Language of document : ECLI:EU:C:2016:526

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

7. Juli 2016(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Art. 101 AEUV – Nicht ausschließliche Lizenzvereinbarung – Patent – Nichtverletzung – Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr“

In der Rechtssache C‑567/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Entscheidung vom 23. September 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Dezember 2014, in dem Verfahren

Genentech Inc.

gegen

Hoechst GmbH,

Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter A. Arabadjiev, J.‑C. Bonichot, C. G. Fernlund (Berichterstatter) und E. Regan,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Genentech Inc., vertreten durch E. Kleiman, S. Saleh, C. Ritz, L. De Maria, E. Gaillard und J. Philippe, avocats, sowie die Rechtsanwälte P. Chrocziel und T. Lübbig,

–        der Hoechst GmbH und der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, vertreten durch A. Wachsmann, A. van Hooft, M. Barbier, A. Fisselier und T. Elkins, avocats,

–        der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, D. Segoin und J. Bousin als Bevollmächtigte,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Dawes, B. Mongin und F. Castilla Contreras als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2016

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Genentech Inc. einerseits und der Hoechst GmbH und der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH andererseits über die Nichtigerklärung eines Schiedsspruchs betreffend die Erfüllung eines Lizenzvertrags über Patentrechte.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

3        Am 6. August 1992 gewährte die Behringwerke AG Genentech eine nicht ausschließliche weltweite Lizenz (im Folgenden: Lizenzvereinbarung) für die Nutzung eines aus dem menschlichen Cytomegalovirus abgeleiteten Enhancers (im Folgenden: HCMV‑Enhancer). Diese Technologie war Gegenstand des am 22. April 1992 erteilten und am 12. Januar 1999 widerrufenen europäischen Patents Nr. EP 0173 177 53 und der beiden am 15. Dezember 1998 und am 17. April 2001 in den Vereinigten Staaten erteilten Patente US 522 und US 140.

4        Genentech nutzte den HCMV-Enhancer, um die Transkription eines Abschnitts der Desoxyribonukleinsäure (DNS) zu erleichtern, der zur Herstellung eines biologischen Arzneimittels mit dem Wirkstoff Rituximab erforderlich ist. Genentech vertreibt dieses Arzneimittel in den Vereinigten Staaten unter dem Handelsnamen Rituxan und in der Europäischen Union unter dem Handelsnamen MabThera.

5        Für die Lizenzvereinbarung galt deutsches Recht.

6        Nach Art. 3.1 der Lizenzvereinbarung verpflichtete sich Genentech als Gegenleistung für das Recht zur Nutzung des HCMV‑Enhancers zur Zahlung

–        einer einmaligen Gebühr von 20 000 Deutschen Mark (DM) (etwa 10 225 Euro),

–        einer jährlichen festen Gebühr von 20 000 DM und

–        einer laufenden Gebühr von 0,5 % des Nettoumsatzes mit Fertigerzeugnissen des Lizenznehmers und seiner Tochtergesellschaften und Unterlizenznehmer.

7        Die Lizenzvereinbarung definiert „Fertigerzeugnisse“ als „kommerziell handelbare Waren, die ein Lizenzprodukt enthalten und in einer Form verkauft werden, die ihre Verabreichung an Patienten zu therapeutischen Zwecken ermöglicht oder im Rahmen eines Diagnoseverfahrens verwendet wird, und die vor ihrer Verwendung weder auf eine neue Zubereitung, Behandlung, Neuverpackung oder Neuetikettierung gerichtet sind noch als solche gehandelt werden“. Der Begriff „Lizenzprodukte“ ist in dieser Vereinbarung definiert als „Materialien (einschließlich Organismen) deren Herstellung, Verwendung oder Verkauf ohne den vorliegenden Vertrag einen oder mehrere nicht erloschene Ansprüche verletzen würde, die zu den mit den lizenzierten Patenten verbundenen Rechten gehören“.

8        Genentech entrichtete die einmalige und die jährliche Gebühr, hat jedoch nie die laufende Gebühr an Hoechst, die Rechtsnachfolgerin von Behringwerke, gezahlt.

9        Am 30. Juni 2008 verlangte Sanofi-Aventis Deutschland, eine Tochtergesellschaft von Hoechst, von Genentech Auskunft über die ohne Entrichtung der laufenden Gebühr vertriebenen Fertigerzeugnisse.

10      Am 27. August 2008 teilte Genentech Sanofi‑Aventis Deutschland mit, dass sie die Lizenzvereinbarung zum 28. Oktober 2008 kündige.

11      Am 24. Oktober 2008 leitete Hoechst, die davon ausging, dass Genentech den HCMV-Enhancer verwendet habe, ohne die laufenden Gebühren zu entrichten, gegen Genentech ein Schiedsverfahren auf der Grundlage der Schiedsklausel in Art. 11 der Lizenzvereinbarung ein.

12      Am 27. Oktober 2008 reichte Sanofi‑Aventis Deutschland beim United States Court for the Eastern District of Texas (US‑Bundesgericht für den Bezirk Ost-Texas, Vereinigte Staaten) eine Klage wegen Verletzung der lizenzierten Patente gegen Genentech und die Biogen Idec Inc. ein. Diese erhoben am selben Tag beim United States District Court for the Northern District of California (US‑Bundesgericht für den Bezirk Nord‑Kalifornien, Vereinigte Staaten) Klage auf Nichtigerklärung dieser Patente. Die beiden Klagen wurden vor dem letztgenannten Gericht verbunden, das sie mit Entscheidung vom 11. März 2011 abwies.

13      Mit Urteil vom 22. März 2012 wies der United States Court of Appeals for the Federal Circuit (US‑Bundesrechtsmittelgericht, Vereinigte Staaten) die Berufung von Sanofi‑Aventis Deutschland gegen diese Entscheidung zurück.

14      Mit einem dritten, am 5. September 2012 ergangenen Teilschiedsspruch (im Folgenden: dritter Teilschiedsspruch) stellte der Einzelschiedsrichter fest, dass Genentech gegenüber Hoechst für die Zahlung der laufenden Gebühr hafte.

15      Am 10. Dezember 2012 erhob Genentech bei der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) eine Klage auf Nichtigerklärung des dritten Teilschiedsspruchs.

16      Am 25. Februar 2013 erließ der Einzelschiedsrichter den Endschiedsspruch und den vierten Teilschiedsspruch zu Betrag und Kosten, mit dem Genentech dazu verurteilt wurde, neben den Schiedskosten und den Vertretungskosten einen Betrag von 108 322 850 Euro zuzüglich einfacher Zinsen als Schadensersatz an Hoechst zu zahlen. Dieser Endschiedsspruch wurde durch einen Nachtrag vom 22. Mai 2013 ergänzt.

17      Mit Beschluss vom 3. Oktober 2013 erklärte die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) den dritten Teilschiedsspruch für vollstreckbar und lehnte es ab, die Klagen von Genentech auf Nichtigerklärung des dritten Teilschiedsspruchs, des Endschiedsspruchs vom 25. Februar 2013 und des am 22. Mai 2013 erlassenen Nachtrags zu verbinden.

18      Im Rahmen des Verfahrens über die Nichtigerklärung des dritten Teilschiedsspruchs stellt sich dem vorlegenden Gericht die Frage, ob die Lizenzvereinbarung mit Art. 101 AEUV vereinbar ist. Es weist darauf hin, dass der Einzelschiedsrichter die Ansicht vertreten habe, dass der Lizenznehmer während der Laufzeit der Vereinbarung zur Zahlung der vertraglichen Gebühren verpflichtet gewesen sei, obwohl die Nichtigerklärung der Patente Rückwirkung habe. Es fragt sich, ob ein solcher Vertrag gegen Art. 101 AEUV verstößt, da er den Lizenznehmer zur Zahlung von Gebühren verpflichtet, für die aufgrund der Nichtigerklärung der Patente, mit denen die gewährten Rechte verbunden waren, kein Rechtsgrund mehr besteht, und ihm dadurch einen „Wettbewerbsnachteil“ zufügt.

19      Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Bestimmungen von Art. 101 AEUV dahin auszulegen, dass sie im Fall der Nichtigerklärung von Patenten der Wirksamkeit eines Lizenzvertrags entgegenstehen, der den Lizenznehmer verpflichtet, für die bloße Nutzung der mit den lizenzierten Patenten verbundenen Rechte Gebühren zu zahlen?

 Zur Vorlagefrage

 Zur Zulässigkeit

20      Hoechst und Sanofi‑Aventis Deutschland (im Folgenden zusammen: Hoechst) sowie die französische Regierung machen geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, was die Europäische Kommission bestreitet.

21      Hoechst trägt erstens vor, dass das vorlegende Gericht nach nationalem Verfahrensrecht eine solche Frage nicht stellen könne, ohne seine eigene Zuständigkeit zu verletzen. Hoechst habe daher bei der Cour de cassation (Kassationshof, Frankreich) ein Rechtsmittel gegen das Vorabentscheidungsersuchen eingelegt.

22      Es ist jedoch zum einen daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV weder zur Auslegung innerstaatlicher Rechts‑ oder Verwaltungsvorschriften noch zu Äußerungen über deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht befugt ist (Urteil vom 11. März 2010, Attanasio Group, C‑384/08, EU:C:2010:133, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zum anderen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, nachzuprüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das Gerichtsverfahren entspricht (Urteile vom 14. Januar 1982, Reina, 65/81, EU:C:1982:6, Rn. 8, und vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, EU:C:2006:734, Rn. 14).

23      Der Gerichtshof ist an die von einem mitgliedstaatlichen Gericht erlassene Vorlageentscheidung gebunden, solange sie nicht aufgrund eines im nationalen Recht eventuell vorgesehenen Rechtsbehelfs aufgehoben worden ist (Urteile vom 12. Februar 1974, Rheinmühlen-Düsseldorf, 146/73, EU:C:1974:12, Rn. 3, und vom 1. Dezember 2005, Burtscher, C‑213/04, EU:C:2005:731, Rn. 32). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien, dass die Cour de cassation mit Beschluss vom 18. November 2015 das Rechtsmittel von Hoechst gegen das Vorabentscheidungsersuchen zurückgewiesen hat, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Ersuchen aufgehoben worden ist.

24      Zweitens macht Hoechst geltend, dass dem vorlegenden Gericht keine zweckdienliche Antwort gegeben werden könne. Bei einer Klage auf Nichtigerklärung eines internationalen Schiedsspruchs seien die nationalen Gerichte nicht befugt, zu überprüfen, wie der Einzelschiedsrichter über die Wettbewerbsfragen entschieden habe, wenn er im Endschiedsspruch die Ansicht vertreten habe, dass kein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vorliege.

25      Die französische Regierung fügt hinzu, dass das Vorabentscheidungsersuchen nicht die tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalte, die für eine zweckdienliche Beantwortung der vorgelegten Frage erforderlich seien. Insbesondere würden in der Vorlageentscheidung nicht die tatsächlichen Bedingungen für die Funktionsweise und Struktur des betreffenden Marktes oder der betreffenden Märkte erläutert. Das vorlegende Gericht habe bestimmte normative Instrumente, die sich auf das Wettbewerbsrecht der Union bezögen und einschlägig seien, nicht erwähnt und keinerlei Angaben zum deutschen Recht, dem die Lizenzvereinbarung unterliege, gemacht.

26      Insoweit ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betrifft die vorgelegte Frage die Auslegung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof somit grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden. Er kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 38 und 39, und vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli, C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363, Rn. 27).

27      Da das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall wissen möchte, ob Art. 101 AEUV einer der Auslegung durch den Einzelschiedsrichter entsprechenden Durchführung der Lizenzvereinbarung entgegensteht, ist die dem Gerichtshof vorgelegte Frage, wie diese Bestimmung des AEU‑Vertrags auszulegen ist, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht offensichtlich unerheblich. In der Vorlageentscheidung werden die Grundlage und die Art dieses Rechtsstreits, dessen Entscheidung von der Auslegung des Art. 101 AEUV abhängen soll, knapp, aber präzise dargestellt. Damit hat das vorlegende Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem es sein Ersuchen um Auslegung des Unionsrechts stellt, so ausreichend festgelegt, dass der Gerichtshof das Vorabentscheidungsersuchen sachgerecht beantworten kann.

28      Drittens machen Hoechst und die französische Regierung geltend, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage nicht dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt entspreche, da die amerikanischen Patente, die allein für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblich seien, nicht für nichtig erklärt worden seien.

29      Hierzu ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht seine Frage zwar so formuliert hat, dass sie dahin verstanden werden könnte, dass sie sich auf den besonderen Fall bezieht, dass der Lizenznehmer die Gebühren für die Nutzung der mit den lizenzierten Patenten verbundenen Rechte trotz der Nichtigerklärung dieser Patente zahlen muss.

30      Wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist jedoch dem Vorabentscheidungsersuchen, wie es im Wesentlichen in den Rn. 12 und 13 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist, eindeutig zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht sich dessen bewusst ist, dass das am 15. Dezember 1998 erteilte Patent US 522 und das am 17. April 2001 erteilte Patent US 140, die allein für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblich sind, nicht für nichtig erklärt wurden. Mit der Erwähnung der Nichtigerklärung der Patente greift das vorlegende Gericht lediglich bestimmte Angaben in den Rn. 193 und 194 des dritten Teilschiedsspruchs auf, die in offensichtlichem Widerspruch sowohl zum Rest dieses Schiedsspruchs, insbesondere dessen Rn. 51 bis 53, als auch zu den dem Gerichtshof vorgelegten Aktenstücken stehen.

31      Die Vorlagefrage ist daher zulässig.

 Zur Begründetheit

32      Zunächst ist festzustellen, dass Genentech nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten im Schiedsverfahren geltend machte, dass sie nicht verpflichtet sei, die laufende Gebühr zu zahlen, da deren Zahlung nach der Lizenzvereinbarung zum einen voraussetze, dass der HCMV‑Enhancer im Fertigerzeugnis Rituximab vorhanden sei, und zum anderen, dass die Herstellung oder die Verwendung des Enhancers ohne diese Vereinbarung die mit den lizenzierten Patenten verbundenen Rechte verletze. Der Einzelschiedsrichter wies dieses Vorbringen jedoch zurück, da es auf einer wörtlichen Auslegung der Lizenzvereinbarung beruhe, die dem von den Parteien verfolgten wirtschaftlichen Zweck widerspreche, nämlich Genentech zu erlauben, den HCMV‑Enhancer für die Herstellung von Proteinen zu verwenden, ohne sich dem Risiko einer Verletzungsklage durch den Inhaber der Rechte an dieser Technologie auszusetzen.

33      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich ferner, dass Genentech im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits vorträgt, dass ihr der dritte Teilschiedsspruch unter Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht ungerechtfertigte Kosten auferlege, weil sie die laufende Gebühr zahlen müsse, obwohl keinerlei Verletzung vorliege und diese Gebühr nach dem Wortlaut der Lizenzvereinbarung nur für Erzeugnisse geschuldet werde, deren Herstellung, Verwendung oder Verkauf ohne diese Vereinbarung die lizenzierten Patente verletzen würde.

34      Daraus folgt, dass die Vorlagefrage, auch wenn es der Form nach den Anschein hat, das vorlegende Gericht habe sie, wie bereits in Rn. 29 des vorliegenden Urteils festgestellt, auf den Fall einer Nichtigerklärung der Patente beschränkt, so zu verstehen ist, dass sie auch den Fall der Nichtverletzung der lizenzierten Patente erfasst.

35      Die Frage des vorlegenden Gerichts ist demnach so zu verstehen, dass dieses im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass dem Lizenznehmer mit einer Lizenzvereinbarung wie der des Ausgangsverfahrens die Verpflichtung auferlegt wird, während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung eine Gebühr für die Verwendung einer patentierten Technologie zu zahlen, wenn die Patente, mit denen diese Technologie geschützt wird, für nichtig erklärt oder nicht verletzt werden.

36      Diese Frage ist nach Auffassung von Genentech und der spanischen Regierung zu bejahen. Hoechst, die französische und die niederländische Regierung sowie die Kommission teilen diese Meinung nicht.

37      Genentech wirft dem Einzelschiedsrichter vor, den eindeutigen Wortlaut der Lizenzvereinbarung und des Art. 101 AEUV verkannt zu haben, als er sie verpflichtet habe, Gebühren für die Umsätze mit einem Erzeugnis zu zahlen, das die patentierte Technologie nicht verletze. Durch diese bezweckte und bewirkte Beschränkung von Art. 101 AEUV seien ihr im Vergleich zu ihren Wettbewerbern zusätzliche Kosten von etwa 169 Mio. Euro entstanden.

38      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es, wie der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht Aufgabe des Gerichtshofs ist, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens den vom Einzelschiedsrichter festgestellten Sachverhalt und dessen auf der Grundlage des deutschen Rechts vorgenommene Auslegung der Lizenzvereinbarung, wonach Genentech die laufende Gebühr trotz der Nichtigerklärung oder der Nichtverletzung der im Ausgangsverfahren fraglichen Patente zahlen muss, zu überprüfen.

39      Ferner hat der Gerichtshof bereits zu einer ausschließlichen Lizenzvereinbarung festgestellt, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr, auch nach Ablauf der Geltungsdauer des lizenzierten Patents, den Wert widerspiegeln kann, der nach kaufmännischer Beurteilung den mit dem Lizenzvertrag verbundenen Möglichkeiten der Nutzbarmachung beigemessen wird, insbesondere wenn diese Verpflichtung in einem Lizenzvertrag enthalten ist, der vor Erteilung des Patents geschlossen wurde (Urteil vom 12. Mai 1989, Ottung, 320/87, EU:C:1989:195, Rn. 11). Unter solchen Umständen kann, wenn der Lizenznehmer den Vertrag mit einer angemessenen Frist kündigen kann, eine Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren während der gesamten Geltungsdauer des Vertrags nicht in den Anwendungsbereich des in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochenen Verbots fallen (Urteil vom 12. Mai 1989, Ottung, 320/87, EU:C:1989:195, Rn. 13).

40      Somit ergibt sich aus dem Urteil vom 12. Mai 1989, Ottung (320/87, EU:C:1989:195), dass Art. 101 Abs. 1 AEUV es dann nicht verbietet, vertraglich die Zahlung einer Gebühr für die ausschließliche Verwendung einer nicht mehr patentgeschützten Technologie vorzuschreiben, wenn der Lizenznehmer diesen Vertrag kündigen kann. Diese Beurteilung beruht auf der Feststellung, dass diese Gebühr den Preis darstellt, der für die kommerzielle Verwertung der lizenzierten Technologie in der Gewissheit, dass der Lizenzgeber seine Rechte des geistigen Eigentums nicht wahrnehmen wird, zu zahlen ist. Solange der betreffende Lizenzvertrag gilt und vom Lizenznehmer gekündigt werden kann, wird die Gebühr geschuldet, und zwar auch dann, wenn die Rechte des geistigen Eigentums aus Patenten, für die eine ausschließliche Lizenz gewährt wurde, wegen des Ablaufs der Patente gegenüber dem Lizenznehmer nicht durchgesetzt werden können. Anhand derartiger Umstände, insbesondere der Möglichkeit des Lizenznehmers, den Lizenzvertrag zu kündigen, lässt sich nämlich ausschließen, dass die Zahlung einer Gebühr den Wettbewerb beeinträchtigt, indem sie die Handlungsfreiheit des Lizenznehmers einschränkt oder zu Marktabschottungseffekten führt.

41      Diese sich aus dem Urteil vom 12. Mai 1989, Ottung (320/87, EU:C:1989:195), ergebende Lösung ist erst recht in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens geboten. Wird während der Laufzeit einer Lizenzvereinbarung die Gebühr geschuldet, und zwar auch nach Ablauf der Rechte des geistigen Eigentums, gilt dies nämlich erst recht vor Ablauf dieser Rechte.

42      Dass die Gerichte des Ausstellungsstaats der im Ausgangsverfahren fraglichen Patente nach der Kündigung der Lizenzvereinbarung entschieden haben, dass die Verwendung der lizenzierten Technologie durch Genentech nicht die Rechte aus diesen Patenten verletze, hat nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts zu dem auf diese Vereinbarung anwendbaren deutschen Recht keine Auswirkungen auf die Fälligkeit der Gebühr für die Zeit vor dieser Kündigung. Da Genentech diese Vereinbarung jederzeit kündigen konnte, stellt die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühr während der Laufzeit der Vereinbarung, als die Rechte aus den lizenzierten Patenten galten, keine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV dar.

43      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass dem Lizenznehmer mit einer Lizenzvereinbarung wie der des Ausgangsverfahrens die Verpflichtung auferlegt wird, im Fall der Nichtigerklärung oder der Nichtverletzung des lizenzierten Patents während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung eine Gebühr für die Verwendung der patentierten Technologie zu zahlen, da der Lizenznehmer diese Vereinbarung mit einer angemessenen Frist kündigen konnte.

 Kosten

44      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass dem Lizenznehmer mit einer Lizenzvereinbarung wie der des Ausgangsverfahrens die Verpflichtung auferlegt wird, im Fall der Nichtigerklärung oder der Nichtverletzung des lizenzierten Patents während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung eine Gebühr für die Verwendung der patentierten Technologie zu zahlen, da der Lizenznehmer diese Vereinbarung mit einer angemessenen Frist kündigen konnte.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.