Language of document : ECLI:EU:C:2018:821

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 4. Oktober 2018(1)

Rechtssache C‑587/17 P

Königreich Belgien

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Gemeinsame Agrarpolitik – Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 – Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik – Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) – Art. 9 und 32 – Verpflichtungen der Mitgliedstaaten – Ausgaben, die von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen sind – Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Ausfuhrerstattungen – Erfordernis, alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe auszuschöpfen – Unterbliebenes Vorabentscheidungsersuchen – Versäumnisse, für die ein Mitgliedstaat verantwortlich ist – Beurteilungskriterien“






1.        Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Königreich Belgien, das Urteil des Gerichts vom 20. Juli 2017, Belgien/Kommission(2), aufzuheben, mit dem das Gericht seine Klage auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2016/417 der Kommission(3) abgewiesen hat, soweit darin beim Königreich Belgien ein Betrag von 9 601 619 Euro von der Finanzierung durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (im Folgenden: EGFL) ausgeschlossen wird.

2.        Das vorliegende Rechtsmittel gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die Tragweite der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Wiedereinziehung im Rahmen des EGFL zu Unrecht gezahlter Beträge klarzustellen. Konkret muss der Gerichtshof entscheiden, ob das Gericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles die Entscheidung der zuständigen belgischen Behörden, bei ihren Bemühungen um Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Ausfuhrerstattungen nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe auszuschöpfen, ein Versäumnis darstellt, für das das Königreich Belgien im Sinne von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates(4) verantwortlich ist.

I.      Rechtlicher Rahmen

3.        Die Verordnung Nr. 1290/2005 legt den Rahmen für die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik fest.

4.        Nach dem 25. Erwägungsgrund der Verordnung sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten, dass die aus den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und korrekt durchgeführt werden. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem Unregelmäßigkeiten seitens der Begünstigten verhindern bzw. wirksam bekämpfen.

5.        Im 26. Erwägungsgrund heißt es, bei Versäumnissen des betreffenden Mitgliedstaats sollte diesem in bestimmten Fällen der gesamte Betrag angelastet werden können. Dort heißt es jedoch auch, dass vorbehaltlich der Pflichten, die den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer innerstaatlichen Verfahren obliegen, die finanziellen Lasten angemessen zwischen der Europäischen Union und dem Mitgliedstaat zu verteilen sind.

6.        Nach dem 27. Erwägungsgrund können die Wiedereinziehungsverfahren zur Folge haben, dass sich die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge weiter verzögert, ohne dass ihre Realisierung gesichert ist. Auch die Kosten dieser Verfahren können, gemessen an den letztlich getätigten oder realisierbaren Wiedereinziehungen, unverhältnismäßig hoch sein.

7.        Art. 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt u. a.:

„(1)      Aus dem EGFL werden in einer zwischen den Mitgliedstaaten und der [Europäischen Union] geteilten Mittelverwaltung folgende gemäß dem [Unionsrecht] getätigte Ausgaben finanziert:

a)      die Erstattungen bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Drittländer,

…“

8.        Art. 9 der Verordnung Nr. 1290/2005 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten

a)      erlassen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie alle sonstigen Maßnahmen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der [Europäischen Union] zu gewährleisten, insbesondere um

i)      sich zu vergewissern, dass die durch den EGFL und ELER finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind;

ii)      Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen;

iii)      die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen;

…“

9.        Art. 31 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Die Kommission entscheidet nach dem in Artikel 41 Absatz 3 genannten Verfahren, welche Beträge von der [Finanzierung durch die Union] auszuschließen sind, wenn sie feststellt, dass Ausgaben nach Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 4 nicht in Übereinstimmung mit den [Unionsvorschriften] getätigt worden sind.“

10.      Art. 32 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt:

„…

(5)      Ist die Wiedereinziehung nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung erfolgt bzw., wenn sie Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten ist, innerhalb einer Frist von acht Jahren, so werden die finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehung zu 50 % von dem betreffenden Mitgliedstaat und zu 50 % vom [Unionshaushalt] getragen.

Der betreffende Mitgliedstaat gibt die Beträge, bei denen die Wiedereinziehung nicht innerhalb der Fristen nach Unterabsatz 1 dieses Absatzes erfolgt ist, in der zusammenfassenden Übersicht nach Absatz 3 Unterabsatz 1 getrennt an.

Die Aufteilung der Finanzlast infolge der Nichtwiedereinziehung nach Unterabsatz 1 erfolgt unbeschadet der Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, die Wiedereinziehungsverfahren nach Artikel 9 Absatz 1 dieser Verordnung fortzusetzen. Die so wieder eingezogenen Beträge werden dem EGFL nach Einbehaltung des Betrags gemäß Absatz 2 des vorliegenden Artikels zu 50 % gutgeschrieben.

Wird im Rahmen des Wiedereinziehungsverfahrens amtlich oder gerichtlich endgültig festgestellt, dass keine Unregelmäßigkeit vorliegt, so meldet der betreffende Mitgliedstaat die nach Unterabsatz 1 von ihm zu tragende finanzielle Belastung dem EGFL als Ausgabe.

(6)      In hinreichend begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten beschließen, die Wiedereinziehung nicht fortzusetzen. Dieser Beschluss kann nur in folgenden Fällen getroffen werden:

a)      wenn die bereits aufgewendeten Kosten und die voraussichtlichen Wiedereinziehungskosten zusammen den wieder einzuziehenden Betrag überschreiten;

b)      wenn die Wiedereinziehung wegen nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgestellter Insolvenz des Schuldners oder der für die Unregelmäßigkeit rechtlich verantwortlichen Personen unmöglich ist.

(8)      Nach Durchführung des Verfahrens nach Artikel 31 Absatz 3 kann die Kommission beschließen, die zu Lasten des [Unionshaushalts] verbuchten Beträge in folgenden Fällen von der Finanzierung durch die [Union] auszuschließen:

a)      in Anwendung der Absätze 5 und 6 dieses Artikels, wenn sie feststellt, dass die Unregelmäßigkeiten oder die Nichtwiedereinziehung auf Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse zurückzuführen sind, für die die Verwaltung oder eine Dienststelle des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich ist;

…“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Betrügerisch erlangte Ausfuhrerstattungen (1992 und 1993)

11.      Im Jahr 1992 verkaufte Générale Sucrière, deren Rechtsnachfolgerin später Saint-Louis Sucre wurde, insgesamt 24 000 Tonnen Zucker an Metelmann und Sucre Export. Gemäß den Kaufverträgen sollte der Zucker aus der Europäischen Union ausgeführt werden.

12.      Metelmann und Sucre Export verkauften über zwei Zwischenhändler 6 000 Tonnen des Zuckers an Proud Trading und Shawline Offshore weiter. Diese Verträge sahen auch vor, dass der Zucker für ein Drittland außerhalb der (jetzigen) Europäischen Union bestimmt war und dass er unverzüglich nach der Beladung aus dem Hoheitsgebiet der Europäischen Union zu verbringen war.

13.      Saint-Louis Sucre beauftragte Belgian Bunkering sowie Stevedoring et Manufert (im Folgenden: Manuport Services) mit der Ausstellung der entsprechenden Unterlagen, der Entgegennahme des Zuckers und seiner Verladung auf Schiffe.

14.      Der Zucker, der vom Hafen Antwerpen (Belgien) nach Usbekistan befördert werden sollte, wurde zwischen dem 20. Januar und dem 29. März 1993 verladen.

15.      Manuport Services stellte die einschlägigen Unterlagen und Ausfuhrerklärungen aus und übermittelte sie der zuständigen Behörde, dem Bureau d’intervention et de restitution belge (Belgisches Interventions- und Rückgabebüro, im Folgenden: BIRB). Auf der Grundlage der Unterlagen erhielt Saint-Louis Sucre vom BIRB einen Vorschuss auf die ihr zustehende Ausfuhrerstattung. Als Saint-Louis Sucre den Nachweis erbracht hatte, dass der Zucker das Zollgebiet der (jetzigen) Europäischen Union verlassen hatte, wurde die Zahlung endgültig.

16.      Nach erfolgter Zahlung stellte sich heraus, dass 6 000 Tonnen des von Metelmann und Sucre Export an Proud Trading und Shawline Offshore weiterverkauften Zuckers, nachdem sie den Hafen von Antwerpen verlassen hatten, nicht an ihren ursprünglichen Zielhafen gelangten und in betrügerischer Absicht mit gefälschten Dokumenten wieder in die Europäische Union eingeführt wurden. Saint-Louis Sucre unterrichtete das BIRB unverzüglich davon.

B.      Strafverfahren (1994 bis 2004)

17.      Nachdem sich die Wiedereinfuhr des Zuckers herausgestellt hatte, wurde ein Strafverfahren gegen die beiden als Zwischenhändler zwischen Metelmann und Sucre Export auf der einen sowie Shawline Offshore und Proud Trading auf der anderen Seite aufgetretenen Personen eingeleitet.

18.      Am 22. Oktober 2003 verurteilte der Hof van Beroep Antwerpen (Appellationshof Antwerpen, Belgien) die beiden Personen wegen Betrugs, der Ausstellung gefälschter Dokumente und der Verwendung gefälschter Dokumente.

19.      In diesem Verfahren erhoben das BIRB, Saint-Louis Sucre, Metelmann, Sucre Export und Manuport Services Zivilklage und bekamen einen symbolischen Betrag von 1 Cent zum Ersatz des durch die beiden Personen verursachten Schadens zugesprochen.

C.      Zivilrechtliches Rückerstattungsverfahren (1994 bis 1997 und 1997 bis 2012)

20.      Am 16. März 1994, im Anschluss an die Unterrichtung über die betrügerische Ausfuhr, forderte das BIRB Saint-Louis Sucre zur Rückzahlung der Ausfuhrerstattung auf. Es machte geltend, Saint-Louis Sucre habe den Zucker, dessen Ausfuhr zuvor mit bestimmten Dokumenten (Formular T5) deklariert und nachgewiesen worden sei, mit gefälschten Dokumenten (Formular T2E) wieder eingeführt.

21.      Saint-Louis Sucre bestritt die Vorwürfe und trug vor, sie trage für die Unregelmäßigkeit keine Verantwortung.

22.      Gleichwohl stimmte Saint-Louis Sucre zu, eine vorläufige Zahlung in Höhe des vom BIRB geforderten Betrags zu leisten, damit keine weiteren Zinsen anfielen. Der gezahlte Betrag entsprach dem vom BIRB geforderten Betrag zuzüglich Zinsen für den Zeitraum vom 19. April 1994 bis 16. Mai 1997.

23.      Nachdem das Königreich Belgien die Zahlung von Saint-Louis Sucre erhalten hatte, zahlte es an den EGFL einen Betrag in Höhe von 80 % des von Saint-Louis Sucre erhaltenen Betrags und behielt die übrigen 20 % im Einklang mit der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates(5) ein.

24.      Am 18. Juni 1997 erhob Saint-Louis Sucre vor dem Tribunal de première instance de Bruxelles (Gericht erster Instanz Brüssel, Belgien) Klage auf Rückerstattung des an BIRB gezahlten Betrags zuzüglich Zinsen und Kosten.

25.      Mit Urteil vom 20. März 2008 verurteilte dieses Gericht das BIRB, Saint-Louis Sucre den geforderten Betrag zurückzuerstatten.

26.      Das BIRB legte bei der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) ein Rechtsmittel ein. Es beantragte, dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Mit Urteil vom 3. Mai 2012 bestätigte die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) jedoch das Urteil des Tribunal de première instance de Bruxelles (Gericht erster Instanz Brüssel) und verurteilte das BIRB, Saint-Louis Sucre einen Betrag von 10 114 003,39 Euro (5 133 087,54 Euro zuzüglich Zinsen ab dem 1. Juni 1997 und verschiedenen anderen Kosten) zu zahlen. Sie hielt es nicht für erforderlich, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

27.      Nach dem Urteil der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) holte das BIRB ein Rechtsgutachten von einer bei der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien) zugelassenen Anwältin ein, da nach belgischem Recht eine Partei vor der Einlegung eines Rechtsmittels bei der Cour de cassation (Kassationshof) ein solches Gutachten einholen muss.

28.      Nach eingehender Prüfung der Akte und der Rechtsprechung des Gerichtshofs erstellte die bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassene Anwältin ihr Gutachten, wobei sie zu dem Ergebnis kam, ein Rechtsmittel des BIRB bei der Cour de cassation (Kassationshof) werde keinen Erfolg haben.

29.      Nach Einholung des Gutachtens entschied das BIRB, kein Rechtsmittel gegen das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) einzulegen. Daher zahlte es den ihm auferlegten Betrag an Saint-Louis Sucre.

D.      Betrag zulasten des EGFL (2012 bis 2016)

30.      Im Anschluss an das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) unterrichtete das BIRB die Kommission darüber, dass es den an Saint-Louis Sucre zu zahlenden Betrag zulasten des EGFL verbuchen werde, und tat dies. Infolgedessen enthielt der Jahresbericht des BIRB für das Jahr 2012 eine positive Berichtigung in Höhe von 9 601 619,85 Euro.

31.      Dieser Betrag wurde von der Europäischen Union im Haushaltsjahr 2012 verbucht und in der Folge an das Königreich Belgien gezahlt(6).

E.      Verwaltungsverfahren vor der Kommission (2013 bis 2016)

32.      Nach dieser Zahlung leitete die Kommission ein sogenanntes Konformitätsabschlussverfahren ein, das es der Kommission erlaubt, zu überprüfen, ob ein Mitgliedstaat die ihm zur Verfügung gestellten Mittel ordnungsgemäß verwendet hat(7). Die Kommission war der Auffassung, der Betrag könne aus zwei Gründen nicht zulasten des EGFL verbucht werden: Erstens seien noch nicht alle Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden, da kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt worden sei, und zweitens hätten für die Zeit nach dem Jahr 1997 keine Zinsen verlangt werden dürfen.

33.      Mit Schreiben vom 23. Mai 2013 trat das BIRB auf der Grundlage von Art. 32 Abs. 5 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 dieser Einschätzung entgegen. Es wies außerdem zum einen darauf hin, dass ein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) nicht zwangsläufig und automatisch zu einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV geführt hätte, und zum anderen darauf, dass es angesichts der Rolle der bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassenen Anwältin keine andere Wahl gehabt habe, als kein Rechtsmittel einzulegen.

34.      Aufgrund fortbestehender Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BIRB und der Kommission fand am 13. Oktober 2014 ein bilaterales Treffen der Parteien statt.

35.      Im Anschluss an dieses Treffen übermittelte das Königreich Belgien mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 und 21. Januar 2015 weitere Informationen über die Ausfuhr und die verschiedenen Verfahren in Bezug auf die betrügerischen Ausfuhren des Zuckers.

36.      In einer auf die Art. 10 und 11 der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission(8) gestützten Mitteilung vom 12. Juni 2015 hielt die Kommission an ihrem Standpunkt fest, dass nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden seien, um den Betrag wieder einzuziehen. In der Mitteilung hieß es, dass das BIRB nach Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 nicht berechtigt sei, die Mittel zulasten des EGFL zu verbuchen. Daher werde ein Betrag in Höhe von 9 601 619 Euro von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen.

37.      Aufgrund eines zusammenfassenden Berichts vom 22. Februar 2016 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, in dem der oben genannte Betrag beim Königreich Belgien von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen wird. Am 18. März 2016 wurde der Beschluss dem Königreich Belgien mitgeteilt.

III. Verfahren vor dem Gericht

38.      Mit Klageschrift, die am 30. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte das Königreich Belgien die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

39.      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

40.      Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Königreich Belgien,

–        das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben;

–        den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin ein Betrag in Höhe von 9 601 619 Euro von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen wird (Haushaltsposten 6701);

–        der Kommission die durch dieses Verfahren und das Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

41.      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

42.      In der Sitzung vom 27. Juni 2018 haben beide Parteien mündlich verhandelt.

V.      Analyse

43.      Das Königreich Belgien stützt sein Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem es rügt, das Gericht habe Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 im angefochtenen Urteil falsch ausgelegt.

44.      Mit dem ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes trägt das Königreich Belgien vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die belgischen Behörden nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft hätten, da sie kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt hätten(9). Das Gericht hätte bei der Feststellung, ob alle nationalen Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden seien, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) berücksichtigen müssen.

45.      Im zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes macht das Königreich Belgien geltend, das Gericht habe ihm rechtsfehlerhaft Versäumnisse bei der Wiedereinziehung der fraglichen Beträge zur Last gelegt, weil es kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt habe(10).

46.      Die Kommission hält den ersten Teil des Rechtsmittelgrundes für unzulässig, weil er eine Frage betreffe, die vor dem Gericht nicht aufgeworfen worden sei. Jedenfalls seien beide Teile des einzigen Rechtsmittelgrundes unbegründet.

47.      Bevor ich mich dem einzigen Rechtsmittelgrund zuwende, werde ich den (rechtlichen) Kontext dieser Rechtssache kurz darlegen.

A.      Einleitung: Rolle der Mitgliedstaaten in dem durch die Verordnung Nr. 1290/2005 geschaffenen System und in der vorliegenden Rechtssache

48.      Zwei Agrarfonds, der EGFL und der ELER, wurden mit der Verordnung Nr. 1290/2005 als Ersatz für den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (im Folgenden: EAGFL), das Instrument, mit dem die GAP ursprünglich finanziert wurde(11), eingerichtet. Der EGFL und der ELER werden aus dem Unionshaushalt finanziert und dienen ebenso wie ihr Vorgänger zur Finanzierung der GAP im Allgemeinen und der Entwicklung des ländlichen Raums im Besonderen(12).

49.      Konkret wurde der EGFL eingerichtet, um u. a. die Erstattungen bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Drittländer zu finanzieren (wie etwa Zucker im vorliegenden Fall)(13). Er wird von der Union und den Mitgliedstaaten gemeinsam verwaltet, wobei die Mitgliedstaaten jedoch eine besonders wichtige Rolle spielen. Sie sind für Zahlungen, die Erhebung von Abgaben und die Wiedereinziehung zu Unrecht geleisteter Zahlungen im Rahmen des EGFL zuständig. Diese Exekutivaufgaben erfüllen die Mitgliedstaaten eigenständig.

50.      Angesichts ihrer entscheidenden Rolle in dem durch die Verordnung Nr. 1290/2005 geschaffenen System wird den Mitgliedstaaten darin ausdrücklich auferlegt, die finanziellen Interessen der Union zu schützen(14). Im Einklang mit Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung erlassen die Mitgliedstaaten alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie alle sonstigen Maßnahmen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten.

51.      Neben dieser in Art. 9 Abs. 1 aufgestellten allgemeinen Verpflichtung sieht die Verordnung Nr. 1290/2005 noch spezielle Mechanismen vor, mit denen die zügige und effiziente Wiedereinziehung zu Unrecht im Rahmen des EGFL gezahlter Beträge gefördert werden soll. Insbesondere wurde durch Art. 32 Abs. 5 der Verordnung ein Mechanismus eingeführt, wonach die finanzielle Belastung durch die Nichtwiedereinziehung zu gleichen Teilen (50:50) vom Unionshaushalt und vom betreffenden Mitgliedstaat getragen wird, wenn die Wiedereinziehung nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der ersten amtlichen oder gerichtlichen Feststellung erfolgt bzw. innerhalb von acht Jahren, wenn sie Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten ist. Darüber hinaus kann die Kommission nach Art. 32 Abs. 8 gegebenenfalls beschließen, bestimmte Erstattungen von der Finanzierung durch den Unionshaushalt auszuschließen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Kommission der Auffassung ist, dass einem Mitgliedstaat oder seinen Behörden Versäumnisse bei der Wiedereinziehung aufgrund von Unregelmäßigkeiten abgeflossener Beträge anzulasten sind.

52.      Die Notwendigkeit dieser Mechanismen ergibt sich aus miteinander verbundenen Faktoren, die auf der Logik des durch die Verordnung Nr. 1290/2005 geschaffenen Finanzierungssystems beruhen.

53.      Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass Zahlungen, die im Rahmen des EGFL von den Mitgliedstaaten im Einklang mit den einschlägigen Unionsvorschriften geleistet werden, in der Regel aus dem Unionshaushalt erstattet werden. Die oben erwähnten Mechanismen stellen daher Ausnahmen von der Grundregel der Finanzierung der den Mitgliedstaaten im Rahmen der GAP entstandenen Ausgaben durch die Union dar. Wie bereits dargelegt, ist es – da die Mitgliedstaaten für die Union tätig werden – angebracht, dass die Union grundsätzlich die durch das Verhalten Einzelner entstandenen Verluste trägt, wenn die Mitgliedstaaten alles in ihren Kräften stehende getan haben, um zu gewährleisten, dass die im Rahmen der GAP finanzierten Vorgänge tatsächlich vorgenommen und ordnungsgemäß durchgeführt wurden, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen und um die infolge von Unregelmäßigkeiten abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen(15). Um sicherzustellen, dass Untätigkeit nicht gefördert wird, sind diese Mechanismen jedoch ein Teil der Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten in angemessener Weise Betrug bekämpfen, der im Kontext landwirtschaftlicher Subventionen ein häufiges Problem darstellt, und sich umfassend bemühen, zu Unrecht gezahlte Beträge wieder einzuziehen(16).

54.      Im streitigen Beschluss hat die Kommission, gestützt auf Art. 32 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1290/2005, die fraglichen Beträge von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen – was vom Gericht im angefochtenen Urteil bestätigt wurde. Somit muss der Gerichtshof im vorliegenden Verfahren klären, ob das Gericht zu Recht entschieden hat, dass das Königreich Belgien, weil es gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 (mit dem das erstinstanzliche Urteil gegen das BIRB bestätigt und der Antrag des BIRB, den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung [EWG] Nr. 3665/87 der Kommission(17) zu ersuchen, abgelehnt wurde) kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt hat, nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft und somit bei der Einziehung der fraglichen Beträge nicht mit der nötigen Sorgfalt gehandelt hat, so dass die Nichtwiedereinziehung auf Versäumnissen beruht, die diesem Mitgliedstaat anzulasten sind(18).

55.      Insoweit ergibt sich aus den Akten, dass ein Rechtsmittelführer, der ein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) einlegen will, zuerst ein Rechtsgutachten eines bei diesem Gericht zugelassenen Anwalts einholen muss. Der Anwalt wird dann prüfen, ob zu Rechtsfragen eine Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt werden kann.

56.      Im vorliegenden Fall holte das BIRB, nachdem das Urteil vom 3. Mai 2012 ergangen war, ein Rechtsgutachten einer bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassenen Anwältin ein. Nach Prüfung der Akten war die vom BIRB hinzugezogene Anwältin der Auffassung, dass ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 keine nennenswerte Aussicht auf Erfolg habe. Diesem Rechtsrat folgend legte das BIRB kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) ein.

57.      Angesichts dieser besonderen tatsächlichen Umstände wirft das Rechtsmittel des Königreichs Belgien im Wesentlichen die Frage auf, ob die bloße Entscheidung, kein Rechtsmittel einzulegen, ein dem betreffenden Mitgliedstaat anzulastendes Versäumnis darstellen kann. Genauer gesagt: Wie weit muss ein Mitgliedstaat gehen, um abgeflossene Beträge wieder einzuziehen?

58.      Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels wird der Gerichtshof daher die Parameter zu bestimmen haben, anhand deren zu prüfen ist, ob einem Mitgliedstaat im Kontext der Wiedereinziehung aufgrund von Unregelmäßigkeiten abgeflossener Beträge Versäumnisse anzulasten sind. Um die finanziellen Interessen der Union ausreichend zu schützen, muss nämlich ein angemessener Ausgleich zwischen dem Erfordernis, alle nötigen Maßnahmen zur Wiedereinziehung abgeflossener Beträge zu treffen, und der Notwendigkeit gefunden werden, unnötige und kostenintensive Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu vermeiden(19).

B.      Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Relevanz der Rechtsprechung des EGMR zur Zulässigkeit

1.      Vorbringen der Parteien

59.      Mit dem ersten Teil seines einzigen Rechtsmittelgrundes macht das Königreich Belgien geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, weil es bei der Beurteilung der Frage, ob den belgischen Behörden Versäumnisse anzulasten seien, weil sie nicht sämtliche innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft hätten, die Rechtsprechung des EGMR nicht angewendet habe(20).

60.      Insbesondere trägt das Königreich Belgien vor, der EGMR habe in seiner Rechtsprechung die spezifische und zwingende Rolle des bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassenen Anwalts anerkannt. Nach dieser Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass ein Kläger auch dann alles ihm Mögliche zur Ausschöpfung sämtlicher innerstaatlichen Rechtsbehelfe getan habe, wenn er kein Rechtsmittel eingelegt habe, weil der bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassene Anwalt davon abgeraten habe.

61.      Die Kommission trägt vor, der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes sei unzulässig, weil das Vorbringen zur Rechtsprechung des EGMR vor dem Gericht nicht aufgeworfen worden sei. Der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes sei jedenfalls unbegründet, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil die Rechtsprechung des EGMR in diesem Zusammenhang nicht einschlägig sei.

62.      Ich werde zunächst kurz auf die von der Kommission aufgeworfene Frage der Zulässigkeit eingehen, bevor ich die Begründetheit des ersten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes prüfe.

2.      Würdigung

63.      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht festgestellt, dass es zwar unüblich, jedoch möglich sei, dass ein Kläger ein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) einlege, obwohl der dort zugelassene Anwalt davon abgeraten habe. Das Gericht hat daraus den Schluss gezogen, dass die belgischen Behörden nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft und somit nicht mit ausreichender Sorgfalt gehandelt hätten(21).

a)      Zur Zulässigkeit: Neue Argumente können vorgebracht werden, solange der Gegenstand des Rechtsstreits gleich bleibt

64.      Was die Zulässigkeit des ersten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes betrifft, so ist zunächst daran zu erinnern, dass neue Klagegründe im Rechtsmittelverfahren im Allgemeinen nicht zulässig sind(22).

65.      Vor dem Gericht machte das Königreich Belgien geltend, es habe sämtliche möglichen innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft. Dort erläuterte es zwar ausführlich, warum einerseits ein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) nicht als dritte Ebene (sachlicher) Zuständigkeit angesehen werden könne und warum es andererseits praktisch nicht möglich sei, vor diesem Gericht mit Erfolg ein Rechtsmittel einzulegen, wenn sich der hinzugezogene Anwalt negativ zu den Erfolgsaussichten eines solchen Rechtsmittels geäußert habe. Das Königreich Belgien machte jedoch nicht spezifisch geltend, dass das Gericht die Rechtsprechung des EGMR hätte anwenden müssen, um zu der Feststellung zu gelangen, dass sämtliche möglichen innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden seien und dass ihm bei der Wiedereinziehung der abgeflossenen Beträge keine Versäumnisse anzulasten seien.

66.      Daher ist es zwar – wie die Kommission hervorhebt – richtig, dass die Relevanz der Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 im ersten Rechtszug nicht erörtert wurde.

67.      Der Gerichtshof wendet jedoch keine strengen Maßstäbe hinsichtlich der Zulässigkeit neuen Vorbringens an. Entscheidend ist vielmehr, dass in der Rechtsmittelinstanz der Streitgegenstand des ersten Rechtszugs nicht verändert wird.

68.      Genauer gesagt ergibt sich, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, aus Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs in Verbindung mit Art. 113 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung, dass der Rechtsmittelführer im Rahmen eines Rechtsmittels jedes erhebliche Argument vortragen darf, sofern das Rechtsmittel den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändert(23).

69.      Entgegen dem, was die Kommission mit ihrer Rüge der Unzulässigkeit andeutet, ist es nicht erforderlich, dass jedes im Rahmen eines Rechtsmittels vorgebrachte Argument zuvor im ersten Rechtszug erörtert wurde. Vielmehr hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass eine derartige Beschränkung der Argumente, die ein Rechtsmittelführer im Rahmen eines Rechtsmittels vorbringen kann, nicht hinnehmbar wäre, da sie dem Rechtsmittelverfahren einen wesentlichen Teil seiner Bedeutung nehmen würde(24).

70.      Der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes verändert den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht. Vielmehr richtet sich das Vorbringen zur Relevanz der Rechtsprechung des EGMR gegen die Art und Weise, in der das Gericht Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 ausgelegt und angewendet hat.

71.      Daher ist das Vorbringen der Kommission in Bezug auf die Unzulässigkeit des ersten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

b)      Zur Begründetheit: Die Rechtsprechung des EGMR zur Zulässigkeit ist im Kontext der vorliegenden Rechtssache nicht relevant

72.      Die Rechtsprechung des EGMR, auf die das Königreich Belgien Bezug nimmt, betrifft die Zulässigkeit von Klagen vor dem EGMR. Im Einklang mit Art. 35 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) kann der EGMR erst tätig werden, wenn der Antragsteller zuvor alle innerstaatlichen (ordentlichen) Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat(25).

73.      Natürlich ist es richtig, dass – wie das Königreich Belgien hervorgehoben hat – die von der EMRK gewährleisteten Grundrechte allgemeine Grundsätze des Unionsrechts sind(26). Es trifft ebenfalls zu, dass nach Art. 52 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) die darin enthaltenen Rechte, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. Soweit relevant, ist die Rechtsprechung des EGMR daher bei der Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts und insbesondere der entsprechenden Bestimmungen der Charta zu berücksichtigen.

74.      Wie bereits dargelegt, bezieht sich die vom Königreich Belgien angeführte Rechtsprechung nicht auf Rechte, die in der Charta enthalten sind, oder allgemeiner auf den Schutz der in der EMRK enthaltenen Rechte und Freiheiten, sondern darauf, dass ein Antragsteller alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben muss, bevor er den EGMR anruft.

75.      Dieses Erfordernis hat nichts mit dem in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 aufgestellten Erfordernis zu tun, wonach die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, um infolge von Unregelmäßigkeiten abgeflossene Beträge wieder einzuziehen. Es hat auch nichts damit zu tun, wie der Begriff „Versäumnisse“ bei der Auslegung von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 zu verstehen ist.

76.      Das Erfordernis der Ausschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe durch einen Antragsteller soll sicherstellen, dass die innerstaatliche Rechtsprechung jedem Verstoß abhelfen kann, bevor der Fall vor den EGMR gebracht wird(27). Dagegen soll das Erfordernis, alle erforderlichen Maßnahmen zur Wiedereinziehung der abgeflossenen Beträge zu treffen, sicherstellen, dass Unionsmittel ausreichend geschützt sind und keine unrechtmäßigen Zahlungen vorgenommen werden.

77.      Daher ist schwer nachvollziehbar, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen haben soll, indem es die Rechtsprechung des EGMR bei der Auslegung von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 – einer Bestimmung, die im Wesentlichen die finanziellen Interessen der Europäischen Union schützen soll – nicht berücksichtigt habe.

78.      Selbst wenn man unterstellt, dass Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 im Licht dieser Rechtsprechung auszulegen ist, wären die Erkenntnisse, die sich aus ihr ziehen ließen, überdies begrenzt.

79.      In dieser Rechtsprechung gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Antragsteller in der Regel nicht verpflichtet sind, Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation (Kassationshof) einzulegen. Dies gilt, obwohl der EGMR unter bestimmten tatsächlichen Umständen einen Antrag nicht für unzulässig erklärt hat, obwohl keine Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt worden war(28). Wie der EGMR selbst erläutert hat, muss die „Erschöpfungsregel“ vielmehr flexibel und ohne übermäßigen Formalismus angewendet werden. Wichtig ist, dass bei der Klärung der Frage, ob diese Regel eingehalten wurde, den besonderen Umständen jedes Einzelfalls angemessen Rechnung getragen werden muss(29).

80.      Angesichts dieser Erwägungen ist der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

C.      Zum zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: das Sorgfaltserfordernis bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge

1.      Vorbringen der Parteien

81.      Mit dem zweiten Teil seines einzigen Rechtsmittelgrundes macht das Königreich Belgien geltend, dass es – entgegen der Würdigung des Gerichts(30) -bei der Wiedereinziehung der fraglichen Beträge die erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Das Gericht habe das Vorgehen der belgischen Behörden in Bezug auf die Entscheidung, gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) einzulegen, nicht korrekt bewertet: Obgleich es theoretisch möglich gewesen sei, ein Rechtsmittel einzulegen, sei es für die belgischen Behörden praktisch unmöglich gewesen, dies mit Erfolg zu tun. Außerdem habe das Gericht die Rolle, die dem bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassenen Anwalt in der belgischen Rechtsordnung zukomme, nicht angemessen gewürdigt. Die belgischen Behörden hätten ausreichende Sorgfalt angewendet, obwohl sie kein Rechtsmittel eingelegt hätten, da es unverhältnismäßig und ineffizient wäre, zu verlangen, dass stets Rechtsmittel eingelegt würden, auch wenn sie zum Scheitern verurteilt seien.

82.      Die Kommission trägt vor, das Vorbringen des Königreichs Belgien sei widersprüchlich: Es sei entweder unmöglich oder möglich gewesen, ein Rechtsmittel einzulegen; logischerweise könne aber nicht beides zugleich der Fall sein. Überdies sollte den Mitgliedstaaten nicht gestattet werden, die Wirksamkeit des in Art. 267 AEUV festgelegten Verfahrens unter Berufung auf innerstaatliche Verfahrensvorschriften zu beeinträchtigen; dies gelte insbesondere für die Verpflichtung der letztinstanzlich entscheidenden Gerichte der Mitgliedstaaten, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.

2.      Würdigung

83.      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht zunächst festgestellt, dass zur Klärung der Frage, ob die Kommission zu Recht der Auffassung gewesen sei, dass die Wiedereinziehung der fraglichen Beträge aufgrund von Versäumnissen unterblieben sei, für die das BIRB im Sinne von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 verantwortlich sei, geprüft werden müsse, ob in Anbetracht der Umstände des Falles der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 eine Unregelmäßigkeit oder ein Versäumnis des BIRB im Sinne dieser Bestimmung darstelle.

84.      Hierzu hat das Gericht eine Reihe von Feststellungen getroffen.

85.      Erstens hat das Gericht festgestellt, dass es zwar unüblich, aber möglich sei, ein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) einzulegen, obwohl der dort zugelassene Anwalt davon abgeraten habe(31). Zweitens habe das Königreich Belgien durch den Verzicht auf ein Rechtsmittel verhindert, dass die Cour de cassation (Kassationshof) um eine Vorabentscheidung über die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1290/2005 ersuche, was die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) abgelehnt habe(32).

86.      Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat das Gericht festgestellt, dass das Königreich Belgien, indem es gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt habe, nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen getroffen und folglich keine ausreichende Sorgfalt bei der Wiedereinziehung der fraglichen Beträge angewendet habe. Auf dieser Grundlage ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nichtwiedereinziehung der fraglichen Beträge auf Versäumnisse des Königreichs Belgien zurückzuführen sei(33).

87.      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht bei der Feststellung von Versäumnissen, für die die Mitgliedstaaten nach Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 verantwortlich sind, einen strengen Maßstab angelegt. Und zwar deshalb, weil es ohne angemessene Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles aus dem Verzicht auf ein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) (unter Umständen, unter denen ein solches Rechtsmittel nicht unmöglich war) geschlossen hat, dass dem BIRB Versäumnisse bei dem Versuch anzulasten seien, die fraglichen Beträge wieder einzuziehen.

88.      Im Folgenden werde ich zunächst erläutern, warum den Mitgliedstaaten ein erheblicher Spielraum bei der Wahl der zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu ergreifenden Maßnahmen bleibt. In einem zweiten Schritt werde ich erläutern, warum die Feststellung von Versäumnissen, für die ein Mitgliedstaat verantwortlich ist, auf einer Würdigung der besonderen Umstände des konkreten Falles beruhen muss.

a)      Freiheit der Mitgliedstaaten bei der Wahl der zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union am besten geeigneten Maßnahmen

89.      Wie oben ausgeführt, haben die Mitgliedstaaten aufgrund der Verordnung Nr. 1290/2005 eine weitreichende Verpflichtung zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Das ergibt sich insbesondere aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung, wonach die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen erlassen müssen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu gewährleisten. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof entschieden, dass dieses Erfordernis eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu loyaler Zusammenarbeit auf der Grundlage des jetzigen Art. 4 Abs. 3 AEUV ist(34).

90.      Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, steht es den nationalen Behörden bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge jedoch frei, unter verschiedenen Maßnahmen diejenigen zu wählen, die sie zum Schutz der finanziellen Interessen der Union für angemessen erachten(35). Dies steht nicht nur im Einklang mit der eigenständigen Rolle der Mitgliedstaaten bei der Ausführung von Aufgaben im Rahmen des EGFL. Es steht auch im Einklang mit dem Wortlaut der englischen Sprachfassung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005: Dass „necessary measures“ zu erlassen sind, impliziert nämlich, dass der Mitgliedstaat bei der Wahl der in der konkreten Situation geeignetsten Maßnahmen eine Beurteilung vornehmen muss.

91.      Die den Mitgliedstaaten somit im Kontext der Wiedereinziehung zustehende Freiheit ist zum einen damit zu erklären, dass die zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge zu treffenden Maßnahmen sehr unterschiedlich ausfallen können. Gerade deshalb enthält die Verordnung Nr. 1290/2005 keine detaillierten Vorschriften für die von den Mitgliedstaaten zu treffenden Wiedereinziehungsmaßnahmen.

92.      Zum anderen – und das ist vielleicht noch wichtiger – ist diese Freiheit mit der zentralen Rolle der Mitgliedstaaten in dem durch die Verordnung Nr. 1290/2005 geschaffenen System zu erklären. Wie oben angesprochen, sind die Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung Nr. 1290/2005 an vorderster Front der Regelung der Union über die Agrarfinanzierung tätig. Erstens sind in den Mitgliedstaaten zugelassene Zahlstellen für Zahlungen an Begünstigte und die Prüfung ihrer Beihilfefähigkeit zuständig. Die den Mitgliedstaaten dadurch entstehenden Ausgaben werden anschließend von der Kommission aus dem Unionshaushalt erstattet(36). Zweitens sollen die Mitgliedstaaten auch die ordnungsgemäße Auszahlung der Hilfen kontrollieren, Unregelmäßigkeiten verhindern und verfolgen sowie die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet abgeflossenen Beträge wieder einziehen. In diesem Sinne wurde die Überwachung der Verwendung von Unionsmitteln „nach unten verlagert“, von den Unionsorganen auf nationale Behörden(37).

93.      Unter dem Gesichtspunkt der geografischen Nähe und der ordnungsgemäßen Verwendung öffentlicher Mittel sind die nationalen Behörden sicher am besten in der Lage, die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, Unregelmäßigkeiten zu verfolgen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die infolge von Unregelmäßigkeiten abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Im besonderen Kontext der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge dürften sie auch am besten beurteilen können, welche Maßnahmen am erfolgversprechendsten sind.

94.      Hervorzuheben ist jedoch, dass die den Mitgliedstaaten verbleibende Freiheit durch die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit begrenzt wird, wonach die Mitgliedstaaten während des gesamten Wiedereinziehungsverfahrens mit Sorgfalt handeln müssen(38). Wie das Gericht im angefochtenen Urteil meiner Ansicht nach zu Recht entschieden hat, impliziert diese Pflicht, dass die Mitgliedstaaten einen umfassenden und rechtzeitigen Versuch der Wiedereinziehung der fraglichen Beträge unter Rückgriff auf alle verfügbaren Mittel unternehmen sollen, um das Ziel des Schutzes der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu erreichen(39). Andernfalls muss davon ausgegangen werden, dass ein Mitgliedstaat seine allgemeine Sorgfaltspflicht verletzt hat.

95.      Ergibt sich aus dieser Pflicht aber ein allgemeines Erfordernis für einen Mitgliedstaat, bei dem Versuch, zu Unrecht gezahlte Ausfuhrerstattungen wieder einzuziehen, alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe auszuschöpfen?

96.      Das ist offenbar die Auffassung des Gerichts. Im angefochtenen Urteil hat das Gericht im Wesentlichen festgestellt, dass das Königreich Belgien, weil es darauf verzichtet habe, bei der Cour de cassation (Kassationshof) ein Rechtsmittel einzulegen (obwohl dies möglich gewesen wäre), und weil dieser Verzicht es der Cour de cassation (Kassationshof) unmöglich gemacht habe, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen erlassen habe, um die fraglichen Beträge wieder einzuziehen, und dass die Nichtwiedereinziehung folglich auf Versäumnisse zurückzuführen sei, für die dieser Mitgliedstaat verantwortlich sei.

97.      Wie wir sehen werden, ist das Gericht zu diesem Ergebnis gekommen, ohne die Umstände des vorliegenden Falles ordnungsgemäß geprüft zu haben. Das Fehlen einer solchen Prüfung stellt meines Erachtens einen Rechtsfehler dar, der den Gerichtshof zur Aufhebung des angefochtenen Urteils veranlassen sollte.

b)      Die Feststellung der Versäumnisse, für die ein Mitgliedstaat verantwortlich ist, muss auf einer Prüfung der besonderen Umstände des fraglichen Falles beruhen

98.      Einleitend mag es nützlich sein, eine Parallele zwischen dem im angefochtenen Urteil verfolgten Ansatz und dem Ansatz des Gerichtshofs in Bezug auf die Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Rückforderung rechtswidriger staatlicher Beihilfen zu ziehen: Auch in diesem Kontext sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, „alle erforderlichen Maßnahmen“ zu ergreifen, um rechtswidrige staatliche Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern. Die Nichtrückforderung rechtswidriger staatlicher Beihilfen kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Beitreibung aufgrund „völliger Unmöglichkeit“ nicht erfolgen konnte – ein Begriff, der vom Gerichtshof eng ausgelegt wird(40).

99.      Im Kontext staatlicher Beihilfen ist der enge Ansatz nicht nur damit zu erklären, dass der Mitgliedstaat selbst den rechtswidrigen Zustand verursacht hat, indem er unter Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV eine Beihilfe gewährt hat. Er ist auch mit der Notwendigkeit zu erklären, alle Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen, die sich aus einer rechtswidrig gewährten Beihilfe ergeben können.

100. Auch im vorliegenden Kontext kann solch ein enger Ansatz in Bezug auf die Verpflichtung zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge bestimmte Vorteile haben. Insbesondere würde, wenn die Mitgliedstaaten systematisch verpflichtet würden, alle (ordentlichen) innerstaatlichen Rechtsbehelfe auszuschöpfen, sicher die Vorhersehbarkeit verbessert, was Rechtsstreitigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten verringern würde.

101. Wie bereits erläutert, gewährt das durch die Verordnung Nr. 1290/2005 geschaffene System den Mitgliedstaaten jedoch erheblichen Spielraum bei der Wahl der geeignetsten Maßnahmen zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge. Dabei können die zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu treffenden Maßnahmen von Fall zu Fall variieren. Im Hinblick darauf und insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen von Wiedereinziehungsverfahren mit ganz unterschiedlichen Situationen konfrontiert sein können, wiegen meines Erachtens die Nachteile eines engen Ansatzes schwerer als die oben erwähnten Vorteile.

102. Ein Mitgliedstaat kann z. B. in einer unteren Instanz teilweise erfolgreich gewesen sein. In einem solchen Fall könnte ein weiterer Rechtsbehelf, wenn er systematisch vorgeschrieben wäre, die (zumindest teilweise) Wiedereinziehung der Beträge gefährden. Die Ausschöpfung aller verfügbaren Rechtsbehelfe dürfte deshalb aus dem Blickwinkel der finanziellen Interessen der Europäischen Union nicht immer die optimale Handlungsweise sein.

103. Zu einer auf Versäumnisse des Mitgliedstaats zurückzuführenden Nichtwiedereinziehung kann es de facto in einer Vielzahl von Situationen kommen. Dies erklärt, warum die Kommission in der mündlichen Verhandlung speziell hervorgehoben hat, dass Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 nicht dahin auszulegen sei, dass er die Behörden der Mitgliedstaaten generell und ohne angemessene Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles verpflichte, systematisch alle verfügbaren innerstaatlichen Rechtsbehelfe auszuschöpfen. Vielmehr stelle unter den ganz konkreten Umständen des vorliegenden Falles die Entscheidung des BIRB, bei der Cour de cassation (Kassationshof) kein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 einzulegen, ein Versäumnis des Königreichs Belgien im Sinne dieser Bestimmung dar.

104. Ich stimme der Kommission zu, dass nicht abstrakt bestimmt werden kann, ob bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge nach der Verordnung Nr. 1290/2005 eine Unterlassung begangen wurde, die auf einen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Kontext des EGFL hinausläuft. Aus diesem Grund ist meines Erachtens eine Beurteilung aller relevanten Umstände erforderlich, um Versäumnisse im Sinne von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 festzustellen.

105. Zu solchen Umständen können gehören: die zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Wiedereinziehung sowie die tatsächlich erlassenen Maßnahmen, das Ergebnis der Verfahren in verschiedenen Instanzen, die mit Wiedereinziehungsverfahren verbundenen Kosten, die Erfolgsaussichten in diesen Verfahren und die Höhe der wieder einzuziehenden Beträge im Verhältnis zu den Kosten eines weiteren Rechtsmittels.

106. Insoweit weise ich darauf hin, dass nach den Angaben in den Akten der streitige Beschluss (dessen Nichtigerklärung das Königreich Belgien beim Gericht erreichen wollte) auf der Schlussfolgerung der Kommission beruhte, dass dem BIRB ein Versäumnis anzulasten sei, weil es unter den konkreten Umständen der vorliegenden Rechtssache kein Rechtsmittel eingelegt habe.

107. Mir scheint, dass in Fällen, in denen Wiedereinziehungsmaßnahmen ergriffen wurden, die Feststellung, ob der Verzicht auf ein weiteres Rechtsmittel als Unterlassung angesehen werden kann, die auf ein Versäumnis hinausläuft, keineswegs eine Rechenoperation ist. Sie erfordert vielmehr die Beurteilung einer Reihe relevanter Umstände. Dies liegt insbesondere an der den Mitgliedstaaten bei der Wahl der geeignetsten Maßnahmen zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge nach der Verordnung Nr. 1290/2005 – einer Verordnung, die keine detaillierten Regeln für die Wiedereinziehung zu Unrecht geleisteter Zahlungen enthält – verbleibenden Freiheit. Mit anderen Worten können Versäumnisse nicht einfach unterstellt werden, nur weil kein Rechtsmittel bei der Cour de cassation (Kassationshof) eingelegt wurde. Nach meiner Ansicht ist die Entscheidung, nach einem jahrelangen erfolglosen Rechtsstreit kein weiteres Rechtsmittel einzulegen, etwas völlig anderes als beispielsweise die Entscheidung, überhaupt keine Wiedereinziehungsmaßnahmen zu erlassen, oder der Verzicht auf die nach den einschlägigen sektorspezifischen Regelungen hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Antragsteller durchzuführenden Kontrollen, bei denen es sich um Unterlassungen handelt, die einen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des EGFL darstellen dürften.

108. Obwohl das Gericht eingangs das Erfordernis einer Beurteilung der Umstände des Falles anerkannt hat(41), hat es jedoch mehrere relevante Fragen nicht geprüft.

109. Insbesondere hat es im Rahmen der Feststellung von Versäumnissen folgende Umstände nicht geprüft: 1. die Tatsache, dass Saint-Louis Sucre die Forderung in zwei Instanzen mit Erfolg bestritten hatte, 2. die Erfolgsaussichten einer Kassationsbeschwerde des BIRB, insbesondere im Licht der zentralen Rolle des bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassenen Anwalts im Verfahren vor diesem Gericht, 3. die Relevanz der Fragen, um deren Vorlage beim Gerichtshof das BIRB bei der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) ersucht hatte, die Gründe, aus denen dieses Gericht eine solche Vorlage unterließ, und die anschließende Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassene Anwältin(42) sowie schließlich 4. die Höhe des wieder einzuziehenden Betrags im Verhältnis zu den Kosten eines weiteren Rechtsmittels einschließlich der Notwendigkeit, im Fall einer Niederlage in letzter Instanz Zinsen zu zahlen.

110. Damit komme ich zur Effektivität des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV, ein Argument, das von der Kommission mit Nachdruck vertreten und vom Gericht im angefochtenen Urteil bestätigt wird(43).

111. Nach Ansicht der Kommission hat das Königreich Belgien, indem es bei der Cour de cassation (Kassationshof) kein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 eingelegt habe, es diesem Gericht praktisch unmöglich gemacht, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Das Verhalten des BIRB habe somit die Effektivität des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Verfahrens beeinträchtigt. Die Kommission hält offenbar allein diesen Umstand für ausreichend, um hier Versäumnisse zu begründen. Diese Ansicht scheint das Gericht zu teilen(44).

112. Es ist natürlich richtig, dass die Cour de cassation (Kassationshof) nicht um Vorabentscheidung über die Auslegung relevanter Fragen des Unionsrechts ersuchen kann, wenn gar kein Rechtsmittel bei ihr eingelegt wurde. Gleichwohl lässt dieser Umstand meines Erachtens das Erfordernis nicht entfallen, alle relevanten Umstände zu prüfen, um festzustellen, ob das Verhalten der fraglichen nationalen Behörden, hier speziell die Entscheidung des BIRB, kein Rechtsmittel einzulegen, nachdem die von ihm hinzugezogene, bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassene Anwältin davon abgeraten hatte, ein Versäumnis darstellt.

113. Auf der Grundlage der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen liegt es angesichts der besonderen Umstände des Falles nicht auf der Hand, dass die Cour de cassation (Kassationshof) dem Gerichtshof Fragen vorgelegt hätte, wenn das BIRB ein Rechtsmittel eingelegt hätte. Noch wichtiger ist, dass anhand dieser Informationen nicht beurteilt werden kann, inwieweit sich eine solche Vorlage auf die Entscheidung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte(45).

114. Es trifft zu, dass die Mitgliedstaaten und damit auch ihre Behörden zweifellos eine besondere Verantwortung haben, dafür zu sorgen, dass ihre Maßnahmen das ordnungsgemäße Funktionieren des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Systems nicht beeinträchtigen. Gleichwohl sollte hervorgehoben werden, dass die Kommission nur dann nach Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 Beträge von der Finanzierung durch die Europäische Union ausschließen kann, wenn Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse begangen wurden, für die die Verwaltung oder eine Dienststelle des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlich ist.

115. Ein Rückgriff auf diese Bestimmung setzt somit den Nachweis voraus, dass den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten Versäumnisse (oder Unregelmäßigkeiten) anzulasten sind. Nach meiner Ansicht kann trotz der soeben erwähnten besonderen Verantwortung der Mitgliedstaaten und der tragenden Rolle von Art. 267 AEUV im Rechtssystem der Union ein Versäumnis nicht abstrakt auf der Grundlage einer Annahme festgestellt werden, dass die Cour de cassation (Kassationshof), wäre ein Rechtsmittel eingelegt worden, als letztinstanzliches Gericht den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht hätte. Mit anderen Worten: Die Schlussfolgerung des Gerichts mag richtig oder falsch sein, doch kann die Feststellung, ob den Behörden der Mitgliedstaaten Versäumnisse anzulasten sind, nicht ohne gebührende Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles getroffen werden. Zu diesen Umständen gehören die Gründe, die das BIRB, eine Partei des nationalen Verfahrens, zum Verzicht auf das Rechtsmittel bewegten.

116. Wie bereits erwähnt, fehlt eine solche Beurteilung im angefochtenen Urteil.

117. Abschließend möchte ich eine letzte Bemerkung zur Auslegung von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 im angefochtenen Urteil machen. Auch wenn dies im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht ausdrücklich angesprochen worden ist, möchte ich darauf hinweisen, dass das Gericht im Anschluss an die Feststellung, dass das Königreich Belgien nicht mit ausreichender Sorgfalt gehandelt habe, schlicht unterstellt hat, dass die Nichtwiedereinziehung auf Versäumnisse des Königreichs Belgien zurückzuführen sei.

118. Hervorzuheben ist, dass nach dem Wortlaut von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 die Nichtwiedereinziehung auf Versäumnisse zurückzuführen sein muss. Mir scheint daher, dass ein Zusammenhang zwischen der Nichtwiedereinziehung und den Versäumnissen nicht unterstellt werden kann, sondern in geeigneter Weise auf der Grundlage einer Beurteilung der Umstände des Falles festgestellt werden muss, was das Gericht nicht getan hat.

119. Aufgrund dessen komme ich zu dem Schluss, dass die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beurteilung der Versäumnisse unzureichend war, so dass die Feststellung des Gerichts, wonach die Nichtwiedereinziehung der fraglichen Beträge auf Versäumnisse des BIRB und somit des Königreichs Belgien im Sinne von Art. 32 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1290/2005 zurückzuführen sei, mit einem Rechtsfehler behaftet ist. Folglich ist dem zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes stattzugeben.

VI.    Konsequenzen der Würdigung

120. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt hat, dass die Nichtwiedereinziehung auf Versäumnisse zurückzuführen sei, für die das BIRB und somit das Königreich Belgien im Sinne von Art. 32 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1290/2005 verantwortlich seien. Es hat die Feststellung, dass Versäumnisse vorlägen, nämlich nicht auf eine angemessene Beurteilung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles gestützt.

121. Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs hat er das Urteil des Gerichts aufzuheben, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, so kann ihn der Gerichtshof selbst endgültig entscheiden. Er kann die Sache auch an das Gericht zurückverweisen.

122. Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass dem zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes stattzugeben ist. Folglich ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

123. In Anbetracht der Art des Rechtsfehlers, den das Gericht begangen hat, ist der Rechtsstreit meines Erachtens nicht zur Entscheidung reif. Denn der Gerichtshof müsste bei einer Entscheidung über die Begründetheit alle relevanten Umstände prüfen, um zu beurteilen, ob der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil vom 3. Mai 2012 bei der Cour de cassation (Kassationshof) auf Versäumnisse des Königreichs Belgien zurückzuführen ist. Damit wäre eine Tatsachenwürdigung verbunden, die dem Gericht überlassen bleiben sollte.

124. Infolgedessen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Sache zur erneuten Prüfung an das Gericht zurückzuverweisen.

VII. Ergebnis

125. Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Juli 2017, Belgien/Kommission, T‑287/16, aufzuheben;

–        die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.


1      Originalsprache: Englisch.


2      T‑287/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:531 (im Folgenden: angefochtenes Urteil).


3      Beschluss vom 17. März 2016 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2016, L 75, S. 16) (im Folgenden: streitiger Beschluss).


4      Verordnung vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1). Diese Verordnung ist nicht mehr in Kraft. Sie wurde ersetzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549, berichtigt im ABl. 2016, L 130, S. 9).


5      Verordnung vom 4. März 1991 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. 1991, L 67, S. 11).


6      Durchführungsbeschluss C(2016) 1543 final der Kommission vom 17. März 2016 über den Rechnungsabschluss bestimmter Zahlstellen in Belgien und in Deutschland für die vom Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) für das Haushaltsjahr 2012 finanzierten Ausgaben.


7      Referenz CEB/2013/003BE.


8      Verordnung vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1290/2005 (ABl. 2006, L 171, S. 90).


9      Rn. 56 des angefochtenen Urteils.


10      Rn. 55 bis 57 und 62 des angefochtenen Urteils.


11      Verordnung Nr. 25 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 1962, Nr. 30, S. 991).


12      Erwägungsgründe 1 und 2 der Verordnung Nr. 1290/2005.


13      Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005.


14      Vgl. insbesondere den 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1290/2005.


15      Vgl. zu einer Erörterung der Tragweite von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 1970, L 94, S. 13), eines Vorgängers von Art. 32 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005, die Schlussanträge von Generalanwalt Capotorti in der Rechtssache Niederlande/Kommission (11/76, EU:C:1978:220‚ S. 290 ff.).


16      Zu Betrug in diesem Sektor und unzureichenden Wiedereinziehungsraten vgl. den Sonderbericht Nr. 3/2004 des Rechnungshofs über die Wiedereinziehung vorschriftswidriger Zahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, zusammen mit den Antworten der Kommission (ABl. 2004, C 269, S. 1, speziell S. 4 bis 9), und die Stellungnahme Nr. 1/2005 des Rechnungshofs zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (KOM[2004] 489 endg. vom 14. Juli 2004) (ABl. 2005, C 121, S. 1, S. 6 und 7).


17      Verordnung vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. 1987, L 351, S. 1).


18      Rn. 62 des angefochtenen Urteils.


19      Vgl. Erwägungsgründe 25 bis 27 der Verordnung Nr. 1290/2005.


20      Rn. 56 des angefochtenen Urteils.


21      Rn. 56 des angefochtenen Urteils.


22      Nach Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Vgl. auch Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission (C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541‚ Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32‚ Rn. 66).


24      Ebd.


25      Zum Zweck dieser Vorschrift vgl. z. B. EGMR, Urteil vom 26. Oktober 2000, Kudla/Polen, [GK], CE:ECHR:2000:1026JUD003021096, § 152.


26      Vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV. Vgl. auch Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454‚ Rn. 179 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27      EGMR, Urteil vom 28. Juli 1999, Selmouni/Frankreich, CE:ECHR:1999:0728JUD002580394, § 74 und die dort angeführte Rechtsprechung.


28      Vgl. EGMR, Urteile vom 5. März 2013, Chapman/Belgien, CE:ECHR:2013:0305DEC003961906, § 32, und vom 6. November 1980, Van Oosterwijck/Belgien, CE:ECHR:1980:1106JUD000765476, §§ 36 bis 40.


29      Vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18. Dezember 1996, Aksoy/Türkei, CE:ECHR:1996:1218JUD002198793, §§ 52 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung.


30      Rn. 55 bis 57 und 62 des angefochtenen Urteils.


31      Rn. 56 des angefochtenen Urteils.


32      Rn. 57 des angefochtenen Urteils.


33      Rn. 62 des angefochtenen Urteils.


34      Urteile vom 11. Oktober 1990, Italien/Kommission (C‑34/89, EU:C:1990:353, Rn. 12), vom 21. Februar 1991, Deutschland/Kommission (C‑28/89, EU:C:1991:67, Rn. 31), und vom 21. Januar 1999, Deutschland/Kommission (C‑54/95, EU:C:1999:11, Rn. 66).


35      Urteil vom 21. Januar 1999, Deutschland/Kommission (C‑54/95, EU:C:1999:11‚ Rn. 96).


36      Erwägungsgründe 9 und 10 der Verordnung Nr. 1290/2005.


37      Vgl. https://ec.europa.eu/agriculture/fin/clearance/factsheet_de.pdf (abgerufen am 4. September 2018).


38      Vgl. die oben in Fn. 34 angeführte Rechtsprechung.


39      Rn. 61 des angefochtenen Urteils.


40      Vgl. z. B. Urteil vom 26. Juni 2003, Kommission/Spanien (C‑404/00, EU:C:2003:373, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41      Rn. 55 des angefochtenen Urteils.


42      Der Akte ist zu entnehmen, dass die bei der Cour de cassation (Kassationshof) zugelassene Anwältin, die vom BIRB hinzugezogen wurde, in ihrem Gutachten eine sehr genaue Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs vornahm.


43      Rn. 57 und 59 des angefochtenen Urteils.


44      Rn. 57, 59 und 62 des angefochtenen Urteils.


45      Hier ist natürlich der im Urteil vom 4. Juni 2002, Lyckeskog (C‑99/00, EU:C:2002:329, Rn. 18), aufgestellte Grundsatz gebührend zu beachten. Dementsprechend kann ein letztinstanzliches nationales Gericht unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, bereits im Stadium der Prüfung der Zulässigkeit der bei ihm anhängigen Rechtssache um Vorabentscheidung zu ersuchen.