, sondern auch dann, wenn keine solchen Maßnahmen erlassen worden seien. Eine rein formalistische Auslegung der Bestimmung, wonach sie nur die effektive Notifizierung nationaler Maßnahmen sicherstellen solle, gewährleiste keine sachgerechte Umsetzung aller Bestimmungen der betreffenden Richtlinie, und nehme der Pflicht zur Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht jede praktische Wirksamkeit.

31      Im vorliegenden Fall gehe es gerade darum, das Verhalten Rumäniens zu ahnden, das darin bestehe, dass es nicht alle Rechtsvorschriften, die erforderlich seien, um die Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in nationales Recht sicherzustellen, erlassen und veröffentlicht habe und sie somit der Kommission auch nicht mitgeteilt habe.

32      Dem Vorbringen, mit dem Rumänien die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV auf den vorliegenden Fall in Abrede stellt, hält die Kommission u. a. entgegen, dass ihre Entscheidung, systematisch die Verhängung einer finanziellen Sanktion nach dieser Bestimmung zu beantragen, nicht dahin verstanden werden könne, dass sie ihr Ermessen nicht ausgeübt habe. In Ziff. 16 der Mitteilung von 2011 habe sie nämlich ausdrücklich berücksichtigt, dass ihr von Art. 260 Abs. 3 AEUV ein breiter Ermessensspielraum eingeräumt werde, vergleichbar mit der Ermessensbefugnis, ein Vertragsverletzungsverfahren im Sinne von Art. 258 AEUV einzuleiten oder dies nicht zu tun. So sei die politische Entscheidung, in allen Rechtssachen, die Verstöße im Sinne dieser Bestimmung beträfen, grundsätzlich auf das in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene Instrument zurückzugreifen, in Ausübung ihres Ermessens getroffen worden. Die Kommission schließt zwar nicht aus, dass Sonderfälle auftreten könnten, in denen ihr ein Antrag auf Sanktionen nach dieser Bestimmung unangemessen erscheine; vorliegend sei dies jedoch nicht der Fall.

33      Zum Vorbringen Rumäniens, die meisten Mitgliedstaaten hätten die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2015/849 nicht eingehalten, räumt die Kommission ein, dass ihr bei Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie, d. h. am 26. Juni 2017, nur acht Mitgliedstaaten Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung dieser Richtlinie mitgeteilt hätten. Jedoch sei Rumänien zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage, also am 27. August 2018, der einzige Mitgliedstaat gewesen, der überhaupt keine Maßnahme zur Umsetzung dieser Richtlinie mitgeteilt habe.

34      Rumänien beantragt, die Klage der Kommission abzuweisen, soweit sie darauf gerichtet ist, gegen es gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV finanzielle Sanktionen zu verhängen, und macht geltend, dass die Tatsache, dass das rumänische Recht zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage eine teilweise Umsetzung der Richtlinie 2015/849 gewährleistet habe, zur Unanwendbarkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Sanktionsregelung führe. Hilfsweise müssten die von der Kommission vorgeschlagenen finanziellen Sanktionen an diese Situation angepasst werden.

35      Rumänien bestreitet zwar weder die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens der Vertragsverletzungsklage der Kommission nach Art. 258 AEUV noch die Fortsetzung dieses Verfahrens vor dem Gerichtshof, hält allerdings Art. 260 Abs. 3 AEUV für im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da diese Bestimmung, die die beschleunigte Anwendung einer Sanktionsregelung für eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV betreffe, eng auszulegen sei. Zweck dieser Bestimmung sei es nämlich, in einem früheren Stadium einen offensichtlichen Verstoß gegen eine Verpflichtung zu ahnden, deren Durchführungsmodalität unbestritten sei, nämlich die Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien. Art. 260 Abs. 3 AEUV betreffe somit offenkundige Verstöße, in Anbetracht derer die vorherige Erwirkung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt werde, nur ein förmliches Vorgehen sei. Die Anwendung dieser Bestimmung müsse sich auf die in ihrem Wortlaut abschließend beschriebenen Fälle beschränken, d. h. auf den Verstoß gegen die „Verpflichtung …, Maßnahmen zur Umsetzung einer … Richtlinie mitzuteilen“.

36      Nach Ansicht Rumäniens ist bei der Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV die von der Kommission durchgeführte Kontrolle nicht auf die bloße förmliche Feststellung des Vorhandenseins einer Mitteilung nationaler Maßnahmen zur Umsetzung der in Rede stehenden Richtlinie zu beschränken. Es sei offenkundig, dass die Kommission eine umfassende Analyse der mitgeteilten nationalen Maßnahmen vornehmen und prüfen müsse, ob diese Maßnahmen den von dieser Richtlinie geregelten Bereich beträfen, binnen welcher Frist sie in Kraft träten, oder ob sie für das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gälten. Erließen die Mitgliedstaaten jedoch Umsetzungsmaßnahmen oder wiesen, wie im vorliegenden Fall, das Bestehen solcher – auch teilweiser – Maßnahmen nach, erfordere die Feststellung einer Vertragsverletzung im Allgemeinen eine kontradiktorische Erörterung zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat, die nicht einem förmlichen Vorgehen gleichgesetzt werden könne.

37      Diese Auslegung von Art. 260 Abs. 3 AEUV stehe im Einklang mit den vorbereitenden Arbeiten, die zum Erlass dieser Bestimmung geführt hätten, und ergebe sich im Übrigen aus deren wörtlicher Auslegung. Außerdem könne nur durch diese Auslegung sowohl der Grundsatz der Rechtssicherheit als auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, da sie eine klare Trennung zwischen den Fällen begründe, in denen Umsetzungs- und Notifizierungsmaßnahmen völlig fehlten, und den Fällen, in denen nur eine teilweise Umsetzung und Mitteilung gegeben sei.

38      Zu der beantragten finanziellen Sanktion weist Rumänien zum einen darauf hin, dass die Kommission ihre Entscheidung, im vorliegenden Fall die Verhängung einer solchen Sanktion zu beantragen, nicht begründet habe. Die Praxis der Kommission, im Rahmen von Klagen auf Feststellung einer Verletzung der Pflicht zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie automatisch die Verhängung finanzieller Sanktionen nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, sei nämlich falsch und verstoße gegen die mit dieser Bestimmung verfolgten Ziele. So ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 260 Abs. 3 AEUV, dass die Kommission, „wenn sie dies für zweckmäßig hält, die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen“ könne, so dass die Anwendung finanzieller Sanktionen eine Option für die Kommission darstelle, die jeden Fall individuell prüfen müsse. Daher sei es Sache dieses Organs, alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände des vorliegenden Falles zu untersuchen und in Anbetracht dieser Umstände ihre Entscheidung, beim Gerichtshof die Verhängung finanzieller Sanktionen zu beantragen, zu begründen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung sei umso wichtiger, als sich aus Art. 260 Abs. 3 AEUV ergebe, dass der Gerichtshof eine Sanktion nur bis zur Höhe des von der Kommission angegebenen Betrags verhängen könne, so dass der Gerichtshof mangels eines entsprechenden Vorschlags der Kommission daran gehindert sei, eine finanzielle Sanktion zu verhängen. Nach alledem und unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände der vorliegenden Rechtssache sowie des Umstands, dass die Kommission ihre Entscheidung, die Verhängung finanzieller Sanktionen zu beantragen, nicht begründet habe, sei die Verhängung solcher Sanktionen im vorliegenden Fall nicht möglich.

39      Zum anderen stelle die Verhängung eines Pauschalbetrags eine Ausnahme dar, die nur zur Anwendung komme, wenn sich aus den Merkmalen der in Rede stehenden Vertragsverletzung, dem Verhalten des betreffenden Mitgliedstaats und der Bewertung des Grades der Beeinträchtigung der öffentlichen und privaten Interessen ergebe, dass die Verhängung eines Zwangsgelds im Hinblick auf das Ziel, diese Vertragsverletzung schnellstmöglich zu beenden und sicherzustellen, dass dieser Mitgliedstaat ein solches Verhalten nicht weiterführe, nicht ausreiche. Im Übrigen habe der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Verurteilung zu einem Pauschalbetrag in Anbetracht des Wortlauts und des Zwecks von Art. 260 Abs. 3 AEUV nicht den von der Kommission geltend gemachten automatischen Charakter haben dürfe. Im vorliegenden Fall habe zunächst einmal die Kommission anerkannt, dass Rumänien während des Verfahrens vor dem Gerichtshof alle Maßnahmen erlassen habe, die erforderlich seien, um die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2015/849 zu gewährleisten. Sodann seien die Bestimmungen der Richtlinie 2015/849 im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf private und öffentliche Akteure sogar schon vor dem Inkrafttreten der Legea nr. 129/2019 pentru prevenirea și combaterea spălării banilor și finanțării terorismului, precum și pentru modificarea și completarea unor acte normative (Gesetz Nr. 129/2019 zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie zur Änderung und Ergänzung bestimmter gesetzlicher Vorschriften) vom 11. Juli 2019 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 589 vom 18. Juli 2019) am 21. Juli 2019 durch die geltenden nationalen Rechtsvorschriften umgesetzt gewesen. Außerdem sei für einige der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen. Schließlich liege Rumänien im Durchschnitt der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Zahl von Klagen auf Feststellung einer Verletzung der Pflicht zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien und sei vom Gerichtshof noch nie wegen Verletzung der Pflicht zur fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie verurteilt worden. Überdies sei die durchschnittliche Dauer der Vorverfahren, an denen Rumänien beteiligt sei, die kürzeste aller Mitgliedstaaten; im vorliegenden Fall sei zwischen dem Beginn des Vorverfahrens und der Anrufung des Gerichtshofs weniger als ein Jahr vergangen. Daher sei der Antrag der Kommission auf Verhängung eines Pauschalbetrags nicht nur ungerechtfertigt, sondern im Hinblick auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles und das Hauptziel dieser Art finanzieller Sanktion auch unverhältnismäßig.

40      Das Königreich Belgien, die Republik Estland und die Französische Republik machen im Wesentlichen geltend, Art. 260 Abs. 3 AEUV finde nur dann Anwendung, wenn ein Mitgliedstaat hinsichtlich der Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht völlig untätig geblieben sei und es daher versäumt habe, innerhalb der gesetzten Frist Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie zu ergreifen und sie der Kommission mitzuteilen. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung erstrecke sich keinesfalls darauf, dass ein Mitgliedstaat der Kommission Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt habe, diese ihm aber vorwerfe, die fragliche Richtlinie nicht ordnungsgemäß oder nur teilweise umgesetzt zu haben.

41      Diese Mitgliedstaaten tragen hierzu u. a. vor, dass sich die von ihnen befürwortete Auslegung von Art. 260 Abs. 3 AEUV aus dessen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Ziel ergebe, wonach diese Bestimmung nur in den schwerwiegendsten und offenkundigsten Fällen eines Verstoßes gegen die Pflicht, Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie zu erlassen und sie mitzuteilen, zur Anwendung kommen solle. Außerdem werde sie durch die innere Systematik von Art. 260 AEUV bestätigt und sei die einzige, die die Mitgliedstaaten nicht in eine äußerst schwierige Situation bringe, da diese, folgte man dem von der Kommission befürworteten Ansatz, nie sicher sein könnten, ob die Kommission nicht in Erwägung ziehe, ihnen eine finanzielle Sanktion aufzuerlegen.

42      Hinzu komme, dass die so vertretene Auslegung sicherstellen könne, dass der Anwendungsbereich von Art. 258 AEUV voll und ganz beachtet werde, und als einzige mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei. Sie hätte nämlich zur Folge, dass die Kommission, wenn ein Mitgliedstaat während des Verfahrens vor dem Gerichtshof eine Richtlinie umsetze und der Kommission alle Umsetzungsmaßnahmen mitteile, ihren Antrag, diesem Mitgliedstaat ein Zwangsgeld oder einen Pauschalbetrag aufzuerlegen, zurücknehmen müsse. Überdies wäre mit ihr nur ein marginales Risiko verbunden, dass die Mitgliedstaaten versuchten, der Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV zu entgehen, indem sie Umsetzungsmaßnahmen mitteilten, die nicht der Realität entsprächen.

43      Darüber hinaus sind alle in Rn. 40 des vorliegenden Urteils genannten, als Streithelfer auftretenden Mitgliedstaaten und die Republik Polen der Ansicht, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Fall keine Anwendung finden könne, da die Kommission ihre Entscheidung, die Verhängung finanzieller Sanktionen zu beantragen, nicht substantiiert begründet habe. Eine solche Entscheidung müsse nämlich in Bezug auf die besonderen Umstände der jeweiligen Rechtssache besonders gerechtfertigt werden, da die Verhängung eines Pauschalbetrags nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht automatisch erfolgen könne. Die Kommission könne sich nicht darauf beschränken, grundsätzlich auf das in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene Instrument zurückzugreifen, ohne gegen diese Bestimmung zu verstoßen. Außerdem sei eine eingehende Prüfung der Umstände jedes Falles durch die Kommission vorzunehmen, da diese erforderlich seien, um die Art der finanziellen Sanktion zu bestimmen, die zu verhängen sei, um den betreffenden Mitgliedstaat zu veranlassen, die fragliche Vertragsverletzung zu beenden, und um einen Betrag festzusetzen, der den Umständen des Einzelfalls angemessen sei, wie es die Rechtsprechung des Gerichtshofs verlange. Im Übrigen sei es nicht erforderlich, die Zahlung eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds zu kumulieren. In jedem Fall könne die Vorgehensweise der Kommission zu Diskriminierungen zwischen Mitgliedstaaten führen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

44      Nach Art. 260 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV kann die Kommission, wenn sie beim Gerichtshof Klage nach Art. 258 AEUV erhebt, weil sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, die von ihr den Umständen nach für angemessen erachtete Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen, sofern sie dies für zweckmäßig hält. Nach Art. 260 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV kann der Gerichtshof, wenn er einen Verstoß feststellt, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängen, wobei die Zahlungsverpflichtung ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt gilt.

45      Zur Tragweite von Art. 260 Abs. 3 AEUV hat der Gerichtshof entschieden, dass einer Auslegung dieser Bestimmung zu folgen ist, die es zum einen ermöglicht, sowohl die Befugnisse zu gewährleisten, über die die Kommission verfügt, um die wirksame Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, als auch die Verteidigungsrechte und die Verfahrensstellung zu schützen, die den Mitgliedstaaten nach Art. 258 AEUV in Verbindung mit Art. 260 Abs. 2 AEUV zustehen, und zum anderen den Gerichtshof in die Lage versetzt, seine Rechtsprechungsfunktion ausüben zu können, die darin besteht, im Rahmen nur eines Verfahrens zu beurteilen, ob der betreffende Mitgliedstaat seinen Pflichten betreffend die Mitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie nachgekommen ist, und gegebenenfalls die Schwere der dabei festgestellten Pflichtverletzung zu bewerten und die ihm unter den Umständen des Einzelfalls am geeignetsten erscheinende finanzielle Sanktion zu verhängen (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 58).

46      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die sich in Art. 260 Abs. 3 AEUV befindliche Wortfolge „Verpflichtung …, Maßnahmen zur Umsetzung … mitzuteilen“ dahin ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, hinreichend klare und genaue Informationen über die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen. Um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen und zu gewährleisten, dass alle Bestimmungen der Richtlinie im gesamten Hoheitsgebiet umgesetzt werden, müssen die Mitgliedstaaten für jede Bestimmung der Richtlinie angeben, welche nationale Vorschrift oder nationalen Vorschriften ihre Umsetzung sicherstellen. Sobald diese Mitteilung, gegebenenfalls unter Beifügung einer Entsprechungstabelle, erfolgt ist, obliegt es der Kommission, im Hinblick auf einen Antrag, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene finanzielle Sanktion zu verhängen, nachzuweisen, dass bestimmte Umsetzungsmaßnahmen offensichtlich unterblieben sind oder sich nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erstrecken; es ist nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens zu prüfen, ob die der Kommission mitgeteilten nationalen Maßnahmen eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der fraglichen Richtlinie gewährleisten (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 59).

47      Da, wie sich aus den Rn. 25 und 26 des vorliegenden Urteils ergibt, feststeht, dass Rumänien der Kommission bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 gesetzten Frist keinerlei Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV mitgeteilt hatte, fällt die so festgestellte Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.

48      Zur Frage, ob die Kommission, wie Rumänien und die Rumänien als Streithelfer unterstützenden Mitgliedstaaten geltend machen, ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, in jedem Einzelfall begründen muss oder ob sie dies in allen Fällen, die im Anwendungsbereich dieser Bestimmung liegen, ohne Begründung tun kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Hüterin der Verträge nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EUV über einen Ermessensspielraum verfügt, um eine solche Entscheidung zu treffen.

49      Die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV kann nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV in Verbindung stehen. Da der Antrag auf Verurteilung zu einer finanziellen Sanktion gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV nur ein Nebenverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren ist, dessen Wirksamkeit es gewährleisten soll, und die Kommission hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens über ein Ermessen verfügt, über das der Gerichtshof keine gerichtliche Kontrolle ausüben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Februar 1989, Star Fruit/Kommission, 247/87, EU:C:1989:58, Rn. 11, vom 6. Juli 2000, Kommission/Belgien, C‑236/99, EU:C:2000:374, Rn. 28, und vom 26. Juni 2001, Kommission/Portugal, C‑70/99, EU:C:2001:355, Rn. 17), können die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht strenger sein als diejenigen, die für die Durchführung von Art. 258 AEUV gelten.

50      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 260 Abs. 3 AEUV nur der Gerichtshof befugt ist, gegen einen Mitgliedstaat eine finanzielle Sanktion zu verhängen. Erlässt der Gerichtshof eine solche Entscheidung nach einer kontradiktorischen Erörterung, muss er diese begründen. Dass die Kommission ihre Entscheidung, beim Gerichtshof die Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht begründet, lässt daher die Verfahrensgarantien des betreffenden Mitgliedstaats unberührt.

51      Zudem entbindet der Umstand, dass die Kommission ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht in jedem Einzelfall begründen muss, dieses Organ nicht von der Pflicht, die Art und Höhe der beantragten finanziellen Sanktion zu begründen und dabei die von ihr erlassenen Leitlinien, wie sie in ihren Mitteilungen enthalten sind, zu berücksichtigen; diese binden zwar den Gerichtshof nicht, tragen jedoch dazu bei, Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Schweden, C‑270/11, EU:C:2013:339, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Das Erfordernis der Begründung von Art und Höhe der beantragten finanziellen Sanktion ist umso wichtiger, als Art. 260 Abs. 3 AEUV im Unterschied zu Art. 260 Abs. 2 AEUV vorsieht, dass der Gerichtshof im Rahmen eines nach dieser Bestimmung eingeleiteten Verfahrens nur über ein begrenztes Ermessen verfügt, da im Fall der Feststellung einer Vertragsverletzung durch den Gerichtshof dieser hinsichtlich der Art und des Höchstbetrags der finanziellen Sanktion, die er verhängen kann, an die Vorschläge der Kommission gebunden ist.

53      Die Verfasser von Art. 260 Abs. 3 AEUV haben nämlich nicht nur vorgesehen, dass es Sache der Kommission ist, „die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds“ zu benennen, sondern auch klargestellt, dass der Gerichtshof eine finanzielle Sanktion nur „bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags“ verhängen kann. Somit haben sie eine unmittelbare Korrelation zwischen der von der Kommission geforderten Sanktion und der Sanktion hergestellt, die vom Gerichtshof nach dieser Bestimmung verhängt werden kann.

54      Auch das Vorbringen, wonach die Verhängung eines Pauschalbetrags entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. u. a. Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, C‑121/07, EU:C:2008:695, Rn. 63) nicht im Wege eines Automatismus erfolgen dürfe, kann sich nicht auf die Befugnis der Kommission auswirken, in allen Fällen, in denen sie der Ansicht ist, dass eine Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV fällt, ein Verfahren nach dieser Bestimmung einzuleiten. Diese Rechtsprechung betrifft nämlich die Beurteilung der Begründetheit einer Klage der Kommission, die auf eine „Verurteilung“ zur Zahlung einer finanziellen Sanktion durch den Gerichtshof gerichtet ist, und nicht die Zweckmäßigkeit der Erhebung einer solchen Klage.

55      Was das Vorbringen Rumäniens zu seiner Stellung im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Umsetzung der Richtlinie 2015/849, die durchschnittliche Dauer der diesen Mitgliedstaat betreffenden Vorverfahren oder die Dauer des Vorverfahrens im vorliegenden Fall betrifft, ist festzustellen, dass sich dieses Vorbringen nicht auf die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV auf einen Verstoß wie den in Rede stehenden bezieht, sondern auf die Begründetheit der auf die Zahlung eines Pauschalbetrags im vorliegenden Fall gerichteten Klage, auf die im vorliegenden Urteil später noch einzugehen sein wird. Zudem können jedenfalls die Erwägungen, die die Kommission dazu veranlasst haben, das vorliegende Verfahren gegen Rumänien einzuleiten und dies zu dem von ihr gewählten Zeitpunkt zu tun, die Anwendbarkeit von Art. 260 Abs. 3 AEUV oder die Zulässigkeit der nach dieser Bestimmung erhobenen Klage nicht berühren.

56      Daher ist festzustellen, dass Art. 260 Abs. 3 AEUV auf eine Situation wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende anwendbar ist.

 Zur Verhängung eines Pauschalbetrags im vorliegenden Fall

–       Vorbringen der Parteien

57      Zur Höhe der zu verhängenden finanziellen Sanktion vertritt die Kommission im Einklang mit dem in Ziff. 23 der Mitteilung von 2011 wiedergegebenen Standpunkt die Auffassung, dass die in Art. 260 Abs. 3 AEUV genannten Modalitäten für die Berechnung der Sanktionen die gleichen sein müssten wie die, die im Rahmen des in Art. 260 Abs. 2 AEUV festgelegten Verfahrens angewandt würden, da ein Verstoß gegen die Verpflichtung, Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen, nicht weniger schwerwiegend sei als ein Verstoß, der Gegenstand der in Art. 260 Abs. 2 AEUV genannten Sanktionen sein könne.

58      Im vorliegenden Fall beantragt die Kommission die Verhängung eines Pauschalbetrags, dessen Höhe nach den in ihrer Mitteilung vom 13. Dezember 2005 („Anwendung von Artikel [260 AEUV]“) (SEK[2005] 1658), in der durch die Mitteilung vom 13. Dezember 2017 („Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ [C(2017) 8720]) aktualisierten Fassung enthaltenen Leitlinien berechnet wird und dessen Mindestpauschalbetrag für Rumänien 1 887 000 Euro beträgt. Dieser Mindestpauschalbetrag fände jedoch im vorliegenden Fall keine Anwendung, sofern er niedriger sei als der Betrag, der sich aus der Berechnung des Pauschalbetrags gemäß diesen Mitteilungen ergebe. Um den Tagessatz festzusetzen, der dieser Berechnung zugrunde liege, sei der einheitliche Grundbetrag, nämlich 230 Euro, mit dem Schwerekoeffizienten, der im vorliegenden Fall auf einer Skala von 1 bis 20 den Wert 8 habe, und mit dem für Rumänien 3,27 betragenden Faktor „n“ zu multiplizieren. Der Tagessatz belaufe sich somit auf 6 016,80 Euro pro Tag und müsse mit der Anzahl der Tage multipliziert werden, die zwischen dem 27. Juni 2017, dem Tag nach dem in der Richtlinie 2015/849 vorgesehenen Zeitpunkt für die Umsetzung, und dem 20. Juli 2019, dem Tag vor dem Tag der vollständigen Umsetzung der Richtlinie, also 754 Tage, verstrichen seien. Damit belaufe sich der zu verhängende Pauschalbetrag auf 4 536 667,20 Euro.

59      Die Kommission bestreitet im Übrigen, dass die Verhängung eines Pauschalbetrags eine Ausnahme darstelle und nur unter außergewöhnlichen Umständen geboten sei. Die verspätete Umsetzung von Richtlinien beeinträchtige nämlich nicht nur den Schutz der mit dem Unionsrecht verfolgten allgemeinen Interessen, die keine Verzögerung dulden könnten, sondern auch und vor allem den Schutz der europäischen Bürger, die aus diesen Rechtsvorschriften subjektive Rechte herleiteten. Darüber hinaus wäre die Glaubwürdigkeit des Unionsrechts insgesamt gefährdet, wenn Gesetzgebungsakte viele Jahre brauchten, um ihre volle Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten zu entfalten. Folglich stellten Verzögerungen bei der Umsetzung von Richtlinien besondere Umstände dar, die hinreichend schwerwiegend seien, um die Verhängung eines Pauschalbetrags zu rechtfertigten.

60      Rumänien beanstandet den Ansatz der Kommission, die Höhe der nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Sanktionen nach denselben Kriterien und Regeln zu berechnen wie denjenigen, die für die Anwendung von Art. 260 Abs. 2 AEUV herangezogen werden. Eine solche Vorgehensweise sei nämlich in Anbetracht der unterschiedlichen Merkmale der Art der Vertragsverletzung und der von der Kommission nach der einen oder der anderen dieser Bestimmungen erhobenen Klage irrig und unverhältnismäßig.

61      Im vorliegenden Fall sei der von der Kommission herangezogene Schwerekoeffizient übermäßig hoch, da es sich nicht um einen Verstoß gegen ein erstes Urteil, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt worden sei, handele, es nicht um eine fehlende Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in nationales Recht gehe und Rumänien während des gesamten Verfahrens kooperiert habe. Die Anwendung eines Dauerkoeffizienten hält Rumänien für unangemessen, da der Begriff „Dauer des Verstoßes“ grundlegend vom Zeitpunkt der Feststellung des betreffenden Verstoßes durch den Gerichtshof abhängig sei. Im Rahmen von Art. 260 Abs. 3 AEUV sei dieser Zeitpunkt jedoch gerade der Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs gemäß Art. 258 AEUV. Sollte der Gerichtshof diesem Ansatz nicht folgen, sei für die Bestimmung der Dauer des Verstoßes entsprechend der Praxis des Gerichtshofs bei Vertragsverletzungen nach Art. 258 AEUV der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzte Zeitpunkt als Bezugszeitpunkt zugrunde zu legen.

62      In Anbetracht der Besonderheiten der von der Kommission auf der Grundlage von Art. 258 AEUV in Verbindung mit Art. 260 Abs. 3 AEUV erhobenen Klage hält es Rumänien darüber hinaus für angemessener, einen Mindestbetrag und einen Höchstbetrag des Pauschalbetrags festzusetzen, die je nach Schwere des von dem betreffenden Mitgliedstaat begangenen Verstoßes variieren sollten. Bei der Festsetzung dieser Beträge seien alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. So sei zum einen ein Mindestpauschalbetrag festzusetzen, der weit unter dem derzeitigen Vorschlag der Kommission liege und bei Vorliegen einer konstruktiven und kooperativen Haltung des betreffenden Mitgliedstaats sowie eines weniger schwerwiegenden Verstoßes anwendbar sei. Zum anderen müsse der Höchstpauschalbetrag eine ablehnende Haltung des betreffenden Mitgliedstaats und einen schwerwiegenderen Verstoß widerspiegeln. Im vorliegenden Fall sei der von der Kommission vorgeschlagene Mindestpauschalbetrag von 1 887 000 Euro im Hinblick auf die Besonderheiten des Falles, die Einstellung und das Verhalten Rumäniens sowie den neuen, in der Mitteilung der Kommission vom 13. September 2019 mit dem Titel „Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof der Europäischen Union bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ (ABl. 2019, C 309, S. 1) vorgeschlagenen Mindestpauschalbetrag von 1 651 000 Euro unverhältnismäßig. Sollte der Gerichtshof einen Pauschalbetrag verhängen, müsste dieser daher erheblich herabgesetzt werden und darüber hinaus den Umstand widerspiegeln, dass die Richtlinie 2015/849, auch wenn das Gesetz Nr. 129/2019 vom 11. Juli 2019 erst am 21. Juli 2019 in Kraft getreten sei, bereits vor Ablauf ihrer Umsetzungsfrist teilweise umgesetzt gewesen sei. Selbst wenn der Gerichtshof entscheiden sollte, dem von der Kommission befürworteten Ansatz zu folgen, wäre im Übrigen die Höhe des Pauschalbetrags herabzusetzen, indem nur die Anzahl der Tage berücksichtigt würde, die zwischen der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, d. h. dem 8. Februar 2018, und gegebenenfalls dem Zeitpunkt der Beendigung der in Rede stehenden Vertragsverletzung oder dem Zeitpunkt der Verkündung des vorliegenden Urteils verstrichen sind.

63      Die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung Rumäniens beigetreten sind, machen u. a. geltend, dass die nach Art. 260 Abs. 3 AEUV verhängten finanziellen Sanktionen niedriger festzusetzen seien als die nach Abs. 2 dieses Artikels verhängten Sanktionen, da es sich um einen weniger schwerwiegenden Verstoß handele als dem der Nichtbefolgung eines ersten Urteils des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt worden sei. Jedenfalls müsse in Anbetracht sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles der von der Kommission vorgeschlagene Pauschalbetrag herabgesetzt werden.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

64      Was als Erstes das Vorbringen betrifft, wonach es unverhältnismäßig sei, einen Pauschalbetrag zu verhängen, da Rumänien die in Rede stehende Vertragsverletzung während des Verfahrens beendet habe, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Verletzung der Verpflichtung zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie durch einen Mitgliedstaat – sei es, dass Informationen ganz oder teilweise fehlen, sei es, dass eine Information nicht hinreichend klar und genau ist – als solche die Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Vertragsverletzung nach Art. 258 AEUV rechtfertigen kann (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 51). Zum anderen wurde mit der Einführung des in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Mechanismus nicht nur das Ziel verfolgt, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, innerhalb kürzester Zeit eine Vertragsverletzung zu beenden, die ohne eine solche Maßnahme vermutlich fortbestanden hätte, sondern auch das Ziel, das Verfahren zur Verhängung finanzieller Sanktionen bei Verletzungen der Pflicht, eine nationale Maßnahme zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, zu vereinfachen und zu beschleunigen, wobei vor der Einführung dieses Mechanismus eine finanzielle Sanktion gegen Mitgliedstaaten, die einem früheren Urteil des Gerichtshofs nicht fristgerecht nachgekommen waren und ihre Umsetzungspflicht missachtet hatten, womöglich erst mehrere Jahre nach dem genannten Urteil verhängt wurde (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 52).

65      Die Verfasser von Art. 260 Abs. 3 AEUV haben zur Erreichung des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels zwei Arten finanzieller Sanktionen vorgesehen, nämlich den Pauschalbetrag und das Zwangsgeld.

66      Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Frage, ob die eine oder die andere dieser beiden Maßnahmen angewandt wird, von ihrer Eignung zur Erfüllung des verfolgten Zweckes nach Maßgabe der Umstände des konkreten Falles abhängt. Während die Verhängung eines Zwangsgelds besonders geeignet erscheint, um einen Mitgliedstaat zu veranlassen, eine Vertragsverletzung, die ohne eine solche Maßnahme die Tendenz hätte, fortzubestehen, so schnell wie möglich zu beenden, beruht die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags eher auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung lange Zeit fortbestanden hat (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, EU:C:2005:444, Rn. 81).

67      Vor diesem Hintergrund kann eine Klage, mit der wie im vorliegenden Fall die Verhängung eines Pauschalbetrags beantragt wird, nicht allein deshalb als unverhältnismäßig abgewiesen werden, weil sie eine Vertragsverletzung zum Gegenstand hat, die zwar zeitlich fortbestanden hat, aber zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof beendet war.

68      Als Zweites ist hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Verhängung einer finanziellen Sanktion im vorliegenden Fall festzustellen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 78).

69      Im vorliegenden Fall deuten trotz des Umstands, dass Rumänien während des gesamten Vorverfahrens mit den Dienststellen der Kommission kooperiert hat und Anstrengungen unternommen hat, die es ihm ermöglichten, die gerügte Vertragsverletzung im Lauf des Verfahrens abzustellen, alle rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte der festgestellten Vertragsverletzung, nämlich das gänzliche Fehlen der Mitteilung der zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 erforderlichen Maßnahmen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist und sogar noch zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage, darauf hin, dass die wirksame Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung entsprechender Verstöße gegen das Unionsrecht den Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie der Verhängung eines Pauschalbetrags erfordern kann (vgl. in diesem Sinne entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteile vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 142, und vom 4. Dezember 2014, Kommission/Schweden, C‑243/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2413, Rn. 63).

70      Dieses Ergebnis wird durch das in Rn. 55 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Vorbringen nicht in Frage gestellt. Wie in dieser Randnummer ausgeführt worden ist, ist es nämlich zum einen Sache der Kommission, u. a. zu beurteilen, ob ein Einschreiten gegen einen Mitgliedstaat zweckmäßig ist, und den Zeitpunkt für die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens zu wählen. Zum anderen gebieten es die Ziele des Vorverfahrens, nämlich dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich gegen die Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen (Urteil vom 19. September 2017, Kommission/Irland, [Zulassungssteuer], C‑552/15, EU:C:2017:698, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung), der Kommission, den Mitgliedstaaten eine angemessene Frist einzuräumen, um auf das Aufforderungsschreiben zu antworten und einer mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen oder gegebenenfalls ihre Verteidigung vorzubereiten. Ob die festgesetzte Frist angemessen ist, ist dabei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Sehr kurze Fristen können daher in besonderen Fällen gerechtfertigt sein, insbesondere wenn es dringend ist, einer Vertragsverletzung zu begegnen, oder wenn dem betroffenen Mitgliedstaat der Standpunkt der Kommission schon vor dem Beginn des Verfahrens vollständig bekannt ist (Urteil vom 13. Dezember 2001, Kommission/Frankreich, C‑1/00, EU:C:2001:687, Rn. 65).

71      Es ist jedoch festzustellen, dass im vorliegenden Fall nicht behauptet wird, dass die im Aufforderungsschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Antwortfristen besonders kurz oder unangemessen gewesen seien. Im Übrigen ergibt sich aus dem nicht bestrittenen Sachverhalt in den Rn. 4 und 5 des vorliegenden Urteils, dass davon auszugehen ist, dass Rumänien zumindest ab dem 27. Juni 2017 vollständige Kenntnis davon hatte, dass es gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie 2015/849 verstoßen hatte.

72      Als Drittes ist zur Berechnung des Pauschalbetrags, dessen Verhängung im vorliegenden Fall angemessen ist, darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in Ausübung seines diesbezüglichen Ermessens innerhalb des Rahmens der Vorschläge der Kommission den Pauschalbetrag, zu dessen Zahlung ein Mitgliedstaat gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV verurteilt werden kann, so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere der festgestellten Vertragsverletzung, der Zeitraum, in dem sie fortbestanden hat und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Was erstens die Schwere des Verstoßes betrifft, ist festzustellen, dass die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, und die Pflicht, diese Maßnahmen der Kommission mitzuteilen, wesentliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts sind und dass der Verletzung dieser Pflichten daher eine gewisse Schwere beizumessen ist (Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 85). Hinzu kommt, dass die Richtlinie 2015/849 ein wichtiges Instrument ist, um einen wirksamen Schutz des Finanzsystems der Union gegen die Bedrohungen durch Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten. Das Fehlen oder die Unzulänglichkeit eines solchen Schutzes des Finanzsystems der Union ist angesichts ihrer Folgen für die öffentlichen und privaten Interessen innerhalb der Union als besonders schwerwiegend anzusehen.

74      Rumänien hat die ihm vorgeworfene Vertragsverletzung zwar im Laufe des Verfahrens beendet, jedoch lag sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 gesetzten Frist, d. h. am 8. Februar 2018, noch vor, so dass die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht jederzeit gewährleistet war.

75      Die Schwere dieser Vertragsverletzung wird im Übrigen dadurch verstärkt, dass Rumänien zu diesem Zeitpunkt noch nicht die geringste Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 erlassen hatte.

76      Das Vorbringen Rumäniens, um die verspätete Umsetzung der Richtlinie 2015/849 zu erklären, nämlich die Komplexität der Richtlinienbestimmungen, der mühsame legislative Prozess, der zum Erlass der Umsetzungsmaßnahmen führte, und der Wille zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie, kann auf die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes keinen Einfluss haben. Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich Übungen oder Umstände der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen, die sich aus den Unionsrichtlinien ergeben, und somit auch nicht die verspätete oder unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen. Es ist auch unerheblich, ob der Verstoß eines Mitgliedstaats auf technischen Schwierigkeiten beruht (vgl. u. a. Urteil vom 7. Mai 2002, Kommission/Niederlande, C‑364/00, EU:C:2002:282, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Zweitens ist zur Dauer des Verstoßes darauf hinzuweisen, dass diese grundsätzlich unter Heranziehung des Zeitpunkts zu bemessen ist, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, und nicht etwa des Zeitpunkts, zu dem die Kommission ihn damit befasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 87). Es ist davon auszugehen, dass diese Sachverhaltswürdigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens erfolgt.

78      Im vorliegenden Fall wurde die in Rede stehende Vertragsverletzung unstreitig am 21. Juli 2019, also zu einem Zeitpunkt vor Abschluss des Verfahrens, beendet.

79      Hinsichtlich des Beginns des Zeitraums, der bei der Festsetzung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags zu berücksichtigen ist, ist klarzustellen, dass, im Unterschied zur Entscheidung des Gerichtshofs in Rn. 88 des Urteils vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien (Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze) (C‑543/17, EU:C:2019:573), zur Bestimmung eines zu verhängenden Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes, für die Bemessung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung bei der Verhängung eines Pauschalbetrags nach Art. 260 Abs. 3 AEUV nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der fraglichen Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist abzustellen ist.

80      Wie der Generalanwalt in Nr. 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, soll nämlich diese Bestimmung die Mitgliedstaaten dazu anhalten, Richtlinien innerhalb der vom Unionsgesetzgeber gesetzten Fristen umzusetzen, und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisten. Während die Durchführung des Verfahrens nach Art. 260 Abs. 2 AEUV also dadurch ausgelöst wird, dass ein Mitgliedstaat gegen die Verpflichtungen verstoßen hat, die sich aus einem Urteil ergeben, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird, liegt dem Verfahren nach Art. 260 Abs. 3 AEUV der Umstand zugrunde, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie spätestens zu dem von dieser Richtlinie festgelegten Zeitpunkt zu erlassen und mitzuteilen.

81      Jede andere Lösung liefe im Übrigen darauf hinaus, die praktische Wirksamkeit der Richtlinienbestimmungen in Frage zu stellen, die den Zeitpunkt festlegen, zu dem die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung in Kraft treten müssen. Da nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Versenden eines Aufforderungsschreibens nach Art. 258 Abs. 1 AEUV voraussetzt, dass sich die Kommission davor mit Erfolg auf einen Verstoß gegen eine dem betroffenen Mitgliedstaat obliegende Verpflichtung berufen kann (Urteil vom 5. Dezember 2019, Kommission/Spanien [Abfallbewirtschaftungspläne], C‑642/18, EU:C:2019:1051, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung), verfügten nämlich die Mitgliedstaaten, die eine Richtlinie zu dem von ihr festgelegten Zeitpunkt nicht umgesetzt haben, dann jedenfalls über eine zusätzliche Umsetzungsfrist, deren Dauer überdies davon abhinge, wie schnell die Kommission das Vorverfahren einleitet, ohne dass jedoch die Dauer dieser Zeitspanne bei der Bemessung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung berücksichtigt werden könnte. Unstreitig ist jedoch der Zeitpunkt, von dem an die volle Wirksamkeit einer Richtlinie sicherzustellen ist, der in der Richtlinie selbst festgelegte Zeitpunkt für ihre Umsetzung und nicht der Zeitpunkt, an dem die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist abläuft.

82      Entgegen dem Vorbringen Rumäniens kann dieser Ansatz die praktische Wirksamkeit des Vorverfahrens nach Art. 258 Abs. 1 AEUV nicht in Frage stellen. In einem Fall wie dem hier vorliegenden kann der betreffende Mitgliedstaat nämlich nicht mit Erfolg vorbringen, er habe nicht gewusst, dass er ab dem in der betreffenden Richtlinie festgelegten Umsetzungszeitpunkt gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen habe. Außerdem kann der durch das Vorverfahren gewährleistete Schutz der Verteidigungsrechte des betreffenden Mitgliedstaats nicht dazu führen, dass dieser Mitgliedstaat vor allen finanziellen Folgen dieses Verstoßes für den Zeitraum vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist geschützt wird.

83      Um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, ist daher bei der Bemessung der Dauer des Verstoßes im Hinblick auf die Festsetzung des nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags auf den in der betreffenden Richtlinie selbst vorgesehenen Zeitpunkt für die Umsetzung abzustellen.

84      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass Rumänien zu dem in Art. 67 der Richtlinie 2015/849 vorgesehenen Zeitpunkt für die Umsetzung, d. h. am 26. Juni 2017, nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hatte, die erforderlich waren, um die Umsetzung dieser Richtlinie zu gewährleisten, und somit der Kommission die Maßnahmen zu deren Umsetzung nicht mitgeteilt hatte. Daraus folgt, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung, die erst am 21. Juli 2019 endete, etwas mehr als zwei Jahre angedauert hat.

85      Was drittens die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die jüngste Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen ist, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt (vgl. entsprechend, zu Art. 260 Abs. 2 AEUV, Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      In Anbetracht aller Umstände der vorliegenden Rechtssache und angesichts des Ermessens, das dem Gerichtshof in Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeräumt wird, wonach dieser bei der Verhängung des Pauschalbetrags über den von der Kommission angegebenen Betrag nicht hinausgehen darf, ist davon auszugehen, dass die wirksame Vorbeugung gegen eine zukünftige Wiederholung von Verstößen, die dem Verstoß gegen Art. 67 der Richtlinie 2015/849 entsprechen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen, die Verhängung eines Pauschalbetrags erfordert, dessen Höhe auf 3 000 000 Euro festzusetzen ist.

87      Folglich ist Rumänien zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 3 000 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

88      Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung Rumäniens beantragt hat und Rumänien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

89      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen das Königreich Belgien, die Republik Estland, die Französische Republik und die Republik Polen ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Rumänien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 67 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission verstoßen, dass es bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. Dezember 2017 gesetzten Frist die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um der Richtlinie 2015/849 nachzukommen, nicht erlassen und somit der Kommission diese nicht mitgeteilt hat.

2.      Rumänien wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 3 000 000 Euro zu zahlen.

3.      Rumänien trägt die Kosten.

4.      Das Königreich Belgien, die Republik Estland, die Französische Republik und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Rumänisch.