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Vorabentscheidungsersuchen des Landesverwaltungsgerichts Tirol (Österreich) eingereicht am 30. März 2018 - PI

(Rechtssache C-230/18)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Landesverwaltungsgericht Tirol

Parteien des Ausgangsverfahrens

Beschwerdeführerin: PI

Belangte Behörde: Landespolizeidirektion Tirol

Vorlagefragen

1.)    Ist Art. 15 Abs. 2 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union), demzufolge alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger die Freiheit haben, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen, so zu verstehen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegensteht, die es, wie § 19 Abs. 3 des Tiroler Landespolizeigesetzes, LGBl. Nr. 60/1976, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. Nr. 56/2017, ermöglicht, dass Organe einer Behörde auch ohne vorangegangenes behördliches Verfahren Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, wie insbesondere die Schließung eines Betriebes an Ort und Stelle, treffen können, ohne dass es sich hierbei um bloß vorläufige Maßnahmen handelt?

2.)    Ist Art. 47 GRC, allenfalls in Verbindung mit Art. 41 und Art 52 GRC, unter dem Aspekt der Waffengleichheit und dem Aspekt eines wirksamen Rechtsbehelfes so zu verstehen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegensteht, die, wie in § 19 Abs. 3 und 4 des Tiroler Landespolizeigesetzes angeordnet, faktische Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, wie insbesondere Betriebsschließungen, ohne Dokumentation und ohne Bestätigung gegenüber einer betroffenen Person vorsieht?

3.)    Ist Art. 47 GRC, allenfalls in Verbindung mit Art. 41 und Art 52 GRC, unter dem Aspekt der Waffengleichheit so zu verstehen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegensteht, die, wie in § 19 Abs. 3 und 4 des Tiroler Landespolizeigesetzes angeordnet, zur Aufhebung verfahrensfreier faktischer Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, wie insbesondere Betriebsschließungen, von der durch diese faktische Maßnahme betroffenen Person einen begründeten Antrag zur Aufhebung dieser Schließung fordert?

4.)    Ist Art. 47 GRC in Verbindung mit Art. 52 GRC in Ansehung eines wirksamen Rechtsbehelfes so zu verstehen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegensteht, die wie § 19 Abs. 4 des Tiroler Landespolizeigesetzes bei einer faktischen Zwangsmaßnahme in Form einer Betriebsschließung nur ein auf bestimmte Bedingungen eingeschränktes Antragsrecht auf Aufhebung zulässt?

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