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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 25. April 2024(1)

Rechtssache C228/23

Association AFAÏA

gegen

Institut national de l’origine et de la qualité (INAO),

Beteiligte:

Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, in seiner Eigenschaft als höchstes Verwaltungsgericht, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft –Ökologische/biologische Produktion – Verordnung (EU) 2018/848 – Verwendung von Düngemitteln, Bodenverbesserern und Nährstoffen in der ökologischen/biologischen Produktion – Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165 – Anhang II – Begriffe der industriellen Tierhaltung und der flächenunabhängigen Tierhaltung – Kriterien für die Einstufung der Tierhaltung als industriell im Sinne von Anhang II der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165“






1.        Im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof um die Auslegung des Begriffs der industriellen Tierhaltung(2) ersucht, der in der Verordnung (EU) 2018/848(3) und in der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165(4) vorkommt.

2.        Der Ausgangsrechtsstreit steht im Kontext einer wachsenden ökologischen/biologischen Produktion(5), was sich im Unionsrecht widerspiegelt. Eines der Probleme ist die Düngung der für diese Produktion genutzten Flächen(6), die der europäische Gesetzgeber noch nicht mit der erforderlichen Präzision geregelt hat.

3.        Die Verordnung 2018/848 und die Durchführungsverordnung 2021/1165 erlauben ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingungen die Verwendung von nichtökologischem Mist(7) aus konventioneller Tierhaltung(8) für den ökologischen/biologischen Landbau. Die wichtigste Einschränkung, die nach den genannten Verordnungen für die Verwendung dieser Art von Mist gilt, ist, dass er nicht aus der industriellen Tierhaltung stammen darf. Mit dem Vorabentscheidungsersuchen soll geklärt werden, welche Bedeutung dieser letztere Begriff genau hat.

I.      Rechtlicher Rahmen: Unionsrecht

A.      Verordnung 2018/848

4.        Art. 4 („Ziele“) sieht vor:

„Mit der ökologischen/biologischen Produktion werden die folgenden allgemeinen Ziele verfolgt: … b) Erhalt der Bodenfruchtbarkeit auf lange Sicht; … d) wesentlicher Beitrag zu einer giftfreien Umwelt; e) Beitrag zu hohen Tierschutzstandards und insbesondere zur Erfüllung der artspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnisse von Tieren; …“.

5.        In Art. 5 („Allgemeine Grundsätze“) heißt es:

„Die ökologische/biologische Produktion ist ein nachhaltiges Bewirtschaftungssystem, das auf folgenden allgemeinen Grundsätzen beruht:

a)      Respekt vor den Systemen und Kreisläufen der Natur sowie Förderung der Nachhaltigkeit und Verbesserung des Zustands von Boden, Wasser und Luft, der Gesundheit von Pflanzen und Tieren sowie des Gleichgewichts zwischen ihnen;

d)      die Herstellung einer reichen Vielfalt an hochwertigen Lebensmitteln und anderen Erzeugnissen der Landwirtschaft und der Aquakultur, die der Nachfrage der Verbraucher nach Erzeugnissen entsprechen, die durch Verfahren hergestellt wurden, die der Umwelt, der menschlichen Gesundheit, der Pflanzengesundheit sowie der Tiergesundheit und dem Tierschutz nicht abträglich sind;

g)      die Beschränkung der Verwendung externer Produktionsmittel; sind externe Produktionsmittel erforderlich oder gibt es keine angemessenen Bewirtschaftungspraktiken oder ‑verfahren gemäß Buchstabe f, so beschränken sich diese externen Produktionsmittel auf:

i)      Produktionsmittel aus der ökologischen/biologischen Produktion; was Pflanzenvermehrungsmaterial betrifft, wird den im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse und Ziele der ökologischen/biologischen Landwirtschaft ausgewählten Sorten Priorität eingeräumt,

ii)      natürliche oder auf natürlichem Wege gewonnene Stoffe,

iii)      schwer lösliche mineralische Düngemittel;

j)      die Beachtung eines hohen Tierschutzniveaus unter Berücksichtigung der artspezifischen Bedürfnisse.“

6.        Art. 9 („Allgemeine Produktionsvorschriften“) Abs. 3 bestimmt:

„Für die in Artikel 24 und 25 sowie in Anhang II genannten Zwecke und Verwendungen dürfen in der ökologischen/biologischen Produktion nur gemäß diesen Bestimmungen zugelassene Erzeugnisse und Stoffe verwendet werden, sofern ihre Verwendung nach relevanten Unionsvorschriften und gegebenenfalls nach nationalen Vorschriften im Einklang mit dem Unionsrecht auch für die nichtökologische/nichtbiologische Produktion zugelassen ist.

…“.

7.        Art. 12 („Vorschriften für die Pflanzenproduktion“) Abs. 1 sieht vor:

„Unternehmer, die Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse produzieren, müssen insbesondere die detaillierten Vorschriften gemäß Anhang II Teil I einhalten.“.

8.        Art. 14 („Vorschriften für die Tierproduktion“) Abs. 1 bestimmt:

„Tierproduzenten müssen insbesondere die detaillierten Produktionsvorschriften einhalten, die in Anhang II Teil II und in den in Absatz 3 dieses Artikels genannten Durchführungsrechtsakten enthalten sind.“

9.        In Art. 24 („Zulassung von Erzeugnissen und Stoffen, die in der ökologischen/biologischen Produktion verwendet werden“) heißt es:

„(1)      Die Kommission kann bestimmte Erzeugnisse und Stoffe zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion für folgende Zwecke zulassen und nimmt alle solche zugelassenen Erzeugnisse und Stoffe in beschränkende Verzeichnisse auf:

b)      als Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe;

(3)      Die Zulassung der in Absatz 1 genannten Erzeugnisse und Stoffe für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion unterliegt den Grundsätzen des Kapitels II sowie folgenden Kriterien, die als Ganzes zu bewerten sind:

d)      im Falle der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Erzeugnisse ist die Verwendung unerlässlich, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu fördern oder zu erhalten oder besondere Ernährungsbedürfnisse der Pflanzen zu decken oder spezifische Bodenverbesserungszwecke zu erfüllen;

…“.

10.      Anhang II Teil I („Vorschriften für die Pflanzenproduktion“) bestimmt:

„Zusätzlich zu den Produktionsvorschriften in den Artikeln 9 bis 12 enthält dieser Teil Vorschriften für die ökologische/biologische Pflanzenproduktion.

1.      Allgemeine Anforderungen

1.9      Bodenbewirtschaftung und Düngung

1.9.2.      Fruchtbarkeit und biologische Aktivität des Bodens müssen durch Folgendes erhalten und gesteigert werden:

c)      in jedem Falle durch Einsatz von aus ökologischer/biologischer Produktion stammenden Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft oder organischen Substanzen, die vorzugsweise kompostiert sind.

1.9.3. Soweit der Nährstoffbedarf der Pflanzen durch die unter den Nummern 1.9.1 und 1.9.2 vorgesehenen Maßnahmen nicht gedeckt werden kann, dürfen lediglich Düngemittel und Bodenverbesserer, die nach Artikel 24 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen sind, und nur in dem erforderlichen Maße verwendet werden.

…“.

11.      In Anhang II Teil II („Vorschriften für die Tierproduktion“) heißt es:

„Zusätzlich zu den Produktionsvorschriften in den Artikeln 9, 10, 11 und 14 enthält dieser Teil Vorschriften für die ökologische/biologische Tierproduktion.

1.      Allgemeine Anforderungen

1.1.      Ausgenommen im Falle der Bienenhaltung ist eine flächenunabhängige Tierproduktion, bei der der Landwirt, der eine ökologische/biologische Tierhaltung zu betreiben beabsichtigt, keine landwirtschaftlichen Nutzflächen bewirtschaftet und keine schriftliche Kooperationsvereinbarung mit einem Landwirt hinsichtlich der Nutzung von ökologischen/biologischen Produktionseinheiten oder Produktionseinheiten in Umstellung für diese Tierhaltung getroffen hat, verboten.

1.4.2.1. … ökologische/biologische Tiere [müssen] auf ökologisch/biologisch bewirtschafteten Flächen weiden ….

1.6.3.      Die Besatzdichte in Stallgebäuden muss den Tieren Komfort und Wohlbefinden gewährleisten und gestatten, dass die Tiere ihre artspezifischen Bedürfnisse ausleben können, und muss von Art, Rasse und Alter der Tiere abhängen. …

1.6.8.      Die Verwendung von Käfigen, Boxen und Flat-Deck-Anlagen zur Viehzucht ist für keine Tierart zulässig.

…“.

B.      Durchführungsverordnung 2021/1165

12.      Art. 2 bestimmt:

„Für die Zwecke von Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2018/848 dürfen nur die in Anhang II der vorliegenden Verordnung aufgeführten Erzeugnisse und Stoffe als Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe zur Pflanzenernährung … in der ökologischen/biologischen Produktion verwendet werden, sofern diese im Einklang mit den einschlägigen Unionsvorschriften stehen …“.

13.      Anhang II sieht vor:

„Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe …, die in diesem Anhang aufgeführt sind, dürfen in der ökologischen/biologischen Produktion verwendet werden, sofern sie mit folgenden Rechtsgrundlagen in Einklang stehen:

–      den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union und den nationalen Rechtsvorschriften über Düngeprodukte, insbesondere gegebenenfalls den Verordnungen (EG) Nr. 2003/2003 und (EU) 2019/1009 und

Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe dürfen nur gemäß den Spezifikationen und Verwendungsbeschränkungen der genannten Rechtsvorschriften der Union und der nationalen Rechtsvorschriften verwendet werden. Strengere Verwendungsvorschriften für die ökologische/biologische Produktion sind jeweils in der rechten Spalte der Tabellen angegeben.

Bezeichnung | Erzeugnisse, die nur nachstehende Stoffe enthalten oder Gemische daraus

Beschreibung, besondere Bedingungen und Einschränkungen

Stallmist

Gemisch aus tierischen Exkrementen und pflanzlichem Material (Einstreu und Futtermittel).

Erzeugnis darf nicht aus industrieller Tierhaltung stammen.

Getrockneter Stallmist und getrockneter Geflügelmist

Erzeugnis darf nicht aus industrieller Tierhaltung stammen

Kompost aus tierischen Exkrementen, einschließlich Geflügelmist und kompostierter Stallmist

Erzeugnis darf nicht aus industrieller Tierhaltung stammen

Flüssige tierische Exkremente

Verwendung nach kontrollierter Fermentation und/oder geeigneter Verdünnung

Erzeugnis darf nicht aus industrieller Tierhaltung stammen

…“.

II.    Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

14.      Das Institut national de l'origine et de la qualité (Nationales Institut für Herkunft und Qualität, Frankreich, im Folgenden: INAO) ist eine öffentliche Einrichtung, die unter der Aufsicht des zuständigen Ministeriums die Politik dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die offiziellen Qualitäts- und Herkunftskennzeichen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel durchführt.

15.      Im Jahr 2020 änderte das INAO seinen „Leseleitfaden“(9) zu den europäischen Verordnungen, um u. a. das in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 889/2008(10) enthaltene Verbot der Verwendung von Düngemitteln und Bodenverbesserern tierischen Ursprungs „aus der industriellen Tierhaltung“ auf ökologischen Flächen auszulegen.

16.      Nach dem Leseleitfaden ist die Verwendung von Düngemitteln „aus Betrieben mit Gitterrostsystemen oder Vollspaltenböden, die die in Anhang I der Richtlinie 2011/92/EU festgelegten Schwellenwerte überschreiten“, sowie „aus Aufzucht mit Käfighaltung, die [die gleichen Schwellenwerte] überschreiten“, ausgeschlossen.

17.      Der Verband AFAÏA(11) beantragte die Streichung dieses Teils des Leitfadens, doch das INAO lehnte seinen Antrag am 4. Februar 2020 ab.

18.      AFAÏA beantragte beim Conseil d'État (Staatsrat, in seiner Eigenschaft als oberstes Verwaltungsgericht), die Entscheidung des INAO vom 4. Februar 2020 aufzuheben(12). AFAÏA vertrat die Ansicht, dass das INAO nicht befugt gewesen sei, ergänzende Maßnahmen zu den Verordnungen (EG) Nr. 834/2007(13) und Nr. 889/2008 zu erlassen, und dass der Leseleitfaden die Bedeutung und die Tragweite dieser Verordnungen verkenne. Im Rahmen dieses Rechtsstreits wurde das Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt.

19.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts sind die zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Rechtsvorschriften, d. h. die Verordnung 2018/848 und die Durchführungsverordnung 2021/1165, anzuwenden. Nach dem Inkrafttreten dieser beiden Verordnungen hat das INAO den Leseleitfaden aktualisiert, jedoch keine inhaltlichen Änderungen an der Definition der industriellen Tierhaltung vorgenommen(14).

20.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass

–      die unterschiedlichen Sprachfassungen(15) im Hinblick auf den Begriff der industriellen Tierhaltung, der weder in der Durchführungsverordnung 2021/1165 noch in der Verordnung 2018/848 noch in den bisherigen Vorschriften zum ökologischen/biologischen Landbau definiert worden sei, voneinander abwichen;

–      dieser Begriff in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt werde, da er in einigen Mitgliedstaaten mit der flächenunabhängigen (Tier-)Produktion gleichgesetzt werde, während in anderen Mitgliedstaaten zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden werde und die industrielle Tierhaltung anhand von technischen Anforderungen, Schwellenwerten für die Anzahl der Tiere und Futteranforderungen definiert werde.

21.      Vor diesem Hintergrund legt das genannte Gericht dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Ist Anhang II der Verordnung 2021/1165 dahin auszulegen, dass der dort verwendete Begriff der industriellen Tierhaltung dem Begriff der flächenunabhängigen Tierhaltung gleichzusetzen ist?

2.      Wenn sich der Begriff der industriellen Tierhaltung vom Begriff der flächenunabhängigen Tierhaltung unterscheidet, welche Kriterien sind dann heranzuziehen, um festzustellen, ob eine Tierhaltung als industriell im Sinne von Anhang II der Verordnung 2021/1165 einzustufen ist?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

22.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 12. April 2023 beim Gerichtshof eingegangen.

23.      Schriftliche Erklärungen sind von AFAÏA, der finnischen und der französischen Regierung sowie von der Europäischen Kommission eingereicht worden.

24.      An der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2024 haben AFAÏA, die französische Regierung und die Kommission teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Erste Vorlagefrage: Unterschied zwischen „industrieller Tierhaltung“ und „flächenunabhängiger (Tier-)Produktion“

25.      Anhang II Absatz 1 der Durchführungsverordnung 2021/1165 bestimmt, dass „Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe …, die in diesem Anhang aufgeführt sind, … in der ökologischen/biologischen Produktion verwendet werden [dürfen], sofern sie mit folgenden Rechtsgrundlagen in Einklang stehen:

–      den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union und den nationalen Rechtsvorschriften über Düngeprodukte, insbesondere gegebenenfalls den Verordnungen (EG) Nr. 2003/2003 und (EU) 2019/1009 und

–      den Rechtsvorschriften der Union über tierische Nebenprodukte, insbesondere den Verordnungen (EG) Nr. 1069/2009 und (EU) Nr. 142/2011, insbesondere den Anhängen V und XI.“

26.      In Anhang II Abs. 3 heißt es, dass „Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe … nur gemäß den Spezifikationen und Verwendungsbeschränkungen der genannten Rechtsvorschriften der Union und der nationalen Rechtsvorschriften verwendet werden [dürfen]“. Die angefügte Tabelle enthält strengere Vorschriften für die ökologische/biologische Produktion.

27.      Konkret ist in dieser Tabelle angegeben, dass in der ökologischen/biologischen Produktion das „Erzeugnis … nicht aus industrieller Tierhaltung stammen [darf]“, und zwar für folgende Erzeugnisse: Stallmist(16); getrockneter Stallmist und getrockneter Geflügelmist; Kompost aus tierischen Exkrementen, einschließlich Geflügelmist und kompostierter Stallmist; und flüssige tierische Exkremente(17).

28.      Wie das vorlegende Gericht betont, gibt es weder in der Durchführungsverordnung 2021/1165 noch in der Verordnung 2018/848 noch in einer anderen Vorschrift des Unionsrechts eine Definition der industriellen Tierhaltung.

29.      Darüber hinaus stimmen die verschiedenen Sprachfassungen der Durchführungsverordnung 2021/1165 nicht einmal hinsichtlich der Verwendung des Begriffs der industriellen Tierhaltung überein, da in einigen von ihnen anstelle dieses Begriffs der Begriff „flächenunabhängige (Tier-)Produktion“ verwendet wird(18).

30.      Diese Umstände haben zu einer uneinheitlichen Praxis geführt: Einige Mitgliedstaaten setzen die industrielle Tierhaltung mit der flächenunabhängigen Tierhaltung gleich, während andere zur Definition der industriellen Tierhaltung auf unterschiedliche technische Anforderungen, Schwellenwerte für die Anzahl der Tiere und Futtermittelanforderungen abstellen.

31.      Diese Unterschiede führen zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt und wirken sich negativ auf die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer und die Lieferanten von Düngemitteln, Bodenverbesserern und Nährstoffen aus.

32.      Die Durchführungsverordnung 2021/1165 verweist im Hinblick auf die Kriterien dafür, was unter industrieller Tierhaltung zu verstehen ist, auch nicht auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten. Der Gerichtshof muss diesen Begriff daher autonom und einheitlich(19) unter Heranziehung der üblichen Kriterien auslegen(20).

1.      Auslegung nach dem Wortlaut

33.      Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2021/1165 enthält keine Hinweise zur Bedeutung des Begriffs der industriellen Tierhaltung oder dazu, ob sich dieser Begriff mit dem der „flächenunabhängigen (Tier-)Produktion“ deckt oder von ihm unterscheidet. Das gleiche gilt für die Verordnung 2018/848.

34.      Das Kriterium des Wortlauts heranzuziehen, erweist sich als besonders schwierig, wenn, wie im vorliegenden Fall, merkliche Unterschiede zwischen den Sprachfassungen von Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2021/1165 bestehen.

35.      Ein Vergleich dieser Fassungen zeigt, dass sich 21 von ihnen auf eine Tierhaltung, Produktion oder einen Betrieb beziehen, die/der als industriell(21), intensiv(22) oder in großem Maßstab(23) bezeichnet wird. Diese Begriffe könnten als gleichwertig angesehen werden, und wie schon erwähnt, entscheide ich mich dafür, den Begriff der industriellen Tierhaltung zu verwenden. In der dänischen, der niederländischen und der portugiesischen Sprachfassung wird dagegen der Begriff der flächenunabhängigen (Tier-)Produktion(24) verwendet.

36.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die verschiedenen Sprachfassungen einheitlich ausgelegt werden(25). Keine von ihnen kann Vorrang vor den anderen beanspruchen(26).

37.      Nach dem üblichen Wortsinn ist eine Tierhaltung als „industriell“ anzusehen, bei der die Tiere im Allgemeinen in Ställen unter künstlich geschaffenen und kontrollierten Bedingungen gehalten werden. Die Aufzucht der Tiere erfolgt nach industriellen Methoden, d. h. mit dem Ziel, die Produktion in möglichst kurzer Zeit zu maximieren.

38.      Die industrielle Tierhaltung erfordert zumeist hohe Investitionen, den Einsatz von angereichertem Futter, den vorbeugenden Einsatz von Antibiotika und die Schaffung einer hohen Produktivität, kann aber auch zu einer erheblichen Umweltverschmutzung führen. Insbesondere der Tierschutz gehört nicht unbedingt zu ihren Prioritäten(27).

39.      Auch der Begriff der flächenunabhängigen Tierhaltung wird weder in der Durchführungsverordnung 2021/1165 noch in einer anderen Vorschrift des Unionsrechts definiert. Er wird in Anhang II Teil II Nr. 1.1 der Verordnung 2018/848 erwähnt, wo es heißt, dass eine „flächenunabhängige Tierproduktion“ unter bestimmten Umständen verboten ist(28).

40.      Die flächenunabhängige Tierhaltung entspricht daher einer Tierproduktion in künstlichen Ställen, bei der das Futter nicht von der Fläche stammt, auf der sich der Betrieb befindet, und die Exkremente außerhalb des Betriebs verbracht werden(29).

41.      Nach dem Wortlaut umfasst die industrielle Tierhaltung die flächenunabhängige Tierhaltung, ist aber ein weiter gefasster Begriff. Es kann Tierhaltungsbetriebe geben, die aufgrund ihrer Merkmale als industriell anzusehen sind, obwohl sie über Flächen verfügen(30).

42.      Die grammatikalische Auslegung führt daher zu dem Schluss, dass zu den Düngemitteln, Bodenverbesserern und Nährstoffen, deren Verwendung im ökologischen/biologischen Landbau nach Anhang II der Durchführungsverordnung 2021/1165 verboten ist, nicht nur Erzeugnisse aus der flächenunabhängigen Tierhaltung, sondern auch solche aus der industriellen Tierhaltung gehören. In gewisser Weise ist die flächenunabhängige Tierhaltung die extremste, wenn auch nicht die einzige Form der industriellen Tierhaltung.

2.      Historische und systematische Auslegung

43.      Die Unterschiede zwischen den Sprachfassungen der Durchführungsverordnung 2021/1165 bestanden bereits bei der Regelung, die der aktuellen Regelung vorausging (Verordnung Nr. 834/2007 und Verordnung Nr. 889/2008).

44.      Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 834/2007 erlaubte neben der Verwendung von Düngemitteln und Bodenverbesserern aus ökologischem/biologischem Landbau die Verwendung entsprechender Erzeugnisse, wenn sie von der Kommission zugelassen worden waren. In Anhang I der Verordnung Nr. 889/2008 ließ die Kommission die Verwendung der gleichen Erzeugnisse zu, mit Ausnahme derjenigen aus „industrieller Tierhaltung“ (Mehrheit der Fassungen) oder „flächenunabhängiger Produktion“ (Minderheit der Fassungen), ohne diese Begriffe zu definieren.

45.      Zuvor hatte die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91(31), die durch die Verordnung Nr. 834/2007 aufgehoben wurde, Folgendes vorgesehen:

–      „Stallmist“ und „getrockneter Stallmist und getrockneter Geflügelmist“ durften nur verwendet werden, wenn sie „ausschließlich aus Extensivhaltungen gemäß Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2328/91(32)“ stammten. Diese Erzeugnisse konnten daher nicht als Düngemittel im ökologischen/biologischen Landbau verwendet werden, wenn sie aus der industriellen Tierhaltung stammten.

–      „Kompost aus tierischen Exkrementen, einschließlich Geflügelmist und kompostierter Stallmist“ sowie „flüssige tierische Exkremente“ durften nicht verwendet werden, wenn sie aus industrieller Tierhaltung stammten („Produkt darf nicht aus intensiver [industrieller] Tierhaltung“ oder in einigen Fassungen [einschließlich der deutschen Fassung] aus „landloser Tierhaltung“ stammen).

46.      Die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zeigt, dass der Begriff der industriellen Tierhaltung der Begriff war, der im Unionsrecht bis zur Durchführungsverordnung 2021/1165 mehrheitlich verwendet wurde. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass der Begriff der flächenunabhängigen [bzw. landlosen] Tierhaltung unter den weiter gefassten Begriff der industriellen Tierhaltung fällt.

3.      Auslegung nach dem Zweck

47.      Die Vorschriften des Unionsrechts über die ökologische/biologische Produktion orientieren sich an einer Reihe von Zielen, von denen die wichtigsten für den vorliegenden Fall der Tierschutz und die Wahrung des Vertrauens der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Erzeugnisse sind.

48.      Eine Lektüre des ersten(33) und zweiten(34) Erwägungsgrundes der Verordnung 2018/848 sowie ihres Art. 4 macht deutlich, dass der Schutz des Wohlergehens der Tiere ein Ziel dieser Vorschriften ist, das Art. 13 AEUV Rechnung trägt. Danach „tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung“, wenn sie ihre Politik festlegen und durchführen(35).

49.      Der Gerichtshof hat festgestellt: „Dadurch, dass der Unionsgesetzgeber mehrfach die Absicht betont, im Rahmen des ökologischen/biologischen Landbaus ein hohes Tierschutzniveau sicherzustellen, wollte er besonders hervorheben, dass sich diese landwirtschaftliche Produktionsmethode durch die Beachtung strengerer Tierschutznormen an allen Orten und in allen Stadien dieser Produktion, in denen es möglich ist, das Tierwohl noch weiter zu verbessern, auszeichnet.“(36)

50.      Der Erhalt des Tierschutzes in der ökologischen/biologischen Produktion spricht für eine Beschränkung der Verwendung von Exkrementen aus der industriellen Tierhaltung. Dagegen ist extensive Tierhaltung mit einem hohen Tierschutzniveau vereinbar, auch wenn sie nicht ökologisch/biologisch ist.

51.      Im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung 2018/848 heißt es, dass der Rechtsrahmen für die ökologische/biologische Produktion u. a. darauf ausgerichtet sein sollte, „das Vertrauen der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Erzeugnisse zu wahren und zu rechtfertigen“.

52.      Die berechtigten Erwartungen der Verbraucher ökologischer/biologischer Erzeugnisse lassen sich am besten erfüllen, wenn die Betriebsmittel im ökologischen/biologischen Landbau aus ökologischen Quellen stammen (oder, wenn diese nicht ausreichen, wenn nichtökologische Betriebsmittel verwendet werden, die aber von der Kommission ausdrücklich zugelassen worden sind, um möglichst viele Schadstoffe auszuschließen). Derselbe Gedanke kommt im Hinblick auf Düngemittel durch den Ausschluss von Düngemitteln aus der industriellen Tierhaltung zum Ausdruck.

53.      Die Berücksichtigung dieser beiden Ziele bei der Auslegung des Begriffs der industriellen Tierhaltung führt zu demselben Ergebnis wie die Auslegung nach dem Wortlaut und die historische Auslegung. Darüber hinaus steht diese Auslegung im Einklang mit Anhang II Teil I Nr. 1.9.2 Buchst. c und Nr. 1.9.3 der Verordnung 2018/848, wonach im ökologischen/biologischen Landbau Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft oder organische Substanzen aus ökologischer/biologischer Produktion grundsätzlich bevorzugt zu verwenden sind.

54.      Nur ausnahmsweise kann, wenn der Erhalt der Fruchtbarkeit des Bodens und der Nährstoffbedarf der Pflanzen nicht durch Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft oder organische Substanzen aus ökologischer/biologischer Produktion gewährleistet werden können, auf Art. 24 Abs. 4 Buchst. d der Verordnung 2018/848 zurückgegriffen werden. Danach dürfen (und zwar nur in dem erforderlichen Maße) die von der Kommission ausdrücklich zugelassenen (nichtökologischen) Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe verwendet werden, und das sind gemäß Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2021/1165 solche, die nicht aus der industriellen Tierhaltung stammen.

55.      Diese Ausnahme von der allgemeinen Regel ist im Einklang mit den Zielen der Verordnung über den ökologischen/biologischen Landbau eng auszulegen(37).

56.      Beschränkte man dagegen das Verbot der Verwendung im ökologischen/biologischen Landbau nur auf Mist aus der flächenunabhängigen Tierhaltung, gäbe man einer zu engen Auslegung der Beschränkung in Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2021/1165 den Vorzug.

57.      In der mündlichen Verhandlung hat AFAÏA genau diese weite Auslegung verteidigt und darauf hingewiesen, dass dadurch die Verfügbarkeit von Mist für einen ständig wachsenden ökologischen/biologischen Landbau sichergestellt und der Rückgriff auf chemische Düngemittel vermieden werde, die für die Umwelt und die Fruchtbarkeit des Bodens langfristig schädlicher seien. Nach den von der französischen Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Informationen ist diese Auslegung jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nicht erforderlich, um eine ausreichende Verfügbarkeit von Mist für den ökologischen/biologischen Landbau zu gewährleisten(38).

58.      Die Ziele des Tierschutzes und der Erfüllung der berechtigten Erwartungen der Verbraucher ökologischer/biologischer Erzeugnisse werden daher, wie ich nochmals unterstreichen möchte, am besten erreicht, wenn man der Auffassung folgt, dass Mist aus konventioneller Tierhaltung (dessen Verwendung im ökologischen/biologischen Landbau zulässig ist) nicht als Mist aus industrieller Tierhaltung anzusehen ist. Der zuletzt genannte Begriff umfasst beispielsweise die flächenunabhängige Tierproduktion, aber auch andere Formen der Produktion, die z. B. auf unzureichenden und begrenzten Flächen erfolgen.

59.      Zusammenfassend führt die richtige Auslegung von Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2021/1165 meines Erachtens zu dem Ergebnis, dass der Begriff „flächenunabhängige (Tier-)Produktion“ enger und nicht mit dem der industriellen Tierhaltung gleichzusetzen ist. Der zweite Begriff umfasst den ersten, so dass die Verwendung von Düngemitteln, Bodenverbesserern und Nährstoffen aus der industriellen Tierhaltung – und nicht nur aus der flächenunabhängigen Tierproduktion – in der ökologischen/biologischen Produktion nicht zulässig ist.

B.      Zweite Vorlagefrage

60.      Das vorlegende Gericht formuliert seine zweite Frage ausgehend von der Prämisse (der ich zustimme), dass sich der Begriff der industriellen Tierhaltung von dem der flächenunabhängigen Tierproduktion unterscheidet. Mit dieser Frage möchte es wissen, welche Kriterien heranzuziehen sind, um festzustellen, ob eine Tierproduktion als industriell im Sinne von Anhang II der Verordnung 2021/1165 einzustufen ist.

61.      Wie ich bereits ausgeführt habe, hat der Unionsgesetzgeber nicht definiert, was unter industrieller Tierhaltung im Sinne der Durchführungsverordnung 2021/1165 zu verstehen ist. Obwohl eine entsprechende Regelung fehlt, kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht Anhaltspunkte für die Auslegung dieses Begriffs geben, ohne sich selbst gesetzgeberische Befugnisse anzumaßen(39).

62.      Zwei informative Texte der Kommission und einer von der Kommission einberufenen Sachverständigengruppe bringen etwas Licht in diese Frage.

1.      Leitfaden der Kommission von 1995

63.      In ihrem 1995 erstellten Leitfaden zur Durchführung der Verordnung Nr. 2092/91(40) führte die Kommission aus, dass das Unionsrecht die Verwendung von Exkrementen aus industriellen Tierhaltungsbetrieben aufgrund der angewandten intensiven Aufzuchttechniken und des Vorhandenseins unerwünschter Rückstände in solchen Exkrementen nicht zulasse(41).

64.      Der Leitfaden räumte ein, dass im Unionsrecht eine normierte Definition der industriellen Tierhaltung fehle und dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, den Anwendungsbereich dieses Begriffs zu bestimmen. Die Kommission schlug jedoch vor, dass darunter landwirtschaftliche Betriebe fallen sollten, die die beiden folgenden Kriterien erfüllten:

–      erstens die Haltung in Anlagen, die die Tiere daran hindern, sich um 360 Grad zu drehen, oder in denen sie überwiegend im Dunkeln oder ohne Möglichkeit zum Liegen gehalten werden, einschließlich Legebatterien für Geflügel oder andere Tiere und Hähnchenmastanlagen mit einer Belastung von mehr als 25 Kilogramm pro Quadratmeter;

–      zweitens das Fehlen von landwirtschaftlichen Anbauflächen, auf denen der Mist genutzt werden könnte.

2.      Bericht der Sachverständigengruppe von 2021

65.      Im Jahr 2021 berief die Kommission eine Sachverständigengruppe ein, die u. a. die Kriterien für die Beschränkung der Verwendung von Düngemitteln bestimmter Herkunft festlegen sollte, was eine Präzisierung des Begriffs „industrielle Tierhaltung“ voraussetzt. In dem von dieser Gruppe veröffentlichten Bericht(42) hieß es, dass die Gruppe keine genaue Definition vorgeben könne, dass aber die Anwendung dieses Begriffs anhand einer Reihe von Anhaltspunkten oder Kriterien erfolgen könne, die für oder gegen das Vorliegen von industrieller Tierhaltung sprechen.

66.      Im Bericht der EGTOP von 2021 werden folgende Kriterien genannt, die das Vorliegen von industrieller Tierhaltung nachweisen: Haltung der Tiere in Käfigen (Geflügel, Kaninchen usw.); Strukturen, die die Tiere daran hindern, sich um 360 Grad zu drehen; flächenunabhängige Haltung; Haltung von zur Pelzerzeugung bestimmten Tieren; Besatzdichte der Tiere an Futtertrögen (Tränken) über einem bestimmten Schwellenwert; Bedingungen im Hinblick auf den Tierschutz (Unterbringung, planbefestigter Boden, Beleuchtung usw.); Betriebe mit Langstreckentransporten; vorbeugender Einsatz von Antibiotika; Verwendung von Futtermitteln, die genetisch veränderte Organismen enthalten.

67.      Folgende Kriterien, die dafür sprechen, dass die Haltung in einem konventionellen Betrieb nicht als industrielle Haltung einzustufen ist, führt der Bericht der EGTOP von 2021 auf: Freilandhaltung; Einhaltung von bestimmten Qualitätsregelungen (wie Label Rouge, Compassion in World Farming, nationale Qualitätsregelungen usw.) oder von Regelungen für Direktvertriebssysteme (Hofläden) oder regionalen Zertifizierungsregelungen (geschützte Ursprungsbezeichnung, geschützte geografische Angabe); eingeschränkter Einsatz von Antibiotika in ähnlicher Weise wie im ökologischen/biologischen Landbau; Verwendung von Einstreu auf pflanzlicher Basis zur Erhöhung des organischen Gehalts des Bodens; Begrenzung der Besatzdichte an Futtertrögen und Tränken; Einhaltung der unionsrechtlichen Tierschutzvorschriften; Verwendung von Rohstoffen lokaler Herkunft.

3.      Weitere Texte und Schwerpunkt der Antwort des Gerichtshofs

68.      Über die beiden soeben genannten Texte hinaus gibt es Vorschriften des Unionsrechts, die sich auf industrielle Tierhaltungsbetriebe beziehen. Das trifft auf Art. 4 der Richtlinie 2011/92/EU(43) zu, wonach die in Anhang I aufgeführten Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, darunter (Nr. 17) bestimmte „Anlagen zur Intensivhaltung oder ‑aufzucht von Geflügel oder Schweinen“(44).

69.      Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, haben diese Bestimmungen der Richtlinie 2011/92 ihren Anwendungsbereich in Umweltprüfungsverfahren, können aber als (ungefähre) Anhaltspunkte für die Bestimmung des industriellen Charakters der jeweiligen Betriebe dienen(45).

70.      Auf der Grundlage dieser Anhaltspunkte kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht einige Hinweise dazu geben, welche Exkremente aus der Tierhaltung im ökologischen/biologischen Landbau zulässig sind, weil sie nicht aus einem industriellen Betrieb stammen.

71.      Es ist zwischen drei Arten von Exkrementen zu unterscheiden: a) aus ökologischer/biologischer Haltung; b) aus konventioneller extensiver oder nichtindustrieller Haltung und c) aus industrieller Haltung.

a)      Exkremente aus ökologischer/biologischer Tierhaltung

72.      Die Verordnung 2018/848 schreibt für den ökologischen/biologischen Landbau die bevorzugte Verwendung von Stallmist und anderen Düngemitteln aus ökologischer/biologischer Tierhaltung vor (Anhang II Teil I Nr. 1.9.2 Buchst. c).

73.      Diese Art Stallmist und Düngemittel können nicht aus der industriellen Tierhaltung stammen, die nie als ökologische/biologische Tierproduktion im Sinne der Verordnung 2018/848 und ihrer Durchführungsbestimmungen angesehen werden kann.

b)      Exkremente aus konventioneller extensiver oder nichtindustrieller Tierhaltung

74.      Wie ich bereits dargelegt habe, kann die Kommission nach Art. 24 Abs. 1 der Verordnung 2018/848 ausnahmsweise bestimmte Erzeugnisse und Stoffe wie Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion über ein System beschränkender Verzeichnisse zulassen.

75.      Die Durchführungsverordnung 2021/1165 führt diese Erzeugnisse und Stoffe in Anhang II auf. In Anhang II Abs. 3 heißt es, dass sie „nur gemäß den Spezifikationen und Verwendungsbeschränkungen der genannten Rechtsvorschriften der Union und der nationalen Rechtsvorschriften verwendet werden [dürfen]“. Als zusätzliche Beschränkung für den ökologischen/biologischen Landbau wird ergänzt, dass die Verwendung von Exkrementen aus der industriellen Tierhaltung nicht möglich ist.

76.      Letztlich lässt dieses Verzeichnis die Verwendung von Düngemitteln und Mist aus der konventionellen (nichtökologischen) nichtindustriellen Tierhaltung für die ökologische/biologische Pflanzenproduktion zu.

77.      Unzweifelhaft fällt die extensive konventionelle Tierhaltung unter die nichtindustrielle konventionelle Tierhaltung, so dass die dort anfallenden Exkremente in Anwendung von Anhang II der Durchführungsverordnung 2021/1165 verwendet werden können.

78.      Um festzustellen, was unter extensiver Tierhaltung zu verstehen ist, ist der Leitfaden der Kommission von 1995 heranzuziehen, der für die Rinderhaltung auf Art. 6 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2328/91(46) sowie auf die Kriterien verweist, die die Kommission für andere Tierarten in verschiedenen Verordnungen des Unionsrechts festgelegt hat.

79.      Es ist komplexer, die Kriterien für den Begriff der konventionellen nichtindustriellen Tierhaltung zu bestimmen. Dieser Begriff ist a sensu contrario aus dem der industriellen Tierhaltung abzuleiten, denn die industrielle Tierhaltung ist immer konventionell, da sie den Anforderungen an die ökologische/biologische Tierhaltung nicht entspricht.

c)      Exkremente aus industrieller Tierhaltung

80.      Wie schon erwähnt, ist nach Anhang II der Verordnung 2021/1165 in der ökologischen/biologischen Pflanzenproduktion die Verwendung von Mist aus der industriellen Tierhaltung nicht zulässig. Für die Auslegung des zuletzt genannten Begriffs im Licht des Leitfadens der Kommission von 1995 und des Berichts der EGTOP von 2021 sind die folgenden qualitativen Kriterien relevant, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist:

–      Das Tierhaltungssystem: Die Haltung in Käfigen, Boxen oder Flat-Deck-Anlagen ist ein charakteristisches Merkmal der industriellen Tierhaltung(47), während die Freilandhaltung grundsätzlich darauf hindeutet, dass die Tierproduktion nicht industriell ist.

–      Die Bewegungsfreiheit der Tiere: Die Verwendung von Systemen, die verhindern, dass sich die Tiere um 360 Grad drehen können, ist ein weiteres Element der industriellen Tierhaltung. Bei der industriellen Produktion wird nämlich nicht von der Weidehaltung oder der Wandertierhaltung Gebrauch gemacht, die für die extensive Tierhaltung und die ökologische/biologische Produktion typisch sind.

–      Die Verfügbarkeit von Flächen im Tierhaltungsbetrieb: Stehen außerhalb der Ställe des Betriebs keine Flächen zur Verfügung, handelt es sich um eine flächenunabhängige Tierproduktion, die per se industriell ist, da das Futter der Tiere von außen zugeführt wird und ihre Exkremente nicht sicher vom Boden aufgenommen werden können. Auch ein Tierhaltungsbetrieb mit Flächen muss jedoch eine Mindestfläche pro Tier einhalten, um nicht als industriell eingestuft zu werden. Die Besatzdichte ist natürlich von Tierart zu Tierart unterschiedlich und muss die Möglichkeit gewährleisten, einen Teil des Futters der Tiere anzubauen und einen Teil ihrer Exkremente als Dünger zu verwenden.

–      Die Haltungspraktiken und die Bedingungen in den Ställen des Tierhaltungsbetriebs: Die Verfügbarkeit von Tränken und Futtertrögen pro Tier und die den Tierschutz betreffenden Bedingungen (Unterbringung, planbefestigter Boden, Beleuchtung usw.) sind zu berücksichtigen. Die Verwendung von Gitterrostsystemen oder Vollspaltenböden anstelle eines planbefestigten Bodens ist ein Indiz für industrielle Tierhaltung, ebenso wie das Fehlen trockener Böden mit pflanzlicher Einstreu zum Ruhen der Tiere(48).

–      Die Art des Tierfutters: Die Verwendung von Futtermitteln, die von außerhalb des Betriebs stammen, ist charakteristisch für die industrielle Tierhaltung, ebenso wie der fehlende Zugang zu Weideland oder Raufutter.

–      Die Krankheitsvorsorge-Systeme: Der umfassende Einsatz von bestimmten Tierarzneimitteln zur vorbeugenden Behandlung ist ein Indiz für die industrielle Tierhaltung, da die Tiere auf engstem Raum gehalten werden und die Gefahr von Seuchen größer ist.

–      Der ebenfalls umfassende Einsatz von wachstums- oder leistungsfördernden Stoffen wie Hormonen oder vergleichbaren Stoffen zur Kontrolle der Fortpflanzung oder zu anderen Zwecken(49).

81.      Anders als die französische Regierung vorschlägt, scheint mir das quantitative Kriterium der Anzahl der Tiere, wenn es nicht an die Fläche des Betriebs anknüpft, nicht ohne Weiteres ein geeignetes Kriterium für eine Definition der industriellen Tierhaltung zu sein. Die Anzahl der Tiere kann ein Hinweis auf industrielle Tierhaltung sein, ist aber kein Kriterium, das isoliert und unabhängig von den oben genannten qualitativen Kriterien anwendbar ist.

82.      Anhang I Nr. 17 der Richtlinie 2011/92 legt zwar anhand von Schwellenwerten nach der Zahl der Tiere fest, wann intensive Geflügel- und Schweinemastbetriebe einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Die schiere Größe eines Tierhaltungsbetriebs bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass es sich um eine industrielle Haltung handelt, wenngleich ein solcher Betrieb ausgedehnte Flächen benötigt, um nicht als industriell zu gelten(50). Ein großer Tierhaltungsbetrieb kann immer beträchtliche Umweltauswirkungen haben, weshalb die Richtlinie 2011/92 eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorschreibt; auf einen kleinen Betrieb trifft das nicht zu, sei er auch intensiv.

V.      Ergebnis

83.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Conseil d’État (Staatsrat, in seiner Eigenschaft als oberstes Verwaltungsgericht, Frankreich) wie folgt zu antworten:

„Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165 der Kommission vom 15. Juli 2021 über die Zulassung bestimmter Erzeugnisse und Stoffe zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion und zur Erstellung entsprechender Verzeichnisse

ist dahin auszulegen, dass

–      der Begriff ‚flächenunabhängige (Tier-)Produktion‘ enger und nicht mit dem Begriff ‚industrielle Tierhaltung‘ gleichzusetzen ist, sondern von diesem umfasst wird. In der ökologischen/biologischen Pflanzenproduktion dürfen Düngemittel, Bodenverbesserer und Nährstoffe aus der industriellen Tierhaltung und erst recht aus der flächenunabhängigen (Tier-)Produktion nicht verwendet werden.

–      Um eine Tierhaltung als industriell im Sinne von Anhang II Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2021/1165 einzustufen, können unter anderem die folgenden qualitativen Kriterien herangezogen werden: das Tierhaltungssystem, die Bewegungsfreiheit der Tiere, die Verfügbarkeit von Flächen im Tierhaltungsbetrieb und die Besatzdichte der Tiere auf diesen Flächen, die Haltungspraktiken und die Bedingungen in den Ställen des Tierhaltungsbetriebs, die Art des Tierfutters, die Krankheitsvorsorge-Systeme und die Verwendung chemischer Stoffe zur Wachstumsförderung oder zur Kontrolle der Fortpflanzung“.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      In der spanischen Sprachfassung der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165 wird der Ausdruck „ganadería intensiva“ („intensive Tierhaltung“) verwendet, während in den meisten Sprachfassungen von „ganadería industrial“ („industrieller Tierhaltung“) die Rede ist. Ich werde in meinen Schlussanträgen den zuletzt genannten Begriff verwenden, da ich davon ausgehe, dass diese beiden Begriffe im Rahmen der genannten Verordnung übereinstimmen.


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (ABl. 2018, L 150, S. 1).


4      Durchführungsverordnung der Kommission vom 15. Juli 2021 über die Zulassung bestimmter Erzeugnisse und Stoffe zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion und zur Erstellung entsprechender Verzeichnisse (ABl. 2021, L 253, S. 13).


5      Der Anteil der landwirtschaftlichen Flächen in der Union, die für den ökologischen/biologischen Landbau genutzt werden, ist im Zeitraum von 2012 bis 2020 um mehr als 50 % gestiegen. Im Jahr 2020 wurden 9,1 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Union ökologisch/biologisch bewirtschaftet; die Kommission schlug 2021 vor, diesen Anteil bis zum Jahr 2030 auf 25 % zu erhöhen. Darüber hinaus hat sich der Einzelhandelsumsatz mit ökologischen/biologischen Produkten in der Union zwischen 2015 und 2020 verdoppelt. Vgl. die Angaben im von der Europäischen Kommission im Januar 2023 veröffentlichten Kurzbericht Organic farming in the EU – a decade of organic growth, abrufbar auf der Seite https://agriculture.ec.europa.eu/news/organic-farming-eu-decade-growth-2023-01-18_de?etrans=es#more .


6      Ökologische/biologische Betriebe benötigen organische Stoffe zur Düngung der Böden. Die Verwendung von Mist war bis zur allgemeinen Verbreitung chemischer Düngemittel die traditionelle Methode der Düngung, aber chemische Düngemittel sind im ökologischen/biologischen Landbau nicht erlaubt, wo nach wie vor hauptsächlich Mist als Düngemittel verwendet wird.


7      Die Tierhaltung in ökologischen/biologischen Betrieben ist zumeist extensiv, was bedeutet, dass die Exkremente der Tiere weitgehend über das Land verstreut sind und – mit Ausnahme der Exkremente, die in den Stallungen anfallen, in denen die Tiere untergebracht sind – nicht eingesammelt werden können. Die Verfügbarkeit von ökologischem/biologischem Mist ist daher begrenzt und reicht nicht aus, um den ökologischen/biologischen Landbau ausreichend mit Düngemitteln zu versorgen.


8      Unter konventioneller Tierhaltung ist eine Tierproduktion zu verstehen, die nicht ökologisch/biologisch ist, die also nicht den Vorgaben des Anhangs II der Verordnung 2018/848 entspricht.


9      Guide de lecture pour l’application des règlements (CE) n° 834/2007 … et (CE) n° 889/2008 (Leseleitfaden für die Verordnungen Nr. 834/2007 und Nr. 889/2008). Abrufbar auf der Seite https://www.inao.gouv.fr/content/download/1352/13877/version/18/file/GUIDE‑de-LECTURE‑RCE‑BIO%202020-01.pdf.


10      Verordnung der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2008, L 250, S. 1).


11      Dabei handelt es sich um einen Berufsverband, dessen Zweck die Verteidigung der kollektiven Interessen der Erzeuger von organischen Düngemitteln ist.


12      Darüber hinaus beantragte AFAÏA, das INAO zu verpflichten, den Leseleitfaden innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung entsprechend zu ändern sowie Maßnahmen zur Bekanntmachung dieser Änderung zu treffen, um klarzustellen, dass die neue Auslegung der Definition von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft nicht mehr anwendbar und nicht mehr gültig sei.


13      Verordnung des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1).


14      Aus Rn. 3 des Vorlagebeschlusses ergibt sich, dass das INAO auf seiner Internetseite einen neuen Leseleitfaden veröffentlicht hat, der seit dem 1. Januar 2022 gilt und in Nr. 192 die bisherige Auslegung des Begriffs „industrielle Tierhaltung“ übernimmt.


15      Es erläutert, dass dieser Begriff in den meisten Sprachfassungen der Durchführungsverordnung 2021/1165, insbesondere in der englischen Sprachfassung, verwendet werde, während in der dänischen, der niederländischen und der portugiesischen Sprachfassung der Begriff „flächenunabhängige Produktion“ verwendet werde.


16      Es wird konkretisiert, dass es sich dabei um ein „Gemisch aus tierischen Exkrementen und pflanzlichem Material (Einstreu und Futtermittel)“ handelt.


17      In diesem Fall ist die „Verwendung nach kontrollierter Fermentation und/oder geeigneter Verdünnung“ gestattet, aber es bleibt dabei, dass das Erzeugnis nicht aus industrieller Tierhaltung stammen darf.


18      Vgl. die Fn. 21 bis 24 der vorliegenden Schlussanträge.


19      Wie aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Rechts der Union und aus dem Gleichheitssatz folgt, müssen die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten. Urteile vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI (C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 31), vom 2. Juni 2022, HK/Danmark und HK/Privat (C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 25) und vom 30. März 2023, Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (C‑34/21, EU:C:2023:270, Rn. 40).


20      Das heißt entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, wobei der Zusammenhang, in dem er verwendet wird, und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört. Urteile vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI (C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 32), vom 2. Juni 2022, HK/Danmark und HK/Privat (C‑587/20, EU:C:2022:419, Rn. 26), vom 30. März 2023, Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (C‑34/21, EU:C:2023:270, Rn. 41) und vom 8. Juni 2023, UFC – Que choisir und CLVC
(C‑407/21, EU:C:2023:449, Rn. 24).


21      Der Ausdruck industrielle Tierhaltung wird in der deutschen („Erzeugnis darf nicht aus industrieller Tierhaltung stammen“), englischen („factory farming origin forbidden“), französischen („provenance d’élévage industriel interdite“), italienischen („proibito se proveniente da allevamenti industriali“), litauischen („medžiagos, gautos pramoninės žemdirbystės būdu, draudžiamos“), polnischen („Zakazane są produkty pochodzące z chowu przemysłowego“) oder rumänischen Sprachfassung („proveniența din ferme industriale este interzisă“) verwendet.


22      Die bulgarische („забранен е произходът от интензивни животновъдни стопанства“), griechische („η προέλευση από εντατικοποιημένη εκτροφή απαγορεύεται“) und spanische Sprachfassung („prohibida la procedencia de ganaderías intensivas“) sprechen von intensiver Tierhaltung.


23      Die tschechische Sprachfassung („Nesmí pocházet z velkochovu“) bezieht sich auf Tierhaltung in großem Maßstab.


24      In der dänischen („ikke fra jordløst husdyrbrug“), niederländischen („Het product mag niet afkomstig zijn van niet-grondgebonden veehouderij“) und portugiesischen Sprachfassung („Proibidos os produtos provenientes das explorações pecuárias ‚sem terra‘“) ist von flächenunabhängiger Tierhaltung die Rede.


25      Urteil vom 6. Oktober 2021, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi (C‑561/19, EU:C:2021:799, Rn. 43).


26      Urteile vom 27. März 1990, Cricket St Thomas (C‑372/88, EU:C:1990:140, Rn. 18) und vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 65).


27      Ein Beispiel für die industrielle Tierhaltung sind Großbetriebe (sog. „Tierfabriken“), die sich durch die Haltung einer großen Anzahl von Tieren in einem Betrieb auszeichnen, der nicht über genügend Fläche verfügt, um ihre Nahrung zu produzieren und ihre Exkremente sicher aufzunehmen.


28      Und zwar, wenn der Landwirt, der eine ökologische/biologische Tierhaltung zu betreiben beabsichtigt, keine landwirtschaftlichen Nutzflächen bewirtschaftet und keine schriftliche Kooperationsvereinbarung mit einem Landwirt hinsichtlich der Nutzung von ökologischen/biologischen Produktionseinheiten für diese Tierhaltung getroffen hat.


29      Ein Beispiel für diese Art der Tierhaltung sind wiederum Großbetriebe zur Aufzucht von Schweinen oder Hühnern, in denen zugleich eine intensive und eine flächenunabhängige Tierhaltung stattfindet.


30      Wenn die Besatzdichte der Tiere pro Hektar sehr hoch ist, das Futter von außen zugeführt wird und möglicherweise genetisch verändert ist und der Boden nicht in der Lage ist, die Exkremente aus der Tierhaltung sicher aufzunehmen.


31      Verordnung des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 1991, L 198, S. 1, geändert durch die Verordnung [EG] Nr. 2381/94, ABl. 1994, L 255, S.84, berichtigt in ABl. 1995, L 21, S. 21).


32      Verordnung des Rates vom 15. Juli 1991 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur (ABl. 1991, L 218, S. 1). Gemäß Art. 6 Abs. 5 dieser Verordnung wurden Beihilfen für Investitionen im Bereich der Rindfleischerzeugung, mit Ausnahme der Beihilfen im Bereich des Umweltschutzes, „nur für Tierhaltungen gewährt, bei denen der Besatz mit Fleischrindern am Ende des Planzeitraums 3 Großvieheinheiten (GVE) je Hektar für die Ernährung dieser Rinder benötigter Gesamtfutteranbaufläche nicht übersteigt …“.


33      „Die ökologische/biologische Produktion bildet ein Gesamtsystem der landwirtschaftlichen Betriebsführung und der Lebensmittelproduktion, das beste umweltschonende und klimaschützende Verfahren, ein hohes Maß an Artenvielfalt, den Schutz der natürlichen Ressourcen sowie die Anwendung hoher Tierschutz- und Produktionsstandards kombiniert, die der Tatsache Rechnung tragen, dass die Nachfrage der Verbraucher nach Erzeugnissen, die unter Verwendung natürlicher Stoffe und nach natürlichen Verfahren erzeugt worden sind, stetig steigt. …“


34      „Die Einhaltung hoher Standards in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Tierschutz bei der Produktion ökologischer/biologischer Erzeugnisse ist für die hohe Qualität dieser Erzeugnisse von grundlegender Bedeutung. …“


35      Vgl. Urteile vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 63 und 64) und vom 17. Dezember 2020, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u. a. (C‑336/19, EU:C:2020:1031, Rn. 41 und 42).


36      Urteil vom 26. Februar 2019, Œuvre d’assistance aux bêtes d’abattoirs (C‑497/17, EU:C:2019:137, Rn. 38).


37      Urteil vom 29. April 2021, Natumi (C‑815/19, EU:C :2021:336, Rn. 70 und 71): „[D]ie Verordnung 2018/848 und der genannte Entwurf der Durchführungsverordnung einschließlich ihrer Anhänge … zeigen … eine Entwicklung bei ökologischen/biologischen Lebensmitteln auf, die dahin geht, den Zusatz nicht ökologischer/nicht biologischer Bestandteile zu ökologischen/biologischen Lebensmitteln zu begrenzen“.


38      Nach diesen Angaben stammen 75 % des Schweinemists und 40 % des Geflügelmists aus konventionellen nichtindustriellen Tierhaltungsbetrieben.


39      Der Gerichtshof ist offensichtlich nicht das geeignete Organ, um zu regeln, was unter industrieller Tierhaltung zu verstehen ist, da er weder über Folgenabschätzungen verfügt, die es ermöglichen, die Folgen der einen oder anderen Variante abzusehen, noch über Sachverständige mit Kenntnissen in diesem Sektor. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass derzeit an einer Vorschrift gearbeitet werde, die diesen Begriff präzisiert.


40      Guidelines for the use of livestock excrements in organic farming (Annex II, part A, to Regulation (EEC) Nº 2092/91) (Leitfaden zur Verwendung von tierischen Exkrementen im ökologischen/biologischen Landbau), abrufbar unter https://www.phosphorusplatform.eu/images/download/Commission%20EU%20COM%20Guidelines%20excrements%20organic%20farming%20-%20Factory%20Farming%20VI568495-EN%20Rev5PPQPPEN955684R5.pdf.


41      Im Gegensatz dazu wurde in dem Leitfaden darauf hingewiesen, dass die unionsrechtlichen Regelungen die Verwendung von Mist aus der extensiven Tierhaltung ohne Einschränkung zuließen, und zwar wegen des geringen Risikos, dass er unerwünschte Rückstände enthalte, da zur Fütterung Weideland und Raufutter verwendet würden und da eine Methode zur Sammlung der Exkremente (im Grunde einer Mischung aus Einstreu und Stallmist) angewandt werde, die einen gewissen Abbau der organischen Stoffe bewirke.


42      Expert Group for Technical Advice on Organic Production (EGTOP), Factory Farming (the use of fertilisers from conventional animal husbandry in organic plant and algae production). Final Report, Mai 2021, abrufbar unter https://agriculture.ec.europa.eu/system/files/2021-12/egtop-report-on-factory-farming_en_0.pdf. Im Folgenden: Bericht der EGTOP von 2021.


43      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1).


44      Als solche gelten Betriebe mit mehr als a) 85 000 Plätzen für Masthähnchen und
-hühnchen, 60 000 Plätzen für Hennen; b) 3 000 Plätzen für Mastschweine (Schweine über 30 kg) oder c) 900 Plätzen für Sauen.


45      Siehe jedoch Nr. 82 und Fn. 50 der vorliegenden Schlussanträge.


46      Danach werden die Beihilfen für Investitionen im Bereich der Rindfleischerzeugung, mit Ausnahme der Beihilfen zu Leistungen im Bereich des Umweltschutzes, nur für Tierhaltungen gewährt, bei denen der Besatz mit Fleischrindern am Ende des Planzeitraums zwei Großvieheinheiten (GVE) je Hektar für die Ernährung dieser Rinder benötigter Gesamtfutteranbaufläche nicht übersteigt (1994 war eine maximale Besatzdichte von 3 GVE/ha und 1995 von 2,5 GVE/ha zulässig). Anhang I der Verordnung Nr. 2328/91 enthält die in Art. 6 Abs. 5 und Art. 19 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung erwähnte Tabelle für die Umrechnung von Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen in Großvieheinheiten (GVE): Stiere, Kühe und sonstige Rinder von mehr als 2 Jahren, Pferde von mehr als 6 Monaten = 1,0 GVE; Rinder von 6 Monaten bis 2 Jahren = 0,6 GVE; Schafe (Mutterschafe) = 0,15 GVE; Ziegen (Muttertiere) = 0,15 GVE.


47      Nach Anhang II Nr. 1.6.8 der Verordnung 2018/848 ist in der ökologischen/biologischen Tierhaltung „[d]ie Verwendung von Käfigen, Boxen und Flat-Deck-Anlagen zur Viehzucht … für keine Tierart zulässig“.


48      Ich möchte daran erinnern, dass nach dem Leseleitfaden des INAO die Verwendung von Mist „aus Betrieben mit Gitterrostsystemen oder Vollspaltenböden, die die in Anhang I der Richtlinie 2011/92/EU festgelegten Schwellenwerte überschreiten“, sowie „aus Aufzucht mit Käfighaltung, die [die gleichen Schwellenwerte] überschreitet“, ausgeschlossen ist.


49      Gemäß Anhang II Nrn. 1.5.1.3 und 1.5.1.4 der Verordnung 2018/848 ist die Verwendung solcher Erzeugnisse in der ökologischen/biologischen Tierhaltung verboten.


50      Wie AFAÏA in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist ein Schweinehaltungsbetrieb nicht bloß deshalb industriell, weil er z. B. mehr als 900 Plätze für Zuchtsauen hat, und nicht mehr industriell, wenn er nur 899 Plätze hat, wie es sich aus der Anwendung der Schwellenwerte in Anhang I der Richtlinie 2011/92 ergeben würde. Ein extensiver Schweinehaltungsbetrieb mit mehr als 900 iberischen Zuchtsauen auf ausgedehnten Weideflächen in Extremadura (Spanien) oder Alentejo (Portugal) ist nicht als industrielle Schweinehaltung anzusehen. Andererseits kann ein Betrieb mit 800 Zuchtsauen in einer Anlage ohne weitere Flächen industriell sein, obwohl er keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.