Language of document : ECLI:EU:T:2019:171

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

20. März 2019(*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer Unionsbildmarke, die eine Form darstellt – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs.1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑762/17

Grammer AG mit Sitz in Amberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Bühling und D. Graetsch,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 6. September 2017 (Sache R 2250/2016-4) über die Anmeldung einer Form als Unionsbildmarke

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović, des Richters E. Bieliūnas und der Richterin A. Marcoulli (Berichterstatterin),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 21. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 1. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2018, in der die Klägerin Dokumente vorgelegt hat, die zu den Akten genommen worden sind,

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Am 2. Mai 2016 meldete die Klägerin, die Grammer AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 12, 41 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „Wissenschaftliche, Schifffahrts‑, Vermessungs‑, fotografische, Film‑, optische, Wäge‑, Mess‑, Signal‑, Kontroll‑, Rettungs- und Unterrichtsapparate und ‑instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Datenträger, insbesondere zur Speicherung von Filmen; Magnetaufzeichnungsträger, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Solarzellen und Solarkollektoren zur Stromerzeugung; Messgeräte, insbesondere Schwingungsmessgeräte; Filme; Software; Displays, elektrische und elektronische Bedienungselemente, Joysticks, Sensoren; Kamerasysteme zur Überwachung von Kraftfahrzeugen“;

–        Klasse 12: „Sitze für Land‑, Wasser- und Luftfahrzeuge; Sicherheitsgurte für Sitze von Land‑, Wasser- und Luftfahrzeugen; Innenausstattungen für Land‑, Wasser- und Luftfahrzeuge, insbesondere Kopfstützen, Armlehnen, Türverkleidungen, Konsolen für Fahrzeuginnenräume, Seitenverkleidungen, Radhauspolster, Dachhimmel, Armaturentafeln, Getränkehalter, Innenraumtaschen; Laderaumabdeckungen, Ski-Durchladesäcke, Gepäcknetze für Fahrzeuge; Lüftungsgitter für Fahrzeuge; Zierleisten für Fahrzeuginnenräume; lackierte Produkte als Teile von Fahrzeuginnenräumen; Lautsprechergitter für Fahrzeuge; Luftausströmer für Fahrzeuge; Kindersitze für Land‑, Luft- und Wasserfahrzeuge; Fahrzeugkabinen, insbesondere Nutzfahrzeugkabinen, und deren konstruktionsgebundene Innenausstattungsteile sowie Einrichtungen zur Federung von Fahrzeugkabinen; Gehäuse für Teile von Kraftfahrzeugen (ausgenommen für Motoren); Fahrzeugfenster; Front- und Heckschürzen für Automobile; Frontspoiler und Heckspoiler für Automobile; Gehäusedeckel für Landfahrzeugmotoren; Blenden für Fahrzeuge und Fahrzeugteile; Streckmetall für Abdeckungen von Fahrzeugteilen; Abdeckungen für Fahrzeuge; Abdeckungen für Fahrzeugteile; Lüftungsgitter für Fahrzeuge; Metall-Kunststoff[-]Verbindungen für Fahrzeuge; Schlossträger für Fahrzeuge; Einstiegsleisten für Fahrzeuge; Fahrzeugteile, soweit in Klasse 12 enthalten“;

–        Klasse 41: „Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Schulungen und Kongressen“;

–        Klasse 42: „Wissenschaftliche Forschung, insbesondere Durchführung von Versuchen und Messungen an Fahrzeugen; Erstellen von Computerprogrammen und technischen Dokumentationen dafür; Entwicklung von Computerhardware; Entwicklung und Realisierung von Projekten auf dem Gebiet der Elektrik und Elektronik im Bereich Bergbau, Chemie, Baumaschinen, Landmaschinen und Werkzeuge; industrielle Systementwicklung“.

4        Am selben Tag meldete die Klägerin beim EUIPO für dieselben oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen beim EUIPO das nachstehend abgebildete Bildzeichen als Unionsmarke an, das im Unterschied zu dem oben in Rn. 2 abgebildeten Zeichen am 7. September 2016 vom EUIPO eingetragen wurde.

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5        Was das oben in Rn. 2 abgebildete Bildzeichen betrifft, wurde die Anmeldung mit Entscheidung vom 10. November 2016 von der Prüferin für sämtliche von der Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) mit der Begründung zurückgewiesen, dass die angemeldete Marke nicht unterscheidungskräftig sei.

6        Am 2. Dezember 2016 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Prüferin Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) ein.

7        Mit Entscheidung vom 6. September 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer führte insbesondere aus, dass erstens die angemeldete Form ein Etikett darstelle, das keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen enthalte (Rn. 10 der angefochtenen Entscheidung), dass zweitens die von der angemeldeten Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen sich teilweise an ein spezialisiertes Fachpublikum und teilweise an Endverbraucher richteten, die alle diesen Waren und Dienstleistungen eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegenbrächten (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung), dass drittens das Zeichen vom Verbraucher als Etikett wahrgenommen werde und dass „[s]olche Etiketten … unterschiedlichste Formen auf[weisen], so dass das angemeldete Zeichen nicht von der Norm abweicht und ihm somit keine Unterscheidungskraft zukommt“ (Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung), dass viertens „[a]ufgrund der Einfachheit des Zeichens, das als Etikett wahrgenommen wird“, es nicht notwendig gewesen sei, homogene Gruppen von Waren und Dienstleistungen zu bilden (Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung), und dass fünftens „[d]as Zeichen … in seiner Gesamtheit keine Information in sich [trägt], die sich von der eines anderen Etiketts unterscheidet und die geeignet wäre, einen Herkunftsnachweis zu beinhalten“ (Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung). Auf der Grundlage dieser Feststellungen kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass das Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen sei, da es nicht unterscheidungskräftig sei (Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung), und erklärte, dass aus diesen Gründen die von der Klägerin angeführten Entscheidungen keinen Anlass zu einem anderen Ergebnis gäben (Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung).

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des EUIPO aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Die Klägerin macht einen einzigen Klagegrund geltend, der aus drei Teilen besteht und mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 rügt. Erstens habe die Beschwerdekammer verkannt, dass ein Minimum an Unterscheidungskraft ausreichend sei, zweitens sei das angemeldete Zeichen entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer unterscheidungskräftig, und drittens seien die Anmeldungen, die sie am selben Tag eingereicht habe, vom EUIPO nicht gleich behandelt worden.

11      Das EUIPO tritt dem einzigen Klagegrund der Klägerin entgegen.

12      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen sind.

13      Nach ständiger Rechtsprechung fallen unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die Marken, die als ungeeignet angesehen werden, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die betriebliche Herkunft der fraglichen Ware zu identifizieren, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware erwirbt, so zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (vgl. Urteil vom 5. April 2017, Anta [China]/EUIPO [Darstellung zweier Linien, die einen spitzen Winkel bilden], T‑291/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:253, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Gemäß der Rechtsprechung ist die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren, für die sie angemeldet worden ist, zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den Durchschnittsverbrauchern dieser Waren zusammensetzen. Die Wahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise wird durch den Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers beeinflusst, der je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 28. Juni 2017, X-cen-tek/EUIPO [Darstellung eines Dreiecks], T‑470/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:442, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Schon bei einem Mindestmaß an Unterscheidungskraft greift das absolute Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht ein (vgl. Urteil vom 5. April 2017, Darstellung zweier Linien, die einen spitzen Winkel bilden, T‑291/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:253, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Das Vorbringen der Klägerin, die angemeldete Marke besitze Unterscheidungskraft, ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen. Insbesondere ist unter den Umständen des vorliegenden Falles mit der Prüfung des zweiten Teils des einzigen Klagegrundes zu beginnen, mit dem die Klägerin geltend macht, dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft besitze.

17      Um zu beurteilen, ob eine Marke Unterscheidungskraft hat, ist auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen (vgl. Urteile vom 30. Juni 2005, Eurocermex/HABM, C‑286/04 P, EU:C:2005:422, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. Oktober 2007, Henkel/HABM, C‑144/06 P, EU:C:2007:577, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Die Bejahung der Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hängt nicht von der Feststellung eines bestimmten Niveaus der sprachlichen oder künstlerischen Kreativität oder Vorstellungskraft des Markeninhabers ab. Es genügt, dass die Marke es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die Herkunft der von ihr erfassten Waren zu erkennen und diese von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 29. September 2009, The Smiley Company/HABM [Darstellung eines halben Smileys], T‑139/08, EU:T:2009:364, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Allerdings ist z. B. ein Zeichen, das äußerst einfach ist und aus einer geometrischen Grundfigur wie einem Kreis, einer Linie, einem Rechteck oder einem üblichen Fünfeck besteht, nach der Rechtsprechung als solches nicht geeignet, eine Aussage zu vermitteln, an die sich die Verbraucher erinnern können, so dass sie es nicht als eine Marke ansehen werden, sofern es nicht durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat (vgl. Urteil vom 29. September 2009, Darstellung eines halben Smileys, T‑139/08, EU:T:2009:364, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des einzigen Klagegrundes vor, dass das angemeldete Zeichen geeignet sei, die oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und dass es als Herkunftsnachweis wahrgenommen werde. Hierzu macht sie geltend, dass sie der Argumentation der Beschwerdekammer, die nicht frei von Widersprüchen sei, nicht folgen könne. Insbesondere lasse es die Beschwerdekammer in Rn. 17 des angefochtenen Urteils dahinstehen, wie das angemeldete Zeichen zu beschreiben sei, und in Rn. 18 dieser Entscheidung halte sie diese Diskussion fälschlicherweise für eine bloße „Verbalisierung“. Die Beschwerdekammer habe sich auf die nicht näher erläuterte Aussage gestützt, das angemeldete Zeichen werde als Etikett wahrgenommen. Es bleibe indes völlig unerfindlich, wie die Beschwerdekammer zu dieser Auffassung gelange, und die angefochtene Entscheidung enthalte dazu keine nähere Begründung. Die Klägerin fügt hinzu, dass die in der angemeldeten Marke dargestellte Form nichts mit einem Etikett gemein habe, dass es unüblich sei, die von dem angemeldeten Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen mit einem Etikett zu versehen, dass es fernliegend sei, dass diese Form als bloßes Etikett wahrgenommen werde, und dass die Tatsache, dass es für Etiketten keine Norm gebe, nicht bedeute, dass diese Form nicht als Herkunftsnachweis aufgefasst werde.

21      Im Rahmen des zweiten Teils des einzigen Klagegrundes rügt die Klägerin im Wesentlichen, die Beschwerdekammer habe die angefochtene Entscheidung nicht ordnungsgemäß begründet.

22      Das EUIPO trägt vor, die angefochtene Entscheidung sei ausreichend begründet, und stützt sich dabei auf mehrere ihrer Randnummern.

23      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen des EUIPO nach Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001) mit Gründen zu versehen sind. Die dort verankerte Begründungspflicht hat den gleichen Umfang wie die Pflicht nach Art. 296 AEUV. Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle ausüben kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (Urteile vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM, C‑447/02 P, EU:C:2004:649, Rn. 63 bis 65, vom 15. November 2011, Abbott Laboratories/HABM [RESTORE], T‑363/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:662, Rn. 73, und vom 23. Januar 2014, Novartis/HABM [CARE TO CARE], T‑68/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:29, Rn. 27).

24      Lehnt das EUIPO die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke ab, muss es somit zur Begründung seiner Entscheidung das dieser Eintragung entgegenstehende absolute oder relative Eintragungshindernis sowie die Bestimmung, aus der es abgeleitet wird, angeben und darlegen, welchen Sachverhalt es als erwiesen zugrunde gelegt hat, der seiner Auffassung nach die Anwendung der herangezogenen Bestimmung rechtfertigt. Eine solche Begründung ist grundsätzlich ausreichend, um den oben in Rn. 23 genannten Anforderungen gerecht zu werden (Urteile vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 46, und vom 23. Januar 2014, CARE TO CARE, T‑68/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:29, Rn. 28).

25      Im vorliegenden Fall erfüllt die angefochtene Entscheidung diese Anforderungen allerdings nicht.

26      Zum einen ist es, wie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, schwierig, der Argumentation der Beschwerdekammer, die sie in den Rn. 17 bis 19 der angefochtenen Entscheidung vornimmt, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die angemeldete Marke nicht unterscheidungskräftig sei, zu folgen. In Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung führt die Beschwerdekammer nämlich zunächst aus, dass die Frage, „[o]b es sich bei dem fraglichen Zeichen, wie von der Prüferin dargelegt, um eine Variation einer einfachen geometrischen Figur, nämlich eines Rechtecks[,] handelt, bei dem die Ecken abgerundet sind“, nicht entscheidungsrelevant sei. Sodann führt sie in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung aus, dass, wie die Prüferin auch anerkannt habe, „die angemeldete Form [selbstverständlich] Abweichungen von einem Rechteck auf[weist]“. Schließlich erklärt sie in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung, dass der relevante Verbraucher „das Zeichen als Etikett wahrnehmen [wird]“ und dass solche „Etiketten … unterschiedlichste Formen auf[weisen], so dass das angemeldete Zeichen nicht von der Norm abweicht und ihm somit keine Unterscheidungskraft zukommt“. Aus diesen Randnummern der angefochtenen Entscheidung geht somit offenbar hervor, dass die Weigerung, die angemeldete Marke einzutragen, auf der Wahrnehmung des Zeichens als Etikett beruht.

27      Es ist zudem festzustellen, dass das EUIPO in seiner Klagebeantwortung ausgeführt hat, dass in der angefochtenen Entscheidung die fehlende Unterscheidungskraft damit begründet worden sei, dass die angemeldete Marke „eine sehr einfache, banale Form der Anmeldungsgestaltung in Form eines normalen ‚Etiketts‘ [ist], die dem ungewöhnten Verkehr keinen Rückschluss auf den betrieblichen Ursprung ermöglicht“. Allerdings ist abgesehen von dem tatsächlich in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Verweis auf ein Etikett, das nicht von der Norm abweiche, festzustellen, dass in dieser Entscheidung entgegen dem Vorbringen des EUIPO nicht ausgeführt wird, dass die in der angemeldeten Marke dargestellte Form eine „banale Form“ oder „sehr einfach“ sei.

28      Zum anderen hat das EUIPO in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass aus Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, dass die Zurückweisung auf der Einfachheit des Zeichens beruhe. Diese Einfachheit sei der entscheidende Gesichtspunkt für die Verneinung der Unterscheidungskraft gewesen. Hierzu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung in der Tat ausgeführt hat, dass es bei der Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke im Hinblick auf die verschiedenen oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen nicht erforderlich gewesen sei, dass die Prüferin „homogene Gruppen der Waren und Dienstleistungen“ bilde, sondern dass sie „[a]ufgrund der Einfachheit des Zeichens, das als Etikett wahrgenommen wird“, sehr wohl „global“ habe argumentieren können. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Weigerung, die angemeldete Marke einzutragen, in Wirklichkeit auf der Einfachheit des Zeichens beruht.

29      Jedenfalls ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung trotz der in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen inzidenten Behauptung, das Zeichen sei einfach, selbst wenn man sie zusammen mit der in den Rn. 10, 19 und 20 dieser Entscheidung enthaltenen Behauptung, das Zeichen werde als Etikett wahrgenommen, betrachtet, rechtlich nicht hinreichend begründet ist, da sie nicht erlaubt nachzuvollziehen, auf welche tatsächlichen Umstände sich die Beschwerdekammer gestützt hat.

30      Erstens hat die Beschwerdekammer nämlich keineswegs begründet, weshalb sie die Auffassung vertreten hat, dass sich das Zeichen durch seine Einfachheit auszeichne. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der bloß inzidente Gebrauch des Ausdrucks „aufgrund der Einfachheit des Zeichens“ ausreicht, um den Betroffenen zu ermöglichen, die Gründe zu erfahren, die die angefochtene Entscheidung rechtfertigen, und dem Gericht, seine Kontrolle auszuüben, zumal, wenn eine solche inzidente Bemerkung der einzige in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Verweis auf die Einfachheit des angemeldeten Zeichens ist.

31      Im Übrigen ist das weitere Vorbringen des EUIPO insoweit zurückzuweisen. Entgegen den Angaben des EUIPO in der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung nicht ausgeführt, dass das angemeldete Zeichen einfach oder sogar von einer übermäßigen Einfachheit sei, sondern sie hat lediglich auf die oben in Rn. 19 angeführte Rechtsprechung hingewiesen. Aus Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung geht keineswegs hervor, dass die Beschwerdekammer, als sie erklärt hat, dass „das angemeldete Zeichen nicht von der Norm abweicht“, die Gründe dargelegt hat, weshalb das Zeichen einfach oder banal sei, da zum einen die „Einfachheit“ nur inzident in der nachfolgenden Randnummer der angefochtenen Entscheidung erwähnt wird und da zum anderen diese Qualifizierung, wenn man sie in ihrem Kontext betrachtet, wie er oben in Rn. 26 wiedergegeben wurde, eher darauf hindeutet, dass das Zeichen als Etikett wahrgenommen werde, das nicht von der Norm abweicht, oder, anders gesagt, als „normale[s] ‚Etikett‘ …“, wie das EUIPO in seiner Klagebeantwortung ausgeführt hat (vgl. oben, Rn. 27).

32      Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdekammer die in der Entscheidung der Prüferin vom 10. November 2016 enthaltene und oben in Rn. 5 genannte Begründung zu eigen gemacht hat, in der es u. a. heißt, dass die angemeldete Marke eine „leicht abgeänderte geometrische Grundform“ darstelle, d. h. eine „abgerundete … Rechteckform“ oder eine „abgerundete Variante eines Rechteckes, in einfacher Linienführung, ohne farbliche Ausgestaltung“, was eine „banale geometrische Form“ sei. Zwar hat das EUIPO in der mündlichen Verhandlung ausgeführt – wobei es sich dabei im Wesentlichen auf diese Begründung bezogen hat –, dass „die Anmeldung … aus einer abgerundeten Variante eines Rechtecks in einfacher Linienführung, schwarzweiß, ohne farbliche Ausgestaltung oder sonstige einprägsame Bestandteile [besteht]“ und dass sie „daher vom Verkehr nicht als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen werden [wird], sondern lediglich als äußerst einfache und banale Form, die an ein Etikett erinnert“. Ohne dass die Stichhaltigkeit einer solchen Begründung, die auf eine „rechteckige Form“ verweist, zu prüfen ist, genügt jedoch die Feststellung, dass sie nicht in der angefochtenen Entscheidung enthalten ist. Wie bereits oben in Rn. 26 festgestellt, hat die Beschwerdekammer vielmehr in Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass diese Beurteilung der Prüferin nicht entscheidungsrelevant sei. Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer diese Begründung nicht herangezogen hat, was im Übrigen durch die Tatsache bestätigt zu werden scheint, dass die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung die Tatsache, dass die in Rede stehende Form mit einem Rechteck in Verbindung gebracht werden kann, offenbar in Zweifel zieht.

33      Zweitens hat die Beschwerdekammer keineswegs begründet, weshalb sie die Auffassung vertreten hat, dass das angemeldete Zeichen als Etikett wahrgenommen werde. In der mündlichen Verhandlung hat das EUIPO im Übrigen eingeräumt, dass die angefochtene Entscheidung eine solche Begründung nicht enthalte und auch nicht näher erläutere, was unter einem Etikett zu verstehen sei.

34      Jedenfalls kann die in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Aussage, dass Etiketten unterschiedlichste Formen aufwiesen, nicht als eine solche Begründung angesehen werden. Selbst unter der Annahme, dass eine solche Behauptung plausibel wäre, könnte sie nämlich nicht bedeuten, dass jede Form – und im vorliegenden Fall die des angemeldeten Zeichens – automatisch als ein „normales ‚Etikett‘“ angesehen werden kann, ohne dass die Beschwerdekammer hierfür irgendeine Begründung liefert.

35      Da die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zur Verneinung der Unterscheidungskraft lediglich erklärt hat, dass das angemeldete Zeichen als „Etikett“ wahrgenommen werde und sich durch seine „Einfachheit“ auszeichne, ohne diese Behauptungen durch Angabe der tatsächlichen Umstände, auf die sie sich dabei gestützt hat, zu untermauern und zu begründen, ist folglich festzustellen, dass die Rüge der Klägerin, mit der sie einen Begründungsmangel geltend macht, begründet ist.

36      Daraus folgt, dass der zweite Teil des einzigen Klagegrundes und damit der Klagegrund insgesamt begründet ist, ohne dass dessen erster und dessen dritter Teil geprüft zu werden brauchen.

37      Nach alledem ist der Klage stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

 Kosten

38      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

39      Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

40      Die Klägerin hat außerdem beantragt, dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Verfahren vor dessen Beschwerdekammer entstanden sind. Nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung gelten Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten. Daher sind dem EUIPO auch die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 6. September 2017 (Sache R 2250/2016-4) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten einschließlich der Kosten der Grammer AG, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO notwendig waren.

Tomljenović

Bieliūnas

Marcoulli

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. März 2019.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      V. Tomljenović


*      Verfahrenssprache: Deutsch.